Donnerstag, 6. Dezember 2018
Die Rückführung der Varusarmee auf getrennten Wegen - in der Animation
Bevor es anfängt etwas unübersichtlich zu werden ein kleine Hilfsmaßnahme. Denn die Frage nach der möglichen römischen „Doppelrückzugstrategie“ zur Lippe erweitert den Blickwinkel der Varusschlacht in neue Richtungen. Eine in sich schlüssige Logik resultierend aus den Fakten und einer Analyse der alten Schriften begünstigen diese, sich schon fasst zur Erkenntnis aufschwingende Theorie. Ich habe daher das Erfordernis erkannt noch einige Kapitel nachschieben zu müssen, die diese Hypothese noch zusätzlich stärken helfen. So gestatte ich mir auch, wie man einst im veralteten Sprachgebrauch sagte dem „geneigten“ Leser, der erst an dieser Stelle „zu steigt“ noch einen kurzen Rückblick zu ermöglichen. Bekanntlich war die Niederlage des Imperiums in der Varusschlacht eigentlich nur ein Vorbote, dessen Ausmaße und Konsequenzen im Jahre 9 + für Rom noch gar nicht absehbar waren. Allerdings für die Germanen auch nicht. Die Schlacht wurde zu einer Art Prophezeiung fasst biblischen Ausmaßes für das Ende vieler imperialer Ansprüche über den Nordosten Germaniens, der auch besonders in sprachlicher Hinsicht, was die Verbreitung des Lateinischen anbetrifft langfristige Auswirkungen zeigen sollte. Sie war im Nachhinein betrachtet für das alte Germanien der prähistorische Wendepunkt schlechthin. Ihm sollten aber in mehreren Wellen über drei Jahre verteilt weitere römische Rückeroberungsversuche also Kriege bzw. Schlachten folgen. Für das römische Reich endeten diese jedoch allesamt erfolglos, so dass Kaiser Tiberius dem Anrennen der römischen Legionen gegen die antike Weserfront der konföderierten Germanenstämme sieben Jahre nach der Varusschlacht im Jahre 16 + ein Ende machte. Das römische Reich setzte in diesen Jahren eher auf Masse statt Klasse, denn die in die zigtausende gehenden römischen Soldaten traten mit weit aus mehr Legionären und Hilfskräften an und waren um ein vielfaches zahlreicher als bei der voraus gehenden Varusschlacht die sich dagegen noch recht bescheiden ausnahm. Will man sich mit der Schlacht des Varus beschäftigen, so muss man sich auf vielen Ebenen an sie heran tasten. Mehrere Dimensionen sind dazu nötig, um sie als Ganzes erfassen und verstehen zu können und alle deutschen Zeitformen muss man heran ziehen um den Überblick zu behalten. Geschichte greift immer zurück. So heißt es für alle Forschergenerationen, das „vor, während und nach der Schlacht“ zu betrachten und es gilt besonders bei diesem Ereignis diese drei Zeiten strikt voneinander zu trennen, obwohl es uns die „Antiken“ schwer gemacht haben. Am Anfang der Betrachtung und im Zuge der Vorgeschichte zu dieser Schlacht galt neben vielen anderen man kann sagen Bücher füllenden Ereignissen die besondere Aufmerksamkeit dem Feldherrn Varus, über den uns trotz der langen Zeit noch erstaunlich viel von Seiten der antiken Historiker überliefert ist. In der Retrospektive gesehen bedeutet es folglich zu hinterfragen, wer er war, soweit dies zu erforschen überhaupt möglich ist. Also wo er her kam und wie er sich als Mensch gab, bevor er Ostwestfalen betrat. Wie verhielt er sich in Germanien und was bewirkte seine Handlungsweise bzw. was löste sie aus. In der Gegenwart seiner Zeit angekommen, folgt dann der Aufmarsch zur Schlacht und in der Folge die späteren Kämpfe im Zuge der direkten Auseinandersetzung Mann gegen Mann. Hier stütze ich mich auf die Aufzeichnungen von Cassius Dio und Lucius Annaeus Florus. Die Zeit nach der Schlacht wird einzig verkörpert durch die Schriften die uns Publius Cornelius Tacitus dazu hinterlassen hat, denn er spricht im Zusammenhang mit der Schlacht nur über die Dinge wie sie sich sechs Jahre später auf dem Schlachtgelände dem Betrachter zeigten und verliert kein Wort über den Verlauf. Im Zuge meiner Niederschrift komme ich der eigentlichen Schlacht nun Schritt für Schritt näher, denn den Marsch vom Sommerlager muss man angesichts der Weichenstellungen indirekt bereits als einen Bestandteil der Schlacht betrachten. Damit hatte die Varusschlacht de facto also bereits an jenem von mir fiktiv gesetzten 24.09.0009 begonnen, auch wenn am Morgen des Abzuges noch alle Schwerter in ihren Scheiden steckten. Fasst alle antiken und neuzeitlichen Kriege und Schlachten entschieden sich bei genauem Hinsehen oftmals schon in der Aufmarschphase. Ein richtiger Aufmarschplan samt Taktik war praktisch schon der halbe Sieg. Die Clades Variana gehört jedoch zu den klassischen Schlachten, bei der man sich bereits in der Vorbereitung in unkorrigierbare Fehleinschätzungen verstieg. In der Hitze des Gefechtes ließen sich dann die der Schlacht voraus gegangenen strategischen Fehler in den meisten Fällen auch nicht mehr beheben. Das eigentliche Schlachtgeschehen später ist nicht mehr planbar. Denn im Kampf entscheiden wieder andere Dinge darüber, ob sich das Schlachtenglück bei fehlerhafter Vorbereitung noch mal wenden ließ. Friktionen und Zufälle gewinnen dann die Oberhand und die Dynamik der sich gegenüber stehenden Kräfte bestimmt letztlich den Ausgang einer jeden Schlacht. Da war dann der Mut der Kämpfer gefragt über sich hinaus zu wachsen, das Geschick des Feldherrn im entscheidenden Moment den richtigen Befehl zu geben, da musste das Terrain die Topographie oder der Stand der Sonne genutzt werden, aber auch List und Tücke waren nötig, wenn man ältere Fehler noch mal wett machen wollte. Varus beging all jene Irrtümer in dem er in seltener und nahezu nie da gewesener Manier seinen Gegner unterschätzte. So zeigt sich bereits am ersten Tag noch bevor der mögliche Feind in Sicht ist, ob der Umfang der Streitmacht überhaupt ausreichen würde um für einen Kampf gewappnet zu sein, welche Moral die Truppe mit brachte oder wie Ernst man den Gegner nahm. Die falsche Ausrüstung bei widrigen Wetterverhältnissen konnte schon vieles zunichte machen.



