Freitag, 1. November 2019
Auf Dichter und Astronom folgt ein Geograph: Strabo
Und wen verwundert es da noch, dass es wieder keinem ausgewiesenen Geschichtsschreiber gelang zum Informanten über eine der größten Niederlagen des Imperiums in jener Zeit zu werden. Denn wieder war es ein Mann den man nicht als einen lupenreinen Historiker betiteln könnte, der uns aber trotzdem Interessantes über die Varusschlacht überlieferte. Aber wir erfahren es wie so oft erst durch die Hintertür der Geschichtsschreibung und verdanken es letztlich einem heraus ragenden Großereignis jener Zeit, dass sich am 26. Mai 0017 in Rom zutrug und das auch damals nicht alle Tage passierte. Denn an diesem denkwürdigen Tag kam es zu einem Festakt für den römischen Feldherrn Germanicus der in Rom traditionell in Form eines Triumphzuges begangen wurde. Das Ereignis war für Germanicus, der seinen Namen seinem Vater Drusus verdankt und nicht seinen eigenen Leistungen in Germanien, der letzte Höhepunkt in seinem Leben. Sein Tot im Jahre 19 + verhinderte, dass er als römischer Kaiser auf Tiberius folgte. Dafür kamen später sein Bruder Claudius und auch sein Sohn Caligula auf den Kaiserthron. Der Triumphzug war ein großes Spektakel dessen Datum und Verlauf uns nur von Strabo überliefert wurde. Ohne Strabo hätte uns, was diese Feierlichkeiten anbelangte die Geschichte in völliger Unkenntnis zurück gelassen. Er war es, der uns viele Details darüber mitteilte mit denen sich gedanklich viele Türen öffnen lassen was uns diverse Schlussfolgerungen ermöglicht. Strabo verdanken wir vor allem, dass er uns diesen großen Tag zeitlich fixierte und wir uns daher orientieren können. Strabo war persönlich dabei, war unmittelbarer Zeuge und seine Augen nahmen alles in sich auf. Und er war auch kein entrückter Ovid, der seinen Triumphzug phantasievoll, das allerdings recht realitätsnah beschrieb bzw. ausschmückte. Ovid tat es noch ganz so, wie es gewesen sein könnte, wenn man denn damals die Varusbezwinger hätte gefangen nehmen können um sie dann wie Vieh durch die Straßen von Rom zu peitschen. Ein Wunschtraum, der sich bekanntlich nie erfüllen sollte. Strabo war am 26.5.0017 vor rund zwei tausend und zwei Jahren Zeuge von alledem, erlebte es persönlich mit und erfuhr noch vieles darüber hinaus aus uns unbekannten Quellen. Heute könnte man sagen, er machte für uns eine „Live Reportage mit Hintergrundinformationen“. Aber auch für seine Person gilt was für alle Historiker zutrifft. Denn wir möchten natürlich wissen, wann Strabo sein Wissen nieder schrieb um ihn zeithistorisch positionieren zu können. Nach 23 + soll er verstorben sein, so daß ihm noch einige Jahre blieben um das Ereignis aus dem Jahre 17 + zu Papier zu bringen. Aber macht es uns schlauer, wenn wir wissen, wann Strabo es auf schrieb. Eher nicht, denn was Strabo notierte brachte uns keine sensationellen Erkenntnisse bezogen auf die Örtlichkeit und den Verlauf der Varusschlacht. Genau genommen eigentlich gar keine, dafür machte er aber für uns einen Blick frei auf die möglichen Hintergründe der Auseinandersetzung am Kalkrieser Berg, worauf ich noch in einem weiteren Abschnitt näher eingehen möchte. Aber die Person des Strabo ist auch nicht weg zu denken, wenn man die Chronologie der sich zutragenden Ereignisse nach der Varusschlacht verfolgen und im Auge behalten möchte. Denn Strabo war anzunehmender weise der letzte „Geo“ - Historiker, dem das Verhalten des Segestes sprich sein Verrat in Germanien in den Zeiten kurz vor dem Ausbruch der Varusschlacht noch nicht bekannt war. Erst nach ihm also nach Strabo verdichteten sich die Hinweise auf die möglicherweise ominöse Rolle die Segestes im Vorfeld der Varusschlacht eingenommen haben soll. Erst das macht aus Strabo eine Hauptperson der Segestes Forschung und ihn daher