... newer stories
Dienstag, 26. Februar 2019
Wo schlug die Geburtsstunde der germanischen Strategie - Wie stand es um die germanische Sprachkultur vor dem Tag X.
ulrich leyhe, 22:56h
Wenn für einen älteren Menschen schon das Erinnern an die eigene Kindheit kaum mehr möglich ist, wie sollte es erst gelingen sich in das Leben und die Zeiten früherer und längst verstorbener Generationen hinein zu denken. Viele Zeitgenossen würden sich sicherlich gerne mehr mit unserer Frühgeschichte befassen, wenn es ihnen nicht so schwer fallen würde, sich in diese alten Epochen zurück zu versetzen. Historische Romane auf belletristischer Basis können hier nur notdürftig Abhilfe schaffen. Unnötig erschwert wird es leider noch zusätzlich von den versierten und einschlägig geschulten Fachexperten. Da ist es immer wieder bedauerlich mit erleben zu müssen, wie motivierte und an der Geschichte interessierte Laien von Doktoren oder Professoren in als populär wissenschaftlich angekündigten Veranstaltungen und Vorträgen in ihrer Leidenschaft ausgebremst werden, in dem man sie mit Fachbegriffen oder komplexen und unüberschaubaren Zusammenhängen nahezu tot schlägt, statt auf die verständliche Sprache des Volkes umzuschalten, beispielsweise die „theodisca lingua“. Eine vormals wissbegierige Zuhörerschar verlässt danach schnell und schweigsam, dafür aber um so frustrierter den Raum, eine lebhafte Diskussion ist abgewürgt, eine Chance wurde vertan und es bleibt unter den Zuhörern oft nur ein fader Geschmack einstiger Wissensfreude. Einhelliger Tenor in den Fluren ist dann in der Regel der Ausspruch, die Experten möchten halt lieber unter sich bleiben und vermeiden bewusst die klaren Worte der Verständlichkeit. Das Problem mit der Rückbesinnung umfasst auch in besonderem Maße die Welt zu Zeiten der Varusschlacht. Allein die bloße Vorstellung erst 2000 Jahre an uns vorbei rauschen lassen zu müssen, bevor wir da sind wo wir hin wollen, würde den Menschen unserer Tage symbolisch betrachtet schon zum verzweifeln bringen. Vielen Zeitgenossen ist das dazu nötige Gefühl dafür abhanden gekommen oder sie verfügten nie über die besondere Gabe rückwärtige Ereignisse zum Leben zu erwecken. Die große umfassende und verwirrende Gesamtchronologie der Jahrtausende erschwert alles noch zusätzlich. So verwundert es auch kaum das Zeitabschnitte oft falsch zugeordnet werden und für viele Mitmenschen nach der Steinzeit direkt die große Völkerwanderung beginnt um nur eines von vielen Beispielen zu nennen. Um trotzdem eine Sensibilität für das Erkennen und Aufspüren der Zeitenwechsel anhand von Schnittpunkten oder Großereignissen zu entwickeln ist schon ein kleines Kunststück nötig, dass es zu vollbringen gilt. Aber man kann sich dafür kleine Brücken bauen die uns helfen können, den Blick ganz nach hinten zu erleichtern. Denn wenn wir wissen wollen, wie unsere Ahnen die kriegerischen Wirren der Römerzeit überdauerten und erlebten, müssen wir auch versuchen ihr Gedankengut zu enträtseln. Zuerst einmal sollten wir die Dinge enttabuisieren, und vielleicht auch den mythischen Komplex etwas niedriger hängen, denn 2000 Jahre sind nicht so endlos lang wie es uns scheinen mag. Läge unsere Lebenserwartung bei 200 Jahren wie etwa bei einem Grönlandwal, oder einem Seeigel, so sähe alles schon ganz anders aus. Käme uns also heute Arminius in einer belebten Fußgängerzone rasiert, in Jeans und lässigem Sweatshirt entgegen oder würde er sich das Schaufenster eines Reiseveranstalters ansehen, er fiele uns nicht auf. Denn an Statur und Körperbau hat sich in 2000 Jahren rein gar nichts verändert. Eines dürfte er jedoch nicht machen, nämlich uns nach einem Weg fragen. Würde sich eine derartige Episode in Ostwestfalen abspielen und wäre der von Arminius angesprochene älteren Jahrgangs, so käme jener natürlich ins Grübeln. Er hätte dann den Eindruck, er könne Arminius irgendwie verstehen, aber irgendwie auch wieder nicht. Vergegenwärtigen wir uns aber dieser Zeitspanne so wirkt sie schon überschaubarer, wenn wir uns 2o hundert Jährige in einer Reihe vorstellen und bekanntlich soll es sogar Menschen geben die über 100 Jahre alt wurden oder sind. Stellen wir uns diese 2o Männer auch noch in zeitgenössischer Bekleidung vor, so erscheinen uns vermutlich die Germanen besser und salopper gestylt, als unsere Vorfahren in der Mode des Mittelalters oder des 17. bzw. 18. Jahrhunderts. Vergleichen wir ihr Aussehen aber jeweils mit der des einfachen Volkes also der Kleidung der Landbevölkerung noch bis in die 1950 er Jahre in Deutschland, so werden wir wohl kaum größere Unterschiede ausmachen können. Leder, Wolle und Leinen dürften dominieren, aber das Schuhwerk würde wohl den Unterschied machen. Um dem Hobbyhistoriker die Scheu vor den zeitlichen Dimensionen zu nehmen bietet auch die Fort- und Weiterentwicklung der Sprache einige gute Ansätze. Wenn wir diese wurmstichige Holzsprossenleiter unserer Sprachkultur bis in die Tiefen deutscher Mundart hinab steigen fühlen wir uns, wie auf einer abschüssigen etymologischen Geisterbahn. Die Spinnweben versperren uns mehr und mehr die Sicht. Fäulnisgeruch verstärkt sich, Sauerstoff wird weniger, dafür wird es aber immer dunkler um uns und unten angekommen treten wir ins Bodenlose, sollten also tunlichst schon auf den letzten Sprossen stehen bleiben. Denn leider entzieht uns die gängige Wissenschaft viel zu früh die führende Hand und wir müssen wieder lernen unsere eigenen Tastsinne zu nutzen. Arminius sprach das nachchristliche Altgermanisch auch Althochdeutsch genannt, also müssen wir uns behutsam dahin zurück bewegen, wenn wir heraus finden wollen, ob Arminius auch sprachlich seinen römischen Widersachern gewachsen war. Etymologen, Linguisten und alle anderen Disziplinen die in diese Richtung forschen und sich damit beschäftigen, wie man sich vor 2000 Jahren unterhalten haben könnte, haben dazu ihre Vorstellungen entwickelt. Und vom Ergebnis ist auch mit abhängig was Arminius unter konspirativen Gesichtspunkten betrachtet damals zu leisten imstande gewesen sein könnte. Wie konnte also eine periphere und rudimentär ausgerichtete germanische Welt sprachlich mit der lateinischen Hochsprache mithalten. Sich der altgermanischen Unterhaltungs- und Umgangssprache in Zentralgermanien zu nähern bedeutet in diesem Fall sich auch der Frage zu widmen, wie man miteinander auf germanischer Seite verhandelte, wie sie ihre Gespräche führten und welchen Umgangston man pflegte. Wie tauschte man unterschiedliche Standpunkte aus, wie formulierte man sich gegenseitige Vorschläge, wie fand man zu gemeinsamen Ergebnissen, wie verwarf man gefasste Beschlüsse, wie ging man mit Uneinigkeit und Streitfällen um. Fragen über Fragen die alle von Bedeutung waren, wenn es um das Erreichen eines gemeinsames großen Zieles ging. Die Lateiner hatten es da einfacher, ihre Sprache gewachsen auf Zucht, Ordnung und militärischer Disziplin war ausgereifter und strukturierter. Es verschaffte den Römern gegenüber den Germanen in jeder Hinsicht die nötige Überlegenheit. Latein war die damalige Weltsprache, wer sie beherrschte dominierte alle anderen Sprachen und damit auch die anderen Völker Mitteleuropas, abgesehen von Ausnahmen wie beispielsweise Griechenland. Und eine Leitkultur wie die Römische begab sich auch nicht auf das Niveau niederer und unterworfener Stämme hinunter. Wir leben aktuell in einer global bedingten ähnlichen Situation und Weltgemeinschaft, nur das es heute nicht mehr Latein sondern Angloamerikanisch ist, was es zu erlernen gilt, wenn man in unseren Zeiten bestehen will. Arminius konnte sich teilweise in der lateinischen Sprache ausdrücken und führte, obwohl es sein eigener Bruder war das Streitgespräch mit Flavus auch in