Freitag, 1. April 2022
Das Geschehen am 3. Marschtag - Dem 2. Kampftag - Versuch einer Rekonstruktion
Auch die Nacht im Notlager I., dem möglichen "prima Vari castra" fand mal ein Ende und die noch verbliebenen kampffähigen Legionäre verließen es irgendwann in den Morgenstunden. Ihre Konstitution entsprach den Umständen, ihre Zuversicht vom Vortag war dahin und ihr Selbstvertrauen angeschlagen. Aus den einst souverän auftretenden Offizieren wurden Gejagte im fremden Land. Einstige Unbefangenheit und Gutgläubigkeit hatte sich als Trugschluss erwiesen, der Generalstab hatte seinen Irrtum zu spät erkannt und der eigentliche Grund für den Marsch einen Aufruhrs zu beenden hatte in Gänze an Bedeutung verloren. Die einstige Überlegenheit war innerhalb von 24 Stunden verflogen, Verzweiflung stand ihnen ins Gesicht geschrieben, ihr Weitermarsch wurde zur Flucht und der Feind schien jetzt allgegenwärtig. So in etwa darf man ohne Übertreibung den Zustand der Armee beschreiben, nach dem was uns Cassius Dio verraten hatte. Anknüpfend an den letzten Abschnitt bewegte sich der angeschlagene römische Kriegszug dieser Theorie nach am zweiten Kampftag auf dem "Oberen Bördenweg" aus Richtung Fahlenbruch/Schweckhausen kommend nach Westen auf das heutige Peckelsheim zu. An der Nordwestflanke der Börde etwa am Oberlauf der Taufnethe angekommen trennten ihn jetzt noch etwa 8 Kilometer Luftlinie vom Einstieg in den Saltus. Bis in die Umgebung der Ortschaft Löwen marschierten sie vermutlich durch das besagte Offenland der Börde. Ein Gelände das für verdeckte germanische Angriffe nur begrenzt geeignet war. So sollte man annehmen, dass sie bis dorthin weitgehend unbehelligt blieben, worüber aber Cassius Dio andere Informationen vorlagen. Denn er berichtete auch über römische Verluste in der Phase des Abzuges. Der Ort Löwen nutzt übrigens seine exponierte Lage an der Bördekante als touristisches Aushängeschild und wirbt mit dem Slogan "Ein Dorf mit Weitblick"!. Dem hätte wohl Varus auch nichts entgegen zu setzen gehabt. Denn er empfand es vermutlich so wie es auch Cassius Dio hinterließ indem dieser am Morgen nach dem Verlassen des Lagers offenes Land erreichte. Germanien war damals durchgängig von Wald - Sumpf und Moorland überzogen und die Siedlungen der Bewohner lagen je nach Bodenqualität darin verstreut. Im Betrachtungsraum hatte es den Charakter einer Mittelgebirgsregion und war zudem geprägt von Fluss- und Bachauen samt ihren Niederungen. Mit Ausnahme der Börde dürften die unwirtlichen Böden einer auskömmlichen Landwirtschaft in weiten Bereichen entgegen gestanden haben. Da man unter Offenland aber zunächst ackerbaulich nutzbare Gegenden verstand, Kornkammer dürfte zu hoch gegriffen sein, darf man sich trotzdem die Frage stellen, wo man im Großraum vor rund 2000 Jahren eine derart begünstigte Region noch hätte antreffen können als hier, wo sich Börde als geschlossenes Anbaugebiet zeigte und eine heraus ragende Bedeutung besaß. Unzugängliche, schlecht nutzbare und zudem lang überflutete Flusslandschaften mit hohem Wasserstand zwang die Menschen Anhöhen zu nutzen und sicherlich half man auch damals schon nach in dem man sich zusätzliche Trockenzonen schuf um dem Boden bei Bedarf mehr Nahrung abgewinnen zu können. Viele der in Ostwestfalen diskutierten Varusschlachtfelder lassen sich nur mit Abstrichen mit der hier deutlich zum Ausdruck gekommenen Beschreibung "Offenland" in Verbindung bringen und die antiken Historiker erwähnten die darin liegenden Siedlungsinseln nur wenn sie im Zuge römischer Rachefeldzüge partiell verwüstet wurden. Aber hier vermutlich südlich von Schweckhausen wurden die Legionen und das vielleicht sogar unerwartet mit einer ungewöhnlich reichhaltigen Agrarlandschaft konfrontiert. Aus den Worten von Cassius Dio spricht somit auch Tröstliches und Positives und es lässt sich bei ihm ein leicht euphorischer Unterton heraus hören. Wie ein Blick in die teilweise Jahrhunderte alte Literatur zur Varusschlacht zeigt, hat man sich bislang nicht mit der nötigen Sorgfalt auf den Gesamtablauf der Varusschlacht konzentriert und näherte sich ihr bzw. beleuchtete meist nur Teilaspekte daraus. Griff mal diese oder jene Textstelle heraus bezog aber nie alle möglichen Aspekte mit ein.