Um letztlich aber auch die nach folgenden Kapitel besser nachvollziehen zu können, habe ich den Verlauf dieses ersten bedeutenden An - Marschtages, an dem es noch zu keinen Kämpfen kam über eine bildliche Animation versucht dazustellen. Sie zeigt den geschlossenen noch gemeinsam erfolgten Ausmarsch aus dem Sommerlager im Raum Höxter, gekennzeichnet mit roten Sternen die Marschrichtung nach Brakel, wo ein nötiger Zwischenstopp am Abend des ersten Marschtages im dortigen Marschlager erforderlich und unvermeidbar war. Zeigt dann ab Brakel am Morgen des folgenden Tages wie sich die Aufteilung des großen Zuges vollzog ja meiner Meinung nach sogar vollziehen musste. Nämlich in den zivilen Teil mit blauen Sternen dargestellt und den militärischen Teil mit gelben Sternen gekennzeichnet. Etwa in der Region um den Gradberg habe ich das berühmte Symbol der gekreuzten Säbel eingefügt, da ich hier die Region verorte, in der die Germanen den zivilen Tross an sich nahmen bzw. überwältigt haben. Der zivile Tross bestand aus Frauen und Kindern, sowie den Gegenständen die in der Kampfregion nicht gebraucht wurden bzw. den Wertsachen und einer Schutzmannschaft, die außer Gefecht zu setzen möglicherweise noch nicht einmal eine große Herausforderung darstellte. Die Kampfeinheiten in denen ich nur noch drei so genannte „Rumpflegionen“ erkenne, schlugen ab Brakel den Weg ins Rebellengebiet ein. Die Lageskizze soll der besseren Orientierung dienen, bevor es zu den ersten Feindberührungen kam. (06.12.2018

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Mittwoch, 5. Dezember 2018
Varus verwaltete die Einnahmen des Imperiums und trieb sie ein, aber auch seinen „Eigenanteil“
Neben der Frage wie man denn bei einem möglichen Ernstfall mit den vielen Frauen und Kindern umgehen sollte, die schlimmsten Falles das Schlachtfeld mit belagern würden, den Soldaten lästig werden konnten und die noch dazu zwischen die Fronten geraten könnten, beschäftigte Varus auch noch ein ganz anderes Thema. Und dies war für ihn nicht minder brisant. Denn Varus war es, wie wir es aus seiner unrühmlichen Vergangenheit her wissen gewohnt, sich auch privat zu bereichern. Bewegliche Werte wie er sie auch in jenem Schicksalsjahr an der Weser anhäufte und gleich welcher Art sie waren, wollte er natürlich unter keinen Umständen im Sommerlager, also bis ins nächste Jahr zurück lassen und zog es daher sicherlich vor, damit seine Schatullen am Rhein aufzufüllen und seine Villen zu schmücken. Und da man nun in ein mögliches Pulverfass aufbrechen würde, wollte er diese beweglichen Güter natürlich auch nicht der Gefahr aussetzen, dass sie im Zuge des Geschehens in Feindeshand gelangen oder beschädigt werden könnten. So ist zu erwarten, dass er die an ihn ergangenen Geschenke germanischer Delegationen genauso an den sicheren Rhein überführen wollte, wie auch sein eigenes prunkvolles und vermutlich zentnerschweres Tafelgeschirr aus gallorömischer oder römischer Manufaktur bestehend aus edlen Metallgefäßen und vielen Kleinodien, gefertigt aus wertvollen Werkstoffen. An welches Tafelsilber ich hier denke, Codewort „Hildesheim“ liegt natürlich auf der Hand. Edelmetalle, Zahlungsmittel in begrenztem Umfang sowie kostbares Mobiliar plus Schmuck werden ebenfalls dazu gehört haben. Requisiten und Auszeichnungen seiner Herrschaftswürde und ja, möglicherweise sogar Augurenstäbe, wenn diese wertvoll waren und auch eine vermessungstechnische und nicht nur eine rituelle Funktion gehabt haben sollten. Und nicht zu vergessen die bereits eingetriebenen monetären bzw. in Barren gegossenen Werte unter anderem aus den Silberbergwerken im Harz oder andere Steuereinnahmen wie man sie so in Besatzungsgebieten zu konfiszieren gewohnt war bzw. wie sie dort requiriert wurden, oder wie man sie sonst den Unterjochten abgepresst hatte. Wie immer es man ausdrücken möge. Güter die vielleicht in erster Linie dem römischen Staat zu standen, sofern Varus gedachte, da einen Trennstrich zu ziehen. Diese Reichtümer um die es ihm und dem Imperium ja letztlich bei allen Eroberungen und der Einrichtung neuer Provinzen nur ging, könnten ein ziemliches Ausmaß angenommen haben und dieses alles in ein mögliches Krisengebiet zu unberechenbaren Rebellen in unkalkulierbare noch nicht gänzlich einverleibte Gefilde mit zu nehmen, stellte zweifellos ein unnötiges aber letztlich vermeidbares Risiko hinsichtlich der Wahrung seines Besitzes dar. Konnte Varus es wagen seinen oder besser gesagt auch noch den Besitz des Kaisers in einen bereits angekündigten Unruheherd mitzunehmen ? Wie hätte er einen möglichen Teilverlust der Steuereinnahmen eines ganzen