Dienstag, 19. September 2023
Die Wälsungen – Fürstengeschlecht der Cherusker ?
Aus dem Sagenhaften das Reale zu isolieren sollte eine wieder kehrende Pflicht und Kür für die Geschichtsforschung darstellen. Ein motivierendes Thema mit Ewigkeitspotenzial zu dem die Zeitgeschichte zeitweise auf Distanz geht, das aber weder ignoriert noch delegiert werden sollte und in dem nicht nur die „Völsunga Saga“ einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Der gesamte Sagenkomplex macht einen großen Anteil an unserem historischen Erbe aus und die Herausforderung besteht darin sich ihm unvoreingenommen nähern zu müssen. Mit Sigurd respektive Siegfried, in „urdeutsch“ wohl Sifrit genannt weil es so im Nibelungen Lied geschrieben steht, ließe sich eine Brücke über die Zeiten schlagen. Bezöge man dann die antike Literatur mit ein, dann könnte es sich bei Sifrit im übertragenden Sinne um Arminius gehandelt haben. Etymologisch betrachtet würde es dann auf die altsächsische Irminsul hinaus laufen, die einst in Ostwestfalen stand, deren unbekanntes Aussehen die Menschen seit langer Zeit zu gestalterischer Vielfalt verleitet, damit aber den klaren Blick auf sie vernebelt hat. Sifrit und Arminius wären demnach ein und dieselben Gestalten gewesen, die die deutsche Geschichte in zweierlei Hinsicht geprägt haben. Während Sifrit der Legende entstammt, soll es sich bei Arminius unstrittig um eine reale Person gehandelt haben. Sifrit in der Schreibweise Siegfried war das Endglied einer Kette die auf der Genealogie der Völsungen Saga basiert. Arminius erging es vergleichsweise ähnlich, wenn man das Wissen aus römisch historischer Quelle betrachtet. Das Bestreben der Geschichtsforschung zu stützen, die seit jeher über die Epochen betrachtet Ausschau nach Durchgängigkeit und Kontinuität hält ist die Antriebsfeder dieser Theorie was aber aus Gründen der Komplexität auf Skepsis stoßen darf. Möchte man sich dennoch mit ihr anfreunden, dann würde auf Arminius der Verdacht lasten, dass sich hinter ihm der letzte große Stammhalter einer vergangenen Führungsschicht verborgen hält, der über mehrere Generationen herrschte und auf einem Mann mit Namen Odin aufbaute. Der uns bekannte Stammbaum des cheruskischen Fürstensohnes Arminius hingegen reicht basierend auf den antiken Quellen nur zurück bis zu seinem Vater Segimer, während da die Völsunga Saga wesentlich weiter und tiefer greift. So macht es eben einen Unterschied, ob man der einheimisch germanischen Quelle vertrauen möchte, oder dem Halbwissen einer einstigen Besatzungsmacht folgt. Arminius ein Nachfahre der großen Cheruskersippe dessen Namen wir nur den antiken Schriften entnehmen können wäre demnach auch eine Waelse gewesen. Verschmolzen sie miteinander, dann besaß diese Person an der Weser die ungeteilte Macht über die Cherusker und wurde im Zuge der Schlachten gegen Varus ,- Germanicus und Marbod zum Inbegriff germanischer Widerstandskraft. Für ihn findet sich in der mündlich und schriftlich übertragenen Geschichtsdarstellung kein würdiger Nachfolger mehr, und die Sage nennt uns ebenfalls weder den Namen eines Wälsungers der auf Siegfried respektive Arminius folgte, noch kennen wir einen von allen Cheruskern akzeptierten Anwärter aus der Segimer Sippe dem man den „Thron der Cherusker“ anvertrauen wollte. Schlussendlich erwähnt sowohl die Völsungen Saga für den Sagenhelden Siegfried den letzten seiner Hierarchie keinen Sohn, noch für Arminius dessen leiblichen Sohn Thumelicus man nach Ravenna deportierte, sodaß beiden eine direkte Nachfolge versagt blieb. Auf Italicus den Abkömmling des einstigen Hochverräters Flavus, dürfte sich die cheruskische