Samstag, 21. Oktober 2017
Wo übersommert man an der Weser
Am 3.April 0013 hatte Kaiser Augustus sein Testament gemacht. Bei den vestalischen Jungfrauen bei denen es niedergelegt worden war, kam es nach seinem Tode am 19. August 0014 zum Vorschein. Das Testament wurde somit in seinem 76. Lebensjahr abgefasst bzw. es wurde in diesem Jahr zu Ende verfasst, was aber einen Unterschied macht. Testamente haben in erster Linie die Funktion Nachlass und Nachfolge zu regeln. In seinem Fall sicherlich keine einfache Aufgabe. Er ging aber noch einen Schritt weiter und erstellte noch eine Übersicht seiner Taten nämlich die Res Gestae und damit seinen persönlichen Leistungsnachweis, Rechenschaftsbericht oder sein Lebenswerk für die Nachwelt. Ohne den Anhang bestanden diese aus 35 Kapiteln. Im Kapitel 26 waren ihm u.a. zwei Dinge wichtig gewesen erwähnt zu werden. Zum einen, dass er Germanien bis zur Elbmündung befriedet hatte und das seine Legionen im Jahre 24 - in Arabien bis zur Stadt Mariba vorrückten und im Kapitel 27 ist noch zu lesen, dass er im Jahre 20 – Tigranes III zum König über Armenien ernannte. Es stellt sich aber nun die Frage, wann Kaiser Augustus die Feststellung wagte, er habe Germanien befriedet. Nachdem ihm nach 9 + der Satz  “Quintili Vare, legiones redde”, oder so ähnlich, den wir alle in der Übersetzung kennen über die Lippen kam, wird er es mit der Befriedung sicherlich nicht mehr so optimistisch gesehen haben, denn einen Hinweis darauf vermissen wir in seiner Res Gestae. Da er seinen Wunschtraum Germanien befriedet zu haben im gleichen Kapitel bzw. Zeitrahmen mit älteren Ereignissen der Jahre 24 – und 20 – niederschreiben ließ, wird er es wohl vor dem Untergang der Varuslegionen gemacht haben. Oder er hat es schlicht und einfach weg gelassen, sollte er seinen Tatenbericht nach 9 + zu Ende verfasst haben. Vermutlich tat er es in der Phase nach dem Ende des Immensum Bellum der von von 1 + bis 5 + währte und der Varusschlacht. Denn auch Paterculus berichtet nach dem Immensum Bellum, dass es nun  nichts mehr in Germanien zu erobern gäbe, außer dem Volksstamm der Markomannen. Und in dieser Phase traute man sich nun auch zu, den entscheidenden Kraftakt in Innergermanien angehen zu können und zu vollenden indem man dort und explizit in Ostwestfalen damit beginnen wollte, die steuerlich bzw. ordnungspolitisch nötigen Schritte zur Integration Germaniens ins Staatsgefüge einzuleiten. Man entsendete daher den Verwaltungsfachmann P.C. Varus in den Nordosten um die üblichen Dinge und Formalitäten zu regeln. Er stieg von Schwaney aus die Egge hinab und erreichte Brakel. Während dem werden er und seine Agrimensores, die Feldvermesser jener Zeit bereits die ersten Anweisungen für die Erschließung bzw. den Wegeausbau, sowie die Errichtung von Beobachtungstürmen erteilt haben. Ab Brakel nimmt die Nethe durch den Zufluß der Aa weitere Wassermengen auf wodurch der Fluß zum bestimmenden Faktor und prägenden Element einer sich zur Weser hin öffnenden Landschaft wird. In Brakel kreuzen sich diverse Wegeverbindungen, so auch ein Weg der Brakel über die Bosseborner Höhe und den Ziegenberg auch mit Höxter verbindet. Die Strecke beträgt etwa 20 km und ist entfernungsmäßig in etwa identisch mit dem großen Hellweg der über Brakel, Hembsen und Ottbergen nach Höxter führt. Jedoch vermeidet die zuletzt genannte Wegeführung den Anstieg nach Bosseborn und den Abstieg am Ziegenberg. Diesen beschwerlicheren Streckenverlauf wird man vermieden haben, so daß Varus vermutlich 7 + das Wesertal und die weiten Auenlandschaften erstmals dort erblickte, wo sich hinter Ottbergen langsam das Nethetal zur Weser hin weitet. Zur gleichen Zeit wurden in Anreppen bereits weitere Schiffsladungen gelöscht, umgeladen und transportfertig verzurrt, während die ersten Karren schon wieder entladen ihren Rückweg von der