Dienstag, 1. November 2022
Für die Legionen ein Grabhügel für Arminius eine Gedenksäule.
und für den verschmorten Kopf des Varus ein Platz in der Gruft der Quinctilier bzw. Quintilier, oder dem Mausoleum des Augustus. Aber am Anfang so mancher Forschungsarbeit steht eine Theorie. Im Volksmund nennt man sie schon mal abwertend fixe Idee, weil sie auch auf tönernen Füßen stehen kann und aus der Luft gegriffen scheint. Damit stellt man ihre mögliche Stichhaltigkeit verfrüht und vielleicht zu voreilig in Frage. Davon unbeeindruckt besteht das Ziel dieses Blog darin, alle erkennbaren Argumente aufzugreifen mit denen sich der Grundgedanke bestätigen lässt, wonach der Leidensweg der Varusarmee nicht schon am ersten Marschtag nach dem Verlassen des Lagers in die Katastrophe führte und erst nahe Hampenhausen südlich von Brakel begann. Von da an folgten für die bereits zusammen geschmolzenen Einheiten zwei Nächte unter widrigsten Bedingungen. Waren die Verluste schon vor dem Erreichen des ersten Nachtlagers, dem "prima Vari castra" immense, kam es auf den zwischen den Lagern liegenden Marschkilometer zu weiteren heftigen Gefechten bis ihnen bei Borlinghausen die Endschlacht und damit der Untergang bevor stand. Nach den in der Vergangenheit vielen vergeblichen und oft zu vorschnell statt gefundenen Versuchen die Örtlichkeit zu definieren schien es an der Zeit einen neuen Weg zu wagen, das Varusereignis zu enträtseln. Dazu war es zunächst nötig, sich von den bekannten teilweise Jahrhunderte alten Interpretationszwängen zu befreien, die das Thema belastet haben. Eingefahrene Spuren die dennoch Gebetsmühlenhaft von der Historienjournalistik dankbar durchgekaut werden. Da die antiken Quellen vielfach zu einsilbig und dadurch irreführend ausgelegt wurden ließ sich die Varusforschung in die unterschiedlichsten Suchräume der Beliebigkeit locken. Das betrübliche Resultat zeigte sich in dem allen vorgeschlagenen Schauplätzen das Verbindende abhanden kam. Die Theorien verloren schnell den Bezug zur Plausibilität, schwebten förmlich frei und konnten keinen Anfang und kein Ende vorweisen. Es blieben immer zu viele Fragezeichen wodurch selbst hoffnungsvoll gestartete Versuche eine Schlachtenlogik aufzubauen nach kurzer Lektüre schon der Boden entzogen war, sodass alle Theorien im Ringen um die Lösung aus vielerlei Gründen ausscheiden mussten. Hiermit wurde der Schritt getan neues Gedankengut anzuzapfen und auch den Blickwinkel auf die antiken Schriften zu verändern. Dadurch traten unerwartet eine Fülle von Indizien zutage, die die bisherige Sicht auf den Schlachtverlauf in eine völlig neue Richtung lenkten woraufhin sich die nötigen Fakten wie von selbst einstellten. Ergebnisse die es lohnten diese These aufzustellen. Jedes einzelne Indiz wurde im Zuge dieses Internetbuches über dutzende Kapitel ausführlich auf "für und wider" hin untersucht und ausgewertet. Als Beispiel sei hier nur die schlüssige Beweisführung genannt, wonach Varus von Segestes nie gewarnt wurde. Denn es gab keine Zeugen dafür und er äußerte sich darüber sechs Jahre nach der Schlacht als er sich bereits im römischen Exil befand, sodass es mehr seiner Reputation diente als der Wahrheit entsprach. Aber auch noch andere gute Argumente bringen das Fundament ins Wanken, was man seit Jahrhunderten für unantastbar hält. So wurde jedem Hinweis Rechnung getragen und es konnte ihm im Schlachtenverlauf ein eigener Platz zugewiesen werden. Erst dadurch gelang es das Geschehen durchgängig und lückenlos vor allem aber