interessant für meine Untersuchungen bzw. die Aufarbeitung der Varusschlacht. Ob er nun 17 +, 18 + oder wann auch immer vor seinem Tod zur Feder gegriffen haben mag. Entfernt man sich etwas von dem was wir im Kern als die bekannte Fakten zur Varusschlacht zugrunde legen möchten, dann gewinnen die Überlieferungen von Strabo zweifellos an Gewicht und wir kommen an seinen Informationen nicht vorbei. Also möchte ich mich auch der Analyse seiner Überlieferung nicht verschließen. So könnte man auch spekulieren, dass Strabo die vielen Details über die er berichtete unmittelbar zu dem Zeitpunkt als er in Rom am Straßenrand stand noch gar nichts gewusst hat und sie erst einige Zeit danach in Erfahrung brachte. Möglicherweise erkundigte er sich also erst später nach den Hintergründen der Dinge die sich da vor seinen Augen abspielten, sammelte dann seine Informationen und sein Bericht wurde erst nach einem gewissen Zeitabstand lebendig, inhaltsreicher und gewann somit erst nach und nach an der nötigen Aussagekraft. Es könnten also danach schon Monate oder gar Jahre ins Land gegangen sein bis er all sein Wissen verschriftete. Aber das Eckdatum des 26. Mai 0017 bereicherte die gesamte Geschichtsschreibung und war für uns allemal hilfreicher als Bemühungen um vage Datierungen anzustellen. Denn es bescherte uns damit den „Terminus post quem“ des Triumphzuges. Und nun, nach dem schon seit acht oder neun Jahren die Varusschlacht selbst zur Geschichte wurde und Strabo schrieb, findet sich immer noch keine „kaiserliche Verlautbarung“ wie man es heute nennen würde, mit der man den Geschehnissen einen offiziellen Charakter hätte geben können. Voraus gesetzt die Berichte des hohen Hauses befinden sich nicht unter den viel zitierten verschollenen oder forgotten Books, so schien es der Palatin seinerzeit möglicherweise vorzuziehen weiterhin zu schweigen und überließ es somit zwangsläufig anderen die sich berufen fühlten darüber zu berichten. Fragment artige Überlieferungen die uns dann in das allseits bekannte Dilemma führten eine plausible Aufarbeitung des Geschehnisse hinzubekommen. Aber die ersten, nämlich Ovid und Manilius die uns etwas über die Schlacht der damaligen Heroen der Weltgeschichte im Teutoburger Wald vermeldeten, die danach in der germanischen Prosa einen festen Platz bekommen sollte, treten nun langsam in den Hintergrund meiner Betrachtung. Der Gedicht Inhalt von Ovid traf zwar in Gänze die Wunschvorstellungen seiner Zeit, sowohl im einfachen Volke als auch im hohen Hause, als man sich noch genüsslich an einem baldigen Racheakt ergötzen wollte, aber Ovid hat sich damit auch gleichzeitig entlarvt. Denn er wollte bekanntlich nicht seine Zeitgenossen befriedigen, sondern nur seine Option auf Rückkehr von Constanta nach Rom wach halten. Ovid der Dichter sollte Rom jedenfalls nie wieder sehen. Und was seinen vermeintlichen Informanten und später verarmt verstorbenen Bibliothekar Hyginus anbelangt, so könnte man spekulieren, dass Kaiser Augustus, das tiefere Ansinnen von Ovid damals sehr wohl durchschaut haben könnte ja nahezu musste, so plump wie sich Ovid verhielt. Aber nicht nur dass, möglicherweise hatte Augustus sogar Hyginus als die Quelle dahinter erkannt und ihn daher seinem leidigen verarmten Schicksal überlassen. Und auch Manilius der uns die ersten Fakten präsentierte, aber auch in erdferne Spähren entschwebte lassen wir nun hinter uns. Strabo zu klassifizieren fällt allerdings ebenso schwer. So nannte man ihn leider oft und damit zu oberflächlich und vereinfacht ausgedrückt nur einen „Schreiber“. Er war gebildet, sehr vielseitig, weit gereist und an allem interessiert was seine Zeit zu bieten hatte. Seine Nachrichten über die Varusschlacht müsste man im Vergleich zu dem was er insgesamt als sein Lebenswerk verfasste