Mittwoch, 28. November 2018
Die Seele der Varusschlacht liegt verborgen in den antiken Schriften
Von fasst allen wichtigen alten Historikern die in lateinischer oder griechischer Sprache in Sachen Varusschlacht also über jene Zeiten berichteten kennen wir die Namen, bis auf Florus bei ihm ist man sich nur ziemlich sicher. Sie haben uns auch sehr vieles von damals überliefert, aber zu unserem Bedauern schweigen sie sich leider zu oft zur „Clades Variana“ aus. So sind ihre Aussagen darüber äußerst spärlich und mager oder sie kündigten uns Werke nur an, die aber vermutlich nie von ihnen geschrieben wurden oder nicht erhalten blieben. Zudem enthalten sie eine Vielzahl an lateinischen oder griechischen Worten, die uns sehr viele Übersetzungsspielräume ermöglichen und deren Interpretationen uns daher schon oft in die Irre geführt haben. Und das noch dazu an sehr neuralgischen Stellen, wo wir sie doch so gerne inhaltlich stärker fest genagelt hätten. Alles bleibt nebulös und schwammig. Ihre Texte zur Varusschlacht enden oft im Nichts, deuten vieles nur an und weisen in noch dazu sehr kurz gehaltenen Sätzen textuelle Lücken oder chronologische Brüche auf, klingen unlogisch und lassen uns vielfach rätseln. Oft halten sie sich aus unserer Sicht betrachtet mit Nebensächlichkeiten auf, vermeiden das Wesentliche, was wir hingegen für interessant und wünschenswert halten und vernachlässigen bis auf ganz wenige Ausnahmen örtliche Bezüge zur Landschaft und zur Geographie. Verzichten unvermittelt auf Gliederung und verlieren sich in grundsätzlichen Betrachtungen. So müssen wir uns oft selbst daran erinnern, dass sie es alles damals gar nicht für unsere heutigen kritischen Generationen nieder geschrieben haben. Aber verlangen wir nicht zu viel von Ihnen, denn wer konnte sich damals schon 2000 Jahre weiter ins so genannte „Atomzeitalter“ versetzen. Aber wenn nicht für uns, für wen haben sie es dann hinterlassen, könnte man auch fragen. Obwohl die Architektur im Imperium, wie das Beispiel des Deckengewölbes über dem Pantheon es beweist auf die Ewigkeit ausgerichtet war, wagte man es aber doch erst im 15. und 16. Jahrhundert den Blick auch mal nach vorne zu werfen. Aber das wenige Hinterlassene wird dadurch für uns um so wertvoller. Im weiteren Verlauf werde ich nun versuchen soweit nicht schon geschehen, die Textstellen der wichtigsten Historiker, nämlich Dio, Florus, Paterculus und Tacitus einer Bewertung zu unterziehen wie ich sie für denkbar halte. Zur Varusschlacht habe ich versucht in dieser Internet Veröffentlichung einen Ablaufplan zu entwerfen, indem ich allen erreichbaren Hinweisen nach Möglichkeit nachgegangen bin und ein Relief geschmiedet habe, dass sich sowohl in die topographischen Verhältnisse einbinden lässt, als auch zu den Aussagen aller antiker Quellen, mit der Betonung auf „allen“ passt. Auf dem Relief können wir die schiffbare Weser im Osten ertasten, wir folgen der Nethe, die bei Godelheim in die Weser mündet aufwärts. Wir erkennen dann in der faltigen Region um Brakel einen Kreuzungspunkt der durch das abfallende Oberwälder Bergland einen durchwanderbaren Korridor nach Westen erschließt, sehen aber auch ab Brakel Nethe aufwärts nach Süden parallel zum Ostabfall der Egge die nach unten weit geöffnete Flanke des Nethegau bevor das Gelände über die Diemel hinweg zum hessischen Bergland hin wieder an Höhe gewinnt. Letztendlich liegt auch die bedeutungsvolle Eggeschlucht vor uns, in der ich anhand diverser Übereinstimmungen den „teuto burgiensi saltu“ erkenne. Gehen wir noch einen Schritt weiter, betreten wir den Soratgau und blicken auf seine Nordausläufer in Richtung Schwaney und Paderborn. Denn dort erst machte sich wieder verstärkt römisches Leben bemerkbar, was man vom Nethegau nur wenige Jahre nach der römischen Okkupation noch nicht