Oberschicht als auch die Gesamtheit des Stammes nach dem Ableben von Arminius als seinen legitimen Erben nicht verständigt haben. Ihn auf Basis einer zuvor beim römischen Erzfeind Rom eingeholten Zustimmung durchsetzen zu wollen wird man zudem auch als Schmach empfunden haben. Damit endete auch mit Arminius die für eine direkte Nachfolge nötig gewesene Blutlinie dieser scheinbar Janus köpfigen Person was auf seine Identität mit Sifrit hinweist. Zudem ist es nicht unüblich, dass in unterschiedlichen Kulturkreisen wechselseitige Namensgebungen existierten wie das Beispiel Attila/Etzel zeigt. So erlosch das Haus Wälsung für deren Gründe uns die Sage keine Erklärung bietet, während wir dank der antiken Geschichtsschreiber meinen zu wissen, dass die Cherusker im Streit unter gingen. Die Hierarchie der Völsungen endete den Quellen zufolge bei dem Namen Siegfrid bzw. Sigurd während er gemäß der Donaueschinger Nibelungenhandschrift C.) unter dem Namen Sifrit in die Sagengeschichte einging. Ein Name wie man ihn in gekürzter Form dem dialektisch geprägten germanischen Volksmund entnommen hatte, aus dem sich später der hochdeutsche Name Siegfried entwickelte. Als die antiken Quellen schon im Verlauf des römischen Prinzipats zu versiegen begannen verabschiedete sich auch das alte Wissen um Varus und Arminius aus der Literatur der römischen Klassik und in der Zeit der großen Völkerverschiebungen erlosch jegliches Interesse daran. Und auch in Italien übergab man die alten Geschichten dem Volksmund, wo es sich noch bis heute im Aberglauben der italienischen Unglückzahl 17 erhalten haben soll die sich vermutlich von der 17. Varuslegion ableitet. Eine Epoche in der es zu massiven Umwälzungen kam, in der sich alle bestehenden Strukturen auflösten und auf die eine nachrichtenarme Zeit folgte. Da man um diese Zeit andere Sorgen hatte stößt man in dieser Epoche erwartungsgemäß auch bei keinem antiken römischen Schriftsteller auf den Namen Sifrit und da Karl der Große die in Arminius fortlebende und an ihn erinnernde Irminsul schon tilgte bevor die Zeit der Sagen anbrach, sucht man auch darin den Namen Arminius vergeblich. Aber in Germanien schlugen die Uhren anders, dort nahm ab dem 6. Jhdt. langsam Sifrit und der Drache seinen Platz ein und die Legende verlieh ihm Kontur und Symbolik. Dieser Theorie folgend konnte sich Arminius am einstigen Austragungsort der Varusschlacht nahe Borlinghausen eine Nische bewahren, wo er sich noch lange im Gedächtnis der Bevölkerung Ostwestfalens halten konnte. Und auch der etymologische Forschungszweig erkennt in Irmin bzw. Ermin den Ursprung des Namens Armin, womit sich unschwer auch ein direkter Bezug zur Irminsul herstellen lässt. Ein Name wie er erst im 5. Jhdt. durch die aus dem Nethegau ausgewanderten Falen und Sachsen in Südengland Verbreitung gefunden haben könnte, da die keltische Zunge andere Namen bevorzugte. Später bürgerte sich der Name auch auf den britischen Inseln ein und ist durch Sichfrith, Sigfred oder Sigfrodo des im 9. Jhdt herrschenden Königs von Dublin belegt. Es war der germanischen Mundart geschuldet, die das Wort Sigfrid oder Siegfried nicht nur als Sichfrit aussprach, sondern der es sogar gelang es umgangssprachlich bis zum Namen Sifrit zu verstümmeln. Und auch der Name des heiligen Siegfried von Schweden aus Växjö der im 11. Jhdt. lebte, den man auch Sigfrid oder Sigfridus nannte spricht für die weite Verbreitung des altgermanischen Namens Sifrit und nicht nur Sigurd auch im nordeuropäischen Sprachraum. In Italien hingegen dürfte sich der Name erst im Zuge der langobardischen Landnahme verbreitet haben. Jener Volksstamm der die Cherusker vermutlich