Samstag, 2. März 2019
Marbod ein unberechenbarer Taktiker - Gaius Suetonius Tranquillus sah es wie Gaius Velleius Paterculus - Die Welt war schon vor 2000 Jahren ein Dorf
Für das römische Imperium war der Krieg Alltag. Irgendwo musste es in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende immer die Schwerter schwingen, sei es gegen die Punier, die Kelten oder die Teutonen. Aber nach der Eroberung Galliens durch Cäsar begann Rom seine Fühler auch in den Osten tief nach Germanien auszustrecken. Fasst zeitgleich mit dem Jahr Null hatte Rom die Voraussetzungen geschaffen nun auch Germanien einzuverleiben. Aber dann wurde dem Imperium in relativ kurzer Zeit das Zepter streitig gemacht. Eigentlich waren es nur drei große Ereignisse die den Wechsel einleiteten und die ausreichten um zwischen dem Jahr 6 + und dem Jahr 9 + Rom bis ins Mark zum Beben zu bringen. Eine kritische Phase die auch über die Zukunft des Imperiums in Germanien mit entscheiden sollte. Im folgenden Abschnitt möchte ich diese Phase einer zusammenfassenden Betrachtung unterziehen, da man ihre unterschiedlichen Verläufe und Ursachen nur im Kontext versteht und nicht getrennt voneinander behandeln darf. Der Historiker Sueton steuert dazu einen interessanten Impuls bei den ich hier aufgreifen möchte. Rechnet man nun zu diesen drei zentralen Großereignissen auch noch jene Feldzüge des „Immensum Bellum“ hinzu, der von 1 + bis 5 + andauerte, sowie die Germanicus Feldzüge der Jahre 14 + bis 16 +, so war unverkennbar, welcher Widerstandswille dem Römischen Reich in den nur 15 Jahren an der östlichen Front entgegen schlug. Im Kern dieser 15 Schlachten - Jahre liegen der besagte „Ruptum Expeditio Boiohaemum“ 6 +, also der abrupt abgebrochene Markomannen Feldzug der gewaltige „Bellum Batonianum“ 6 + bis 9 + also der große Aufstand in Pannonien und Dalmatien und die „Clades Variana“ 9 +, also die Varusschlacht. Aus den Zeilen von Gaius Suetonius Tranquillus kurz Sueton genannt lesen wir unschwer heraus, dass für die Menschen der damaligen Zeit die in unmittelbarer Berührung zu den Geschehnissen standen, schon alles nach einem groß germanisch, illyrischen Komplott aussah. Wann Sueton es ausformulierte, er lebte etwa von 70 + bis 122 + ist nicht bekannt, aber seine „De vita Caesarum“ soll nach 120 + erschienen sein. Gehen wir davon aus, dass er es in seinen letzten Lebensjahren nieder schrieb, so trennten ihn vom Jahr 6 + bereits über 1oo Jahre. Unter der Lupe der Chronisten erscheint uns so, als ob Varus darin nur die Rolle einer Marionette innerhalb einer ereignisreichen Epoche übernahm. Ihn manövrierten die Umstände seiner Zeit in eine recht ungünstige Position, wie er sie nicht erwartet hatte, als vermutlich Kaiser Augustus ihn vordem zum Statthalter in Germanien ernannte. Die neue Lage zwang ihn dazu die Jahre 6 + bis einschließlich 8 + wegen der Abwesenheit großer Teile seiner Kampfverbände nur mit halber Kraft seinen Aufgaben nach kommen zu können und so er sah sich genötigt, sie mehr schlecht als recht überbrücken zu müssen. Ich hatte diese für ihn heikle Phase mit einer meines Erachtens fundierten Theorie begründet. Denn aufgrund dieser Vorgeschichte musste und konnte er im Jahr 9 + auch nur jene Legionen in die Mehrtagesgefechte mit Arminius führen, die bedingt durch die voraus gegangenen militärischen Ausfälle nicht mehr über ihre volle Kampfkraft verfügten. Denn sie kehrten letztlich geschwächt, nicht vollständig und somit angeschlagen aus dem „Bellum Batonianum“, dem pannonischen Aufstand  an den Rhein bzw. an die Weser zurück. Auf die besondere Brisanz seiner Lage schon vor der Varusschlacht wies uns noch vor Sueton auch schon ein Zeitgenosse von Varus hin, nämlich der römische Offizier Velleius Paterculus, indem er das damals allgemein vorherrschende