Samstag, 1. Juni 2019
Germanien wurde vom römischen Imperium überrollt - Varus hätte auch als Sieger den Nethegau verlassen können.
Die heutige Forschung taxiert einen Generationen - Intervall auf einen Mittelwert von etwa 31,7 Jahren. Vor 2000 Jahren wäre er weitaus geringer ausgefallen und könnte bei 25 Jahren gelegen haben, aber es gibt keine belastbare Datengrundlage für eine Menschen Generation der keltisch/germanischen Mischkultur in Ostwestfalen, die Cassius Dio noch die „Keltike“ nannte. Ein Kind das in Germanien in den Zeiten der Drususfeldzüge zwischen 12 - und 8 - geboren wurde, als sich Rom anschickte sich Germanien einzuverleiben und dann als Erwachsener in einer Zeit verstarb, als sich der römische Spuk in Ostwestfalen um das Jahr 16 + dem Ende zu neigte, lebte in etwa innerhalb dieses Zyklus oder dieser Intervall - Periode. Lediglich eine Menschen Generation umfasste also diese rund 28 Jahre währenden Germanenkriege. Eine Zeitspanne die es aber für die Menschen in Ostwestfalen in sich hatte und eine explosive Phase darstellten, in der man sich von vielen althergebrachten Weltanschauungen trennen musste. Sie erlebten Dinge, die sie nie vergessen sollten und die sie an ihre Bewußtseinsgrenzen stoßen lassen sollte und die sie an ihre nachfolgenden Generationen weiter gaben. Ihre Lebensgrundlagen und ihre Kultur war in dieser Zeit massiven Umbrüchen ausgesetzt. Ein Volk, das sich aus vielen Stämmen, unterschiedlichen Sippen und Kleinstvölkern zusammen setzte stand unter Zivilisationsschock und wie man unter solchen Bedingungen handelt ist unergründlich und lässt sich nur über parallele oder vergleichbare Abläufe, wenn überhaupt rekonstruieren. Fremde Machthaber strömten ins Land, urteilten und richteten auf eine für sie bis dato unbekannte Art und Weise, störten ihre mythologischen Bräuche und veränderten ihr Denken. Überzogen ihr Land, wie Paterculus es über den Krieg zwischen 1 + und 5 + zum Ausdruck brachte, mit Feuer, Tod und Leid und verbreiteten über Nacht Mord, Angst und Schrecken, was besonders die germanischen Marser im Jahre 14 + zu spüren bekamen. Diese römische Walze legte keine Pause ein, kannte keine Bremsspuren und drohte alles germanische Leben zu ersticken. Ähnlich wie es die rigide Christianisierung der Sachsen unter Karl dem Großen traf und später Snorri Sturluson auf die Idee brachte die letzten Erinnerungen an die heidnisch germanischen Traditionen und das Wissen darüber in der Edda zusammen zu fassen, um es auf seine Art und Weise zu sichern und historisch zu verarbeiten. Römische Kultur und Lebensart soll sich laut Cassius Dio schon unter den Germanen breit gemacht haben. Man soll sich an sie gewöhnt und sich ihr angepasst haben. Demnach begann für sie bereits langsam der römische „Way of life“ die Oberhand zu gewinnen. Genau so, oder ähnlich beschrieb es uns Cassius Dio in Bezug auf die schon fasst unter den Germanen beliebt zu nennenden Marktbesuche. Man erkannte in vielem von dem was uns Cassius Dio überlieferte grundsätzlich gutmütige und wohl gesonnene vielleicht auch leicht naive Wesenszüge einer altgermanischen Bauernkultur. Menschen die von der Viehzucht lebten und nur selten zur Jagd gingen. Aber was wir uns für die Rom gegenüber positiv, weil dankbar gesinnten Ubier vorstellen können, dass traf wohl weniger auf alle Germanen zu. Denn Sugambrer, Tenkterer und Usipeter die Lollius besiegten oder die Cherusker die sich mit Rom bereits bei Arbalo schlugen werden hier wohl nicht gemeint gewesen sein. Kurz gesagt. Waldgirmes war eben doch nicht Höxter. Aber in Ostwestfalen werden für die Germanen auch neue zivile Baustrukturen, Stilelemente und Techniken sichtbar und mit ihnen einhergehend hielt auch unbekanntes Siedlungswesen Einzug. Aber auch die Militärarchitektur der umwallten Kastelle also die römischen Kasernen war für die Germanen gewöhnungsbedürftig. Und einen ganz besonders bedeutsamen Gebäudekomplex