Weser an die Lippe antraten. Vergleichbar mit den Siedlertracks im amerikanischen Mittelwesten vollzogen sich auch diese Vorstöße nach einem ungeschriebenen Schema jeglicher Landnahmen. Die unsichtbare Systematik einer wohl durchdachten Logistik gewann hier die Oberhand. Seine Erkundungs Trupps hatten die Lage im Blick und erkannten schnell das Potenzial und die erforderlichen Strukturen und Geländeformationen für die erforderlichen zivilen und militärischen Ansiedelungen. Sodann nahmen sie sowohl im Weser als auch im Nethetal ihre Arbeit auf. Natürlich stand nun für die Besatzer auch die Frage im Vordergrund was Germanien und seine Bevölkerung zu bieten hatte. Prospektoren und Agrarexperten nahmen ihre Arbeit auf und man schaute sich um, sofern man es nicht schon wusste, was der regionale Handeln zu leisten imstande war. Erze und anderes verwertbare und veredelungsfähige Importgut aus dem inneren Germaniens kamen auf den Prüfstand und letzlich auf die Liste ausbeutungsfähiger Güter. Und Varus wusste, was man von ihm erwartete und er stellte sich dieser Herausforderung wohl nicht ungern, denn auch er persönlich würde davon profitieren. Mit dem Kaiserhaus verwandt und als Mitglied einer der angesehensten Familien Roms kannte er nur zu gut die Strahlkraft die von den prächtigen Herrschaftssitzen der Antike im nahen Osten, seinen vorherigen Wirkungsstätten ausging, und diese Erfahrung wollte er auch in Germanien nutzen und einbringen. Daran wollte er sich messen und gemessen werden. Kriege, Feldherren und Schlachten in Germanien sollten nun der Vergangenheit angehören, dafür war er zudem auch nicht der richtige Mann, jetzt sollte Disziplin einkehren und es ging darum geschickt Einflussnahme auszuüben, Macht auf - und auszubauen sie zu erhalten, Kontakte zu knüpfen und um das Durchsetzen von Rechtsstaatlichkeit wie man es von den Römern her kennt. Aber die nötige Repräsentation und die damit verbundenen Zweckbauten waren von besonderer Bedeutung. Sie sollten die Überlegenheit und Stärke aber auch die Religion und Götterwelt der Südstaatler und deren Allmacht der Bevölkerung an der Weser und darüber hinaus demonstrieren. Dies sollte und durfte bei der Erschließung nicht zu kurz kommen. Er aber war als des Kaisers Vertreter Zentralfigur und Lichtgestalt in einem, stand über allem, übersah aber in seiner Alltagsroutine und Befehlsgewalt hinter den Nebelschwaden des Wesertales das reale Leben der Germanen, die sich im Winter nicht in die angenehmen rheinischen Zivilisationen römischer Welt zurück ziehen konnten. Ihre begrenzte Stammesstruktur kannte andere Machtverhältnisse und diese endeten schon oftmals am nächsten Bachlauf oder Schnadgang, wo der Nachbarstamm oder eine andere Sippe das Sagen hatte. Varus und seine Berater begannen davon unbeeindruckt ihr global ausgerichtetes Werk und suchten sich nun einen strategischen Knotenpunkt für die zukünftige Residenz. Und diese gedachte Varus in seinen Visionen vielleicht schon bis zum Jahre 10 + zu einem stabilen Winterlager ausgebaut zu haben. In den Jahren seiner zeitlich begrenzten Anwesenheit an der Weser zwischen 7 + bis 9 + waren er und sein Gefolge mit dem Aufbau aller nötigen Einrichtungen voll auf beschäftigt. Eine Region war im Umbruch und es galt an Vieles zu denken. Verkehrswesen, Nahrungsmittelversorgung einschließlich der Gründung leistungsfähiger und produktiver Landgüter wie den bekannten Villa Rusticae und natürlich der Bau seiner persönlichen Macht – und Schaltzentrale wurde angegangen. Dabei fiel der Blick der neuen Herren im Lande auf den großen Bogen der dort tief fließenden Weser, wo heute das säkularisierte Kloster Corvey steht, deren innere Flussschleife Schutz nach Osten und Süden bot und die sich etwa 5 km unterhalb der wichtigen Weserfurt bei Godelheim befindet. Nördlich und östlich davon erblickten sie