Mittwoch, 16. Oktober 2024
Segimer - Nur die Germanen wussten seine Leistungen zu würdigen.
Was man den römischen Quellen über den Vater von Arminius entnehmen kann ist mehr als bescheiden und da sich im Imperium die Überzeugung durchgesetzt hatte, dass Arminius ihr Hauptgegner und Widersacher war gingen seine Verdienste um die Befreiung Germaniens unter und er fiel durch den Rost antiker Geschichtsschreibung. Das aber unsere Ahnen ihm den Großteil des Sieges über Varus zu verdanken haben wird nicht nur durch seine gehobene Stellung die er als Fürst der Cherusker inne hatte deutlich. So hatte er damals der Entsendung seiner beiden Söhne in die römische Armee zugestimmt und ist damit einen großen Schritt auf das Imperium zugegangen. Eine Entscheidung die dazu führte, dass der Jüngere dem römischen Militär bis zuletzt die Treue hielt, während dem Älteren in der Nachfolge und Verantwortung seines Vaters die Funktion des Stammesfürsten nicht nur zuwuchs, sondern auch zustand und was in der Regel Rivalitäten entstehen lässt. Und wenn die Gleichung stimmt, dann ging auch Segimer als Sigmund in die germanische Geschichte ein und sein Vater war Wölsung der schon vor ihm erkannte, was sich unter Cäsar am Rhein zusammen braute. Wölsung war der germanischen Genealogie folgend der Sohn von Rerir der über Hunaland herrschte. Dahinter verbirgt sich vermutlich die Großregion der norddeutschen Hünengräber und ließe sich auf Ostwestfalen und Niedersachsen eingrenzen. Segimer stand der Sippe vor und führte die Cherusker durch die schweren Zeiten römischer Okkupation seit Drusus erstmals den Boden seines Volkes betrat. Und wie man vermutet war auch er es, der sich ihm vielleicht schon bei Arbalo, allerdings nur mit mäßigem Erfolg entgegen gestellt hatte. Der Vater war während der langen Abwesenheit von Arminius die Person in der der Stamm halt fand. Er musste schlichten, führte sein Volk über die Höhen und Tiefen der Besatzungszeit und hatte dafür Sorge zu tragen, dass die Cherusker unter den von Varus ausgelösten Repressalien nicht noch mehr litten, als man es den Quellen entnehmen kann. Die Unzufriedenheit mit dem neuen Regime vollzog sich schleichend, Kritik und Unmut wuchsen und schaukelten sich hoch. Wollte man den römischen Aggressor abschütteln so wird man von dem Tag an, an dem Varus im Jahre 7 + in Ostwestfalen die Statthalterschaft antrat nach geeigneten Möglichkeiten gesucht haben um sich die Fremdherrschaft erträglich zu gestalten bevor man begann Pläne zu schmieden, sich ihr zu entledigen. Nicht zu unterschätzen ist die Umfänglichkeit an Vorschlägen aus dem Umfeld des Fürstenhauses mit denen man diesen Gedanken anging. So dürfte es an teils auch wilden konspirativen Ideen nicht gemangelt haben bis ein konkreter Plan heran gereift war. Ein Prozess der sich in Gänze römischer Kenntnisnahme entzog, besser gesagt entziehen musste und der seine Zeit brauchte. Arminius war in dieser Zeit weit weg und man entließ ihn erst nach Ostwestfalen nach dem die Schlachten gegen die Pannonier erfolgreich zu Ende geführt waren an denen er teilgenommen haben soll. Zwischen der pannonischen Westgrenze und Ostwestfalen waren die Wege der Kommunikation langwierig und schwer nachvollziehbar, Nachrichten flossen wenn überhaupt nur spärlich und ihr Wahrheitsgehalt war zweifelhaft. So wusste in der Heimat keiner, ob Arminius noch lebte und wie es um seine Gefährten und ihren Gesundheitszustand stand. Das man an der Weser mögliche Revolten gegen Varus auch ohne Arminius durch spielte drang nicht bis zu Arminius durch, aber selbst wenn die Nachrichten aus Pannonien über Arminius positiv klangen, so konnte dies immer nur eine Momentaufnahme sein, denn auf der langen Strecke zurück an die Weser lauerten viele Gefahren. Bato der Anführer der Pannonier legte am 3. August 8 + seine Waffen nieder und hatte Arminius schon am Markomannenfeldzug 6 + teilgenommen, dann war er zum Ende des Pannonienaufstandes bereits 2 Jahre im Kriegsdienst. Geht man davon aus, dass Arminius, sofern er sich körperlich dazu imstande sah unmittelbar danach den Heimweg antrat, dann stellt sich die Frage wie lange er für die Rückkehr brauchte. Es wird sein Bestreben gewesen sein vor dem Einsetzen der sich verschlechternden Witterungsbedingungen den Fürstenhof seines Vaters zu erreichen. Sein Erscheinen dürfte, da es sich kaum ankündigen ließ unerwartet gewesen sein, aber sein Eintreffen samt Kriegerschar wird die Moral jener gestärkt haben, die während seiner Abwesenheit nach Lösungen suchten wie sich die römische Herrschaft beenden ließe. Arminius hatte die durch Varus herbei geführten Veränderungen nicht erwartet und es könnte auf ihn wie ein Schock gewirkt haben hören zu müssen, wie das Volk auf dessen Seite er zuletzt kämpfte seine Stammesgenossen behandelte. Sein Vater wird nicht lange gezögert haben ihn in seine Pläne einzuweihen, aber seine Anwesenheit löste die Dynamik aus die den Widerstandsgeist beflügelte. Sein Vater war bis dato die zentrale Figur, hatte sich mit dem Feind gezwungenermaßen zu arrangieren, leitete die Geschicke des Stammes und stand in regelmäßigen Kontakt mit den Stammesfürsten der Region. Man darf spekulieren, ob es nicht auch eine Varusschlacht zumindest aber einen Aufstand gegeben hätte, wenn Arminius nicht zurück gekehrt wäre, ob dies dann von Erfolg gekrönt gewesen wäre, sei dahin gestellt. Der Mensch Arminius war im Pannonienkrieg gereift, wird von den antiken Historiker als Intelligent beschrieben und brachte nun seine strategischen Kenntnisse über die Kriegsführung Roms mit ein. Er kannte die römischen Taktiken vor allem wenn sie erfolgreich waren, hatte aber auch ihre Schwächen kennen gelernt. Täuschungsmanöver sind seit jeher Bestandteil an allen Fronten und sie richtig einzusetzen entschied oft über Sieg oder Niederlage. Regel Nummer eins war im Vorfeld immer die absolute Diskretion und darauf hatte Segimer seinen Stamm frühzeitig eingeschworen. Segimer hatte Arminius nach seinem Eintreffen mit den Plänen vertraut gemacht. Und da Legionen am Verwundbarsten waren, wenn sie ihre Stützpunkte verließen dürfte Einigkeit über den Zeitpunkt geherrscht haben. Arminius könnte in etwa zeitgleich, als im Herbst 8 + die römischen Truppen den Weserstandort verließen zurück gekehrt sein, eine Zeit in der man noch nicht handlungsfähig war. So nutzte man die folgenden Monate um die Pläne reifen zu lassen und es konkretisierte sich das Vorhaben, etwas gegen die römische Besatzung unternehmen zu müssen. So basierte vor allem das moralische Gesamtkonzept auf den Vorleistungen seines Vaters der unter den Stämmen das Verlangen nach ihren alten Lebensformen wach gehalten hatte. So bestand die Lebensleistung von Segimer darin, darauf hingearbeitet zu haben, dass römische Treiben nicht passiv hinnehmen zu dürfen und Widerstand leisten zu müssen. Die Rückkehr von Arminius verband sich mit der explosiven Stimmung was zum Schlüssel des Erfolges wurde. Man entwickelte sicherlich auch andere Szenarien, verwarf sie aber wieder um letztlich den Rückmarsch der Legionen abzuwarten und schob den Angriff in den Herbst 9 +. Die cheruskische Gesellschaft war archaisch geprägt und solange der Vater von Arminius lebte und sich bester Gesundheit erfreute und vielleicht sogar noch der greise Wölsung mit ihnen am Feuer saß, besaß Segimer unumstritten die Macht über den Stamm. Wann der Akt vollzogen wurde sie seinem Sohn zu übergeben entzog sich wie so vieles dem Wissen römischer Geschichtsschreiber und damit auch uns. Was sich mit Hilfe von Paterculus recherchieren ließ, so lebte der Vater beim Abzug der Varusarmee, also bis kurz vor Beginn der Schlacht noch. Und da sich der Zorn über die Niederlage nur über seinen Sohn entlud, der mit verräterischer Absicht dem Imperium in den Rücken gefallen war, erschloss sich keinem römischen Geschichtsschreiber die Bedeutung seines Vaters innerhalb der Auseinandersetzung. Paterculus erwähnte ihn noch pflichtgemäß, aber damit war das Interesse an ihm, soweit es überhaupt vorhanden war erloschen. Das man in Rom keine Notiz mehr von ihm nahm bedeutet keineswegs, dass er für die Germanen bedeutungslos war, denn er lebte unter ihnen und ihnen waren seine Verdienste bestens bekannt. Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten dass in Teilen der germanischen Welt seine Leistungen höher eingestuft wurden, als die seines Sohnes. Denn nicht nur an den Schlachtvorbereitungen, sondern auch am Kampf selbst könnte er nicht nur aktiv teilgenommen, sondern die Schlacht sogar angeführt bzw. sie aus dem Hintergrund zum Sieg geführt haben. Ebenso darf man spekulieren, dass er sie möglicherweise nicht nur überlebt hat, sondern auch noch längere Zeit danach gelebt haben könnte. Solange gelebt, um sich ins Gedächtnis der germanischen Völker stärker eingegraben zu haben, als sein Sohn Arminius über den wir nur deswegen so viel wissen, weil aus ihm im Imperium aus einem hoch angesehenen und geachteten römischen Ritter ein schmählicher Verräter wurde, der letztlich das Feindbild schlechthin verkörperte. Der Name seines Vaters erscheint erstmals bei Paterculus in der dem Gehör folgenden und germanisch klingenden Schreibweise Sigimeri und man kann darin die Urform des heutigen Namens Sigmar erkennen. Sigi ist ein Name, der auch in der germanischen Völsungen Sage erwähnt wird und der der Tradition folgend direkt hinter dem Gründervater Odin stand, also sein Sohn war. Diese Ahnenreihe lässt den Verdacht zu, dass man der Fürstensippe innerhalb des Cheruskervolkes später auch den Namen Waelsen gab und Waels bzw. Wölsung der germanischen Beowulf Sage nach ein Enkel des Sigi war. Hierauf geht auch das am 19.9.2023 erschienene Kapitel „Die Wälsungen - Fürstengeschlecht der Cherusker“ ein. Cassius Dio schrieb in der Textstelle C. Dio 56,19,2, dass die „eigentlichen Häupter der Verschwörung und Anstifter des Anschlages und des Krieges neben anderen vor allem Arminius und Segimerus waren, die ihn ständig begleiteten und oft auch seine Tischgäste waren“ und brachte es damit auf den Punkt. Und im Vergleich zu den anderen drei antiken Historikern war es nur Cassius Dio der schrieb, dass auch der Vater von Arminius zu den Hauptverantwortlichen der Schlacht zählte. Ein Hinweis darauf, dass sich derartiges auch römischen Quellen entnehmen ließ auf die Dio zugriff hatte. Florus hingegen schrieb lediglich: „Unter der Führung von Arminius griffen die Germanen zu den Waffen“ und für Tacitus war „Arminius unbestritten der Befreier Germaniens“. Aber für Cassius Dio war und das rund 2oo Jahre nach der Schlacht Vater und Sohn gleich bedeutsam und vereint im Abwehrkampf und er machte keinen Unterschied, wem das höhere Verdienst zustand. Eine späte historische Erkenntnis in der Arminius keine Abwertung, aber sein Vater die Aufwertung erfährt die ihm auch aus Sicht der Germanen zustand. Und dies vielleicht sogar regional unterschiedlich gewichtet mehr noch als seinem Sohn. So dürfte Cassius Dio es seinen Vorlagen entnommen haben, die die anderen Historiker nicht nutzten oder auf die sie keinen Zugriff hatten und die man häufig Senatsakten nennt. Sie enthielten Informationen die man vielleicht sogar mit Wahrheiten gleich setzen darf und die die Bedeutung von Sigimeri heraus stellen. Paterculus, der ihn als einen der Hauptverschwörer bezeichnet hatte ging im Gegensatz zu Cassius Dio nicht auf seine Bedeutung im Zuge der Varusschlacht ein. Bei ihm blieben seine Taten und die Mitwirkung am Geschehen der Varusschlacht unerwähnt, da man in Rom die Niederlage nur seinem Sohn Arminius anlastete. Er hatte sich im Imperium als zuverlässiger Ritter einen Namen gemacht, von ihm war bekannt, dass er zuvor für Rom in Pannonien sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, während für die römische Geschichtsschreibung sein Vater eine unbekannte Größe darstellte. Cassius Dio musste im Zuge seiner Recherche auf diese einstigen Realitäten und Hinweise gestoßen sein, auf die seine drei antiken Vorgänger keinen Bezug genommen hatten oder nehmen wollten. Cassius Dio könnte als einziger auch die Bedeutung von Sigimeri erkannt haben, den er allerdings Segimerus nannte. Es waren deutliche Anzeichen dafür, dass es auch schon damals in Rom andere Sichtweisen auf den Vater von Arminius gab. Spuren, denen sich entnehmen lässt, dass man seine Bedeutung auch in Germanien höher eingestuft haben könnte als die seines im Imperium besser bekannten Sohnes Arminius. Fehleinschätzungen die sich bis in antiken Quellen auswirkten und darauf beruhten, dass sich viel Innergermanisches im Rücken der Großmacht vollzog. Man kannte im Imperium das Vorleben von Arminius und einiges aus seinem Privatleben, dass er bei Varus Gast war, dass er die zuvor abgestellten Legionäre nieder machte, dass er Varus versprochen hatte ihm im Zuge der Operation so schnell wie möglich zu Hilfe zu kommen und einige Schauergeschichten mehr, erkannte aber hinter allem nicht die ruhig planende Hand eines Sigimeri. Wer hätte aber all dies in den ersten Jahren nach der Schlacht aufgrund der wenigen Überlebenden und Heimkehrern auch in die Federn der wenigen interessierten Historiker diktieren sollen. Das Segimer einst die Drähte zog mag auch schon in der Antike bekannt gewesen sein fand aber in der südländischen Mentalität nicht den Anklang wie der jugendliche Held. Erst Cassius Dio griff das Wissen auf stellte die Rollenverteilung auf germanischer Seite etwas deutlicher heraus. Von unerwarteter Seite wurde wenn auch etwas verschleiert wurde ebenfalls darauf eingegangen. Denn der Arminius anhaftende und ihm wohl auch etwas nach geworfenen Glanz der Großtat fand einen Kritiker an höchster Stelle und auffälliger Weise sogar unter den Germanen selbst. Es war Marbod der Markomannenkönig der seinen Erfolg in Frage gestellt hatte. Eine kurze Aussage aus seinem Munde aus der vieles sprach, was aber neuzeitlichen Historiker zu verwässern suchten in dem sie in seinem Wort „vacuas“ das Wort „vacuum“ verkannten und damit einer Fehldeutung aufsaßen. Marbod hob zwar Segimer nicht hervor, spielte aber auf die dem Varus entzogenen Truppen für den Angriff auf ihn und den folgenden Pannonienaufstand an, was dazu führte das Varus mit unterlegenen Kräften in die Schlacht zog. Aber all dies verblasste letztlich, da sich das ans Theatralische gewohnte Rom für seine Kulissen einer anderen Dramaturgie zuwandte und man den gegnerischen Erfolg und das Geschehene nicht noch auf einen zweiten ältlichen Kopf verteilen wollte. Da sich vieles im Verborgenen abseits römischer Augen ereignete war es vermutlich außer Paterculus keinem antiken Historiker vergönnt, sich anhand der frühen damals über die Schlacht bekannten und zu Papier gebrachten Aussagen einen authentischen Einblick in diese Vorgänge zu verschaffen. Vieles wurde gar nicht erst nieder geschrieben und eine Kultur der Aufarbeitung geschichtlicher Ereignisse in unserem Sinne fand nicht statt. Es fehlte die Presselandschaft, eine Leserschaft vor allem aber ein an der Wahrheit interessiertes Publikum. Mit Cassius Dio endet für uns die Aufarbeitung der Varusschlacht unter Zuhilfenahme antiker lateinischer Quellen. Die Recherche fortzuführen gelingt von da an nur noch wenn man die Spurensuche nördlich der Alpen aufnimmt, wo man sich jedoch an den sagenhaften Kommunikationsmittel bediente. Dieser Theorie nach veränderten sich über die Generationen hinweg auf dem Weg des „Weitergesagten“ die aus der Antike überlieferten Personennamen. In den verzweigten germanischen Sprach- und Siedlungsräumen nahmen sie andere Aussprachen, Ausdrucksformen und später andere Schreibweise an und die unterschiedlichen Dialekte begünstigten es. So könnte uns auch in der spätwestsächsischen Schriftsprache Südenglands der Name Sigimeri der Völsungen Genealogie folgend als Sigmundr begegnen. Arminius behielt im Norden und weiten Teilen Germaniens seinen germanischen Namen bei, den der Mund zu Siechfrith umformte, während im zum römischen Territorium am Rhein näher liegenden Ostwestfalen aus der lateinischen Schreibweise Arminius das Wort Irmin wurde. Im Zuge der Verlaufstheorie zur Varusschlacht näherten sich die römischen Legionen der Region an in der man später die an Arminius erinnernde Gedächtsnisstätte der Iminsulgelände schuf, da wo der Zug der Legionen einst aufgerieben wurden. Das zentral gelegene Borlinghausen in dessen Umfeld die Forschung seit jeher den Standort der Irminsul favorisiert, deckt sich mit dem westlich davon gelegenen Eggeaufstieg der sich als „Teutoburgiensi saltu“ identifizieren lässt sowie mit dem Zugverlauf Karls des Großen nach der Eroberung der Eresburg auf dem Weg nach Herstelle. Es war die Gegend in der die Varusschlacht zu Ende ging und die Sachsenkriege ihren Anfang nahmen.

Dr. Stephan Berke, der am Besten informierte Experte in Sachen Varusschlacht entwarf dazu seinerzeit eine Karte über die möglichen Orte der Varusschlacht. Diese Theorie führt dazu, dass sich ein weiterer Suchhorizont ergeben würde, den man bislang nicht in Betracht gezogen hatte.
(S. Berke, "haud procul". Die Suche nach der Örtlichkeit der Varusschlacht, in: Landesverband Lippe (Hrsg.), 2000 Jahre Varusschlacht. Mythos. Ausstellungskooperation Imperium, Konflikt, Mythos: 2000 Jahre Varusschlacht (Darmstadt 2009) 133–138.)
(16.10.2024)
endschauplatz der varusschlacht (PNG, 1,227 KB)

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Sonntag, 22. September 2024
Die mysteriöse Funktion der Abstellungen.
