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Sonntag, 31. März 2019
Die „zweite Offenbarung“ des C. Dio - Chronologie war nicht seine Stärke
ulrich leyhe, 14:29h
Das nun folgende und recht lange Kapitel wird Sie auch dementsprechend beschäftigen. Bitte nehmen Sie sich die Zeit und die Ruhe und lesen Sie es nötigenfalls auch zwei Mal. Einen antiken Historiker wie Cassius Dio nach rund 1800 Jahren angemessen bewerten zu wollen, kommt dem Unmöglichen sehr nahe. In dieser längst versiegten Quelle immer wieder zu schürfen liegt aber in der Notwendigkeit der Sache und meiner Zielsetzung. Das von Cassius Dio geschilderte Szenario zu ergründen wird auf eine sonderbare Weise erschwert und erschließt sich erst nach mehrfacher Lesung. Denn in seiner Überlieferung steckte gleichzeitig ein hohes Maß an Nachvollziehbarkeit aber gepaart mit Rätselhaftem. Das verleitete zu scheinbar schlüssigen Interpretationen, die dann ein vorschnelles Ende fanden. Den Lesern meiner Zeilen auf diesen mühseligen Weg mit zu nehmen erfordert seine Geduld und Aufmerksamkeit. Der Komplexität bewusst habe ich eine Form der Darstellung gewählt, die mich auf die Idee gebracht hat, mich der Thematik nicht nur einmal an zu nähern. Ich habe den Blickwinkel darauf daher immer wieder neu justiert um den möglichen Sachverhalt von verschiedenen Positionen aus betrachten zu können. Was wie Wiederholungen erscheinen mag, soll unser Einfühlungsvermögen schärfen damit kein Gedankengang verloren geht. Nach der Sisyphus Arbeit die erste Offenbarung aufzuspüren, folgt nun daraus resultierend eine weitere Schlussfolgerung. Cassius Dio hatte uns wissentlich, unwissentlich oder auf Basis seiner eigenen Auslegung der ihm vorliegenden Quellen einen gut versteckten, aber umso wichtigeren Hinweis überliefert. Ich hatte diesen Hinweis den „verschwundenen Marschtag“ genannt. Im letzten Kapitel bin ich detailliert darauf eingegangen und habe dazu einen Erklärungsstrang gelegt. Durch diese Entschleierung wurde es mir auch erst möglich das Geschehen um die Varusschlacht auf maximal vier Marschtage einzugrenzen. Aber nicht nur das. Im Zuge dieser Erkenntnis gelang es, wenn auch nur zum Teil, die an diesen Tagen jeweils statt gefundenen Handlungen, ob sie von germanischer oder von römischer Seite ausgeführt wurden, zu- bzw. einzuordnen. Dies wurde mir erst möglich, in dem ich die von Cassius Dio erzählten Ereignisse auf ihren jeweiligen Zeitbedarf hin analysierte. Mein Fazit bestand letztlich darin, dass es Arminius nie und nimmer möglich gewesen konnte, alle geschilderten Aktivitäten nach dem Verlassen des Sommerlagers an einem einzigen Tag bewältigen zu können. Aber auch Varus brauchte für alles seine Zeit. So kam man nicht ohne den besagten zweiten Marschtag aus. Das mir diese Aufdeckung auch noch dabei half mit ihr die Zweiteilung des Marschzuges ab Brakel zu untermauern, führte zu einer weiteren Erleuchtung eines dunklen Kapitels deutscher Frühgeschichte, sozusagen einem Nebenprodukt. Hat man aber erst einmal einen Ansatzpunkt gefunden, so wäre man schlecht beraten, wenn man dieses Wissen nicht auch für den weiteren Verlauf der Mehrtagesschlacht nach dem Marschtag Nr. 1.) nutzen würde. Und natürlich habe ich diese Spur auch weiter verfolgt. Denn sie macht neugierig darauf, wie Cassius Dio denn nun die Abfolge der Ereignisse in die vier Tage ein sortierte bzw. auf sie verteilen würde. Um eine gewisse Ordnung beizubehalten blieb es ihm nicht erspart sich eine Form der Chronologie der vier Marschtage auf zu erlegen. Aber nicht vergessen, erst nach dem Aufspüren des „verschluckten“ Marschtages wurde es überhaupt erst möglich, in diese interessante Methodik der Verkettung einzusteigen. Und nur diesem Wissensgewinn ist es letztlich zu verdanken, dass es jetzt einen Weg geben könnte, der uns mehr Einblick in den Verlauf der Varusschlacht ermöglichen könnte. Cassius Dio und seine Zeit, schließlich begann nur 50 Jahre nach seinem