überzeugend zu präsentieren. Jedes einzelne Indiz trug dazu bei, dass es bei diesem Projekt, nämlich eine neue Theorie für den Schlachtenverlauf vorzustellen bei keiner kühnen Behauptung bleiben muss. Aber nicht nur die veränderte Herangehensweise bzw. Lesart der antiken Schriften durch die sich neue Fakten und Einblicke ergaben, füllten die bisher weiß gebliebenen Seiten zur Clades Variana, auch die unverrückbare Topographie der Landschaft trug zur Identifizierung bei und lieferte Anhaltspunkte zur Lokalisierung, wo man einst im südlichen Nethegau gegen Varus gekämpft haben könnte. Der letzte Punkt dem im ganzen Verlauf viel Aufmerksamkeit zuteil wurde ist die schier unlösbare Herausforderung gewesen nicht nur die damalige Logistik zu verstehen und die Legionsstärke zu hinterfragen die schon mit der Irreführung des Segestes Vermächtnisses ihren Anfang nahm, sondern auch zu versuchen sich in die geistige Welt der vor uns Lebenden hinein zu denken um ihre Seelen, Gemütszustände und Verhaltensweisen mental greifen zu können. So kam viel Unerwartetes zusammen, dem man seine Bedeutung zunächst nicht ansah und das sich der Bewertung und Gewichtung lange entziehen konnte. Aber zusammen gefasst betrachtet, war es geeignet der Varusgeschichte ein neues Gesicht zu verleihen. Es wurde daraus ein an sich selbst gestellter Forschungsauftrag ohne sich dabei von hektischen Redaktionsschlussterminen, ungutem Reputationsdruck oder schnödem Gewinnstreben treiben bzw. sich von Denkverboten behindern zu lassen. Und nur auf diesem Wege konnte man zu einem der vielen wesentlichen Erkenntnisse gelangen, nämlich die grundsätzliche Strukturaussage zu machen, dass sich der Zug des Varus zwar über vier Tage erstreckte, sich darin aber nur zwei Kampftage bei abflachendem dritten Kampftag verbargen. Und erst auf dieser Basis war es möglich sich auf akribische Weise schlüssig und zwanglos an den Endpunkt des Geschehens heran zu tasten. Die zahlreichen Veröffentlichungen innerhalb dieses Blogs in den letzten vier Jahren haben das Bild gefüllt und dazu beigetragen den Kenntnisstand zu vertiefen. Und natürlich wollte auch jeder noch so verknöcherte Fingerzeig immer noch, das man ihn aufgreift, denn nichts sollte ausgelassen werden was die Beweislage verbessern helfen könnte. Aber der Raum in dem es einmal heiß her ging und wo sich das Schlachten dem Ende neigte sollte, ja müsste sich auch noch durch andere Hinweise kenntlich gemacht haben, die es aufzuspüren gilt und dem ist auch so. Denn die Schauplätze an denen die waghalsigen und siegreichen Gefechte der Stämme mit den Legionen ihr Ende fanden wirkte im Bewusstsein der dortigen Bevölkerung fort und fand ihren ewigen Nachhall. Man sollte sich die damalige Dimension des Geschehens vor Augen führen. Unter tiefster Schmach sah sich das Imperium genötigt sich bis über die Rheinbrücken zurück ziehen zu müssen, brauchte dann volle sechs Jahre um sich davon zu erholen und sich neu zu positionieren, und versuchte dann drei Jahre lang vergeblich mit einem nie da gewesenen Aufgebot an Legionären die alte Schande vergessen zu machen. Die gigantische Schlachten des Jahres 16 + die trotzdem nicht zum gewünschten Erfolg führten. Aber alles begann letztlich im Nethegau. Und was sich hier für die Germanen zum Sieg hoch stilisierte wurde für Rom am gleichen Ort zum Ende eines Herrschaftstraumes über Zentralgermanien. So kann man sich eine Vorstellung davon machen, welche heraus ragende Bedeutung auch die Örtlichkeiten um Borlinghausen in den Jahren