Mittwoch, 15. Juli 2020
Arminius musste im Frühjahr 15 + mit einem Zweifrontenkrieg rechnen
Und nicht nur das. Er hatte auch noch in seinen Reihen den berüchtigten „unsicheren Kantonisten“, also den Mann auf den man sich nicht verlassen konnte und dem die Lage in seiner Burg langsam zu heiß wurde. Diese vor Nebulösität triefenden Wochen im Frühjahr 15 + stellen neben der Varusschlacht eines der elektrisierendsten Kapitel der Varusforschung dar und verdienen es sich ihnen in umfänglicher Hinsicht zu widmen. Folglich wieder alle Möglichkeiten auszuschöpfen und nach Erklärungen für längst vergangene Abläufe zu fahnden. Nicht nur das Jahr 1989 brachte eine Wende. Auch für das Jahr 9 + , dass 1980 Jahre früher statt fand, darf man das Wort Wendejahr ruhigen Gewissens anwenden. Und die damaligen Geschehnisse trugen sogar noch ein großes Stück weiter als das uns allen geläufigere Jahr 1989. Die Varusschlacht wurde bekanntlich nicht nur zum Auslöser der kriegerischen Epoche zwischen den Jahren 14 + und 16 + und hinterließ uns viel Rätselhaftes. Sie weckte auch den germanischen Widerstand auf Nachhaltigste und beschleunigte den Zusammenschluss der Stämme zu Völkern. Oftmals stoßen wir bei der Aufarbeitung dieser Kernphase auch auf direkte Bezüge mit denen sich Verbindungen zur Varusschlacht herstellen lassen. Schlussfolgerungen, die auch ein Lokalisieren ermöglichen und unser Bild komplettieren helfen. Manchmal verbergen sich kleine Hinweise hinter unscheinbaren Nebensätzen und kurzen Bemerkungen, aber am Ende bleiben uns dann doch die alten Geschichtsschreiber eine zielgenaue Antwort schuldig. Aber für das Frühjahr 15 + ist uns Segestes zu einem wichtigen Gewährsmann und Meilenstein der Forschung geworden, dessen letzter Weg ihn im Mai 17 + durch Rom führte und den uns Strabo als ein Zeuge des Geschehens, vermutlich im Folgejahr 18 + beschrieb. Im Frühjahr 15 + zogen Germanicus und Caecina mit dem Ziel Arminius zu stellen erneut in die besser gesagt durch die Stammesgebiete der Feinde von einst. Den Chatten und Marsern. Die Legionen der römischen Feldherren belauerten förmlich ihren Erzgegner und näherten sich scheinbar unaufhörlich den Grenzen seiner Herrschaft. Und wo diese Stämme zu ihren Gegnern wurden, da lag auch das Zentrum der Varusschlacht nicht fern. So umkreisten ihre Operationsgebiete in dieser Zeit zwangsläufig auch wieder jene fiktive Konzentrationszone auf die sich sechs Jahre zuvor die Endkämpfe mit den Resten der Varuslegionen konzentrierten. Ein Zufall scheint wohl ausgeschlossen, dass sich beide römischen Feldherren wieder genau dort aufhielten, wo alles seinen Anfang nahm und genau dort musste Germanicus auch wieder die Fährte seines größten Widersachers aufnehmen. So war der Verlust der Varus Legionen immer noch Antriebsfeder genug um auch nach 14 + wieder genau diese Region anzusteuern um dort die Entscheidung zu suchen und möglicherweise wäre es im Frühjahr 15 + bereits zu besagter Machtprobe gegen die Cherusker gekommen. Denn Germanicus war schon auf dem Weg zu Caecina um mit ihm gemeinsam einen Keil über die Weser zu schlagen, wenn nicht wie aus heiterem Himmel die Reiterschar um Segimund die Pläne von Germanicus durchkreuzt hätten. So könnte man sogar annehmen, dass mit dem Wissen von Segestes die Pläne und Ambitionen von Germanicus beeinflusst, in eine andere Richtung und letztendlich auch gebremst worden sein