Latein. In einer Übersetzung heißt es, dass er in seiner altgermanischen also althochdeutschen Sprache „viele“ Worte in Latein aussprach. Tacitus aber verwendete das Wort „pleraque“ und dieses lateinische Wort wird auch übersetzt mit „meistens“ bzw. „größtenteils“. Da der Wortwechsel beider ziemlich umfangreich ausfiel und Arminius viele bzw. die meisten Worte in Latein aussprach, muss er diese Sprache auch ganz beachtlich eingesetzt, wenn nicht sogar beherrscht haben. Die lateinische Sprache anzuwenden, war nicht einfach. Wie lange also lebte Arminius sozusagen fern der Heimat und wie schnell erlernte man damals als Germane die Weltsprache Latein. Bei Flavus, Marbod oder Segimundus werden die lateinischen Sprachkenntnisse vergleichbar, eher sogar noch besser gewesen sein, als die von Arminius, da die genannten Germanen vermutlich länger im Imperium und das nicht nur an der Front lebten. Aber auch schon Segestes könnte die lateinische Sprache gekonnt haben und Varus in seiner eigenen Sprache vor den Arminen gewarnt haben. Die Germanen waren nicht in der komfortablen Position Forderungen stellen zu können und mussten ihr Herkunftsdefizit mit guter Lernfähigkeit und anderen Vorzügen wett machen, wenn sie sich andienen wollten. Die lateinische Sprache ist auch heute noch kein leichter Stoff und Germanen die sie damals verwendeten, konnten auch nicht jene Halbwilden sein, wie sie von einigen Historiker dargestellt wurden und wie sie in den Köpfen der Römer herum spukten. Eine so komplexe Sprache wie Latein auch nur in Bruchstücken sprechen zu können, setzte das Vorhandensein einer flankierenden Muttersprache voraus. Denn die Sprache eines anderen Volkes lässt sich immer dann schneller erlernen, wenn die eigene Sprachkultur unterstützend wirken kann. Wer heute gut deutsch und französisch spricht, dem fällt auch englisch leichter und wer gut deutsch und englisch spricht der lernt auch französisch schneller. Es spricht einiges dafür, dass die Qualität und Ausdruckskraft der altgermanischen Sprache weiter gediehen war, als man heute annehmen möchte und das machte die Germanen ebenbürtiger und gefährlicher zugleich. Wie aber bewegt man sich eines besseren Verständnisses wegen aus heutiger Sicht auf die Sprache und die Mundart des Arminius zu. Anders gefragt, welche Sprachquellen können wir heute nutzen, die uns helfen die Lücke zwischen dem Jahr der Varusschlacht und der heutigen Zeit zu schließen. Eine der ersten Orientierungshilfen bietet uns Johannes Mentelin aus dem Elsass. Er war es der noch vor Martin Luther 1466 die noch heute, und das nach rund 550 Jahren gut lesbare erste Bibel in der deutschen Volkssprache in frühneuhochdeutsch druckte. 642 Jahre vor Johannes Mentelin unterhielten sich im Jahr 842 in Straßburg Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle und sprachen die berühmten Straßburger Eide in altfranzösischer und althochdeutscher Sprache wie sie uns von Nithard überliefert wurden. Neben den Straßburger Eiden liegt uns auch noch das Hildebrandslied aus dem 9. Jahrhundert vor. Zusammen mit dem Schriftstück von Nithard stehen uns damit schon zwei in althochdeutscher Sprache verfasste Schriften zur wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung. Sie sind beide etwa 1200 Jahre alt und auch immer noch gut zu übersetzen. An letzter bzw. erster Stelle wie man es sehen möchte, stehen die berühmten Merseburger Zaubersprüche ebenfalls abgefasst in althochdeutscher Sprache. Wissenschaftlich begründete Datierungsvorschläge reichen dazu vom 2. Jahrhundert bis ins frühe 9. Jahrhundert. Legt man die jüngste Expertise zugrunde, bewegen wir uns in der Endphase der Regierungszeit von Kaiser Karl dem Großen. „Sprachschriftlich“ betrachtet sind es bis zur Mundart von Arminius mit der dazwischen liegenden Völkerwanderung, dann noch etwa 800 Jahre. Natürlich hat unsere Zunge vieles verlernt und kann auch, mit Ausnahme weniger Regionen in Südwestdeutschland kein „W“ mehr wie ein Doppel „UU“ aussprechen. Auch wenn sich uns der Sinn nicht ganz erschließt, so ist es den Experten, auch ohne das wir uns sprachlich zurück züchten, doch möglich die alten Schriften in die heutige deutsche Sprache zu übersetzen. Und alle alten Texte ermöglichen uns auch recht gut rekonstruierbare wissenschaftliche Rückschlüsse auf diese frühere und zweifellos schon gut ausgeprägte Dialogfähigkeit unserer Ahnen um Arminius zu ziehen. Warum sollte also die Sprache wie sie einst Arminius beherrschte, könnte man sie noch aufspüren also hörbar machen, nicht diesen Überlieferungen erstaunlich nahe gekommen sein. Aber zurück in die Fußgängerzone einer ostwestfälischen Mittelstadt, wo ein älterer Herr auf Arminius traf. Die Worte von Arminius klangen für den Angesprochenen fremdartig aber gleichzeitig wieder vertraut. Ein für ihn noch heraus hörbarer und dialektischer Unterton der in seiner Muttersprache verborgen lag machte deutlich, dass er aus der Region stammen musste. Aber dann rasselte ein Wortschwall über seine Lippen, den er nicht zuordnen konnte. Schnelle und zusammen gesprochene Wortfetzen wurden abgelöst von harten Unterbrechungen und kaum definierbaren Schwankungen in der Betonung. Mal hörte man, wann ein Wort endete, mal ging es fließend ins nächste über und mal stockte Arminius an einer Stelle, ohne das er einen Grund dafür erkennen konnte. Dann schien es ihm, als wolle der Fremde eine Frage formulieren was ihn dann völlig hilflos machte. Unser Zuhörer war irritiert erkannte erstaunlicherweise aber doch noch einige Worte und konnte sie übersetzen, nur die seltsamen Stimmwechsel machten ihm immer wieder zu schaffen. Natürlich fehlten Arminius sämtliche modernen und zeitgeschichtlichen Worte und Bezüge und er nutzte nur sein ihm geläufiges Repertoire. Aber unser verdutzter Zuhörer war bemüht, konnte und versuchte sich einen Reim zu machen, denn Arminius wiederholte mehrmals die gleichen Worte. Die nun folgenden von mir verwendeten, eingeschobenen bzw. eingesetzten Worte entstammen nur den Merseburger Zaubersprüchen. Sie wurden uns lediglich nieder geschrieben und konnten uns natürlich nicht mündlich überliefert werden. Und ein nieder geschriebenes Wort kann man bekanntlich nicht hören. Zwangsläufig kann man auch nieder geschriebene Worte nicht klang fähig machen, denn Buchstaben können nicht sprechen. Und das Wort „sprechen“ ist schon ein gutes Beispiel dafür, denn sprechen wir das Wort sprechen aus, sprechen wir nicht sprechen, sondern sagen eher „schprächen“. Und spricht man gar englische Worte wie das Wort „mother“ so aus wie es geschrieben wird, so hat man schnell alle Lacher auf seiner Seite. Schon Sokrates beklagte vor 2400 Jahren den Verlust der Kommunikation die mit dem Aufkommen der Schrift einher ging. Und wenn wir auf unsere Dialekte nicht aufpassen, geht es uns bald so wie den Franzosen, dort sind Dialekte weitgehend unbekannt, da die lateinische Schriftsprache die man ihnen seinerzeit verordnete keine Dialekte mehr möglich machte bzw. zuließ. Und da uns Arminius durch seinen mutigen Einsatz half und uns die lateinische Sprache als Mundart ersparte, haben wir auch dank ihm noch unsere schönen zahlreichen Dialekte. Und natürlich hat Arminius die sieben von mir gewählten Wortbeispiele auch nicht so ausgesprochen, wie sie in den Merseburger Zaubersprüchen geschrieben wurden. Würden wir heute das Wort „setzen“ schreiben wie es gesprochen wird, so würden wir möglicherweise auch noch „sezen“ sagen und nicht setzen. Und da sind wir auch ganz schnell beim alten Wort „sazun“. Folgen wir nun noch jenen Forschern, die die Entstehung der Merseburger Zaubersprüche sogar bis ins 2. bis 5. Jahrhundert datieren möchten, so sind wir schon ganz nahe dran an Arminius. Unserem