danach besaßen. Es war schließlich die Landschaft in der man den Grundstein für das Ende römischen Machtstrebens gesetzt hatte, wo einst der Schlusspunkt der Schlacht gesetzt wurde und die Germanen ihre Würde wieder fanden und dies auch zum Ausdruck brachten. Betritt man heute die dortige Stille der Landschaft, die Äcker, Wälder und Wiesen so flüstern aus dem Untergrund keine Stimmen mehr und keinem Blatt oder Strauch lässt sich entlocken was sich dort einst zutrug. Aber dafür gibt es andere ebenfalls stumme aber belastbarere Hinweise darauf was sich in späterer Zeit an besagter Stelle zutrug wenn man die alten Parzellenkarten studiert und sie mit der frühen Missionsmethodik der fränkischen Kirche abgleicht. Und so war es sicherlich auch kein Zufall, dass über der Region immer schon der Verdacht schwebte, dass sich hier noch etwas von alledem erhalten haben könnte, dass uns den Ort auch noch nach über 2000 Jahren wieder finden lassen könnte. Aber vorbeugend sei gesagt, dass hier nicht die Absicht verfolgt wird, "Hermann den Cherusker" zu demontieren um ihn von Detmold nach Borlinghausen versetzen zu wollen, denn der Koloss ist schon dort wo er sich befindet zu seiner eigenen Geschichte geworden. Zudem ist dies auch nicht nötig, denn die Altvorderen hatten uns diesen Aufwand im übertragenden Sinne bereits abgenommen, wovon aber bedauerlicherweise nichts mehr zu sehen ist. Und natürlich ist hier von nichts anderem die Rede als von der Irminsul, die sich der allgemeinen Recherche nach genau da befunden haben soll, nämlich im Schwerpunkt der so genannten "Karlsschanze", Willebadessen und Borlinghausen. Das in diesem großen Zusammenhang der Ortsname Borlinghausen gleich zwei Mal fällt ist der Tatsache geschuldet, dass sich hier die Wege der Geschichte zu kreuzen scheinen. Denn während Karl der Große einst von Südwesten vorrückte marschierte Varus von Nordosten an. Das sich aber beide in Borlinghausen trafen entsprang den Bewegungsmustern wie sie sich sowohl für die Varuslegionen recherchieren ließen, als auch für den Zugweg Karls des Großen erkennen lassen. Hier wurde also kein zufälliges Aufeinandertreffen geschickt arrangiert um zwei Theorien in Wohlgefallen miteinander verbinden zu können und um ein "Aha Erlebnis" zu erzeugen. Denn es beruhte einzig auf einer nüchtern sachlichen Herangehensweise wodurch diese beiden Ereignisse ungewollt zusammen fanden und das auch ohne das der Wunsch zum Vater der Theorie wurde. Aber genug der Rechtfertigung um den Verdacht zu zerstreuen, dass da noch eine Rastlosigkeit in uns schwelen könnte der rätselhaften Vergangenheit ihre Schleier auf skurrilen Wegen entziehen zu wollen. Aber es war immer schon eine reizvolle Aufgabe die Abläufe der Geschichte neu zu denken und zu deuten. Als vom Verfasser damit begonnen wurde dieses Jahrzehnte lang vorbereitete Projekt 2017 auch auf schriftlichem Wege in Angriff zu nehmen zeichnete sich diese Verbindungslinie von Varus bis zur Irminsul noch nicht ab. So wurde die Irminsul praktisch zu einem unerwarteten Abfall - bzw. Nebenprodukt auf der Suche nach dem Marsch der Legionen in ihren Untergang und indirekt zu einer Bestätigung der Schlachtentheorie. Und wer konnte schon ahnen, dass sich nahe Borlinghausen gleich zwei Rätsel der Geschichte am selben Ort in einen Zusammenhang bringen lassen und sich dort lösen ließen. Das sich also im religiös verklärten Geschehen um die Irminsul gleichzeitig der Nährboden für das Ende der Varusschlacht verbirgt, sich also der Ort der Irminsul und