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Dienstag, 6. Februar 2024
Auf die Forschung folgte die Kartographie - Abraham Ortelius widmete sich der Varusschlacht.
ulrich leyhe, 09:56h
Wenn man das Wissen um die Örtlichkeit der Varusschlacht nicht schon im 9. Jhdt. vertieft hatte, als die Corveyer Mönche eine Abschrift der Urhandschrift aus Fulda bekamen, so wissen wir doch dank der Vorarbeiten Otto von Freisings, dass man schon im 12. Jhdt. die Suche nach dem Varusschlachtfeld aufgenommen hatte, wenn man sie nicht sogar fortsetzte, das Thema also auch schon die Menschen im Mittelalter beschäftigte. Danach schien es lange Zeit so, als wäre das Interesse daran erloschen und auch der 1464 verstorbene Kartograph Nikolaus von Kues ein früher Humanist sparte das Thema Varusschlacht noch aus. Mit Beginn der Renaissance als man begann sich der Bedeutung von Kunst und Literatur bewusst zu werden, brach eine neue Zeit an und damit wuchs auch das Interesse am Besitz alter Schriften. Und als man die Bibliotheken Italiens gründlich untersucht hatte, warf man den Blick über die Alpen. Die näheren Umstände sind nicht bekannt, aber es war entweder 1507 oder 1508 als man in Corvey die Tacitus Annalen aus dem 9. Jhdt. einem päpstlichen Steuerbeamten aushändigte. Er trat als weltlicher Gelehrter auf und es dürfte sich bei ihm um Niccolo Niccoli gehandelt haben, der sie wie man sagt gestohlen haben soll. Ein schwer nachvollziehbarer Vorgang und unklar bleibt, ob man es damals schon gegen die Zusage tat eine Kopie zurück zu bekommen, man in Corvey an den Annalen kein Interesse hatte, Geld geflossen ist oder man sie wie überliefert auf andere Weise aus dem Kloster „schleuste“. Aber was wäre passiert, hätte man im Kloster die Annalen dem freundlichen Herrn aus Italien nicht übergeben hätte. Wäre es nicht so gekommen, dann müsste man sich Gedanken darüber machen, ob man in Corvey die Annalen die nächsten Jahrhunderte so aufbewahrt hätte, wie wir es uns heute wünschen würden. Ob behütet für die Ewigkeit an einem sicheren und unzugänglichen Orte unter klimatisch besten Bedingungen, oder vernachlässigt in feuchten Kellern im Überschwemmungsbereich der Weser und einem steten Verrottungsprozess ausgesetzt. Sie hätten auch im Zuge kriegerischen Wirren zerstört werden oder auf alle erdenkliche Weise verschollen gehen können und wären somit möglicherweise nie an die Öffentlichkeit gelangt. Es sollten, wie etwa der Dreißigjährige Krieg noch viele Schlachten und Kämpfe und auch die Hexenverfolgung über Corvey hinweg fegen und auch brennende Bücher können Landsknechte oder napoleonische Soldaten im Winter warm halten. Und dann könnte man in diesem insgesamt negativ erscheinenden Zusammenhang zu dem Schluss kommen und sagen „um Himmels Willen“ wurden sie „Gott sei Dank“ noch rechtzeitig in ihr Ursprungsland zurück geholt. Im Zuge der „Mitnahme“ verbrachte man sie in den sonnigen trockenen und milden Süden wo das Mittelmeerklima für bessere Bedingungen sorgte als das Nebel verhangene Wesertal. Und in ihrem Heimatland Italien würdigte man die Annalen vermutlich auch mehr und maß ihnen die Bedeutung zu die ihnen zustand. So entgingen sie auch der Gefahr von einer willkürlichen Obrigkeit oder einem Mob der hinter Vielem ketzerisches Wirken vermutete, vernichtet zu werden. So müssen wir uns vielleicht posthum bei dem damals in Corvey vorstellig gewordenen Interessenten für seine Tat sogar noch bedanken. Man entwendete die Tacitus Annalen 1507/1508, also noch Jahre bevor die Bücher von Cassius Dio erstmals durch Henricus Stephanus (editio princeps) 1548 in Paris heraus gegeben wurden. Man könnte sagen, dass sich in dieser Zeit die Ereignisse überschlugen, denn nur 18 Jahre später entdeckte Beatus Rhenanus 1515 im Kloster Murbach ebenfalls einer Benediktinerabtei die Schriften von Paterculus. Sie gingen zwar im Original verloren, überlebten aber in einer Abschrift in Basel. Da die Werke von Florus bereits im Mittelalter bekannt waren und somit auch seine Überlieferungen zur Varusschlacht, standen den Gelehrten bis zur Mitte des 16. Jhdt. alle für die Bewertung der Varusschlacht bedeutsamen Schriften zur Verfügung. Die von Cyriacus Spangenberg 1572 verfasste Mansfelder Chronik bestätigt es, denn sie verdeutlicht den historischen Wissenstand der Zeit, da darin mit Plinius, Sueton, Tacitus, Dio, Paterculus, Florus und Strabo bereits jene antiken Berichterstatter die auch für die Varusforschung relevant sind zitiert werden und geht im Rahmen der Überlieferung auf sie ein und erwähnt zu dem auch den Teutoburgiensi saltu. Der Schlacht am Angrivarierdamm widmete er sich jedoch im besonderen Maße stützt sich dabei auf Quellen unbekannter Herkunft und bringt auf dieser Basis sogar seine Vorstellungen zur Örtlichkeit und zum Schlachtverlauf in die Chronik ein. Das er es nach dieser langen Zeit dem Volksmund entnommen haben könnte darf man ausschließen, so dass die Vermutung nahe liegt, dass ihm schriftliche Unterlagen in lateinischer Sprache vorgelegen haben könnten, wobei er als Theologe auch einen Zugang in die Klosterbibliotheken der Zeit gehabt haben könnte. Bezüge zur Örtlichkeit der Varusschlacht lassen sich bei ihm nicht entdecken aber die Möglichkeit, dass man sich im 16. Jhdt. zur Örtlichkeit der Schlacht am Angrivarierdamm schriftlich geäußert haben könnte weckt auch den Verdacht, dass es nähere Berichte zum Verlauf der Varusschlacht gegeben haben könnte.