Jahres je nach Ausgang der Kämpfe dem Kaiser erklären sollen ? So war wohl später auch ein Teil der Trauer die der Kaiser nach der Varusschlacht für alle sichtbar machte auch dem entgangenen Gewinn geschuldet. Im Zwiespalt zwischen Besitzwahrung, man kann es auch Gier nennen und dem Auftrag möglicherweise doch einen Aufstand nieder schlagen zu müssen, war er wohl hin und her gerissen, wie er sich entscheiden sollte. Was sollte er tun ? Wahrlich für einen weniger charakterfesten Menschen wie Varus keine leichte Entscheidung. So wissen wir zum Beispiel von einem niedergermanischen Statthalter Namens Pompeius Paulinus, der zwischen 54 + und 56 + das feindliche Nordland durchzog, dass er sage und schreibe 12.000 Pfund also stolze sechs Tonnen an Tafelsilber mit sich geführt haben soll. Da stellt man sich schon die Frage, wie viel Wachmannschaften und Transportfahrzeuge nötig waren um diese immense Masse über die unebenen Altstraßen, Wälder und Bachläufe Germaniens zu bewegen. Es gehörte zur gewohnten Taktik Roms barbarische Stämme mit blinkendem Tand und Geschirr zu beeindrucken und sie mit der Perspektive auf möglichen Eigenbesitz gefügig zu machen. Man tat ihnen damit eine besondere Ehre an und sie wähnten sich mit dem römischen Reich zumindest für die kurze Zeit des gemeinsamen Gastmahles ebenbürtig und fasst auf Augenhöhe. Ein sehr großer Irrtum, wie es später viele von ihnen spüren und wohl auch bereuen sollten. Wenn schon ein im unteren Rang stehender niedergermanischer Statthalter nur wenige Jahrzehnte nach der Varusschlacht imstande war derartigen Reichtum vorzuführen, so ist es gut denkbar, dass ein höher gestellter Feldherr wie Varus noch über einen weitaus größeren Luxus verfügte. Nehmen wir nur an, er hätte ebenfalls sechs Tonnen Silber transportiert, wie viel Karren müssten allein dafür erforderlich gewesen sein und wie umfangreich erst wäre die Schutzmannschaft ausgefallen die er dafür abstellte. Desto wertvoller also die Fracht, desto umfangreicher der Geleitschutz. Alle diese Wagen hätte Varus, wenn er sich nicht anders entschieden hätte, über ein unbekanntes und holpriges Wegenetz mit ins unsichere Krisengebiet nehmen müssen. Wer wollte ihm verdenken, wenn er sich darüber Gedanken machte und wer wollte ihm diese Entscheidung abnehmen. Schon zum Zeitpunkt des Abzuges aus Höxter könnte er für sich genommen im berühmten „stillen Kämmerlein“ schon eine Aufteilung seiner Wertsachen beschlossen haben, um im äußersten Fall zumindest einen Teil seines Reichtums zu retten. Auf Varus lastete große Verantwortung. Sowohl für sich und seinen Reichtum als auch für seine Soldaten und zudem auch noch für eine große Menschenmenge, die er wohl behalten an den Rhein führen wollte. Da war für ihn der gut ausgebaute steinerne römische Hellweg der von Brakel aus nördlich von Neuenheerse nach Schwaney/Aliso die Egge hoch führte die weit aus bessere Alternative Frauen, Kinder und Werte aus allem heraus zu halten. Schließlich wurde diese Trasse für schnelle Karrentransporte und Kuriere vermutlich schon unter Drusus begonnen und dann bis zur Verkehrsader ausgebaut. Man stieß wie Friedrich Ludwig Hölzermann berichtete Mitte des 19. Jahrhunderts an zwei Stellen auf diesen alten der Beschreibung nach römischen Steinweg. Er könnte jenem ähnlich sein, der bei Oesterholz über die große Egge führte. Nach dem dieser frei gelegt und vermessen wurde erkannte man im Felsboden Gleisspuren die im Abstand von 1,40 Metern verliefen. Der Hohlweg konnte nicht datiert werden, aber die Spurbreite von Karren betrug zu Zeiten des römischen Imperiums 1,50 Meter, wobei es aber Abweichungen von mehreren Dezimetern gab. Die Steinwege die Hölzermann östlich von Schwaney beschrieb fand man am Netenberg bzw. dem heutigen Netheberg und dort wo die „Westfälische Eisenbahn“ die Egge durchschnitt statt. Warum also alles einem beschwerlichen und gefährlichen Umweg aussetzen, wenn es auch risikoloser ging. Damit kommt neben dem Schutz der Frauen und Kinder noch ein weiteres gewichtiges Argument hinzu, warum Varus ab Brakel seinen Zug spaltete und ihn auf zwei Wegen weiter marschieren ließ. Varus war kein unvermögender Mann war. Man sagte ihm ein übermäßiges Gewinnstreben nach, was er in Syria unter Beweis stellte. Paterculus prägte dazu den denkwürdigen Satz „Als armer Mann betrat er das reiche Syrien und als reicher Mann verließ er das arme Syrien“. Aber in Germanien soll sich dann der gleiche Varus, der in Claudia Pulchra eine äußerst anspruchsvolle und dem Kaiserhaus nahe stehende Adlige zur Frau hatte, wie ein sparsamer Asket benommen haben. Schwer vorstellbar. Einzig Cassius Dio wäre es