Freitag, 2. Februar 2018
Arminius überzeugte Varus im Vieraugengespräch
Auf die spezifische Philosophie die hinter einem jedem Hinterhalt steckt ging ich bereits ein. Aber damit allein ist es noch nicht getan. Da ein Hinterhalt nur die Methodik der Vorbereitung, so auch eines Waffeneinsatzes beschreibt, bestehen der zweite und dritte Schritt darin sicherzustellen, dass sich der Gegner auch in der gewünschten Formation, Umfang und Zielrichtung in den besagten Hinterhalt begibt und vor allem, dass sich in diesem Hinterhalt ein zwingender Grund verbirgt, der wie hier den Marsch dahin einem Köder gleich auch rechtfertigt, also nötig und sinnvoll erscheinen lässt. In diesem Kapitel widme ich mich daher dem Zwischenschritt und gehe erst im folgenden Kapitel auf die Frage des Köders näher ein. Wie positionierte sich Arminius also in Anbetracht der häufigen Warnungen die Segestes Varus gegenüber vortrug oder geriet er gar unter einen Druck sich rechtfertigen und verteidigen zu müssen. Aus den Quellen lässt sich erschließen, dass Segestes mehr oder weniger deutlich auch Arminius der Rädelsführerschaft mit bezichtigte. Wenn Segestes Varus im Vorfeld der Ereignisse aus taktischen Gründen sogar vorschlug, man möge doch auch ihn also Segestes selbst zusammen mit anderen führenden Germanen gefangen nehmen um so sicherzustellen, dass von diesen wohl wichtigsten Personen des Cheruskerclans somit keine Gefahr mehr für Varus ausgehen könne, so dürfte er auch Arminius darin mit eingeschlossen haben, da dieser nach seiner Rückkehr inzwischen eine Führungsfunktion im Fürstenhaus inne hatte. Offensichtlich vermied Segestes es aber Arminius direkt also im Beisein von Varus bloß zu stellen ihn, mit seinem Verdacht Aug in Aug zu konfrontieren bzw. zu brüskieren. Von den Plänen der Antiromfront hatte Segestes sicherlich Kenntnis gehabt. Diese Unsicherheit erzeugende und spannungsreiche Gemengelage vor dem Abzug der Legionen wird zwangsläufig die Polarisierung bzw. Spaltung der Lager in Warner und Beschwichtiger gefördert und angeheizt haben. Arminius andererseits wird aber auch von den Intrigen des Segestes gewusst haben. Ob er an dem letzten oder mehreren heiklen Gesprächen zwischen Segestes und Varus allerdings mit teilnahm wissen wir nicht. Es hat den Anschein, als ob dies immer nur Gespräche zwischen Segestes und Varus waren, denn es ist schlecht vorstellbar, dass Arminius, wäre er dabei gewesen dies alles Kritik- und Widerspruchslos hingenommen hätte oder um es deutlicher zu sagen, es wäre sicherlich nicht bei einer lediglich verbalen Auseinandersetzung zwischen Segestes und Arminius geblieben. Segestes wird dies daher vermieden haben. Aber auch Arminius wird es verstanden haben, sich bei Varus Gehör zu verschaffen um Segestes indirekt Lügen zu strafen. So wird auch Arminius das Zwiegespräch mit Varus gesucht haben, um seine Stärken auszuspielen sich als dekorierter römischer Ritter auf Basis seiner strategisch, rationalen Gesichtspunkte darzustellen um ihn von der Richtigkeit seiner Einschätzung überzeugen zu können. Aber wie konnte seine Bewertung ausgesehen haben. Er durfte im vertraulichen Gespräch Varus gegenüber den abseits siedelnden, abtrünnigen Rebellen gegen Rom zum Beispiel auf keinen Fall eine allzu große Stärke und Kampfkraft beigemessen bzw. zugebilligt haben, denn sonst hätte sich Varus nicht der überlieferten Sorglosigkeit hingegeben bzw. sich nicht anfänglich sogar wie überliefert im tiefsten Frieden gewähnt haben. Varus durfte keinen Verdacht schöpfen, dass hier was Größeres drohen könnte, aber er sollte trotzdem dazu gebracht werden mit all seinen Kräften in den Hinterhalt aufzubrechen. Der Kontrast dazu wäre der gewesen, dass Varus bei zu kritischer Schilderung und angeratener Vorsicht, was für den germanischen Angriff zweifellos von Nachteil gewesen wäre, zu diversen Maßnahmen wie einer stärkeren Absicherung des Marschzuges, einschließlich