Spaziergänger der Arminius auf der Straße traf schien es also so, als ob der sich erst mal „setzen (sâzun)“ wollte und seine „Schwester (swister)“ suchen würde, die am „Bein (ben/bena)“ „blutet (bluot/bluoda )“ um dann mit ihr auf einem „Fohlen (folon)“ das er irgendwo „angebunden (haftbandun)“ hatte ins „Holz (holza)“ also in den Wald zu reiten. Sieben Worte konnte unser Zuhörer also noch gut heraus hören, er konnte sie aber in keinen Zusammenhang bringen. Da aber offensichtlich seine Schwester eine Verletzung hatte, da sie am Bein blutete, wies er ihm natürlich den Weg ins nächste Krankenhaus. Und hier endet meine Simulation einer kurzen Konversation zwischen heute und damals. Sie ließe sich auch noch mit einigen anderen Worten erweitern, auch wenn man nur die Worte der Merseburger Zaubersprüche zur Grundlage nehmen würde. Ob die Cherusker untereinander am Lagerfeuer nun auf Basis dieser Stufe der Sprachentwicklung ihre Angriffspläne noch in Pannonien oder schon an der Weser schmiedeten ist da unerheblich. Aber diese vergleichenden Darstellungen von Mentelin zurück bis zu den Merseburger Zaubersprüchen könnte in zyklischen Schüben beweisen, dass man in Germanien dem Imperium sprachlich gleichwertiger war, als allgemein angenommen. Mit der Formulierung der zyklischen Schübe verbinde ich die Vorstellung, dass das Fortschreiten sprachlicher Leistungsfähigkeit in Germanien was ihre Veränderungen anbetrifft unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausgesetzt war. Ich halte es für denkbar, dass die ur - und die darauf folgende altgermanische Sprache der Rhein - Wesergermanen im Zeitabschnitt zwischen etwa 100 – bis 300 + eventuell sogar 700 + keine starke sprachlich verändernde Dynamik bekam bzw. entwickelte und nahezu gleich blieb. Die cheruskischen Sippen und Familienbande behielten lange ihre angestammten Siedlungsgebiete an der Mittelweser, da sich an den ersten Limeskämpfen nur die jungen Krieger beteiligten die anschließend wieder in ihre Dörfer zurück kehrten. Selbst mit dem Eintritt in die Zeiten der darauf folgenden Völkerwanderungen könnte sich die Vermischung der germanischen Sprachregionen und Kulturen untereinander noch zäher gestaltet und sich länger hinaus geschoben haben, bevor es zu Überlagerungen durch andere Mundarten kam. Die Nachfahren der germanisch sprechenden Bevölkerung der Römerzeit könnten ihre Dialekte demzufolge noch kaum verändert auch noch bis ins frühe Mittelalter mitgenommen haben. Erst mit der Ausdehnung der Sachsen bis zum Nordrand des Sauerlandes könnte es zu den sprachlichen Veränderungen gekommen sein, wie wir sie auch in der Lautverschiebung nachweisen können. Es ist daher denkbar, dass die altgermanische Sprachkultur auch noch bis in die Zeiten der Merseburger Zaubersprüche hinein reichte. Arminius daher auch die gleichen Worte nutzte und aussprach, wie sie darin in geschriebener Form vor kamen und wie wir sie auch heute noch, wenn auch nur mühsam übersetzen können. Es wird mithin erkennbar, dass es eine vielseitig akzentuierte und vor allem teamfähige Sprachkultur in Germanien gab, die besonders für militärisch strategische Beschlüsse unabdingbar war. Denn erst in eine Gefahrenlage gedrängt beweist sich welche kulturelle Substanz in einem Volk steckt bzw. verfügbar ist und angezapft werden kann. Und gerade eine Notlage gebietet es, sich besonderer kommunikativer Möglichkeiten zu bedienen um den Informationsaustausch zu verschärfen und zu perfektionieren. Wozu man in Krisensituationen sprachtechnisch fähig ist, zeigt die Nutzung des Navajo Codes im amerikanischen Pazifik Krieg und den Einsatz der nubischen Sprache im Funkverkehr in den arabisch/israelischen Kriegen um möglichst lange im verborgenen Taktieren zu können. Hätte sich die Germanen gegenüber dem Imperium wie „Analphabeten“ verhalten, hätte man im Kreise des Arminius die späteren Taten und Leistungen nicht vollbringen können. Wesentlich ist daher aus meiner Sicht nur eines. Das nämlich in der Summe betrachtet die sprachlichen Fähigkeiten innerhalb der germanischen Widerstandskämpfer hinsichtlich einer zuverlässigen Kommunikation untereinander völlig ausgereicht haben müssen, um dem römischen Gegner erfolgreich die Stirn bieten zu können. (26.2.2019)
... link
Dienstag, 5. Februar 2019
Arminius Gedenkjahr ! 2021 begehen wir seinen 2000. Todestag
ulrich leyhe, 23:22h

... link
Arminius sammelte seine Auslandserfahrung im Pannonien Krieg
ulrich leyhe, 22:36h
Eine Anwesenheit von Arminius im Pannonien Krieg ist wie so vieles aus der damaligen Zeit nicht beweisbar und gilt daher als anachronistisch wird aber ungeachtet dessen gerne wie ein faktischer Tatbestand gewertet, da sich mit ihm vieles abrunden und erklären lässt. Und ganz so daneben gegriffen muss es auch nicht gewesen sein. Denn aufgrund des Streitgespräches zwischen Flavus und seinem Bruder Arminius im Jahre 16 + über die Weser hinweg geführt wissen wir, dass Arminius auf römischer Seite genauer gesagt im römischen Lager kämpfte. Dort diente bzw. agierte er als Anführer seiner germanischen Landsleute. Da sich Flavus in römischen Diensten heftige Blessuren zu zog, also auch er für Rom in Kämpfe verwickelt war, wofür er auch Auszeichnungen bekam, kann man schon davon ausgehen, dass auch Arminius vor dem Jahre 9 + für das Imperium kämpfte. Da um diese Zeit außer dem Pannonien Aufstand größere zeitgleiche Kämpfe nicht bekannt sind und Arminius sicherlich auch nicht auf römischer Seite im „Immensum Bellum“ gegen seinen eigenen Stamm zum Einsatz kam, verhärtet dies die Annahme, dass Arminius in Pannonien kämpfte. Denn gegen Marbod gab es nichts zu kämpfen. Ich möchte mich also auch jenen Historikern anschließen, die es ähnlich sehen. Arminius ebenfalls ein freiheitsliebender Geist wird beeindruckt gewesen sein vom Widerstandswillen des pannonischen Volkes und ließ sich davon inspirieren und wie man später sieht auch infizieren. Er war dabei, wie sich ein Stamm in Partisanen Manier und phasenweise sicherlich auch erfolgreich zur Wehr setzte. Wobei das Wort Partisanen genau genommen weder auf die Pannonier noch später auf die Cherusker zutrifft. Denn Partisanen gelten als irreguläre Verbände die neben einer regulären Armee agieren. Auch später in Ostwestfalen war dies nicht der Fall, denn was waren vor 2000 Jahren schon reguläre Armeen. Wie wir aber aus der cheruskischen Stammesgeschichte wissen, ist der Grat zwischen Kollaboration und Resistance sehr schmal. Und so sei die Frage gestattet, wann aus einem Volksaufstand oder einer Rebellion ein Krieg wird. Arminius übte sein blutiges Handwerk im Brennpunkt des Kampfgeschehens aus, denn ruhige Frontabschnitte oder gar Schonplätze dürfte es in Pannonien kaum gegeben haben. Immer wieder mussten die Kämpfer beider Seiten die Schwerter in die Hand nehmen, standen sich Auge in Auge gegenüber und schenkten sich nichts. Arminius von dem wir annehmen, dass er für Rom an der Donau mit seinen Männern gegen die Pannonier kämpfte, stand demzufolge meistens in vorderster Linie. Nach allem was man sich vorstellen kann, musste er die schematisch ablaufenden römischen Befehlsketten im Zuge unablässiger Angriffswellen und Attacken gegen den Feind von der Führungsebene bis zum Centurio gekannt haben und wurde bzw. war in die wesentlichen römischen Angriffsstrategien immer eingeweiht. Ob eine Kesselschlacht, ein Frontalangriff oder ein Umgehungsmanöver ratsam erschien oder anstand, er musste die Pläne kennen. Er wusste auch um die besonders kritischen Phasen im Kampf, wenn Befehle nicht zeitnah eintrafen, der Feind die Linien durch brach oder kurzfristige Entscheidungen nötig waren. Keine kritische Gefechtslage dürfte ihm unbekannt geblieben sein. In dieser Zeit könnte er