behaupten kann, aber nach den Visionen des Imperiums noch kommen sollte. Aber es ist nicht nur die Topographie die mir die Hand für meine Visionen reichte, sondern gleichermaßen auch die zur Verfügung stehenden Quellen der Altvorderen. Aber nicht nur das, im weiteren Verlauf meiner Niederschrift, habe ich mich auch mit der Zeit der großen Völkerwanderung und den frühmittelalterlichen, also den fränkischen Geschehnissen befasst und bin der Frage nach gegangen, was Merowinger und Karolinger noch von ihren Vorfahren wussten, aber auch was das Mittelalter noch von Franken und Germanen wusste. Denn das Wissen aus der Zeit von vor 2000 Jahren sollte in der Epoche zwischen dem 5. und dem 15. Jahrhundert noch weit aus präsenter gewesen sein, als in unseren Tagen, auch wenn nur sehr wenig davon erhalten geblieben ist. Denn im Mittelalter hatte man andere Sorgen, als sich derartige Fragen zu stellen, da sah man in den römischen Hinterlassenschaften nur nützliches Baumaterial. Oftmals hat das Mittelalter aber die alten Geschehnisse auf andere oftmals seltsame Weise für uns konserviert. Es ließe sich zwar alles als historische Quelle erschließen, aber die Suche nach Bezügen wird gerade dadurch noch zusätzlich erschwert. Denn Glaube und Aberglaube haben viele Verzerrungen und Verwerfungen der Realität hinterlassen, die es uns schwer machen zu erkennen, was an ihnen noch historisch verwertbar, was im Übergang begriffen war und was als Legende oder schmückendes Beiwerk anzusprechen ist und abgetan werden muss. Überlieferungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, wenn sie denn die Epoche des Varus berühren zu untersuchen ist daher nicht unproblematisch. Als ein weiteres verbindendes Element stehen uns noch die Fragmente der Mythologie und des Götterkultes, aber aus germanischer Sicht betrachtet zur Verfügung, so weit sie uns bekannt geworden sind. Ihre Anfänge könnten sich auch bis in die Zeit vor 2000 Jahren zurück verfolgen lassen. Es ist also ein heikles Unterfangen auch diese Jahrhunderte zum Sprechen zu bringen, sollten sie denn überhaupt etwas zur Varusschlacht zu sagen haben. Die vorgenannten vier großen Persönlichkeiten der historischen Weltbühne haben uns so manches Hilfreiches verraten, dass uns auf den ersten Blick noch nicht aufgefallen ist. Neben Topographie, Heidentum, Mythen, Christianisierung und Legenden sowie der Mediävistik also der Mittelalterforschung und den Naturwissenschaften leistet heute vieles einen Beitrag zur Erhellung unseres Wissensstandes. Aber auch viele römisch/germanische Betrachtungsweisen haben sich in den letzten Jahrzehnten festgefahren und sollten noch mal auf den Prüfstand gestellt werden. Im weiteren Verlauf soll es aber zunächst um jene Interpretationen gehen, die noch nicht erschöpfend genug aus den Zeilen der antiken Historiker heraus gelesen wurden und wo sich noch Türen in die Vergangenheit öffnen ließen um die Geschehnisse um die „Clades Variana“ besser verstehen zu können. Da sich mein Gerüst auf Cassius Dio aufbaut treffe ich mit dem ersten Abschnitt auf eine Textstelle die wie kaum eine andere über diverse Schnittstellen mit den Abläufen der Mehrtagesschlacht verbunden ist. Denn über die Analyse des Hinweises von Cassius Dio auf "Frauen und Kinder" im Marschzug entdecken wir neue Antworten zu den Marschtagen insgesamt, müssen uns die Frage neu stellen, ob Varus sie überhaupt bis in den Schlachtenraum mit führte, oder ob er ihnen einen sicheren Rückweg mit Geleitschutz ermöglichte und erkennen somit auch plötzlich eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse zu Ungunsten des Imperiums. Allesamt Fragen die nur im Kontext sichtbar werden und nie getrennt voneinander behandelt werden dürfen, wie es leider so oft der Fall war. Denn Geschichte hat nie Anfang und nie Ende. (28.11.2018)