Aber über allem stand der wie in Stein gemeißelte Satz des nach 122 + verstorbenen Historikers Sueton „Quintili Vare, legiones redde = Quintilius Varus, gib die Legionen zurück“ der ohne einen Bruch erlebt zu haben, die Zeiten überdauert hatte. Möglicherweise entdeckte man Teile der Textsammlung von Cassius Dio sogar nahezu zeitgleich mit den Tacitus Annalen, denn diese erschienen in einer italienischen Übersetzung von Nicolo Leoniceno bereits 1526, dürften also bereits davor existiert haben. Da Cassius Dio nur wenige und Florus oder Paterculus gar keine Hinweise hinterließen aus denen sich engere Bezüge zur Schlacht entnehmen lassen, traten diese im Gegensatz zu den Tacitus Annalen aus kartographischer Sicht in den Hintergrund. Das es ausgerechnet der in seiner Person umstrittene Papst Leo X war, der die Veröffentlichung der 1507/1508 entwendeten Tacitus Annalen veranlasste in dem er Filippo Beroaldo den Jüngeren in seiner Funktion als Präfekt der Vatikanischen Bibliothek beauftragte sie 1515 zu drucken, lässt sich schwer mit seinem Wirken und seiner Lebensführung in Einklang bringen. Vermutlich wegen der voraus gegangenen Illegalität schickte er aus Gewissensgründen ein frühes Faksimile nach Corvey zurück, deren Existenz 1517 als Franz von Ketteler noch Fürstabt von Corvey war bestätigt wurde. Während des 30 jährigen Krieges ging es verloren womit sich die geäußerten Befürchtungen bestätigten, was die sichere Einlagerung in Corvey anbetrifft. Aber dank der noch erhaltenen seinerzeit entwendeten Originalhandschrift die im Eigentum der Familie de Medici verblieb, kann sie heute noch in der Bibliotheka Laurenzia in Florenz eingesehen werden. Somit gelangte bereits eine Reproduktion in die Reichsabtei Corvey noch bevor bei Beatus Rhenanus 1519 die Tacitus Annalen in Druck gingen, die dann in der Renaissance große Verbreitung fanden. Was in diesem Zusammenhang verwundert ist, dass Ulrich von Hutten die 1507/1508 in Corvey entwendeten Tacitus Annalen bereits 1515 im Jahr des Druckauftrages in Rom einsehen konnte, also noch bevor sie Corvey erreichten und 1519 in Basel gedruckt wurden. Ob es ein Zufall war, dass Ulrich von Hutten auf sie stieß oder er sich explizit darum bemühte mag zweitrangig sein, deutlich wird jedoch wieder das überaus starke Interesse der deutschen Humanisten am Inhalt der Schrift. Vielleicht schlug in diesem „Huttenjahr“ 1515 auch die Stunde für die Erforschung der Varusschlacht samt Verlaufsgeschichte und Örtlichkeitssuche. Zu den Humanisten die sich in der Varusschlacht ein Forschungsgebiet erschlossen hatten gesellten sich auch die Kartographen die sich bemühten den Wissensstand der Zeit zu Papier zu bringen. Nach der Entdeckung der hinweisgebenden Tacitus Annalen rückte es in den Bereich des Möglichen den Ort der Varusschlacht, wenn nicht ausfindig zu machen, so aber doch einzugrenzen. Um auf der Höhe von Diskussion und Erkenntnis zu bleiben suchten die Kartographen den Kontakt zu jenen Personen die sich dieser Thematik verschrieben hatten, bis insbesondere einer von ihnen selbst zum Forscher wurde. So tastete man sich im Team nach vorne und es bahnte sich unter ihnen eine spannende Allianz an um dem Schlachtfeld auf die Spur zu kommen. Man wendete für die bildliche Darstellung bereits die neuen Technologien an wodurch sich auch die Lage der Räume sowie die Distanzen zueinander besser verdeutlichen ließen. Im Zuge der Publizierung der Annalen 1519 wurde die Thematik aus den unterschiedlichsten Beweggründen aufgegriffen, ihr Inhalt öffnete sich weiten Bevölkerungsschichten in Italien und Mitteleuropa und alle interessierten Kreise konnten sich nach Kräften an der Suche beteiligen. Man zögerte nicht lange und sollte annehmen, das das Zielgebiet der Varusschlacht, das den Corveyer Mönchen die den Ereignissen noch um ein vielfaches näher standen schon seit dem 9.Jhdt. bekannt gewesen sein dürfte und es sich nun rund 600 Jahre später im Groben abstecken ließ. Aber dem war nicht so, denn in der damaligen Forschungslandschaft herrschte trotz der den Annalen entnehmbaren Deutlichkeit hinsichtlich der Verortung Uneinigkeit, die sich auch auf die frühe Kartierung auswirkte. Denn obwohl sich die Tacitus Annalen aus Rom möglicherweise schon ab 1517 wieder in Corvey befanden und nach 1519 auch die Druckerzeugnisse aus Basel für die Interessierten einsehbar waren, vertrat der Historiker Georg Spalatin im Jahre 1535 immer noch die Auffassung die Varusschlacht habe sich aufgrund des Gleichklangs des Wortes Teutoburg in Duisburg zugetragen. Ein Hinweis darauf wie lange und wie schwer sich die Forschung trotz besseren Wissens dank neuester Erkenntnisse noch tat, die Varusschlacht da zu verorten wohin die Tacitus Annalen den Fingerzeig hin richteten. Was aber die Kunst der Kartenmalerei anbetraf so sprechen wir hier von keinem anderen als vom gebürtigen Antorffer Abraham Ortelius, dass sich heute Antwerpen nennt. Um die Mitte des 16. Jhdt. hatte er einen großen Kreis an Humanisten um sich geschart, bzw. man hatte seine Nähe gesucht, stand untereinander im regen Austausch und versorgte sich gegenseitig mit Informationen. In dieser Phase käme für Ortelius auch besagter Georg Spalatin als Zuträger und Diskutant infrage, der für ihn ebenfalls ein Ideengeber gewesen sein könnte, obwohl er eine andere Ansicht zum Schlachtverlauf vertrat und es mag noch viele andere sich widersprechende Überlegungen gegeben haben. So wird sich der wissenschaftliche Gedankenaustausch auf schriftlicher und persönlicher Ebene über viele Jahre hingezogen haben in der Ortelius auf die Unterstützung und Zuarbeit namhafter Gelehrter angewiesen war und er dürfte und musste sich um seine ehrgeizigen Ziele erreichen zu können auch in die Abhängigkeit einflussreicher Personen folglich Geldgeber begeben haben, sodass er auf deren Vorstellungen und Meinungen einzugehen hatte. Es war auch eine Zeit in der die Neuentdeckungen im Zusammenhang mit der Varusschlacht sprichwörtlich an Fahrt aufnahmen. Die Bedingungen hatten sich verbessert was durch eine verstärkte Reisetätigkeit innerhalb der Oberschicht zum Ausdruck kam. Das Thema faszinierte, das Interesse wuchs und man weckte den Bedarf. Aber damit nahmen auch Rivalität und Einflussnahme zu was zu Interessenskonflikten führte, denen sich die frühe Kartographie ausgesetzt sah. In dieser Epoche war der Kartograph Abraham Ortelius zwar eine unbestrittene Autorität und Koryphäe seines Faches weit über Flandern hinaus, musste aber auch diesen Gegebenheiten Rechnung tragen. Er wurde im April 1527 geboren, trat 1547 der Antwerpener Sint Lukasgilde bei, übte den Beruf eines Karten- und Buchhändlers aus und bildete sich zum Kartografen weiter. 