könnten, sodass er den möglicherweise schon gemeinsam mit Caecina gefassten Beschluss eines Frontangriff durch den Nethegau und die Weser unterließ bzw. verschob. Was in diesem Zusammenhang auffällt und worauf uns ebenfalls die historische Antwort fehlt, ist die Frage, ob sich nur die hohe Fürstenfamilie des Segestes und eine große Anzahl seiner Anhänger zu Germanicus begab, oder ob auch einfache Krieger und Leute aus seinem Stamm mit ihm die Chance bekamen, die Seite wechselten. Brachte sich da nur die Führungsschicht noch rechtzeitig vor dem großen Kräftemessen in Sicherheit oder durfte sich auch der einfache Krieger der Segestes Sippe anschließen, wenn er es gewollt hätte oder hätte ihm dann römischerseits die Sklaverei gedroht. Der Auflistung nach zu urteilen, die uns Strabo vom Triumphzug hinterließ macht es den Eindruck, als ob es nur ein erlauchter Kreis war, der sich damals absetzen konnte bzw. durfte. Es ist zwar bei Strabo von Gefangenen die Rede aber nicht von Untertanen des Segestes. So würde es ein völlig anderes Licht auf die Ereignisse werfen, wenn Segestes tatsächlich nur mit den wenigen Personen der ihm Nahestehenden geflüchtet sein sollte, deren Namen man dank Strabo kennt. Somit wird aber erneut ein Überlieferungsdissens augenfällig. Denn bei den bekannten Namen muss es sich nicht unbedingt um alle Personen gehandelt haben, die mit Segestes und Germanicus zwei Jahre zuvor den Herrschaftssitzes des Germanen verließen. Aber Tacitus berichtet uns dazu in seinem Jahresbuch 1.57 (3) noch Genaueres. Denn nach ihm soll es sich um eine „große Anzahl“ von Personen gehandelt haben, die von Segestes abhängig waren und die dann Germanicus rettete oder abführte, ganz so wie man es lesen möchte. Während uns aber Strabo nur eine Handvoll Germanen namentlich aufzählte, die in Rom beim Triumphzug auf der Empore anwesend waren. Und man darf wohl davon ausgehen, dass sich unter den in Rom in Fesseln vorgeführten Germanen nicht jene befanden, die Germanicus zwei Jahre zuvor im vermeindlichen Vogelbeck rettete und die mit Segestes die Seite gewechselt hatten. Sicherlich verließen damals nur hoch gestellte Personen um Segestes ihr Land die in Ihrer Heimat für sich keine Zukunft mehr sahen und befürchteten, dass ihnen an der Leine keine ruhigen Jahre mehr vergönnt waren. Denn wer bleiben wollte der hatte genug Möglichkeiten und nicht nur bei Nacht und Nebel ins Lager des Arminius überzuwechseln. Was natürlich nicht für die Tochter von Segestes galt. Der einfache Stammeskrieger oder Bürger im damaligen Sinne, wird jedenfalls nicht darunter gewesen sein. So deutet alles darauf hin, dass Segestes damals mit seiner Entscheidung die Zustimmung seines gesamten Stammes verloren hatte, als er sich mit seinen „Clientium manu“ wie sie Tacitus nannte zum Übertritt entschied. Tacitus hatte es richtig beschrieben aber auch hier verwendete er wieder eine bzw. seine ihm eigene und kommentierende Wortwahl in Ergänzung und besserer Vollendung dessen was vor ihm schon Strabo schrieb. Denn während Strabo sich mit der Nennung der Namen begnügte, erweiterte es Tacitus und machte daraus die „Clientium manu“. Tacitus rekapitulierte selbstständig und kam zu dem Ergebnis, dass sie doch letztlich alle auf Segestes angewiesen waren, machte aus dem von Strabo erwähnten Personenkreis gleich eine große Anzahl und half damit etwas nach die Worte von Strabo zu verstehen und