Mittwoch, 22. Januar 2025
Das Grauen der Varusschlacht war der Beginn von Solidarität.
Wie wir es gerade wieder erleben müssen sind gemeinsame Gegner und Feinde immer der Antrieb sich verbünden zu müssen. Möchte man aber der Spekulation nicht Tür und Tor öffnen, so lassen sich die Szenarien der Kämpfe auf den einzelnen Schlachtfeldern des Jahres 9 + die zwischen dem ersten und dem dritten Kampftag ausgetragen wurden noch heute von jedem an der Geschichte interessierten Menschen auf intuitive Weise gut nachvollziehen. Es war ein gespenstiger Anblick, der sich damals jenen bot, die es bis zuletzt kämpfend mit erlebten, denen sich die letzten Bilder einbrannten, denen wenn es Römer waren noch die Flucht aus dem Inferno gelang oder die die bitteren Stunden in ihrer Passivität als Gefangene über sich ergehen lassen mussten. Jeder hatte seine eigenen Erfahrungen mit dem germanischen Feind machen müssen und wenn er der Generalität nahe stand blieb ihm auch das Geschehen um deren Selbstmorde nicht verborgen. Ihre irren und müden Blicke glitten in den Stunden über leicht und schwer verletzte, Sterbende und Tote und standen selbst dem Tod näher als dem Leben. Unwirkliche Schauspiele vollzogen sich in in ihrem Umfeld als der Schlachtenlärm zu verstummen begann. Keiner dürfte ohne Blessuren geblieben sein und über den Kampfstätten begann sich Friedhofsruhe auszubreiten. Zaghaft und in gebeugter Haltung erschienen wie auf ein geheimes Kommando die ersten Frauen mit Stöcken in der Hand, krochen suchend über den Boden, blickten hinter jede Wurzel, bückten sich und stocherten dabei nach Verwertbarem. Verängstigte Kinder und Ergraute folgten ihnen, man blickte in die Gesichter der Opfer, konnte ihnen noch ihre Schicksale ansehen und sich ein Bild von den grausigen Ereignissen machen. Im Angesicht des Todes überwog ein Gemisch aus schweigsamen Treiben und Goldgräberstimmung, man suchte nach Anverwandten und ignorierte die Feinde in dem man sie sich selbst überließ und während man noch auf überlebende Germanen stieß denen sich noch mit Heilsalben helfen ließ, waren andere schon mit Plündern und Fleddern beschäftigt. Unwissend ob noch Leben in ihnen war, zogen Frauen die die Sage Walküren nannte ihre Körper fort. Die folgenden Tage ließen das ganze Ausmaß der Schlacht erkennen und viele Orte an denen es zu Zweikämpfen und mehr kam werden noch Tage danach auf ihre Entdeckung gewartet haben. Über dem nassen Wald an der Egge lag nach dem letzten Schwertstreich eine besondere Stimmung. Wer wollte jetzt noch einen Unterschied zwischen den erschöpften germanischen Krieger machen die nun auf jene stießen die sich erst in den letzten Stunden entschlossen hatten sich dem Feind entgegen zu stellen und wer wollte den Sieg für sich beanspruchen. Was für Rom der Zusammenbruch dreier stolzer Legionen war, war für Germanien der Moment der Befreiung und was von diesen Augenblicken in der antiken Literatur hängen blieb, können wir bei Tacitus und Cassius Dio nachlesen die es wiederum den Überlebenden verdanken. Und auch was davon über die germanische Zunge verlautete erfuhren wir auch nur über den Umweg der höher gestellten römischen Zivilisation die Kraft ihrer Fortschrittlichkeit den Vorsprung der Deutungshoheit für sich beanspruchen durfte. Sie maß sich an aus dem Munde der Überlebenden das wieder geben zu können und interpretieren zu dürfen was in der Endphase der Schlacht passierte bis Varus für sich den Schlussstrich zog, den man Kapitulation nennen kann. Wer aber waren die Überlebenden die uns mit diesem Wissen versorgen konnten als die Germanen noch mitten im Zeitalter der Prähistorie steckten. Bittere Augenzeugenberichte denen die Varusforscher seit Jahrhunderten im übertragenden Sinne an den Lippen kleben und denen man mit ruhigem Gewissen nachsagen darf, dass sie es waren die der Schlacht den Namen gaben der sich bis in die Neuzeit erhalten hat. Eine Bezeichnung die sie aus Cheruskerkreisen kannten, und die wir heute die Schlacht nahe der „Schlucht der Volksburgen“ nennen würden. Ein Name der aus einer halb germanisch, halb römischen Vermischung stammt und zu „Teutoburgiensi saltu“ wurde. Rom selbst hatte für den Pass bei den Volksburgen im Gegensatz zu den Germanen keinen Namen und nur den Überlebenden verdanken wir, dass in der Nähe davon die Knochen auf ihre Bestattung warteten und sie Caecina den Weg dahin zeigen konnten. Fakten, die die