bei seinem zeitlichen Abstand zu den Geschehnissen noch zuzutrauen gewesen, dass er auf das pikante Kapitel „Varus und sein Hort“ näher hätte eingehen können. Aber dazu wie pompös Varus an der Weser residierte und wie gut situiert er die Region alljährlich verließ, verriet uns Cassius Dio nichts. Es verwundert nicht, dass die antiken Historiker auch aus diesem Grund auf die vermeintliche Tatsache den Marschzug zu trennen mit keiner Silbe eingehen. Vermutlich, weil man ähnlich wie heute über diese Dinge die auch zu damaliger Zeit für die höheren Schichten als selbstverständlich galten, kein Wort verlieren brauchte. Ebenso logisch wie konsequent, dass Varus auch Germanien nicht als armer Mann verlassen wollte erwähnte Cassius Dio auch nicht, dass es da noch sehr Vieles um den Verlauf der Varusschlacht gab, zu dem auch er schwieg. Vielleicht liegt auch in der Sicherung seines persönliches Besitzstandes mit ein Schlüssel für die Frage begraben, warum es Varus wie magnetisch jeweils im Herbst in die warmen Winterquartiere am Rhein zog. Im Zuge der späteren Verdächtigungen gegenüber dem Legat Asprenas, dem Neffen von Varus, sich an den zurück gelassenen Besitztümer der umgekommenen Legionäre bereichert zu haben ist zu erkennen, dass auch der kleine Mann Vorsorge leistete und keine unnützen Risiken im Feindesland einging. Natürlich war es für Varus sehr wichtig diesem Transport in Richtung Aliso trotzdem auch eine angemessene Schutztruppe beizustellen. Soldaten die er später schmerzlich vermissen sollte. (05.12.2018)

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Montag, 3. Dezember 2018
Nahm Varus Frauen und Kinder mit ins Rebellengebiet ?
Die alten aber auch die modernen Historiker griffen und greifen immer noch gerne die Vorstellung auf, Varus könne sogar Frauen und Kinder auf seinem Zug in eine vermeintliche Unruheregion mit genommen haben. Ein Gebiet am Rande der römischen Weser Zivilisation, dass sich in ein Pulverfass verwandeln konnte, in dem es wie beschrieben schon zu brodeln begann und in dem wie man sagte, sich die Unzufriedenen warum auch immer bereits Luft gemacht haben sollen. Varus hätte sie demnach in unnötige Gefahr gebracht, wodurch sich seine völlige Unbedarftheit aber auch Skrupellosigkeit noch mal zusätzlich unterstreichen ließ. Obwohl diese Unterstellung Varus gegenüber bei genauem Hinsehen gar nicht so haltbar ist wie sie sich anhört, reiht sie sich doch nahtlos in unser Denken über den Menschen Varus ein. Aber es ist anzunehmen, dass Varus um das Risiko wusste und deswegen seine Umgebung beschwichtigte, er spielte die Gefahr runter traf aber zielgerichtet seine Vorkehrungen, in dem er sich die Unterstützung eines Kontingentes der Arminius Germanen sicherte. Der Ausruf „Frauen und Kinder zuerst“ ist uns da allen ein Begriff, da sie grundsätzlich als die Schwächsten der Schwächsten auch das biologische Anrecht haben zuerst gerettet zu werden, aber wie ging der Feldherr mit dieser ehernen Regel um. Frauen und Kindern in Notlagen Zugang in römische Militärlager zu gestatten war nichts Ungewöhnliches, was aber wiederum nicht ihre Mitnahme in ein potenzielles Spannungsgebiet rechtfertigt. Allein der Hinweis von Cassius Dio innerhalb seiner Textstelle 56,20,(2), dass „Varus nicht wenige Kinder, Frauen und zahlreiche Trossknechte mit sich führte“ ist daher kein Argument für eine Vorfestlegung auf Varus als Übeltäter wehrlosen Zivilisten gegenüber. Denn auch Varus wird sich der römischen Disziplin untergeordnet und sie als eine strenge Regel geachtet haben, dass nämlich Frauen nicht in römische Militärlager zugelassen sind. Aber es ist ein heraus ragender Aspekt innerhalb der gesamten Varusforschung auf den sich seit jeher die Augen aller Historiker wie gebannt richten. Aber ungeachtet dessen gestattet uns dieser Punkt der Überlieferung zumal uns nur Cassius Dio etwas über diese Besonderheit hinter lassen hat, eine Reihe von Schlussfolgerungen in die unterschiedlichsten Richtungen anzustellen. Frauen und Kinder in einem militärischen Marschzug zu wissen, der wie bekannt viele in den Tod führte, birgt Dramatik in sich. Aber nicht nur das. Auch noch die Tatsache bzw. der Hinweis darauf, dass sich im Zug eine sehr große Zahl an Trossknechten befand wie Cassius Dio schreibt lässt darauf schließen, dass sich auch eine recht hohe Anzahl an Transportfahrzeugen im Zug befunden haben muss. Trossknechte führen die Zugtiere, sichern die Ladung und sind bei Achsbrüchen und dergleichen schnell zur Stelle. Dies lässt insgesamt eine Fülle von Gedanken zu, denen nach zu gehen, wie wir erkennen werden sehr umfangreich ausfällt, da eines ins andere