eines robust sondierenden Vorauskommandos etc. gegriffen hätte. Im für Arminius ungünstigsten Fall hätte er seine Legionen auch aufteilen, in Alarmstellung versetzen und den Tross auch noch sicher bewacht am Hellweg zurück lassen können. Oder er wäre vielleicht auch gar nicht erst persönlich mit ins Krisengebiet aufgebrochen. Möglicherweise hätte er sogar den vermutlich auch wertvollen Tross aus Sicherheitsgründen auf schnellstem Wege und ohne Umwege den direkten Weg an die Lippe nehmen lassen und hätte ihn gar nicht mit zu den Aufrührern genommen. Denkbar ist auch noch, dass er nur eine Strafexpedition bestehend aus eventuell zwei Legionen zum Eindämmen der Unruhen entsandt haben könnte, und auch in diesem Fall, ohne selbst mit daran teil zu nehmen. Er hätte sogar bei allzu übertriebener Gefahrendarstellung durch Arminius seinen ganzen Rückmarschplan umstellen, verändern oder zeitlich verschieben oder vorziehen können und unter Umständen sogar noch vorher die zwei Legionen des Asprenas hinzu gezogen um die Aufrührer in die Zange nehmen zu können. Eine Legion hätte er dann aus taktischen Gründen auch noch außerhalb der Kampfzone als Ersatzreserve zurück behalten können, so wie es sich für einen Feldherrn gehört und man es vom Imperium in Krisensituationen gewohnt ist. Hätte Arminius die Aufsässigen allerdings als zu harmlos und zu schwach erscheinen lassen und die Niederschlagung als zu unproblematisch geschildert, hätte Varus möglicherweise nur die verbündeten Auxiliareinheiten und mit einer Reiterschwadron gesichert, mit der Beendigung eines kleineren unwesentlichen Scharmützels beauftragt und sich dafür nicht die Mühe gemacht, seinen überdimensionierten Heerwurm einen Schwenk vollziehen zu lassen. Varus sollte sich mit all seinen Kämpfern zu den Abtrünnigen in die gestellte Falle begeben und Arminius suchte den ganzen Erfolg. Arminius musste also für Varus die richtige argumentative Mischung gefunden haben, um ihn mit einer ausgewogenen und überzeugenden Darstellung das Gefahrenpotenzial in seinem Sinne plausibel zu machen. Anders ausgedrückt muss Arminius damals eine geniale Meisterleistung in Sachen Simulation und Manipulation gelungen sein. Und dazu gehörte auch, dass Arminius während der ganzen Zeit über alle seine Schritte bestens informiert gewesen sein musste und Varus keine kurzfristigen Planänderungen anordnen durfte die seine Strategie durchkreuzt und damit gefährdet hätten. Die Eitelkeit von Varus sich die Germanen, die es wagten sich gegen ihn aufzulehnen, sich einmal persönlich anzusehen und bestrafen zu wollen, mag auch mit ein Antrieb gewesen sein um den Kurs vom Hauptweg abweichend zu verändern. Die Legionen unter Varus zogen im Herbst 9 + wie es auch schon in den Jahren 7 + und 8 + bzw. im Frühjahr 9 + also insgesamt 5 mal praktiziert wurde, jeweils problemlos im Herbst und Frühjahr über den allen bekannten Weg hin und zurück, das wusste jeder Germane. Denn der Weg vom Sommerlager zur Lippe und zurück war kein Geheimnis. Bislang verliefen die Märsche reibungslos und warnende Stimmen gab es in den Vorjahren nicht. Varus hatte in den drei Jahren bzw. den jeweiligen Sommermonaten an der Weser bereits sichtbare Strukturen hinterlassen, denn seine Legionäre waren nicht untätig, die er sich nicht mehr kaputt machen lassen wollte. Aber im Herbst 9 + sah er sich nun erstmals genötigt Entscheidungsreife zu zeigen um unter allen Umständen klare Verhältnisse an der Weser zu hinterlassen. Über die Wintermonate seiner Abwesenheit durfte in Ostwestfalen definitiv nichts anbrennen bzw. sich etwas substanziell Kritisches zusammen brauen, was sich bis zum Jahre 10 + hätte verschärfen und aufschaukeln können. Er musste unbedingt noch einmal gegenüber allen ein Exempel statuieren, Handlungsfähigkeit demonstrieren und sah sich daher förmlich gezwungen diesen Exkurs mit einzubauen. Der Umweg war für ihn daher im