22 Jahre später im Alter von 43 Jahren publizierte er am 20. Mai 1570 in Gestalt des ersten je in Europa erschienenen Atlanten im Sinne zeitgemäßer Auffassung auch gleichzeitig sein erstes Eigenwerk auf Grundlage einer umfänglichen Sammlung von Karten die er dafür zusammen getragen hatte. Eine Leistung die nach Tacitus nicht nur einen weiteren Meilenstein im Sinne der Varusschlachtforschung setzte, sondern auch deutlich machte welchen Weg die Entwicklung nahm und wie sie voran schritt nachdem 1519 die Annalen in Umlauf kamen und die Theorien begannen aus dem Boden zu schießen. Ortelius war vielseitig, schrieb nicht nur Werke zur alten Geschichte und Numismatik, sondern war auch der erste der die Kontinentalverschiebung entdeckte. Man nennt ihn auch den Erfinder des Atlasses, eine Bezeichnung die zu seiner Zeit noch den Namen Theatrum trug. Mit zahlreichen heimischen und auswärtigen Gelehrten stand er im regen Austausch, konnte den Kenntnisstand der Zeit nutzen und abwägen und auch vieles Ungeschriebene und uns heute Unbekannte aufgreifen und verarbeiten. Besucher sollen sich bei ihm wie in einem Museum gefühlt haben. So verfügte er zwangsläufig über Quellen von denen heute nicht klar ist ist wo er sie auftat, von wem sie stammten und wo sie abgeblieben sind, verblüffte mit seinem Wissen die Fachwelt bis in unsere Zeit und ließ sie über einige seiner Verortungen rätseln. Mit dem Einstieg in die verbesserte Methodik der Kartographie und dem neu gewonnenen geographischen Wissensstand stieg die Präzision der Darstellung und man näherte sich dem an, was heute die Höhendraufsicht, also die Luftaufnahme leistet. Aber was tat Abraham Ortelius bzw. wie floss das Wissen nach dem Fund der Annalen in sein Kartenwerk ein. Vergleichbar mit dem Spürsinn den uns Tacitus abverlangt hat um seine lateinischen Wortfindungen richtig deuten zu können, haben wir uns nun in die Vorgehensweise von Ortelius einzuarbeiten, der sich erstaunliches entnehmen lässt, was sich in zwei Schritten vollzog aber letztlich zusätzliche Indizien für das Varusschlachtfeld liefert. Mit dem ebenfalls aus Flandern stammenden 1512 geborenen und 1594 verstorbenen Gerhard Kremer der sich später Gerardus Mercator nannte und der 1569 auf Basis des neuen Wissensstandes die kugelförmige Erde auf die Ebene projizierte, stand Ortelius in enger Verbindung. Seine Schlussfolgerungen dürfte er mit Ortelius geteilt haben. Und obwohl Mercator mit ihm und seinem Werk in kritischen Dialog stand würdigte er es. So äußerste er auch Kritik an seiner Vermischung von Wahrheit und Unwahrheit, wodurch die tatsächlichen Realitäten verwischt worden sein sollen. Es wird jedoch nicht deutlich, ob damit auch Verortungen gemeint sind die sich auf Begriffe beziehen die er dem antiken Vokabular der Tacitus Annalen entnommen hatte. Was an seiner Kartographie faszinierte und wie bahnbrechend wirkt ist die Tatsache, dass er es sich sogar zutraute sie zu positionieren. Dadurch wird deutlich, dass Ortelius mit Historikern in Verbindung stand von deren Ansichten er sich leiten ließ. Atlanten sind immer Objekte die der Forschung dienen, wie es besonders in der Geographike Hyphegesis des Ptolemäus zum Ausdruck kommt und die auch wie in diesem Fall bei der Aufhellung historischer Ereignisse helfen können. Ortelius leistete Basisarbeit und schuf ein umfängliches Kompendium sah sich selbst aber in erster Linie als Sammler seiner Zunft. Er nahm in alle erreichbaren Bibliographien der Zeit Einblick, kannte die meisten, legte dann die für ihn geeigneten seinen Kartenwerken zugrunde und reicherte sie mit dem Wissen der Zeit an. Sein Hauptwerk bestand aus 53 Kartenblättern und er veröffentlichte es unter dem Namen „Theatrum Orbis Terrarum“. Im Jahr 1584 ergänzte er es mit dem Nebenwerk Karte 6 „Belgii veteris typus“ und 1587 bzw. nach Meurer 1590 erschien die 19. Karte „Germania veteris typus“. Karten die die Varusforschung bis heute stark inspirieren und die Türen für diverse Spekulationen geöffnet haben. Damit gelang ihm der Durchbruch in eine neue Ära der Kartographie und er erfuhr Würdigung in höchsten Kreisen. In den Jahrzehnten danach ergänzte er sein Werk mit zahlreichen Einzelkarten und Nachträgen. So erfuhr auch die Karte „Belgii Veteris typus“ 1595 noch einen Neustich, aber ohne das eine inhaltliche Abweichung zum letzten Ausgabejahr 1590 erkennbar war. Er prüfte jeweils seine Vorlagen, optimierte sie nötigenfalls und legte auf die Deutlichkeit der Darstellung großen Wert, veränderte dabei aber gelegentlich auch die Schreibweisen lateinischer Namen. Großräumige Landkarten konnten in dieser Zeit die Details und Feinheiten der Landschaft und ihrer von der Natur geprägten Ausgestaltung noch nicht abbilden. So bestanden sie zu seinen Lebzeiten noch vielfach aus Phantasie und Spekulation, zeichnerisch gestaltete zeitgemäße Elemente die miteinander verschmolzen, aber nicht dem Wahrheitsgehalt dienten. Für die Varusforschung begann es interessant zu werden als Ortelius 1584 die Karte „Belgii veteris typus“ veröffentlichte und mit keinem anderen Kartenwerk gelang es die Varusforschung mehr zu irritieren als mit dieser einschließlich seiner