Misstrauen gegenüber Marbod zum Ausdruck brachte. Das man nämlich Marbod bereits vor dem Feldzug gegen ihn zutrauen musste, dass dieser sogar in Germanien, dem Noricum oder Pannonien einfallen könnte. Aber war dies von Paterculus nur eine rechtfertigende Zweckbehauptung um das Vorgehen von Tiberius, der uns manchmal wie sein persönliches Idol erscheint, im Zuge des „Expeditio Boiohaemum“ nachträglich zu legitimieren und damit seine Einzelmeinung, oder ließe sie sich auch noch anderweitig stützen. Marbods Unberechenbarkeit, dass dieser möglicherweise nach dem „Ruptum Expeditio“ dem abgebrochenen Feldzug nun vielleicht sogar unerwartet und erstarkt auch irgendwo in Germanien einfallen und möglicherweise auch zu einer Bedrohung für Varus werden könnte, passte daher gut in die Zeit und war vermutlich aus damaliger Sicht sogar für die Menschen nachvollziehbar und damit glaubwürdig. Da Paterculus und Marbod zur gleichen Zeit lebten, könnten bzw. dürften sie sich gekannt haben. Marbod war demnach für Paterculus kein unbeschriebenes Blatt. Bevor ich auf die Worte von Gaius Suetonius Tranquillus eingehe, noch ein anderer Aspekt. Denn man kann aus alledem auch einen anderen Schluss ziehen. Nämlich den, wie nahe sich doch damals die geographischen Räume standen. In einer trägen Welt in der Ochsenkarren die Transporte übernahmen, in der die Wasserwege durch die Schiffbarkeit der Flüsse limitiert und in der Pferd, Esel und Maultier die wichtigsten Fortbewegungsmittel waren scheint dies für uns heute unvorstellbar zu sein. Ähnlich so, wie ich es mit einer Abstandssimulation von Nordböhmen nach Ostwestfalen tat, die uns die Entfernungen überschaubarer machen sollte. Schnelle Römische Meldereiter ließen die Distanzen zusammen rücken und auch der „Drususritt“ von Tiberius zeugt von den raumgreifenden Möglichkeiten der Zeit. Die damalige Welt war zwar kein Dorf, aber die Interessensphären waren unerwartet eng mit einander verflochten. Aber zurück zum Thema. Denn der berühmte antike Schriftsteller Sueton, übrigens ein Zeitgenosse von Tacitus rückt nun ein weiteres Faktum ins Blickfeld der germanischen Kräfteverhältnisse jener Zeit. Denn er setzte der Überlieferung von Velleius Paterculus, einer in den Raum gestellten latenten Gefahr die von Marbod ausging, noch eines drauf, in dem er den „Bellum Batonianum“ also den Pannonien Aufstand unter ihren beiden Anführern gleichen Namens, nämlich Bato, noch mit in den sich von Westfalen bis ans Mittelmeer erstreckenden Konflikt trächtigen Gefahrenraum einbezieht. Von Oberbosnien, wo man ein Zentrum des „Bellum Batonianum“  sieht bis Ostwestfalen sind es rund 1000 Kilometer Luftlinie. Wir sprechen somit alles in allem schon über einen gewaltigen Frontabschnitt, den die römischen Machthaber nur 50 Jahre nach der Ermordung von Cäsar nicht vernachlässigen durften. Der aufkommende Verdacht Marbod könnte sogar noch selbst mit an den Stellschrauben des Pannonien Aufstandes gedreht, ihn also mit inszeniert, beeinflusst oder gar ausgelöst haben, lässt alle Germanenkriege in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Zeitenwende vor einem ganz anderen Licht erscheinen. Man könnte den Eindruck bekommen, dass diese drei ineinander greifenden römischen Offensiven der Jahre 6 + bis 9 + wobei es in einem Fall nur zu einem Aufmarsch artigen Manöver kam, zumindest dem weströmischen Reich schon Jahrhunderte vor deren zeitgeschichtlichem Ende das große Stoppschild vor allen weiteren Ostexpansionen aufstellte. Nicht umsonst nannte Sueton den Pannonien Aufstand den schwersten aller auswärtigen Kriege seit den Punischen. Wäre es dem Imperium wie viele Historiker vermuten in dieser Zeit sogar gelungen, die Elbe als ihre vorgeschobene Ostgrenze zu festigen und zu behaupten, wären die zurück gedrängten und östlich der Elbe