greift. Und es erhitzt noch zusätzlich die Debatte darüber, was sich so alles in diesen Tagen im Nethegau für ein Schauspiel vor aller Augen vollzogen haben muss. Da gilt es eine ganze Reihe von Facetten zu beleuchten und näher zu betrachten, die sich im Zuge dieser logistischen Mammutaufgabe bereits im Vorfeld der Schlacht zugetragen haben müssen. Nachdem Zugordnung und Ausrichtung hergestellt war, wollten die vielen Trosswagen auf der schmalen Wegstrecke zwischen der Weser und Brakel richtig geführt werden und man musste sie im geeigneten Abstand auf einander folgen lassen. Alles sollte und musste im Zeitplan liegen und dies dürfte den Offizieren zweifellos Sorgen und Probleme zugleich bereitet haben, denn der Zug im Jahre 9 +  soll bekanntlich besonders lang gewesen sein. Es musste insgesamt etwas außergewöhnliches daran gewesen sein, denn insbesondere die Widrigkeiten um die Zuglänge fanden nicht grundlos Eingang in die Geschichtsschreibung und wurden in den Überlieferungen von Cassius Dio verarbeitet. Übersehen wir dabei nicht, Varus verließ die Weserlager nun schon das dritte Jahr in Folge und das im Rahmen seines Auftrages als Statthalter und mächtigster Mann in Westfalen. Jahr für Jahr baute er mehr an „seiner“ Civitas an der Weser und schuf neue Agrar- und Infrastrukturen, Jahr für Jahr reisten daher auch immer mehr Menschen mit ihm an die Weser. Auch Baufachleute, Vermesser und Ingenieure würde man heute sagen, kamen verstärkt hinzu und so umfasste der Rückmarschzug zwangsläufig auch Jahr für Jahr mehr Menschen, als im jeweils voraus gegangenen Jahr. Und was wir auch nicht unberücksichtigt lassen sollten ist die Tatsache, dass sich zu alledem noch viele Personen, die an der Weser benötigt und eingesetzt wurden im steten Pendelverkehr zwischen Anreppen und Höxter befanden, denn der Hellweg war in den wenigen Jahren in denen Varus an der Weser das Regiment führte die Lebensader für eine ganze Region in Germanien geworden, soweit die Römer diese unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Wollte man nun ernsthaft all diese Personen einem Umweg aussetzen. Die hier im weiteren Verlauf präsentierte Hypothese, trägt daher auch den Charme einer gewissen Plausibilität in sich, denn man kann einem derart großen und träge dahin ziehenden, sowohl aus einem zivil - als auch einem militärischen Teil bestehend, in der Tat auch eine gehörige Portion an Disziplinlosigkeit zutrauen und ihm daher auch zahlreiche nötige und unnötige Stopps unterstellen. Diese ständigen Unterbrechungen konnten sich dann für den Betrachter wie eine Marschauflösung darstellen, was sie indirekt auch waren. Denn so vermerkte es auch Cassius Dio bzw. er entnahm es seinen Vorlagen. Man sollte sich bei allen gereiften Gedankenabläufen auch vor Augen führen, dass es zum Zeitpunkt des Ausmarsches bereits kein Geheimnis mehr war, dass es möglicherweise auch noch zu Kämpfen kommen könnte. Die ständigen Besuche von Segestes und seinen Vasallen bei Varus, die offen zugänglichen Informationen und die vielen unausgesprochenen Dinge die teilweise hinter vorgehaltener Hand durchsickerten, alles hörte sich nicht beruhigend an, schaukelte die Stimmung hoch und sie wurden vielleicht sogar bewusst von den Germanen geschürt und lanciert. Da die berühmten Buschtrommeln in jeder Epoche der Weltgeschichte gut funktionierten, waren alle Teilnehmer sowohl unter militärischen Aspekten betrachtet, als auch unter zivilen sehr wohl über die mögliche Gefahrenlage informiert. Das es irgendwo da draußen Unruhe in einer Region gab, dass es in diesem Fall sogar ausnahmsweise mal die Arminius Germanen schon selbst waren, die eine zusätzliche Schutztruppe als Verstärkung für ratsam hielten und herbei holen wollten und das es zahlreiche Warnungen und diese sogar aus dem unmittelbaren, Umfeld wenn auch von einer anderen Linie des cheruskischen Fürstenhaus stammend gab. Alles hatte sich längst herum gesprochen und war einer sorglosen Atmosphäre gewichen und ihr nicht dienlich. Und wie die Menschen so sind, so könnte man nicht nur, man hatte es sicherlich sogar schon hier und da übertrieben und dramatisierend dargestellt. Jeder Zugteilnehmer war also schon vor dem Rückmarsch in Sorge und verängstigt. Möglicherweise sahen viele Personen aus den Reihen der Rom treuen schon hinter jedem Baum und Strauch einen möglichen Aufrührer. Die Lage war spannungsgeladen bis brisant, sorgte für Nervosität und brachte den Generalstab bis hoch zum Feldherrn ins Grübeln. Beginnen wir aber bei dem Volumen den der Marschzug umfasste, denn davon war auch abhängig, ob man sich im Sinne der Frauen und Kinder für eine andere