Nachträge, sowie der später erschienenen Karte „Germaniae veteris typus“. Er verortete darin die Siedlungsgebiete germanischer und keltischer Stämme, Flussverläufe, Gebirge, Waldgebiete und platzierte dazu die antiken Namen so wie sie sich zu seiner Zeit recherchieren ließen und Tacitus sie in seinen Annalen erwähnt hatte. Insbesondere sind es die magischen Worte „Teutoburgiensis saltus“, „Aliso“ und „Aliso Fluss“ die er in sein Kartenwerk übertrug. Was im Wesentlichen erstaunt ist die Feststellung, dass er die Namen auf die Ostseite des Niederrheins ins westliche Münsterland rückt kurz bevor dieser die heutige niederländische Grenze passiert und somit auch die Geschehnisse um die Varusschlacht dort spielen lässt, obwohl er es schon hätte besser wissen müssen. Dort trug er u.a. die Siedlungsgebiete der Usipeter, Tubanten und Amsivarier und das auch nach heutigem Wissenstand relativ korrekt ein. Unklar bleibt jedoch, dass er völlig auf die Nennung der Cherusker verzichtete die im Zusammenhang mit der Varusschlacht eine heraus ragende Rolle gespielt haben. Es scheint als ob die Cherusker seine Theorie von einer Varusschlacht in relativer Nähe zum Rhein ins Wanken gebracht hätte da die antiken Historiker sie deutlich mit der Weser in Verbindung brachten. Das von ihm verwendete Wort „Teutoburgium“ wird zu einem weiteren Rätsel, da uns Tacitus diese Worte nur in der Schreibweise „Teutoburgiensi saltu“ hinterlassen hat, aber an keiner Stelle als einen einzelnen Ortsnamen. Aber nicht nur das, Ortelius lokalisiert es sogar und verortete es in etwa da, wo sich heute der niederländische Ort Doesburg an der Jssel befindet was auf Spalatin hindeuten könnten der in der jeweiligen Erstsilbe eine Identität erkannte. Der Ort wo die Jssel vermutlich zu Römerzeiten in den Drususgraben mündete. Vielleicht hatte Mercator in diesem Fall mit seinem Vorwurf recht. Als „Teutoburgium“ ist es uns nur eine Bezeichnung aus ptolemäischer Feder bekannt und ließ sich als ein Kastell „Teutoburgium“ an der Donau aufspüren. Ortelius nutzte also in diesem Fall für sein Kartenwerk nicht nur das Grundwissen von Tacitus, sondern auch das von Ptolemäus. Aber Ortelius verwendete wie man am Beispiel der Cherusker erkennt nicht alles von dem was Tacitus inhaltlich hinterließ, denn auf den engen Zusammenhang der geographischen Bezugspunkte der von ihm genannten Flussnamen Lippe, Ems und Weser ging er ebenfalls an keiner Stelle in seiner Karte „Belgii veteris typus“ ein, wodurch er zu anderen Schlussfolgerungen hätte gelangen müssen. So legte Ortelius „Aliso“ das die neuzeitliche Forschung aufgrund der taciteischen Hinweise nahe den Oberläufen von Ems und Lippe ansiedelt zwischen Doetinchem und Isselburg und den „Teutoburgiensi saltu“ der sich nach Tacitus unweit der Oberläufe dieser beiden Flüsse befunden haben soll, verschob Ortelius ins Quellgebiet der Berkel nahe Billerbeck, die sich damals Berckela nannte. Es will nicht zu Ortelius passen, der sich um ein gewissenhaftes Quellenstudium bemühte und so darf man sich die Frage stellen, wovon er sich leiten besser gesagt verleiten ließ und was ihn bewogen haben könnte als er sich entschied Teile der Annalen von Tacitus in dieser Hinsicht zu ignorieren. Folglich ist Hintergrundrecherche zu seinen Motiven angesagt die ihn dazu gebracht haben könnten die Varusschlacht von der Wesernähe ins westliche Münsterland zu rücken. Die nicht bestatteten Knochen der Legionäre befanden sich nach Tacitus vor ihrer Bestattung in der Nähe einer Örtlichkeit mit Namen „Teutoburgiensi saltu“ die sich großräumig zwischen den Oberläufen von Ems und Lippe und Weser befand, den aber Ortelius nahe Billerbeck eintrug. Tacitus schrieb des Weiteren, dass man nach der Varusschlacht das Gebiet zwischen dem Kastell „Aliso“, das Ortelius zwischen Doetinchem und Isselburg einzeichnete und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschlossen und gesichert hat. Aber von Isselburg wo Ortelius „Aliso“ verortete bis Rees am Rhein liegen nur magere 10 Kilometer. So erschließt sich weder der Sinn, warum Rom dort neue Heerstraßen und Dammwege hätte erschließen und sichern sollen, als das sich auch wieder die Frage stellt, warum es für Ortelius hier nur zu einem halbherzigen Quellestudium reichte. Ein weiterer Blick auf die Landschaft zwischen Berkel und Issel verrät, dass diese rheinnahe Region zum zentralen Aufmarschgebiet der Xantener Legionen zählte, in der sie nach Belieben agieren und ihre von Gewalt bestimmte Siedlungspolitik ausüben konnten. Billerbeck befindet sich nur 28 Kilometer nördlich des großen römischen Lagerplatzkomplexes von Haltern von wo aus die Distanz zum römischen Rheinkastell Xanten 67 Kilometer beträgt. Sich hier im ebenen Münsterland eine siegreiche und zudem von den entfernt lebenden Cheruskern eingefädelte Hinterhaltstrategie vorzustellen fällt ebenso schwer wie die abwegige Vorstellung die Schlacht könne sich östlich von Bramsche nahe Kalkriese zugetragen haben. Hinzu kommt der fehlende Kontext in Bezug auf die späteren Germanicus Rachefeldzügen sowie der Standort der zwei Asprenas Legionen die zwischen dem Schlachtgebiet und Xanten operiert haben sollen, die Varus nicht zu Hilfe kommen konnten oder wollten und sich statt dessen in das römische Kastell Xanten zurück zogen und die Rheinbrücke hinter sich abbrachen um sich vor möglichen germanischen Einfällen zu schützen. Die „Schwemme“ an antiken Schriften von Tacitus, Dio und Paterculus in der ersten Hälfte des 16. Jhdt. mag seinerzeit die Geschichtsfreunde und mit ihnen die Kartographen überrascht wenn nicht sogar überfordert haben. Aber kopierte Exemplare werden auch nicht über Nacht für alle verfügbar gewesen sein, sodass die Auswertung noch weitere Jahre in Anspruch genommen haben dürfte. Ein