eingepferchten germanischen Völker in ihren eingeschränkten Siedlungsgebieten vermutlich schon früher gegen Rom aufgestanden. Zwei Grenzen gleich stark zu bewachen und zu stabilisieren ist ein Unding und so hätte das Imperium zwangsläufig die Rheingrenze vernachlässigen müssen. Einem germanischen Ansturm hätte die Rheingrenze dann nichts mehr entgegen zu setzen gehabt. Der immense Frontabschnitt im II. Weltkrieg quer durch Russland bezeugt, dass man auch noch Jahrhunderte später am eigenen Größenwahn scheitern konnte. Was meiner gedanklichen Richtung Nahrung gibt, wie wenig sich doch unsere heutige Denkweise von der der Altvorderen unterscheidet bzw. seit dem offensichtlich unverändert blieb. Mit der weisen Entscheidung von Kaiser und nun nicht mehr Feldherr Tiberius im Jahre 16 + könnte es ihm sogar gelungen sein, die römische Präsenz auf heutigem deutschem Boden noch verlängert zu haben. Somit konnte er auch der später einsetzenden Völkerwanderung unbeabsichtigt etwas die Dynamik genommen haben, da er den Germanen zwischen Rhein und Elbe einen größeren Pufferstreifen einräumte. Aber in diesem Kapitel möchte ich versuchen, den interessierten Lesern noch die rationalen Bestandteile im Denken unserer Altvorderen näher zu bringen, so wie sie uns Sueton in Erinnerung gerufen bzw. hinterlassen hat. Denn damals wie heute bestimmte schon der Geist das Handeln und persönliche, also individuelle Erfahrungsschätze nahmen darin immer einen breiten Raum ein. Arminius und all den anderen erging es da nicht anders. Aber nicht nur den dadurch ausgelösten Denkprozessen die sich in den Köpfen derer vollzogen, die damals im weiten Vor – und Umfeld der Varusschlacht die Geschicke der Zeit lenkten auf die Spur zu kommen erfordert ein großes Einfühlungsvermögen an unsere heutigen Generationen. So sollten wir ein Gespür für ihr fortschrittliches und räumlich dimensionales Denken entwickeln, ob es nun um das Überwinden von Distanzen in Mitteleuropa geht, oder andere damit verbundene und für uns heutzutage schier unvorstellbare Leistungen der antiken Bevölkerung. Trotz waghalsiger topographischer Herausforderungen waren die Landmassen Mitteleuropas für die Menschen der Zeit Überschau - und kalkulierbar gewesen. Das die Lage und Ausdehnung der Alpen oder der Verlauf der großen in die Nordsee mündenden Flüsse auch früher schon kein Geheimnis war ist nachvollziehbar. Und wo ein Ptolemäus schon Koordinate vergab, war man weiter als man sich heute eingestehen möchte. Aber wie stand es um den Richtungssinn und das geographische Wissen über unsere weiträumigen und endlos erscheinenden Mittelgebirgslandschaften. Bewaldete Höhenrücken wo man hinschaute, samt Tälern und meist unbewohnt, die auf den ersten Blick und aus großer Distanz alle gleich aussahen und die damals noch keinen Fernmeldeturm trugen, was sie kenntlicher gemacht hätte. Dazwischen die germanischen Siedlungskammern in denen man die Menschen willfährig machen und auf das römisch provinzielle Leben einstimmen wollte. Berge wie der zentral gelegene Feldberg im Taunus, der Harz oder das Massiv des Donnersberges bei Kirchheim - Bolanden waren dabei elementar wichtig, da man sie schon aus vielen Kilometern richtungsweisend vorfand und sie den „Vorwärtsstrategen“ in den Reihen der römischen Legionärskommandeure bei der Verortung und Errechnung der Tagesetappen sowie der Marschstrecke halfen. Schauen wir in die alten Zeiten zurück müssen wir uns, obwohl es schwer verdaulich klingt, von manchen in den Jahrhunderten nach der Entdeckung der Tacitus Schriften gewachsenen Illusionen lösen und uns frei machen von falschen Gedankengängen und Abschied nehmen von verzerrten Vorstellungen. Denn die genaue Analyse der antiken Schriften ist immer für Überraschungen gut, schickt uns nur auf den ersten Blick auf