schon gegen Germanicus unterstützt hatte und dann gemeinsam mit ihnen Marbod besiegte. Dieses westlich der Elbe siedelnde Volk, das anfänglich in einer Allianz mit den Cheruskern stand übernahm später die Rolle einer Schutzmacht und integrierte Teile von ihnen. Aus Italien kennt man den Namen Sifrit in den Varianten bzw. Schreibweisen Segafredo, Segafreddo, Seganfreddo aber auch Siffredi und Sifredi die aufgrund der langobardischen Besiedelung besonders im Piemont, im Aostatal, aber auch im östlicher gelegenen Venetien proportional häufig vertreten sind. Namen, die sich mindestens ins 5 und 6. Jhdt. zurück verfolgen lassen also lange bevor man die Donaueschinger Nibelungenversion, die Lieder Edda, die Völsunga Saga, oder die Thidreks Saga verfasst hatte. Ein Name der einer Keimzelle entstammte und dem sich möglicherweise seine Ursprungsregion Ostwestfalen entnehmen lässt. So darf man konstatieren, dass die geschichtliche Entwicklung des Namens Sifrit, Sichfrit bis zu Siegfried nicht erst in der mittelalterlichen Hochzeit der Christianisierung Verbreitung erfuhr, als man erkannte die Taten der Altvorderen würdigen zu sollen oder meinte sie heroisieren zu müssen, die aber zu forderst dazu geeignet waren um damit die Religiosität zu fördern. So dürfte der Name Siegfried in all seinen gesprochenen Formen bereits in den Tagen der Varusschlacht und sicherlich auch schon früher in Gebrauch gewesen sein. Möchte man romanhaft in die Zeit der Ereignisse gleiten, dann gehört dazu die Rekonstruktion sich vorzustellen, auf welche Weise die Cherusker an der Weser erstmals vom Erscheinen römischer Legionen am Rhein Nachricht bekamen. Dort wo Waels, der Vater von Sichmund, pardon Sigemund alias Segimer und Großvater von Siegfried respektive Arminius im ersten vorchristlichen Jahrhundert lebte. Der Mann nach dem man das Geschlecht und seine Nachfahren Wälsungen nannte. Errichtet man ein Zeitgerüst und nimmt Arminius als Bezugsgröße da sich sein Alter in etwa zurück rechnen lässt, dann könnte Waels wie ihn der Beowulf Epos nennt um das Jahr 67 – geboren worden sein. So war er möglicherweise 12 Jahre alt als Cäsar 55 – seine erste Brücke über den Rhein schlug. Eine Zeit in der rechts des Rhein zwischen Lippe und Sieg noch die Sugambrer siedelten, die in der Region die niederländische Sprachvarietät hinterlassen haben könnten. Ein Stamm für den die frühe „kölsche Hochkultur“ nur den abfälligen Namen „Sig“ übrig hatte aus dem sich die „Schäl Sig“ entwickelte. Aber Cäsar schockte mit seinem Jahrhundertbauwerk nicht nur die direkten Anrainerstämme am germanischen Ufer, sondern auch die tiefer im Hinterland siedelnden Stämme, eine Entwicklung die die über den Rhein geflüchteten Treverer bereits prophezeit haben könnten. Auch wenn man sich dafür diverser Flussinseln bedient haben dürfte, so muss die Tat Cäsars, dem das Menschen kaum mögliche gelang, nämlich über einen der breitesten Flüsse Mitteleuropas eine Holzbrücke zu legen auf alle wie ein Epoche machendes, einschneidendes und unvorstellbares Ereignis gewirkt haben. In Erwartung glaubhafter Augenzeugen die es bestätigen konnten wurde später deutlich, dass die Welt nicht mehr die war, von der man annahm sie zu kennen. Man spürte im Osten den Umbruch und auch die auf sie zukommende Welle der Veränderung die zeitversetzt alle rechtsrheinischen Hauptorte in Germanien erreichte, sodass auch der kleine Wälsunge davon hörte. So wie sich die Treverer aufspalten ließen, so bestand die imperiale Taktik immer schon darin Fronten in den gegnerischen Fürstenhäusern aufzubauen und für sich zu nutzen. Dann brach über Germanien der Krieg herein und die Gewalttaten