der Höhepunkt der Varusschlacht gegenseitig bestätigten, wurde zwar immer schon gemutmaßt, harrte aber bislang einer sachlichen Begründung. In diese verträumte Region östlich der Eggewetterscheide in der die Sonne immer früher unter geht als anderswo, könnte also der grelle Lichtkegel deutscher Geschichte gleich zwei Mal gefallen sein. So hätten hier diverse Kombinationsmöglichkeiten am Oberlauf der Helmerte aufeinander getroffen sein und das Geschehen könnte sich hier vor der Egge wie in einem Schmelztiegel zusammen gestaut haben. Eine Region in der man nach der Varusschlacht auch den einstigen Standort der Irminsul vermuten darf. Beide Geschichtsereignisse, ob sie nun aus der Feder von Cassius Dio, Cornelius Tacitus oder den unbekannten Verfassern der fränkischen Reichsannalen stammten, fügten sich hier zusammen und alle hatten sie mit verschlüsselten oder knapp gehaltenen Botschaften nicht gegeizt. Während sich die antiken Quellen mehr den sachlichen Aspekten und Abläufen der Varusschlacht widmeten, die wenigen Örtlichkeitsbezüge aber die Recherche erschweren, stand das Geschehen um die Irminsul unter dem Zeichen religiöser Verklärung, nennt dafür aber bekannte Orte und erleichtert somit das Auffinden der Stätten. Grundsätzlich tut sich der für fortschrittlich haltende Mensch schwer damit sich in Vergangenes hinein zu denken und daran war die heilige Kirche nicht unschuldig. Sie leistete dazu ihren Beitrag in dem sie sich darin verstieg den realen Kern der Geschehnisse des Jahres 772 ungut zu spiritualisieren ihn klerikal auszuschmücken, somit verfälschte und der Forschung einen Bärendienst erwies. Und bei Borlinghausen hatte man sowohl 9 + als auch 772 + die Bayreuther Festspiele nicht ins Freie verlegt, denn die einstige Szenerie war nicht bühnenreif und kein Choreograph kann sie je für uns nachstellen. Denn sie bestand beim Tot des römischen Feldherrn wohl mehr aus einer geschundenen und verdreckten Schar ermüdeter und lädierter Legionäre umringt von ebenso verwundeten und blessierten Germanen. Und auch rund 8oo Jahre später wird es nur eine lichte Anhöhe mit einem hölzernen Relikt gewesen sein, dass an diesen Tag erinnerte aber die meisten Tage des Jahres nur ein unauffälliges Dasein in Frost und Regen führte. Es war eine Landschaft in die nach kurzer turbulenzreicher Zeit schnell wieder Stille einkehrte dafür aber ein Ort der im Jahresrhythmus an fixen Tagen eine besondere Lebhaftigkeit erfahren haben dürfte und so ist Nüchternheit gefragt. Monumentales oder Heroisches darf man dort zu keiner Zeit erwarten da dies unseren Vorfahren fremd war und so müssen wir unsere Phantasien in Bescheidenheit üben. Ereignete es sich in der Region nahe Borlinghausen wo man bei der gebotenen Zurückhaltung annehmen kann, dass dort auch Varus sein Leben ausgehaucht haben könnte, dann steckte dort auch seit 9 + die Saat ruhmreicher Vergangenheit. Und derart schicksalhafte Stätten erfreuten sich immer schon der Beliebtheit, sodass die Überlebenden der damals siegenden Stämme und später deren Angehörige noch lange das Bedürfnis verspürt haben dürften die magischen Stätten aufsuchen zu wollen. Was sich daraus über die Zeiten entwickelte mag sich in Stufen vollzogen haben. In der ersten Phase waren die Besuche geprägt von der Neugier der Bewohner aus den umliegenden Siedlungen. Sie durchstöberten nach der Schlacht den frischen Boden und den letzten Winkel in der Hoffnung im Boden noch auf Wertvolles oder Verwertbares zu stoßen. Das Gelände wurde zu einem Parcour