Nachdem sich der Verlauf der Varusschlacht im Zuge der Recherche in seinen Konturen abzeichnen ließ, wird auch erst deutlich was sich hinter der von Cassius Dio insgesamt äußerst knapp gehaltenen Wortwahl verbirgt. So klingen die Anweisungen die Varus einst den abgestellten Legionären gegeben haben soll für unsere heutigen Ohren etwas widersprüchlich, da sie nicht in das Konzept einer sich anbahnenden Auseinandersetzung passen. Die darin verborgene Unlogik macht nachdenklich wie man es auffassen sollte und weckt Zweifel am überlieferten Grund dieses Befehls. Cassius Dio gab das Wissen ältester Quellen weiter und das oft ohne selbst zu verstehen, was die Schreiber 200 Jahre vor seiner Zeit damit zum Ausdruck bringen wollten. Er musste sich im Zuge der historischen Aufarbeitung in diese vor seiner Zeit liegende Epoche hinein versetzen und versuchen zu verstehen, was damals in Germanien vor sich ging um seinen Zeitgenossen gegenüber auf verständliche Weise erklären zu können, welchen Verlauf die Schlacht seinerzeit genommen hatte. Dabei stieß er bekanntlich auf Ungereimtheiten, aber auch auf den nebulösen Akt der „Abstellungen“. Vieles von dem was er las übernahm er ohne es zu verändern, während er einiges umdeutete in dem er es zu ordnen versuchte und es nach geschliffen haben könnte, wenn er davon überzeugt war, dass es so nicht gewesen sein konnte. So zumindest lassen sich seine Worte die er an anderer Stelle fallen ließ interpretieren. An welcher Stelle er eingriff und textuelle Veränderungen herbeiführte kann die heutige Forschung nicht mehr beantworten. An der Entsendung der Abstellungen nahm er jedoch keinen Anstoß, da der diesen Vorgang für stattgefunden hielt und daher auch den Grund nicht hinterfragte. Und während einige seiner Passagen auch heutzutage noch plausibel klingen und glaubhaft erscheinen lösen andere, wie etwa die Umstände im Zusammenhang mit den besagten Abstellungen Stirnrunzeln aus. Da sich grundsätzlich heraus stellte, dass sein Rapport mit dem Schlachtverlauf wie er dieser Theorie zugrunde liegt deckungsgleich ist, soll im weiteren Verlauf der Beweis erbracht werden, dass sich auch diese bislang rätselhaft erscheinenden Zeilen auf verständliche Weise erklärbar machen lassen. Wie man weiß, stand „waffenstarrendes“ römisches Militär nicht nur am Rhein, sondern auch mitten im Land und schon Florus berichtete über Wachtposten die bereits in vorchristlicher Zeit unter Drusus an Weser und Elbe errichtet wurden. Das Drusus zugeordnete Marschlager Hedemünden an der Werra bestätigte diese Überlieferung. Darüber hinaus berechtigt nicht nur das schon seit länger Zeit erforschte Hafenkastell Anreppen in Verbindung mit dem zwischenzeitlich entdeckten Marschlager in Paderborn, sowie die freigelegte Römerstadt Waldgirmes zu der Annahme, das sich auch schon am Weserknie nahe Höxter/Corvey stadtähnliche Vorgängerbauten befanden. Eine realistische Annahme die man gegenwärtig in Paderborn im Zuge einer Ausstellung unter dem Namen „Corvey und das Erbe der Antike“, zu besichtigen bis 26. Januar 2025, in Erinnerung ruft. Eine Präsentation die den Begriff „Erbe“ allerdings so auslegt, dass nicht der Verdacht aufkommen kann, in Corvey könne sich noch Baugeschichtliches befinden, das aus der Zeit der römischen Okkupation stammen könnte. Cassius Dio hingegen vermittelt uns vor diesem Hintergrund den Eindruck eines im Aufbau befindlichen und sich ruhig entwickelnden Zusammenlebens in einer neuen ländlichen Provinz im Stammesgebiet der Cherusker an der Weser und schwärmt dabei vom munteren Markttreiben und friedlichen Zusammentreffen. Gleichwohl wurde die Region wie man liest auch von Stämmen besiedelt die Rom nicht unterworfen hatte, Völker mit denen man sich anders, als es mit den Cheruskern gelang nicht vertraglich verbunden hatte. Aber allen war gemein, dass sie ihre alten vom Kampf bestimmten Traditionen noch nicht abgelegt hatten. So war es für Cassius Dio rückblickend keine Kunst auf diese Weise bereits auf die explosive Lage hinzuweisen und einzugehen und beschrieb daher auch schon die ersten Anzeichen drohender Gefahr. Mit dem Wissen zum Gesamtverlauf der Schlacht konnte er in seinem Bericht aber bereits eine Begebenheit an den Anfang setzen, die der Schlacht unmittelbar voraus ging, sich also zeitnah vor ihrem Ausbruch zutrug und daher auch am Beginn seiner Darstellung zu stehen hatte. Es ist die angesprochene Episode aus der die Problematik spricht, dass sich aufgrund mangelnder Logik ihre wahren Umstände nicht erkennen lassen. Carl von Clausewitz beschrieb derartige Phasen wie eine Grauzone in der die Wahrheit keinen Platz fand, da sich die Nebel der Schlacht noch nicht verzogen hatten. So öffnet sich ein Spielraum der auch eine andere Auslegung des Ereignisses zulässt als die, wie sie sich den Überlieferungen entnehmen lässt und gestattet uns, diesen Sachverhalt auch abweichend von der gängigen Interpretation bewerten zu können. So könnte es sich dabei um einen Vorgang gehandelt haben der in den Quellen einen anderen Widerhall finden musste, da er von Personen verfasst wurde, denen keine Zeitzeugen zur Verfügung gestanden hatten und für den sie daher nach eigenen Erklärungen suchen mussten. Der Einblick in die tatsächlichen Umstände blieb ihnen verwehrt und man erklärte sich auf eigene Weise, warum Varus sich zur Unzeit entschied seine Armee personell zu schwächen. Fragwürdige Deutungsversuche die nicht stimmig wirkten und daher die Nachwelt stutzig machen mussten. Cassius Dio übernahm es 200 Jahre später unverändert da sich auch ihm das Wissen um das wirklich Zugetragene entzog. Für diese Episode stellte sich eine plausible Begründung erst dann ein, als sich im Zuge der hier erarbeiteten Verlaufstheorie der Blickwinkel erweiterte. So wurde der Grund erkennbar der Varus bewog, den Abstellungen diesen irritierenden Befehl zu geben. Eine Order dessen Widersinn auch Cassius Dio auffiel und im folgenden Passus 56,19,1 darauf hinwies:
„Daher hielt er (Varus) seine Legionen nicht zusammen, wie es eigentlich in Feindesland angebracht gewesen wäre, sondern kommandierte zahlreiche Legionäre ab und entsendete sie denjenigen (Germanen) die darum baten, weil sie selbst zu schwach waren, um gewisse Landesteile zu schützen. Dazu gehörte die Ergreifung von Räubern, aber auch der Geleitschutz von Lebensmittelfuhren“.
Cassius Dio konnte die Region in der Varus agierte aus der Retrospektive gut als Feindesland bezeichnen und ihm daher seine Fehlentscheidung zum Vorwurf machen nicht alle Truppen zu den Aufständischen mitgenommen zu haben. Für Varus hingegen handelte es sich um das Siedlungsgebiet eines vertragsgebundenen Germanenstammes von dem er nichts zu befürchten hatte, sodass er dem Wunsch der Cherusker bedenkenlos folgen konnte und man daher auch kein Fehlverhalten von Varus erkennen kann. Die Begründung für die Abordnung ist allerdings bedenklich und daher hat dieser Absatz auch schon viel Anlass zu Spekulation geboten und die Historiker zu manchen Irritationen verleitet. Aber Cassius Dio hat ihn nicht ohne Grund an den Anfang seiner Ausführungen gesetzt. Denn im weiteren Verlauf erfahren wir von ihm, dass die Germanen diese Abstellungen bereits nieder machten, als die ersten Speere auf den Marschzug noch gar nicht geworfen waren. Die Interpretation erlaubt es nun festzustellen, dass sich hinter diesen Handlungen das, oder die ersten Gefechte verbargen, die eigentliche Varusschlacht folglich an ganz anderer Stelle und zu einem späteren Zeitpunkt seinen Anfang genommen hatte. Vor allem aber macht es deutlich, dass Varus von diesen Kämpfen keine Kenntnis besaß und vielleicht auch später nie etwas davon erfahren hatte. Es ist eine Auseinandersetzung die man einen Nebenkriegsschauplatz nennt und war eine militärische Entscheidung der sich große Vertrauensseligkeit und Abhängigkeit den Stämmen gegenüber entnehmen lässt und zur Unterbesetzung seiner Armee beitrug. Cassius Dio ging im Absatz 56,19 (5) auf das Geschehen ein, das den eigentlichen Auftakt der Mehrtagesschlacht darstellte. Das Ausschalten der Abstellungen fand folglich zu einem Zeitpunkt statt, an dem man ihn selbst noch nicht angegriffen hatte, er sich aber schon auf dem Marsch ins Gebiet der Aufrührer befand und erst das Erscheinen von Arminius auf dem Schlachtfeld auf Seiten der Germanen ließ ihn die neue Realität erkennen. In kritischer Weise kommt Cassius Dio auf die Situation zu sprechen in der Varus trotz der aufgeheizten Lage den unpassend klingenden Befehl erteilt haben soll ein vermutlich nicht unerhebliches Kontingent an Legionären abgestellt zu haben, damit diese den Germanen für Polizeiaufgaben zur Verfügung stehen konnten. Eine Entscheidung die man, wenn es denn so war aus Gründen der Hilfsbereitschaft vom Grundsatz her nur in völlig friedlichen Zeiten einem Vertragspartner zugesteht. Es in einem Moment getan zu haben, in dem er alle Männer gebraucht hätte um sich einer möglichen Auseinandersetzung mit den Aufrührern zu stellen kann demnach nicht der wahre Grund für das Entsenden gewesen sein. So dürfte eine tiefere Notwendigkeit darin gelegen haben die uns die Quellen jedoch nicht schlüssig machen konnten. Cassius Dio stellt es daher auch wie eine logisch anmutende Kritik an seinem Verhalten dar. Da Varus in dieser Phase das Ausmaß der Kämpfe noch nicht übersehen konnte musste er befürchten den Aufständischen nicht gewachsen zu sein und hatte sich daher der cheruskischen Reiterei versichert. So dürfte es bei Cassius Dio den Eindruck eines unnötigen und unbegreiflichen Befehls hinterlassen haben, dessen eigentlichen Grund er seinen Quellen nicht entnehmen konnte. Eine Erklärung die auf der Verkennung der damaligen Lage beruhte. Die Analyse dieses Vorfalles kommt zu dem Schluss, dass es in diesem Zusammenhang zwar zu einer Entsendung von Truppenteilen kam, es aber nicht geschah damit sie den Germanen für Hilfsdienste zur Verfügung stehen sollten. Es war vielmehr eine notwendige Maßnahme, denn die Legionäre hatten vereinfacht ausgedrückt schlicht die Aufgabe den zivilen Tross über die Egge nach Aliso zu führen. Es galt eine große Schar wehrloser Menschen samt ihrer beladenen Karren und diverser Wertgegenstände denen man den Marsch zu den Aufrührern ersparen wollte sicheres Geleit zu gewähren. Eine sinnvolle und im Kern nachvollziehbare Entscheidung die zum Standard gehörte, möglicherweise aber auch von Seiten der Cherusker angeregt wurde, denen daran lag dem Hauptheer Wehrkraft zu entziehen. Der Lesart nach soll es sich dabei um einen bedeutsamen Truppenteil gehandelt haben den Varus den Quellen nach zu urteilen auf kaum vorstellbare Weise im Lande der Germanen förmlich wahllos verstreut haben soll um „gewisse Landesteile vor Räubern zu schützen, oder Lebensmitteltransporte zu überwachen“. Cassius Dio entnahm diese Schilderung seinen Quellen und musste ihnen glauben, da er ihnen den eigentlichen Grund für die Entsendung nicht entnehmen konnte. Diese Überlieferung gibt den Blick auf ein Ereignis frei mit dem sich die Theorie des zivilen Marschzuges stützen