erschütterten alle Stämme zwischen Rhein und Weser. Während man andere Stämme nahezu völlig aufrieb und Tiberius schon vor der Zeitenwende Teile der Sugambrer und Sueben zwangsumgesiedelt hatte, gelang es einigen von ihnen sich nach Osten in die Nähe der cheruskischen Wohngebiete abzusetzen. Wiederum andere duldete man, da sie nun im einstigen Siedlungsgebiet eine kontrollierbare Minderheit darstellten und daher sesshaft bleiben durften. Nach dem sich die erste Abwehrschlacht der Wesergermanen 11 – bei Arbalo als Fehlschlag erwies, setzte man in Ostwestfalen aufgrund der gegebenen Umstände auf vorsichtige Annäherung und verhielt sich abwartend. Wohl auch ermutigt vom scheinbar willfährigen Verhalten der Cherusker versuchte Varus sie ab 7 + näher mit den römischen Sitten vertraut zu machen. Er soll es auf unliebsame Weise angegangen haben was zu deren Sinneswandel beitrug, worin man den Grundstein für den Stimmungswechsel in Ostwestfalen sieht und was ihren Widerstandsgeist weckte. Getragen vom herrschenden Fürstengeschlecht begann sich die aufgezwungene Fügsamkeit in Auflehnung zu verwandeln und den Rest glauben wir zu kennen. Setzt man das Geschlecht der Wälsen auf eine Stufe mit dem des cheruskischen Fürstenhauses dessen Name uns keine Quelle überliefert hatte, dann könnten es nach dieser Theorie die Wälsungen gewesen sein, die sich die Gegenwehr auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Mythologisch gesehen müssten auf dieser Basis natürlich auch noch mal unsere Annahmen über Asen und Vanen auf den Prüfstand gestellt werden. Der kleine Wälse der er noch zu Cäsars Zeiten war, war zum Fürsten heran gereift und wie sich seinem Namen im Beowulf Epos entnehmen lässt hing ihm der Gründungsmythos an. Er wurde zum Synonym und man verband seine Sippe fortan mit Kühnheit und Tapferkeit, sodass sie von nun an in der Sagenwelt einen festen Platz bekamen und immer in einen Zusammenhang mit siegreichen Kämpfen, Schlachten und Kriegen gebracht werden. Und natürlich spielt auch das Nibelungenlied auf den Untergang der Wälsen an was sich mit dem Niedergang der Cherusker im 2. Jhdt. decken würde. Im Finnsburg Fragment, das seine Entstehungsgeschichte im 5. Jhdt. haben soll fällt der Begriff „Fres-Wael“, was mit „Friesische Schlacht“ übersetzt wird, was namentlich an die Waelsungen anknüpfen könnte und im übertragenen Sinne eine Anspielung auf deren Abwehrkämpfe gegen Rom gewesen sein könnte. Walstatt war die Gegend in der man die Waffen kreuzte, ein Wort mit dem sich die Etymologie schwer tut. Möglicherweise verband man ohne unser Wissen den Namen Walstatt immer schon mit den Wälsen die sich dort schlugen. Es war aber auch immer der Ort, an dem auch Tote zurück blieben bevor man sie weg trug. Aus dem Angelsächsischen wie man es nach der Besiedelung Südenglands sprach, sind für das Wort Walküre die Namen Waelcyrge – Waelcerie - Waelcyrie und Waelkyrie überliefert und man schrieb es wie „Waels“ ebenfalls mit „ae“. So waren es möglicherweise die heilkundigen Frauen der Wälsungen die sich um die Verwundeten bemühten und sie wegtrugen. Die Silbe „cyrge“ ist gleichbedeutend mit „cyrie“ und wurde im antiken Griechenland als Huldigungsruf für Gottheiten aber auch Könige genutzt. Später übernahm es in der Schreibweise von „Kyrie eleison“ die christliche Liturgie. Im vorchristlich heidnischen Elysium bzw. Elysion lag der Ursprung, bezeichnete die Insel der Seligen und leitet damit in die griechische Mythologie über. Dadurch schimmert eine mögliche Verbindung in das antike Griechenland durch und lässt erkennen, dass sich im griechischen Sprachraum vermutlich die Urheimat der Waelsungen