geradezu minimalistisch nennen. Er wirkt introvertiert, eher wie ein stiller Beobachter seiner Zeit dem aber nichts zu entgehen schien. Landschaften, Städte und geographische Zusammenhänge zu beschreiben und sie mit historischen Ereignissen zu verbinden war sein Bedürfnis. Das uns überhaupt etwas von ihm über die Varusschlacht erreichte, kommt da schon einem Treppenwitz der Geschichte gleich. Er war ein früher Globalist der sich in der antiken Welt polyglott bewegen konnte und war ein vielseitiger und umtriebiger Forscher. Vielleicht auch ein Weltenbummler mit tieferer Inspiration, der der Nachwelt vieles hinterlassen wollte und selbst so wissbegierig war, wie ein Tourist alter Prägung nur sein konnte. Und was auch für seine Vorgänger Ovid und Manilius, was ihre Essenzen über die Varusschlacht anbetrifft gilt, gilt auch für Strabo. Wir, die Nachwelt konnte er geistig genau so wenig erfassen wie wir ihn. Und ihn trieb wie auch uns heute eine unsichtbare Kraft an, die man Wissensdurst bezeichnen könnte. Das daraus für uns etwas Greifbares heraus kam lag nicht in seiner ursprünglichen Absicht, bzw. er konnte es nicht ahnen. Und das ihm nichts über das möglicherweise konspirative Wirken eines Segestes hinter den Linien seines eigenes Volkes in Ostwestfalen bekannt war, darf uns daher auch nicht verwundern. Betrachten wir aber seine Überlieferung vor dem Hintergrund meiner Theorie so konnte er auch nicht über etwas berichten was gar nicht statt fand, nämlich etwas über die warnende Stimme eines Segestes. Er sah in Segestes, unwissend wie er war, nur einen bedeutenden Freund und geschätzten Partner des römischen Reiches allerdings mit einem nebulösen Familien Clan im Anhang, sowie zahlreichen Gefangenen mit denen sich Segestes aber selbst nicht identifizieren wollte. Es kommt also hier eine recht umfangreiche vielleicht auch anspruchsvolle aber sicherlich komplexe Darstellung um seine Hinterlassenschaften als Pflichtaufgabe auf Sie zu, die ich daher auf mehrere Kapitel verteilen muss. Ich kann sie des Umfanges wegen daher nicht kompakt zusammen fassen. Obwohl es wegen der vielen sich aus dem Inhalt ergebenen Überschneidungen sinnvoller erscheinen würde. Ich bitte daher um Ihr Verständnis. Geschichtliche Abläufe stellen sich immer wie ineinander greifende Kettenreaktionen dar und lassen sich daher nie sauber von einander trennen, aber die Übersichtlichkeit der Gestaltung erfordert es soweit es möglich ist. Insbesondere kriegerische Ereignisse, wenn auf Schlachten und Kriege die uns wie Naturgesetze vorkommen und dann die Revancheakte nicht lange auf sich warten lassen erschweren die richtige Blockbildung. Gerade so wie wir es auch aus der neuzeitlichen Geschichte Europas kennen, die zu einer leidigen Erfahrung wurde und die wir immer noch in uns tragen und bewältigen müssen. Es ist immer alles eng miteinander verzahnt, verschmolzen und verknüpft. Es können aber auch andere Ereignisse Kapitel technisch eine Abtrennung kompliziert machen. Schilderungen, die sich kaum von einander getrennt darstellen lassen. Wie der innere Aufbau römischer Triumphzüge, wie sie uns einmal aus der Feder von Strabo und ein anderes Mal aus der des Ovid überliefert sind. Man muss sie immer im Kontext sehen. Zwei Siegesfeiern, die aber nur scheinbare Parallelen aufweisen. Aber man muss sie unabhängig voneinander betrachten, denn sie stellen keine Zwillingserscheinung von ein und dem selben Ereignis dar. Da sie sich aber inhaltlich zu kreuzen scheinen, muss auch im nächsten Abschnitt der Dichter Ovid noch mal her halten und sich der Diskussion bzw. einem Vergleich mit Strabo stellen. Aber auch eine Reihe anderer Aspekte vermischen sich hier, die es es zum Problem werden lassen sie im Verlauf meiner gesamten Darstellung in einem Guss abzuhandeln.
(1.11.2019)