für die Unterbringung von Militär - und Zivilpersonal sehe ich in den über - und unterirdischen Resten innerhalb der großen Weserschleife zwischen Höxter und Corvey wie sie den Luftaufnahmen zu entnehmen sind. Nämlich das schon sprichwörtlich zu nennende und oft zitierte römische Sommerlager. Eine Sommerresidenz für die angenehmen Wochen des Jahres klingt gut. Aber was haben wir uns, immer voraus gesetzt die historischen Auslegungen der alten Schriften geben ein solches überhaupt her, unter einem römischen Sommerlager vorzustellen. Die festen Standlager links des Rheins waren und mussten vom Aufbau her winterfest sein. Man kann ihnen daher auch mit Recht den Namen Winterlager geben. Hinzu kommen die zahlreichen römischen Marschlager für den einmaligen Gebrauch, also Schutzanlagen, die nur für eine Nacht und vielleicht noch für wenige Tage genutzt wurden wie möglicherweise das Lager Hachelbich. Ihr Aussehen dürfte sich aber nur unwesentlich von jenen, der nur für eine Nacht genutzten Lager unterschieden haben. Wir können uns auch denken, dass Marschlager die regelmäßig, also mehrmals jährlich aufgesucht wurden den Charakter eines Durchzugslagers hatten. Sie wurden also nicht nach einmaliger Nutzung eingeebnet, damit man sie gegebenenfalls später wieder schneller bezugsfertig machen konnte. Ich sehe derartige mehrfach genutzte Lagertypen bevorzugt an den Hauptverbindungsachsen der damaligen Zeit. Ein aktuelles Beispiel könnte dafür das neu entdeckte Römerlager in Bielefeld – Sennestadt sein, dass sich auch in unmittelbarer Nähe an einer wichtigen alten Fern - Verkehrsverbindung befindet, nämlich dem Senner Hellweg. Ich vermute sie aber auch anderorts und immer nahe an den häufig frequentierten Routen, also auch im weiteren Verlauf der Strecke von Anreppen über Bielefeld – Sennestadt nach Minden und natürlich von Anreppen über Brakel nach Höxter. Ob es derartige Lager bereits in Richtung Südharzumgehung also Hedemüden gab oder auch am nördlichen Rand des Wiehengebirges in Richtung Rheine ist ebenfalls denkbar. Aber in welchem Ausbauzustand befand sich dieses, von mir dort an der Weser angenommene Sommerlager, bevor es verlassen und aufgegeben wurde. Jenes häufig als Sommerlager bezeichnete exponiert nach Osten vorgeschobene Weserkastell mit der Zielrichtung vermutlich später mal die Bedeutung einer Provinzhauptstadt zu erlangen, hatte bereits ein mögliches Vorbild rechts des Rheins, nämlich in der Römerstadt bei Lahnau – Waldgirmes die seit 1993 archäologisch erforscht wird. Einer Römerstadt die vermutlich der Statthalterschaft Mainz unter geordnet war. Man begann diese Provinzhauptstadt schon 13 Jahre vor der Varusschlacht etwa ab dem Jahre 4 – zu erbauen, wie sich über die dendrochronologische Wissenschaft bestätigen ließ. Cassius Dio schrieb es später in der Übersetzung mit den folgenden Worten nieder „Ihre (römische Legionen) Truppen überwinterten dort (in Germanien) und gründeten Städte (eben u. a. Waldgirmes), und die Barbaren (Germanen) passten sich ihrer Ordnung an, gewöhnten sich an Märkte und trafen sich in friedlichen Versammlungen“. Aussagen von Cassius Dio die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließen, die aber bis zum besagten Gegenbeweis in Form der Römerstadt Waldgirmes von der kritischen Wissenschaft höchst misstrauisch und ungläubig beäugt wurden. Gerade so, als ob Cassius Dio da irgend etwas missverstanden haben könnte. Diese römische Stadt die trotz zweier Wallgräben bereits eindeutig einen starken zivilen Charakter besaß, befand sich immerhin schon erstaunlich tief in Germanien. Nämlich bereits sage und schreibe 70 Kilometer östlich des Rheins bzw. 67 Kilometer nordöstlich des Rheinknies. Eine Strecke für die eine römische Legion sowohl ab Koblenz bzw. Confluentes, als auch von Mainz bzw. Mogontiacum aus betrachtet immerhin schon rund drei Marschtage unterwegs war. Was wiederum auch mehrere Marschlager