Mittwoch, 9. Januar 2019
Märsche, Schlachten und Entbehrungen - Legionäre an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit - In welchem Zustand kamen sie aus Pannonien zurück
Ich spule mal zurück, denn noch lebte Varus. Wir stehen im Jahreswechsel der germanisch/heidnischen Raunächte 0006/0007. Einer Übergangsphase in der sich der weiße und zackige Reif an den Blättern „rouch“ also „rauh“ was haarig bedeutet, abzeichnet. Varus feierte möglicherweise erstmals in Germanien die Festivitäten der römischen Compitalien in einem winterfesten Lager am Rhein und plante seine Ostwestfalen Mission. Der vierjährige auch Flächenbrandkrieg genannte „Immensum Bellum“ von 1 + bis 5 + in Germanien wurde unter der Führung von Tiberius gerade siegreich beendet. Der Markomannen Feldzug steckte da schon in den Startlöchern aber vom dalmatinisch – pannonischen Aufstand der noch bis 9 + andauern sollte, wusste man noch nichts, denn der stand dem Imperium noch bevor. Wenn es aber um die damals für militärische Aktionen zur Verfügung stehende Personaldecke des Feldherrn Varus geht, die ihm zu Beginn seiner Amtsgeschäfte etwa um das Jahr 6 + in Germanien zur Verfügung stand, so existieren dazu bekanntlich mehrere allerdings „unbeglaubigte“ historische Offenbarungen, die zum allgemeinen Rätselraten animieren. So lesen wir an einer Stelle, dass die seinem Neffen Asprenas unterstellte Legion I „Germanica“ im Jahre 6 + und „mindestens sieben weitere Legionen“ am Markomannen Feldzug teil nahmen. Also in einer Zeit, als Varus nach Osten ziehen wollte. Die ebenfalls von Asprenas befehligte Legion V „Alaudea“ wird aber innerhalb dieser Textstelle nicht explizit erwähnt. Diese Quelle verrät uns demnach nicht, ob die Legion V „Alaudea“ auch mit am Markomannen – Feldzug teil nahm oder nicht. Man fragt sich natürlich, wo sich der Name der Legion I „Germanica“ vielleicht noch an einer anderer Stelle einer antiken Überlieferung nachlesen lässt, um eine Bestätigung zu dieser Information zu finden. Sollte es bekannt sein oder werden, bitte ich um Nachricht. Erstaunlicherweise kann man dann an einer anderen Stelle, so unter der Legionsgeschichte zur „XIX Augusta“ und auch der Legionsgeschichte zur „XIV Gemina“ lesen, dass die Legion I „Germanica“, als auch die Legion V „Alaudea“ und darüber hinaus sogar noch alle drei unter gegangenen Varuslegionen „XVII“, „XVIII“ „XIX“ im Jahre 6 + am Markomannen Feldzug teilnahmen. Also wären demnach sogar alle fünf Niederrhein Legionen unmittelbar vom Markomannen Feldzug betroffen gewesen und sollen komplett vom Norden nach Böhmen marschiert sein. Ich halte es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass man für den Markomannen Feldzug auf alle fünf „Varuslegionen“ zurück gegriffen haben soll. Denn man hätte damit die Nieder Rhein Front auf ganzer Breite, also äußerst leichtsinnig und riskant entblößt. Ich sehe hier also noch einen erheblichen Forschungsbedarf, welche Legionen man Varus für den Kampf gegen Marbod entzog. Dafür gilt dann meine ähnliche Bitte um Benachrichtigung, wo man in antiken Quellen finden könnte, dass auch die drei „Varuslegionen“ nach Böhmen aufgebrochen sein sollen. Der Markomannen Feldzug in den 12 Legionen bzw. insgesamt 70.000 Kämpfer aufgebrochen sind, daran beteiligt bzw. darin verstrickt waren, hält man für die bis dato größte Militäroperation des Imperiums in der Mitte Europas gegen einen germanischen Volksstamm. Unter der Berücksichtigung, dass zu jener Zeit das ganze Imperium „nur“ über 25 Legionen verfügt haben