Freitag, 12. Juni 2020
Germanicu`s Ritt zur Segestes Burg – welches Risiko ging er ein ?
Germanische Gaufürsten waren wie man annehmen darf autochthon, weitgehend unabhängig und hoch angesehene Stammesführer. Und das waren sie nicht nur innerhalb ihres eigenen Stammes oder Volkes, sondern besaßen auch einen unantastbaren Stellenwert innerhalb der ihnen gleich gestellten Führungsschicht in den benachbarten Fürstentümern. In den Thingversammlungen war man sich ebenbürtig und stand sich auf Augenhöhe gegenüber. So besaßen sie in ihren Herrschaftsregionen auch das angestammte Recht die Politik zu bestimmen. Nicht grundlos lebt die Vermutung bis heute fort, man habe Arminius getötet, da er die Alleinherrschaft angestrebt haben soll, was die Einflusssphäre der anderen Großen eingeschränkt hätte. Denn diesen Machtzugewinn duldete man nur zeitlich befristet und er galt nur in Kriegszeiten. Wie später bei den Sachsen so auch bei den Cheruskern. Und noch hunderte von Jahren später scheiterten Versuche den ursprünglichen Stammesgedanken zu zerstören. Und nicht von ungefähr hatte daher auch eine Eheschließung in den hohen Stämmeskreisen wichtige symbolische Bedeutung, denn das blaue Blut der Adelsschicht wollte man rein halten und die Erbschaftsansprüche in sicheren Händen wissen. In die Territorien die andere Fürsten beanspruchten brach man auch nicht ein, wenn es dafür keinen besonderen Grund gab und wenn, dann nur nach vorheriger Vereinbarung. Segestes hingegen war es daran gelegen gegenüber Germanicus eine in der Eskalation befindliche Stammesfehde glaubhaft zu machen was man anzweifeln darf. Man kann es für ein vorgeschobenes Argument halten und zu der Überzeugung kommen, dass seine Autorität nicht bedroht war er lediglich einen Grund brauchte und er grundsätzlich zu sich rufen konnte wen er wollte, ohne dafür Rechenschaft abzulegen bzw. um Erlaubnis fragen zu müssen. Denn im Frühjahr 15 + befand sich Germanicus mit den Cheruskern nicht im Krieg, es gab keine unmittelbare Bedrohung und man machte überdies sogar vor den cheruskischen Grenzen halt und wandte sich von ihnen ab. Über wie viel Gaubezirke Segestes aber auch Arminius damals herrschte wissen wir nicht. Aber es dürfte abgesehen von Sümpfen oder dichten Waldgebieten klare geographische oder sonstige gegenseitig akzeptierte und respektierte Grenzziehungen zwischen ihnen gegeben haben. Germanicus wird also aufgrund der ihn Begleitenden gewusst haben welchen Weg es einzuschlagen galt um nicht die Hoheitsgrenzen zu überschreiten und unbeschadet Segestes zu erreichen. Was die Beweggründe anbetrifft, die Germanicus veranlassten im Frühjahr des Jahres 15 + von zwei Stoßrichtungen aus mit geballter Macht in Germanien einzufallen, so liegen uns dazu diverse Spekulationen und Schlussfolgerungen zahlreicher Historiker vor. Annahmen, die sich aber letztendlich alle nur auf die wenigen Zeilen stützen die Tacitus uns in seinem Jahrbuch 1.56 (1 - 5) hinterließ. Wissen, dass auch er nur von anderen Vorlagen abschrieb. Wenn wir sie für stimmig halten, so bot Germanicus im Frühjahr 15 + seine gesamte Kampfkraft auf, die ihm sowohl in Mainz als auch am Niederrhein zur Verfügung stand um seinen Rachefeldzug gegen die Stämme die Varus bezwangen fortzusetzen. Es waren zwei gewaltige Heeressäulen die sich im Zangenangriff auf die Stammesgebiete der Sugambrer, Brukterer, Marser, Chatten und letztlich die Cherusker zu bewegten. Stämme gegen die man nun die längst fällige Vergeltung üben wollte. Dem römischen Senator Aulus Caecina Severus der vermutlich von Xanten in Verbindung mit Neuß anrückte standen über vier Legionen plus 5000 Soldaten bestehend aus Hilfstruppen zur Verfügung. Germanicus