flaches Land und weite Wiesen mit Nutztieren und vor allem mit viel Raum für Kavalleriepferde. Und Varus entschied sich für diese Örtlichkeit. Ab diesem Moment berühre ich nun einen sehr neuralgischen Kernpunkt nicht nur meiner Theorie, sondern einer bereits seit langer Zeit von vielen Experten intensiv diskutierten Überlegung. Nämlich der Frage nach dem möglicherweise römischen Ursprung der Abtei Corvey, die leicht mehrere Kapitel füllen könnte, was sich aber dank des empfehlenswerten Buches „Corvey“ von Heribert Klabes und der Vorarbeit von Wilhelm Rave erübrigt. Die auf 247 Seiten von der "pro Fraktion" ins Feld geführten Argumente sind da recht zahlreich. Denn das heute noch äußerst repräsentativ wirkende aber unverhältnismäßig und scheinbar unerklärlich tief liegende Säulen bestandene Ur – Atrium samt Erker und Wandbemalung et cetera und viele andere Hinweise geben in der Tat eine ganze Reihe von Rätseln auf, die bislang nicht zufriedenstellend entkräftet wurden. Ich schließe mich daher nicht nur aus diesem Grund auch dem Personenkreis an, der dies für möglich hält, so dass meine weiteren Theorien auch darauf basieren. Das religiöse Zentral- und Verwaltungsgebäude der neuen Machthaber in Ostwestfalen sollte und musste auch höchst staatstragende Ansprüche erfüllen. Und dieses imposante und mehr antik/weltlich erscheinende Atrium mit seinen immer noch beeindruckenden Konturen, Außenmaßen seiner Repräsentationskraft und Ausstrahlung stand im starken Gegensatz zum späteren Missionswerk quer durch alle Orden und auch dem benediktinischen Klosterleben. Sollten sich wie von der "contra Fraktion" gemutmaßt wird, hinter dieser monumentalen Fassade und Bausubstanz bereits Ansätze eines karolingischen Herrscher – bzw. Regierungssitzes verbergen, so stellt sich zuerst die Frage, welchem karolingischen Herrscher nach Karl dem Großen, den langwierigen Auseinandersetzungen im fränkischen Königshaus, sowie der folgenden Aufspaltung des fränkischen Reiches im Vertrag von Verdun im 9. Jahrhundert dieser Aufwand hätte gegolten haben können. Die für die mittelalterliche Kunstgeschichte als Unikum bezeichneten Wandmalereien im Kloster Corvey auf Basis der  „Aeneis“ des römischen Dichters Vergil bringen auch heute noch die Museumsführer des Weltkulturerbes regelmäßig zum Rätseln, wenn sie interessierte Personengruppen durch die Anlagen führen und sie Fragen danach beantworten sollen. Denn sie lassen sich nach allgemeiner Übereinstimmung mit einem frühmittelalterlichen Klosterbau und dem dazugehörigen strengem Klosterleben nicht recht in Einklang bringen. Vergil selbst lebte von 70 - bis 19 + und war Zeitgenosse sowohl von Augustus als auch von Varus. Ob die dargestellten griechischen Heldengestalten dieser Aeneis als tugendhafte Vorbilder für die christliche Mission nach 3o Jahren Sachsenkrieg geeignet waren, ist allerdings fraglich. Diese Heroen und deren Taten im weit entfernten Mittelmeerraum den Bewohnern der kalten Germania Magna zu vermitteln, war nahezu abenteuerlich zu nennen. Man stelle sich nur vor, dass sächsische Krieger die dem Blutbad von Verden 40 Jahre zuvor vielleicht knapp entgingen und noch vor nicht all zu langer Zeit sogar unter Todesdrohung gezwungen wurden den christlichen Glauben annehmen zu müssen, betrachten unter klösterlicher Obhut demütig und unterwürfig die bunten Darstellungen eines auf einem Delphin reitenden Jüngling und einer fasst unbekleideten weiblich geformten Meduse. Vorausgesetzt man ließ sie überhaupt bis in diese Räumlichkeiten vordringen. Sie werden sich jedenfalls in diesen für sie immer noch gefährlichen Zeiten nicht gewagt haben, dass in ihrer Sprache auszudrücken, was sie sich dabei gedacht haben mögen. Aber die Mönche sahen es in ihren Gesichtern und mussten handeln, denn dazu passte ihre Botschaft nicht. Man übertünchte sie mehrmals und