soll, war es eine gewaltige Armee. Es kann bzw. muss sogar anhand der Überlieferungen davon ausgegangenen werden, dass der Pannonien Krieg diese Dimension noch einmal überschritten hat. Versetzt man sich nun in die damalige Militär strategische Entscheidungslage des Feldherrn Tiberius nach dem plötzlichen und ihm von außen aufgezwungenen Abbruch des Angriffs auf die Markomannen, so dürfte diese vorweg genommen eindeutig gewesen sein. Und sie lautete „Wir brauchen jetzt jeden Legionär in Pannonien“ Man kann sich allerdings auch der Auffassung anschließen, dass Tiberius diese maximal fünf Legionen an der Zahl, alle nach dem frühzeitig abgebrochenen Feldzug im Frühjahr 6 + an den Niederrhein, man muss schon sagen kurioserweise wieder zurück marschieren ließ. Man sollte sich aber ernsthaft die Frage stellen, warum Tiberius das in dieser prekären Lage für das Reich hätte anordnen sollen. Vor dem Hintergrund, dass dem Mutterland Italien und damit dem gesamten römischen Reich von Pannonien und Dalmatien aus möglicherweise der Untergang drohte und man dafür wie überliefert sogar später 15 Legionen mithin 125.000 Kämpfer heran zog, klingt die Vorstellung, Tiberius habe in dieser extremen Notlage, die komplette Nordarmee unverrichteter Dinge wieder zurück an den Niederrhein entlassen, nahezu grotesk. Ich teile daher auch diese Auffassung nicht und denke, dass er die Gelegenheit nutzte und die aus dem gescheiterten Markomannen Feldzug stammenden 12 Legionen nahezu umgehend zusammen fasste, sie um weitere 3 Legionen aufstockte um folglich mit der Gesamtzahl von 12 plus 3 Legionen den Einfall der Aufständischen nach Italien zu verhindern. Das Tiberius gezwungen war niederrheinische Legionen abzuziehen halte ich für unstrittig und plausibel. Ich bin mir lediglich unschlüssig darin, welche Legionen in Form von Kennnummern und wie viele Legionen Tiberius für Marbod vom Niederrhein abzogen haben könnte. Legionen die er dann meiner Hypothese folgend später in den Kampfgebieten Pannoniens noch dringend brauchen würde. Angesichts dieses allgemeinen Gestocher im Nebel der Geschichte, möchte man sich in der Tat nicht in die Haut eines Varus versetzen. Denn niemand kann heute sagen, mit wie vielen Legionen sich Varus oder besser gesagt, mit welcher Zahl an kampffähigen Männern musste er sich in dem Zeitraum nach seiner Amtsübernahme begnügen, einige Jahre bevor er in das spätere Schicksalsjahr 9 + aufbrach. Ich möchte auch die Formulierungen voneinander trennen, da für mich die bloße Erwähnung einer Legion oder eines Legions Namen keine belastbare Aussage zu deren Mannstärke trifft, enthält oder gar erlaubt. Also welches Kräfteverhältnis er in jener Phase besaß, in der er seinen Statthalterposten antrat bis zu jenem Katastrophenjahr 9 + in dem er starb. Gemäß der Überlieferung gelten fünf Legionen für Nieder Germanien erst wieder für das kritische Jahr 9 + als gesichert, da sie im Zuge der Varusschlacht alle genannt werden. Wie viel Legionen Varus aber zwischen seinem Amtsantritt und der Varusschlacht befehligte, ist genauso unbekannt wie die Anzahl der kampffähigen Männer die ihm Tiberius nach dem Ende des Pannonienkrieges noch übrig ließ. Sicherlich bekam Varus seine ursprünglich für Marbod an Tiberius abkommandierten Legionen noch rechtzeitig vor der Varusschlacht aus Pannonien auch wieder, denn sonst hätte man sie nicht einzeln überliefert. Aber was er dann wieder bekam, könnten in Teilen wohl eher nur die berühmten „Geisterarmeen“ einstiger Größe gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass es nicht im Interesse des römischen Reiches lag in aller Welt zu verbreiten, welche Opfer man in Pannonien zu erbringen hatte und wie hoch der Preis an Kämpfern war, den die Legionen dort für das Imperium zu zahlen hatten. Derartige Details über die verbliebene Kampfstärke hatten auch alle Militärhistoriker im Interesse der Kampfmoral in jenen Zeiten gefälligst zu verschweigen. So lief es auch damals schon unter dem Deckmantel der militärischen Geheimhaltung, wie viel Opfer Pannonien das römische Reich letztendlich gekostet hat und die Germanen gleich von welchem Stamm sollten es sicherlich als Letzte erfahren. Aber sie hatten ja Augen im Kopf. Wer es aber genauer wusste, war der Mann, der den Pannonienkrieg aus sicherer Distanz mit Argusaugen verfolgt hatte und der trotzdem am Nächsten dran war. König Marbod. Ich halte es für eher vorstellbar und vertrete daher in diesem Zusammenhang die Meinung, dass Tiberius aus taktischen Gründen statt alle fünf Legionen wie von verschiedenen Seiten angenommen wird um die Legionsanzahl 12 zu erreichen, nur einen Teil vom Niederrhein abzog und möglicherweise nur zwei Legionen der Nordarmee gegen Marbod antreten ließ und diese dann auch im Anschluss daran mit nach Pannonien nahm bzw. nehmen musste. Man hätte demnach damals am Rhein zur Sicherung der Grenze und für den Provinzaufbau noch eine der zwei Asprenas Legionen besessen und hätte noch zwei übrig halten können um sie im West - und ostfälischen Raum bzw. an der Lippe zu verteilen. Varus hätte dann nach dieser Theorie vom Beginn seiner Amtsgeschäfte an statt fünf, nur drei Legionen befehligt und bekam demzufolge nach dem Ende der Pannonienkämpfe auch nur zwei allerdings wie ich denke stark geschwächte Legionen zurück. Man kann sich vorstellen, dass Varus die eine ihm belassene, ich nenne sie mal Asprenas Legion in den Aufbruchjahren 7 + und 8 + auf die Standlager am Rhein verteilte. Tiberius stand in Pannonien erneut vor einer großen Herausforderung und vielleicht der größten, die das Reich seit den punischen Kriegen zu bestehen hatte, und es saß ihm zudem in Marbod immer noch ein unsicherer und potenziell schwer abschätzbarer Gegner im Genick. Aus der Retrospektive betrachtet ist es nun überliefert, dass die kritische Lage in Pannonien Tiberius unter erheblichen Zugzwang setzte und den Ruf nach einem größeren Truppenaufgebot lauter werden ließ. Dies machte es erforderlich noch zusätzlich zu den 12 Legionen die er bereits für den Marbod Feldzug mobil gemacht hatte, noch weitere Aufstockungen durchführen musste. Man muss wegen des besonderen Ernstes der Lage davon ausgehen, dass Tiberius nach Bekanntwerden des Aufstandes in Pannonien Hilfskräfte aus allen Regionen heran zog in denen römische Legionen stationiert waren. Allein schon wegen der von Kaiser Augustus im Rahmen der Heeresreform angeordneten Absenkung auf 25 Legionen für das gesamte Imperium musste Tiberius seine Entscheidung weitreichend und durchgreifend treffen. Selbst Kaiser Augustus war gezwungen schärfste Maßnahmen zu ergreifen, um den mit dem Krieg einhergehenden Hungersnöten zu begegnen, indem er drastische Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen anordnete. Keine Region im Imperium konnte sich damals aus der Verpflichtung stehlen oder hoffen geschont zu werden. Alle hatten Tiberius in Pannonien zu unterstützen. Sogar Truppen aus Syrien und Italien sowie Veteranen mussten heran gezogen und er soll es letztlich geschafft haben, sich mit fünfzehn Legionen plus