Sonntag, 29. Oktober 2017
In Rom kannte man kein Stoppschild
Was für die strategisch denkende Führungsschicht des Imperiums im Zuge ihres Strebens nach Machterweiterung immer schon völlig zweitrangig war, war ihr Bedürfnis nach tieferem Wissen um Kultur, Tradition, aber auch um die Machtverhältnisse, Stammesstrukturen und Herrschaftsbereiche gegnerischer Völker sofern diese nicht ihren militärischen Zielen und Plänen dienlich waren. Die römischen Schriftsteller berichteten zwar gerne und ausführlich über Land und Leute, aber es waren oft eher Reiseberichte vom Typ Ausonius bzw. Humboldt oder Livingston, oder aber moralische Lektionen für das eigene Volk a` la Tacitus am Beispiel germanischer Tugendhaftigkeit. Im mittelgebirgigen rechtsrheinischen und heutigen Bergischen- Sieger- und Sauerland gegenüber der CCAA bis weit nach Osten dominierten um die Jahrtausendwende ausgedehnte und schwach besiedelte Waldgebiete die erst Jahrhunderte später intensiver erschlossen und stärker besiedelt wurden. Dagegen war das Münsterland zwischen dem Teutoburger Wald und der Ruhr ein Sumpfgebiet mit regionalen Zivilisationsinseln aber dem Vorteil eines von Ost nach West fließenden trägen jedoch schiffbaren Flusses, der Lippe. Zogen die Legionen mal abgesehen von Xanten oder Neuss ab ihren Lagern Bonn oder Köln nach Osten bzw. Nordosten, so störte sie auf diesem Weg immer zuerst ein recht schnell fließender Fluss, der sich auf steiniger Sohle durch zahlreiche Engen und Windungen wippt. Die unbrauchbare Wupper. Sie war nur hinderlich nicht schiffbar, an den Ufern kaum begehbar und ihr Bogen artiger Verlauf war für sie zu allem Überfluss auch noch strategisch gänzlich wertlos. Übrigens hat sich an der Gesamtausgangslage aus Sicht des Rheintales dort immer zuerst die Wupper hinter sich lassen zu müssen bis in unsere Tage nichts geändert. Am Augenscheinlichsten wird dies, wenn man sich auf den Kölner Hauptbahnhof begibt und den Ansagen aus den Lautsprechern zuhört. Kaum einem Personenzug der den Gleisweg über die Hohenzollernbrücke in Richtung Deutz nimmt bleibt es erspart, in Wuppertal - Oberbarmen dem früheren Rittershausen die Wupper passieren zu müssen. Man bevorzugte es daher das eingekerbte Tal der Wupper südlich zu umgehen um es dann bei Wuppertal - Beyenburg im Bereich zahlreicher und noch gut sichtbarer Hohlwege zu queren. Auch an ihr siedelten Gelände bedingt vermutlich zahlenmäßig nicht große Teilstämme der Sugambrer und Marser jener Waldgermanen, die sich in Gefahrenlage schnell zurück ziehen konnten, aber auch genauso schnell wieder zur Stelle waren, wenn sich Gelegenheiten für einträgliche Scharmützel anboten. Immer wieder setzten sie dem Reich Nadelstiche zu bis man römischerseits die Geduld verlor und einen Teil von ihnen kurzerhand mit Gewalt umsiedelte. Andere Sippen rottete man im Zuge von Attacken die uns als recht brutal überliefert wurden nahezu aus. Aber vielen von ihnen gelang doch die Flucht nach Osten und sie konnten sich so dem römischem Zugriff entziehen. Im Fall der Zwangsumsiedlung bekam dieses letztlich Mitteleuropa aber nicht schlecht, wenn wir an den berühmten Satz von Bischof Remigius in Reims gegenüber Chlodwig I denken, der da lautete “beuge still Deinen Nacken Sugambrer, verehre, was Du verfolgtest...”. Ein Beweis dafür, dass die Sugambrer und damit zum Teil auch die späteren Merowinger trotz Zersiedelung und Aufsplitterung nicht unter gingen, bzw. aus der Geschichte verschwanden und auch in ihrer alten und neuen Heimat, gleich wo sie sich befand, alles andere als harmlos auftraten und unbequem blieben. So könnte hier aus römischer Sicht betrachtet möglicherweise auch der bekannte Ausspruch “er ging über die Wupper” seinen Ursprung gehabt haben, gleichbedeutend mit, den sehen wir nicht, oder so schnell nicht mehr wieder. Und dazu kam es in alten Zeiten auch sicherlich oft genug, denn die Region des heutigen Bergischen Landes trug