sich als Dolmetscher zwischen beiden Völkern auch gute lateinisch Kenntnisse zugelegt haben. Vor allem aber sah er jede Schlacht mit einem römischen und einem germanischen Auge. Und er übersah auch nicht die Schwachstellen in der römischen Armeeführung. Sein Einsatz in Pannonien wurde für ihn folglich auch zu einem lehrreichen Studium in Sachen Strategie und Konspiration. Will man sich die Abläufe im Detail vorstellen, stünde eine wichtige Frage am Anfang. Nämlich die, ob Arminius schon in Pannonien den Plan fasste gegen Varus den germanischen Widerstand zu organisieren, oder ob er dies erst anging, nachdem er wieder zurück in Ostwestfalen war und wo er dann die neue Lage übersehen konnte. Darauf basierend ließe sich folgende Fragestellung konstruieren. Verlies also Arminius Ostwestfalen schon im Zuge der Rekrutierungen, die Tiberius gegen Marbod bereits im Winter 5 + / 6 + angeordnet haben musste, um im Frühjahr aufbrechen zu können oder war Arminius erst unter den Hilfskräften die nötig wurden, um nach Abbruch des Feldzuges gegen Marbod die Pannonien Armee zu verstärken und aufzustocken damit Tiberius die überlieferten 15 Legionen zusammen bekam. Arminius erlebte also in beiden Fällen nicht mehr, was sich sich nach dem Jahre 6 + in Ostwestfalen ereignete bzw. später zuspitzen sollte. Varus rückte vermutlich erst 7 + nach Ostwestfalen aus, da kämpfte aber Arminius bereits an der Donau. Von den veränderten Verhältnissen in Ostwestfalen der Jahre 6 + bis 8 + könnte er in der Zwischenzeit etwas erfahren haben. Ich schließe aber aus, dass er bereits in Pannonien an Derartiges dachte. Erst nach seiner Rückkehr bzw. Ankunft in Ostwestfalen war er daher imstande sich ein genaues Bild über die Ereignisse zu machen. Vor diesem Hintergrund betrachtet dürfte Arminius in Pannonien noch keine konkreten Absichten oder Pläne gehabt haben, ob überhaupt oder wie er in Ostwestfalen aktiv werden könnte. Seine Überlegungen müssten demnach erst Formen angenommen haben, als er nachdem in Pannonien die Waffen ruhten im Spätsommer oder Herbst 8 + in Ostwestfalen eintraf. Fraglich ist natürlich auch, ob Arminius die Cherusker erst vom Widerstand überzeugen musste, oder ob er von den Daheim geblieben überzeugt werden musste, dass Heft des Handels in in die Hand zu nehmen. Ungeachtet dieser Rand Spekulation war aber von diesem Zeitpunkt an für ihn im Zusammenwirken mit dem Segimer Fürstenhaus immer noch genügend Zeit um die Varusschlacht vorzubereiten. Aber in Pannonien hatte er dazu gelernt und es hatte sich einiges bei ihm eingegraben, was seine spätere Vorgehensweise beeinflusste. In Pannonien gehörten er und seine Männer zu den Auxiliarkräften also den germanischen Hilfsvölkern die ebenfalls allerdings unter geringerem Sold, als die regulären römischen Legionen standen. Sie schickte man bevorzugt in die feindlichen Kampfnester, die für die starre römische Feldschlachttaktik nicht gut geeignet war. Sie waren eher die taktische Feuerwehr in der Hitze des Kampfes und das Imperium nutzte diese aus ihrer Sicht minderwertigen Hilfskräfte um die eigenen Landsleute schadlos zu halten bzw. zu schonen. Wir wissen aus den Überlieferungen auch, dass sich im Pannonienkrieg später auch jene Hilfskräfte gegen Tiberius stellen sollten, die er zuvor genau aus dieser Region für den Markomannen Feldzug rekrutiert hatte. Es muss für Tiberius eine schmerzliche Erfahrung und Erkenntnis gewesen sein, mitten im Gefecht erleben zu müssen, wie der einstige Partner und dies natürlich ohne Vorwarnung ins gegnerische Lager wechselt. Es waren auch Auxiliarverbände die Tiberius in Pannonien gegen Marbod anwarb und mit denen er noch gemeinsam die Thaya aufwärts in Richtung Markomannen Reich zog. Alles mit dem Ziel mit ihnen zusammen Marbod zu besiegen und zu stürzen. Auxiliarkräfte die Tiberius begleiteten, die ihn umgaben und die in Rufweite also in nächster Nähe zu ihm gestanden haben könnten. Und das sogar noch in dem Moment, als man ihm die Nachricht vom Pannonien Aufstand überbrachte. Es muss für jeden Historiker eine beklemmende Vorstellung gewesen, die Tiberius zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erfassen konnte. Denn genau diese Hilfskräfte vollzogen dann mit ihm zuerst wieder den Schwenk nach Süden in Richtung Donau nach Pannonien. Zogen mit ihm also nahezu die gleiche Strecke wieder zurück bis sie im Kampfgebiet an der Donau eintrafen. Dort wendeten sich dann in einem günstigen Zeitpunkt von ihm ab um gegen ihn die Waffen zu erheben. Zu welchen „Niederträchtigkeiten“ doch so ein pannonisches Volk imstande sein konnte, wenn es darum geht die eigene Existenz zu erhalten und einen eigenen Freiheitswillen zu entfalten. Diese dramatische Szenerie hatte möglicherweise einen aufmerksamen Beobachter und der hieß Arminius und der war Cherusker. Er könnte es hautnah erlebt haben, wie es sich anfühlt, wenn ein vermeintlicher Kampfgefährte plötzlich die Schwerter gegen die ehemals eigenen Leute erhebt. Man kann sich kaum Schlimmeres vorstellen, als wenn man mitten im Kampf ohne Ankündigung vom Nebenmann plötzlich den Schädel eingeschlagen bekommt. Es muss daraufhin unter den Römern und den zu ihnen stehenden Auxiliarkräften eine demoralisierende Fassungslosigkeit ausgebrochen sein, die in diesem Moment kurzzeitig zum Zusammenbruch jeglicher Kampfaktivitäten geführt haben könnte, woraufhin erst einmal ein Horn zum Rückzug blies. Die allgemeine Bestürzung die durch die römischen Reihen ging, wertete Arminius wie ein Zeichen des Himmels, denn dies wies ihm einen bis dato noch fehlenden taktischen Schritt im späteren Freiheitskampf gegen Varus. Man könnte es mal rekapitulieren. Mit der Methode den römischen Heereszug aus dem befestigten Sommerlager herauszulocken übernahm er die Sugambrer Taktik aus der Clades Lolliana, den Hinterhalt schmiedete er wie Abgar von Osroene in der Schlacht bei Carrhae, den plötzlichen „Frontenwechsel“ machten ihm die Pannonier vor, die Zermürbungstaktik um die offene Feldschlacht zu vermeiden erzwang die römische Überlegenheit und der „Engpass im Saltus“, um nicht auch noch an Leonidas zu erinnern, bot ihm die Geographie und er bildete den Abschluss der 3 ½ tägigen Ereignisse im Nethegau. Es kristallisiert sich heraus, dass Arminius für alle seine strategischen Schritte passende Vorbilder gehabt haben könnte, er brauchte also das Rad nicht neu zu erfinden. Alles zusammen genommen könnte und war letztlich die Lösung um Varus kein Entrinnen zu ermöglichen. Alles was Arminius noch fehlte und was er zum späteren Sieg brauchte, lehrte ihn zuletzt die blutige Realität in Pannonien. Arminius ließen die Erfahrungen militärisch reifen und erweiterten seinen Horizont in jeder Hinsicht. Rom zog sich seine Rebellen selbst heran in dem es zuließ, die Söhne hoher germanischer Fürsten in ihr Reichsgefüge aufzunehmen und zu integrieren. Man gewährte ihnen einen Einblick in die Stärken und Schwächen des Systems und wie man sieht manchmal offensichtlich auch noch mehr als ihnen bewusst war. Ungerechtigkeit und Unterdrückung, Gewalttaten und kulturelle Barbarei konnten und mussten die Kampfes willigen Geiseln wie Arminius einer gewesen sein könnte, aus den germanischen Adelsfamilien ebenfalls mit erleben. Wir wissen wie der moralisierend schreibende Tacitus die Tugenden der Germanen gegenüber den römisch dekadenten Gepflogenheiten hochstilisierte und können uns daher gut vorstellen, wie alles auf das Geisel oder den Söldner Arminius eingewirkt haben könnte. So erlebte der germanische Krieger Arminius auch die brutale Zwangsherrschaft der römischen Machthaber in Pannonien. Der pannonische Anführer Bato gab dazu Tiberius nach dem Aufstand die passende Antwort in dem er sagte “Ihr Römer tragt