und sich der Entscheidung Sinnhaftigkeit entnehmen lässt. Ein Vorfall, den Cassius Dio für genauso rätselhaft wie bedeutsam hielt, sonst hätte er dieser Episode schriftstellerisch keinen Raum gegeben. Der den Germanen in diesem Sinne unterstellte Grund Bedürftigkeit vorgeschoben zu haben wirkt wie an den Haaren herbei gezogen, klingt wenig plausibel und entsprach, wie sich rekonstruieren lässt auch nicht der Realität. Sie diente lediglich dazu für diesen, allen seltsam erscheinenden Befehl eine halbwegs brauchbare Begründung zu finden. Obwohl die Notwendigkeit Truppenteile absondern zu müssen gegeben war, ersann man letztlich eine schwache Erklärung, warum man diese Männer nicht mit zu den Aufrührern nahm. Argumente die Cassius Dio aufgriff die aber nur dazu angetan waren eine Lücke im Ablauf zu schließen, die sich als Erklärung für das Versagen von Varus zwar eignete sich dafür aber keine Plausibilität erzeugen ließ. In der Gesamtbetrachtung ist dies jedoch unerheblich, da die Germanen ihr Ziel erreicht hatten deren Absicht darin bestand seine Kampftruppen zu schwächen in dem man ein gutes Argument hatte sie abzutrennen, dadurch zu reduzieren um sie besser nieder machen zu können. Auch wenn das Vorhandensein eines zivilen abgetrennten Marschzuges an keiner Stelle erwähnt ist da Unwissenheit über diesem Teil der Varusschlacht schwebte, lässt sich dieser Vorgang mühelos in den Kontext setzen. Unter anderem wurde darauf im Kapitel „Wie konnte sich die Wahrheit nur solange verbergen. Fazit: Varus nahm definitiv keine Frauen und Kinder mit ins Rebellengebiet“ vom 19.8.2021 näher darauf eingegangen. So könnte man dahinter schon vor der eigentlichen Verschwörung eine gelungene Finte erkennen mit der die Germanen die Schlacht von langer Hand vorbereiteten. Sie wussten, dass es für Varus keine andere Option gab wenn er verhindern wollte, sich auf dem Marschzug mit Zivilpersonen und deren Hab und Gut zu belasten. Was sich in der Argumentation davon verfasst und formuliert von römischer Hand später in den Quellen wieder fand, lässt sich vor allem mit dem Wort Erklärungsnot bis zur Fadenscheinigkeit ausdrücken. Und da den Interpreten der Quellen die Problematik der Umtriebigkeit von Räuberbanden aus allen Regionen der italienischen Halbinsel bekannt ist und sich auch nachweisen lässt, klang es plausibel, dass es sich so auch in Germanien verhielt. Damit ließ sich auch ein Feldherr in Ostwestfalen überzeugen und der Leser konsumierte es in dem Glauben, dass es nur so gewesen sein konnte. Jene Abstellungen denen die Quellen erfreulicherweise nicht auch noch gleich den Namen „Erntehelfer“ mit gaben, denn er würde dem skurrilen Befehl Rechnung tragen. Handlanger für alles mögliche von denen die Quellen berichten, man habe sie großzügig über das Cheruskerland verteilt. Legionäre die jedoch das wichtige Geleit für den zivilen Marschzug darstellten und die die Aufgabe hatten für die Sicherheit u.a. jener Frauen und Kinder zu sorgen, denen man den direkten Weg nach Schwaney zugestanden hatte und die man üblicherweise nicht mit in ein Krisengebiet nahm. Für Cassius Dio mag es verdächtig geklungen haben, aber er erkannte nicht, dass es sich dabei um keinen Geleitschutz für Lebensmitteltransporte handelte, sondern um eine Maßnahme die möglicherweise sogar Arminius selbst aus bekanntem Grund empfohlen hatte, da er mit der mediterranen Welt vertraut war. Bis heute fragt sich die Forschung, was es mit diesen seltsamen Erklärungen auf sich gehabt haben könnte, fand aber bislang keine überzeugende Erklärung dafür. Eine Episode, die sich zwar mit der Mehrtagesschlacht in Einklang bringen, sich aber nie so richtig zuordnen lassen wollte. Ein Akt dessen Ursachen woanders lagen, der sich bislang nicht begründen ließ, der aber seine kriegsentscheidende Wirkung nicht verfehlte. In Unkenntnis darüber wie man die Quellen an dieser Stelle auszulegen hat, dass nämlich ihre eigentliche Funktion darin bestand den zivilen Marschzug zu begleiten setzte Cassius Dio es passenderweise an den Anfang des Debakels, also genau dahin wo es auch seinen Platz hatte. Insgesamt war es eine Episode die Florus unerwähnt ließ, da ihm dafür das Detailwissen fehlte. Aber es passte dafür gut ins Sortiment Varus`scher Fehlleistungen schon im Vorfeld seines herbstlichen Heimzuges, Männer für Nichtigkeiten freigestellt zu haben. Das er es aber in der gut gemeinten Absicht tat damit die zahlreichen Zivilpersonen zu unterstützen, ihnen etwa zu helfen, damit sie mit den beladenen Ochsenkarren den steilen Anstieg vom Oesetal über den Eggeosthang bewältigen konnten, oder um bei Achsenbruch zur Stelle zu sein, war den Senatsakten nicht zu entnehmen. Mit dem Vorwurf Cassius Dio zu unterstellen er habe selbst diese kühnen Erklärungen zusammen getragen um damit begründen zu wollen warum Varus nicht alle zur Verfügung stehenden Kräfte mit zu den Aufrührern nahm würde man zu weit gehen bzw. ihm Unrecht tun. Naheliegender ist, dass es genau so seine Quellen aussagten um die Handlungsweise von Varus in diesem Zusammenhang nicht aufwerten zu müssen. Darin, dass Varus seine Armee um diese „Polizeikräfte“ auf empfindliche Weise schwächte ließ sich ein weiteres, dieses Mal ein strategischer Makel erkennen, den man ihm trefflich anlasten konnte. Aber wer auch immer in Rom die Reichschroniken zusammen trug, verändert bzw. passend gemacht haben sollte hätte hier sein Meisterstück vollbracht, denn er konnte damit auch davon ablenken, dass Varus vorher unter anderem aus humanen Gründen den Ziviltross abgekoppelt hatte um Frauen, Kindern, den Alten und Verletzten sowie seinen Beamten den gefahrvollen Umweg samt seinem persönlichen Hab und Gut zu ersparen. Hinzu kommt noch der Aspekt, dass man in der Varus Entscheidung Truppenteile abzusondern auch einen Akt des Vertrauens gegenüber den Cheruskern sehen kann, wobei es in dieser frühen Phase keinen Grund für ihn gab misstrauisch zu sein, zumal sich die Segestes Warnungen als eigene Schutzbehauptungen entlarven ließen und Varus von Vertrags treuen Germanen ausgehen durfte. Was aus seiner damaligen Sicht heraus kein verwerflicher Akt war ließ sich ihm im Nachhinein gut als überzogene Vertrauensverhalten und militärische Fehlleistung im Feindesland unterstellen. Wie man es dreht und wendet, es sollte an Varus kein gutes Haar hängen bleiben und erst recht sollte nicht zum Ausdruck kommen, dass die hohe römische Politik in dieser Phase versagt hatte. Ihm diesen Befehl anzukreiden und zum Vorwurf zu machen konnte man nur aus Unwissenheit oder um ihn zu beschädigen. Aber in beiden Fällen suchte man nach einer Begründung für seine Entscheidung mit dazu beigetragen zu haben, dass ihm diese Truppen im Kampf später nicht mehr zur Verfügung standen. Wer ihm folglich aus seiner Abstellungsentscheidung einen Strick drehen wollte, der tat es aber in diesem Fall zu unrecht. Die frühe Nachwelt stocherte noch viel im Ungewissen und ersann sich einen Grund mit dem sich die Fakten in zeitgemäßer Weise entweder verdrehen oder einfach nur erklären ließen. Zeitzeugen der Episode sollten sie es überlebt haben gelang es nicht ihr Wissen bis in die Chroniken hinein zu tragen oder man unterschlug es und auch die damaligen Protagonisten um Varus dürften sich keiner Schuld bewusst gewesen sein. Um die Makel in der Argumentation deutlich zu machen sollte man noch bemerken, dass sich demnach selbst an dem Tag an dem die Legionen ihr Sommerlager verließen immer noch die besagten Abstellungen in den Siedlungen der Germanen befunden haben müssten und nicht nur das, denn selbst am Tag seines Ausmarsches ab dem vermeintlichen Brakel zu den Aufrührern, hätten sie sich verstreut noch immer im Cheruskerland aufgehalten haben müssen. Man möchte spontan sagen ein Unding derartiges in Anbetracht der kritischen Lage noch bis zum letzten Moment zugelassen zu haben. Noch offensichtlicher wird die Fehlinterpretation der kaiserlichen Scriptores in dem Moment wo Varus von den nennen wir sie noch mal „Erntehelfern“ erwartet haben sollte, dass diese sich nach Ablauf einer für diesen Sondereinsatz vorgesehenen Frist hätten wieder „pünktlich“ einfinden müssen, von wo aus sie dann gemeinsam mit Varus den Rückweg in Richtung Lippe, einschließlich des Umweges hätten antreten sollen, denn dort überwintern lassen, wollte er sie wohl nicht. Sie hätten schon am Abend des ersten Marschtages oder spätestens am nächsten Morgen im Etappenlager bei Brakel zu Varus Anschluss finden müssen. Dort wäre allerdings ihr Fernbleiben aufgefallen und nur ein einziger Überlebender der Varus gewarnt haben könnte, hätte in der Konsequenz zum Zusammenbruch der gesamten germanischen Offensive führen können. In der Folge dessen erkennt man darin deutlich eine gezielt angeordnete Maßnahme und erwartete daher auch nicht die Rückkehr der Abstellungen, vermisste sie nicht und erfuhr auch nichts von den Kämpfen am vermeintlichen Gradberg auf dem Weg nach Aliso. So brauchte auch Cassius Dio, der den Untergang der Abstellungen überlieferte nicht auf ihr Nichterscheinen einzugehen. Da es sich jedoch anders zutrug wohl wissend, dass die Zivilisten von den Abstellungen geschützt unterwegs waren, konnte Varus in voller Zuversicht zu den Aufrührern aufbrechen. Cassius Dio hingegen nahm an den kaiserlichen Auslegungen keinen Anstoß und gab sich mit der Erklärung zufrieden, dass man sie vor dem Beginn der Schlacht und wo auch immer nieder gemacht hatte. Davon, dass sich die Abstellungen innerhalb des zivilen Marschzuges bereits auf dem Weg nach Schwaney befanden, wo sie dann in der Tat den Germanen in einer Kommandoaktion zum Opfer fielen und von wo aus die Flüchtenden Aliso ansteuerten und daher auch nicht zu Varus aufschlossen, hatte er wie man so schön sagt keinen blassen Schimmer. Letztlich dürften alle nicht überlebt haben und konnten daher auch die Nachwelt nicht anderslautend informieren. Und an dieser mageren Ausganglage gab es nichts zu deuteln, denn diese Wahrheit kannten die Autoren der Senatsakten nicht, sodass auch Cassius Dio es so hinnehmen musste. Für den Fall das, sei in diesem Zusammenhang noch die Frage gestattet, ob bzw. warum die Germanen vor der römischen Okkupation ihre Lebensmitteltransporte überhaupt hätten schützen sollen oder müssen. War dies grundsätzlich und überhaupt nötig und welche Germanen taten es vor der römischen Besetzungszeit. Gab es zu Cheruskerzeiten eine germanische Ordnungsstruktur die man im Notfall hätte herbei rufen können und in welchem Umfang kam es überhaupt zu Lebensmitteltransporten die bei anderen etwa Nachbarstämmen hätten Begehrlichkeiten auslösen können. Was wurde unter den damaligen „Selbstversorgern“ wie weit, warum und wohin transportiert. Fragestellungen die ebenfalls die im Geschehen liegende Absurdität der römischen Erklärungen deutlich machen. Fragestellungen die sich nun erübrigen, da sich ein anderer Verlauf glaubhafter machen lässt. (22.09.2024)

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Montag, 19. August 2024
Die Crassusschlacht - Ein frühes Pendant zur Varusschlacht.
