Dienstag, 20. Oktober 2020
Nicht 17 + sondern 18 +. Das Gefecht von Kalkriese. Gab auch Thumelicus eine Antwort.
Dieses Kapitel knüpft an die Theorie an, dass sich die Kämpfe östlich von Bramsche im Jahr 18 + ereigneten. Sie geschahen in dem Zusammenhang, als der Gefangenenaustausch der 16 + schiffbrüchig gewordenen Römer eingefädelt von den Angrivariern unter Beteiligung der Ampsivarier und der Cherusker eskalierte. Ein Gefecht bei dem die Germanen das Lösegeld und die Wertsachen an sich brachten, die ein römischer Marschzug für sie im Gepäck mit führte und was man im Gegenzug in Grenznähe den Germanen zu übergeben hatte. Einen neuen Mosaikstein dazu könnte Thumelicus beisteuern. So beginnt es damit, dass uns Strabo und Tacitus eine ungewöhnliche Unstimmigkeit hinterließen. Denn Thusnelda die Mutter von Thumelicus, die laut Tacitus noch im Frühjahr 15 + sichtbar schwanger war, kann nicht schon zwei Jahre später im Mai 17 + ein dreijähriges Kind gehabt haben, so wie es uns von Strabo überliefert wurde. Aber wo verbergen sich die Gründe für die abweichenden Überlieferungen der beiden Historiker. Die an sich als zuverlässig gelten. Strabo überliefert also, dass das Kind 17 + drei Jahre gewesen sein soll. Tacitus hingegen schrieb, dass die Mutter noch im Frühjahr 15 + schwanger war. Infolgedessen kann ihr Kind im Jahr 17 + nur zwei Jahre, allenfalls noch ein paar Wochen älter gewesen sein, aber keine drei Jahre alt. Natürlich gilt die Version von Strabo als die stärker Belastbare von beiden, da er Zeitzeuge war und er den Kleinen sah. Andererseits wissen wir nicht, wer ihm damals das Alter von Thumelicus mitteilte. Und ob er es schon während des Triumphzuges oder erst später erfuhr. Tacitus schrieb etwa 1oo Jahre nach Strabo, war also auf eine oder auch mehrere dazwischen liegende Quellen angewiesen. Sicherlich ist diese Episode vor der großen Geschichte nur eine unbedeutende und somit nebensächliche Randnotiz. Trotzdem blieb sie nicht völlig wirkungslos auf die Nachwelt. Jedenfalls berührte die traurige Gestalt des kleinen Thumelicus die antike Geschichtsschreibung, obgleich wir wenig über ihn wissen. Die Etymologie des Wortes Thumelicus war immer schon Objekt wissenschaftlicher Analysen. Man suchte nach Erklärungen aufgrund seiner mütterlichen Herkunft kam aber auch zu anderen Überlegungen. Zum Beispiel wird der kleine antike griechische Altar des Dionysos im mittleren Bereich des Orchesterkreises Thymel genannt. Darum gruppierte sich der Chor. Wer dort auftrat wurde der Überlieferung nach mit dem Namen Thymelicus verspottet. Daraus schloss man, das Thumelicus in seinem späteren Leben verlacht wurde. Der Grieche Strabo stellte diesen Vergleich jedoch nicht her. Er nennt ihn Thoumelikos also nicht Thymelikus oder Thymelikos. Im römischen Imperium könnte man ihn trotzdem so genannt haben, es kam Strabo nur anders zu Ohren. Dieser Pfad muss also nicht unbedingt ein Holzweg gewesen sein. Ob man den Kleinen aber bereits in diesem Alter verspottet hat, sei dahin gestellt. Aber wie wird daraus ein Untersuchungsgegenstand im Zusammenhang mit der Varusschlacht Forschung. Bekanntlich hat sich die Frage etwas fest gefahren, um welche Schlacht es sich gehandelt haben soll, die sich damals nördlich des Kalkrieser Berges zugetragen hat. Man erschloss sich bislang einen Blickwinkel in dem man sich zuerst auf, wen auch sonst nämlich auf Varus