befand. Auf den Schlachtfeldern der Vorzeit sollte man darunter jedoch keinen Huldigungsruf, sondern eher einen Hilferuf verstehen, den die geschundenen Waelsen im Angesicht des Todes ausstießen und in dem sie das Inselreich der Seligen anriefen woraufhin ihnen dann die Waelkyrie zu Hilfe kamen. Das dem Beowulf Epos folgend man einem der Abkömmlinge von Odin den für Rufnamen unüblichen Namen Waels gab, den man auch als Beinamen interpretieren könnte und dann nach ihm seine Sippe die Waelsungen benannte mag Gründe gehabt haben. Vermutlich kam Waels, der Vater von Segimund/Segimer dank seiner herausragenden Taten zu Macht und Ansehen und wurde dadurch zum Stammvater der Sippe. Sein Volk verband mit ihm die Erinnerung daran, dass seine Vorfahren einst aus fernen Regionen einwanderten bevor sie sich im Hunaland die Herrschaft erkämpften. Geschichtsabläufe zu rekonstruieren erfordert eine seltsam rückwärts gewandte Sichtweise und sie erforschen zu wollen wird immer aus dem kläglichen Versuch bestehen, sich aus einer Vielzahl möglicher Wahrheiten für die scheinbar plausibelste zu entscheiden und eine überzeugende Spur dahin zu legen. Möchte man in den Wälsungen die cheruskische Fürstensippe sehen und beides miteinander verbinden, dann spürt man die Vergänglichkeit der Geschichte auf besondere Weise und muss es akzeptieren, dass nach dem Tod von Arminius respektive Sifrit der Einfluss der einst stolzen Cherusker schnell verblaste, damit zwangsläufig auch ihr infolgedessen Wälsunger genanntes Fürstenhaus unterging und sie die „historische“ Bühne verließen. Dieser Prozess setzte bereits ein, als die Germanen explizit die Cherusker 16 + und 17 + nach der Marbodschlacht auf dem Höhepunkt ihrer Macht anlangten und damit der Kipppunkt erreicht war. Sie konnten die Zeiten nicht aufhalten, die von der neuen Macht am Rhein geprägt wurde. Stämme und Sippen die unter hohen Verlusten im Abwehrkampf gegen das Imperium standen und sich aufrieben verloren zwangsläufig an Bedeutung und schlossen sich anderen größeren Stämmen und Sippen an, was Raum für neue und wehrhafte Strukturen schuf. Versteht man unter dem Hunaland eine größere Landfläche innerhalb der Nord – und westdeutschen Naturräume dann verschoben sich darin die Grenzen. In den westlichen rheinnahen Randgebieten begann man, sich mit den neuen lateinisch sprechenden Nachbarn zu arrangieren bis sich ein Gewöhnungseffekt einstellte was vom Handelsaustausch begünstigt und beschleunigt wurde. Während man im Landesinneren und den der Weser näher liegenden Regionen in größerer Distanz zum Imperium blieb, man dort verharrte und sich der Rhein begann zu einer Kulturgrenze zu verfestigen. Ein vorsichtiger Status quo hatte sich ab dem Jahr 16 + eingestellt und in der Folgezeit sind Auseinandersetzungen mit Rom nicht mehr überliefert. Erst unter dem ehrgeizigen römischen Feldherrn Corbulo flammten zur Mitte des 1. Jhdt. wieder neue Kämpfe mit den Cheruskern auf was davon zeugt, dass sie sich bis in diese Zeit noch eine gewisse Substanz und Eigenständigkeit bewahren konnten. Aber die Vorgehensweise sich zur gleichen Zeit schon die Zustimmung auf dem Wege der Unterwürfigkeit aus Rom holen mussten, um Italicus den Sohn von Flavus zum neuen Fürsten ernennen zu dürfen, gibt zu denken und läutete ihr stammesgeschichtliches Ende ein. Die folgende Niederlage des letzten bekannt gewordenen Cheruskerfürsten Chariomerus und vermutlichen Sohnes von Italicus gegen die Chatten war ein weiteres Anzeichen dafür, dass in diesem Sinne betrachtet die Macht der Wälsungen aufgebraucht war, aber die Strahlkraft die von ihnen ausging blieb über die Jahrhunderte erhalten. Weitere