selbst befehligte ebenfalls vier Legionen und hinzu kamen weitere 10.000 Soldaten an Auxiliarkräften. Legt man einen vorsichtigen Mittelwert pro Legion zugrunde, dann könnten beide Heeresgruppen einschließlich der nicht römischen Unterstützung zusammen gefasst über etwa 50.000 bis 55.000 Kämpfer verfügt haben. Folglich marschierten acht römische Legionen sowie 15.000 Kelten, Germanen und Soldaten aus anderen Völkern von Westen und von Süden aus in Richtung Weserknie bei Bad Karlshafen. Es war eine immense Armada die sich da zu Lande im zeitigen Frühjahr 15 + in Bewegung gesetzt hatte. Wirft man nun einen Blick auf die aktuelle historische Analyse, so ist oft die Rede davon, dass man sich bei Germanicus die Zwistigkeiten innerhalb der Cherusker aus der Gunst der Stunde heraus zu nutze machen wollte und deswegen vor dem eigentlichen großen, aber erst für den Sommer 15 + geplanten Feldzug noch einen ursprünglich nicht geplanten Frühjahrsfeldzug dazwischen schieben wollte bzw. den Vorzug gab, um den Rom treuen Cheruskerflügel zu unterstützen. Aber diese Auslegung wirft Fragezeichen auf und das nicht nur weil man einen solchen gigantischen Feldzug nicht im Schnellverfahren aufnehmen kann. So beginnt alles bereits mit der vermeintlichen Erkenntnis, dass es sich vom entfernten Ostwestfalen aus bis zu Germanicus herum gesprochen haben soll, dass es Unstimmigkeiten innerhalb der cheruskischen Fürstenhäuser gab. Und wie selbstverständlich geht man auch immer davon aus, dass die Cherusker nur von zwei Fürsten befehligt wurden, nämlich von Segestes und Arminius bzw. vor ihm seinem Vater Segimer. Da Feldzüge für gewöhnlich im Frühjahr aufgenommen werden und man den Feldzug 14 + nur wegen dem Aufruhr in den Legionslagern am Rhein heraus in den Herbst legte, könnte man davon ausgehen, dass sich Germanicus mit dem zeitig angesetzten Frühjahrsfeldzug 15 + einen, wenn nicht sogar den entscheidenden Durchbruch in Germanien erhoffte. Denn er bot immerhin max. 55.000 Soldaten auf, was der Gesamtzahl des nieder – und obergermanischen Militärkommandos entsprach. Somit war es ein Aufmarsch der umfangreiche logistische Vorbereitungen erforderlich gemacht haben dürfte. Waffen waren zu schmieden oder zu reparieren, Pferde mussten ausreichend zur Verfügung stehen und Nahrungsmittel und Ausrüstung waren transportfähig zu machen. Zumal im zeitigen Frühjahr der Boden noch nicht genügend Nahrung für Mensch und Tier her gibt und auch die Germanen um diese Jahreszeit noch Entbehrungen zu durchstehen hatten. So lässt sich ein Kraftakt dieser Art nicht aus dem Stand heraus umsetzen. So wird es ein Kriegszug gewesen sein in dessen Planungen man bereits im Winter 14/15 +, wenn nicht gar früher hätte einsteigen müssen. Folgt man nun den historischen Bewertungen und Annahmen, so soll das Zerwürfnis innerhalb der cheruskischen Fürstenfamilie eine große Rolle beim vorgezogenen Kampfeinsatz gespielt haben und war möglicherweise sogar der Auslöser dafür. Aber in dieser Phase dürfte man im römischen Generalstab jedoch noch keinen Sommerfeldzug auf dem Schirm gehabt haben. Denn vom grünen Tisch aus zwei Feldzüge in einem Jahr hinter einander zu legen entspringt keiner Logik. Und ein derart massives Truppenaufgebot einzig basierend auf der Vorstellung zu mobilisieren es mit der Zielsetzung nach Ostwestfalen zu entsenden um sich damit den Bruch zwischen den Fürstenhäusern im Sinne Roms zu nutzen zu machen liefert zu wenig Argumente für einen derartigen Kriegseinsatz. Wer hätte auch Germanicus zum Zeitpunkt des Ausmarsches garantieren sollen, dass man ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen problemlos bis ins Zentrum der Cherusker hätte vorstoßen