Lösung entschied bzw. entscheiden musste. Hinter allen Überlegungen steht naturgemäß zuerst mal in die Frage, wie lang ein solcher Marschzug mitsamt der immensen Volks- und Kriegsmassen samt seiner Kampfmaschinerie und Verproviantierung aber auch zahlreicher Händler und Kaufleute ausgefallen sein muss. Eine lange Schlange Leiber die weithin sichtbar war. Mal sah man die Menschen in den glänzenden Rüstungen der Legionäre und mal im Alltagsgrau damaliger Bekleidung mit dem Ochsenziemer in der Hand. Und immer dazwischen Holzkarren hinter Holzkarren in allen Variationen wie sie damals im Imperium gebräuchlich waren. So schob sich alles wie ein schier endloser Wurm ausgehend vom Sommerlager in Richtung Westen voran. Ich greife da noch mal gerne meine Theorie zum Kölner Rosenmontagszugs auf, der 2016 etwa 8 Kilometer lang war und in etwa passen könnte. Die Ausdehnung des Varus Marschzuges wird bestimmt und davon beeinflusst worden sein, wie viel Personen gleich welcher Couleur ihn begleiteten und wie lang sich der Zug durch die Anzahl der Transportfahrzeuge, sowie der Last- und Versorgungstiere noch zusätzlich in die Länge zog noch dazu wenn er ins Stocken geriet. Denn man zog ja weiter, auch wenn mal irgendwo ein Nadelöhr zu passieren war. Aber warum interessiert uns alle die Länge des Marschzuges ? Die Frage ist schnell beantwortet, denn seit Varus Tagen hat sich unser Gehirn nicht vom Fleck bewegt. Und die Fragen die wir uns heute zu seiner Vorgehensweise stellen, hat sich der Feldherr damals auch selbst stellen müssen. Er war der Chefstratege und man erwartete von ihm, dass er an alles dachte. Nur mit einer Ausnahme, denn im Herbst 0009 musste er sich nicht nur Fragen stellen, er musste auch die richtigen Antworten darauf finden und die nötigen Entscheidungen treffen. Aber reden wir nicht lange drum herum, denn eigentlich wollen wir nur heraus zu finden versuchen, wie lang nur der letzte Marschzug war, der dann schlussendlich auch ab Brakel ins mögliche Krisengebiet führte, in das die Römer am Morgen dieses vermeintlichen 25.09.0009 aufbrachen. Denn nach der allgemein vorherrschenden Ansicht und wie es alle Cassius Dio Interpreten zu erkennen glaubten, bewegte sich dieser scheinbar endlose Zug der das Sommerlager an der Weser verließ danach auch in unveränderter Länge und Zusammensetzung über Brakel hinaus also unverkürzt weiter bis ins Herz des Rebellengebietes. Billigen wir Varus aber doch zu, dass er sich der verantwortungsvollen Lage bewusst war und er sich auch gedanklich mit der Problematik tiefsinnig auseinander setzte. So musste er sich entscheiden, welche Ausrüstung auch an Pioniergerät, vielleicht auch an Katapulten und anderem Waffenarsenal er ins Rebellengebiet mitnehmen musste und welchen Personenkreis er im Angesicht der Aufrührer dabei haben wollte. Aber er war sich sicherlich auch im Klaren darüber, auf was er in Anbetracht der herauf ziehenden Gefahrenlage verzichten wollte und sogar musste, weil es ihm im Gebiet der Unzufriedenen hinderlich schien. Aus menschlicher Sicht gilt als wahrscheinlich, dass er sich um so sicherer fühlte, je mehr Kämpfer er um sich scharte. Immerhin begleiteten ihn nach meiner Hochrechnung am ersten Marschtag von Höxter nach Brakel noch etwa 15.400 im Kampf erprobte Männer, die dem Imperium gegenüber verpflichtet waren und ihren Eid auf Rom geleistet hatten, so dass der Zug plus Tross ab dem Sommerlager schon die beachtliche Länge von einigen Kilometern aufgewiesen haben dürfte. Aber war denn dieser gesamte Personenkreis samt Frauen und Kindern und wer noch alles auch tatsächlich noch dabei als Varus dann am zweiten Marschtag von Brakel aus seine Zielrichtung änderte und unmittelbar zu den Rebellen aufbrach ? Was mag den späteren Befehlen, Anweisungen und Manövern im Zuge des Ausmarsches am Morgen des zweiten Marschtages am Vorabend alles voraus gegangen sein. Es ist Standard und im militärischen Sprachgebrauch nennt man es heute angloamerikanisch Briefing, dass man sich vorher noch austauschte. Der Offiziersstab unter Varus traf sich also sicherlich noch am besagten Vorabend nach der Ankunft aus Höxter im Zelt des Feldherrn im Brakeler Marschlager wie es vor bedeutsamen Ereignissen völlig normal ist und man sprach sicherlich auch wieder über die Problematik, ob man wirklich alle Zugteilnehmer zu den Aufrührern mitnehmen sollte. Arminius hatte seine Meinung dazu gesagt, aber an diesem Abendgespräch nahmen er und sein Gefolge nicht teil, denn sie verließen schon vorher den Feldherrn um zu den in Bereitschaft stehenden Männern zu reiten. Es wurden im Zelt des Varus die letzten Entscheidungen für den nächsten