dazwischen nötig machte. Im Zuge der Ereignisse nach der Varusschlacht wurde die Römerstadt Waldgirmes deren römischen Namen wir nicht kennen, nieder gebrannt, was im ersten Moment für jegliches Absterben römischen Lebens rechts des Rheins spricht. Aber als man begann an dieser Stadt im Jahre 4 – zu bauen und dafür die ersten Bäume fällte, dachte man an eine langfristige Präsenz in Germanien und konnte auch nicht ahnen, dass ihre Geschichte schon 13 Jahre später jäh zu Ende sein würde. In diesem Zusammenhang verdient auch die Dynamik der stürmischen römischen Expansionspolitik noch eine besondere Erwähnung. So wird als spätestes Gründungsjahr der Stadt Köln für das Oppidum Ubiorum 20/19 – angenommen und schon 16 oder 17 Jahre später überschritt erstmals ein Römer nämlich der Feldherr Ahenobarbus im Jahre 3 – die Elbe. Das römische Militärlager bei Mainz entstand etwa zwischen 15 – und 12 – , so dass man also schon etwa 6 bis 11 Jahre später begann an der Römerstadt Waldgirmes in Hessen zu arbeiten. Das ältere römische Xanten bzw. Vetera I wurde 13/12 - errichtet und auch Lippe aufwärts ging es danach mit ähnlicher Vehemenz und Bauintensität nach Osten weiter. Am römischen Hafenkastell Anreppen immerhin 147 Kilometer Luftlinie östlich von Vetera entfernt gelegen hatte man bereits ab dem Jahr 5 + begonnen zu arbeiten. Die hier nicht mit eingerechneten zahlreichen Lippeschleifen zwischen Xanten und Anreppen behinderten den römischen Drang nach Osten vorzustoßen in keinster Weise und verdeutlichen deren raumgreifende Vorgehensweise. Vor diesem Hintergrund betrachtet, müsste man das varianische Sommerlager an der Weser mit dem man etwa 7 + begonnen haben könnte, bauhistorisch betrachtet fasst sogar schon als eine verspätete und nahezu längst überfällige Baumaßnahme bezeichnen. Und es waren letztlich auch nur 145 Kilometer Luftlinie, die die Römerstadt an der Lahn von einem anzunehmender weise nordöstlich gelegenen varianischen Sommerlager unter einem heutigen Gewerbegebiet am östlichen Stadtrand von Höxter trennen. Und das man diese Römerstadt nahe Waldgirmes die sich bereits mitten in Germanien befand als winterfest bezeichnen kann, dürfte anhand des Fundhorizontes unstrittig sein. Germanien bis zur Elbe könnte man um diese Zeit als ein Erforschtes und Vermessenes neues Territorium bezeichnen. Ein Gebiet, das auch die Gründung neuer Provinzen zu ließ, die es später verwaltungstechnisch nur noch mit einander zu verbinden galt. Das Imperium setzte sich selbst unter Druck und wollte im ersten Jahrzehnt nach der Zeitenwende nicht viel Zeit verlieren, Augustus hatte seine Anordnungen gegeben, also wurde ein energisches Vorgehen zur Pflichtaufgabe für alle römischen Feldherren in Germanien. Vielleicht erhoffte man sich im Zuge der Annexion auch zusätzliche militärische Verstärkung aus den germanischen Stämmen des Nordens, um den Gefahrenherden im Mittelmeerraum bzw. im Orient mehr Legionen entgegen stellen zu können. So bezeichnete ich auch schon an einer anderen Stelle das „Sommerlager“ an der Weser als ein überwinterungsfähiges Sommerlager. Also ein Lager, dass man bis 9 + bereits römischen Fußsoldaten zumuten konnte, obwohl sie nicht sehr gewillt gewesen sein dürften, dort die Wintermonate zu verbringen. Aber es war ein Lager, dass man noch nicht als so autark oder als so vollwertig bezeichnen konnte, wie etwa Waldgirmes und indem sich ein Feldherr mit komplettem Gefolge den Winter über aufhalten wollte. Wenn die Weser nach dem Rhein bald der neue Ostlimes werden sollte, so war es nur eine Frage der Zeit bis aus dem Sommerlager das typische Winterlager mit der nötigen Infrastruktur geworden wäre. Denn einen Winter an der Weser zu überdauern hätte klimatisch betrachtet einem Lager am Niederrhein in nichts nach gestanden und wäre auch nur eine simple Frage der Nahrungsmittelbevorratung und des nötigen Brennholzbestandes gewesen. Und das hätte man