konzentrierte, dann aber wegen wachsender Widerstände aus Fachkreisen auch die Germanicus Feldzüge mit in Betracht ziehen musste. Diese endeten jedoch 16 +. Den Horizont erweiterte man jedoch nicht nach vorne. Das Jahr 17 + in Betracht zu ziehen stand überhaupt nicht zur Debatte, da für dieses Jahr keine römischen Schlachten in Germanien überliefert sind, es also an der Germanenfront aus römischer Sicht ruhig blieb. Was allerdings nicht für die Germanen untereinander galt. Denn man lieferte sich in diesem Jahre 17 + eine heftige Schlacht mit den Markomannen die für die Arminius Koalition siegreich endete. Im Jahr 18 + könnte sich jedoch eine andere Situation eingestellt haben. Denn nun gab es möglicherweise wieder einen Grund sich einer Auseinandersetzung mit Rom zu stellen. Strabo hinterließ bekanntlich im Zuge seiner Berichterstattung über den Triumphzug für Germanicus, der am 26. Mai 0017 statt fand den viel sagenden Hinweis, dass Arminius „jetzt immer noch kämpfen“ würde. Dies zieht nun die Frage nach sich, wann Strabo seinen Bericht über den Triumphzug verfasste. Tat er es in der zweiten Hälfte des Jahres 17 + könnte er damit jene Schlacht der Elbe/Weser Germanen gegen Marbod gemeint haben, in der „Arminius immer noch kämpfen“ würde. Tat er es erst im Jahre 18 + so könnte es sich auch um die Anspielung auf ein Gefecht zwischen Germanen und Legionen gehandelt haben. Ob Strabo mit seiner Niederschrift des „jetzt noch kämpfenden Arminius“ an den Krieg der Cherusker gegen die Markomannen dachte, kann nicht ausgeschlossen werden. Hat er es jedoch erst 18 + zu Papier gebracht, dann kann es sich auch um ein römisch germanisches Duell gehandelt haben. Allerdings drückt die Bemerkung von Strabo auch ein gewisses Erstaunen darüber aus, dass Arminius immer noch nicht des Krieges müde war. Strabo wusste, dass das Imperium bereits im Jahre 16 + den einseitigen Waffenstillstand ausgerufen hatte. So drückt seine Bemerkung vermutlich auch Verwunderung darüber aus, warum Arminius trotzdem noch kämpfen würde. Einer Recherche bedürftig ist der Zeitpunkt, wann Strabo erfuhr, dass Arminius jetzt noch kämpfen würde und wann er es nieder schrieb. Da ein kriegerisches Aufeinandertreffen zwischen Germanen und Römern für das Jahr 17 + nicht überliefert ist, gibt es nur die besagten zwei Alternativen. Erstens, er hörte vom Markomannenkrieg noch im Jahre 17 +. Dann bekam er diese Information sehr zeitnah und konnte sie schon in der zweiten Jahreshälfte 17 + in seinen Bericht über den Triumphzug mit einfließen lassen. Dies setzt natürlich auch den schnellen Nachrichtenfluss von der Oberelbe oder dem Ostharz nach Rom bzw. je nach dem wo die Heere aufeinander trafen, voraus. Ob es für Strabo allerdings erwähnenswert gewesen sein könnte, dass sich zwei Germanenvölker gegenseitig bekriegten sei dahin gestellt, denn innergermanische Konflikte dürften im Imperium nicht auf besonderes Interesse gestoßen sein. Andererseits wissen wir, dass es der Wunsch von Tiberius war, dass sich die Germanen in Zwistigkeiten untereinander aufreiben. Man könnte es also vielleicht auch so auslegen, dass Strabo zum Ausdruck bringen wollte, Arminius würde gegen Rom immer noch keine Ruhe geben, da ihm ein rein germanisches Duell irgendwo im Nordosten wenig berührte. Die Schlussfolgerung geht dahin, dass Strabo seinen Bericht über den Triumphzug nicht unmittelbar nach dem Triumphzug und auch