doch selbst die Schuld an unserem Aufstand, schicktet ihr doch zu uns als Wächter keine Hunde und Hirten, sondern Wölfe“. Für Tiberius war dies nichts Neues, er kannte seinen Staat, seine Landsleute und das Erfolgssystem des Imperium Romanum, aber auch er sollte daraus noch seine Lehren im Verlauf seiner späteren Amtsjahre ziehen. Aber Arminius übersah auch nicht die tieferen Gründe die zum Pannonien Aufstand führten und wenn er noch ein Lehrbeispiel für die Inszenierung der Varusschlacht brauchte, so bekam er die letzten Lektionen die ihm die spätere Entscheidung erleichterten in Pannonien. Dieser Krieg lieferte ihm und seinen Gefährten in zahlreichen Episoden, die ihnen tagtäglich bitter vor Augen geführt wurden die Vorbilder, die sie brauchten um sich in Rage zu bringen aber auch um sie erfolgreich in Ostwestfalen anwenden und umsetzen zu können. Aber wie hat man sich denn das alles so vorzustellen. Gleich, ob die verschworene Cherusker Kampfeinheit sich nun irgendwo in den Weiten Illyriens abends am Lagerfeuer die Wunden des Tages verpflegte, oder ob man nach der Rückkehr einen Blick auf die von Fremden besiedelte Weseraue warf, man sah sich zum Handeln genötigt. Vor allem aber fühlte man sich Angesichts der mediterranen militärischen Dampfwalze aufgefordert auch handeln zu müssen und wollte dem Treiben nicht tatenlos zusehen. Die Pannonier hatten ihnen den fliegenden Flankenwechsel vor exerziert, mag er zwei Monate oder auch acht Monate hinter ihnen gelegen haben. In Pannonien machte er die Cherusker noch nachdenklich, in Ostwestfalen lieferte er ihnen aber ihr Handlungsmodell. Arminius wurde auf der staatlichen Rebellenschule des römischen Reiches für angehende Widerstandskämpfer am praktischen Gegner unter Ernstfall Bedingungen erfolgreich geschult also ausgebildet und was er in der pannonischen Praxis lernte war keine Theorie. Auch Varus kannte die Lage und die Verhältnisse in Pannonien. Er wusste ebenfalls um Ursache und Wirkung und auch von den daraus resultierenden späteren Gegenmaßnahmen den Gewaltexzessen und der Unterdrückung der Bevölkerung die Rom ergriff, um wieder Herr der Lage zu werden. Er war informiert. Ein Volksaufstand hatte im Imperium seit Spartakus einen faden Beigeschmack und die alten Ereignisse dürften immer noch lebendig gewesen sein.Der Aufstand der britannischen Icener 61 + unter ihrer Anführerin Boudicca über den uns Tacitus und Dio Berichte hinterließen und der 52 Jahre nach der Varusschlacht statt fand, verdeutlicht wie das Imperium dem Freiheitswillen unterdrückter Stämme begegnete und in Pannonien wird es ähnlich verlaufen sein. Als Arminius später an der Weser eben vor der Gefahr eines konfliktträchtigen Aufstandes a` la Pannonien auch in Germanien warnte, müssen diese Schilderungen für Varus und seinen Offiziersstab, so kurz nach dem Pannonien Krieg wie ein Drohruf geklungen und auf alle beunruhigend und beklemmend zugleich gewirkt haben. Seine Aufgabe bestand darin, den Frieden in Ostwestfalen um jeden Preis zu wahren, so lange Marbod noch einen unberechenbaren und unumschränkten Gegenpol zum Imperium darstellte. Aber besonders die Offiziere die in seinen drei Legionen dienten und gerade erst aus Pannonien zurück kamen, wurden bei dem Wort Aufruhr besonders hellhörig. Ein Volk das rebellisch und aufsässig ist, sich gegen ihre Unterdrücker stellt und sogar zu den Waffen greift und an Aufruhr nicht nur dachte, sondern einen Aufstand auch auslöste, gilt nach unserem modernen Sprachgebrauch als Revolutionär. Im Pannonien Aufstand könnte man daher auch die erste Revolution unserer Zeitrechnung, also der Zeit nach Christi Geburt erkennen. Und ein Aufstand löste wie jedes Aufbegehren eines unterdrückten Volkes Besitzängste innerhalb der betroffenen Oberschicht aus. Dem hohen Maß an Gewalt mit dem das Imperium dem pannonischen Volk entgegen trat, um daraus keinen Flächenbrand entstehen und keinen Übergriff auf Italien werden zu lassen, war bis dato in Mitteleuropa und vermutlich auch darüber hinaus beispiellos und Arminius machte sich die Botschaft die daraus sprach zu nutze. Allein mit der bloßen Ankündigung eines möglichen Aufruhrs und das auch in den Wäldern Germaniens, konnte man Varus erzittern lassen. Sah er sich doch dann im möglichen Zentrum einer Bedrohung. Und war es nicht in Pannonien und Ostwestfalen der gleiche Sachstand, sich gegen eine Unterdrückung zur Wehr setzen zu müssen. Das Prädikat und Siegel „Revolution“ wäre somit gerechtfertigt. Und schon mit einer einfachen Vergleichs Rhetorik zu den Ereignissen in Pannonien könnte es Arminius gelungen sein, die römischen Streitkräfte in die gewünschte Richtung hin, zum germanischen Aufrührer zu dirigieren. Das sich dann aber der anfänglich nur als Schreckgespenst künstlich zur Schau gestellte Aufruhr, später doch in eine Schlacht der Weser Germanen gegen Rom verwandeln sollte, ließ aus der Ankündigung einer Schlacht einen Akt mit revolutionärem Charakters werden. Arminius wurde daher auch besonders in der DDR als Befreier vom „Sklaventum" verehrt, während man ihn in Westdeutschland eher in die Ecke der „Volkstümelei“ stellte. Damit hätten wir es sogar mit der ersten Revolution in einer Region zu tun, die heute zum Deutschen Staatsgebiet zählt und damit ergo auf deutschem Boden statt fand. Das sich mit dem taciteischen Wort „Teutoburgiensi“ auch noch eine römisch/deutsch/italienische Sprachparallele bis in unsere heutige Zeit erhalten hat, ist da schon fasst eine Ironie der Geschichte. Denn aus dem Wort „Teuto“ aus der gemeinsamen indogermanischen Wurzel „Teuteh“ für Volk entwickelte sich im Altfränkischen das Wort „Theodisce“ aus dem das althochdeutsche Wort „Diutisc“ ein Vorläufer des Namens Deutschland wurde. In Italien folgte man dagegen noch der älteren direkten Wortentwicklung und formte das Wort „Theodisce“ in „Tedesca“ um. Danach bezeichnet man Deutschland auch heute noch in Italien mit dem Namen „Repubblica Federale Tedesca“. Und die Schlacht im Teutoburger Wald wird in Italien unter dem Namen „La battaglia della Selva di teutoburgo“ oder „La battaglia della Foresta di Teutoburgo“ geführt. (5.2.2019)
... link
Mittwoch, 30. Januar 2019
Zur Begrifflichkeit des „Sommerlagers“ und warum Marbod nicht zu einer Bedrohung wurde
ulrich leyhe, 18:08h
Ohne stark von als unstrittig geltenden historischen Fakten abzuweichen lässt sich auf Basis von Begebenheiten unter Zuhilfenahme von Spekulation und Fiktion ein chronologisches Gerüst hinterlegen, womit sich plausibel, also nachvollziehbar Wissenslücken schließen lassen können. Insbesondere auf die folgenden Ereignisse lässt sich diese Systematik anwenden. Und so könnte es sich zugetragen haben. Varus traf also im zeitigen Frühjahr 6 + auf seinem Weg von Rom nach Vetera in Mainz auf Tiberius. Der dortige Drusus Kenotaph lieferte beiden einen willkommenen Grund für einen gemeinsamen Erinnerungskult. Die Gelegenheit für ein Treffen könnte nicht günstiger gewesen sein und bot sich an, denn es war nach meinem Dafürhalten ein Abstimmungsgespräch zwischen Tiberius und Varus in dieser Phase dringend nötig. Tiberius machte um die gleiche Zeit in Mainz seinen Zwischenstopp auf dem Weg vom „Immensum Bellum“ Krieg nach Carnuntum, wo er im Frühjahr 6 + die Südarmee gegen Marbod von Messallinus übernehmen wollte. Varus könnte in Mainz noch den Auszug der Legionen unter Gaius Sentius Saturninus in den Markomannen Feldzug beobachtet haben, als Tiberius schon nach Carnuntum unterwegs war. Um diese Zeit waren die, wie ich vermute zwei Legionen aus dem Varuskontingent von Vetera bereits über den Haarweg marschierend in Richtung Hachelbich aufgebrochen, um sich Marbod von Norden zu nähern. Und natürlich ist hier die Hypothese noch nicht