können um dort auf das römerfreundliche Lager zu treffen um dann dort einem anderen Cheruskerfürsten in einem innergermanischen Konflikt beistehen zu können. In der Hoffnung einen leichten Sieg zu erringen. Da klingt diese Theorie etwas zu neuzeitlich gedacht. Letztlich basierte sie darauf, dass Segestes die Fürstenhäuser hätte spalten können und ein erhofftes stattliches Aufgebot seiner Kämpfern hätte sich dann auf die Seite von Germanicus stellen sollen. Und alles unter der Prämisse betrachtet, dass Germancus die Interna im Cheruskerland bestens kannte um sie für seine Strategie zu nutzen. So stand bei Germanicus sicherlich einzig im Vordergrund die im Zenit stehenden Stämme zu besiegen und letztlich den Erzfeind, die Cherusker nieder zu werfen. Germanicus von Süden vorstoßend musste um zu den Cheruskern zu gelangen zuerst die Siedlungsgebiete der Chatten passieren und Caecina hätte zu Beginn die Sugambrer, Brukterer und Marser gegen sich gehabt, bevor er bei den Cheruskern eingetroffen wäre. Germanicus wird sich also der modernen Forschung nicht unterworfen bzw. nicht darauf verlassen haben seinen Feldzug auf derart vagen Annahmen zu beginnen. Germanicus und Caecina wollten letztendlich die Cherusker in zwei Keilformationen bezwingen und ob diese nun mit oder ohne Segestes in ihren Reihen antraten, dürfte für Germanicus unerheblich gewesen sein. Aber das Wissen um die innergermanischen Konflikte stammte wie sich rekonstruieren lässt und es auch nicht anders sein konnte, erneut aus dem Munde eines Mannes. Nämlich eines Germanen der allerdings völlig andere Interessen verfolgte, als uns einen plausiblen Einblick in die alten Geschehnisse zu ermöglichen. Segestes. Ein Informationsstand, den er vermutlich erst im Jahre 17 + in seinen palatinischen Verhören einem interessierten Zuhörerkreis gegenüber verlautbart hatte, den Tacitus aufgriff und den er dann für seine Jahrbücher nutzte. Aber was lief da im Frühjahr 15 + falsch. Germanicus bezwang die Chatten in dem er bis zu ihrem Hauptort vordrang. Nahm einige von ihnen gefangen, tötete wohl auch viele von ihnen, aber der Rest entkam in die Wälder, wie es in diesen Zeiten gang und gäbe war. Caecina besiegte in einer Schlacht die einen glücklichen Verlauf nahm die Marser. Aber halt. Denn es waren doch jene Marser die man erst ein Jahr zuvor 14 + bei ihrem Fest überrascht hatte und die dann angeblich vernichtend geschlagen worden sein sollen. Marser die Caecina nun im Frühjahr 15 + mit immerhin rund 25.000 Kämpfern und das auch nur mit Glück bezwingen konnte. Marser die sich nach nur einem Jahres schon wieder als so kampfstark erweisen konnten, dass sie es sogar wagten sich Caecina mit seinen rund 25.000 Mann in den Weg zu stellen. So wird es wohl im Frühjahr 15 + in der Realität wieder einmal anders gewesen sein, als wir es den Zeilen von Tacitus entnehmen können. Caecina stoppte jedenfalls nach der Marserschlacht ob geplant oder ungeplant sein weiteres Vordringen nach Osten und kam demzufolge auch nicht bis ans Weserufer nach dem er die Marser möglicherweise im nördlichen Sauerland oder der angrenzenden westfälischen Bucht bezwang. Aber auch Germanicus setzte seine Zugrichtung erstaunlicherweise trotz seiner Erfolge gegen die Chatten nicht nach Norden über die Diemle und die Weser in das Siedlungsgebiet der Cherusker fort. Man begnügte sich offensichtlich mit dem Erreichten. So brach man den Feldzug schon nach wenigen Wochen noch im Frühjahr wieder ab, obwohl das Schlachtenjahr gerade erst begonnen hatte. Ein Heer von etwa 55.000 Kriegern stand zu diesem Zeitpunkt möglicherweise erst zwei Monate im Felde, als es sich wieder in die Legionslager zurück ziehen musste. Sollte