man könnte aus heutiger Sicht betrachtet zu dem Urteil gelangen, dass dies ein Sinnbild darstellt, für die Zerrissenheit eines christlich eingeengten Weltbildes im Kontrast zur antiken heidnischen Offenheit. Diese Irritation beim Erblicken der Fresken wird es jedoch nur bei den ortsunkundigen Sachsen gegeben haben, während es für die Bevölkerung der Corveyer Nordstadt und der weiteren Umgebung vor der klerikalen Annexion ein alltäglicher Anblick war und sie damit vertraut waren. Sie zu entfernen, zu zerstören oder selbst zu übertünchen kam den Menschen an der Weser vor dem aufgezwungenen Religionswechsels glücklicherweise nicht in den Sinn. Mit dem Einzug der Mönche in Selicasa wird man diese Wandmalereien dann letztlich früher oder später unkenntlich gemacht haben. Theoretisch kann dies nur irgendwann in der langen Zeit des mönchischen Lebens und der klerikalen Nutzung in Corvey seit dem Jahr 823, die Abtei war etwa 1000 Jahre im Besitz der Benediktiner, passiert sein als man erkannte, dass die anstößigen Fresken gestört haben. Man kann natürlich auch die Meinung vertreten, dass die Mönche die Fresken noch lange Zeit sichtbar hielten bis an dieser Stelle Zeitgeist und Geschmack zur Schlichtheit tendierte. Diese Version wird allerdings selbst von heutigen Benediktinermönchen bestritten, die die Fresken grundsätzlich nicht für kompatibel mit den damaligen Glaubensvorstellungen halten. Interessant wäre es daher zu erfahren, ob sich der Zeitpunkt der Erstübertünchung mit wissenschaftlichen Methoden datieren lässt. Kaiser Augustus war ob man es später zu Zeiten Karl des Großen hören wollte oder auch nicht ein Mensch der an die damaligen Götter glaubte, nach christlichen Wertvorstellungen und Maßstäben gemessen, also ein Heide. Für die Verfilmung des Umberto Eco Bestsellers „Der Name der Rose“ hätte man sich vielleicht besser um eine Drehgenehmigung in Corvey statt im Kloster Eberbach bemühen sollen, denn dort hätte man ihn vielleicht etwas authentischer verfilmen können. Für den niederen sächsischen Stand ging jedenfalls mit der fränkischen Machtausdehnung eine sehr lange Phase christlicher Dominanz und auch Unterdrückung einher, die später im Zuge des Stellingaaufstandes nochmal zum Ausbruch kommen sollte. Die „karolingische“ Hypothese der Deutung der "contra Fraktion" klingt daher eher wie ein Versuch Gegenargumente herbei führen zu müssen. Diese Interpretation basiert auf der Annahme, dass sich Karl der Große und seine Nachkommen in ihrer Rolle als Erneuerer des römisches Reichgedankens auch die damit verbundenen künstlerischen Freiheiten aneignen durften. Die Karolinger traten in diesem Fall sogar sehr tief in die Fußstapfen von Kaiser Augustus. Denn Kaiser Augustus stand die Odyssee von Homer in der Darstellung der Aeneis von Virgil bekanntlich so nahe, dass er ein überaus großes persönliches Interesse an deren Veröffentlichung hatte und sich sogar über das Testament des Vergil hinweg setzte. Ob Ludwig, genannt der Fromme, diesen neuen wohl weniger frommen Geist der Renovatio allerdings so konsequent in die Tat umsetzen ließ, indem er anordnete, dass die gewagten Fresken noch zu seinen Lebzeiten aufgetragen wurden, wäre für das 9. Jahrhundert in der Tat aus heutiger Sicht ein klerikaler Spagat gewesen. Das die Karolinger die Zeiten späterer Christenverfolgungen unter den römischen Kaisern derart ausblendeten nur um sich das Erbe von Kaiser Augustus zu sichern, sollte nicht dazu geführt haben, dieses strittige Erbe sogar bis in die frühen karolingischen Klöster zu tragen. Varus kann man alles nachsagen nur nicht, dass er die Absicht hatte, Grundsteine für spätere Klosteranlagen zu legen aber kubische Elemente in der Architektonik umzusetzen entsprach nun mal antiker Bauweise. Trotzdem noch ein kurzer Hinweis auf die umstrittene Schrifttafel am Corveyer Westwerk. Karolingische