argumentiert es auch plausibel. Was aber wieder augenscheinlich wird, ist sein Interpretationsbedürfnis auf Basis dessen was ihm vorlag. Aber außer dem was ihm von Strabo vorlag hatte er wohl nichts mehr in der Hand was er hätte kommentieren können, denn es war in der Summe recht mager. Denn Strabo sagte nichts von abhängigen Personen dafür erwähnte aber Strabo die zahlreichen gefangenen Germanen die im Triumphzug und das gegen ihren Willen vorgeführt wurden. Diese Leidtragenden wurde von Tacitus nicht erwähnt auf sie verzichtete er, denn es waren die üblichen Kolateralereignisse und Nebensächlichkeiten einer Krieg führenden Nation. So bleibt uns auch hier die Feststellung und verschafft uns eine relative Gewissheit, dass Tacitus auch dieses Wissen erneut nur den Hinterlassenschaften seines Vorgängers und Zeitgenossen der damaligen Ereignisse nämlich Strabo entnehmen konnte. Und er ergänzte es genauso, wie das von Segestes später in Rom Gesagte wie man annehmen kann und übernahm es als glaubwürdig und unstrittig in seine Jahrbücher weil es ihm plausibel erschien und er es nicht mehr hinterfragen konnte. Tacitus hätte aber gut daran getan in Segestes weniger einen gewissenhaften und glaubwürdigen Informanten und Berichterstatter zu sehen, als einen Menschen, der völlig andere Pläne verfolgte und es in seiner Lage auch musste. Ein Germane dem in dieser Situation alles wichtiger war, nur nicht die Wahrheit. Aber damit nicht genug. Denn nun ließe sich schlussfolgern, dass es dem in der Heimat verbliebenen Segestes Clan und seinem Stamm auch Recht gewesen sein könnte, wenn ihr Fürst seinen Stammsitz verließ und man ihn auch nicht mehr halten wollte. Ungeachtet dessen, dürfte die Nachricht von der Flucht des Segestes samt seines Husarenstücks auch noch einen römischen Feldherrn mit eingebunden zu haben in der Großregion wie eine Bombe eingeschlagen haben. Vermutlich übernahm danach kurzzeitig sein Bruder Segimer seine Funktion, bevor sich dieser im Zuge des Sommerfeldzuges 15 + ebenfalls Rom unter Mitwirkung und Mithilfe von Lucius Stertinius auslieferte. So lässt sich den wenigen Worten von Tacitus vieles entnehmen, was sich in nur wenigen Tagen, Wochen oder Monaten in jener Zeit in Germanien zutrug. Wüssten wir alles, wir würden wohl staunen, welche Fülle an Nachrichten damals das Land bewegten. Neuigkeiten die unsere heutigen Medien dazu nutzen würden Sondersendungen am laufenden Band zu produzieren. Die zwiespältige Gesinnung von Segestes war in Germanien hinreichend bekannt und man könnte Angesichts der herauf ziehenden Gefahren froh gewesen sein, einen Quertreiber wie er es war, weniger in den eigenen Reihen zu haben. Man legte ihm also keine Knüppel in den Weg, als er in Begleitung von Germanicus seine Burg verließ. Nach seinem Weggang und dem Abgang seines Bruders wird es keine anderen höher Dekorierten mehr an der oberen Leine gegeben haben die Anspruch auf seine Herrschaft erhoben hätten, sodass Arminius die Gaue von Segestes in seinen Machtbereich integriert haben dürfte. Derartige Fragen werden seltener gestellt, gehören aber genauso in den Kontext, wie die Frage warum Germanicus nicht schon im Frühjahr 15 + die Knochen der Varusarmee bestattete, wo er doch unweit des „Teutoburgiensi Saltu“ agierte aber eben nicht nördlich besagter Stätte des Grauens wie im Sommer 15 + sondern südlich davon. Aber auch dafür könnte es Erklärungen geben.