Tod schon das, was wir die Spätantike nennen, die ihm vorliegenden Quellen, aber auch die Resultate zahlreicher Übersetzungsarbeiten der Altphilologen haben uns einen umfänglichen Stoff zur Analyse hinterlassen. Wo endete der erste Marschtag, dieser fiktive 24.9.0009, welche Ereignisse können wir an ihm fest machen. Wie begann der zweite und was trug sich am dritten oder vierten Marschtag zu und was lässt sich all diesen Tagen und Nächten zuordnen, die dazwischen lagen. Wir stoßen auf interessante Details, aber wir spüren auch die Unsicherheit von Cassius Dio wie er wankt und mit sich selbst zauderte und mit den Quellen gehadert haben dürfte. Wir erkennen es in der Art und Weise, wie er alles wieder gab. Dieses zweite Kapitel nach der Aufdeckung der nötigen Marschtage befasst sich nun mit der Textgestaltung, Formulierung und dem Textaufbau, so wie es Cassius Dio pflegte bzw. gewohnt war, es nieder zu schreiben. Und ein Blick auf seine besondere Schreibweise, aber vor allem seine suspekte Chronologie verrät uns viel. Denn nun öffnet sich erst langsam die Tür und gibt den Blick frei auf die textuellen Brüche die zwangsläufig die gesamte Chronologie stören müssen. Cassius Dio konnte dies wegen seiner diffusen Quellenlage auch bei bestem Willen nicht vermeiden. Er hatte selbst Mühe genug, nach dem inneren Zusammenhalt bzw. dem roten Faden einer Mehrtagesschlacht zu fahnden, von der er sich 200 Jahre nach der Schlacht selbst kein klares Bild machen konnte. Da man die Ereignisse von zwei Tagen nicht in einen einzigen Tag drücken kann, blieb es also nicht aus, dass darunter die zeitliche Abfolge litt und ins Hintertreffen geriet was zu Irritationen führt. Alle Tageszeiten wie Morgen, Mittag, Abend und Nacht beanspruchten ihren Platz im Kontext der Geschehnisse und sollten ineinander greifen. Wo das eine unklar oder unausgesprochen bleibt, hinterlässt es woanders neue Rätsel. Und man kennt es aus der Mathematik. Ein einmal übersehener Fehler setzt sich fort, zieht sich durch die ganze Rechnung und führt zum falschen Endergebnis. Cassius Dio war bestimmt kein Zyniker und hat uns sicherlich nicht auf eine Fährte gelockt hat, damit wir uns unser eigenes Urteil bilden sollten. Er wusste es einfach nicht besser. Aber er ließ bekanntlich sogar einmal selbst durchblicken, dass auch er damals, schließlich schrieb er 200 Jahre nach der Schlacht, schon Probleme damit hatte, die Dinge richtig wieder zu geben oder zuzuordnen. Womit er sich übrigens auch angreifbar machte. Denn viele Historiker führen seine Selbstzweifel auf eine als restriktiv geltende Herrscherklasse zurück, die ihn angeblich daran gehindert habe, unliebsame Wahrheiten auszusprechen. Eine Verunglimpfung des Staates sollte demnach unterbunden werden. Ich halte das für eine falsche Auslegung. So hinterließ er uns Räume für neue Gedanken, die auch er selbst nicht imstande war schlüssig und verständlich zu füllen, wir aber vielleicht aus der Retrospektive beantworten können. So sprang er „Nonchalance“ über vieles einfach hinweg in dem er keine Verbindung herstellte bzw. darauf verzichtete oder aus eigener Unklarheit heraus nur Halbsätze formulierte. Die Freilegung des zusätzlichen Marschtages aus der sich dann wie von selbst die chronologischen Verwerfungen innerhalb seines Textaufbaus entwickelten und man sie heraus lesen kann, bildet den Kern dieses Kapitels. Beides, sowohl der entdeckte bzw. bislang immer gesuchte Marschtag in Verbindung mit den darauf aufbauenden chronologischen Brüchen führt bzw. mündet aber in die gleichen von mir aufgestellten Theorien. Aber Stop, hat man denn überhaupt jemals nach einem fehlenden Marschtag plausibel und ernsthaft gesucht, hat man die Möglichkeit in Betracht gezogen bzw. hat man einen Marschtag schon mal vermisst ? Hatte man denn nicht immer nur gerätselt und sich gewundert, dass das alles irgendwie nicht stimmen konnte, wusste aber nie woran es lag ? Aber nun bringt uns die