Paterculus wollte sich in einem separaten Werk ausführlich der Varusschlacht widmen. Entweder tat er es nicht, oder was er schrieb ist verschollen. Die Forschung bedauert daher, dass uns nichts dazu von ihm vorliegt. An Stelle dessen gibt es aber Anhaltspunkte die darauf hindeuten wo die Ursachen dafür gelegen haben könnten, dass es nur bei einer Ankündigung blieb und sein Werk nie Realität wurde. So umschrieb er die einzelnen Etappen der Schlacht wie im voraus gegangenen Kapitel dargestellt unter Zuhilfenahme römischer Kampfteilnehmer öffnete aber noch eine weitere Tür um unser Verständnis zu wecken in dem er in nahezu auffälliger Weise die Schlacht von Carrhae beschrieb. Damit könnte er seine Absicht verhüllt haben nicht unmittelbar auf die Varusschlacht eingehen zu müssen. Liest man seinen Bericht zur Crassusschlacht, dann können einem Bedenken kommen, ob es wirklich sein Bestreben war sich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal mit Varus beschäftigen zu wollen. Sein Weltbild war in allen Punkten nicht mit dem des Cassius Dio vergleichbar und nicht nur weil dieser rund zweihundert Jahre nach ihm schrieb. Es lag ein zeitlicher Abstand dazwischen etwa vergleichbar mit einem Historiker, der sich erst in unseren Tagen literarisch mit der Schlacht bei Waterloo im Jahre 1815 auseinander gesetzt hätte. Und während man sich sicher ist, dass die Schlacht von Waterloo Europa veränderte, wollte man der Varusschlacht diesen Stellenwert nie zugestehen. Interessant bleibt aber die Feststellung, dass es im Gegensatz zur zahlreichen englischen Literatur keinen zeitnahen Bericht über den Verlauf der Schlacht bei Waterloo von offizieller französischer Seite gibt, die auch den Namen des dortigen Gasthofes „Belle-Alliance“ trägt. Möchte man nach Parallelen suchen, so werden sie an diesem Beispiel deutlich, denn sowohl die zeitnahen Nachfahren der „Grande Armée“ als auch die der Legionen XVII, XVIII und XIX wollten wohl um des schmaches Willen keinen unnötigen Nährboden liefern und vermieden es daher sich mit der Aufarbeitung zu beschäftigen. Der Ausgang der Varusschlacht von dem Augustus auf mündlichem Wege am 6. Oktober 9 + erfuhr war für das Imperium ein Desaster. Obwohl die Niederlage in den Köpfen noch lange nach hallte macht es den Eindruck, dass man das Thema unterschwellig und abseits öffentlicher Diskussion behandeln wollte und es vermied sich damit auseinander zu setzen. In Ostwestfalen hingegen geriet die Varusschlacht nie in Vergessenheit, fand aber am einstigen Austragungsort ihre Bestätigung auf schriftlicher Ebene erst nach 747 bzw. 748, als sich Abt Sturmius im Kloster Monte Cassino aufhielt. Von Italien aus überführte er wie man vermuten darf die Tacitus Annalen nach Fulda um sie dort später für die Abtei Corvey zu kopieren wo man sie zu interpretieren wusste. Paterculus schrieb seinen Bericht nieder als sein einstiger Weggefährte Tiberius zu dem er in enger Verbindung stand schon römischer Kaiser war aber die politischen Verhältnisse noch unter dem Eindruck der Varusniederlage standen, was seine literarische Bewegungsfreiheit einschränkte. Tiberius hielt sich wie auch Paterculus zur Zeit der Varusschlacht nicht im ostwestfälischen Spannungsgebiet auf trug aber als Befehlshaber von Germanien für alles was dort geschah unterhalb der kaiserlichen Ebene die Verantwortung und vermutlich hatte er auch an der Entsendung von Varus an die römische Ostfront seinen Anteil getragen. Zudem war er da er ihm wegen des Markomannenfeldzuges und dem folgenden Pannonienkrieg erhebliche Kampfkraft entzogen hatte mehr als nur indirekt für seine Niederlage verantwortlich. Vermutlich aufgrund seiner besonderen Beziehungen zu Tiberius vermied Paterculus es ihm gegenüber eine richtende Rolle zu den Ereignissen des Jahres 9 + einzunehmen. Seine Methodik verrät, dass er nicht wie ein Kriegsberichterstatter vom Format eines Cassius Dio auftreten wollte, dessen Schriften sich ein chronologischer Ablauf entnehmen lässt. Er setzte andere Prioritäten und schlug einen Weg Abseits davon ein in dem er auf den anfänglichen Befehlsnotstand der Legionäre am ersten Kampftag einging und im Anschluss daran den Mensch in den Vordergrund seiner knappen und heroischen Darstellungen stellte. Eine Vorgehensweise mit der er wie bereits beschrieben auf indirekte Weise den Hergang schilderte. Das Heer des Varus ließ er ehrenvoll zugrunde gehen, vermittelte uns aber keine klare Abfolge der Geschehnisse, geschweige denn Hinweise denen sich eine Örtlichkeit entnehmen ließe. Seine Niederschrift war unverfänglich verfasst und enthielt die zeittypische Kritik an Varus und den Umständen. War vor allem aber im Sinne des Kaiserhauses loyal eingefärbt und stand damit ganz im Einklang mit seinem einstigen Vertrauten, der nun das kaiserliche Spitzenamt bekleidete und vor dem er literarisch betrachtet die schützende Hand ausbreitete. Hätte er sich deutlicher zum Schlachtverlauf positioniert wäre Tiberius möglicherweise noch zu Lebzeiten mit kritischen Nachfragen konfrontiert worden und seine und die eigene Person hätte Schaden nehmen können. Paterculus wurde dem gerecht in dem er sich auf die unterste Ebene der Schilderungen begab, da wo man kämpfte und starb aber nicht weiter oben, wo sich die Frage nach der Verantwortlichkeit gestellt hätte. Im Zusammenhang mit Paterculus darf man sich aber auch die Frage stellen, wie weit man gehen darf wenn man aus seinem Verhalten politisches Kalkül heraus lesen möchte. Paterculus sah sich der Korrektheit verpflichtet und so könnte es sowohl sein Bestreben als auch sein tieferer Beweggrund gewesen sein die Wahrheit über die Varusschlacht durch die Blume auszudrücken. Und vielleicht lässt sich dies neben der Darstellung menschlicher Schicksale auch am Beispiel der Crassusschlacht bei Carrhae darstellen auf die Paterculus in besonderem Maße einging. Möglicherweise sogar in derart deutlicher Weise, als dass er sich mit seinem Querverweis auf dieses Ereignis sogar verdächtig machte und damit das preis gab, was er bei der Varusschlacht vermeiden wollte. Er schrieb nicht ohne Grund, dass die Varusschlacht das furchtbarste Unglück nach der verlorenen Schlacht gegen die Parther im Jahre 53 - war stellte also beide Schlachten gegeneinander. Es war eine Schlacht die nahe dem heutigen Haran in der südöstlichen Türkei unmittelbar an der syrischen Grenze und und damit etwa 2800 km vom „Saltus“ entfernt stattfand. So stellte er auf diese Weise eine Verbindung über eine große Distanz her, wie er es auch schon mal an anderer Stelle tat, als er von einem „ad caput Juliae“ sprach, in dem die Forschung allerdings eine Quellenverderbtheit sehen möchte und statt „Juliae“ darin gerne „Lupiae“ lesen will da es dann besser zur Lippe gepasst hätte. Paterculus spielte jedoch damit schlicht und einfach auf den Julierpass an. Einen Stützpunkt an einer der wichtigsten Straßenverbindungen im römischen Reich, nämlich der ihm gut bekannten “Via Gemini” von Aquileia nach Emona dem heutigen Ljubljana. Eine Straße gut vergleichbar mit dem Helviusweg sozusagen die Via Helvius“ die bei Schwaney über die Egge führt und die wir heute deswegen vielleicht Hellweg nennen. Beides sind wie auch die “Via Gemini” bedeutende Passstraßen, wobei die “Via Gemini” schon unter Julius Cäsar begonnen, aber erst unter Augustus vollendet wurde. So dürfen wir bei Paterculus seine Tiefsinnigkeit nicht verkennen wenn er lateinische Namen wie den Julierpass erwähnt oder historische Begebenheiten miteinander vergleicht um damit der Varusschlacht ihren bedeutsamen Platz in der Geschichte zuzuweisen. So stellte er die letzten zwei großen Niederlagen des römischen Reiches auf eine Ebene und tat dies obwohl unter Crassus doppelt so viele römische Legionen als unter Varus aufmarschierten und auch der Verlust an Menschenleben in der vorderasiatischen Wüste höher gewesen sein dürfte. Es ist aber in diesem Zusammenhang angeraten auf die Person des Velleius Paterculus zu blicken. Denn noch vor allen anderen antiken Historikern war ihm daran gelegen, die ersten Quellen zur Crassusschlacht auszuwerten, wozu er offensichtlich bemächtigt war. Und dies tat er in einer seltsamen Ausführlichkeit wie wir sie uns im Falle der Varusschlacht von ihm gewünscht hätten. Paterculus stand der Crassus Schlacht zeitlich noch relativ nahe und brauchte nicht in Senatsakten stöbern wie man es bei Cassius Dio vermuten darf. Er war somit der römische Geschichtsschreiber schlechthin dem wir es verdanken auf gleich zwei antike Großschlachten eingegangen zu sein. Paterculus wurde etwa 33 Jahre nach der Schlacht von Carrhae geboren und soll sich auf Gaius Asinius Pollio ( 76 - bis 5 - ) gestützt haben, den er für seine Neutralität gelobt hatte. Diese Erwähnung ist um so beachtenswerter, als das sie zeigt wie wichtig es Paterculus war sich auf glaubhafte Personen zu beziehen, die sich der Neutralität verpflichtet sahen was auch die Glaubwürdigkeit und damit den Wert seiner Aussagen in Bezug auf die Varusschlacht steigert. Gaius Asinius Pollio der die Partherschlacht objektiv kommentierte, hatte keinen kaiserlichen Bannstrahl aus Rom zu befürchten, da Cäsar 53 - anders als Augustus bzw. Tiberius 9 + nicht in das Geschehen von Carrhae verstrickt waren und sich daher nicht zu Mitschuldigen gemacht hatten, während Paterculus der Staatsräson