Schlachten römischer Legionen oberhalb der Lippelinie sind bis zum Harzhornereignis 235/236 nicht mehr bekannt geworden und waren auch nicht mehr das erklärte Ziel des Imperiums. Auf den Rückzug zum Rhein als neuer römischen Ostgrenze folgte die schrittweise Erschließung von Handelsrouten und trat an die Stelle einst gewaltsamer Aktionen. Es war die verbliebene Möglichkeit noch einen begrenzten Nutzen aus den nun nicht mehr erreichbaren Rohstoffquellen ziehen, und wirtschaftlichen Einfluss östlich des Rhein auszuüben zu können. Eine Strategie mit der sich auch militärisch wieder Position beziehen ließ. Einen Handel zu damaliger Zeit aufrecht zu erhalten ist ohne Rom gegenüber freundlich bzw. neutral gesinnte germanische Zwischenhändler nicht denkbar die über die Grenzen hinweg auch immer als Kundschafter im Interesse Roms von Nutzen waren, die aber auch von den Germanen geschätzt wurden, denn sie erreichten die größeren germanischen Handelszentren und wussten um die Stimmung im Lande. Der Aufbau von Kontakten und der daraus resultierende Warenaustausch funktionierte in Handschlagzeiten bevorzugt auf Basis von Vertrauen und Zuverlässigkeit und bevor ein römisches Produkt auf friedlichem Weg Ostwestfalen erreichte ging es durch viele Hände. Und auch in den östlichen Regionen Germaniens wo den Menschen der Name „Arminius“ aus alten Tagen noch ein Begriff war kam man, zumal ein Interesse an hochwertigen aber auch alltagstauglichen Produkten aus den Rheinlanden bestand, mit der römischen Welt wieder mehr in Kontakt. Die neuen römischen Ziehväter werden dem Germanen Sifrit den lateinischen Namen Arminius nicht unbedingt aufgezwungen haben, möglicherweise hatten sie auch Probleme mit der Aussprache seines germanischen Namens. Ein Name dessen Bedeutung sich durch die Wortfolge erklären könnte, denn vor den Frieden hatten die Götter den Sieg gesetzt. Vielleicht hatte er ihn sich auch selbst gegeben als ihn sein Vater oder seine Sippe zunächst vielleicht noch als Geisel der Fremdherrschaft übergab, er also in eine für ihn fremde Welt überwechselte wo er in die römische Haut schlüpfte und darüber anfänglich sogar noch mit Stolz erfüllt gewesen sein könnte. Obwohl der Name lateinisch endet wurde er dem Substantiv nach zu urteilen von den Germanen im heutigen Ostwestfalen auch noch ohne die lateinische Endung in den Jahrhunderten nach seinem Tod vergeben. Man möchte nicht spekulieren, aber es verwundert, dass sich in der frühmittelalterlichen Namenstradition nur die weibliche Form in der Schreibweise Irmina bzw. Irmine aber auch Hermine erhalten hat. Arminius dessen Name dafür spricht, dass er in zwei Welten zu Hause war und daher zwangsläufig auch zwei Namen führte, den man aber unter fränkischer Rigide nicht mehr vergeben durfte. Zwei Namen die sich parallel zueinander in Germanien erhalten hatten. Beiden Namensvarianten ob Sifrit oder Armin zw. Irmin lassen sich heroisierende Attribute passend zum Innenleben der germanischen Kriegergesellschaft ablesen und ihre Ehren – Achtungs - oder Siegernamen bringen es zum Ausdruck. Aber die Bedeutung des Namens Waels, dem theoretischen Großvater von Arminius lässt sich dieser Systematik nicht zuordnen und wirft Fragen auf. Waels war der Genealogie zufolge der Name des Vaters von Sigemunde. Damit, dass der Barde ihn im 6. Jhd. im Beowulf Epos als des Waelses „ealfela “ also Sohn betitelte bestätigt sich seine rechtmäßige Stammhalterschaft innerhalb der Wälsungen Hierarchie. Von den Vorfahren des Waelse für den auch der Name Wölsung verwendet wird, werden sein Vater Rerir, sein Großvater Sigi und sein Urgroßvater Odin genannt. Die drei Ahnen des Waelse