Schriftenerforschung dazu zu mutmaßen, dass Varus am Morgen des zweiten Marschtages den Marschzug in Brakel aufteilte, ja sogar aufsplitten musste. Er setzte die Frauen und Kinder im Marschzug eben nicht der Rebellengefahr aus und machte daher auch aus einem Marschzug zwei Marschzüge. Einen militärischen der nach Süden ins Kampfgebiet zog und einen Zivilen, der sich auf sicheren Pfaden nach Westen bewegen sollte. Sie merken, dass es unvermeidbar ist von Zeit zu Zeit im Verlauf meiner Darstellungen zurück greifen zu müssen, um den Faden nicht zu verlieren. So auch jetzt und hier. Zu Beginn seiner Berichterstattung, als die Legionen ihr Sommerlager verließen, hat Cassius Dio die Geschehnisse dermaßen stark zusammen gestaucht, in meiner Heimatstadt Wuppertal sagte man früher dazu auch zusammen gestuckt, dass es uns allen hätte eigentlich früher auffallen müssen. Möglicherweise ist es auch aufgefallen. Mir sind aber keine Personen bekannt geworden die ebenfalls darauf stießen. Einem Militärhistoriker oder einem Paterculus als Schriftsteller, wäre es vielleicht schon vor 2000 Jahren aufgefallen, Cassius Dio könnte es übersehen haben. Denn auch damals konnte man nicht an der Feststellung vorbei kommen, dass sich diese Abläufe gar nicht an einem einzigen Tage bewältigen ließen. Man brauchte dafür also zwei Tage statt einem Tag. Nämlich den ersten Tag vom Sommerlager zum ersten Marschlager nach Brakel und den zweiten Tag vom Marschlager Brakel zu den Rebellen ins Aufrührergebiet. Ich hatte es im voraus gegangenen Kapitel ausführlich und hoffentlich verständlich dargestellt. Denn so einen langen Tag gibt die Natur sprich das Tageslicht nicht her. „Der längste Tag“ ist übrigens schon reserviert, es wurde der 6. Juni 1944 und der begann schon kurz nach Mitternacht. In diesem Abschnitt kann ich nun wie angekündigt eine weitere Interpretation nachschieben. Denn basierend auf dem letzten Kapitel zum entschlüsselten Marschtag lässt sich nun erst eine weitergehende Theorie entwickeln oder besser gesagt darauf aufbauen und die nimmt Formen an, wenn man sich der weiteren chronologischen Abläufe zu wendet. Denn die Ereignisse wollen ja nun plausibel auf zwei Tage verteilt sein. Cassius Dio vermittelte uns leider den Ablaufhergang ohne die beiden Marschtage nachvollziehbar voneinander zu trennen. Also möchte ich mich daran versuchen die Zeiten und Handlungen die uns wie zusammen gebacken erscheinen, zu entzerren. Wir können also wenn überhaupt, nur schwerlich erkennen, welche Handlung in den ersten und welche in den zweiten Marschtag gehörte, aber es könnte gehen. Aber wie kam es überhaupt dazu. Eine Erklärung dafür sah ich in der Quellenunsicherheit, der sich Cassius Dio selbst ausgesetzt sah. Er sah deutlich ein Missverhältnis vor seinen Augen, aber seine Quellen gaben nicht mehr her, um es für uns kenntlicher machen zu können. Zudem lagen ihm keine Terrainstudien vor und er konnte sich kein Bild von der Landschaft, dem Wegezustand, den Entfernungen, dem Wetter und den Zugzeiten machen. Er musste folglich auf ein plausibles chronologisches Gerüst verzichten. Sich in unsere penible moderne Welt hinein zu versetzen, die später den Hergang unbedingt möglichst minutiös analysieren wollte, wäre wohl von ihm zuviel verlangt gewesen. Es kam ihm nicht darauf an und interessierte ihn nicht, ob spätere Generationen einmal wissen wollten, über wie viel Marschtage sich denn nun die Varusschlacht erstreckt hatte, wo sie statt fand, wie viel Legionäre den Tod fanden, wo diese vorher schliefen oder wann sie morgens aufstanden. Am Anfang nach dem Verlassen des Sommerlagers harmonierte sein Text noch halbwegs und man kann die Dinge noch dem ersten Marschtag zuordnen. Dann aber bleibt ihm wohl keine andere Wahl mehr, sie entglitten ihm zunehmend und er beginnt den ersten mit dem zweiten Marschtag zu vermischen. Zum Ende zu, lassen sich die Handlungen dann wieder recht gut dem zweiten Marschtag zuordnen. So