wegen sein Wissen über die Hintergründe der Varusschlacht zurück hielt. Crassus hingegen war damals mit Cäsar und Pompeius über das Triumvirat gleich gestellt und somit für seine Niederlage selbst verantwortlich. Unterschätzen wir also Paterculus nicht der wusste was er tat besser gesagt was er schrieb bzw. was er nicht schrieb. Es waren zwei Ereignisse die Paterculus zusammen führte und stellte dabei einen von ihm wohl durchdachten Bezug her. So wäre es auch zu kurz gegriffen würde man seine Bezugnahme auf die Crassusschlacht als einen bloßen und unbedarft gemeinten Vergleich abtun. Man würde einem Paterculus nicht gerecht werden und sollte ihn nicht unterbewerten, wenn er sich nur dieser Thematik gewidmet hätte um die triste Erinnerung an sie wieder aufleben zu lassen, oder um damit die rein informelle Botschaft zu verbinden, dass die Varusschlacht der Crassuschlacht in nichts nach stand. Paterculus stand in jungen Jahren sogar selbst am nur rund 76 km von Haran entfernten Euphrat und konnte sich einen Eindruck von der kargen Landschaft und den dortigen Schlachtengegebenheiten verschaffen, dürfte sich also ein umfassendes Bild zu den Geschehnissen von Carrhae gemacht haben und ließ sich den Verlauf bei dieser Gelegenheit vor Ort erklären. Auf dieses Wissen stützend avancierte er später zu einem Mitkommentator der Varusschlacht. In beiden Fällen erkannte er, dass die Ursachen für die Niederlage darin lagen, dass man sich jeweils zu tief in feindliche Abhängigkeiten begeben hatte. Crassus vertraute dem gegnerischen Verräter da ihm die Tücken der Halbwüsten fremd waren während Varus, da er in Unterzahl war auf die kriegerische Unterstützung der Cherusker angewiesen war. Beiden römischen Heerführer war gemein dass ihnen der Verrat nicht auffiel, sodass sie den Weg in den Untergang blind antraten. Die Schlacht die nahe Carrhae verloren ging war vor der Varusschlacht die letzte große Schlappe die das Imperium hinnehmen musste und das er diese Parallele ohne Hintergedanken gezogen haben soll möchte man ihm daher nicht abnehmen. Alle anderen verlustreichen Schlachten waren älter wie etwa die an der Allia gegen die Kelten, an der Trebia gegen die Punier, die Schlacht bei Cannae bei der Hannibal sechzehn römische Legionen vernichtete oder die verheerende Niederlage der Heerführer Mallius Maximus und Caepio gegen die Kimbern und Teutonen. Die Clades Lolliana unterdessen zog er nicht heran da sie ihm ungeeignet erschien um sie mit der Varusschlacht zu vergleichen. Aber die Schlacht bei Carrhae/Haran fügte sich vortrefflich in seine Vorstellungen zum Untergang der Varusarmee, als dass hinter seiner Erwähnung nicht mehr gesteckt hätte. Sein Vergleich verriet auf den ersten Blick nicht die darin liegende Brisanz, sodass man ihn in seiner Zeit nicht missverstehen konnte. Alle Befehlshaber auch in neuerer Zeit haben sich bis in die unteren Hierarchien mit der Aufarbeitung einstiger Niederlagen, vor allem aber mit den Verfehlungen der jeweiligen Anführer beschäftigt um daraus ihre Lehren zu ziehen. Für Paterculus wäre es sicherlich angemessen ihn auf eine Leistungsstufe mit Vitruv oder Polybios zu stellen wodurch seine Lebensleistung mehr Gewicht bekäme. Als Militärexperte und Analytiker mit taktischem Denkvermögen wusste Paterculus sehr wohl um den Parallelverlauf beider Ereignisse und setzte weniger die Masse der bei Carrhae Umgekommenen in Vergleich zur Varusschlacht als vielmehr die Authentizität der Schlachtabläufe, vermied es aber den ihm nicht entgangenen nahezu identischen Verlauf beider Ereignisse zum Thema zu machen. Denn Crassus leistete sich damals in der Tat ein krasses frühes Gegenstück zur Varusschlacht. Carrhae war bis dato der Inbegriff römischer Schande so war es um so schlimmer, dass sich etwas derartiges nun unter Augustus wiederholen konnte. Vergleiche schienen beliebt zu sein, denn auch Florus bediente sich wie Paterculus daran, griff aber eine andere bittere römische Niederlage auf, in dem er auf die durch Hannibal verursachte römische Niederlage in der Schlacht von Cannae 216 - anspielte und nicht auf Carrhae in der der Parther Surenas die Oberhand behielt. Cannae hingegen war ein wesentlich älteres und unpassenderes Ereignis da es als eine klassische Kesselschlacht unter völlig anderen Voraussetzungen verlief als Carrhae 53 – und war daher auch nicht mit dem mehrtägigen Marschgefecht in Ostwestfalen vergleichbar. Florus war im Gegensatz zu Paterculus kein Militärexperte, sodass sich ihm der Zusammenhang zwischen der Varusschlacht und der Crassusschlacht nicht erschloss. Paterculus griff die Schmach von Carrhae auf die er wegen der gleichfalls hohen Verluste und ohne in Verdacht zu geraten auf eine Ebene mit der Varusschlacht stellen konnte die für ihn zum Inbegriff von Staatsversagen wurde. Den Verlauf der Crassusschlacht beschrieb er derart minutiös, dass er auf die Hergangsbeschreibung der Varusschlacht wegen der hohen Identizität verzichten konnte. So gelang es ihm unauffällig den Verlauf der Varusschlacht unter dem Deckmantel der Schlacht von Carrhae darzustellen. Wenn überhaupt, so wussten nur die wenigstens im militärischen Stab des Varus welche Fehler Crassus damals beging, als dieser man möchte fasst sagen ebenfalls die Ratschläge seiner Generäle ignorierte als es zum Schwenk kam. Auch Plutarch zog Parallelen zu Varus in dem er besonders die Gier des Crassus herausstellte, die man auch Varus nach sagte also in der Antike schon weit verbreitet war. Crassus pflegte ausgiebige Tischsitten und empfing ebenfalls bevorzugt die „Männer des Volkes“, eine Form der Kontaktpflege die auch von Varus überliefert ist ihm aber letztlich nicht half die Katastrophe abzuwenden. Im Gegenteil, seine Gegner erkannten dadurch erst seine Schwachstellen und wussten auch von seiner Vorgehensweise. Beide einte zudem rednerisches Talent und man nahm wohl ungern die Empfehlungen anderer entgegen. So werden auf diesem Weg dank Paterculus auch die Details zur Varusschlacht deutlich. Paterculus, der sich mit Schuldzuweisungen in Richtung Kaiserhaus zurück hielt hätte ungeachtet dessen auch keine Zensur zu befürchten gehabt. Ein Bannstrahl der aber andere hätte treffen können wenn diese deutliche Worte gefunden hätten. So wie es Cassius Dio indirekt den Kaisern Augustus oder Tiberius unterstellt hatte indem sie Einfluss genommen haben könnten. So konnte Paterculus schon wenige Jahre nach der Varusschlacht auf diese Weise ihren Hergang schildern ohne Ross und Reiter zu nennen. Wer sich schon mal mit dem Verlauf der Schlacht bei Carrhae beschäftigt hat, dem sind wie Paterculus auch die Parallelen zur Varusschlacht nicht entgangen. Paterculus brauchte daher auch keine Schilderung mehr über den Verlauf der Varusschlacht vermitteln, denn es reichte schon einzig das Wort „Carrhae“ fallen zu lassen und jeder der sich damit befasst hatte, wusste wie sich die Varusschlacht zugetragen haben dürfte da er beides miteinander verglichen hatte. Crassus führte ein weitaus größeres Heer bestehend aus etwa 40.000 Soldaten und diese zogen zunächst am Euphrat entlang und nicht an der Nethe. Dann vollzog Crassus den verhängnisvollen Schwenk wie es nach dieser Theorie auch Varus tat, als er den Hellweg im Raum Brakel verließ um nach Süden in das Gebiet der Aufständischen zu gelangen. Von einer einer Armee einen 90 Grad Kurswechsel vollziehen zu lassen ist immer mit logistischen Risiken und militärische Wagnissen verbunden, sodass es hinsichtlich dieses Manövers wie bei Carrhae auch zu Uneinigkeiten unter den römischen Offizieren gekommen sein dürfte. Aus dieser Richtungsänderung spricht cheruskische Strategie und auch der römische Feldherr Crassus ließ sich auf Anraten des armenischen Fürsten Abgaros von Osroëne dazu verleiten. Beide Feldherren verließen die ursprüngliche Route was in der Konsequenz in beiden Fällen im klassischen Hinterhalt endete. Und auch Crassus tat dies damals nach dem es ihm ein Mann nahe legte, der sich später wie der Cherusker als abtrünnig erweisen sollte. Daraus kann man schließen, dass es ähnliche Unstimmigkeiten über die Korrektur des Zugweges auch 9 + gegeben haben könnte, da es die Kommandanten der drei laut Marbod entleerten Legionen, ebenfalls kritischer sahen als Varus. So könnte an dieser Stelle im Text der Paterculus Überlieferung der Hinweis verborgen liegen, dass es auch im Jahre 9 + militärischen Sachverstand gab den Varus ignorierte, was auch nicht verwundern würde. Gegenteilige Auffassungen und Ansichten können Missstimmung auslösen was in Streit endet und sich auf einen Feldzug verheerend auswirken kann, da es die Disziplin untergräbt. Auch Abgaros gelang es damals Crassus davon zu überzeugen sich von anderslautenden Ratschlägen nicht umstimmen und verwirren zu lassen und ihm glauben zu schenken. In Germanien hingegen war es Arminius ein Stammeshäuptling der sich durchsetzen konnte und dazu riet aufgrund besserer Marschbedingunegn zunächst den Hauptweg zu nutzen diesen aber später zu verlassen. Im Nethegau gab es keine Wüste aber der Kurswechsel den Crassus vollzog führte ihn geradewegs in die Arme von Surenas, einem Feldherrn auf Seiten der Parther. Somit wird im Wissen um den Verlauf der Schlacht bei Carrhae deutlich, dass Arminius nicht allein die tragende Figur der Schlacht gewesen sein konnte und es leitende Germanen gab die