Variante 1.)

Germanicus kam im Frühjahr 15 + auf dem Weg zu Caecina nicht bis in die Nähe der Region in der sich der letzte Marschtag des Varus und seine Selbsttötung vollzog, da er vorher von Segimund abgefangen bzw. umgelenkt wurde. Die verbleibende Entfernung war also noch zu groß, so dass sich daraus für ihn nicht die sprichwörtlich günstige „Strabo“ Gelegenheit bot, die er hätte nutzen können. Was auch mehr für ein Zusammentreffen zwischen Germanicus und Segimund im Raum Oberelsungen oder sogar weiter südlich sprechen könnte, von wo aus der „Teutoburgiensi Saltu“ noch etwa 27 Kilometer Luftlinie entfernt liegt. Germanicus hätte dann von dort aus seinen Kurs über Hedemünden in Richtung Leinetal verändert und Segimund hätte dann bis zu Germanicus 66 Kilometer zurück legen müssen um ihn zu erreichen. Für Berittene keine große Anstrengung zumal man direkte Wege nutzen konnte und auf kein Straßennetz angewiesen war.

Variante 2.)

Der Besuch der „Varus Walstatt“ fand letztlich im Sommer 15 + statt, als sich Germanicus zwischen Ems und Lippe bei den äußersten Brukterern aufhielt, die man den Schilderungen nach im Raum Schwaney verorten kann. Bis zum „Teutoburgiensi Saltu“ wären es von dort 18 Kilometer gewesen, was wiederum gegenüber „Oberelsungen“ ein kurz entschlossenes Aufsuchen der „Varusgedenkstätte“ zusätzlich vereinfacht hat.

Variante 3.)

Des Weiteren kann man auch davon ausgehen, dass Germanicus im Frühjahr 15 + nicht zum Saltus ritt, da er unter seinen Legionären die in Mainz stationiert waren keine Ortskundigen hatte die wussten, wo sich die Kämpfe mit Varus damals zugetragen hatten. Denn er selbst wusste nicht wo er die Stätten hätte finden sollte.

Variante 4.)

Sollte Germanicus jedoch Ortskundige in seinen Reihen gehabt haben, die damals auch noch selbst an den Kämpfen beteiligt waren, so konnten diese den Weg von Süden aus nicht beschreiben. Denn aus der Richtung Brakel kommend aus der sich damals der Varusszug nach Süden bewegte wirkt di Landschaft unkenntlicher. Ihre Erinnerung daran war folglich eine andere, denn ihr Fluchtweg dürfte sie damals nach Westen oder Norden geführt haben und nicht nach Süden. Nun standen sie aber südlich der Diemel. Um die Wegeführungen nach sechs Jahren wieder zu finden oder noch mühsam zu rekonstruieren war im Frühjahr 15 + zudem die Zeit nicht reif und es war wohl auch kein Legionär daran interessiert Germanicus im Frühjahr 15 + auf eine moralische Bestattungspflicht hinzuweisen.

Variante 5.)

Im weiteren Verlauf mit Segestes plus Anhang in seiner Mitte dürfte Germanicus zudem nicht der Sinn danach gestanden haben noch bei Varus vorbei zu schauen. Die Route die er mit Segestes zum Rhein einschlug und bei der er sich von der Leine kommend an der Diemel orientiert haben könnte, führte ihn schon recht nahe an die südlich Ausläufer der Egge heran, möglicherweise bei Scherfede, von wo aus er auch einen freien Blick auf einen 415 Meter hohen Berg hatte, der (noch) heute den Namen "Varenberg" trägt, wann auch immer man ihn so benannt hatte.