Grund dafür, dass es um die Mitte des 16. Jhdt. was Bezüge zur Varusschlacht anbelangt ruhig bestellt war und sich die Kartographie erst später an den neuen Erkenntnissen bedienen konnte. Aber nicht nur was die Verortungstheorien hinsichtlich der markanten "Varusschlagworte" anging überschlugen sich möglicherweise in der zweiten Hälfte des 16. Jhdt. die Dinge. Der junge Ortelius mag sich anfänglich auch unschlüssig gewesen sein und musste vorsichtig sein welchen Historikern er sich, was seine Karte „Belgii veteris typus“ anbetrifft zuwenden wollte. Aber ungeachtet dieser Theorie veröffentlichte er seine Karte „Belgii veteris typus“ 1584 noch mit den Hinweisen die man ihm gegenüber bis zur Veröffentlichung gegen Ende des 16. Jhdt. gegeben hatte wonach die Flüsse Issel und Berkel im Zentrum der Varusschlacht gelegen haben sollen. Aber Fortschritt und Zeitgeist entschieden schnell und schon nach kurzer Zeit, vielleicht sogar schon während die Karte in Druck ging dürfte sie überholt gewesen sein. Trotzdem stößt jeder der sich mit Ortelius und der Varusschlacht näher beschäftigt zunächst auf seine Karte „Belgii veteris typus“ so wie es auch die freie Enzyklopädie vorschlägt. Das es aber von Ortelius noch eine weitere und weitaus zielführendere Karte gibt, in der er sich erneut mit dem Thema Varusschlacht beschäftigt hatte, stieß in der Forschung auf weniger Gehör. Da sich der Wissenstand auch damals stetig verbessert haben dürfte, schien auch die damalige Annahme das Varusereignis habe sich nahe Issel und Berkel zugetragen nicht von Dauer gewesen zu sein. Wie sich die neuen Ansichten verbreiteten entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen, es könnte aber eine Person die Wege von Ortelius gekreuzt haben die ihn mit neuen Informationen versorgt hat und ihn damit überzeugen konnte. In Verdacht gerät dabei ein Mann, mit dem er vermutlich auch beruflich in Verbindung gestanden haben könnte. Dieser Kontakt könnte ihn dazu bewogen haben, dass er wie sich noch zeigen wird in vorsichtigen Schritten von seinen früheren „Issel/Berkel“ Ansichten abrückte und jetzt eine andere Region ins Auge fasste. So warf er seine bisherigen Überzeugungen über Bord und folgte der neuen Denkweise. Die Annalen hatten ihre Wirkung nicht verfehlt und er griff die sich daraus ergebenden Erkenntnisse auf, so dass er sich und das relativ kurzfristig genötigt sah zu reagieren. Die Mehrheit der Humanisten hatte sich dem bereits angeschlossen und er entschied sich dies bei seiner nächsten Drucklegung mit einfließen zu lassen. Eine auf Tacitus basierende These die zu dem Ergebnis führte, die Varusschlacht nahe der Egge im Nethegau suchen zu müssen.(06.02.2024)
Aber über allem stand der wie in Stein gemeißelte Satz des nach 122 + verstorbenen Historikers Sueton „Quintili Vare, legiones redde = Quintilius Varus, gib die Legionen zurück“ der ohne einen Bruch erlebt zu haben, die Zeiten überdauert hatte. Möglicherweise entdeckte man Teile der Textsammlung von Cassius Dio sogar nahezu zeitgleich mit den Tacitus Annalen, denn diese erschienen in einer italienischen Übersetzung von Nicolo Leoniceno bereits 1526, dürften also bereits davor existiert haben. Da Cassius Dio nur wenige und Florus oder Paterculus gar keine Hinweise hinterließen aus denen sich engere Bezüge zur Schlacht entnehmen lassen, traten diese im Gegensatz zu den Tacitus Annalen aus kartographischer Sicht in den Hintergrund. Das es ausgerechnet der in seiner Person umstrittene Papst Leo X war, der die Veröffentlichung der 1507/1508 entwendeten Tacitus Annalen veranlasste in dem er Filippo Beroaldo den Jüngeren in seiner Funktion als Präfekt der Vatikanischen Bibliothek beauftragte sie 1515 zu drucken, lässt sich schwer mit seinem Wirken und seiner Lebensführung in Einklang bringen. Vermutlich wegen der voraus gegangenen Illegalität schickte er aus Gewissensgründen ein frühes Faksimile nach Corvey zurück, deren Existenz 1517 als Franz von Ketteler noch Fürstabt von Corvey war bestätigt wurde. Während des 30 jährigen Krieges ging es verloren womit sich die geäußerten Befürchtungen bestätigten, was die sichere Einlagerung in Corvey anbetrifft. Aber dank der noch erhaltenen seinerzeit entwendeten Originalhandschrift die im Eigentum der Familie de Medici verblieb, kann sie heute noch in der Bibliotheka Laurenzia in Florenz eingesehen werden. Somit gelangte bereits eine Reproduktion in die Reichsabtei Corvey noch bevor bei Beatus Rhenanus 1519 die Tacitus Annalen in Druck gingen, die dann in der Renaissance große Verbreitung fanden. Was in diesem Zusammenhang verwundert ist, dass Ulrich von Hutten die 1507/1508 in Corvey entwendeten Tacitus Annalen bereits 1515 im Jahr des Druckauftrages in Rom einsehen konnte, also noch bevor sie Corvey erreichten und 1519 in Basel gedruckt wurden. Ob es ein Zufall war, dass Ulrich von Hutten auf sie stieß oder er sich explizit darum bemühte mag zweitrangig sein, deutlich wird jedoch wieder das überaus starke Interesse der deutschen Humanisten am Inhalt der Schrift. Vielleicht schlug in diesem „Huttenjahr“ 1515 auch die Stunde für die Erforschung der Varusschlacht samt Verlaufsgeschichte und Örtlichkeitssuche. Zu den Humanisten die sich in der Varusschlacht ein Forschungsgebiet erschlossen hatten gesellten sich auch die Kartographen die sich bemühten den Wissensstand der Zeit zu Papier zu bringen. Nach der Entdeckung der hinweisgebenden Tacitus Annalen rückte es in den Bereich des Möglichen den Ort der Varusschlacht, wenn nicht ausfindig zu machen, so aber doch einzugrenzen. Um auf der Höhe von Diskussion und Erkenntnis zu bleiben suchten die Kartographen den Kontakt zu jenen Personen die sich dieser Thematik verschrieben hatten, bis insbesondere einer von ihnen selbst zum