Varus erwarteten. Arminius ritt am ersten Tag davon um seine Männer zu sammeln und erschien erst wieder mitten im Schlachtengetümmel, was sich auf die Moral der Legionäre niederschmetternd ausgewirkt haben dürfte. Da Arminius in dieser Phase der Schlacht nicht überall gleichzeitig sein konnte, dürfte war er demnach auch nicht der alleinige Drahtzieher und Regisseur im Geschehen gewesen sein. Es weist hingegen darauf hin, dass sich in dieser alles entscheidenden Phase andere erfahrene Häuptlinge auf das Herannahen von Varus vorbereiteten und der vermeintlich zuverlässige Arminius die Rolle des Chaos stiftenden einzunehmen hatte. Obwohl in der Historie seine Helfer namenlos blieben und man sie nur pauschal als die übrigen Häupter bzw. die Obersten bezeichnete und auch der Name Segimer nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Kämpfen fiel, wird viel über die Bedeutung seines Vater Segimer spekuliert der zwar aus römischer Sicht im Schatten seines Sohnes stand in dem man aber aus germanischer Sicht den eigentlichen Sieger sah da der Plan von ihm stammte und man ihn daher auch in der frühesten Sage, dem Beowulf unter dem Namen Sigemund zu würdigen wusste. Und während der junge Arminius mit dem Schwert in der Hand den Angriff anführte, könnte es der Vater gewesen sein, der die Legionen am zweiten Kampftag mit anderen Hundertschaften und Stammesfürsten vor dem „Teutoburgiensi saltu“ empfing und er den germanischen Surenas abgegeben haben könnte. Paterculus brauchte uns also gar nicht mehr zu sagen, wer damals auf germanischer Seite den römischen Feldherrn im Aufstandsgebiet empfing, da es auf der Hand lag. So darf man dem Hinweis entnehmen, dass es auch Varus 9 + mit zwei Gegenspielern zu tun hatte von denen der eine ste Präsenz zeugt und der andere verdeckt agierte. Arminius mit dem er in engem Kontakt stand, der ihn beriet und möglicherweise sein Vater der voraus geeilt war um die Kämpfe zu lenken bis Arminius seinen Part übernahm. Ein Zusammenspiel, das die bedeutende Rolle von Segimer hervor hebt, der nach dieser Theorie dem cheruskischen Fürstengeschlecht der Wälsungen entstammte. Dem weisen Vater, dem man damals in Germanien im Gegensatz zu Arminius auch die größere Aufmerksamkeit entgegen brachte. Der Mann der unter dem Namen Sigemund in die germanische Sagenwelt eingegangen ist und der Ururgroßvater von Odin war. So bildete die vor Carrhae eingefädelte Strategie der Parther das unfreiwillige Drehbuch für die Varusschlacht die auch bei Varus erfolgreich verlief. Hätten in der römischen Generalität Personen vom Verlauf von Carrhae gewusst, wären diese früher skeptisch geworden. Auch Surenas der Militärstratege der Parther wie möglicherweise auch Segimer soll sich gegenüber dem Römer Crassus bis zum entscheidenden Zeitpunkt geschickt im Verborgenen gehalten haben und hatte jedes Treffen mit ihm bewusst vermieden um nicht in Verdacht zu geraten. Ein Hinweis darauf, dass sich auch Segimer sprich Sigemund in der antiken Literatur so rar machte und so erfahren wir vielleicht erst wieder auf diesem Weg von Paterculus, dass es damals auch unter den Cheruskern eine oder mehrere Personen gab denen es gelang sich ebenfalls bis zuletzt vom Tisch des Varus fern zu halten. Noch am Vorabend soll Segestes Varus gegenüber die fragwürdige Angabe gemacht haben in dem er nur Arminius als den gefährlichsten Widersacher bezeichnete so, als ob es nur ihn gegeben hätte. Eine Anspielung darauf, da die Aussage von Segestes stammt eines Mannes, dem man es in seiner damals prekären Lage anlässlich seines Triumphzuges im römischen Exil als Schutzbehauptung auslegen kann, besser gesagt darf man es aus Gründen der Reputation auch als Notlüge bezeichnen. Dazu wurden bereits diverse Kapitel veröffentlicht die diese Annahme untermauern helfen. „Segestes, wie man ihn auch sehen kann - Es ist nie so wie es aussieht“ vom 11.10.2020 und „Germanen und Römer in Lauerstellung – Segestes wurde zum Souffleur der Geschichtsschreibung – seine und unsere Fehleinschätzungen“ vom 25.9.2020. Paterculus hatte von Arminius eine überaus gute Meinung und man scheint sich sicher, dass er ihn aus seiner gemeinsamen Zeit in Pannonien persönlich kannte, da er ihn als Kämpfer für Rom bezeichnete und ihn als Begleiter betitelte. Frühestens 7 + bzw. 8 + dürfte Arminius aus dem pannonischen Aufstand der 8 + endete in seine Heimat zurück gekehrt sein. Arminius könnte um diese Zeit etwa 25 oder 26 Jahre alt gewesen als er von seinem Vater in die Vorbereitungen zur Revolte eingeweiht wurde. Da Arminius nicht imstande gewesen wäre in der kurzen Zeit von seiner Ankunft bis zur Varusschlacht die Vorbereitungen zu stemmen, dürfte in der Konsequenz Segimer wie damals auch Surenas den wesentlichen Anteil am Ausgang der Schlacht gehabt haben. Wir wissen nicht in welchem Verhältnis Vater und Sohn zueinander standen, aber Paterculus nannte den Vater von Arminius „princeps gentis eius“ was mit „Erster seines Stammes“ übersetzt wird aber der Zeitpunkt dürfte damals für ihn gekommen sein, langsam die Zügel aus der Hand zu geben. So könnte auch Segimer dem es durch seine Überzeugungsarbeit gelang die anderen Sippenältesten und Stammesoberhäupter auf einen Kampf gegen Rom einzuschwören und zu mobilisieren der eigentliche Held der Varusschlacht gewesen sein, was sich auch wie angesprochen mit der germanischen Sagenwelt in Einklang bringen lässt. Arminius hätte dann die Rolle zugestanden die einst Abgaros bei Carrhae inne hatte, dem es gelang Crassus glaubhaft zu machen in Gänze auf seiner Seite zu stehen. Und wie Arminius so ritt auch Abgaros in dem Wissen davon, dass Falle und Betrug nicht offenkundig werden würden und beide sollten Recht behalten, denn sowohl Crassus als auch Varus hatten den falschen Ratgebern vertraut was ihren Gegnern zum Sieg verhalf und auch Arminius hatte, als er Varus am ersten Tag verließ bereits eine größere Anzahl seiner Krieger im Gefolge und die Geschichte kennt in beiden Fällen zwei Personen. Die die im Hintergrund wirkten und die die nach außen die List verschleierten. Folglich eine Arbeitsteilung ohne die es auch 9 + nicht funktioniert hätte. Arminius fehlte wie dargestellt nach seiner Rückkehr die Zeit alle Vorbereitungen zu treffen und er konnte nicht über die Schlachtfelder, die Marschrouten, oder zu seinen Kampfrotten geflogen sein um alles zu inspizieren, alle einzuschwören und hätte auch nicht in Windes Eile die wichtigen Stammesfürsten von seinen Plänen überzeugen können. Er konnte nicht gleichzeitig kontrollieren, lenken, steuern, Befehle erteilen, und zudem noch Varus Ruhe und Frieden vortäuschen und ihn in Sicherheit wiegen. Er mag talentiert gewesen sein, zaubern konnte er nicht und jeder germanische Dickschädel wollte auch damals schon überzeugt sein, bevor er die Waffe in die Hand nahm. Schließlich verließ Arminius noch mit Varus gemeinsam das Lager und ritt mit ihm auch noch gemeinsam eine größere Wegstrecke bevor er sich von ihm trennte um seine Männer zu sammeln. Kann dieser Hinweis von Paterculus nur ein bloßer Zufall gewesen sein in dem er diese Gelegenheit nutzte um an die gewaltige Niederlage von Carrhae zu erinnern oder geschah es mit Absicht und er machte die Generationen nach ihm bewusst auf diese augenscheinliche Duplizität der Ereignisse aufmerksam. Unterschätzen wir also bitte nicht die geistige Flexibilität jener Menschen und insbesondere nicht die jenes Mannes, auch wenn dieser schon 2000 Jahre vor uns die Welt verließ. Ging es Paterculus wie im voraus gegangenen Kapitel dargestellt als er detailliert auf die vier römischen Varusschlacht Teilnehmer einging möglicherweise gar nicht um diese, sondern mehr darum der Nachwelt auch auf diese Weise einen deutlichen Bezug zwischen diesen beiden verlorenen Schlachten herzustellen. Wollte er einfach nur zum Ausdruck bringen, „schaut auf Carrhae und ihr wisst genau welchen Fehler Varus beging in dem er keine Lehren daraus zog“. So reichte ihm auch nur dieser eine Hinweis und er brauchte keine weiteren Worte verlieren um auch den Verlauf der Varusschlacht darzustellen. Während Crassus hingegen in eine deckungslose Wüste geriet, stolperte Varus förmlich ins Gegenteil, nämlich in versumpfte germanische Niederungen und regennassen Urwald. Aber spätestens als berichtet wurde, dass Crassus nur „meerähnliche Wogen von unzähligen Wüstensandhaufen, die das Heer einhüllten“ sah, sollte er bemerkt haben, dass man ihn auf eine falsche Fährte gelockt hatte. Und nach den ersten Lanzenwürfen wird auch Varus erkannt haben, dass man ihn in einen Hinterhalt manövrierte hatte denn von einem Volk, das mit ihm einen Zwist am grünen Tisch eines Tribunals beilegen wollte war weit und breit nichts zu sehen. Bis auf den Vegetationsunterschied bzw. Breitengrad beider Schauplätze stimmte nahezu alles was uns Paterculus damit sagen wollte überein. Es war deutlich genug und bedurfte daher auch keines Gesamtwerkes über die Varusschlacht mehr aus seiner Feder. Den römischen Feldherr vor Carrhae hinderte keine Vegetation und er konnte gegenüber Varus auch in Kampfaufstellung übergehen was ihm aber letztlich nicht half, da die Parther ihn mit dem größten Teil ihrer Armee aus versteckter Position hinter gestreckten Sanddünen auflauerten. Zudem lockten sie einzelne römische Verbände vom Hauptheer weg um sie besser vernichten zu