der Absonderlichkeit mit dem frühen Flair eines Gruseltourismus, denn man wollte auch noch sehen, was aus dem Bestattungshügel geworden ist, den Germanicus damals hinterließ und man wird sich die Reste davon immer wieder von allen Seiten angesehen und ihn solange angegraben haben bis er unkenntlich wurde. Die Überlebenden werden ihren Nachfahren noch gezeigt haben, wo sie sich einst mit diesem oder jenem Römer schlugen und ob es wahr oder unwahr war, war später unerheblich. Dann brach eine Zeit an in der der Ort die heidnisch geprägten Seelen mit Schaudern erfüllte, denn noch lange Zeit danach werden Skelette und Waffenreste im Unterholz zu Tage getreten sein die man zunächst übersehen hatte. Später werden sich Besinnung und Erinnerung abgewechselt haben und es wurde daraus ein Hang die Stätte des Sieges aber auch der Trauer über die eigenen Verluste regelmäßig aufsuchen zu wollen. Die Germanen wussten anfänglich noch genauso wie auch die überlebenden Römer die damals den Legionären im Jahre 15 + den Schauplatz zeigen konnten wo alles statt fand, wie es sich ereignete und wie es ihnen gelang dem Inferno zu entkommen. So kristallisierte sich langsam eine Örtlichkeit heraus die Zulauf bekam und es waren nicht nur Cherusker die mit ihren Angehörigen erschienen, sondern auch die Sippen und einstigen Kämpfer der anderen damals daran beteiligten Stämme und auch eine gewisses Interesse unter den Durchreisenden wird es gegeben haben. Die einzelnen Stadien nach Jahren bemessen zu wollen ist uns nicht vergönnt, aber der schnellen Vergessenheit wird man die Kampfstätten nicht überantwortet haben. Und ja, man muss sie ins Plural setzen, denn die Endszenarien verteilten sich flächig und der Endpunkt der Schlacht war für jeden Betroffenen ein individuelles Ereignis. Aber ungeachtet dessen gab sich der Platz zu erkennen, auf den sich die dort Lebenden besonders fixiert haben könnten. Aus einer Vielzahl von Schauplätzen wird er sich durchgesetzt haben. War es etwa da wo die Varusarmee die meisten Verluste hatte, oder die Stelle wo Arminius seine berühmte Schmährede gegen das Imperium hielt. Oder vielleicht dort wo Varus sein Leben aushauchte bzw. wo man vergeblich versuchte seinen Körper in Brand zu setzen und noch nach Ascheresten im Boden stocherte. Möglicherweise auch da, wo sich ihr Verhau artiger letzter Schutzwall befand in dem sich die Legionäre verschanzt hatten und wo sie ihre letzte Nacht verbracht hatten. Wohl weder noch, denn zur Orientierung diente vermutlich jener Hügel, den Germanicus 15 + errichtete und in dessen Erde sich die Knochen der Getöteten stapelten. Da die letzten Kämpfe im Umfeld des letzten Nachtlagers stattfanden wird sich auch in seiner Nähe der Knochenberg befunden haben. Mit Varus gemeinsam könnten noch einige Offiziere versucht haben die Flucht zu ergreifen, somit könnte sich sein Sterbeort auch in gewisser Distanz zum letzten Nachtlager befunden haben. Aber wo sich im Schwerpunkt dieser Stätten später ein zentraler Kultplatz etablierte lässt sich nur theoretisieren. So stellte sich im Stauraum vor der Egge wo sich die Endtragödie vollzog aus der gewachsenen Tradition heraus eine Örtlichkeit ein wo die "wahre" Arminiuslegende ihren Anfang genommen haben könnte. Marschlager die aus der Not heraus geboren wurden bevorzugen Anhöhen und selbst die Lage des vermutlich im Fahlenbruch befindlichen "prima Vari castra" verrät trotz widrigster Umstände so wie es Cassius Dio beschrieb noch den Versuch dafür eine erhöhte Position zu finden, was der