Minuskeln sind nach neuesten Erkenntnissen um die Mitte des 8. Jhd. im Königskloster Corbie entstanden. Eine Handschrift, die um 765 in Corbie entstanden ist, weist auf erste Versuche hin. Sie zeichnet sich durch Klarheit und Einfachheit des Schriftbildes aus. Von der Hofschule Karls des Großen breitete sich diese neue Schrift dann aus. Sie ersetzt die bis dahin gebräuchliche lateinische Schrift in Majuskel die durch Abrundung der Buchstaben der römischen Capitalis Quadrata entstanden war. Nach ihrer Entstehung in Corbie breiteten sich die karolingischen Minuskeln ab dem 9. Jhd. von den Schreibzentren des Karolingerreiches sehr schnell aus. Corbie, Namensgeber und Ursprungsabtei des Corveyer Klosters an der Weser war demnach der Ursprung der neuen karolingischen Schrift. So wäre es eigentlich zu erwarten gewesen, dass es für die Abtei Corvey geradezu eine Pflicht und Ehre dargestellt hätte, diese neue Schrift auch als erste anzuwenden. Stattdessen griff man beim Bau des Westwerks wieder auf das alte Erscheinungsbild der Capitalis quadrata zurück, die ab der zweiten Hälfte des 1. Jhd. bis zum Ende des 3. Jhd. unter den römischen Kaisern Augustus, Tiberius, bis hin zu Trajan, Hadrian und Marc Aurel ihren Höhepunkt erlebte.  Die Capitalis quadrata blieb bis in das 6. Jhd. in Gebrauch, soll aber in einzelnen Prachthandschriften und als Auszeichnungsschrift sogar bis in das 9. Jahrhundert zu finden sein, aber nicht mehr im 10.Jhd. Und bei einer dieser einzelnen Auszeichnungsschriften soll es sich bekanntlich um die Schrifttafel an der Außenfassade der Abtei Corvey handeln. Ich suche derzeit noch nach weiteren karolingischen Inschriften bei denen man ebenfalls noch die römische Capitalis quadrata verwendete. Obwohl es sich Karl der Große zum Ziel gesetzt hatte ein einheitliches Schriftbild in seinem Reich einzuführen soll diese Leitlinie ausgerechnet in Corvey unterbrochen worden sein. Als man mit dem Bau des Westwerkes in Corvey, 60 Jahre nach dem Tod Karls des Großen im Jahre 873 also noch im besagten 9. Jhd. begonnen hatte, das dann 885 folglich 15 Jahre vor Beginn des 10.Jhd. geweiht wurde, hatten sich die karolingischen Minuskeln im fränkischen Reich durchgesetzt. Aber in diesen Zeiten zerbrach nach dem Vertrag von Ribemont 880 auch langsam das Frankenreich und am Horizont zeichnete sich bereits Deutschland und Frankreich ab. Heinrich der Erste von Ostfrankreich war gerade drei Jahre alt und wer strebte in diesen Zeiten noch ernsthaft nach römischen Vorbildern. Wir wissen heute wie schnell und in welch kurzer Zeit die Römer fähig waren Welten zu erobern. Die Baustruktur der Klosteranlage von Corvey und umliegende Gewanne wie “thom Roden” und viele andere Turmreste, Bodendenkmäler und Wall Strukturen geben dazu interessante Hinweise, die unter Geschichtsforschern intensiv diskutiert werden. Ihnen aber auf den Grund zu gehen, war bislang noch nicht umfassend möglich, gestattet worden oder gewollt gewesen. Die Beweislage insgesamt ist beeindruckend interpretierbar und lässt zu viele Schlüsse in die Richtung zu, als dass Teile der Abtei Corvey nicht nur aus römischer Zeit stammen könnten sondern stammen. Im vorgenannten Buch werden eine Reihe interessanter Hinweise vorgestellt, die nicht erschöpfend genug beantwortet werden konnten. Unsere Akademien, Universitäten und Hochschulen haben sich diesen Schlussfolgerungen bislang leider noch nicht umfassend genug gewidmet oder geöffnet. Eine detaillierte und umfassende Analyse aller Erkenntnisse steht auch demzufolge immer noch aus. Das Ausbleiben einer fundierten Expertise hat viele von der Geschichte begeisterte Laienforscher daher auch irritiert. So wäre es im Sinne aller sehr erstrebenswert, wenn die zusammen getragenen Argumente im Lichte moderner Forschungsmethoden einer neutralen Bewertung unterzogen werden könnten. Das