Sinnvoller wäre es immer schon gewesen, ein alles umfassendes, belastbares und disziplinübergreifendes Fundament zu entwerfen in das man die zahlreichen Hinweise hätte einfügen können. So verwundert es auch nicht das noch kein Historiker die Örtlichkeiten zwischen Brakel, Schweck- und Borlinghausen näher in Betracht gezogen hat, zumal die Region nicht nur einen Saltus vorweisen kann, sondern sich auch mit dem Standort der "Arminiussäule" in Verbindung bringen lässt, einer weiteren besonderen Auffälligkeit gleich einem Alleinstellungsmerkmal. Gerät die Laienforschung in Erklärungsnöte bemüht sie gerne den Zufall. Aber war es auch ein Zufall, dass man Varus möglicherweise mithilfe des "sugambrischen Marsergespenstes" in den südlichen Nethegau lockte und lehrt nicht die vielerorts sichtbar gewordene weil durchdachte Herangehensweise des Arminius, dass dieser Mann wenig dem Zufall überließ ? Dann war es auch kein Zufall, dass er Varus genau dorthin lotste, wo er die größten Siegeschancen sah und sich genügend Kämpfer gegen Varus mobilisieren ließen. Soweit die Theorie in der Theorie. Schaut man sich die zahlreichen und oftmals akrobatischen Rechenspiele mancher in historischen Dimensionen denkenden Geschichtsfreunde an, so scheitern selbst plausible Überlegungen oftmals schnell am Vorstellungsvermögen über die Anzahl der Germanen die damals zur Verfügung standen um gegen Varus kämpfen zu können. Fielen die Prognosen, Schätzungen und Annahmen zu niedrig aus, dann stellte man schlicht und einfach fest, dass die Varusschlacht nur ein mindergroßes und maßlos übertrieben dargestelltes, gar aufgebauschtes Ereignis deutscher Geschichte gewesen sein musste. Lag der Fall umgekehrt, dann hatten da wohl doch noch ein paar mehr Germanen in der Region gelebt als allgemein angenommen. Strotzten dann die Hochrechnungen also nur so vor Massen an germanischen Kämpfern, dann war dies schlichtweg unmöglich, da Ostwestfalen damals soviel Mäuler gar nicht stopfen konnte. Verwirrung löste dann allerdings wieder Paterculus aus, der von gewaltigen drei untergegangenen Legionen et cetera sprach, oder Florus der dann diese in ihrer Gesamtheit nahe oder innerhalb eines einzigen Lagers untergehen sah, was dann wiederum die Rechenkünste beflügelte und hoch gesteckte Kalkulationen nach sich zog, die für eine erhebliche germanische Überlegenheit gesprochen hätten. Die Antwort liegt wie sich im Zuge der vielen Kapitel heraus arbeiten ließ in der Mitte. Die Germanen hatten sich nach Lage der Dinge um das Jahr 9 + keiner unbesiegbaren römischen Übermacht entgegen zu stellen. Das Unternehmen war von Anfang an nicht aussichtslos und ihren Sieg begünstigte nicht nur der Heimvorteil, sondern auch noch zahlreiche andere Faktoren. Im Zuge dieser Analyse bietet sich zusätzlich die Hypothese an, dass die geschwächte Armee, da in sich ausgehöhlt und entleert, frei nach Marbod nur noch aus einer Hülle einstiger Kampfkraft bestehend sich nun einer stabilen, gesunden und gut genährten germanischen Landbevölkerung gegenüber sah, die zudem von einem exzellenten Germanenfürsten angeführt wurde. Und da lebten sie nun, empfingen Varus quasi vor ihrer Haustür und die Distanzen die die "Bördegermanen" von dort aus zum Schlachtgebiet zurück zu legen hatten waren überschaubar und alles hilft die Frage zu beantworten wie relativ einfach es doch gewesen sein könnte, die Reste der Varusarmee am zweiten Kampftag nieder zu kämpfen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich auf Basis einer Mehrtagesschlacht der Marschzug schon am ersten noch kampflosen Tag über einen Anmarschweg von Höxter nach Brakel über 25 Km erstreckte und an vielen germanischen Höfen und Siedlungen vorbei führte. Man durchquerte bewohntes Gebiet wo Sippschaften lebten unter denen sich wiederum viele Familienangehörige befanden, die Waffen führen konnten und wollten und bewegte sich beileibe nicht durch menschenleeres Ödland. Und vermutlich erst ab