andere Wege gestattet uns aber viele Interpretationen aus den verborgenen Welten zwischen den Zeilen. Wenn aber die Zeiten nicht so waren wie wir sie uns heute vorstellen, wie waren sie dann. Die Vergangenheit gewährt uns nur wenige Blicke hinter ihre Kulissen noch dazu vor 2000 Jahren und lässt sich kaum mehr in ihre vergilbten Karten schauen. Aber was wir noch haben, ob in schriftlicher Form oder als Fund, dem gehen wir nach. Sie verbergen auch noch eine Vielzahl von Anhaltspunkte die es wert sind, dass man sie sich auch vor dem Hintergrund immer wieder neuer Theorien näher ansieht. Denn es gibt noch einige Schleier, die wegzuziehen es sich lohnen könnte. Ich denke nicht, dass wir nur wortlos vor einem Abgrund stehen, der sich vor unseren Füßen auf tut um uns dann einen Blick in eine andere unbekannte Welt voll finsterer Gräueltaten frei zu geben. Es erscheint aber manchmal so, als ob es den frühen Historikern einen Genuss bereitet hätte uns, der Nachwelt nur die grässlichsten Dinge des menschlichen Zusammenlebens in schriftlich konservierter Form hinter lassen zu wollen und den Rest bzw. die passende Ausschmückung dazu haben die nachfolgenden Generationen dann gerne selbst übernommen. Denn so wenig wie wir uns in die Wesenszüge unserer Vorfahren hinein denken können, so rätselhaft standen die Menschen vor 2000 Jahren vor der Frage wie sich die Welt ohne sie weiter entwickeln würde. Man labte und ergötzte sich besonders in nach römischer Zeit um so mehr an allem, je blutrünstiger es sich darstellen ließ. Ein gutes Beispiel sind die ersten Begegnungen und das Aufeinandertreffen mit den hunnischen Steppenvölkern die anders verlaufen sein könnten, als man es uns später weis machen wollte. Die wenigen positiven Begebenheiten müssen wir darin mühsam aufspüren. Denn wären die Zeiten und die Menschheit damals so grausam gewesen wie oft geschildert, gäbe es uns dann heute überhaupt. Das die antiken Schriftsteller und Zeitzeugen ihre Texte im Gegensatz zur frühmittelalterlichen Klosterliteratur in einem nüchtern, sachlichen und klaren Stil abfassten, den wir in den früh christlichen Zeiten vermissen, sollte uns zu denken geben. Denn einiges spricht dafür, dass viele kulturelle Strömungen in der römisch heidnischen Zeit verständlicher formuliert und fortschrittlicher dargestellt wurden, als in der Folgezeit. Sicherlich lag es ab dem 6. Jahrhundert im Interesse des Katholizismus den Blick in die Vergangenheit übel zu beschreiben um dadurch das Positive des anbrechenden religiösen Zeitalters besser heraus stellen zu können. Das Ende des römischen Imperiums sollte nahtlos ins göttliche übergehen und da galt es besonders die Kontraste zu schärfen. Das Leiden der frühen Märtyrer, die blutgetränkten Kämpfe der Gladiatoren, der elende Handel mit den Sklaven beherrschen unsere Vorstellungen und prägen a` la „Ben Hur“ oder „Quo Vadis“ unser unterhaltsames Bild von der alten Zeit noch bis heute. Es war in den damaligen Jahrhunderten sicherlich allgegenwärtig, aber wie hoch und bedeutsam war letztlich ihr tatsächlicher Anteil am normal/realen und dörflich römischen Alltagsleben. Ich bin eher davon überzeugt, dass es abgesehen von zweifellos schwierigen Lebensbedingungen die in verschiedenen Epochen der Zeitgeschichte in den letzten 2000 Jahren die Menschheit in Mitteleuropa heim suchten die Medaille besonders zu Zeiten des römischen Imperiums auch eine zweite Seite hatte. Immer wieder erfahren wir und es erstaunt uns, wie sorgsam man im Imperium den Lebensmittelnachschub sicherstellte und garantierte. Verknappung oder Hungerrevolten begegnete man schon im Frühstadium, Getreide wurde bevorratet, Horrea die Lagerhäuser jener Zeit existierten im ganzen Reich und die Notwendigkeit einer funktionierenden Versorgungslage stand über allem. Auch der