vielleicht schon in den Jahren 10 oder 11 + zum Abschluss bringen können, wenn es nicht zur Varusschlacht gekommen wäre. Varus hielt es nicht wie später die deutschen Kaiser des Mittelalters, die von Pfalz zu Pfalz, zu Kloster, Abtei oder Königsgut zogen. Varus war der örtlich abkommandierte, also stationierte Statthalter des römischen Kaisers an einem kritischen Außenposten des Reiches und plante dort eine dauerhafte Residenz für das Imperium nach dem Vorbild der römischen Städte Neugründungen nahe den keltischen Zentren nach dem gallischen Krieg wie zum Beispiel Autun. Und die Civitas an der Weser sollte sicherlich einige Nummern bedeutsamer werden, als die Römerstadt Waldgirmes. Aber die Strategie der örtlichen Nähe zu den ehemaligen Zentren der Einheimischen behielt man bei und so suchten sie diese auch an der Weser, errichteten sie nahe den Fürstensitzen der örtlichen Machthaber, die sie mittelfristig zu beerben bzw. zu verlagern gedachten. Anfänglich hatten die Lager die Funktion die Einheimischen zu bewachen und unter Kontrolle zu halten. Später köderte und adaptierte man sie mit ihrer römischen Zivilisation. Unmerklich sollte die germanische Lebensweise verändert werden um sie später in ihrem Sinne besser manipulieren also beeinflussen zu können. Und die Gruben für den Bau von Amphitheatern den frühen Attraktionen der Unterhaltung waren bestimmt schon räumlich angedacht. Die Nähe zu den bis dato verherrschenden Kulturzentren zu suchen ist Wesensmerkmal römischer Militärstrategie. Dafür Beispielgebend ist auch die Römerstadt Waldgirmes, da sie nur acht Kilometer neben dem zerstörten keltischen Oppidum Dünsberg sozusagen „auf der grünen Wiese“ begründet wurde. Das römische Sommerlager an der Weser, dass ich gedanklich zu einem umfassenden Sommerlager Komplex aufwerten möchte, befand sich etwa 6 Kilometer Luftlinie nördlich des Weser nahen Fürstenberges. Das Wort Fürst entstammte dem althochdeutschen Wort „furisto“ für der Erste, der Vorderste oder der Anführende. Und da, wo am rechten Ufer hoch gelegen oberhalb der Weser in etwa an der Stelle an der sich heute die Reste eines mittelalterlichen Schlosses befinden, befand sich nach meiner Theorie der Fürstensitz des Segimerclans. Ich stärke meine Theorie damit, dass sich auch die antiken Römerstädte am Rhein grundsätzlich auf der dem Feind abgewandten linken Rheinseite befanden, wo der Fluss zusätzlichen Schutz bot. Während die Germanen ihre Hauptorte aus strategischen Gründen bevorzugt auf die rechte Uferseite verlegten. Römische Kolonisationszentren sucht man demnach bevorzugt auch immer im Nahbereich zu den Hauptorten der Einheimischen. Die germanischen Expansionsbewegungen nahmen ihren Ausgang im Norden und Osten und es galt für sie sich zunächst auf einen Gegner im Westen einzustellen. Was sowohl für ein römisches Sommerlager links der Weser aber auch für ein germanisches Pendant rechts der Weser sprach. Auch der Segestes Clan wird sich daher seinen Sitz auf der rechten Seite eines Flusses gesucht haben, wie es auch die Wallanlage Vogelbeck rechts der Leine unterstreichen könnte, eine beeindruckende Erdburg die mindestens seit der Spätlatènezeit befestigt gewesen sein soll. Und wie es heute noch an nur zeitweise genutzten Fürsten- und Königshöfen praktiziert wird, wie zum Beispiel am Schloss Balmoral der Sommerresidenz des britischen Königshauses in Schottland, so wurde vielleicht auch damals nur bei der Anwesenheit des Statthalters eine römische Standarte gehisst. Weilte aber Varus an der Weser, so könnte man aus den Überlieferungen von Cassius Dio schließen, dass wir uns dort auch das römische Machtzentrum also eine Schalt – oder Befehlszentrale vorzustellen haben. Hier wurden damals die politischen Hebel bedient und die militärischen Weichen gestellt und hier ritten die Delegationen aus der Großregion und das von Fall zu Fall auch in recht kurzen Taktzeiten ein und aus. Hier wurde, wenn