Hilfskräften und Reitereinheiten also einer etwa 125.000 Mann starken Armee in Pannonien dem Feind entgegen stellen zu können. All das zeugt von der Dramatik und der dringenden Notwendigkeit diese historisch belegbaren zusätzlichen drei Legionen regelrecht aus dem Boden stampfen zu müssen um diese dann in den Raum irgendwo zwischen Plattensee und Sarajevo zu verlegen. Es ist daher also noch eher denkbar, dass Tiberius im Sommer des Jahres 6 + möglicherweise auch nicht umhin kam, noch weitere Kräfte aus den niederrheinischen Kastellen für seine Pannonienarmee rekrutieren zu müssen. Geschweige denn, dass er sich imstande gesehen hätte, nach dem Markomannen „Manöver“ Legionen wieder zurück an den Niederrhein zu schicken, also in ihre Standlager zu entlassen. Gehen wir also auch der Möglichkeit nach, dass die Niederrhein Legionen für den Pannonienkrieg außer den zwei Legionen noch weitere Opfer bringen mussten, als sie dies schon für den nichtig gewordenen Markomannen Einsatz taten. Welche Legion oder welche Legionen waren im Norden noch entbehrlich und von wo aus ließ sich weiterer Nachschub für Pannonien generieren und wie viel Einheiten waren für die Aufgaben der Grenzsicherung am Rhein unverzichtbar. Dem wehrhaften römischen Kastell Mainz gegenüber standen im Jahre 6 + keine Feinde mehr, die Chatten waren um diese Zeit für das Imperium keine ernst zunehmenden Gegner. In Ostwestfalen lösten die Schlachten und Scharmützel des „Immensum Bellum“ eine Phase der Ohnmacht unter den germanischen Stämmen aus. Für die Bevölkerung waren die Wunden noch nicht verheilt, so dass sich auch dort die Menschen in jener Zeit bedeckt hielten und widerstandslos dem römischen Treiben in der Folgezeit zusehen mussten. Daraus lässt sich der Fingerzeig ableiten, dass sich Tiberius sehr gut noch mit zusätzlichen römischen Kräften aus Germanien und den dortigen Standlagern eingedeckt haben könnte. Denn wo keine germanische Gefahr mehr drohte, das Imperium also die uneingeschränkte Oberhand hatte, da brauchte man auch keine größeren Kräfte mehr binden und sie waren frei für andere Aufgaben. Man muss hier die Notwendigkeiten gegeneinander abwägen. Tiberius konnte weder die Nieder Rhein Front ungeschoren lassen noch durfte er sie entblößen. Er hätte folglich noch Spielraum für die Hinzuziehung möglicherweise einer weiteren Legion aus dem Norden für Pannonien gehabt. In diesem Fall hätte er die Nieder Rheingrenze dann nur noch von von zwei Legionen bewachen lassen. Da dies sicherlich hochspekulativ ist, möchte ich an dieser Stelle auch keine weiteren Gedankenspiele mehr anstrengen, ob noch zusätzliche Kräfte und das auch vom Niederrhein an die Donau marschieren mussten, um Italien zu retten. Obwohl es in jenen Jahren im Reich üblich gewesen ist, so zeigt doch der Hinweis auf weitere unterstützende Kräfte wie auch die tief in Germanien siedelnden cheruskischen Hilfstruppen die sich ebenfalls vermutlich unter Arminius in Pannonien mit schlagen mussten, wie fragil und dünn häutig die kämpfende Personaldecke für Tiberius war und wie weit er ausholen musste, um die römischen Legionen zu für Pannonien zu verstärken. Aber jeder Rekrutierungsaufwand brauchte seine Zeit für die nötige Logistik. Auch das bedurfte einiger Vorarbeit und vorbereitende Planungen, ohne die auch ein Tiberius nicht auskam. Aber wie so vieles andere auch, so verschweigen uns auch dazu die antiken Schriftsteller so manches Wissenswerte. So ist man mehr oder weniger auch als Hobby Historiker gezwungen, auch den logistischen