zu Ende. Varus traf in der Folge in Vetera ein und übernahm dort planmäßig das Kommando über die ihm unterstellten „Rest“ Legionen. Varus ließ das Jahr 6 + aber nicht tatenlos verstreichen und entsandte eine Einheit nach Ostwestfalen die dort die ersten Vorarbeiten für die Landerschließung zu treffen und bereits einzuleiten hatte. Ob er sich selbst schon im Jahr 6 + in Ostwestfalen aufhielt ist denkbar. Ich möchte es aber ausschließen. Varus schätzt man allgemein als Komfort bedacht ein, hatte eine anstrengende Anreise hinter sich und war im Jahr 6 + bereits 52 Jahre alt. Er verbrachte daher möglicherweise das Jahr 6 + noch am Rhein und plante seinen ersten Marsch nach Ostwestfalen erst für das Frühjahr 7 +. Auf Basis dieser Überlegung hätte Varus die Nachricht vom Abbruch des Markomannen Unternehmens noch in Vetera bekommen müssen. Versetzt man sich nun in seine Lage, so hatte er zu entscheiden, wie er die ihm zur Verfügung stehenden Männer richtig einsetzen sollte. Denn Kastelle waren zu besetzen, den Rheinlimes galt es zu bewachen, Infrastruktur war zu schaffen und er selbst wollte noch genügend Legionäre mit nach Ostwestfalen nehmen. Varus war sich der Lage bewusst, dass Marbod nun zur Gefahr werden könnte, richtete seine Strategie danach aus und suchte nach einer Lösung. Tiberius konnte ihm jetzt nicht mehr helfen, denn er kämpfte inzwischen meilenweit weg in Pannonien. Varus war folglich auf sich allein gestellt. Es blieb ihm nun nichts anderes übrig, als seinen germanischen Bündnispartner die Cherusker verstärkter als ursprünglich vorgesehen in die neuen Pläne mit einzubeziehen bzw. ihn auf die Gefahr aus dem Osten einzuschwören.Die Cherusker waren nach dem „Immensum Bellum“ ein geschwächter und untergebener Bündnispartner der um diese Zeit nur in völliger Abhängigkeit und im Einvernehmen bzw. mit Duldung Roms handeln durfte. Sie mussten sich fügen und besaßen keinen Handlungsspielraum für eigenständige Aktionen, wenn sie römische Interessen kreuzten, was sie zu konspirativen Maßnahmen greifen ließ. Durch das tiberianische „Friedensdiktat“ mit Marbod geriet der Erfolgs gewohnte Varus jedoch in die Defensive und musste sich taktischer Schritte bedienen und Marbod gegenüber deutliche Zeichen der Stärke und Entschlossenheit setzen ohne ihm aber direkt die Stirn bieten zu können und zu dürfen. Und symbolische Stoppschilder wie es die Formulierung „bis hierhin und nicht weiter“ gut beschreibt, setzt man nicht einfach nur verbal. Denn eine neue Provinz lässt sich nicht bequem und aus sicherer Distanz von Vetera aus verwalten. Eine feste repräsentative Dependance und Residenz gehört genau da errichtet, wo das zukünftige römische Territorium aus östlicher Sicht betrachtet beginnen sollte und wo es aus westlicher Sicht endete. War dies in den Grundzügen immer schon ein Prinzip von Varus seinen Hauptort prachtvoll aufzuwerten, so stellte sich durch die nach dem Abbruch des Markomannen Feldzuges eingetretene unübersichtliche politische Lage Notwendigkeiten ein, an der Weser Flagge zeigen zu müssen. Je eindrucksvoller neue römische Außenposten am Ende der zivilisierten Welt ausgebaut waren und je aufwendiger, pompöser und voluminöser sich ihre Außenmaße zeigten, um so stärker wirkten auch die Signale, die man davon aussenden wollte. Hier entwarf Varus das, was er sich als das richtige Erscheinungsbild vorstellte und was darauf abzielen sollte, die germanische Welt zu beeindrucken. Um seine bauliche Visitenkarte an der Weser zu hinterlassen blieben ihm bekanntlich nur maximal drei Jahre, die er bis zuletzt nutzte. Gegenüber Marbod steckte darin seit dem Frühjahr/Sommer 6 + bzw. dem unerwarteten Friedensvertrag auch ein gewisses Potenzial an Drohgebärde. Fraglich, ob sich Marbod davon hätte beeinflussen lassen und so könnte auch das Pfeifen im Walde geklungen haben. Aber beschäftigen wir uns bei dieser Gelegenheit nochmal mit einem unserer Hauptdarsteller und werfen einen Blick auf die interessante Vita des P.Q.Varus. Eine wirtschaftlich prosperierende Grenzmark ist seit jeher auch immer Aushängeschild einer überlegenen Großmacht. Kulturelle Errungenschaften sollten die Wirkung eines Schaufenster entfalten, wie wir es nicht nur an der innerdeutschen Grenze im kalten Krieg erlebten. Auch innerhalb der Varusforschung sind sich die Gelehrten über ihn und sein Wesen uneins. Der Literatur ist zu entnehmen, dass er in seinen jungen Jahren enge Kontakte zu Künstlern und Literaten pflegte. Einer von ihnen war der auch in unseren Tagen immer noch häufig zitierte Gaius Cilnius Maecenas besser bekannt unter dem Namen Mäzen. Und bis hier hin klingt vieles nicht nach einer militärischen, sondern eher nach einer schöngeistig, zivilen Karriere und Zukunft des jungen Varus. Man ist sich nicht sicher, ob er in dieser Zeit eine Funktion in der römischen Verwaltung oder beim Militär inne hatte. Schon in den Jahren 21 - / 20 - wurde er von Kaiser Augustus zu seinem persönlichen Finanzfachmann einem Quaestor Augusti ernannt. Des weiteren ist überliefert, dass Varus als Prätor auch Recht sprach. Als Konsul war Varus zudem mit verantwortlich für das gewaltige und nahezu gigantische Bauprogramm des Kaiser Augustus. Und er diente als Proconsul bzw. Statthalter in Africa, wo er für die Rechtsprechung, den Steuereinzug und die Sicherheit der Region verantwortlich war. Die nordafrikanischen Städte Achulla und Hadrumetum die zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörten, prägten zu seinen Ehren sogar Bronzemünzen mit seinem Konterfei. Dem höchsten Beamten einer Besatzungsmacht bereits zu seinen Lebzeiten Münzen mit seinem Antlitz zu prägen, mag für die Zeit üblich gewesen sein, kann aber auch anders ausgelegt werden. Man könnte es in zweifacher Hinsicht bewerten. Zum einen weil man ihm voraus eilend huldigen wollte, damit er es mit seinen „Wohltaten“ im Lande nicht übertreiben sollte, da diese wohl zu Lasten der Städte und den jeweiligen Stadtkassen gingen, man könnte den Stadtoberhäuptern aber auch ehrliche Absichten unterstellen. Dann hätte Varus zweifellos Gutes bewirkt. Sehen wir ihn positiv, so könnte er in diesen Städten Nordafrikas seinem Genius folgend jene Taten vollbracht haben, die ihm in jungen Jahren wichtig waren. Er hätte die Kultur und die Architektur gefördert und hätte das Wirklichkeit werden lassen, wie es seinem Lehrmeister Mäzen gefallen hätte. Die Familie war der Architektur offensichtlich sehr zugetan, denn auch sein Neffe Asprenas, obwohl später ebenfalls Legionskommandeur war nach dem Tod seines Onkels Varus auch zuständig für die öffentliche Bautätigkeit in Rom. Man darf sich daher die Frage stellen, wie man unter diesen Voraussetzungen seine Neigung zum militärisch Notwendigen seiner Zeit einzuschätzen hatte. Zweifellos war er wie es im Imperium unvermeidbar war immer eng damit verwachsen, denn das Imperium war ein auf Expansion ausgerichtetes Staatsgebilde. Er war 15 - an den Kämpfen gegen die Helveter beteiligt und auch in Syria war er für sein militärisches Einschreiten mehr berüchtigt als von der Nachwelt geschätzt. Ob sich daraus letztlich ein Hang zum Militärwesen oder ein besonderer Bezug zur kämpfenden Truppe ableiten lässt sei dahin gestellt. Aber die menschliche Seele ist unergründlich und Charaktere ändern sich. Im römischen Imperium waren die Kontraste allgegenwärtig. Literatur, Dichtung, Architektur auf der einen und brutalste Unterdrückung auf der anderen Seite schlossen sich nicht aus. Was haften bleibt ist seine Hinwendung zum Zivilen in all seinen Formen, vermutlich mehr als zum Militärischen. Sein möglicher Wunsch bleibendes schaffen zu wollen, könnte Antriebsfeder seiner Wertevorstellungen gewesen sein. Prägnante bauliche