nicht in der zweiten Jahreshälfte 17 + nieder schrieb, sondern sich damit Zeit ließ und sich erst 18 + mit dem Erlebten befasste. In dem Jahr, indem er sich auch mit der Geographie Germaniens explizit dem Quellgebiet der Elbe beschäftigte. Die Arbeit war für Strabo teil seines Lebenswerkes und auch in damaliger Zeit widmete man sich für gewöhnlich derart umfänglichen Schreibarbeiten nur mit der nötigen Muße und Abstand und nicht kurzfristig bzw. erst im Alter. Schlussfolgernd daraus kann angenommen werden, dass Strabo seine Erinnerungen an den Triumphzug erst 18 + nieder schrieb und er mit dem „jetzt noch immer kämpfenden Arminius“ nicht die Markomannenschlacht meinte. Aber der Überlieferung von Strabo lässt sich noch ein weiterer Hinweis dazu entnehmen, dass er erst im Jahre 18 + zur Feder griff. Woraus sich die Theorie entwickeln ließe, dass Strabo mit dem „jetzt immer noch kämpfenden Arminius“ die Schlacht meinte, die sich denkbarerweise 18 + zutrug und im Zuge der Gefangenenübergabe, also dem Raubüberfall bei Kalkriese statt gefunden haben könnte. Dazu das Strabo seinen Bericht über den Triumphzug erst 18 + verfasste und sich damit auch auf den in diesem Jahr kämpfenden Arminius bezog, gibt auch der kleine Thumelicus der Sohn von Arminius Anlass. Denn Strabo schreibt, dass Thumelicus am Tag des Triumphzuges, dem 26.5.0017 drei Jahre alt gewesen sein soll. Damit ließe sich zwar nicht auf den Monat genau, aber doch in etwa seine Geburtszeit zurück rechnen und so müsste er um den 26.5.0014 zur Welt gekommen sein. Nach Tacitus war aber seine Mutter Thusnelda im Frühjahr 15 + noch sichtbar schwanger, als Germanicus sie mit nahm. Diese Rechnung geht also zeitlich nicht auf. Da möchte man nun fragen, wer von beiden recht hatte, Tacitus oder Strabo. Hochschwanger lässt uns erahnen, dass die Geburt zeit nah bevor stand und unmittelbar nach der „befreienden Gefangennahme“ im Frühjahr 15 + statt gefunden haben könnte, womöglich noch auf der Rückreise zum Rhein. Thumelicus der nach Strabo am 26.5.0017 drei Jahre alt war, dürfte also nach Tacitus am 26.5.0017 erst zwei Jahre und einige Monate alt gewesen sein. Zwischen den historisch überlieferten Altersbestimmungen des Knaben Thumelicus liegt also etwa ein Jahr. Aber zuvor sei noch die Zuverlässigkeitsfrage gestellt. Tacitus hatte das Jahr 15 + in dem Thusnelda schwanger von Germanicus oder seinen Begleitern aufgegriffen oder erfahren bzw. aus uns nicht bekannten Quellen, die er aber für korrekt hielt. Es muss danach also Personen gegeben haben, die aus dem Anblick heraus bestätigen konnten, dass Thusnelda als Germanicus die Segestes Burg aufsuchte hochschwanger war. Diese Aussage beruhte folglich auf Tatsachen und wurde wohlweislich von Segestes nicht beeinflusst. Wer sagte aber Strabo, dass Thumelicus im Mai 17 + drei Jahre alt gewesen ist. Oder kann man einem Kind in dieser Zeit das Alter ansehen. Könnte er mit zwei Jahren schon wie ein drei Jähriger ausgesehen haben, sicherlich ja und genauso auch umgekehrt. Aber besteht die Möglichkeit, dass vielleicht Tacitus und Strabo auch beide gleichzeitig Recht gehabt haben könnten. Strabo stellt mit seinem deutlichen Hinweis darauf, dass Arminius „JETZT“ also in diesem Moment, folglich hoch aktuell immer noch kämpfen würde, einen klaren Zeitbezug zum Augenblick her. Strabo hielt also sozusagen die Schreibfeder noch fasst in der Hand, während Arminius