man daraus schließen können, dass die Germanen ihrem römischen Feind in der Summe und noch ohne das sich die Cherusker an den Kämpfen beteiligten im Frühjahr 15 + schon so große Anzahlen an Kriegern entgegen schicken konnten, dass sich Germanicus und Caecina gezwungen sahen, den Feldzug vorzeitig abzubrechen und man das Risiko nun auch noch die Cherusker angreifen zu wollen meiden wollte. Dann wären die Kämpfe gegen die Chatten und Marser allerdings heftiger gewesen als es uns Tacitus vermittelte. Jedenfalls macht es den Eindruck und Germanicus zog daraus die Konsequenz in dem er nach dem Abbruch des Chattenkrieges die Entscheidung traf die Niederrhein Kastelle aufzusuchen, neue Kräfte zu sammeln um die Legionen wieder auf Sollstärke zu bringen. Folglich einen ursprünglich möglicherweise gar nicht beabsichtigten Sommerfeldzug ins Auge zu fassen. Zweifellos waren die Männer um Arminius zwar über alle Bewegungen aber nicht über die Strategien der beiden römischen Generäle wenn auch nicht zeitnah so doch relativ gut informiert. So mussten sie jederzeit auch mit einem Vorstoß auf ihr Territorium rechnen und wollten darauf vorbereitet sein. Und Arminius wird auch früh die Nachricht erhalten haben, dass sich Germanicus, als er von den Chatten abließ sich wider erwartend nicht nach Norden in seine Richtung in Bewegung setzte sondern sich von den Cheruskern abwendete. Denn mit einem Vorstoß in ihre Richtung wird man von Seiten der Cherusker schon gerechnet haben. Und auch Caecina bewegte sich über das Marsergebiet nicht hinaus also weiter östlich auf die Cherusker zu. Mit rund 25.000 Legionären die lediglich aufbrachen um ein Volk zu besiegen, dass sie bereits 14 + besiegt gedacht hatten klingt da etwas mager für einen Frühjahrsfeldzug. Vielmehr verharrte er vermutlich im Stammesgebiet der Marser und nach dieser Theorie begab sich Germanicus im weiteren Verlauf zu Caecina. Arminius und sein Führungsstab wiederum mussten, da sie nicht davon ausgehen konnten das Germanicus seinen Frühjahrsfeldzug bereits so früh beenden wollte annehmen, dass er beide Blöcke zusammen fassen wollte um sie danach über den Nethegau anzugreifen. Arminius bereitete sich also vor, die römischen Legionen ganz nach germanischer Tradition in den offenen Raum im Frühjahr 15 + über die Weser zu locken wo man sie dann an einer verwundbaren Stelle treffen konnte nämlich an ihrer logistischen Schwäche. Man selbst konnte dann über die Örtlichkeit auch die Kampftakik bestimmen. Aber wie man weiß kam es im Frühjahr 15 + nicht dazu. In Anknüpfung an das vorherige Kapitel und was den Ort der Begegnung von Germanicus und Segimund anbelangt ist wie immer Realitätssinn gepaart mit geographischem Einfühlungsvermögen in die damaligen Verhältnisse gefragt, Denn man möchte die Szenerie letztlich sowohl aus römischer als auch aus germanischer Sicht so authentisch wie möglich versuchen abzubilden. Germanicus könnte also bereits an der mittleren Diemel gestanden haben als die Männer von Segestes und das für ihn vermutlich völlig unerwartet Kontakt zu ihm aufnahmen. Und erst zu diesem Zeitpunkt wurde Germanicus auch bewusst, wie sich die Lage unter den cherukischen Fürstenhäusern bereits zugespitzt hatte. Die Verortung bedarf noch einer Erklärung. Denn für eine im Krieg stehende Armee bestimmen letztlich die Witterungsverhältnisse den Kalender. Das Schlachtenjahr in Gestalt des Frühjahrsfeldzuges könnte für Rom also frühestens Ende Februar oder Anfang März begonnen haben. Da jedoch ein weiterer Feldzug für den Sommer des gleichen Jahres überliefert ist, müsste der Frühjahrsfeldzug zum Ende dieses Frühjahrs hin wieder beendet, vielleicht besser gesagt abgebrochen worden