Somit gäbe es wie dargestellt eine Reihe von Erklärungen vorzubringen, warum Germanicus nicht schon im Frühjahr 15 + die Knochen der Varusarmee bestatten wollte oder konnte. Überlegungen die für die Lokalisierung der Schlachtenschauplätze dienlich sein könnten. Denn sie schließen nicht aus und unterstreichen die Wahrscheinlichkeit bzw. offenbaren im Hintergrund die Möglichkeit, dass sich Germanicus trotz der Tatsache sich im Frühjahr 15 + nicht der Knochenbestattung gewidmet zu haben und die räumliche Nähe dazu auch keine Erwähnung fand, sich doch nahe den „Theudoburgen“ am Saltus dem Osenegger Schliefen aufgehalten haben könnte. Aber es sind Fragestellungen die nie beantwortet werden können, so dass jegliche Schlussfolgerungen die wir ziehen auf Indizien und Mutmaßungen beruhen muss. Es verdeutlicht uns aber wie umfangreich unser Nichtwissen ist, was sich nur mit Spekulationen füllen lässt. Die Alternative dazu kennen wir und sie ist die triste Feststellung unser Unwissen letztlich akzeptieren zu müssen. Der Theorie Raum zu geben wie sich die Cherusker verhalten hätten, wenn die Marser im Frühjahr 15 + gegen Caecina erfolgreich gewesen wären ist müßig und würde nur die Phantasie strapazieren. Nachdem sich Germanicus und Caecina im Frühjahr 15 + mit Segestes und Sippe ohne einen Angriff auf die Cherusker durchgeführt zu haben an den Rhein zurück zogen hielten es die Cherusker letztlich für ratsamer in ihren sicheren Stammesgebieten zu verbleiben, was sie aber möglicherweise im Falle eines Sieges der Marser auch getan hätten. Das gewohnte Nachkarten hätte gleich wie die Schlacht ausgegangen wäre, den Germanen üblicherweise gut zu Gesicht gestanden, fand aber im Frühjahr 15 + (noch) nicht statt. Aber zurück zu den Ereignissen in der Phase als Germanicus in in die nordhessischen Chattenkämpfe verstrickt war. Das zur Unterstützung der Chatten vorgesehene cheruskische Kontingent setzte also aufgrund der unklaren Gefechtslage seinen weiteren Marsch nach Süden lt. Tacitus nicht mehr fort, Germanicus könnte aber gleichzeitig seine Aufgabe in Nordhessen auch als erfüllt betrachtet haben, verließ die Region und plante mit Caecina nun einen von westlicher Seite denkbaren konzertierten Vorstoß gegen die Cherusker. Man könnte den Versuch machen auf die Region einen optischen Lichtkegel fallen zu lassen um sich die Lage bewusster zu machen. Oben rechts im Feld eine Zusammenballung unschlüssiger cheruskischer Kräfte bei Vogelbeck an der Leine, südlich davon Germanicus bereits in der Marschbewegung befindlich und sich auf die Diemel zu bewegend und Caecina am westlichen Rand noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen irgendwo mittig zwischen Paderborn und Bredelar stehend. Caecina stand also in jenem Raum von wo aus er Tacitus zufolge den Cheruskern den Rückweg hätte abschneiden können und man sie gegen Germanicus gedrückt hätte. Und daraus resultierend hätten wir es nun mit einer untätig gewordenen Schar Germanen zu tun. Junge Männer die innerlich auf Kampf eingestellt waren, die aber auf neue Anweisungen von Arminius warteten. Heißspornige, die sich im Großraum an der oberen Leine sammelten, die aber nur bis dort hin kamen und sich nun die Zeit in einer Region vertrieben, wo unweit Segestes, wie ich vermute seine Burg hatte. Und diese Germanen lagerten nun in seinem Umfeld und man konnte sie daher auch wie Tacitus es tat Stammesgenossen von Segestes nennen, man konnte sie aber auch wie Tacitus es ebenfalls zum Ausdruck brachte in ihnen feindliche Belagerer sehen. Sie waren demnach beides. Germanen die sich dem anrückenden Germanicus an unbekannter Stelle in den Weg stellten, aber für einen größere Schlacht nicht gewappnet bzw. dazu auch nicht befugt waren. Denn Arminius wird sich in dieser, für sein Volk relativ ungefährdeten Lage für eine defensive abwartende Handlungsweise entschieden haben. Es bleibt aber eine verschwommene Interpretation der Quellenlage und man könnte dahinter ein Gefecht sehen, dass wohl nicht über ein Scharmützel hinaus ging, was Germanucs führen musste um Segestes „zu übernehmen“. Aber die Cherusker könnte man „last not least“ auch eine zusammen gewürfelte Menge Krieger aus allen cheruskischen Lagern einschließlich dem des Segestes ansprechen, die nun untätig geworden wieder im Rückzug begriffen war und sich zu zerstreuen begann. Denn Arminius hatte