vollen Umfang „Alternativlos“ wie man heute sagen würde und auch selbst dann, wenn er ihn in seinem Inneren als unbedeutend eingestuft hatte. Zudem musste er unterstreichen, wer Herr im Lande war und wer Recht sprach nämlich er, der Statthalter und sonst niemand und so kam ihm die kleine Revolte vielleicht sogar noch gelegen, um sich Respekt zu verschaffen und um im nächsten Jahr auf eine umso friedlichere, gezähmte und willigere Bevölkerung zu stoßen. Nachdem ich in einem voraus gegangenen Kapitel die römische Hauptverkehrsader von Corvey nach Anreppen über die diversen Ausschlusskriterien und historischen Hinweise definiert habe und in diesem Zusammenhang über die Radiusmethode auch die Regionen ausgeschlossen habe, in denen der Hinterhalt nicht gelegen haben kann, nämlich nördlich der später Hellweg genannten Ost/West verlaufenden Verkehrsverbindung von Höxter nach Paderborn bzw. östlich der Weser verbleibt nur noch die Region die südlich des Hellweges lag. Eine abseitige Landschaft zwischen Egge und Weser die größtenteils von der Nethe entwässert wird und die bei Brakel ihre Richtung nach Osten ändert. Diese Landschaft wird nach Süden hin Warburger Börde bezeichnet und in dieser Region könnten sich die Ereignisse in groben Umrissen wie Arminius sie Varus gegenüber vorspielte hoch geschaukelt haben. Für diesen Teil Ostwestfalens sprechen zahlreiche Hinweise auf die ich im Verlauf meiner weiteren Überlegungen noch näher eingehen werde. Varus kannte die Gegend aus den Darstellungen seiner Ortskundigen und er wollte diese Region neben den strategischen Gesichtspunkten möglicherweise auch wegen der guten Böden ab dem Jahre 10 + sowieso stärker in seinen Machtbereich einverleiben und integrieren um nach und nach ganz Germanien aber zuerst von Corvey nach Süden schrittweise zu provinzialisieren und zwar solange bis das Land lückenlos Rom unterstand und alle rechtsfreien Räume beseitigt waren. Insbesondere die weiten Landstriche die zwischen den Cheruskern und den Chatten lagen galt es zu überbrücken und zu kontrollieren um die Klammerzange nach Süden hin in Richtung Eder und Hedemünden zu schließen. Die Anzahl der römischen Legionen ließ sich nicht mehr endlos aufstocken und die Erschließung Germaniens musste anders als Cäsar es noch in Gallien vollzog insgesamt langsamer angegangen werden, da die Räume ab Germanien nach Norden und Osten immer größer wurden und nahezu endlos erschienen. Corvey war der von ihm auserwählte Anker römischer Expansionspolitik im befreundeten Cheruskerland und somit der vorerst östlichste Fixpunkt dieser Strategie. Erst wenn die Landmasse zwischen Lippe, Weser und Main komplett eingegliedert und befriedet war, konnte man sich auch für die weniger wirtschaftlich ergiebigen Gebiete im Norden und bis zur Elbe interessieren. Und erst dann standen auch die bedeutsamen Erzregionen im und jenseits des Harzes, im Thüringer Becken und darüber hinaus im Focus um sich ihnen verstärkter widmen zu können, Regionen die den römischen Prospektoren schon nicht mehr unbekannt waren. Arminius wird den vorgetäuschten Aufstand rhetorisch und theatralisch verharmlost und so dargestellt haben, dass Varus letztlich immer in dem Glauben blieb, ihn sozusagen im Vorbeigehen aus dem Weg räumen zu können. In diesem Szenario ließe sich auch ein Grund für seine Unvorsichtigkeit sehen und dies würde auch zu den Überlieferungen passen, wie uns der Mensch Varus beschrieben wurde. Augustus hatte sich wohl für einen diesen Aufgaben gegenüber nicht gewachsenen Statthalter entschieden, dem das nötige Fingerspitzengefühl fehlte. Man verschätzte sich aber allgemein nach den erfolgreichen Eroberungszügen und Kriegen im milden und bereits zivilisatorisch weiter entwickelten Mittelmeerraum, dort wo die Mentalität eine völlig andere war und die Uhren anders schlugen, als im kühleren Barbaricum. (zuletzt bearbeitet - 01.02.2018 - 23:05 Uhr)

... link