auch nur auf die Region bezogen damals die große Politik gemacht. Hier schlugen die Wellen auf, kollidierten unterschiedliche Interessenlagen miteinander und prallten kleine und große Machtblöcke und Einflusssphären aufeinander. Abordnungen der Markomannen, Langobarden, Sueben und anderer germanischer Stämme wollten zu Roms Statthalter engen Kontakt halten und mit ihm auf Tuchfühlung bleiben, wollten wissen und heraus finden, wie es in den nächsten Jahren an der Weser weiter gehen würde. Plante Rom möglicherweise wie beim großen Krieg geschehen, der im Jahre 5 + endete und den Paterculus den „Immensum exarserat bellum“, also einen gewaltig entbrannten Krieg nannte, wieder neue militärische Vorstöße die bis an die Elbe führen sollten. Musste man sich also in Germanien auf neue Kriege und Eroberungszüge einstellen, oder konnte man friedlich in die Zukunft blicken. Überlebens wichtige Fragen für alle Stämme des Ostens die damals sicherlich Priorität hatten. Aber es ging dabei auch um anderes. Nämlich um den zivilen also den nicht militärischen Teil der römischen Okkupation. Brauchten die Römer an der Weser möglicherweise zusätzliche Nahrungsmitteln, also mehr Vieh oder Getreide zur Versorgung der Legionen, oder waren germanische Hilfskräfte für die zahlreichen Aufbauarbeiten nötig. Was man alles gerne angeboten hätte, wenn die Gegenleistungen stimmten. Wollte man vielleicht auch mal nachfragen, ob noch germanische Söldner im Dienste des Varus oder des Imperiums gewünscht sind. Oder dürfen es auch mal Sklaven, Blondhaar oder Bernstein sein. Insgesamt geeignete Währungen um sich beliebt zu machen. Alles in allem ging es immer auch um die grundsätzliche Frage inwieweit man von der römischen Präsenz in Germanien unmittelbar profitieren konnte, denn auch Germanen waren Geschäftsleute. Es wird also viele Gründe gegeben haben, warum man zu Varus Kontakt suchte, lautere und weniger lautere. Die warnenden Hinweise eines Segestes verhallten schnell und waren in dieser Zeit daher auch nur ein Thema von vielen anderen. Denn vom Grundsatz her fühlten sich die Römer an der Weser stark, mächtig und vor allem vertraglich gut abgesichert. Was die Äußerungen von Segestes anbetraf, so gewannen diese für eine in historischen Dimensionen denkende Nachwelt, wie die unsrige erst durch die später darauf folgenden Ereignisse an Bedeutung. Hätte alles einen anderen Verlauf genommen, wäre Segestes vermutlich in der Bedeutungslosigkeit versunken. Germanen waren vielseitig interessiert und wurden zum integralen Bestandteil der Römer an der Weser und so riskierte man auch immer einen Blick auf die römische Truppenstärke, deren Ausstattung und man wollte sehen welches Kriegszeug sie mit sich führten. Germanen legten ihre Waffen nie weit weg, wurden als listig beschrieben und wenn sie in die Zentren römischer Zivilisationen gelangten und ihre Lager oder deren Umfeld betraten, so sahen sie mit verkniffenen Augen alles was sie sehen wollten. Sie sahen, ob sie es mit wehrhaften und motivierten Männern zu tun hatten und erkannten aus den Augenwinkeln heraus auch schnell ihre Stärken und Schwächen. Ihnen wären sofort moderne Waffen wie möglicherweise Katapult Abschuss Geräte aufgefallen, sollten sie vorhanden gewesen sein, oder andere ihnen unbekannte Waffenarten. Denn im Imperium wurde sicherlich vieles genutzt, ausprobiert und auch angewendet, was vielleicht in den militärischen Versuchsanstalten, wie ich die Gladiatoren Schulen mal nennen möchte, vorher getestet wurde und das waren nicht nur Schleudertechniken. Die Germanen waren lernfähig und hellwach und es dürfte ihnen nicht viel entgangen sein. Das unterschiedliche Wesen zweier sich fremd gegenüber stehenden Lager, Kulturen und Völkerschaften zu erforschen und kennen zu lernen war für sie sicherlich attraktiv und stimulierte all ihr Sinnen und Trachten. Aber es ging damals für Varus in Ostwestfalen um mehr, als nur darum