Bruchwald allerdings nicht hergab. Befand sich das letzte Lager also in exponierter Lage wovon man aus verteidigungstaktischen Gründen ausgehen darf, konnte man es möglicherweise schon von Weitem aus sehen und dann sollte sich auch der Knochenhügel nicht weit entfernt davon befunden haben. Zwar nagten die Jahrzehnte am oberflächlich Sichtbaren aber die Örtlichkeit behielt ihre Anziehungskraft. Da der Zorn auf alles Römische fortan den Menschen in die Wiege gelegt war wurde die Bewältigung der Ereignisse zu einer Generationenaufgabe, zumal die Germanicusschlachten dazu noch ihren Beitrag geleistet hatten. So blieb das originale Geschehen zunächst solange lebendig wie man es mündlich weiter tragen konnte. Als aber die letzten Zungen verstummten die darüber noch authentisch berichten konnten setzte die Legende ein, die dann die Lücke zwischen Realität und Phantasie schloss. Aber der Ort behielt seine Magie und trieb die Menschen immer wieder an sich die Stätten der römischen Niederlage auch vor Augen führen zu wollen. Es mag eine Mischung aus allem gewesen sein, die sie bewog zu den Örtlichkeiten zu pilgern. Lassen wir auch nicht außer acht, dass auch im römischen Reich nach der Varusniederlage noch zahlreiche Menschengeschlechter heran wuchsen unter denen das Vorstellungsvermögen ebenfalls schwand, denn auch auf der anderen Rheinseite war die Zeit nicht stehen geblieben. Dort stand man zu Beginn des ersten nachchristlichen Jahrhunderts sogar erst am Anbeginn einer langen Blütezeit, auch wenn man den Wunsch fallen gelassen hatte das Imperium nach Osten auszudehnen. Rom zeigte starke Präsenz, war mächtiger den je und das Reich begann auch nicht erst am Rheinufer sondern ragte schon weit in den rechtsrheinischen Speckgürtel hinein, da wo sich einst die Siedlungen der Sugambrer befanden. Und von dort bis zur Egge war es auch kein weiter Weg. Wann sich römische Spähtrupps nach Beruhigung der Lage wieder wagten die Egge zu queren was der Stätte zu zusätzlicher Aufmerksamkeit verholfen hätte, lässt sich schwer bestimmen. Da die Lage in Ostwestfalen auch nach 16 + unruhig blieb werden römische Einheiten um das einstige Schlachtfeld einen Bogen gemacht haben. Wie in allen germanischen Stämmen im römischen Einflussgebiet erkennbar, gab es auch innerhalb des Fürstenhauses der Cherusker die zwei Fraktionen die sich pro und contra Rom gegenüber standen. So sind um das Jahr 47 + widerstreitende Interessen überliefert wobei es die Partei des Flavus Sohnes Italicus war, die mit Rom das Einvernehmen suchte. Da man aber von Kämpfen gegen die Cherusker weiß die zur gleichen Zeit unter dem römischen Feldherrn Corbulo statt fanden erinnern die Verhältnisse um Flavus an die Zeit als Segestes bei Germanicus Schutz suchte. Das schließt nicht aus, dass sich römische Verbände nicht auch in dieser Zeit dafür interessiert hätten und sich auf eigenes Risiko einmal den einstigen Schlachtenschauplatz ansehen zu wollen. Man wird sich also noch auf lange Sicht betrachtet nicht auf friedlichem Wege begegnet sein, sodass das Wort Völkerverständigung im Nethegau ein Fremdwort blieb. Als sich wieder erste Handelskontakte nach Osten aufbauten werden es wohl keine römischen Kaufleute gewesen sein die bis ins einstige Krisengebiet vorstießen. Aber ungeachtet dessen lebte man an der Egge unter einem ständigen Einfluss römischer Machtinteressen die sich wechselseitig verschoben und an der Egge hatte man mit einem Auge immer die Lage am römischen Rhein im Blick. Möchte man auf die Zeit nach