Hinterlassenschaften könnten Ausdruck seines Sendungsbedürfnisses gewesen sein. Die Züge eines von Augustus geprägten und beeinflussten Machtmenschen. Die römische Kultur in all ihren Facetten von der Rechtsprechung über die militärische Überlegenheit bis zur monumentalen Wucht der Präsentation am Beispiel gewaltiger Bauwerke war das Markenzeichen damaliger Zivilisation. Letztlich gereichte es Varus zum Nachteil. Denn auch das wirkungsvollste und nach Osten gerichtete Portal, wie man es sich vielleicht in Deutz vorstellte, als römisches Aushängeschild ins freie Germanien konnte östlich der Weser nur unter wenigen Germanen das römische Leben erstrebenswert machen. Rom war der Zeit um viele Jahrhunderte voraus, aber in Germanien war man noch nicht so weit. Varus schlug an der Weser zwar den Pflock der Zivilisation ein um Zeichen zu setzen, aber er tat auch gut daran gegenüber seinem Gegenspieler Marbod Vorsicht walten zu lassen. So vollzog er einen Spagat zwischen offensiver Siedlungspolitik aber defensiver Militärstrategie, denn er hatte aufgrund seiner angeschlagenen Truppenpräsenz durch die Vakanz seiner Legionen keine andere Alternative. Denn vergessen wir bei alledem nicht die Worte des Zeitzeugen Paterculus (II, 109) der einen Vermerk hinterließ mit dem man auch damals schon den geplanten aber abgebrochenen Angriff auf Marbod legitimierte oder zu legitimieren versuchte. Denn auch nach dem Friedensvertrag ging von Marbod immer noch die altbekannte Gefahr aus. Waren die Worte von Paterculus wahr, so würde Marbod nicht einmal davor zurück schrecken, in die westlich von ihm liegenden, also in die germanischen Gebiete am Main, ins Noricum oder nach Pannonien einzudringen. Und die Gefahr wuchs wieder an und war wieder allgegenwärtig, nachdem sich Marbod mit Glück den ihm drohenden Fesseln entledigte, die ihm beinahe durch Tiberius auferlegt worden wären. Im Frühjahr 6 + sonnte sich Marbod noch in seinem Erfolg, der ihm ohne sein dazutun in den Schoss fiel und hatte Ostwestfalen „noch“ nicht im Sinn. Um die Gunst der Stunde zu nutzen hätte Marbod bereits im Sommer 6 + gegen Rom bzw. Varus zu den Waffen zu greifen müssen. Aber dazu könnten ihm seine Markomannen die Gefolgschaft verweigert haben. Und ein Winterfeldzug stand bei den Germanen üblicherweise nicht zur Debatte. Erst im folgenden Jahr 7 + könnte Varus, wenn überhaupt von markomannischer Seite aus ein Angriff gedroht haben, aber da hatten sich die Zeiten bereits geändert, wie ich im weiteren Verlauf noch ausführen möchte. Wie steht es nun um den Begriff Sommerlager den man schon im 19. Jahrhundert in die Welt setzte, im Zusammenhang mit einer möglichen Bedrohung aus Südost. Varus verbrachte nach allgemeiner Auffassung drei, nämlich die Jahre 7 +, 8 + und 9 + den Sommer über immer in der Provinz bzw. an der Weser. Und er bzw. die Legionen sollen wie der Name Sommerlager schon suggeriert, es auch nur über die Sommermonate genutzt haben. Allerdings ist eine derartige Lager Konstellation für das Imperium unter den damaligen Bedingungen noch dazu in Grenzlage unüblich, nicht denkbar und auch nicht logisch. In einem früheren Kapitel beschäftigte ich mich bereits mit der Frage, was mit einem Sommerlager im Winter passiert bzw. in ihm vor geht, wenn die römische Besatzung am Rhein im Warmen sitzt. Wurde eine Winterbewachung zurück gelassen, übernahmen gar die Cherusker selbst diese Tätigkeit oder überließ man es ungeschützt den Wetterverhältnissen. Römische Legionen nutzten Marschlager im Normalfall nur kurzzeitig und ebneten später alles wieder ein. Auf die Dauer geplante Anlagen aber waren keine Marschlager und erst recht nicht in diesem Fall, denn hier war ein Verwaltungssitz im Aufbau. Verlässt ein Feldherr ein derartiges Lager alljährlich für fünf oder sechs Monate im Jahr, um es danach wieder neu zu bewohnen, so sind Vorkehrungen zu treffen. Und hier kommt Marbod ins Spiel dem man trotz dem im Frühjahr 6 + geschlossenen Friedensabkommen zutraute, er könne die römische Schwäche an der Weser nutzen und Ostwestfalen und das auch gewaltsam zu seinem Einflussgebiet erklären. Konnte Varus es sich Angesichts dieser denkbaren Gefahrenlage grundsätzlich erlauben, dass „Sommerlager“ über einen so langen Zeitraum nur schwach oder gar völlig ungesichert zurück zu lassen. Sollte es denn in der Tat ein Sommerlager gewesen sein und sollte Varus es tatsächlich immer über die Wintermonate geräumt haben, so muss es für sein Verhalten auch im Hinblick auf den Gefahrenherd Marbod gute Erklärungen geben, warum er sich diese all herbstlichen, nennen wir sie mal leichtsinnigen Rückmärsche genehmigen und sie riskieren konnte. Die Bezeichnung Sommerlager ist bekanntlich eine ins Leben gerufene begriffliche Fehlinterpretation einer nicht deutbaren Sachlage par Exzellenz, wird aber mangels besseren Wissens gerne genutzt. Entweder war es ein Standlager, also ein auf dauerhafte Nutzung ausgelegtes Kastell und somit auch ein Winterlager, oder es war ein kurzzeitig genutztes Marschlager. Drusus errichtete 11 – der Überlieferung nach ein Winterlager am Elison in dem ich den Ellerbach bei Schwaney sehe. Folglich besaß das Imperium bereits 18 Jahre bevor Varus Ostwestfalen betrat die technischen Möglichkeiten, aber auch den Willen in dieser Region ein Winterlager zu errichten. Und Drusus tat bekanntlich noch mehr, denn er positionierte auch schon Wachtposten - Stützpunkte an der Weser und bestückte sie mit Besatzungen, wie es uns Florus (2,30,26) mit den Worten „Praeterea in tutelam prouinciae praesidia atque custodias ubique disposuit per Mosam flumen, per Albin, per Visurgin“ überlieferte. Trennen wir uns also innerlich von der Vorstellung eines Lagers, dass nur für lauwarme Sommernächte geschaffen wurde und sehen der römischen Realität in Germanien tiefer in die Augen. So könnte man sich vielleicht einer Kompromisslösung nähern in dem man das Sommerlager an der Weser zumindest als ein überwinterungsfähiges Sommerlager bezeichnet. Also ein Lager, dass in den Sommermonaten zwar stärker genutzt wurde, aber auch für die Wintermonate ausgebaut war und auch in dieser Zeit immer noch eine feste römische Wachmannschaft besaß. Und diese Wachmannschaft war auch dringend nötig um gegenüber Marbod Flagge zu zeigen, denn ein Germane auf einem römischen Wachtturm hätte nicht nur auf die Markomannen etwas befremdlich gewirkt. Das kein antiker Historiker auf diese Sachlage und den Verbleib der Wachmannschaft einging bzw. darauf hin wies ist verständlich, denn es verblasste letztlich in Anbetracht der für das Imperium weit aus bedeutungsvolleren Niederlage. Das Varus selbst kein gesteigertes Interesse daran hatte sich die Wintermonate an der Weser um die Ohren zu schlagen, wäre ihm zuzutrauen und das er den Rückmarsch auch in stattlicher Begleitung antrat auch, denn das Weserlager hatte noch nicht den erforderlichen und gewünschten Ausbauzustand erreicht und es war nicht vergleichbar mit dem drusianischen Winterlager am Elison, dass man unter anderen Umständen errichtete bzw. errichten musste. Statthalterschaften waren auch im römischen Reich Funktionen auf Zeit und Abruf. Man vermutet, dass Varus etwa von 7 - /6 – bis 5 - /4 – kaiserlicher Statthalter in Syria war. Also hielt er sich demnach auch in Syria nur maximal 3 Jahre, eher sogar noch kürzer auf. Seine Mission und Hauptaufgabe in Ostwestfalen bestand darin, den ersten Schritt zur Schaffung einer neuen Provinz einzuleiten nach ihm sollten sicherlich noch viele andere Römer die Statthalterschaft in Ostwestfalen antreten und ihm in seinem Amt folgen, wenn alles nach Plan verlaufen wäre. Staatsbedienstete die in seine Vorleistungen einsteigen und sie weiter führen sollten um dann auch aus dem winterfesten