die man bereits der Wälsungensippe zuschrieb, obwohl „Waelse“ namentlich erstmals in der vierten Generation erscheint. Den Namen Waelse könnten ihm seine Eltern gegeben haben siehe Kapitel „Warum die Wesergermanen dem Imperium ebenbürtig gewesen sein könnten“, in dem zum Ausdruck kommt, dass der Name auch an die Wandertradition der ersten „Waelsen“ anzuknüpfen scheint. Sein Geburtsname könnte aber auch anders gelautet haben und man machte erst später „Waelse“ zu einem ihm würdigen Beinamen, wie etwa Germanicus oder Africanus und auch Odin hatte eine Unzahl davon. Auch ist denkbar, dass er selbst den Namen Waelse zur Berühmtheit geführt und ihn erst zu einem „Markenzeichen“ machte. Es scheint, dass er „großes“ geleistet, also denkwürdige und herausragende Taten vollbracht hatte was dann dazu führte, dass man auch seinen Sohn Sigemunde mit ehrfürchtigem Unterton bereits einen „Waelse“ nannte. Aber ebenso könnte könnte Rerir seinen Sohn „Waelse“ genannt haben da er ihm diesen schon als Vermächtnis in die Wiege legen wollte. Da wo Arminius in den Wäldern vor dem Saltus um Borlinghausen sein wohl größter Erfolg gelang hatte sich dieser Name am Zähesten ins Bewusstsein der Menschen eingegraben und wie nicht anders zu erwarten fand er dort in der I(A) rminsul auch seinen deutlichsten Ausdruck. Es ist wohl angeraten sich von den Vorstellungen zu lösen, wonach einzig die römischen Schriften geeignet sein könnten, um sie für den Verlauf der innergermanischen historischen Prozesse heran zu ziehen. Sie vorsichtig und abwägend einzubinden ist statthaft, aber man ist angehalten in der germanischen Sagenliteratur die reale Geschichte Germaniens erkennen zu sollen. Was natürlich nicht bedeutet, dass die diversen Überlieferungen aus römischer Feder über Nacht völlig verworfen werden sollten, obwohl sie was ihren Wahrheitsgehalt anbetrifft seit jeher kontrovers diskutiert werden. Grenzen lassen sich nicht ziehen und mit ihnen überzogene Glaubwürdigkeitsansprüche zu verbinden trägt genauso wenig zum geschichtlichen Erhellen bei, wie eine übertriebene Skepsis gegenüber dem Sagenhaften. Aber die antiken Schilderungen über die Geschehnisse aus Ostwestfalen explizit bezogen auf die Vorgeschichte der Varusschlacht verraten, dass es dem Imperium nie gelang sich einen umfassenden Einblick in die bodenständige, pagan geprägte germanische Denkungsweise und Mentalität zu verschaffen. Es erschlossen sich ihnen vermutlich auch aus purem Desinteresse heraus und aufgrund sprachlicher Barrieren weder die komplexen familiären noch die stammesübergreifenden Abhängigkeitsverhältnisse oder das Wesen der Menschen über die man herrschen wollte. So blieb ihnen auch vieles von den Vorgehensweisen und Hinterlistigkeiten verborgen, die die Germanen schon lange vor dem ersten Schlagabtausch in die Wege leiten mussten, um den Widerstand gegen Rom letztlich erfolgreich organisieren und einfädeln zu können. Und obwohl das Imperium mitten in ihrem Land stand, führte dies in der Summe nicht dazu, dass sie es doch klar hätten erkennen müssen, was sich zusammen braute und wie stark sie sich in die Hände von Arminius begeben hatten. Zweifellos konnten die Quellen nicht über alles berichten, was man im Zelt oder in der hölzernen Kommandantur des Varus an Kenntnissen vor dem Aufbruch zum Rhein zusammen getragen hatte ganz zu schweige, was später verfälscht, missverständlich wieder gegeben oder fehl interpretiert wurde, sodass man dankbar ist für jeden antiken Textbaustein, aber auch für jeden nüchternen Forscherblick auf die alten Schriften. Insgesamt blieb uns nahezu alles von dem versagt, was sich in diesen Zeiten im wälsischen