Corbulo schauen, dann könnte man den Eindruck gewinnen, Rom habe nun gänzlich das Interesse an dieser Region verloren und konzentrierte sich nur noch auf die Gebiete in die man sich nach 16 + zurück gezogen hatte. Man ließ die Germanen gewähren überließ sie ihren Querelen und stellte nur noch sicher, dass sich im Osten keine neuen Gefahrenherde aufbauen konnten in dem man Observation betrieb. Rom eignete sich in Ostwestfalen nicht mehr als Feindbild, das Interesse an ihnen wurde von den Alltagssorgen überlagert und den römischen Zorn wollte keiner mehr wecken. Da wo Rom einst versagte hatten sich Stammeskonstellationen und Machtverhältnisse verschoben aber immer noch verspürte und rühmte sich jeder Stamm damit, seinen eigenen Anteil an der römischen Niederlage gehabt zu haben. Obwohl die Großschlachten des Jahres 16 + die Varusschlacht von ihrer Dimension her betrachtet in den Schatten gestellt hatten, war an der Egge immer noch der Gedanke an die einstige Eintracht und Gemeinsamkeit wach. Und er bildete auch die Grundlage und war Geburtsstätte für den gemeinsamen Widerstand in zukünftigen Zeiten. Die Stätte wurde Kultort und gewann überregionale Bedeutung. Von Jahr zu Jahr machte man sie kenntlicher und verweilte möglicherweise auch länger dort, wenn man von weiter her kam. Waren zu Beginn noch die Reste des einstigen Schlachtens gut zu sehen, so schluckte die Vegetation in den folgenden Jahrzehnten auch noch ihre letzten Reste. Dem trug man Rechnung und schuf im Laufe der Zeit Dauerhaftes um den Ort vor der Vergänglichkeit zu bewahren. Man würdigte es so wie es alle großen Kriegsschauplätze der Welt erfuhren, wie es aber immer nur die Sieger hinterließen. Da die Geschichte um die Irminsul ein umfangreiches Kapitel im Zusammenspiel mit der Varusschlacht ein nimmt wird es in diesem Internet Buch je nach Bedarf auch unterschiedlich aufgegriffen und thematisiert werden. Als der letzte Berichterstatter der Varusschlacht Cassius Dio um 235 + verstarb, muss in Rom das Gedächtnis an die Schlacht noch relativ lebendig gewesen sein und ein gewisses Interesse oder ein Wissen um die Ereignisse war noch vorhanden, sonst hätte er sich vermutlich nicht mit der Nachbearbeitung befasst. Zweifellos verzerrt und irreal hatte sich jeder in Rom so seine Vorstellung von der einstigen Niederlage gemacht und wie in Germanien, so hielten auch in Italien die Anverwandten die Erinnerungen über längere Zeit wach, vor allem jene römischen Familien die Opfer zu beklagen hatten oder über Lösegeldzahlungen mit den Germanen in Verbindung standen. Cassius Dio griff ein für abgeschlossen gehaltenes Kapitel römischer Geschichte noch mal auf und rührte vermutlich als letzter seiner antiken Zunft warum auch immer in den alten Wunden. Vielleicht weil er sich berufen fühlte erweckte er die schaurigen Ereignisse wieder zum Leben und konfrontierte die römische Gesellschaft mit seiner Darstellung. Aber die Zukunft der Irminsul sollte wechselvollen Zeiten unterliegen denn später wusste niemand mehr was für ein Sinn hinter dem "Truncus" steckte, welche Bedeutung er hatte uns was er verkörperte. In den Köpfen der Nethegauer glimmte nur noch ein diffuses Restwissen basierend auf den verschwommenen Überlieferungen ihrer längst verstorbenen Altvorderen. Überlebt hatte aber der unergründliche Wunsch diese Stätte zu erhalten, zu würdigen, sie aber keinesfalls in die Hände von Feinden fallen zu lassen. Darin, dass man noch lange im Umfeld auf Waffenreste stieß deutete man in Dergestalt, als dass es