Forscher wurde. So tastete man sich im Team nach vorne und es bahnte sich unter ihnen eine spannende Allianz an um dem Schlachtfeld auf die Spur zu kommen. Man wendete für die bildliche Darstellung bereits die neuen Technologien an wodurch sich auch die Lage der Räume sowie die Distanzen zueinander besser verdeutlichen ließen. Im Zuge der Publizierung der Annalen 1519 wurde die Thematik aus den unterschiedlichsten Beweggründen aufgegriffen, ihr Inhalt öffnete sich weiten Bevölkerungsschichten in Italien und Mitteleuropa und alle interessierten Kreise konnten sich nach Kräften an der Suche beteiligen. Man zögerte nicht lange und sollte annehmen, das das Zielgebiet der Varusschlacht, das den Corveyer Mönchen die den Ereignissen noch um ein vielfaches näher standen schon seit dem 9.Jhdt. bekannt gewesen sein dürfte und es sich nun rund 600 Jahre später im Groben abstecken ließ. Aber dem war nicht so, denn in der damaligen Forschungslandschaft herrschte trotz der den Annalen entnehmbaren Deutlichkeit hinsichtlich der Verortung Uneinigkeit, die sich auch auf die frühe Kartierung auswirkte. Denn obwohl sich die Tacitus Annalen aus Rom möglicherweise schon ab 1517 wieder in Corvey befanden und nach 1519 auch die Druckerzeugnisse aus Basel für die Interessierten einsehbar waren, vertrat der Historiker Georg Spalatin im Jahre 1535 immer noch die Auffassung die Varusschlacht habe sich aufgrund des Gleichklangs des Wortes Teutoburg in Duisburg zugetragen. Ein Hinweis darauf wie lange und wie schwer sich die Forschung trotz besseren Wissens dank neuester Erkenntnisse noch tat, die Varusschlacht da zu verorten wohin die Tacitus Annalen den Fingerzeig hin richteten. Was aber die Kunst der Kartenmalerei anbetraf so sprechen wir hier von keinem anderen als vom gebürtigen Antorffer Abraham Ortelius, dass sich heute Antwerpen nennt. Um die Mitte des 16. Jhdt. hatte er einen großen Kreis an Humanisten um sich geschart, bzw. man hatte seine Nähe gesucht, stand untereinander im regen Austausch und versorgte sich gegenseitig mit Informationen. In dieser Phase käme für Ortelius auch besagter Georg Spalatin als Zuträger und Diskutant infrage, der für ihn ebenfalls ein Ideengeber gewesen sein könnte, obwohl er eine andere Ansicht zum Schlachtverlauf vertrat und es mag noch viele andere sich widersprechende Überlegungen gegeben haben. So wird sich der wissenschaftliche Gedankenaustausch auf schriftlicher und persönlicher Ebene über viele Jahre hingezogen haben in der Ortelius auf die Unterstützung und Zuarbeit namhafter Gelehrter angewiesen war und er dürfte und musste sich um seine ehrgeizigen Ziele erreichen zu können auch in die Abhängigkeit einflussreicher Personen folglich Geldgeber begeben haben, sodass er auf deren Vorstellungen und Meinungen einzugehen hatte. Es war auch eine Zeit in der die Neuentdeckungen im Zusammenhang mit der Varusschlacht sprichwörtlich an Fahrt aufnahmen. Die Bedingungen hatten sich verbessert was durch eine verstärkte Reisetätigkeit innerhalb der Oberschicht zum Ausdruck kam. Das Thema faszinierte, das Interesse wuchs und man weckte den Bedarf. Aber damit nahmen auch Rivalität und Einflussnahme zu was zu Interessenskonflikten führte, denen sich die frühe Kartographie ausgesetzt sah. In dieser Epoche war der Kartograph Abraham Ortelius zwar eine unbestrittene Autorität und Koryphäe seines Faches weit über Flandern hinaus, musste aber auch diesen Gegebenheiten Rechnung tragen. Er wurde im April 1527 geboren, trat 1547 der Antwerpener Sint Lukasgilde bei, übte den Beruf eines Karten- und Buchhändlers aus und bildete sich zum Kartografen weiter. 22 Jahre später im Alter von 43 Jahren publizierte er am 20. Mai 1570 in Gestalt des ersten je in Europa erschienenen Atlanten im Sinne zeitgemäßer Auffassung auch gleichzeitig sein erstes Eigenwerk auf Grundlage einer umfänglichen Sammlung von Karten die er dafür zusammen getragen hatte. Eine Leistung die nach Tacitus nicht nur einen weiteren Meilenstein im Sinne der Varusschlachtforschung setzte, sondern auch deutlich machte welchen Weg die Entwicklung nahm und wie sie voran schritt nachdem 1519 die Annalen in Umlauf kamen und die Theorien begannen aus dem Boden zu schießen. Ortelius war vielseitig, schrieb nicht nur Werke zur alten Geschichte und Numismatik, sondern war auch der erste der die Kontinentalverschiebung entdeckte. Man nennt ihn auch den Erfinder des Atlasses, eine Bezeichnung die zu seiner Zeit noch den Namen Theatrum trug. Mit zahlreichen heimischen und auswärtigen Gelehrten stand er im regen Austausch, konnte den Kenntnisstand der Zeit nutzen und abwägen und auch vieles Ungeschriebene und uns heute Unbekannte aufgreifen und verarbeiten. Besucher sollen sich bei ihm wie in einem Museum gefühlt haben. So verfügte er zwangsläufig über Quellen von denen heute nicht klar ist ist wo er sie auftat, von wem sie stammten und wo sie abgeblieben sind, verblüffte mit seinem Wissen die Fachwelt bis in unsere Zeit und ließ sie über einige seiner Verortungen rätseln. Mit dem Einstieg in die verbesserte Methodik der Kartographie und dem neu gewonnenen geographischen Wissensstand stieg die Präzision der Darstellung und man näherte sich dem an, was heute die Höhendraufsicht, also die Luftaufnahme leistet. Aber was tat Abraham Ortelius bzw. wie floss das Wissen nach dem Fund der Annalen in sein Kartenwerk ein. Vergleichbar mit dem Spürsinn den uns Tacitus abverlangt hat um seine lateinischen Wortfindungen richtig deuten zu können, haben wir uns nun in die Vorgehensweise von Ortelius einzuarbeiten, der sich erstaunliches entnehmen lässt, was sich in zwei Schritten vollzog aber letztlich zusätzliche Indizien für das Varusschlachtfeld liefert. Mit dem ebenfalls aus Flandern stammenden 1512 geborenen und 