Ablauf wie der Name schon sagt „logisch“ aufzubauen, um anhand der wenigen Fakten zu schlüssigen Erklärungen der Vorgänge zu gelangen. Das es meines Wissens auch über die Örtlichkeiten der pannonischen Schlachten keine Kenntnisse gibt, verwundert im Hinblick auf die Varusschlacht auch nicht. Denn die Ereignisse fallen alle in die gleiche schwer erforschbare Epoche, zumal wenn sich die Schlachten außerhalb des römischen Kernlandes zutrugen. Es verwundert nicht, dass auch der Ausbruch des Pannonien Aufstandes mit der harten Hand römischer Steuereintreiber in Verbindung gebracht wird und darin wohl seine Hauptursache gehabt haben soll. Ungeachtet bzw. unbeeindruckt des pannonischen Kampfgeschehens rückte Varus wie man allgemein annimmt im zeitigen Frühjahr des Jahres 7 + nach Ostwestfalen aus und ich vertrete weiterhin die Ansicht, dass ihm für diesen Vorstoß nur zwei Legionen zur Verfügung gestanden haben könnten. Man geht davon aus, dass Arminius nach dem Ende des Pannonien Aufstandes aus der Truppe entlassen wurde und in Dalmatien nicht mehr zum Einsatz kam. Da der pannonische Heerführer am 3. August des Jahres 8 + die Waffen nieder legte, könnte Arminius mit seinen Getreuen im Spätsommer des gleichen Jahres schnellen Rittes wieder den Weg zurück in die Heimat nach Ostwestfalen angetreten haben. Varus hatte in dieser Zeit vermutlich sein zweiten Aufbaujahr an der Weser erfolgreich beendet. Arminius und Varus begegneten sich möglicherweise im Jahre 8 + noch gar nicht oder wenn, dann nur wenige Male. Aber Arminius kam aus Pannonien als ein Mann zurück, der imstande war militärische Zusammenhänge schnell zu bewerten und zu erfassen. Nicht nur Tacitus sagte ihm jedenfalls derartige Qualitäten nach. Er erkannte die Situation und die Lebenslage in der sich seine Stammesgenossen in jener Zeit befanden. Er wusste um die römischen Spielregeln wie man mit unterdrückten Völkern um zugehen gewohnt war und er sah wie kaum ein anderer ungetrübten Blickes auch die militärische Stärke oder besser gesagt die nicht vorhandene Stärke der in Germanien verbliebenen Legionen, denn um die stand es nach meinem Dafürhalten nicht zum Besten. Arminius erkannte die Parallele zwischen den leidenden Stämmen in Pannonien und Germanien, denn auch der Pannonische Aufstand fügte sich in die zwischenzeitlich veränderten Gegebenheiten in Germanien. Der Schritt mit diesem Wissen nun einen improvisierten Aufruhr in Ostwestfalen zu inszenieren, der dann zur Varusschlacht führen würde, war da nicht mehr groß. Er verglich die Lage und konnte eins und eins zusammen rechnen. Denn wie sagte der pannonische Anführer Bato einst nach dem Aufstand zu Tiberius “Ihr Römer tragt die Schuld an ihm, schicktet ihr doch zu uns als Wächter nicht Hunde und Hirten, sondern Wölfe“. Der Aufenthalt in Pannonien machte offensichtlich aus Arminius erst den Rebellen und späteren Volkshelden. Und als Anführer einer Kampfeinheit erkannte Arminius in Varus nicht nur den Wolf, sondern er erkannte auch die militärische Schwäche und Trägheit eines Regimes, das sich zwischen einem Kriegsgebiet in Pannonien und einer ruhigen Provinz im Hinterland auftat. Dieses Vakuum galt es Entschluss kräftig zu nutzen solange es noch existierte. Denn wie ich in einem früheren Kapitel andeutete, stand das Fenster für eine germanische Gegenwehr nicht lange offen. Während man von Stammesangehörigen wie Arminius und seinen Männern natürlich erwartete, dass sie den kürzesten Weg zurück in ihre Dörfer also ihre Heimat einschlagen würden, sahen