Hampenhausen begannen die Gefechte wo man in den Schlachtenkorridor eintrat. So lässt sich betonen, dass die Germanen definitiv keinen Mangel an Kämpfern gehabt haben dürften. Sorgen machen musste sich Arminius wohl eher um deren Ausdauer. Aber nochmal zurück zum Schauplatz bzw. zu jenem Morgen als die Varusarmee ihr, nennen wir es Basislager I. und nicht "prima Vari castra" (Tacitus) oder "Waldgebirge Lager" (Cassius Dio) oder "Gerichtslager" (Florus) bzw. "Eggius Lager" (Paterculus) verließ. Cassius Dio berichtete, dass die Römer "nach dem Verlassen" erneut Verluste zu beklagen hatten. Aber er drückt dies nicht in der drastischen Weise aus mit der er die Kämpfe beschrieb, die noch am gleichen Tag zu späterer Stunde im dichten Wald folgen sollten. Er zieht alles in einen knappen Kontext und benötigt dazu nur einen Satz der da lautet.

"Am nächsten Tag rückten sie in etwas besserer Ordnung vor, erreichten sogar offenes Land, kamen aber nicht ohne Verluste davon".

Was man sich unter der kurzen Darstellung "kamen nicht ohne Verluste davon" vorzustellen hat ist für die Verlaufsforschung der Varusschlacht nicht unbedingt relevant, aber dennoch nicht uninteressant. Denn man kann den Eindruck gewinnen, dass die Germanen der römischen Armee nach dem Verlassen des Lagers keine Verschnaufpause mehr gönnten. Genauso kann es sich aber auch nur um ein einzelnes Gefecht gehandelt haben, dass sich unmittelbar nach dem Verlassen des Lagers oder im Verlauf des Vormittages entspannte. Da wie bereits dargestellt die Germanen am längeren Hebel saßen und in dieser Phase keinen erhöhten Druck aufbauen brauchten könnte man diesen Hinweis auch als ein kurzzeitiges Geplänkel oder Scharmützel begreifen. Glaubt man Cassius Dio, was uns wohl nicht anderes übrig bleibt, dann hatte Varus dort zweifellos Verluste zu beklagen. Der Lesart zufolge nahmen sie aber keine die Mehrtagesschlacht betreffend wesentlichen Ausmaße an und tangierten den Weiterzug auch nicht in seiner Grundausrichtung. Es klingt eher nach einem weiteren Aderlass, den Varus erneut über sich und seine Armee ergehen lassen musste zumal im Offenland zu kämpfen für die Germanen aus taktischen Gründen nicht unbedingt ratsam war. Es war aber auch ein Hinweis darauf wie leidvoll und zermürbend Varus sich, ständig Angriffe befürchten zu müssen, vielleicht schon fasst apathisch wirkend und nahezu schicksalsergebend fortzubewegen schien. Andererseits sollte man die Varus noch verbliebene Schlagkraft, die erst in der Waldschlacht gebrochen wurde während des Marschgeschehens noch nicht unterschätzen. So hatte er also das im Zuge des Abzuges zur Plünderung frei gegebene Nachtlager verlassen, blickte zu Beginn und auch während des Marsches in die lichte Weite der Bördelandschaft wurde attackiert und zog weiter nach Westen in Richtung Saltus wofür er den einzig vorhandenen Weg nutzte. Irgendwann hatten die Germanen vom Nachtlager abgelassen, suchten auf parallelen Pfaden Anschluss an die römischen Verbände oder ritten ihnen einfach nur nach. Als dann die, nennen wir sie mal "plündernde Horde" den Anschlus an Varus gefunden hatte kam es möglicherweise zu dem besagten mit Verlusten verbundenen Aufeinandertreffen, dass aber kein Vergleich mit dem war, was Varus noch bevor stand. Soweit das Geschehen im rückwärtigen Bereich des römischen Marschzuges. Denn andere Germanen könnten unterdessen schon damit beschäftigt gewesen sein, sich dort zu positionieren wo Varus im Verlauf seines Marschzuges vorbei kommen musste, anders ausgedrückt sie bezogen ihre Stellungen von wo aus sie die weiteren Gefechte aufnehmen wollten. Varus rückte weiter vor und hatte jetzt westlich von Peckelsheim die Börde verlassen. Hier stieg nun das Gelände an und das bisherige Offenland ging in das ungute Waldland über. Was dann geschah verrät ein Blick in die Übersetzung der Cassius Dio Textstelle 56.21 (2) der unseren Wissenstand unter Verwendung aktueller Wortwahl verdeutlicht.