können. Varus wollte diesen Fehler vermeiden in dem er so wie Paterculus es beschrieb unter Gewaltandrohung seinen Legionären verbot schon zu Beginn der Kämpfe zum Gegenangriff über zu gehen. Was aber auffiel ist, dass sich Paterculus einen Hauch zu viel der Varus`schen Fehlentscheidung widmete. Wohl wissend, dass abgespaltete Kampfgruppen Gefahr laufen schnell überwältigt werden zu können. Und obwohl dies aus der Sicht von Varus der richtige Befehl war, ließ es Paterculus bei ihm nicht durch gehen. So verurteilte er Varus wider besseres Wissens dafür und setzte sein militärisches Ehrgefühl dagegen um kein gutes Haar an ihm lassen zu müssen. Crassus wurde während der Kämpfe schwer verletzt und ließ sich von einem Diener töten, was Varus wie man liest noch selbst übernahm. In der Nacht ließen auch die Parther vom Gegner ab und die Römer entschlossen sich in dieser verzweifelten Lage zur Flucht, ließen ihre Verwundeten zurück aber nur wenigen gelang ein Durchbruch nach Syrien. Auch im „Teutoburgiensi saltu“ gab es Einheiten, die die Lage erfassten und die Flucht dem Kampfe vorzogen und sich nicht um die Fußsoldaten scherten oder um die Verletzten kümmerten. Die Schande von Carrhae prägte daraufhin mehr als drei Jahrzehnte lang die Beziehungen zwischen Parthern und Römern und erst am 12. Mai 20 vor Christus, also 33 Jahre später soll es Augustus auf diplomatischem Weg gelungen sein, die Feldzeichen und die noch lebenden Gefangenen von Carrhae zurück zu bekommen. So musste er sich damals die verloren gegangenen Legionsadler bzw. Feldzeichen förmlich zurück erbetteln, was ihm erst nach langem Mühen und unter Preisgabe römischer Machtansprüche am Euphrat gelang, dann aber von ihm wie ein Sieg gefeiert wurde. Augustus war auf dieses Ergebnis trotzdem so stolz, dass er diesen Tag zum Staatsfeiertag erklären ließ und der Tag sogar noch bis ins vierte Jahrhundert in Erinnerung blieb und durch ein Fest mit Zirkusspielen gefeiert wurde. Ein Beispiel wie man auch schon in diesen Zeiten mit der ungeliebten Wahrheit und der unerbittlichen Realität sein Spiel trieb. Der abgeschlagene Kopf des Crassus wurde übrigens wie es so Sitte war dem König in diesem Fall dem der Parther übergeben und bei den Cheruskern wollte man wohl Marbod mit dem Kopf des Varus für eine germanische Allianz günstig stimmen. Aber die größte Ehrverletzung wurde den Römern von jenem Abgaros von Osroëne angetan, denn er täuschte die Römer in dem er, ganz so wie Arminius es auch vorgab auf ihrer Seite zu stehen. Ein Hinweis darauf, dass Ehrverletzung Treue- und Vertragsbruch auch bei Carrhae wie später bei den Cheruskern schwerer wog als Niederlagen und menschliche Schicksale. Obwohl alle es nutzten schien Verrat in Verbindung mit Betrug, was die einen heute Whistleblowing nennen in dem man sich auf verwerfliche Weise Vertrauen erschleicht, das Schändlichste zu sein, was die Klaviatur der Kriegsführung zu Tage bringen kann. So verwundert es nicht, dass auch an den Cherusker dieser Vorwurf lange haften blieb und sogar noch bis heute als Name ihres einstigen Volkes fest im Sprachgebrauch verankert ist. Auch Abgaros hatte sich wie Segimer, der sogar mit seinem späteren Gegner noch einen Vertrag geschlossen hatte, noch vor der Schlacht den Römern gegenüber noch zum Frieden verpflichtet und wechselte dann analog zu Arminius in der heißesten Phase des Gefechtes die Fronten und stellte sich plötzlich unvermittelt gegen Crassus. Abgaros von Osroëne hatte seinen Part erfüllt, alles vorbereitet, arrangiert und eingefädelt und stand während dessen immer in ständigem Kontakt mit Surenas. So wie es wohl auch Arminius mit seinem Vater hielt. Und so war es Abgaros von dem auch der Name Ariamnes überliefert ist, der die römischen Legionen in ihrer Achtlosigkeit nichts ahnend in die Arme von Surenas trieb. Übrigens ganz ähnlich, wie es auch die sächsische Armee im Zuge ihres Frontenwechsels in der Völkerschlacht bei Leipzig vollzog. Ein Akt der auch in dieser Schlacht mit all seinen Konsequenzen zu einer massiven Demoralisierung unter den napoleonischen Truppen führte Es lässt sich daher gut nachvollziehen, was auch die römischen Legionen im Nethegau verspürten als ihnen ein einstmals treuer Verbündeter mit seinen gut ausgebildeten Kämpfern und ausgestattet mit besten römischen Waffen unerwartet die Gefolgschaft verweigerte. Wie Abgaros hielt sich anfänglich auch Arminius geschickt zurück und wie Crassus übersah auch Varus die Anzahl der Feinde. Abgaros griff die Römer die sich in die entgegen gesetzte Richtung orientierten unvermittelt an ihrer entblößten Rückseite an und die folgende Verwirrung und Orientierunglosigkeit erleichterten dem Feind das Abschlachten der Römer, so dass einige in ihre eigenen Schwerter fielen und sogar irrtümlich von ihren eigenen Kameraden getötet worden sein sollen. Als die römischen Legionäre von den Parthern fortwährend von allen Seiten gleichzeitig angegriffen wurden und ihre Schilder sie behinderten waren sie so eng eingeschlossen, dass ihnen der Bewegungsraum genommen war. Aufgrund der Anzahl der Leichen konnten sie keinen sicheren Fuß mehr fassen und fielen immer wieder über sie. So ist es eine Darstellung die der des Cassius Dio gleicht als man sich sich auch dort beim letzten Gefecht gegenseitig im Weg stand. Der Wald in Germanien war in dieser Zeit umfänglicher und schwer zu durchdringen und auch im Nethegau wussten die Römer nicht wo der Feind sie erwartete. Wege existierten nicht aber ständig taten sich ihnen weitere Hindernisse auf denn hinter jedem gestürzten Baum konnte Gefahr lauern und auch ihnen war der Einsatz von Waffen nicht mehr möglich. In Germanien war es ein Kampf im durch die Nässe glatt gewordenen Unterholz während es bei Carrhae die Hitze, der Durst und der aufgewühlte Staub waren, zumal die Schlacht Anfang Juni statt fand. Und so erzählten es auch die Überlebenden von Carrhae später, dass dies mit die Ursache dafür war, dass viele liegen blieben, obwohl sie eigentlich unverwundet waren. Cassius Dio greift gleichbedeutend die Unbillen des Wetters auf, dass sich gegen Rom verschworen hatte. Mit Einbruch der Nacht wichen bei Carrhae die Parther aus Sicherheitsgründen zurück, da sie keine Verschanzungen nutzten was sich auch mit dem Verhalten der Germanen deckt. Man kann also den Eindruck gewinnen, als ob Paterculus mit seiner Andeutung zwar die Schlacht bei Carrhae heran zog, dabei aber die Kämpfe zwischen Brakel und Borlinghausen im Auge hatte. So glich die Schlacht bei Carrhae was das Legen und Einfädeln des Hinterhaltes anbelangt der Varusschlacht nahezu bis ins Detail und die einstigen Vorgänge hätten auch dem in Syrien stationierten Varus nicht fremd gewesen sein dürfen. Ob Augustus es allein zu verantworten hatte oder es Tiberius war, der sich für Varus als Statthalter verwendet hatte bleibt unklar. Beiden wurde jedoch die Personalentscheidung schmerzlich bewusst und man musste sich eingestehen, dass es ein zweites Carrhae Trauma nun auch unter ihrer Herrschaft gab. Paterculus schrieb es in einer Zeit als in Tiberius ein Mitverantwortlicher für das damalige Desaster das höchste Amt bekleidete. So bestand immer noch die Gefahr, dass man in der Varusniederlage auch sein Versagen sehen konnte was Paterculus vermeiden musste. Als sich nach Paterculus mit Tacitus erstmals wieder ein römischer Historiker den Ereignissen zuwandte. Obwohl auch ihm mehr bekannt gewesen sein dürfte, verlor auch er kein Wort über den Hergang der Schlacht und ging in seinen Annalen nur auf das ein, was sechs Jahre danach am Ort der Niederlage passierte. Offensichtlich wollte man das alte Tabu des Mitverschuldens bis in seine Zeit hinein immer noch noch nicht brechen. Später oder fasst parallel zu Tacitus griff auch Florus das Thema auf. Seine Darstellungen waren politisch nicht mehr relevant zumal man ihm dem Dichter im damaligen kaiserlichen Hause keine historische Bedeutung mehr zuschrieb und in den Jahren auch das Interesse an der Varusschlacht abgenommen hatte. Er  entwarf aufgrund noch vorhandener Aufzeichnungen, die Detailkenntnis verrieten aber auch Erklärungslücken offenbarten angereichert durch seine Vorstellungskraft eine dem Volk von Rom leicht vermittelbare Schlachtenabfolge und stellte ein Lager in den Vordergrund in dem man zu Gericht sitzen wollte, da dieses schließlich der Hauptgrund für das Verlassen der Ursprungsroute war. Als dann nach großem zeitlichen Abstand Cassius Dio sich der Dinge annahm, gehörten die einstigen Vorsichtsmaßnahmen und Befindlichkeiten längst der Vergangenheit an. Er fragte nicht mehr nach Verantwortlichkeiten und berichtete ungezwungen über das was er für korrekt hielt und was ihm an seinen Vorlagen unglaubwürdig erschien veränderte er eigenhändig wie er selbst sagte. So konnte er zeitversetzt und ungestraft über 200 Jahre nach der Schlacht den wohl tatsächlichen Verlauf wieder geben und einen übersichtlichen Kontext herstellen der der Wahrheit am Nächsten kam. Auch daran hat sich bis in unsere Tage nichts geändert, denn auch heute noch bleiben politisch brisante Sachverhalte oft solange verschlossen bis die ehemaligen Protagonisten und verantwortlichen Drahtzieher keine Rede und Antwort mehr stehen können, da sie sich nicht mehr zur Verantwortung ziehen lasen. (19.08.2024)

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