Tag getroffen und man legte endgültig fest, wie alles logistisch vonstatten zu gehen hatte. Grundsätzliche Positionen wird man nicht verändert haben, denn dies hätte man mit den Cheruskern abstimmen müssen von denen man Unterstützung erwartete, die aber bei der Besprechung im Zelt nicht dabei waren. Die Nacht brach danach herein und von nun an war Varus und sein Stab auf sich allein gestellt wie er und die anderen am nächsten Tag schmerzlich erfahren sollten. Nun sah der Plan vor, dass man am Morgen des nächsten Tages diesem fiktiv von mir gesetzten 25.9.0009 ab Brakel um 90 Grad die Richtung änderte und nach Süden ins mögliche Kampfgebiet einschwenken wollte. Von diesem Moment an würde man sich nicht mehr auf dem ausgebauten Hellweg nach Westen befinden. Sie werden fragen, was dies nun alles mit den Frauen und Kindern zu tun hat, aber man muss die ganze Varusschlacht immer im Kontext betrachten um die Logik zu erkennen. In diesem Zelt fiel am 24.09.0009 abends sicherlich auch noch mal beiläufig der Name Segestes. Und in diese sensible Vorbereitungsphase hinein formulierte ich den prekären Gedanken und die vielleicht gar nicht so haltlose Fragestellung, ob Varus auch tatsächlich alle jene Personen mitsamt ihrer kompletten Ausstattung mit ins Schlachtgeschehen nahm, die vorher schon mit ihm gemeinsam den Weg von Höxter nach Brakel zurück gelegt hatten. Und so oft man auch das Blatt wenden möchte, immer wieder müssen wir inne halten, resümieren und uns in die Köpfe antiker aber erfahrener Militärs hinein versetzen. Varus hatte sich aus seiner Sicht und der seiner Offiziere sicherlich gut vorbereitet und war sich der militärischen Unterstützung die ihm von Seiten der Germanen zugesagt wurde auch ganz sicher, trotzdem wird er sich der Lage bewusst auch die richtige Entscheidung getroffen haben. Denn vergegenwärtigen wir uns. Relativ komfortabel ausgestattet und mit ruhigem Gewissen könnte er sich nun theoretisch in eine Region begeben können, in der Personen lebten und ihn erwarteten, die ihm auch gefährlich werden könnten. Menschen die ihn heraus fordern wollten und ihn milde ausgedrückt an der weiteren Ausübung seiner Statthalter Funktionen hindern wollten, vielleicht aber auch nur um Druck auf ihn ausüben zu wollen. Ihm seine harten Entscheidungen zum Vorwurf zu machen oder den Kaiser zu bewegen ihn gegen einen anderen Statthalter auszutauschen. Krasser formuliert, es gegen ihn aber auch zum offenen Aufruhr kommen könnte und sie nicht nur ihm sondern allen anderen auch nach dem Leben trachten konnten. Eine Situation die Varus aus den letzten Jahren so nicht kannte und nicht kennen gelernt hatte, denn in seinen Jahren in Ostwestfalen waren ihm derartige konkrete Gefahren fremd geworden und aus dem Blickfeld geraten. Und da hinein sollte er sich nun unnötigerweise noch mit Frauen und Kindern belastet haben. Er wähnte sich zwar unter Freunden wie in etwa eines Arminius oder Segestes wird aber auch die Sicherheit nicht voll geopfert haben, zumal er nicht in die ganze germanische Seele hinein blicken konnte. Er nahm in Abstimmung mit seinen Unterführern trotz seiner optimistischen Grundhaltung mit der er auf alle beruhigend einwirkte also die Warnungen ernst und bereitete seine Männer daher auch auf den möglichen Gebrauch der Waffen vor. Und bei der Abwägung des für und wider wurde ihm doch immer klarer, dass er den Marschzug wie eine Kampfeinheit strukturieren und auf jede unnütze Person verzichten musste. Varus besann sich auf die Worte der Cherusker die ihm schon früh rieten seine Armee aufzusplitten. Und in diesem Moment fiel, ich drücke es mal romanhaft aus, also Gedanken verloren, wieder sein Blick auf den in diesem Jahr ungewöhnlich langen Treck und er übersah dabei auch nicht die vielen zivilen Personen, die sich auch noch bis in seine unmittelbare Nähe aufhielten. Er erkannte unter ihnen auch sorgenvoll blickende bekannte Gesichter. Wie es uns auch Cassius Dio unzweifelhaft überlieferte, befanden sich nun mal im Zug nicht wenige Frauen und Kinder denen man möglicherweise im hinteren, vermeintlich sichersten Bereich ihren Marschplatz zugewiesen hatte. Da Angriffe auf den Tross in allen Kulturen üblich waren, könnte man die Zivilpersonen auch schon am ersten Tag in den Marschzug der Legionen integriert haben. Ich will es nicht übertreiben, aber wenn überall Kindergeschrei zu hören war und sich laut gestikulierende Frauen in seiner Umgebung befanden, dürfte ihm die Entscheidung noch leichter gefallen sein, die Vorschläge der Germanen zur Aufspaltung zu übernehmen. So bestärkte es ihn beim Anblick dieser zahlreichen Mitreisenden die schon am