Begriff „ Brot und Spiele“ bringt es zum Ausdruck. Und auch in den germanischen Gefilden wusste man Engpässe zu vermeiden, aber Missernten blieben unvorhersehbar und kaum beherrschbar. Ungeachtet dessen war man bewandert und auch schon lange vor der "Tabula Peutingeriana" kannte man das keltische und noch ältere Straßengeflecht Mitteleuropas, nutzte es und man höre und staune, denn man kam auch damals schon am gesteckten Ziel an. In den voraus gegangenen Abschnitten hatte ich mehrfach großen Wert auf die Feststellung gelegt, dass der geopolitische Großraum, den die damals agierenden Personen auf römischer Seite in militärstrategischer Hinsicht unter Kontrolle zu halten hatten, wenn sie die Grenzen des Imperium ausdehnen wollten immense war, ihnen aber auch keine Angst machte, zumindest solange sie keine „übergroße Frau“ zur Umkehr ermunterte. Und vor dem trügerischen Jahr 9 + musste und konnte man in Rom auch noch davon ausgehen, dass sich der Fahrplan für neue Eroberungen einhalten ließ. Denn um diese Zeit soll sich das römische Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht befunden haben und es strotzte vor Stolz und Gigantismus, obwohl bereits in diesen Tagen dunkle Wolken aufzogen, genau genommen die römische Expansion schon dabei war einzufrieren. Das schon das Jahr 16 + allen weiteren römischen Expansionswünschen ein Ende setzen würde konnte nur noch niemand vorher sehen und keiner wusste oder konnte es ahnen. Denn zumindest im Osten Germaniens hatte das Imperium ab dieser Zeit im Gegensatz zum weiterhin florierenden freien Warenverkehr ihre militärische Zukunft verspielt. Als Tacitus und Sueton darüber leicht zeitversetzt schrieben, war dies alles bereits zur Realität geworden und man wusste die voraus schauende Entscheidung von Tiberius im Jahre 16 + historisch einzuordnen und zu bewerten. Und beide berichteten rückblickend über das, was der damaligen Faktenlage entsprach bis sie dann 117 + bzw. 122 + selbst verschieden. Der Status quo resultierend aus den letztlich erfolgreichen germanischen Widerstandskämpfen der Jahre 9 + bis 16 + hielt lange. Kriege oder größere Schlachten zwischen Römern und Germanen in Ostwestfalen, Niedersachsen oder Thüringen sind bis zum Ende des Imperiums also östlich von Höxter historisch nicht mehr belegt. Erst das Harzhorn Ereignis im 3. Jahrhundert, dass sich vermutlich zwischen 228 + und 240 + ereignete und fasst genau 50 Kilometer östlich von Höxter statt fand, verblüffte wieder die Forschung. Epochal betrachtet voll zog es sich aber bereits in einer neuen Zeit. Der Zeit zwischen dem Jahre 16 + und den folgenden Jahrzehnten habe ich eigene Kapitel gewidmet. Aber rund 160 Jahre nach der Varusschlacht und mit Beginn der Markomannen Kriege die man nicht mit dem abgebrochenen Markomannen Feldzug des Tiberius im Jahre 6 + verwechseln darf bzw. nicht mit ihm in Verbindung steht, schienen sich die germanischen Angriffsstrategien verborgen und geradezu versteckt hinter dem Harz vollzogen zu haben. Von hier aus bedrohten die Germanen später den Limes und fielen sogar in Norditalien ein. Gleich einer burgundischen Pforte erstreckte sich zwischen Harz und Elbe ein verdeckt liegendes Aufmarschgebiet aus den mitteldeutschen Siedlungsräumen für jene nicht mehr abreißen wollenden germanischen Angriffswellen gegen das Imperium noch vor Beginn der Völkerwanderung. Bis hierhin wagten sich auch keine römischen Legionen mehr vor und Ostwestfalen bzw. Südniedersachsen war eher peripher über den Korridor am östlichen Rande im Leinetal tangiert. Aber zurück zu den Geschehnissen um die abrupt beendete militärische Expedition des Tiberius nach Böhmen. Ich hatte die These vertreten, dass der abgebrochene Feldzug Marbod wieder zum starken Mann in Germanien machte. Varus hatte nach dem „Immensum Bellum“ einige seiner Legionen auf Weisung aus Rom erst für für den Marbod Feldzug, dann für das „Bellum Batonianum“ Abenteuer, also den Pannonien Aufstand  abtreten müssen, was ihn in den Anfangsjahren seiner Zeit als Statthalter schwächte und ihn in seinen Planungen zurück warf. Die Unberechenbarkeit von Marbod die aus den Schriften des Zeitzeugen Paterculus spricht, bietet Basis und Anhaltspunkt dafür, dass sich Varus in Ostwestfalen in diesen kritischen Jahren in äußerst unangenehmer Mission befand. Tacitus der den Ereignissen um den Markomannen Feldzug zeitlich noch recht nahe stand, denn zwischen dem Tod von Marbod 37 + und seiner Geburt 58 + verstrichen nur 21 Jahre, konnte sich sowohl über Marbod als auch Arminius ein Urteil erlauben. Für Tacitus war Arminius der 21 + verstorben sein soll, bekanntlich der freiheitsliebende und unerschütterliche Held und Marbod der 37 + starb der Tyrann. Obwohl die Geste von Marbod in dem er den Kopf des Varus ausschlug und an den Kaiser weiter leitete ihn wie romfreundlich erscheinen lässt, war das allgemeine Misstrauen gegen Marbod in den damaligen Zeiten offensichtlich so stark verbreitet, dass man es ihm, wie Tacitus berichtete, nicht positiv anrechnen wollte. Marbod war und blieb auch noch zu den Zeiten des Tacitus das, was er in den Augen aller immer war, der unberechenbare und verschlagene Germanenkönig. Kommt man nun zurück auf die geopolitische Vernetzung jener Zeit, so kommt man nicht umhin die Verbindungslinien zwischen den Regionen Ostwestfalen, Böhmen und Pannonien - Dalmatien zu schlagen. Der Schriftsteller Gaius Suetonius Tranquillus kurz Sueton genannt, ein Zeitgenosse von Tacitus, der sicherlich seine Meinung über Arminius und Marbod kannte, bringt nun zusätzlich Licht ins Dunkle. Er verdeutlicht uns dieses uralte Geflecht in seinem Werk „De vita Caesarum“ über den römischen Kaiser Tiberius. Unmissverständlich spricht er dem Cäsar Tiberius sein Lob für den großen Sieg in Pannonien aus. Einen Sieg, den er gerade im richtigen Moment errang, als Varus fasst zur gleichen Zeit in Ostwestfalen drei römische Legionen verlor. Es muss in der damaligen Zeit wie ein Gottesurteil gewirkt haben, dass Sieg und Niederlage so eng bei einander liegen konnten. Es hatte aber auch dazu geführt, dass Marbod seine Strategie nun komplett überdenken musste. Aber Sueton ging sogar noch einen großen Schritt weiter. Denn während Paterculus der allgemeinen Skepsis gegenüber Marbod Ausdruck verlieh, wurde Sueton noch deutlicher. Auch er stellte fest, das im Falle eines Sieges der pannonischen Aufständischen kein Mensch daran gezweifelt habe und es jeder prophezeit hätte, dass die siegreichen Germanen nun nichts anderes zu tun gehabt hätten, als sich mit den Pannoniern zu verbünden um dann gemeinsam gegen das Imperium zu kämpfen. Man kann daraus auch ohne sich groß anstrengen zu müssen ableiten, wie die römische Welt, die aktuelle Tagespolitik seinerzeit mit verfolgt haben muss. Man sah also im Falle einer römischen Niederlage in Illyrien eine gewaltige Germanenfront auf das Imperium zu rollen, dem man keinen Einhalt mehr hätte gebieten können. Der Untergang des Abendlandes, pardon des römischen Weltreiches wäre damit nach Ansicht vieler im Falle einer Niederlage in Pannonien besiegelt gewesen. Diesen Ansturm hätte man wohl südlich der Alpen nicht mehr abfangen können bzw. ihm nichts mehr entgegen zu setzen gehabt, zumal bereits alle möglichen und zur Verfügung stehenden Legionen für Pannonien ausgehoben waren. Restliche in Nordgermanien stationierte Legionen wären möglicherweise in ihren Garnisonen angegriffen worden und das römische Imperium könnte bereits im Jahre 6 + Geschichte gewesen sein. Wenn, ja wenn es denn Tiberius nicht gelungen wäre, das Feuer im pannonischen Krisenherd zu löschen was ihm