ihren ursprünglich nach Süden angeordneten Marsch gestoppt. Allemal aber waren es Germanen die sich für viele Interpretationen und Auslegungen der Historie eigneten oder möchte man es negativ sehen, sich vielleicht sogar missbrauchen ließen. Und auch Tacitus könnte aufgrund der ihm vorliegenden Schilderungen dem Glauben verfallen sein, hier ginge es einzig darum eine Fürstentochter zu befreien und vergas dabei das flächige Desaster, in dem sich die Cherusker in diesen Tagen befanden. Vielmehr ist es denkbar, dass sich hier ein trickreicher aber auch verängstigter, seines Volkes überdrüssig gewordener Cheruskerfürst geschickt absetzen wollte und schob die Rettungsaktion lediglich vor um im Imperium als ein angesehener Germane auftreten zu können bzw. so empfangen und behandelt zu werden. Ein Germane der eigentlich nur die erwartungsgemäß siegreichen Kriege des Germanicus in Ostwestfalen am Rhein geruhsam überdauern wollte, um sich danach im Schutze des römischen Reiches in Germanien in ein gemachtes Nest setzen zu können. Das die Segestes Story in Rom endete war nicht sein Wunschziel. Aber wie verhält sich ein Germanenfürst wie Arminius der befürchten musste, dass gegen ihn nun eine römische Doppelspitze antreten würde, um ihn von zwei Seiten aus anzugreifen. Welche Taktik wählte er als er erkannte, dass sowohl Germanicus als auch Caecina siegreich waren und er nun das nächste Ziel sein würde. Auf seine einstigen Partnervölker die Marser und Chatten konnte er nicht mehr zählen. Allenfalls hätten ihm noch die Brukterer zur Seite stehen können. Aber sie steckten in der gleichen Falle wie das Cheruskerkontingent. Hätten sie den Zusammenschluss mit Arminius rechts der Weser gesucht, wären auch sie in die Gefahr geraten von ihren Siedlungsgebieten abgeschnitten zu werden. Die Cherusker waren auf sich gestellt. Wie eine Rebellenarmee die sich in Unterzahl befand hätte man aus den unzugänglichen Waldgebieten heraus operieren müssen und eine Strategie der Nadelstiche anwenden können. Oft erfolgreich und gefürchtet. Abwarten, flüchten oder den Widerstandskampf aufnehmen waren die Optionen. Und dann geschah das Unvorhersehbare. Germanicus zog ab, ritt aber noch mal zurück um den Segestesclan in seine Obhut zu nehmen und verschwand dann mit ihnen in Richtung Rhein. Kein Zusammenschluss mit Caecina und auch kein Angriff auf die Cherusker im Frühjahr 15 +. Denn Germanicus hätte wie Segimund auch, Segestes unter Bewachung auf das linke Rheinufer abschieben können um dann gemeinsam mit Caecina die Cherusker anzugreifen, aber es passierte nicht. Um zu rätseln was Germanicus davon abgehalten haben könnte lassen sich viele Szenarien durchspielen. Dazu gehört auch, dass Segestes ihn, wie bereits dargestellt davon abgeraten haben könnte. Aber da steht noch eine andere Theorie. Einen Arminius wird man nicht gegen seinen Willen zur Schlachtbank führen können und so traf er Vorsorge. Die Historikerwelt ist sich noch im Unklaren darüber, warum Germanicus im Zuge seines Sommerfeldzuges 15 + nach einem kurzen Gefecht mit den Cheruskern, die ihn über die Weser lockten schon den Krieg abbrach und auf zwei getrennten Routen den Rückmarsch antrat. Ohne also einen nennenswerten Erfolg gegen sie erzielt zu haben. Und dann folgt bereits das nächste Rätsel, denn wie konnte es den Germanen gelingen die Großschlachten des Jahres 16 +, die zumindest unentschieden gegen die gewaltige Heeresmacht eines Germanicus ausgingen, zu überstehen. Die Antwort darauf könnte sein, dass Arminius bereits im Frühjahr 15 + einen engeren Kontakt zu anderen Germanenstämmen zwecks Unterstützung aufgebaut hat die aber für das ganze Jahr 15 + in keiner taciteischen Überlieferung auftauchen. So dürfte er sich zum einen mit den Angrivariern abgesprochen haben. Und zum anderen sind da auch noch die Suebenstämme zu nennen, die nördlich und östlich des Harzes siedelten wie die Langobarden oder die Angeloi bzw. Angili. Sollte Segestes von diesen Bündnissen erfahren haben, wird er Germanicus im Frühjahr 15 + davon abgeraten haben mit seinen durch die Marser und Chattenkämpfe geschwächten Legionen auch noch die Cherusker anzugreifen. Dies würde auch noch sein vorsichtiges Taktieren im Sommer 15 + verständlich machen. Aber die erwartete Kraftprobe blieb im Frühjahr 15 + aus und Arminius hatte wieder Zeit gewonnen die er nutzen konnte.(15.07.2020)