Angaben der Überlebenden glaubhaft machen und uns damit den belastbarsten Hinweis auf den Ort der Varusschlacht lieferten. Da sich nach Cassius Dio und bei genauem Hinsehen auch Tacitus, Florus und Paterculus entnehmen lässt, das sich die Schlacht über mehrere Tage hinzog, konnte sich dieser Passweg auch nur dort befunden haben wo sie endete und wo sich unweit davon eine oder mehrere Volksburgen befanden, da sich der Bezeichnung „Teutoburgiensi“ weder ein Plural noch ein Singular entnehmen lässt. Was uns weiter hilft sind die Indizien die dafür sprechen, dass die Schlacht unter Beteiligung der Marser/Sigambrer, Bructerer, sowie der Chatten und Feder führend der Cherusker statt fand also in der Nähe ihrer Siedlungsgebiete. Des Weiteren, dass sie sich im Landschaftsraum zwischen den Quellgebieten von Ems und Lippe sowie dem Mittellauf der Weser, aber nicht nördlich davon zugetragen hat, da die dort siedelnden Angrivarier nicht an der Schlacht teil nahmen. Argumente die zu Fakten werden und für den Eggepass westlich Borlinghausen sprechen. Und auch wenn sich Münzfunden kein direkter Hinweis entnehmen lässt, wo Arminius einst sein Werk beendet hatte, so bereichern sie doch immer wieder die Diskussion vor allem dann, wenn sich ihnen die eingeschlagenen Kürzel VAR = Varus entnehmen lassen und den römischen Provinzialarchäologen erfreuen, da sie sich mit der Schlacht in Verbindung bringen lassen. Und obwohl es nicht nachvollziehbar ist, wie sie einst in germanische Erde gelangten so zeugen sie doch davon, dass Varus wenn er nicht gerade selbst am Fundort zugegen war, so doch nicht weit davon entfernt gewesen sein dürfte. Da wo er sich nach dieser Theorie unweit von Borlinghausen tötete fanden sich da man dort auch noch nicht nach ihnen suchte bisher keine solchen Münzen. Dafür wurde aber eine „VAR“ Münze im Zuge von Prospektionen nahe Bevern 12 Kilometern nordöstlich von Corvey nahe dem Altweg von Holzminden nach Gandersheim, eine bei Atteln 18 nordwestlich von Borlinghausen und eine 9 Kilometer südlich von Borlinghausen am Gaulskopf nahe Warburg gefunden. Hätten die Überlebenden nicht die Worte „Teutoburgiensi saltu“ fallen gelassen, hätten ihre Hinweise die uns dank Tacitus bekannt sind Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt geweckt. Während sich bei derartigen Begriffen nicht die Frage der Glaubwürdigkeit stellt gilt es einzig zu Hinterfragen, welche Bedeutung die Worte der Überlebenden hatten die darüber hinaus Eingang in die Quellen fanden und welchen Sinn ihnen Tacitus und später Dio entnahm den sie dann mit ihren Worten wieder gaben. Dem Ursprung waren sie Glaubhaft aber kein Geschichtsschreiber hatte jemals die Gabe die Tatsachen hinter seinen Quellen zu erkennen. Ob es also so war, dass wie Tacitus schrieb Arminius tatsächlich nach der Schlacht auf ein Podest stieg, um die als Schmährede bekannte Siegesansprache zu halten, oder ob seiner Überlieferung mit Zurückhaltung zu begegnen ist bzw. Cassius Dio Recht damit hatte, dass sich alle töteten um nicht in Gefangenschaft zu geraten kann daher als gesichert angenommen werden. Sollte Arminius also schon unmittelbar nach dem letzten Schwertstreich gekommen sein um die Taten seiner Landsleute zu würdigen und die des Gegners herab zu setzen oder könnte dieses Ereignis erst zu später Stunde oder am nächsten Tag statt gefunden haben wird zu einer Frage der persönlichen Vorstellungskraft. Lust nach Feiern wie man sie sich heute vorstellen möchte wird keiner verspürt haben und es war eher das Halali des Abblasens wie man es aus der mittelalterlichen Jagdszene kennt, das aber auch ältere Wurzeln haben könnte. Was die Zeilen von Tacitus, Cassius Dio und unsere Phantasie über die Riten und Rituale der Germanen nach der Schlacht hergeben, macht einen Blick in die dunklen Welten unserer Vorfahren nötig. Eine Zeit noch unbeleckt von christlicher Nächstenliebe, dafür aber um so näher den unberechenbaren Naturgewalten stehend in denen Sonne, Mond, die Jahreszeiten und wie wir seit „Nebra“ wissen die Plejaden die große Rolle spielten. Was trieb man mit den Gefangenen, sparte man die Opferszenen für später auf galt es zunächst grausame Rache zu nehmen oder führten die Zauberpriester Regie und hielten ihre Hand über das große Spektakel. Bedeutsame Römer unter den Gefangenen wird man, nachdem man sie am Aussehen oder ihrer Uniform erkannt und bewertet hat für spätere