zur gleichen Zeit also „JETZT“ immer noch kämpfen würde. Aber in diesem gleichen Moment bzw. Satz berichtet Strabo auch, dass Thumelicus „nun“ drei Jahre alt sei. Bezog Strabo das Alter von drei Jahren also auf den 26.5.0017 oder schon auf das Jahr 18 + als er seinen Bericht verfasste. Hatte Strabo möglicherweise dem am 26.5.17 + erst zwei jährigen Sohn im Jahr 18 + ein weiteres Jahr hinzu gerechnet. Dann würde dazu auch die Schwangerschaft von Thusnelda im Frühjahr 15 + passen und es gäbe somit auch keinen Dissens zur Überlieferung von Tacitus. Thusnelda stand 15 + kurz vor ihrer Niederkunft, Thumelicus war 17 + zwei Jahre und Strabo gab sein Alter im Jahr 18 + mit drei Jahren an. Es ergäbe sich auf Basis dieser Altersrechnung auch, dass Arminius demnach im Jahre 18 + noch immer in Kämpfe verstrickt war. Dies ermöglicht eine weitere Schnittstellenbetrachtung. Sie könnte zu dem Ergebnis führen, dass bereits im Jahre 18 + wieder Germanen gegen Römer kämpften. Und das Jahr 18 + war demnach das Jahr in dem Arminius „jetzt“ noch kämpft. Etwas geschmeidiger formuliert lautet der Originaltext von Strabo, den er über den Triumphzug im Jahre 17 + hinterließ „Arminius, der den Krieg der Cherusker anführte und die Treue gegen Quintilius Varus brach und der „JETZT“ noch den Kampf fortsetzt; sowie Thusnelda mit ihrem dreijährigen Sohn Thumelicus,“. Auf den Punkt gebracht kann man sich nun eine Meinung bilden was Strabo unter „JETZT“ verstanden hat. Schrieb er es noch 17 +, dann kämpfte Arminius auch noch in diesem Jahr gegen wen auch immer, bzw. Strabo erfuhr vom Krieg gegen die Markomannen. Schrieb er es erst 18 +, dann trug Arminius einen Kampf in diesem Jahr aus, aber gegen wen ? So entsann sich Strabo möglicherweise im Jahr 18 + auch noch mal des kleinen Thumelicus zurück, dessen Schicksal ihn offensichtlich bewegt hatte, denn sonst wäre ihm seine Anwesenheit und sein mögliches Alter keine Zeile wert gewesen. Auf Entfernung das Alter eines Kleinkindes zu bestimmen, ist ohnehin unmöglich, so könnte er auf Strabo schon wie ein kräftiger Dreijähriger gewirkt haben, obwohl er erst zwei Jahre alt war. Er rekapitulierte im Jahre 18 +, dass dieses Kind heute etwa drei Jahre alt „gewesen sein müsste“. Und sein Vater ? Der hielt in diesem Jahr immer noch seinen Kopf für eine Sache hin, die eigentlich schon längst als abgeschlossen galt. Denn Rom hatte sich 16 + entschieden, Germanien für die nächste Zeit nicht mehr zu bekriegen und sich zurück zu ziehen. Aber Überfälle auf Transportzüge standen immer noch auf seiner Agenda. Eben einer wie jener, der sich 18 + bei Kalkriese zugetragen haben könnte und wovon auch Legionäre der Legio I Germanica betroffen waren. Eine in der Tat schwierige Diskussionsgrundlage. Aber die nur auf den ersten Blick voneinander abweichenden Altersangaben von Strabo und Tacitus auf Thumelicus bezogen, könnten das Ereignis von Kalkriese auf das Jahr 18 + verdichten helfen. Zweifellos gewinnt diese Querverbindung mit Bezug auf das Alter von Thumelicus für sich allein genommen nicht an Plausibilität. Sie lässt sich jedoch damit steigern, wenn man sie in Kontext zu den vielen anderen Hinweisen setzt. Damit ließe sich der Verdacht erhärten, dass auch Arminius 18 + am Kalkrieser Berg selbst noch mit dabei gewesen sein könnte, als man den Gefangenenaustausch vollziehen wollte. Allerdings war Varus da schon neun Jahre tot. (20.10.2020)