römische Berufssoldaten die nur pflichtgemäß und gegen Bezahlung in ihre Standlager zurück zu kehren hatten die Lage völlig anders. Vom Plattensee nach Fürstenberg an der Weser sind es etwa 830 Kilometer Luftlinie. Die Cherusker hätten es auf ihren Pferderücken in wenigen Wochen überbrücken können. Meiner Theorie nach mussten die, wie ich meine zwei für die Kämpfe abgestellten Varuslegionen in den Jahren von 6 + bis 8 + wegen der jahrelangen Einsätze und physischen Belastungen zuerst gegen Marbod und dann in Pannonien zwangsläufig unter die Sollstärke fallen. Meines Erachtens wurden diese zwei Legionen wie auch Arminius und die Cherusker bereits nach dem heftigen Pannonieneinsatz an den Niederrhein und Ostwestfalen entlassen und beide Verbände kamen im Dalmatien Aufstand nicht mehr zum Einsatz. Varus konnte also günstigenfalls alle seine zwei Legionen erst frühestens im Herbst 8 + wieder in Empfang genommen und sie wieder integriert haben, gleich in welch kritischen Zustand sie sich auch befanden. Die von den harten Einsätzen gezeichneten Legionäre aus den dezimierten Legionen die immerhin drei oder mehr Jahre ununterbrochen im Feld standen oder auf dem Marsch waren, sollten nun im Jahre 9 + den wichtigen Rückhalt für jene Armee bilden, mit der Varus nach Ostwestfalen aufbrach und mit der er dann auf dem Rückweg in den Hinterhalt bei Borlinghausen geriet. Die Cherusker und die germanische Allianz bestehend aus den anderen Stämme mussten befürchten, dass ihnen nur noch das Jahr 9 + blieb, um auf diese noch stark geschwächten Legionäre einen Angriff wagen zu können. Damit wuchs der Handlungsdruck. Viele der Legionäre werden auch noch in den Kastellen am Rhein auf Genesung gewartet haben, um erst später wieder dazu zu stoßen, denn wir wissen aus den Rebellionen des Jahres 14 + wie mit ihnen in Kriegszeiten umgesprungen wurde. Zudem bestand im Germanenland im Sommerlager 9 + noch keine Gefahrenlage, es herrschte keine Krisenstimmung und Varus konnte ruhigen Blutes seine Arbeit fortsetzen. Nach den langen Märschen aus Pannonien erreichten zudem vermutlich auch nur noch wenige die festen Standlager am Niederrhein gingen auf dem Weg dahin in anderen Donaulegionen auf. Legionäre die noch zum Niederrhein gelangten, bestanden mehr oder weniger aus entkräfteten und ausgelaugten Kriegsveteranen, als dass man mit ihnen noch kurzfristig die Legionen für Ostwestfalen wieder auf ein angemessenes Sollstärke Niveau hätte anheben können. So schnell jedenfalls nicht, um im Jahre 9 + schon wieder über ihre alte Stärke und Kampfkraft verfügen zu können die sie um 5+/6 + noch hatten. Ihnen dürfte vieles vor allem aber Moral, Kraft und Gesundheit gefehlt haben, um sich unter den widrigen Bedingungen des Jahres 9 + noch mit dem Schwert in der Hand aus der Notlage einer Varusschlacht befreien und nach Westen durch schlagen zu können. Den wichtigen Motivationsschub verbunden mit einem möglichen zahlenmäßigen und kräftemäßigen Vorsprung, den die Germanen auf Basis meiner Theorie möglicherweise nur noch im Schlachtenjahr 9 + hatten, zwang die konföderierten germanischen Stämme dazu noch in diesem Jahr zu handeln, denn eine bessere Gelegenheit werden sie vermutlich nicht mehr bekommen haben. Eine angemessene Ruhephase nach dem Pannonienkrieg eine strategisch durchdachte Neuausrichtung der Legionen und das Imperium hätte neue Kräfte sammeln können. Mit diesen hätten die Germanen kein leichtes Spiel mehr gehabt und das Einfalltor zur Elbe hätte für das Imperium weit offen gestanden. (9.1.2019)