ersten Tag niemand übersehen konnte und deren nicht militärisches Verhalten und und ungeordnetes Auftreten ebenfalls alle beobachten konnten darin, den Arminius Plan umzusetzen. Denn machen wir uns nichts vor, es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass sich auch das cheruskische Fürstenhaus unter dem Führungsduo Segimer/Arminius die Frage nach dem Verbleib und dem späteren Umgang mit den vielen Zivilpersonen angesichts der zu erwartenden Kampfhandlungen gestellt hat. Denn unter den konföderierten Germanenstämmen wusste man, dass es zu Kampfhandlungen kommen würde, während Varus auch oder noch auf Schlichtung statt Waffen setzte. Varus wusste zwar nicht genau, was es dort zu tribunalisieren, zu beurteilen, abzuurteilen oder zu schlichten gab, aber er hoffte, basierend auf seinem mäßigen Wissensstand, vor Ort eine Beruhigung der Lage herstellen zu können. Wenn er, der Feldherr samt Waffenschau mal erst den Tribunalplatz betreten würde, dann sähe die Welt bei den Aufrührern sicherlich anders aus. Arminius der Blauäugige in dem Varus lange nicht den Hauptverschwörer erkannte, war zwar „blauäugig“ aber nicht im Sinne von naiv, ahnungslos, oder weltfremd. Dafür war eher Varus ein Kandidat. Nachdem wir aber aus der ganzen Vorgeschichte gelernt haben, dass Segimer und Arminius wenig dem Zufall überließen können wir auch annehmen, dass es dafür bei ihnen schon einen Plan gab. So entschloss sich Varus am Morgen des 25.09.0009 wie er es mit den Germanen und dem Führungsstab abgesprochen hatte, den Befehl zu geben einen Teil der Legionen mit den Zivilisten und dem großen Teil des Trosses auf direktem Weg nach Aliso und dann weiter zur Lippe zu schicken. Und das er diesem Zug natürlich eine beachtliche Kampftruppe als Begleitung anvertraute klingt sehr plausibel, denn auch dieser Treck brauchte Schutz und hatte nun mitsamt den vielen Kampfunfähigen, des Kampfes unwilligen, versklavten und ungeeigneten den mühsamen Eggeanstieg zu bewältigen. Gehen wir nun auf der Schiene dieser Logik zurück, so gehe ich davon aus, dass Arminius auch der Entscheidung den Zug aufzuteilen Vorschub geleistet bzw. die Entscheidung beeinflusst haben könnte. Arminius wusste um die Umstände, wie hinderlich ein langer Tross sein konnte, und er war bestens darüber informiert, dass Varus gedachte ihn unversehrt an den Rhein zu geleiten. Im Umkehrschluss ist natürlich auch die Variante denkbar, dass die Germanen alles taten, damit Varus alle Frauen und Kinder mit ins Gefecht nahm um ein Höchstmaß an Chaos zu erzwingen, was ich allerdings ausschließe und daher dazu auch keine Simulation ausgearbeitet habe. Arminius könnte meines Erachtens sogar soweit gegangen sein, in dem er dem Feldherrn zusätzlich zu den römischen Verbänden, die die Frauen und Kinder zu geleiten hatten auch noch Teile seiner eigenen Männer angeboten hatte um zu helfen, diesen Zug sicher an die Lippe zu führen. Dieser Plan wie ich ihn mir vorstelle, wird im Verlauf des Kapitels noch deutlichere Formen annehmen. Der zivile Tross wie wir ihn uns nun vorzustellen haben, hatte für die Germanen eine große Bedeutung und man war sicherlich daran interessiert ihn unbeschadet in die Hand zu bekommen. Vergessen wir in diesem Zusammenhang natürlich nicht, dass Frauen, Kinder und Sklaven in der alten Welt begehrt waren, sowohl für den Eigenbesitz also auch als Handelsware. Aber das Fell verkauft man bekanntlich erst nach der Jagd. Der zivile Anhang der nun unbeschwert von jeglicher Gefahr die Route nach Anreppen einzuschlagen hatte, war bunt gemischt und bestand aus Händlern, Dienstboten, Sklaven, Mätressen, Beamten, Funktionären, Handwerkern, Beratern, Frauen, Kinder, Älteren, Jungen, Verletzten, Säuglingen vielleicht auch aus Ärzten und was alles so vorstellbar ist, denn das Leben ging auch in Germanien weiter und all diese Personen wurden über die Sommermonate an der Weser gebraucht. Allein diesen insgesamt sehr umfangreichen Personenkreis auf einen tagelangen und noch dazu vermeidbaren Umweg in ein Krisengebiet mit nehmen zu wollen, um ihn dann nach erfolgreichem Ausgang seiner höchstrichterlichen Schlichtungsbemühungen, bei vollster Verpflegung und der Errichtung aller nötigen zusätzlichen Nachtlager später wieder weiter über das Sintfeld und die Lippe an den Rhein zu bringen, war allein schon für sich genommen, ein logistischer Kraftakt. Auch hier stand Varus im Zweifel sich widerstrebender Überlegungen und traf aufgrund dessen die Entscheidung seinen Rückzug im Interesse aller zu teilen. Aber es gab noch weitere Gründe, die es ihm leicht machten. (03.12.2018)

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