sein. Das schränkt den Aktionszeitraum dieses Frühjahrsfeldzuges ein verkürzt also seine Zeitdauer und stellt damit seine gesamte Sinnhaftigkeit in Frage. Wann verließ Germanicus Mainz, wie lange brauchte er bis zum ersten Schlagabtausch an der Eder, wie viel Zeit könnte man für die Zerstörung des chattischen Hauptortes veranschlagen und wieviel Tage verbrachte seine Armee in den Rheinkastellen, wenn man vielleicht schon im Mai/Juni zum Sommerfeldzug aufbrechen wollte. Das gibt in der Summe Anlass zu der Schlussfolgerung, dass sich Germanicus auch nicht mehr einem zeitaufwendigen Umweg über Mainz aussetzte, sondern sich von Nordhessen aus auf dem direkten Weg nach Xanten oder Neuß befand, als ihn die Reiterschar von Segestes erreichte. Man wird keine Notwendigkeit gesehen haben um den Rhein in Eilmärschen erreichen zu müssen, ließ sich Zeit und so könnte man daraus resultierend die Schlussfolgerung ableiten, dass Germanicus sich noch nahe der Diemel aufhielt. Denn bis zur mittleren Lippe wird ihm keine Segestesdelegation nachgeeilt sein und er wird von dort aus auch keinen Rückweg mehr bis hinter die Weser angetreten haben. Eine Argumentation die darauf basiert, dass die Kräfte beider Armeekeile nicht mehr stark genug waren, um gegen die Cherusker und möglicherweise noch andere mit ihnen in Verbindung stehen Stämme vorzugehen. Aber lassen wir nun wieder Segimund zu Worte kommen, dem der schwierigste Teil seiner Botschaft bevor stand. Denn ein Fehlverhalten seinerseits hätte die ganze Aktion zum Scheitern bringen können. Man war in jener Zeit skeptisch. So musste Segimund auch jegliche Zweifel ausräumen, dass man Germanicus nicht sogar in eine Falle locken wollte. Daraus wird auch der Grund ersichtlich warum Segestes seinen Sohn schickte, denn nur auf dem Weg der Geiselstellung ließ sich das Risiko für Germanicus minimieren, denn opfern wollte Segestes seinen Sohn sicher nicht. Und die mögliche Falle die man Germanicus hätte stellen können und wovor er sich abzusichern hatte, hatte auch einen Namen. Denn sie bestand aus jenem Hilfskontingent, dass die Cherusker aufstellten um damit ihr Territorium zu sichern, oder was sie in den Süden schicken wollten um damit möglicherweise den Chatten beizustehen. So wie es uns Tacitus unter 1.56 (5) mit den Worten „Cheruscis juvare Chattos“ überlieferte, dass also diese Cherusker den Chatten helfen also sie unterstützen sollten. Aber nun manövrierte ihn Segimund in eine sowohl militärisch als auch politische Konfliktlage. Denn Germanicus setzte sich nicht nur der Gefahr aus erstmals tiefer in die cheruskischen Stammlande einzudringen, sondern musste befürchten, dass er auf dem Weg zu Segestes auch auf das cheruskische Hilfskontingent stoßen würde, dass sich in eine Wartestellung zurück gezogen hatte. Germanicus wusste also um das Risiko das er einging, wenn er sich in das Stammesgebiet der Cherusker begab und dürfte es daher vorher gut abgewogen haben. Tacitus brachte es im Jahrbuch 1.57 (3) mit den Worten “pretium fuit convertere“ insofern zum Ausdruck, alsdass es Germanicus der Preis wert gewesen war, sich sowohl dem Risiko als auch der Mühe auszusetzen. Denn das Ziel war verlockend. So könnte für Germanicus letztlich der Reiz in den Besitz der Fürstenfamilie zu kommen den Ausschlag gegeben haben, sich sogar der möglichen Gefahr auszusetzen. Germanicus zeigte folglich eine gewisse Risikobereitschaft, da er dem Anerbitten nach kam und somit zwangsläufig tiefer ins cheruskische Hoheitsgebiet vorstoßen musste. Hätte also Segestes ihn nicht um Hilfe gebeten, wäre Germanicus auf seiner ursprünglich eingeschlagenen Route geblieben. Das er sich nun zu diesem unerwarteten Exkurs verleiten