dieses bislang unterblieb hat sicherlich Spekulationen darüber ausgelöst, warum sich kein Expertenteam diesen Herausforderungen mit all seinen Facetten stellen wollte. Es liegen Berichte über eine Vielzahl von Ungereimtheiten vor, denen nach zu gehen sicherlich historisch lohnenswert wäre. Dem verstorbenen Heribert Klabes sei gedankt, sich dieser Thematik ausführlich gewidmet zu haben sowie Andreas Otte, der sich um den Druck der Neuausgabe 2008 verdient gemacht hat. Aus der Vielzahl der teilweise auch heute noch sichtbaren Hinterlassenschaften aus alter Zeit seien nur die folgenden Hinweise herausgegriffen. Von Graf Bernhard einem Nutznießer fränkischer Interessen, der vermutlich selbst Franke war, kaufte Ludwig der Fromme 822 die „Marca Huxori“, um die dort näher bezeichnete „Villa Huxori“ dann am 27.7.823 im Rahmen einer Schenkungsurkunde einschließlich der Waldgebiete dem 822 gegründeten Benediktinerkloster Corvey zu übergeben. Die Geister scheiden sich nun an der Begrifflichkeit Wortfindung und Überlieferung, dass es an der Stelle des heutigen Klosters Corvey anhand der bekannten Urkunden schon vor dem Jahre 822 bereits eine Villa und man beachte, bestehend aus einem Steinhaus mit der Bezeichnung “Selicasa” gegeben hat. Das Gelände wäre demnach also nicht jungfräulich unbebaut oder ungenutzt gleich einer nassen Wiese gewesen, sondern bezeugte für diese frühen Zeiten, was sehr ungewöhnlich ist und ein Novum darstellt, nämlich einen Steinbau an der Weser. Das lateinische Wort Villa haben vermutlich Karolinger verwendet und es bezeichnet im ursprünglichen Sinne ein römisches Landhaus bzw. ein Landgut. Demnach gab es also ein steinernes Landhaus an den Ufern der Visurgis. Doch wer hätte es in vorkarolingischer Zeit errichten sollen. Es den sächsischen Eroberern im 7. Jahrhundert oder gar den davor dort siedelnden Germanenstämmen anzulasten klingt utopisch. Steinbauten zu errichten war im Ostwestfalen des 8. Jahrhundert oder früher nicht opportun. Allein Aufwand und Nutzen standen in keinem Verhältnis zueinander zudem noch mit Säulen ausgestattet. Hier machte nur der traditionelle Fachwerkbau Sinn und war überlebensfähig. Der Wortverbindung „Villa Huxori“ folgend hat man sich in den Jahren nun mit dem möglicherweise noch ursprünglich erhaltenen restlichen Gebäudekomplex näher beschäftigt und stieß dabei auf weitere ungewöhnliche Hinweise die auf eine frühere Erbauungszeit schließen lassen. Aber allein die Worte Huxori und Selicasa klingen da schon rätselhaft genug. In heutigen deutschen Worten mit „X“ erkennen wir alte germanische Wurzeln, sodass das Wort Huxori in die Frühgeschichte weisen könnte. Auch Kelten haben häufig den Buchstaben „X“ benutzt. Aber Selicasa klingt wegen der Zweitsilbe natürlich eher lateinisch. Casa steht wohl unbestritten für Gebäude. Sollte die Vorsilbe „Seli“ einen Bezug zu einem ehemaligen Besitzer herstellen also einen Namen beinhalten und wenn ja, in welchen Sprachraum könnte er uns führen ? Welche Namen beginnen mit Seli und wer vergab den Namen casa ? Doch es gibt noch einen anderen Hinweis, denn römische Bauten wurden unter Zuhilfenahme von Mörtel dem bekannten Opus caementicium hoch gezogen. Diesem Mörtel wurde Kalk beigegeben und wo vorhanden die wichtige Vulkanasche, aber auch das unverzichtbare Ziegelklein gehörte dazu. Vulkanasche noch dazu aus Puteoli dem heutigen Pozzuoli, nördlich von Neapel stand den Römern an der Weser nicht zur Verfügung. Vulkanasche noch dazu aus Puteoli dem heutigen Pozzuoli, nördlich von Neapel stand den Römern an der Weser nicht zur Verfügung. Und sie war wohl aus den ehemals aktiven Vulkanen in Nordhessen auch nicht mehr verarbeitungsfähig zu gewinnen. Was die Römer an der Weser aber zur Genüge vorfanden, war Kalk in Form von Kalktuff, auch Quellkalk, Quelltuff oder Bachtuff genannt. Und diesen Sinter also