den richtigen Kurs für den anstehenden Rückweg zum Rhein zu finden oder einen kleinen Aufruhr zu ersticken, den ihm ein Germane meldete. Auch konnte damals beim Abzug der Legionen aus dem Sommerlager noch niemand wissen oder ahnen, ob es überhaupt zu einer Schlacht kommen und wenn, wie umfangreich sie ausfallen würde geschweige denn, wie diese dann ausgehen würde. In eine ernste Gefechtslage zu geraten, stand für große Teile der römischen Soldateska und der sie begleitenden Zivilbevölkerung daher auch gar nicht unbedingt zur Debatte. Nur aus den Kreisen diverser Mitwisser deren Größenordnung wir natürlich nicht kennen und die über einige Detailkenntnisse verfügten, kamen verhaltene Unkenrufe. Ob dann eine mögliche Schlacht auch noch zu Gunsten Roms ausgehen würde, oder nicht war demzufolge auch erst recht kein sonderlich aktuelles oder brisantes Thema im Sommerlager. Man hatte eben viele andere Dinge an die man zu denken hatte. So sollte man sich auch heute davor hüten alles damalige nur auf die Varusschlacht zu reduzieren. Denn Ostwestfalen war seinerzeit auch von einem allgemeinen Pioniergeist erfasst und beherrscht. Goldgräberstimmung wäre zu weit gegriffen, aber es überwog eine gewisse wirtschaftliche Aufbruchstimmung. Ich beschrieb sie bereits im Zuge meines Kapitels über die römische Civitates „Selicasa“, also das Tempel artige Prunk Gebäude aus marmorartigem Silicat- bzw. dem Bachtuffgestein, wie man ihn in der Region abbauen konnte, um ihn in Corvey zu verbauen. Corvey der mögliche neue Herrschaftssitz des Statthalters. So ging es vielen Personen vermutlich noch bis zur letzten Minute und in erster Linie darum, sich noch rechtzeitig die lukrativen Pfründe am zukünftigen Erfolg einer prosperierenden Landschaft zu sichern. Denn vergessen wir auch an dieser Stelle nicht eines. Die bedeutsamen Bodenschätze Germaniens befanden sich östlich von Höxter im und hinter dem Harz bzw. den folgenden Mittelgebirgen und nicht im Norden in den weiten uninteressanten Sümpfen, Mooren und Niederungen der norddeutschen Tiefebene. Von einem Weltreich, dem es gelang mit einem unvorstellbar gigantischen Truppenaufgebot und einem logistischem Kraftakt soeben noch einen ganzen Landstrich an der Donau zurück zu erobern, in dem man den gewaltigen Pannonien Aufstand nieder schlug, konnte man noch vieles erwarten und die zahlreichen Nutznießer standen bereits in den Startlöchern. Das es vor dem erfolgreich beendeten Pannonienkrieg und das natürlich nur aus „taktischem Geschick“ heraus sozusagen noch „en passant“ gelang den mächtigen Germanenkönig Marbod und das obendrein kampflos auszuschalten und in die Knie zu zwingen, nur um auf diesem Wege die nötigen Truppen für den Krieg gegen die Pannonier und Dalmater frei zu bekommen wurde bekanntlich auch noch wie ein glorreicher römischer Sieg gefeiert. Obwohl es eher der Sieg eines Feldherr Tiberius am „grünen Tisch“ der Diplomatie gewesen sein dürfte. Wer wollte diesem imperialen Machtfaktor in der rückständigen germanischen Welt noch Paroli bieten. Ein derartig hoch gerüsteter und perfekt organisierter Militärapparat wirkte auf die Unterdrückten einschüchternd und musste einfach als unbesiegbar gelten und die Strahlkraft wuchs von Jahr zu Jahr, solange sie ungebrochen war. Germanische Kontingente und Personenschützer in römischen Diensten hatten eine lange Tradition und Geschichte, Cäsar setzte sie gegen die Kelten ein, Augustus hatte sie schon vor der Varusschlacht in seine Leibgarde integriert und es ist auch sehr nahe liegend, dass Arminius mit seinen Cheruskern in Pannonien zum Einsatz kam. Möglicherweise wurde sogar Flavus der Bruder von Arminius auch schon im Zuge dieser Kämpfe verletzt und verbrachte danach einige Zeit im Lazarett, bevor er sich mit Arminius später das Streitgespräch über die Weser lieferte. Möglicherweise standen später besonders jene Germanen in dem Ruf, bzw. es haftete den germanischen