"Von dort aus (damit ist das letzte Lager gemeint) gelangten sie wieder in Waldgebiete in denen sie sich gegen ihre Angreifer zur Wehr setzten. Da sich Kavallerie und Infanterie zwischen den Bäumen auf engstem Raum fortbewegen mussten, behinderten sie sich im Kampfe gegenseitig und erlitten dadurch schwerste Verluste".

Ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass man nun das baumlose Offenland verlassen hatte. Nach den Kämpfen vor und im Fahlenbruch und den Verlusten im Verlauf des Vormittags nach dem Verlassen des Nachtlagers scheinen die Kämpfe im Wald die endgültige Niederlage eingeleitet und nahezu besiegelt haben.

"Und nun wurde der Zug des Varus der zudem von heftigen Regengüssen und Wind begleitet war, erneut angegriffen. Die Legionäre kamen nur schwer voran konnten keinen Tritt fassen und die Wetterverhältnisse hinderten sie am Gebrauch ihrer Waffen. Denn sie konnten weder mit ihren Bögen noch mit ihren Wurfspeeren, noch mit ihren Schilden erfolgreich agieren, da diese völlig durchnässt waren und immer schwerer wurden. Ihre germanischen Gegner hingegen litten weniger darunter, da sie leicht ausgerüstet waren, sich ungehindert annähern und nach belieben wieder zurückziehen konnten. Darüber hinaus hatten die feindlichen Streitkräfte stark zugenommen, da viele von ihnen, die zunächst wankten, sich aber nun in der Erwartung plündern zu können ihnen anschlossen. So konnten sie die Römer leichter einkreisen und nieder schlagen, deren Reihen jetzt ausgedünnt waren, da in den früheren Kämpfen schon viele umgekommen waren". 

Das fatale und extrem verlustreiche wird in dieser Phase deutlich und Cassius Dio eröffnet damit den Schlussakt. Soweit auszugsweise die Interpretation der Textstelle 56.21. Und wieder ist es nur ein einziges scheinbar unauffälliges Wort, das uns hier weiter hilft. Es lautet der Übersetzung nach schlicht und einfach "wieder" kann aber auch mit "erneut" übersetzt werden. So bedeutet es, dass man aus dem Wald des letzten Nachtlagers heraus kam, vorübergehend in der offenen Landschaft unterwegs war, während dessen auch Verluste erlitt, dann aber "wieder" in tückische Waldgebiete eintauchte. Ein Blick auf die Landkarte und der Verlauf der Strecke zeigt es an. Denn daran lässt sich ablesen, wo es sich in etwa zugetragen haben könnte. Sie kamen von Schweckhausen, ihr Zugkorridor war durch den Oberen Bördenweg vorgegeben und der Saltus sollte den Endpunkt markieren. Man hielt sich demnach westlich von Peckelsheim auf und ab dort veränderte sich zusehend wieder die Landschaft zu dem aus römischer Sicht betrachteten Nachteil, da man hier den Nordwestwinkel der Warburger Börde verlassen musste. Das heutige Löwen befand sich südwestlich von Varus und im Westen lagen vor dem Saltus jetzt nur noch zwei bewaldete leichte Höhenrücken die aber den Blick auf die dahinter liegende Egge noch etwas versperrten. Aber die Unvergänglichkeit der Geographie hält sich auch heute noch an die Beschreibung die uns Cassius Dio hinterließ. Denn die Legionen hatten auf dem Weg bis zum Saltus nachdem sie die offene Börde verlassen hatten in der Tat "wieder bzw. erneut" Waldgebiete zu passieren und diese befinden sich auch heute noch unverrückbar da, wo sie sich auch schon damals ausdehnten, nämlich zwischen Peckelsheim und Borlinghausen und zu Varuszeiten dürfte sie noch nahtlos in die Ausläufer und Hangwälder der Egge übergegangen sein. Diese Waldgebiete könnte Cassius Dio erwähnt haben. Sie erstreckten sich über die zwei Höhen rund sieben Marschkilometer westlich des vermeintlichen Nachtlagers im