den Kalktuff lieferte der Boden in Ostwestfalen reichlich. Kalktuff ist Mergel und Mergel ist Silicate und entsteht aus dessen Zersetzung und Silicat ist ein guter Baustoff aus dem sich beachtliche Bauwerke errichten lassen. Und nicht von ungefähr nennt sich die Paderborner Hochfläche ja auch Sintfeld. Der von den Römern entwickelte Zement enthält silicathaltigen Kalk. Sicherlich waren aus diesem stabilen Grundstoff gefertigte Gebäude auch für die Germanen sehr interessant und mancher Cherusker wollte mal dabei sein und sehen, wie es hergestellt wurde. Für die Legionäre war es aber nur ganz einfach Silicat. Und Häuser oder Gebäude die unter Verwendung dieses Silicatmaterials gebaut wurden nannte man damals und auch später in abgewandelter bzw. veränderter Form noch Selicata oder Selicate aus dem sich dann der Ursprungsname Selicasa eben ein „Casa aus Selicat“ entwickelte, einbürgerte oder ableitete. Anders ausgedrückt, ein Halle mit vier Säulen hergestellt mit Calziumsilikat-Mörtel.Danach war es also im übertragenden Sinne kein Casa in Form eines fertigen Gebäudes, sondern im Sinne von Silicat einem Baumaterial mit dem man Gebäude also Casa errichtete. Folglich ein starker Hinweis auf ein in römischer Zeit errichtetes Steingebäude aber östlich des Rheins und westlich der Weser, wo es so etwas nach herkömmlicher Auffassung nicht geben darf. Nach der Entdeckung der Steinfundamente des römischen Forums bei Waldgirmes kann dies natürlich nicht mehr ausgeschlossen werden.An einem Säulenfragment wurde zum Beispiel die Darstellung des so genannten babylonischen Ziegen- bzw Ziegenbockfisches identifiziert, eine Capricornusabbildung wie sie außer dem späteren Sphinx, als Nativitätssymbol für Kaiser Augustus überliefert und bestätigt ist. Auch Material für C 14 Untersuchungen stünde noch zur Verfügung und könnte der wissenschaftlichen Erhellung dienen. Eben dieses Holz, dass aus den interessanten da älteren unteren Bauabschnitten stammt wurde tatsächlich geborgen und der C 14 Methode unterzogen. Das ist schon viele Jahre her und seit dem harrt die interessierte Fachwelt auf die Veröffentlichung dieser Ergebnisse. Auch das ist wieder zum Nährboden von Spekulationen geworden und dann bleibt immer noch die Sorge, dass die Proben möglicherweise mit den deutlich jüngeren Dachbalken der oberen Baustruktur vertauscht wurden. Die vielen anderen Hinweise sind bekannt und wurden bereits sehr ausführlich dargestellt und beschrieben, ohne das sich die gängige Lehrmeinung nach dem Kenntnisstand des Verfassers bisher der Sache annahm und überzeugende Gegenargumente lieferte, wenn es sie denn gäbe. Statt die fällige Aufarbeitung zu betreiben ist den offiziellen Darstellungen der Amtsarchäologie dazu jeweils lediglich folgender Standardhinweis zu entnehmen; „Abweichend vom allgemein akzeptierten Forschungsstand, enthält ungesicherte und unhaltbare Annahmen“. Eine Niederschrift des aktuellen und allgemein akzeptierten Forschungsstandes ist bislang jedoch leider nicht erarbeitet worden und konnte demnach auch nicht publiziert werden. Nichts wäre überzeugender und wünschenswerter als eine schlüssige und fundierte Darstellung studierter Archäologen. Mit der Ernennung der ehemaligen Reichsabtei Corvey zum Weltkulturerbe sind zudem Untersuchungen nicht mehr gestattet die auf der Basis zerstörender Maßnahmen stattfinden müssten. Eine an sich richtige Entscheidung, die aber weitere Forschungen erschwert. Es käme eben dabei auf die richtige Vorgehensweise an. Denn es gibt auch Untersuchungsmöglichkeiten von denen keine Gefahr für die Bausubstanz ausgeht und wer will das schon. Wäre die durch Raubgräber aufgefundene Himmelscheibe von Nebra nie über den Schwarzmarkt als bedeutender Fund in Expertenhand bzw. ins Museum gelangt und hätte nur auf vagen Skizzen oder undeutlichen Fotografien überlebt, so wäre