Verbänden eine besondere Kriegstauglichkeit an, wenn sie aus den ehemaligen Widerstandsregionen der früheren Germanenschlachten an der Weser kamen. Ein Makel von Illoyalität also eines Verrätertums konnte, möchte man spekulieren, dem wohl nichts anhaben. Diese Attribute ließen sie im Dienste des Imperiums später als besonders nützlich erscheinen. Man kann das auch an neuzeitlichen Kriegen festmachen, denn das Militär machte da noch nie einen Unterschied. Man denke nur an jene deutschen Wehrmacht Soldaten die man alle problemlos in die französische Fremdenlegion integrierte, ohne nach ihrem Vorleben zu fragen. So ist es auch denkbar, dass germanische Söldnereinheiten, kamen sie denn aus Ostwestfalen nach dem Ende des Pannonienaufstandes hoch willkommen waren und für weitere Einsätze nicht in die niederrheinischen Standlager oder in ihre Heimat entlassen wurden, sondern im weiteren Verlauf anderen römischen Legionen angliedert wurden, in denen sie dann noch lange ihren Dienst taten, wofür es Beispiele gegeben haben könnte. Möglicherweise schufen sie innerhalb des römischen Militärwesens sogar eigene Traditionen und bildeten darin einen festen Bestandteil. Das römische Ostwestfalen auf dem Sprung zur Elbe, an der Schwelle zu den Erzabbaustätten im Harz oder seinen Bleivorkommen in Westfalen hatte für alle viel zu bieten. Wer konnte denn auch auf römischer oder auf germanischer Seite schon im voraus wissen, ob die gewagte Arminius Aktion letztlich überhaupt erfolgreich verlaufen würde. Nicht nur unter den Leuten des Segestes auch unter den Arminen selbst sahen sicherlich schon einige, wie Segimer, Arminius und andere Stammeshäuptlinge gesenkten Hauptes in Fesseln nach Anreppen geführt wurden, sahen wie der germanische Widerstand kläglich in sich zusammen brach und sorgten sich um ihre Zukunft. Auch darauf galt es sich vorzubereiten. Wer jetzt zu Varus stand und zu ihm den besten Zugang hatte, konnte am Ende der Gewinner sein und damit zum Profiteur aller zukünftigen Aktivitäten des Imperiums im Osten des Reiches werden. Wer wollte sich da auf diesen Fall nicht vorbereiten und nicht das Vertrauen des Feldherrn besitzen oder es gar auf`s Spiel setzen. Denn wer das Vertrauen des Feldherrn erschleichen wollte, der sollte ihm tunlichst nach dem Mund reden, wovon viele Gebrauch gemacht haben dürften. Es gab natürlich wie wir wissen sehr viele Wagnisse in der Taktik der Cherusker und es war beileibe keine ausgemachte Sache, dass alles im Sinne der Arminen verlaufen würde. Wir können uns daher auch gut vorstellen, wie es in Ostwestfalen bei einem Triumph des Varus weiter gegangen wäre, denn dazu bedarf es keiner großen Phantasie. Brukterer, Angrivarier, Chatten oder Marser hätten unterwürfig ihre Untergebensheitsadressen bei Varus abgegeben und um Nachsicht gebeten. So, wie es damals sehr verspätet auch die Teutonen gegenüber dem Imperium taten. Die Welt hätte sich in Ostwestfalen im römischen Sinne auf lange Zeit stabilisieren können. Man hätte sich in der Großregion mit dem römische Reich arrangieren und hätte sich auf ein Zusammenleben mit Rom einrichten müssen. Der Zivilisationstransfer vom Rhein an die Weser hätte ab diesem Zeitpunkt immense Ausmaße angenommen, Kelten und andere Völker wären ins Land geströmt und das Imperium hätte als nächstes Ziel wohl nicht nur die Elbe anvisiert. Denn was hätte sie davon abhalten sollen, wenn sich ihm kein Widerstand entgegen gestellt hätte. Und auch die später einsetzende Völkerwanderung hätte eine andere Dynamik entwickeln können, wenn sich den Ostgermanen schon eine in sich einige römisch/westgermanische Front bereits an der Weser entgegen gestellt hätte. Aber am Vorabend der Schlacht stand dies alles in Ostwestfalen auf des Messers Schneide und wer wollte da nicht vorgesorgt haben und auf der richtigen Seite stehen. Die Vorstellung man hätte für Varus dem Triumphator im Falle eines Sieges in Rom den roten Teppich