Hunaland gleich gesetzt mit dem Reich der Cherusker zutrug. Denkt man an die Tausende von Kämpfern die 9 + aufeinander einschlugen, so waren die wenigen Personennamen die uns dazu aus antiker Quelle erreichten nur ein karger Abriss im Vergleich zu den vielen anderen seinerzeit lebenden und höher gestellten Germanen zu denen Rom in Ostwestfalen über die Jahre der Besatzung in engem Kontakt gestanden haben musste. Wer regierte damals die Brukterer, Chatten oder Marser, wer dolmetschte und auch über Thusnelda der Angetrauten von Arminius und Tochter des dubiosen Segestes der mithilfe Roms die Macht anstrebte weiß man definitiv zu wenig. Wie die Sippe zueinander stand und was die tieferen Beweggründe der Protagonisten auf germanischer Seite umtrieb offenbarte erst das Resultat in Form einer gewonnenen Schlacht und die Sage spülte es nur zaghaft und um Jahrhunderte zeitversetzt an die Oberfläche. Es klang bereits an, dass aus germanischer Sicht betrachtet es nicht unbedingt Arminius allein gewesen sein musste, der damals den Erfolg über Varus für sich beanspruchen konnte, man dies also in Germanien völlig anders gesehen haben könnte, ihn nämlich mehr Sigimer respektive Sigemund einem Vater zuschrieb. Sigemund dem überlieferten legendären Herrscher über Hunaland einer Region, die man in Westfalen oder Niedersachsen suchen muss. Einer Landschaft in der man sich damals in zahlreichen erbitterten Schlachten und Kämpfen gegenüber stand und wo man sich an Ith und Weser letztlich auch erfolgreich gegen Germanicus durchsetzen konnte was die Wende im Kriegsgeschehen brachte. Was die Germanen in diesem 30 jährigen Krieg über sich ergehen lassen mussten dürfte Spuren unter jenen hinterlassen die nach dem Zusammenbruch Roms in ihrer Heimat sesshaft geblieben waren. Diese vom Barden als Vorzeitwissen bezeichneten Ereignisse konnten die Söldner im 5. Jhdt. nach Südengland gebracht haben wo es sich verbreitete. Hunaland ist eine nicht mehr fassbare Übergangsbezeichnung für ein weites mit prähistorischen Großsteingräbern übersätes Land, das von unterschiedlichen germanischen Stammesverbänden bewohnt war, die sich aber untereinander sprachlich verständigen konnten. Eine Region in dem auch ein Volk beheimatet war, das sich selbst, oder dem man den Namen Cherusker gab. Ein Stamm, der nach Odin von Waels seinem Ururenkel angeführt wurde, bevor Segimer respektive Segimunde die legitime Macht zufiel. Ein Volk das man später nach einem ihrer Oberhäupter Wälsungen nannte. Eine zweifellos gewagte Kombination die man bisher nur selten auf die Varusforschung angewendet oder man darin nach Stichhaltigkeit gesucht hätte, da die mögliche Verbindungslinie zwischen Wälsungen und Cheruskern zu unscharf verlief und man zu „Antikehörig“ aufwuchs. Aber was tat der Barde. Er entführte seine Zuhörer mit seinem eindrucksvollen Lobgesang nicht nur in die aktuelle Epoche zu Lebzeiten des Beowulf um ihm für seine glorreichen Siege über die Grendelmonster zu huldigen, er thematisierte auch das alte Geschehen, das sich vor langer Zeit allerdings auf dem Festland zutrug. Denn er erwähnte Sigemunde und der entstammte dem Geschlecht der Wälsungen, dass von Odin abstammte und das Snorri Sturluson im Saxland verortete, da wo Odin seine Sippe einst hingeführt hatte. Sigemund der wie er sang nicht nur den Vorzeitdrachen tötete, sondern wie es überliefert ist auch das Hunaland regierte, in dem sich Sachsen und Falen begegneten, in dem man sich die Siedlungsgebiete teilte, das von der Weser durchflossen wurde und das sie dialektisch noch bis heute voneinander unterscheidet. (19.09.2023)

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