Fahlenbruch. Und sie befanden sich da, wo es hinter Peckelsheim für den Ackerbau begann uninteressant zu werden. Die römischen Legionäre mussten nun in ihrer desolaten Verfassung zu jeder Zeit mit dem Gegner rechnen, der sie sogar schon auf freiem Feld attackiert hatte und erwarteten in den vor ihnen liegenden Waldgebieten nun den entscheidenden Schlagabtausch. Das Arminius schon im deckungslosen Offenland angriff könnte auch für seine Überlegenheit gesprochen haben und nicht nur für den Übermut seiner Cherusker, denn unnötige Opfer auf seiner Seite wird er vermieden haben und über waghalsige Unternehmungen anderer Stammesführer schweigen die Quellen. Man hatte am Vortag die Grundlage für den Sieg geschaffen. Varus war noch immer stark aber auch deutlich geschwächt, stand jetzt isoliert und auf sich allein gestellt mitten in Germanien und hatte immer noch einige Kilometer bis zur Egge vor sich was den Germanen genügend Raum bot, die Schlacht in ihrem Sinne zu Ende zu führen. Im von Cassius Dio überlieferten Waldgebiet errichtete Arminius nach dem Fahlenbruch die zweite Front. Aber hier erwartete Varus keinen Überraschungsangriff und hier tat sich auch kein plötzlicher Hinterhalt auf und hier konnten demzufolge auch die Germanen diesen Vorteil kein zweites Mal mehr für sich verbuchen. Denn während auf die Gefechte am Vortag noch der Name Marschgefecht zutrifft, fand das nun folgende Schlachtgeschehen unter völlig anderen Voraussetzungen statt, denn hier vollzog sich ein Gefecht mit Ansage, was aber für Arminius mit keinem Nachteil mehr verbunden war. Hier musste Varus mit einem Angriff rechnen und hier bündelte Arminius daher auch seine Kräfte und erzwang die Entscheidung. Ältere Karten zeigen, dass der alte Bördenweg von Borlinghausen vorbei an der stattlichen Eiche bis Peckelsheim durch Wald verlief. Dieser Theorie nach kämpften die Cherusker im eigenen Stammesgebiet und infolgedessen ruhte auch auf ihnen die Hauptlast und Verantwortung für das Gelingen der gesamten Schlacht. Aber im Zuge des Marschgeschehens am zweiten Kampftag ist auch noch ein Blick auf die germanischen Siegerstämme fällig. Unser Wissenstand über die Völker, die den Cheruskern damals beistanden beruht auf recherchierbaren Grenzziehungen zu den infrage kommenden und sie unterstützenden Anrainerstämmen. Es waren die in der Nähe zu ihnen siedelnden Brukterer, Marser/Sugambrer und Chatten, während die weiter nördlich siedelnden späteren Bündnispartner wie Angrivarier, Dulgubiner möglicherweise auch Suevi nicht in Betracht kamen und auch in den Quellen im Zuge der Varusschlacht keine Erwähnung fanden. Da solch eine Großtat ein einzelnes Naturvolk trotz günstiger Voraussetzungen wie es etwa die Börde- und Waldlandschaften boten überfordert hätte, tat das cheruskische Fürstenhaus gut daran die in der Region lebenden Stämme in die Allianz einzubinden. Aufgrund der Lage des Schlachtfeldes im mittleren Nethegau, das sich im weiteren Verlauf in den Südwestwinkel des Stammesgebietes verlagerte brauchte Arminius zunächst nur jene Völker in die Allianz einbeziehen, die in diesem Umfeld an der Diemel, auf dem Sintfeld oder dem Sorat sesshaft waren. Kämpfer auch aus größeren Entfernungen sind natürlich nicht auszuschließen. Man darf annehmen Arminius habe die römische Resttruppe aus taktischen Gründen auf ihrem Zug in den "Wald der nassen Wurzeln" in relativer Sicherheit gewogen bevor er die Entscheidungsschlacht suchte. Und hier auf den bewaldeten Höhenrücken wollte er sie statt finden lassen. Vielleicht war es auch kein Zufall, dass man sich der Tradition