Dienstag, 20. Oktober 2020
Welche Schuhgröße hatte Varus ?
Wer mein Vorwort vor rund drei Jahren gelesen hat, der hat noch in Erinnerung, dass mir daran gelegen ist, Geschichte nie langweilig erscheinen zu lassen. Kapitel einzuschieben die vom großen Geschehen um die Varusschlacht etwas ablenken sollen, waren daher beabsichtigt. So soll auch diese Thematik die Diskussion etwas bereichern helfen. Betritt man den altehrwürdigen Kaiserdom zu Speyer oder die Stiftskirche St. Servatius in Quedlinburg und steigt dann in die dazugehörige Gruft ab spürt man wie die Temperatur abfällt, sich der Sauerstoffgehalt verändert und die Erwartung steigt. Auf die Hektik der Parkplatzsuche folgt dann plötzlich eine seltsame Stille. Umgeben von Sarkophagen und dem Wissen um die darin liegenden Gebeine fühlen sich die Jahrhunderte wie ein Wimpernschlag an. Das Gefühl der Nähe zu längst Vergangenem weckt gleichzeitig einen Eindruck von Vertrautheit, so als ob die Verstorbenen noch Leibhaftig wären. Wir bewegen uns als gingen wir in ihren Fußspuren und für Sekundenbruchteile blicken wir mit ihren Augen auf die Welt. Es gibt kaum einen Ort an dem man sich näher an der Geschichte wähnt, als in einer mittelalterlichen Grablege, wo die alten Zeiten greifbar erscheinen. Ob es Kaiser Konrad II oder Mathilde die Tochter Otto des Großen war, in der kurzen Zeit unserer Anwesenheit fühlt man sich mit ihnen verbunden. Varus hingegen ist aus der Geschichte entschwunden und wir kennen keinen Ort, der sich mit ihm verbinden ließe. Wir können uns zwar ausmalen, dass er vom Castra Vetera I in Birten auf die Lippe Mündung hinüber blickte, aber damit endet auch schon unsere Phantasie. Dank der Geschichtsforschung, der Geologie, der Topographie oder der Geographie und natürlich dank Heribert Klabes lässt sich der römische Hellweg von Aliso zur Weser rekonstruieren. Inmitten dieser Zugtrasse stößt man mit Hilfe des digitalen Geländemodells auf eine Vielzahl verdächtig eingefärbter roter Linien die je nach Höhe mehr oder weniger stark hervor gehoben sind. Parallel zueinander verlaufende doppelreihige Strukturen, Kreise oder einfach nur Linien. Sie können vieles bedeuten aber auch nur vortäuschen und reichen vom Forstweg bis zu den einst in der Region stattgefundenen Kriegshandlungen die ebenfalls ihre Spuren hinterließen. Aber unter und zwischen ihnen verbergen sich auch Hinweise aus ältesten Zeiten die sich kaum noch erkennen lassen sich aber durch die besagten roten Farbmarkierungen sichtbar machen lassen. Heribert Klabes beschrieb den Wegeverlauf in Teilen in seinem Buch "Corvey - Eine karolingische Klostergründung an der Weser". Blickt man auf das Lidar Luftbild wecken insbesondere Doppellinien, wenn sie etwa 6 bis 7 Meter auseinander liegen und sich über größere Distanzen hinziehen die besondere Aufmerksamkeit der Geschichtsfreunde, wobei zu beachten ist, dass die kurz vor Kriegsende in der Region eingesetzten Panzer VI lediglich eine Breite von 3,75 Meter aufwiesen. Aber oft beginnen und enden sie im scheinbaren Nichts und darüber liegende zeitlich nähere Wegeführungen verdecken vieles. Da aber Varus laut Cassius Dio an die Weser gelockt wurde, könnte sich unter diesen schwer definierbaren Strichen oder Wegeführung auch jene befinden, an denen Varus vorbei kam. Sollte die Theorie zutreffen, so wären hier möglicherweise die Örtlichkeiten zu suchen, wo sich einst Varus bewegte und seinen Fuß auf ostwestfälischen Boden setzte. Aber auch wenn die Theorie stimmig klingt, die Bodenarchäologie muss letztlich das Problem lösen. Wenn sie dort auch nicht mehr den Fußabdruck von Varus finden kann, so wäre es aber möglich zwischen Schwaney und dem Netheberg auf die Reste der Varusstraße zu stoßen, mit der vielleicht schon Lucius Domitius Ahenobarbus begonnen haben könnte. Auf dem Wege einer Expedition ließe es sich vielleicht schon näher ergründen und die Chancen stehen gut.(20.10.2020)