noch im Mittelalter den Namen „die romeriken Berghe“ also die ruhmreichen Berge und Ruhm erwirbt man sich in der Regel im Kampfe. Wohl nicht nur im Bergischen hat sich auch bis in unsere Tage das Schimpfwort Flaves für „der Flachsblonde“ noch sehr gut erhalten. Flaves steht für „Dich kann man ja nicht ernst nehmen“ oder „du Döskopp“ bzw. auf hochdeutsch wohl du Schlafmütze. In jedem Fall aber menschlich herabsetzend und unterschwellig beleidigend. Was allerdings der Flaves Genannte in der Regel Widerspruchs - und Reaktionslos hinnahm, da man es ja nie so meinte. Außerdem wusste ja auch niemand mehr so genau was sich hinter dem Wort Flaves überhaupt verbarg oder was es eigentlich bedeutete. Infolgedessen blieb der Begriff immer Interpretationslos im Raume stehen. Flaves war ja bekanntlich der für die Germanen und deren Nachkommen ehrlose Bruder des Arminius der zum Feind überlief und somit auch noch Jahrhunderte später keinen guten Ruf genoss. Der Volksmund bewahrt eben vieles. Selbst die berühmte Thusnelda blieb uns bis heute im Namen Tussi eine allseits gern benutzte Bezeichnung für die Freundin des Freundes und erfreut sich besonders in Norddeutschland noch großer Beliebtheit. Die Ruhr war ebenso wie die Wupper für Erschließungspläne nach Osten ungeeignet, da ihre beiden Quellflüsse die Lenne und die Volme zu früh nach Süden ins Sauerland abzweigen und über sie zügige Eroberungen und schnelle Vorstöße wenig Sinn machten. Es sei denn man wollte sich im Falle vorgetragener Überraschungsangriffe über Nebenrouten militärische Vorteile verschaffen. Lagen dann für die Römer die sugambrischen oder marsischen Siedlungen hinter ihnen, sofern sie noch existierten gerieten sie in wieder neue Interessensphären wo auch die Uhren wieder anders gingen. Standen die Sugambrer als stärkere Mischbevölkerung vielleicht noch den Kelten am Rhein mental etwas näher, so waren die östlichen Lippe- und Wesergermanen wieder aus anderem Holz geschnitzt. In ihrem ungestümen Drang nach Eroberung stießen sie in immer wieder neue, wechselnde und unbekannte Machtzentren vor. Während oberhalb einer Linie Höxter - Paderborn nennen wir sie mal die “Salzgermanen” vorherrschten, südlich davon die “Waldgermanen “ lebten und im Münsterland die “Bruchgermanen” setzten die Römer hinter dem Teutoburger Wald ihren Fuß auch in ein recht unerforschtes aber potenzielles Unruhegebiet, bestimmt von Grenzstreitigkeiten aller Art. Der Harz trug mit dazu bei, da er alle Bewegungen stoppte und kanalisierte und für den Schmelztiegel der westlichen Vorlandstämme eine natürliche Ostbarriere bildete. Andererseits schützte der Harz diese auch vor zu schnell vorgetragenen Angriffen anderer Stämme aus dem Osten. Als die Römer später resignierten oder sie ihr wirtschaftliches Interesse am germanischen Kernland verloren, bzw. militärisch dazu genötigt wurden, überließ man die Germanen, zumal sich die Eroberer bei ihnen auch nur blutige Nasen holten, letztlich auch sich selbst. Es war eben wie überliefert für das Reich einfacher und bequemer geworden, die Zeit für sich arbeiten zu lassen und sie ihren wohl zahlreichen eigenen Zwistigkeiten zu überlassen. Das germanische Wespennest und eine sich darin befindliche äußerst widerstandsfähige Substanz, übrigens ein Zeichen vieler autochthoner Bevölkerungen ließen die wohl germanisch/keltisch geprägten Menschen zwischen Rhein und Weser wohl auch erst zu zudem werden, was sie wurden. Sie verkörperten für Rom in ihrer Gesamtheit einen unerwarteten aber ernst zu nehmenden Widersacher und dies wie wir heute wissen noch auf einige Jahrhunderte hinaus. Aber in den Wesergermanen den Cheruskern fanden die römischen Besatzer anfänglich einen relativ verlässlichen und kooperativen Partner der sehr gut in ihr Konzept zu passen schien. Dies öffnete ihnen das wichtige Tor nach Osten. (zuletzt bearbeitet 28.10.2017 - 00:29)

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