verpflichtend dafür entschieden hatte. Ein Waldgebiet übersät mit Relikten und Ritualplätzen der Altvorderen. Stein- und Hügelgräber, die selbst aus cheruskischer Sicht schon prähistorischen Charakter besaßen. Hier kam die römische Armee nach dem Marsch den sie nach dem Verlassen des Fahlenbruch Lagers zurück gelegt hatten bereits geschwächt an, hatte an Dynamik eingebüßt und wurde gestoppt. Ihr Marsch war mit erheblichen Verlusten verbunden, ihre Kräfte dürften aufgebraucht gewesen sein und die Strapazen hatten ihnen die Widerstandskraft genommen. Die Germanen verschanzten sich in den Waldgebieten die die Legionen durchqueren mussten um zum Eggeaufstieg zu gelangen. Aufgrund der erhöhten Lage konnten die germanischen Späher Varus und sein Heer kommen sehen. Aus welchen Richtungen die Germanen in dieses Waldgebiet vorstießen lässt sich aus ihrer jeweiligen Stammeszugehörigkeit und ihren Siedlungsgebieten zurück verfolgen. Abordnungen umliegender Stämme bis weit über eine Tagesmarschdistanz hinaus werden den Saltus abgestiegen sein, kamen aus Richtung Bonenburg und Ikenhausen oder zogen längst der Egge heran. Schlägt man dazu nur einen 20 Kilometer Kreis der seinen Mittelpunkt an der Peckelsheimer Feldwegkreuzung Mark/Grundweg hat, dann lässt sich der Einzugsbereich aufgrund der Marschleistung schnell ermitteln. Es hatte sich herum gesprochen, dass Varus schon ein Großteil seiner Männer verloren hatte und es um seine Schlagkraft und Moral nicht mehr zum Besten stand und alle hatten von den Bränden im letzten Nachtlager erfahren oder die Rauchwolken gesehen. Wollte man in die Schlacht eingreifen, so war ihnen bewusst, dass sich auch ihr Risiko jetzt erheblich reduziert hatte. Aber es werden sich auch Germanen an der Endschlacht beteiligt haben die an den Kämpfen des Vortages gar nicht teilgenommen, die noch nie Kontakt zur Varusarmee, geschweige denn überhaupt jemals einen römischen Soldaten von Nahem gesehen hatten. Die bewaldeten Höhen zwischen Peckelsheim und Borlinghausen trennten die Börde von der Egge, bildeten den letzten Riegel vor dem Saltus und waren wie geschaffen um darin die Schlacht auszutragen. Ein gut gewähltes Kampfgebiet und wer schon mal zu Pferde durch einen Wald ritt kann nachvollziehen wie es der römischen Kavallerie erging. Hier musste die Varusarmee ihre Geschlossenheit aufgeben und verlor im Unterholz den Kontakt zueinander. Die Region lag im Schwerpunkt der sich damals zur Wehr setzenden germanischen Stämme und wo man sich unmittelbar bedroht fühlt oder man sich Beute verspricht, da entwickelt man auch den nötigen Kampfgeist. Also schwer vorstellbar, dass auch die Festlegung auf diese Örtlichkeiten dem puren Zufall entsprungen sein soll, oder möchten wir wieder in überwunden geglaubte Gedankenwelten zurück verfallen und unseren Altvorderen das nötige Talent und die Fähigkeit absprechen durchdachte Strategien entwickeln zu können. Und da sich die Herangehensweisen nicht nur von in Notlagen geratenen Naturvölkern gleichen und bis in unsere Tage unverändert geblieben sind, lassen sich auch viele überholt geglaubte Methoden übertragen und immer noch anwenden, wenn sich der Mensch den Schlachten entscheidenden Wildwuchs der Natur zunutze machen muss. Sollte sich in der Zukunft im Lichte neuer Erkenntnisse herausstellen, dass sich die Kämpfe auf parallelen Trassen vollzogen, so lassen sich die hier gewonnenen Prinzipien auch als Basis, Richtschnur oder Stütze nutzen und können auch bei abweichenden Theorien zum Leitgedanken werden. (01.04.2022)

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