sich mit einer kriegerischen Auseinandersetzung in Verbindung bringen ließ. Wer hier kämpfte, warum und gegen wen blieb bis zur Entdeckung der Tacitus Schriften nebulös und so suchte man diese feierliche Stätte seiner selbst Willen auf. Aber eines hatte sich über die Jahrhunderte erhalten können und dies war der Name "Irminsul". Der für die Sul von der Bevölkerung in alten Zeiten festgelegte Standort blieb unverändert, aber er befand sich wenn auch nahe zum chattischen Stammesgebiet in jener Landschaft die seit jeher zum gewachsenen Territorium der Cherusker zählte, da er sich nördlich des Bördegrenzweges befand. Mögen spätere Einflusssphären und Machtverhältnisse auch darüber hinweg gegangen sein, hier verbarg sich für das Eggevolk immer ihr ureigener Identifikationsort, der ihnen das Gefühl von Gemeinsamkeit und Vertrautheit vermittelte und ihre inneren Gedankenwelten berührte. Dabei blieb es auch später noch als ihnen das konkrete Wissen über die wirkliche Bedeutung abhanden kam. Aber selbst noch nach der Einebnung durch die fränkischen Krieger wird er noch lange virtuell präsent gewesen sein. Dieser spirituelle Platz war aber gleichzeitig auch ein potenzieller und sensibler Schwachpunkt und daher auch für jeden etwaigen Gegner attraktiv und von strategischer Bedeutung, was die Franken zu nutzen wussten. Getragen von einer eingebürgerten Tradition besuchte man den Ort wie eine Weihestätte. Für die Bewohner der umliegenden Dörfer wurde der rissig gewordene Stamm zum Relikt unklarer Herkunft, den man aber immer wieder erneuerte und herrichte. Auch wenn Arminius kein Gott war, so mag er für die Menschen doch gottgleiche Bedeutung angenommen haben, was in späteren Zeiten auch zu derartigen Annahmen führte. So eignete sich die Stätte zum Zentrum für das kulturelle Leben und ließ sich gut verbinden mit göttlich überirdischer Inspiration und heidnischer Philosophie. Sie wurde zum Selbstläufer und da bedurfte es auch keines Cheruskerfürsten mehr mit Namen Arminius. Es wurde zum Gegenstand des stillen Angedenkens an etwas Großes dessen Entstehungsgeschichte sich niemanden mehr erschloss. Aber jeder wusste, dass dem ein unbeschreiblicher Wert inne wohnte der sie alle auf unsichtbare Weise miteinander verband. Es erwuchs daraus ein innerer Zwang sich für den Erhalt dieses Reliktes aus vergangenen Zeiten einzusetzen und das Bedürfnis es über die Zeiten bewahren zu wollen. Der Region wo damals alles geschah besser gesagt endete war der Status eines Kultplatz nicht mehr zu nehmen und aus dem Leben der Anwohner nicht mehr wegzudenken. Aber die Erinnerung lebte fort denn dafür sorgte inzwischen der Baumstamm dem schon die Altvorderen den Namen Irminsul gegeben hatten. Die Säule hatte in den Jahrhunderten ihre eine eigene Identität entwickelt, zwar wechselte ihre Symbolik war anpassungsfähig, wurde zum Fanal der Zusammengehörigkeit und erfüllte alle mit Stolz über einstige Taten. Und in Gefahrensituationen beschwor man in ihrer Anwesenheit den gemeinsamen Widerstandswillen. Es war Mahnmal, Gedenkstätte und Treffpunkt zugleich und entwickelte sich über die Zeiten zu einem religiösen Kraftort. Es wurde zu einer Tradition, die man im Jahre 772 mit brachialer Gewalt beendete. Es aber damit bewenden zu lassen und die Präsentation von Fakten schuldig zu bleiben wird hier nicht passieren und würde der Theorie und Vorgehensweise auch nicht gerecht werden. Bedeutsame Spuren die sich immer noch keine 2000 Meter vom Borlinghauser Schloss entfernt entdecken lassen. (01.11.2022)