ließ lässt erkennen, dass sich der Plan Segestes zu befreien völlig von dem unter schied. was seine einstige Absicht war. Denn nach dem Chattenkrieg standen die Cherusker zumindest im Frühjahr 15 + nicht auf der Liste seiner Gegner. Aber der Wegritt der Segimund Delegation und das spätere Zusammentreffen mit Germanicus war Arminius nicht verborgen geblieben. So war ihm auch nicht entgangen, dass Germanicus daraufhin seinen Kurs änderte und ihn seine neue Zielrichtung geradewegs zur Burg des Segestes führte. Damit stand für Arminius fest, dass es Germanicus nur um die Person und die Familie des Segestes ging, der sich auf diese Weise vor aller Augen spektakulär und demonstrativ von Germanicus ins Imperium geleiten lassen wollte. Aber auch, dass Germanicus nicht gewillt war auf Angriff und offene Konfrontation umzuschalten um einen entscheidenden Schlag gegen das Gesamtaufgebot der Cherusker zu führen. Arminius erkannte darin auf Basis dieser Einschätzung ein strategisch unbedeutenden Randereignis dem er daher aus der Distanz heraus relativ gelassen zuschauen und somit darauf verzichten konnte militärische Vorkehrungen zu treffen. Auch für Germanicus lief es auf einen Abstecher ohne größere Konsequenzen und Komplikationen hinaus und er erwartete keine größere Auseinandersetzung. Man vermied aus taktischen Gründen beiderseits eine größere Konfrontation und konnte das Gesicht wahren. Aber man profitierte auch gegenseitig. Denn während sich Germanicus eines Cheruskerfürsten samt Familie bemächtigen konnte war Arminius eine unliebsame Klientel los, die ihm bei den zu erwartenden Kriegen nur hinderlich sein konnte. Ob Thusnelda für Arminius eine so gewichtige Rolle gespielt hat wie häufig angenommen wird, sei in diesem Zusammenhang einmal dahin gestellt sein. So erwähnte Tacitus die Kämpfe des Germanicus gegen die vermeintlichen Belagerer möglicherweise auch deswegen, um damit die Entscheidung von Germanicus etwas hervor zu heben und damit zu rechtfertigen Segestes zu Hilfe zu kommen, in dem er ihm noch eine unterschwellige Auseinandersetzung zubilligte. Denn sie besaß eher nicht den Charakter einer groß angelegten Befreiungsoffensive und erreichten auch nicht den Stellenwert einer größeren Schlacht. Aber Germanicus kämpfte gegen die Cherusker wo auch immer sie sich sie gestellt haben könnte und wie heftig er es auch immer tat, obwohl dies seiner ursprünglichen Absicht widersprach. Und ob diese Kämpfe vor der Segestes Burg oder schon 20 Kilometer davor ausgetragen wurden, könnte auch noch ein Spekuationsthema sein. Ob Germanicus genau wusste von Segestes residierte ist nicht bekannt. So begab er sich vermutlich unter der Führung von Gelände kundigen Cheruskern die in Begleitung von Segimund zu ihm kamen nach Norden in die Richtung der Burg des Segestes. Um ihn aus seiner scheinbaren Misere zu befreien durchquerte er von Süden aus kommend mit seinen Reiterschwadronen vermutlich nur jene Gaulandschaften die Segestes unterstanden. Territorien die eher nicht den Gaufürsten Segimer/Arminiusclan unterstanden. Der Segestes Fürstensitz dürfte sich in zentraler Lage innerhalb des großen cheruskischen Herrschaftsgebietes mit Tendenz zu den chattischen Hoheitsgebieten befunden haben. Denn es ließe sich annehmen, dass die bedeutsame Segestessippe dafür keinen Ort ausgewählt hat, der sich nahe an der Grenze zu einem welch auch immer anderen Volk befand. Ein theoretisches Verständnis dafür zu entwickeln das Volumen des gesamten Territoriums zu greifen in dem alle Cheruskerfürsten herrschten und denen ihre mehr oder weniger großen eigenen Hegemonien lagen, die sie verwalteten ist schwerlich möglich. Man vermutet ihr gesamtes Siedlungsgebiet, dass