ausgelegt und man hätte ihm dort einen glorreichen Empfang geboten war nicht weit her geholt. Schon oft wurden im Imperium aus siegreichen Feldherren sogar spätere Kaiser gemacht. Nicht auszudenken, wie schnell das Land an der Weser unter der römischen Verwaltung latinisiert worden wäre und Segestes der treueste Römerfreund aller Zeiten, wäre zum Reichsverweser ernannt worden und hätte fortan seinen festen Platz samt seiner Sippe im Zelt des Feldherrn inne gehabt. Krönender Abschluss wäre möglicherweise noch eine darauf hin ausgerichtete Familienpolitik gewesen. Jedenfalls hätten fortan die Uhren in Ostwestfalen anders geschlagen, als wie es letztlich ausging. Ein Sieg des Imperiums im „Teutoburgiensi saltu“ wäre für Segestes wie ein Lottogewinn gewesen, denn er hätte mit dem geringsten Einsatz den größtmöglichen Gewinn erzielen können. Das gegenteilige Szenario wäre eingetreten. Die römischen Abstellungen hätten sich für die Arminen unerwartet als unbezwingbar erwiesen, die Kommandanten der drei Legionen hätten die richtigen Befehle erteilt, Asprenas hätte zum Schrecken der Germanen seine Trompeter voraus geschickt und hätte dann auf erstaunliche Weise noch in kürzester Zeit seine zwei Legionen als Entsatz heran geführt. Die keltischen und germanischen Auxilareinheiten die zu Rom standen, hätten sich hervorragend geschlagen, römische Waffenqualität hätte sich auf ganzer Linie durch gesetzt und römische Kampfdisziplin das übrige getan. Das schlechte Wetter hätte zudem entfernter wohnende Germanen davon abhalten können lange Regenmärsche zu bewältigen. Es hätte aber auch andererseits plötzlich auftretende optimale Wetterverhältnisse herrschen können und die Mehrtagesschlacht wäre für Rom auf trockenem Boden unter blauem Himmel ohne Komplikationen verlaufen und wäre zu einem durchschlagenden Erfolg geworden. Eine interessante Gedankenkette, der wir aber entnehmen können, was damals für alle Seiten aber vor allem die Germanen auf dem Spiel stand. Gleich ob es ihnen bewusst war oder nicht. List war gefragt, denn kein Germane sollte tunlichst seine wahre Gesinnung zu früh erkennen lassen. Und um so bedeutsamer wird da erst die Feststellung, welchen Mut und welche Selbstbeherrschung die revoltierenden Germanen damals aufbringen mussten, in dem sie derartige Gedanken verdrängten, zur gemeinsamen Sache standen und Ausbrüche von Siegesgewissheit oder gar Optimismus vermieden bzw. dies nicht durch unnötige Gestik zum Ausdruck brachten. Oder konnte sich die germanische Front der Arminen so sicher sein und konnte auf so viele Kräfte zurück greifen, dass man einen einzelnen Segestes nicht zu fürchten brauchte, da man sich hoch überlegen wähnte. Ich denke, dass für übertriebene Euphorie und vorzeitiges Frohlocken kein Grund bestand und die Germanen das Unternehmen mit voller Entschlossenheit angehen mussten, wollten sie es zum Erfolg führen. Viele kritische Stimmen, die die Verhältnisse im Detail nicht kannten oder gewichten konnten, werden voll auf Varus gesetzt haben. Aber die dazwischen Stehenden, die Ängstlichen, Verzagten und Unschlüssigen, die Zweifler und Bedenkenträger, sie werden alles daran gesetzt haben um Varus eindringlich davon zu überzeugen, er möge ins abseitige Rebellengebiet doch besser ohne sie marschieren. Sie wären ja nur hinderlich und ohne sie käme er doch viel besser voran. Ein Weg um selbst möglichst gefahrlos und unbeschadet zur Lippe zu gelangen. Es war eine komplexe Gemengelage die uns da von Cassius Dio und anderen antiken Historiker in so knappen Worten beschrieben wurde und es hätte damals nur weniger Drehmomente an den Stellschrauben der Geschichte bedurft und das gesamte Schlachtengerüst eines Hinterhaltes wäre schon frühzeitig in sich zusammen gebrochen. Es lässt sich aber auch davon ableiten, warum Varus damals so und gar nicht anders entscheiden konnte. (1.6.2019)

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