gelang. Die bedrohliche Phalanx eines geeinten Germanien herauf zu beschwören entsprach also dem damaligen Zeitgeist, den uns Sueton beschrieb. Später zu Zeiten der Völkerwanderungen sollten schon einzelne germanische Stämme reichen, um das Imperium auszuhebeln. Und daran, das sich dann an dieser möglicherweise „vor“ völkerwanderungszeitlichen Germanenschwemme über das Kernland Italien auch Marbod und andere germanische Stämme mit beteiligt hätten bzw. mit gemeint waren, dürfte wohl in diesen Krisenzeiten außer Frage gestanden haben. Nach Paterculus schriftlichen Werken zu urteilen, den sowohl Tacitus als auch Sueton nicht mehr erlebten, da er vor ihnen verstarb waren es neben ihm auch Tacitus und Sueton, die den Teufel marbod`scher Gefahr an die Wand malten. Sueton erwähnt im Gegensatz zu Paterculus zwar Marbod nicht namentlich, aber sein Hinweis auf die germanische Gesamtgefahr dürfte insbesondere Marbod, dem vermutlich der nächste römische Feldzug gegolten bzw. ins Haus gestanden hätte, bzw. der ihn zu fürchten hatte mit eingeschlossen haben. Wenn man von römischer Seite möglicherweise in Marbod eine Schlüsselfigur in der Inszenierung des Pannonien Aufstandes gesehen haben sollte, was sich jedoch auch damals nicht beweisen ließ, so tat Marbod natürlich gut daran den Erfolg des Arminius 9 + klein zu reden und auch das Angebot des Varus Kopfes für eine Germanenallianz abzulehnen. Rom hatte wieder Kraft und hätte ihm eine Annäherung an die Cherusker Arminen nicht verziehen. Die germanische Entscheidungsschlacht 8 Jahre nach der Varusschlacht in der Marbod unterlag könnte man auch völlig losgelöst von den Ereignissen um sie betrachten. Denn in diesen 8 Jahren ist viel passiert. So hätte Arminius mit seiner Teilnahme am Markomannen Krieg auf Seiten der Elbgermanen auch die Unterstützung der Semnonen und Langobarden  gegen Germanicus gut gemacht haben können. Sueton ein langjähriger Zeitgenosse von Tacitus beschrieb die Stimmung im Lande und auch er wusste indirekt und naturgemäß um die Gefahr, die damals sowohl vor und erst recht auch nach dem Pannonienaufstand von Marbod ausging. Ob Marbod sogar selbst Drahtzieher des Pannonien Aufstandes war klingt da gar nicht so weit her geholt. Denn derartige Zufälle um vorzeitig abgebrochene Feldzüge wären in der Historie die Seltenheit. Sueton starb 126 + und Tacitus 117 +. Beide verfügten zu Lebzeiten über ein umfassendes Weltbild, sowohl was die politischen Verhältnisse, als auch was das Wissen um Geographie und Distanzen anbelangt. Beide konnten dem Gegner im nach hinein gut in die Karten schauen, verfügten über Literatur und könnten oder konnten fasst sogar noch Zeitzeugen befragt haben die mit Marbod in Ravenna Kontakt hatten und sie kannten sich in den Ränkespielen der großen Politik aus. Während Pannonien in Schutt und Asche versank, Marbod sich gegenüber Varus nach 6 + dann doch bedeckt hielt, fiel im Teutoburgiensi saltu 9 + die Entscheidung und damit der erste Dominostein gegen Rom. Die Kette reißt bekanntlich am schwächsten Glied und das saß an einer Stelle, wo das Imperium es nicht erwartet hatte, nämlich in Ostwestfalen. Für mich ist diese Abfolge der Theorien aber in soweit schlüssig, als dass sich die Fühler von Macht und Einfluss des Markomannen König Marbod bis nach Ostwestfalen erstreckten, sich drei antike Schriftsteller in der Gefahrenbeschreibung über Marbod einig waren und Varus am Tropf damaliger Geopolitik in keiner beneidenswerten Position war. In einer derartigen Lage am Vorabend der Varusschlacht kluge Besonnenheit und die richtige Reaktion zu zeigen, war für ihn nicht einfach und weckt sogar etwas Verständnis und Mitgefühl für seine Funktion in römischen Diensten am Rande der damaligen Zivilisation.(1.3.2019)

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