Sommerlager im Endstadium eine feste römische Provinzhauptstadt zu machen. So wie man es aus Gallien gewöhnt war, wo man auch die keltischen Oppida als römische Keimzellen nutzte. Daraus lässt sich bekanntlich auch schließen, dass sich in der Nähe von Corvey/Höxter ein cheruskischer Hauptort bzw. Fürstensitz befunden haben dürfte. Die Cherusker wurden nun besonders durch das unkalkulierbare Erstarken des Markomannen Königs Marbod wie ich apostrophierte für Varus zu einer wichtigen Stütze. Ebenfalls Germanen wie die Markomannen war für Rom gerade dieser Bündnisvertrag mit den Cheruskern von besonderer Bedeutung und vermutlich bekam dieser Friede zwischen Römern und Cheruskern dadurch noch einen höheren Stellenwert. Dazu will aber das uns von den antiken Historikern überlieferte Wissen nicht passen. Denn einen, wenn auch kleineren Bündnispartner brüskiert man nicht, wenn man ihn noch braucht. Varus aber tat es. Denn es hielt ihn nicht davon ab, den Bogen mit den Cheruskern zu überspannen und ihn auszureizen. Strebt man aber an, sich einen Partner ins Boot zu holen und diesen fester an sich zu binden, der fortan mit helfen sollte die römische Politik in Germanien umzusetzen, so geht man anders vor. Cherusker sollten sich am gesamten Aufbau der neuen Kolonie beteiligen um im Gegenzug von den Segnungen römischer Zivilisation profitieren zu können. Varus könnte in diesem Punkt nun eine eklatante Fehleinschätzung der germanischen Verhältnisse unterlaufen sein. Klaffte das Gefälle zwischen Oberschicht und Unterschicht vom Sklaven über den römischen Bürger bis zum Ritter bzw. Senatorenstand im Kernland Italien und den vom Reich annektierten Regionen auseinander, so existierte in Germanien noch eine Ebene gewisser Gleichberechtigung. Varus beging hier möglicherweise den Fehler anzunehmen, dass Art und Weise seines Umganges mit den germanischen Bauern von der germanischen Oberschicht gedeckt würde. Vermutlich nahm er an, man würde oben weg schauen, wenn Germanen niederen Ranges ausgepeitscht wurden. Die gewachsene germanische archaische Gesellschaftsform kannte und trennte dies jedoch nicht so stark und differenzierte daher auch nicht so wie Varus es vermutete. Sein Verhalten insbesondere seine Rechtsprechung kam daher beim ganzen Stamm und auch im cheruskischen Fürstenhaus gegen seine Erwartungen nicht gut an. Römische Legionäre die auf sein Geheiß hin Leute aus der Mitte des germanischen Volkes bis zum möglichen Tod bestraften waren ein „No - Go“. Nur daraus ließe sich schlussfolgern und begründen, dass Varus der Annahme verfiel, die Oberschicht würde ihm auch bei möglichen Auseinandersetzungen mit Marbod ergeben folgen. Er ging davon aus, dass die einfachen germanischen Kleinbauern im Kriegsfall ihren Fürsten widerspruchslos folge zu leisten hatten. Vermutlich unterschätzte er den Einfluss der Sippen. Denn so funktionierte das Zusammenspiel in Germanien nicht. Varus brauchte die Cherusker in jeder Hinsicht, ob es nun darum ging sie am Aufbau zu beteiligen oder als Auxiliareinheiten gegen Marbod in den Kampf zu schicken und beging hier einen seiner Kardinalfehler in dem er sie gegen sich aufbrachte. Nachdem Marbod das Jahr 6 + passiv verstreichen ließ, schreiben wir nun das Jahr 7 +. Die Strukturen in Ostwestfalen hatten nun Formen angenommen. Landwirtschaftliche Höfe nach römischem Muster waren entstanden, die Verbindungswege wurden ausgebaut und die nötigen Lagerkomplexe und Vorratsgebäude wurden errichtet. Marbod wurde über alles Bericht erstattet. Er ließ sich über das Zusammenwachsen der germanischen Bevölkerung mit den Unterdrückern berichten und erfuhr auch von einer gegenüber Rom stark positiv beeinflussten germanischen Führungsschicht unter dem Fürsten Segestes und damals möglicherweise auch noch Segimer. Marbod musste folglich davon ausgehen, dass ihm in dieser Phase im Angriffsfall sogar noch ein römisch/germanisches Koalitionsheer entgegen treten könnte. So nahm er von seinen Angriffsplänen Abstand, die er möglicherweise hatte. Die Weserfront blieb daher auch 7 + ruhig. Varus konnte also auch im Herbst 7 + Ostwestfalen unbehelligt verlassen, ein Wachkommando hinterlassen und am Rhein das nächste Frühjahr abwarten. Im Frühjahr 8 + bekam Marbod möglicherweise die Nachricht aus Pannonien, dass dem dortigen Aufstand der Zusammenbruch drohte. Ihm war klar, dass danach automatisch wieder römische Legionen für neue Kämpfe frei würden und er musste falls er vertragsbrüchig werden sollte mit einem erneuten Feldzug gegen ihn rechnen. Dieser Einschätzung nach lösten sich spätestens im Sommer 8 + als Bato der pannonische Anführer die Waffen strecken musste, seine Pläne in Luft auf, noch in irgendeiner Form Ansprüche auf Ostwestfalen zu erheben. Selbstverständlich ist diese Darstellung Fiktion, denn Marbod könnte auch noch viele andere Gründe gehabt haben die dagegen sprachen sich kriegerisch in Ostwestfalen bemerkbar zu machen und nicht nur die, die ich hier näher zum Thema gemacht bzw. als mögliche Argumente angeführt habe. Die Spekulationen beruhen einzig auf den vorgegebenen Tatsachen der Zeit und der politischen Einschätzung jener Jahre, aber vor allem basieren sie auf der Aussage von Paterculus, der Marbod die grundsätzliche Neigung unterstellt hat, Kriege nach Gutdünken auch in die Großregion zu tragen. Denn seine Aussage klingt, da er erfahrener Berufsoffizier war nicht danach, als ob er Marbod eine Kriegslust nur unterstellen wollte um damit den Einmarsch von Tiberius besser rechtfertigen zu können. Vorgeschobene Rechtfertigungen hatte das Imperium sicherlich nicht nötig. Natürlich bekam auch Varus die Nachricht von der Niederwerfung des Pannonien Aufstandes und konnte also auch im Herbst 8 + wieder sorgenfrei im Herbst die Weser gen Rhein verlassen. Im diesem Jahr 8 + könnten die Cherusker die römische Unterdrückung auch am Stärksten zu spüren bekommen haben. Denn als Varus die Nachricht bekam, dass die für Marbod und Pannonien abgestellten Legionen zu ihm wieder unterwegs seien, weckte dies wieder seinen alten Ehrgeiz. Seine Sorge vor Marbod löste sich auf und er brauchte die Cherusker nicht mehr für seine Verteidigungspläne. In diese Zeit hinein passen auch die antiken Überlieferungen, wonach die Germanen bedauerten, dass ihre Schwerter schon korrodierten. Möglicherweise war Varus im September 8 + gerade dabei in Anreppen die Lippeschiffe zum Rhein zu besteigen, als sich von Beverungen Weser aufwärts eine Kriegerschar näherte. Bei genauem Hinsehen konnte man feststellen, dass es sich dabei um jene Cherusker handelte, die Tiberius in Pannonien bei der Niederwerfung des Aufstandes halfen und nun wieder in ihre Heimat zurück kehrten. An ihrer Spitze ritt Arminius. An der Weser angekommen trafen sie nach zweijähriger Abwesenheit auf all das, was Varus in der Zwischenzeit mit den Cheruskern gemeinsam aufgebaut hat und sie waren beeindruckt, wenn auch nicht im Positiven. Denn ein winterfestes Sommerlager mit römischer Besatzung hatten sie eigentlich nicht erwartet. Von diesem Moment an wurde an der Weser der historische Zeitenwechsel eingeläutet. Ein Ereignis, dass sich an manchen Stellen noch bis in unsere Tage auswirken und bemerkbar machen sollte, auch wenn man das dazugehörige Denkmal etwas zu weit nordwestlich errichtete. Denn nun begann Arminius im Zusammenwirken mit seinem Vater Segimer eine Strategie zu entwickeln die nötig war, um das römische Joch über Ostwestfalen abzuschütteln. Sie hatten genügend Zeit für Ihre Vorbereitungen. Irgendwann im Sommer 9 + wird auch Marbod erfahren haben, dass im Nethegau ein Konflikt schwelt. Ein Konflikt deren Ausgang er nicht einschätzen und daher gelassen darauf reagieren konnte. (18.2.2019)
... link
... older stories