auch aus ihr ein weiteres Phantom gleich einem fliegenden Holländer der Archäologie geworden, dass durch die Zeiten geistern würde und es wäre natürlich von den amtlichen Experten in der Konsequenz auch immer als Hirngespinst abgetan worden. In Corvey oder vielleicht sollte man schon sagen in “Civitas Cheruscorum” ließe sich aber noch vieles wissenschaftlich erschließen, aber man unterließ es bislang. Im Umkehrschluss reicht aber allein schon dieses Wissen aus, um die Diskussion über einen möglichen Ausgangsort der Varus Ereignisse an anderer Stelle als in der uns bekannten nördlicheren Region nahe Osnabrück, begründet in Frage zu stellen, wenn nicht gar zu beenden. Hier die Grundstruktur für einen neuen Reichsmittelpunkt zu erkennen, passt daher auch noch gut in den Rahmen eines historischen Ermessensspielraumes. Im Zuge der Christianisierung bildeten bekanntlich sehr viele unseren Vorfahren, den Heiden zugeschriebene Weihestätten, Quellheiligtümer, Altäre, Gebäude oder Wallanlagen bevorzugte Plätze eine Basis um sie religiös und zeitgemäß umzudeuten. Ebenso wie man es mit den an die jeweilige Jahreszeit gebundenen germanischen Kultfesten wie Ostern etc. praktizierte. So nannte man bekanntlich den Limes in Süddeutschland zu Zeiten des Mittelalters mangels besseres Wissens noch Teufels- oder Heidenmauer. Viele Orte späterer fränkischer Klostergründungen im Lipperland könnten ebenfalls eine Geschichte vor der Christianisierung gehabt haben, auch wenn diese nicht mehr nachweisbar ist. Das alte Kloster Böddeken bei Wewelsburg unweit des Sintfeldes könnte eine derartige Vergangenheit gehabt haben. Die Gegend um Corvey bot sich daher dem frommen Frankenkönig Ludwig gerade zu an, um dort im September 822 nach Hethis ein neues Kloster zu begründen, dass später auch über die Reichsgrenzen hinaus zum Missionszentrum weiter Teile Osteuropas aufstieg. Denn in dieser Region wo religiöse Gegensätze besonders auffällig zusammen stießen, bot sich viel Spielraum um über Alteingessenes neu motivierte Ideen zu stülpen. Im Zuge der Jahrhunderte verwischten sich viele Spuren teils irrtümlich oder wurden bewusst überdeckt die auf vorchristliche Nutzungen und Traditionen hinwiesen. Die späteren Epochen insbesondere zu Zeiten der Hexenverfolgung machten die bis dato noch verbliebenen Relikte dann oftmals unumkehrbar unkenntlich. Aber man hatte damals im Zuge christlichen Tatendrangs und Übereifers die Rechnung ohne den technischen Fortschritt gemacht, der uns heute nur um Beispiele zu nennen über Satellitenaufnahmen also Luftbildarchäologie, Infrarotbilder oder systematische Fundvergleiche und andere Techniken so manches verborgen geglaubte wieder offen legt. Der Fall der sehr engagierten Kirchenmaler von Corvey die 1954 so ganz nebenbei auf die Fresken stießen, ist daher ein schönes Beispiel dafür wie unberechenbar doch Kommissar Zufall die Hand führen kann. Ihnen war es mit zu verdanken, dass man die Geschichtsbücher nicht zu weit weg legen sollte um sie ggf. doch noch mal überarbeiten zu können. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass man in einem Kirchenführer lesen kann, dass diese Wandmalereien in der mittelalterlichen Kunst ein Unikum darstellen und nach der Entdeckung viele Interpreten dieses Unikums einen erstaunlichen Spagat hinlegen mussten, indem sie die Fresken als praktische Vorbilder für fromme Christenmenschen und keusches Klosterleben entlarvten. Ich habe daher auch diese Ausarbeitung wie zu Beginn geschrieben immer für nötige spätere Korrekturen offen gehalten. Varus hatte sich jedenfalls für einen logistisch gut nachvollziehbaren Hauptort eingebettet in eine lang gestreckte ausbaufähige Auen- und waldreiche Gebirgslandschaft an der Weser entschieden der für mich aufgrund der Gesamtstruktur auch keine Überraschung darstellt. (zuletzt bearbeitet 30.11.17 - 23:17)