Lösegeldforderungen aufbewahrt haben. Keinen Römer entkommen zu lassen, lautete die ungeschriebene Regel, da jeder Gefangene von Nutzen sein konnte. Großzügiges Durchwinken nach Aliso oder wohin auch immer hat nicht statt gefunden. Jeder dem man habhaft werden konnte, wurde zuerst einmal in die Gefangenschaft geführt. Nicht zuletzt deswegen gelang wie überliefert auch nur wenigen von ihnen die Flucht an den Rhein. Aber es fielen auch Römer in die Hände der Germanen, die man weder opferte noch für Lösegeldforderungen nutzte oder weiter verkaufte. Sie dienten den Germanen der Region als Sklaven gleich wie man sie einsetzte und sie verschwanden in den kleinen Siedlungen der beteiligten Stämme. Als Publius Pomponius Secundus um 50 + gegen die Chatten zu Felde zog gelang es ihm noch über 40 Jahre nach der Varusschlacht gefangene Legionäre zu befreien und man mag sich fragen wie alt diese gewesen sein könnten und in welchem Zustand sie waren. Offensichtlich waren sie nicht imstande gewesen zu fliehen oder hatten sich an das Leben im alten Hessen gewöhnt. Ob man sie aber gegen ihren Willen, sozusagen mit Gewalt befreien musste, scheint eher unwahrscheinlich zu sein. Aber diese Episode macht auch deutlich, dass sich die römischen Besatzungstruppen an Rhein und Donau noch lange aus dem Landesinneren fern hielt. Nicht nur den Chatten wagte man sich nicht zu nähern und es sprach sich auch nicht herum wo noch Römer in germanischer Knechtschaft überlebt haben könnten. Man ließ offensichtlich alle an den Kämpfen beteiligte Stämme nach den unbefriedigenden Schlachtausgängen zuletzt am Ith, am Angrivarierdamm unbehelligt. Ganz so wie es Tiberius angeordnet hatte konzentrierte man sich nur noch auf die Sicherung der Grenzflüsse und hatte sich um diese Zeit noch um keinen Wetterau Limes zu kümmern und Suchkommandos zum Aufspüren Vermisster existierten nicht. Im Umfeld der Varusschlacht dürften vorüber gehend noch versprengte Römer für Unruhe gesorgt haben, aber dann waren die, die den Sieg schwer erkämpft hatten wieder unter sich, es kehrte Ruhe ein und man fragte sich wie die Römer ihre Niederlage verdauen würden. Es war ein Frieden auf Zeit in der sich die Stämme nicht nur regenerieren und neue Kräfte sammeln konnten, sondern auch an neuen Allianzen arbeiteten. Ungeachtet der Tatsache, dass den Germanen nicht verborgen blieb, dass Tiberius die Rheinarmee wieder aufgestockt hatte begannen sie die römische Lebensart zurück zu drängen, die Zeugnisse ihrer Anwesenheit an der Weser zu beseitigen oder für ihre Zwecke zu nutzen. Der den Germanen danach oft unterstellte und weiter existierende Handel mit Rom dürfte lange zum Erliegen gekommen sein und sich eher in die keltischen Regionen Richtung Main verlagert haben. Alle Lippelager bis nahe an den römischen Landlimes den „Caesiam limitemque a Tiberio“ standen nach 9 + im Zentrum der Gegenbewegung wurden zerstört, ausgeraubt und offen gelassen und als Germanicus ab 14 + mit seinen Rachefeldzügen begann führte er mehr Kämpfer ins Feld als der römische Feldherr Aetius 451 + gegen Attila. Für die Schlachten 16 + auf dem Idistaviso Feld und am Angrivarierdamm werden jeweils 8 Legionen plus germanische aber auch gallische Hilfstruppen genannt und für die Schlacht bei den Pontes Longi 15 + 4 Legionen plus Hilfskräfte. Da Arminius diese Kämpfe nicht nur überstand, sondern Germanicus erfolgreich abwehrte und sie als Patt Situation in die Geschichte eingingen könnte man daraus schließen, dass es den Germanen nach der Varusschlacht gelang ihre gesamte verfügbare Volksmasse zwischen Weser und Elbe in die Germanicus Kriege zu werfen. Eine Leistung die ungeahnte Widerstandskraft erkennen lässt und ohne einen gewaltige Motivationsschub und treibende Kräfte nicht möglich gewesen wäre und die man unseren Altvorderen kaum zugetraut hätte. Der Varusschlacht fiel erst dadurch die Bedeutung eines Wendepunktes in der römischen Expansionspolitik zu. Aber nicht nur das, es war die Geburtsstunde eines Mythos und es waren Ereignisse die ein Grossvolk wie das der Germanen mangels eines schnellen Informationsaustausches oder übergreifender Verständigung nur auf dem Wege des „Weitersagens“ über die Zeiten retten konnte. Geschehnisse die wir heute als „Sage“ belächeln und ihnen jeglichen Zusammenhang mit den einstigen Befreiungsschlachten absprechen möchten.(22.01.2025)

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