1594 verstorbenen Gerhard Kremer der sich später Gerardus Mercator nannte und der 1569 auf Basis des neuen Wissensstandes die kugelförmige Erde auf die Ebene projizierte, stand Ortelius in enger Verbindung. Seine Schlussfolgerungen dürfte er mit Ortelius geteilt haben. Und obwohl Mercator mit ihm und seinem Werk in kritischen Dialog stand würdigte er es. So äußerste er auch Kritik an seiner Vermischung von Wahrheit und Unwahrheit, wodurch die tatsächlichen Realitäten verwischt worden sein sollen. Es wird jedoch nicht deutlich, ob damit auch Verortungen gemeint sind die sich auf Begriffe beziehen die er dem antiken Vokabular der Tacitus Annalen entnommen hatte. Was an seiner Kartographie faszinierte und wie bahnbrechend wirkt ist die Tatsache, dass er es sich sogar zutraute sie zu positionieren. Dadurch wird deutlich, dass Ortelius mit Historikern in Verbindung stand von deren Ansichten er sich leiten ließ. Atlanten sind immer Objekte die der Forschung dienen, wie es besonders in der Geographike Hyphegesis des Ptolemäus zum Ausdruck kommt und die auch wie in diesem Fall bei der Aufhellung historischer Ereignisse helfen können. Ortelius leistete Basisarbeit und schuf ein umfängliches Kompendium sah sich selbst aber in erster Linie als Sammler seiner Zunft. Er nahm in alle erreichbaren Bibliographien der Zeit Einblick, kannte die meisten, legte dann die für ihn geeigneten seinen Kartenwerken zugrunde und reicherte sie mit dem Wissen der Zeit an. Sein Hauptwerk bestand aus 53 Kartenblättern und er veröffentlichte es unter dem Namen „Theatrum Orbis Terrarum“. Im Jahr 1584 ergänzte er es mit dem Nebenwerk Karte 6 „Belgii veteris typus“ und 1587 bzw. nach Meurer 1590 erschien die 19. Karte „Germania veteris typus“. Karten die die Varusforschung bis heute stark inspirieren und die Türen für diverse Spekulationen geöffnet haben. Damit gelang ihm der Durchbruch in eine neue Ära der Kartographie und er erfuhr Würdigung in höchsten Kreisen. In den Jahrzehnten danach ergänzte er sein Werk mit zahlreichen Einzelkarten und Nachträgen. So erfuhr auch die Karte „Belgii Veteris typus“ 1595 noch einen Neustich, aber ohne das eine inhaltliche Abweichung zum letzten Ausgabejahr 1590 erkennbar war. Er prüfte jeweils seine Vorlagen, optimierte sie nötigenfalls und legte auf die Deutlichkeit der Darstellung großen Wert, veränderte dabei aber gelegentlich auch die Schreibweisen lateinischer Namen. Großräumige Landkarten konnten in dieser Zeit die Details und Feinheiten der Landschaft und ihrer von der Natur geprägten Ausgestaltung noch nicht abbilden. So bestanden sie zu seinen Lebzeiten noch vielfach aus Phantasie und Spekulation, zeichnerisch gestaltete zeitgemäße Elemente die miteinander verschmolzen, aber nicht dem Wahrheitsgehalt dienten. Für die Varusforschung begann es interessant zu werden als Ortelius 1584 die Karte „Belgii veteris typus“ veröffentlichte und mit keinem anderen Kartenwerk gelang es die Varusforschung mehr zu irritieren als mit dieser einschließlich seiner Nachträge, sowie der später erschienenen Karte „Germaniae veteris typus“. Er verortete darin die Siedlungsgebiete germanischer und keltischer Stämme, Flussverläufe, Gebirge, Waldgebiete und platzierte dazu die antiken Namen so wie sie sich zu seiner Zeit recherchieren ließen und Tacitus sie in seinen Annalen erwähnt hatte. Insbesondere sind es die magischen Worte „Teutoburgiensis saltus“, „Aliso“ und „Aliso Fluss“ die er in sein Kartenwerk übertrug. Was im Wesentlichen erstaunt ist die Feststellung, dass er die Namen auf die Ostseite des Niederrheins ins westliche Münsterland rückt kurz bevor dieser die heutige niederländische Grenze passiert und somit auch die Geschehnisse um die Varusschlacht dort spielen lässt, obwohl er es schon hätte besser wissen müssen. Dort trug er u.a. die Siedlungsgebiete der Usipeter, Tubanten und Amsivarier und das auch nach heutigem Wissenstand relativ korrekt ein. Unklar bleibt jedoch, dass er völlig auf die Nennung der Cherusker verzichtete die im Zusammenhang mit der Varusschlacht eine heraus ragende Rolle gespielt haben. Es scheint als ob die Cherusker seine Theorie von einer Varusschlacht in relativer Nähe zum Rhein ins Wanken gebracht hätte da die antiken Historiker sie deutlich mit der Weser in Verbindung brachten. Das von ihm verwendete Wort „Teutoburgium“ wird zu einem weiteren Rätsel, da uns Tacitus diese Worte nur in der Schreibweise „Teutoburgiensi saltu“ hinterlassen hat, aber an keiner Stelle als einen einzelnen Ortsnamen. Aber nicht nur das, Ortelius lokalisiert es sogar und verortete es in etwa da, wo sich heute der niederländische Ort Doesburg an der Jssel befindet was auf Spalatin hindeuten könnten der in der jeweiligen Erstsilbe eine Identität erkannte. Der Ort wo die Jssel vermutlich zu Römerzeiten in den Drususgraben mündete. Vielleicht hatte Mercator in diesem Fall mit seinem Vorwurf recht. Als „Teutoburgium“ ist es uns nur eine Bezeichnung aus ptolemäischer Feder bekannt und ließ sich als ein Kastell „Teutoburgium“ an der Donau aufspüren. Ortelius nutzte also in diesem Fall für sein Kartenwerk nicht nur das Grundwissen von Tacitus, sondern auch das von Ptolemäus. Aber Ortelius verwendete wie man am Beispiel der Cherusker erkennt nicht alles von dem was Tacitus inhaltlich hinterließ, denn auf den engen Zusammenhang der geographischen Bezugspunkte der von ihm genannten Flussnamen Lippe, Ems und Weser ging er ebenfalls an keiner Stelle in seiner Karte „Belgii veteris typus“ ein, wodurch er zu anderen Schlussfolgerungen hätte gelangen müssen. So legte Ortelius „Aliso“ das die neuzeitliche Forschung aufgrund der taciteischen Hinweise nahe den Oberläufen von Ems und Lippe ansiedelt zwischen Doetinchem und Isselburg und den „Teutoburgiensi saltu“ der sich nach Tacitus unweit der Oberläufe dieser beiden Flüsse befunden haben soll, verschob Ortelius ins Quellgebiet der Berkel nahe Billerbeck, die sich damals Berckela nannte. Es will nicht zu Ortelius passen, der sich um ein gewissenhaftes Quellenstudium bemühte und so darf man sich die Frage stellen, wovon er sich leiten besser gesagt verleiten ließ und was ihn bewogen haben könnte als er sich entschied Teile der Annalen von Tacitus in dieser Hinsicht zu ignorieren. Folglich ist Hintergrundrecherche zu seinen Motiven angesagt die ihn dazu gebracht haben könnten die Varusschlacht von der Wesernähe ins westliche Münsterland zu rücken. Die nicht bestatteten Knochen der Legionäre befanden sich nach Tacitus vor ihrer Bestattung in der Nähe einer Örtlichkeit mit Namen „Teutoburgiensi saltu“ die sich großräumig zwischen den Oberläufen von Ems und Lippe und Weser befand, den aber Ortelius nahe Billerbeck eintrug. Tacitus schrieb des Weiteren, dass man nach der Varusschlacht das Gebiet zwischen dem Kastell „Aliso“, das Ortelius zwischen Doetinchem und Isselburg einzeichnete und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschlossen und gesichert hat. Aber von Isselburg wo Ortelius „Aliso“ verortete bis Rees am Rhein liegen nur magere 10 Kilometer. So erschließt sich weder der Sinn, warum Rom dort neue Heerstraßen und Dammwege hätte erschließen und sichern sollen, als das sich auch wieder die Frage stellt, warum es für Ortelius hier nur zu einem halbherzigen Quellestudium reichte. Ein weiterer Blick auf die Landschaft zwischen Berkel und Issel verrät, dass diese rheinnahe Region zum zentralen Aufmarschgebiet der Xantener Legionen zählte, in der sie nach Belieben agieren und ihre von Gewalt bestimmte Siedlungspolitik ausüben konnten. Billerbeck befindet sich nur 28 Kilometer nördlich des großen römischen Lagerplatzkomplexes von Haltern von wo aus die Distanz zum römischen Rheinkastell Xanten 67 Kilometer beträgt. Sich hier im ebenen Münsterland eine siegreiche und zudem von den entfernt lebenden Cheruskern eingefädelte Hinterhaltstrategie vorzustellen fällt ebenso schwer wie die abwegige Vorstellung die Schlacht könne sich östlich von Bramsche nahe Kalkriese zugetragen haben. Hinzu kommt der fehlende Kontext in Bezug auf die späteren Germanicus Rachefeldzügen sowie der Standort der zwei Asprenas Legionen die zwischen dem Schlachtgebiet und Xanten operiert haben sollen, die Varus nicht zu Hilfe kommen konnten oder wollten und sich statt dessen in das römische Kastell Xanten zurück zogen und die Rheinbrücke hinter sich abbrachen um sich vor möglichen germanischen Einfällen zu schützen. Die „Schwemme“ an antiken Schriften von Tacitus, Dio und Paterculus in der ersten Hälfte des 16. Jhdt. mag seinerzeit die Geschichtsfreunde und mit ihnen die Kartographen überrascht wenn nicht sogar überfordert haben. Aber kopierte Exemplare werden auch nicht über Nacht für alle verfügbar gewesen sein, sodass die Auswertung noch weitere Jahre in Anspruch genommen haben dürfte. Ein Grund dafür, dass es um die Mitte des 16. Jhdt. was Bezüge zur Varusschlacht anbelangt ruhig bestellt war und sich die Kartographie erst später an den neuen Erkenntnissen bedienen konnte. Aber nicht nur was die Verortungstheorien hinsichtlich der markanten "Varusschlagworte" anging überschlugen sich möglicherweise in der zweiten Hälfte des 16. Jhdt. die Dinge. Der junge Ortelius mag sich anfänglich auch unschlüssig gewesen sein und musste vorsichtig sein welchen Historikern er sich, was seine Karte „Belgii veteris typus“ anbetrifft zuwenden wollte. Aber ungeachtet dieser Theorie veröffentlichte er seine Karte „Belgii veteris typus“ 1584 noch mit den Hinweisen die man ihm gegenüber bis zur Veröffentlichung gegen Ende des 16. Jhdt. gegeben hatte wonach die Flüsse Issel und Berkel im Zentrum der Varusschlacht gelegen haben sollen. Aber Fortschritt und Zeitgeist entschieden schnell und schon nach kurzer Zeit, vielleicht sogar schon während die Karte in Druck ging dürfte sie überholt gewesen sein. Trotzdem stößt jeder der sich mit Ortelius und der Varusschlacht näher beschäftigt zunächst auf seine Karte „Belgii veteris typus“ so wie es auch die freie Enzyklopädie vorschlägt. Das es aber von Ortelius noch eine weitere und weitaus zielführendere Karte gibt, in der er sich erneut mit dem Thema Varusschlacht beschäftigt hatte, stieß in der Forschung auf weniger Gehör. Da sich der Wissenstand auch damals stetig verbessert haben dürfte, schien auch die damalige Annahme das Varusereignis habe sich nahe Issel und Berkel zugetragen nicht von Dauer gewesen zu sein. Wie sich die neuen Ansichten verbreiteten entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen, es könnte aber eine Person die Wege von Ortelius gekreuzt haben die ihn mit neuen Informationen versorgt hat und ihn damit überzeugen konnte. In Verdacht gerät dabei ein Mann, mit dem er vermutlich auch beruflich in Verbindung gestanden haben könnte. Dieser Kontakt könnte ihn dazu bewogen haben, dass er wie sich noch zeigen wird in vorsichtigen Schritten von seinen früheren „Issel/Berkel“ Ansichten abrückte und jetzt eine andere Region ins Auge fasste. So warf er seine bisherigen Überzeugungen über Bord und folgte der neuen Denkweise. Die Annalen hatten ihre Wirkung nicht verfehlt und er griff die sich daraus ergebenden Erkenntnisse auf, so dass er sich und das relativ kurzfristig genötigt sah zu reagieren. Die Mehrheit der Humanisten hatte sich dem bereits angeschlossen und er entschied sich dies bei seiner nächsten Drucklegung mit einfließen zu lassen. Eine auf Tacitus basierende These die zu dem Ergebnis führte, die Varusschlacht nahe der Egge im Nethegau suchen zu müssen.(06.02.2024)
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