sich rechts und teilweise auch links der Weser erstreckte, im Norden an Hildesheim reichte, sich ins Nordharzvorland ausdehnte und an der heutigen hessischen Nordgrenze endete. Segestes und seinerzeit Segimer beherrschten vermutlich jene Regionen die für die Expansionsziele des Imperiums bedeutsam waren da sie sich an der Westostroute zur Elbe befanden, dem Hellwegskorridor und daher auf deren Zustimmung angewiesen waren. Gaulandschaften mit den für sie zuständigen Cheruskerfürsten die östlich oder nordöstlich von Einbeck lagen befanden sich noch außerhalb ihrer Interessenssphäre. Deswegen werden diese damals auch mit am Verhandlungstisch gesessen haben, als der römisch/cheruskische Teilbündnisvertrag geschlossen wurde. Denn es ist nicht überliefert, ob noch andere territorial lokalisierbare cheruskische Fürsten dabei anwesend waren. Denn gegen Rom hatte sich zu Zeiten der Varusschlacht offensichtlich nur der Teil der Cherusker zur Wehr gesetzt, der vom römischen Eroberungsbestreben unmittelbar betroffen war. Cherusker zwischen Goslar und Salzgitter verfolgten also möglicherweise in den Jahren 14 + und 15 + im Zusammenhang mit den Elbgermanen noch über andere Interessen und fühlten sich noch nicht zuständig und auch nicht bedroht. Was sich allerdings 16 + ändern sollte. Die von Segestes beherrschte Region könnte im Raum Solling/Leine gelegen haben und das räumliche Einschätzen der Distanzen gelingt noch am Ehesten auf Basis praktischer Annahmen wie etwa einer Tagesrittentfernung oder Leistung. Man geht davon aus, dass es zu Pferde möglich ist und das auch ohne Pferdewechsel bei einem normalen Reisetempo 5o bis 60 Kilometer am Tag zurück legen zu können. Von einem fiktiven Standort der Germanicus Armee im Raum Warburg an der Diemel bis ins vermeintliche Vogelbeck an der Leine liegen 65 Kilometer Luftlinie. Schnellen Rittes hätte Germanicus die Strecke in Form eines Husarenritts durch Cheruskergebiet also an einem guten Tag bewältigen können. Als ein Anhaltspunkt für den Zeitbedarf der Aktion könnte es ausreichend sein. Und die Zustimmung die Gaue bzw. Pagi von Segestes queren zu dürfen wird Segimund dem Feldherrn sicherlich zugesichert haben. Ausgehend vom späteren sächsischen Hessimgau nahe Warburg an der Diemel könnte er im Lochne Gau dem Gau an der oberen Leine den Machtbereich des Cheruskerfürsten Segestes betreten haben, zog durch den Morunga Gau und erreichte dann das mögliche Kerngebiet von Segestes mit seiner Burg „Vogelbeck“ im Sülberg Gau um Einbeck. Ein mittelalterlicher Gaubezirk der sich zwischen dem Solling und der Leine befand und an den sich westlich der Augau und der Nethegau anschlossen. Man nannte ihn auch Suilbergau und im ersten Jahrtausend Pagus Silbirgi. Und es war ein Gau der sich weder in Ost Falen noch in West Falen befand. Man könnte auch den Überraschungsmoment auf seiner Seite annehmen und Germanicus wollte sich auch nicht unnötig lange in der Region aufhalten. Denn auch wenn sich dort verstreut möglicherweise noch zahlreiche Arminen aufhielten dürfte man an einer schnellen Abwicklung der Überführung interessiert gewesen sein. Aber völlig kampflos lief die Befreiung von Segestes mit einer großen Zahl von Familienangehörigen und Germanen die noch zu Segestes hielten der Überlieferung nach bekanntlich nicht ab. Aber zu einem größeren Gefecht dürfte es nicht gekommen sein, denn dann hätte Tacitus vermutlich zu einem angemessenen Vokabular gegriffen. Arminius ließ Germanicus im Frühjahr 15 + noch schalten und walten und hielt sich zurück. Der Verlust seiner Frau war der Preis den die zurück haltende Strategie einforderte.(12.06.2020)

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