gut, dass ich mich sogar etwas in die Details vor wagen kann. Dies versetzte mich zudem noch in die Lage den zweiten Marschtag in eine erste und eine zweite Tageshälfte zu unterscheiden. Fest machen lässt sich das konfuse Erscheinungsbild der ersten Marschtage gut im Zuge jener wichtigen Textstelle, in der er sich auf die Anwesenheit von Frauen und Kinder im Marschzug bezieht. Zugegeben, ein Frontberichterstatter wäre uns lieber gewesen, aber wir sind da nach 1800 Jahren nicht mehr so wählerisch. Sein Arbeitsfeld war mehr der Schreibtisch und das spürt man bei all seiner Wortwahl, die seiner Chronik zugrunde liegt. Seine Systematik, die Struktur und den Aufbau kann man also würdigen oder bemängeln, es bleibt sich gleich, denn wir können ihn nicht mehr befragen. Es als Konsul und Senator gewohnt zu sein, viele Dinge aus der Distanz heraus zu bewerten also eher der bürokratischen Richtung zu folgen und weniger der praktischen Richtung, muss zuerst einmal seiner Qualifikation als Historiker keinen Abbruch tun. Was aber nur gilt, wenn er sich auch an die ungeschriebenen Gesetze eines Chronisten gehalten hätte, was er aber nicht tat. Wir müssen es ihm also nachsehen, wenn seine Prioritäten anderen und uns unbekannten Zielrichtungen folgten. Diverse Darstellungen aus seiner Feder erscheinen uns da schon recht fragwürdig, aber Fragen lässt er sich nicht mehr. Man würde Cassius Dio Unrecht tun, täte man ihn mit Karl May vergleichen, aber auch er hatte nie das Land seiner Berichte und Erzählungen bereist. Aber auch Tacitus war übrigens nie in Germanien. Wie wäre es doch von Vorteil gewesen, beide Historiker hätten sich vorher einmal selbst in Ostwestfalen umgeschaut um das Terrain zu sondieren, bevor sie sich über die dortige Landschaft und die Menschen ausließen. Zudem nennt Cassius Dio Germanien nach griechischer Tradition und Lesart auch noch zu seinen Lebzeiten und das war im 2. bzw. im ins dritte Jahrhundert übergehenden Zeitalter immer noch die „Keltike“. Denn er war sich scheinbar immer noch nicht sicher, was denn den Unterschied zwischen Germanen und Kelten ausmachte und wo die einen und wo die anderen lebten. Wenn er schreibt „einige von den Kelten, die wir Germanen nennen”, so zeugt das doch von erheblicher Unsicherheit. So als ob er die ältere Taciteische etwa aus dem 1. Jahrhundert stammende Benennung „Germanorum“ gar nicht gekannt hätte. Dabei hatte es doch Tacitus so gut beschrieben, als er feststellte, dass der Rhein sich vor dem Batavergebiet in zwei Ströme teilte. Nämlich der Rhein der Germanien streifte und der seine Strömung bis zum Ozean beibehält und der andere, der breiter und sanfter am gallischen Ufer entlang fließt und von den Anwohnern nicht mehr Rhein, sondern Waal genannt wird. Deutlicher kann man keine Trennung mehr zwischen Kelten und Germanen bzw. Galliern und Germanen zum Ausdruck bringen. Man könnte hier den Anschein bekommen, dass Cassius Dio die Aufzeichnungen von Tacitus möglicherweise gar nicht eingesehen hatte. Um so erstaunlicher ist es daher, dass sich meiner Auffassung nach letztlich beide Historiker in ihren Aussagen zum Verlauf der Varus Ereignisse dann doch wieder einig sind. Denn sie hinterließen schlüssige Darstellungen die zusammen passten und letztlich zum gleichen Ergebnis kommen. Was übrigens auch für Florus gilt. So könnte man vermuten, dass die Schriften des Tacitus und die des Florus den Weg in die häufig zitierten Senatsakten gar nicht gefunden haben, mit denen Cassius Dio gearbeitet haben soll. Was den Stil von Cassius Dio anbelangt, so läge es sicherlich auch nicht in unserem Interesse zu viel schriftstellerisches oder bellestristisches Talent im Sinne überzogener Ausschmückung bei ihm zu entdecken. Denn was wir suchen und für die Rekonstruktion der Varusschlacht brauchen, sollte weniger lebendig oder gar blumig klingen, sondern vielmehr faktenorientiert geschrieben sein. Alles was C. Dio über das Varusschlachtfeld auch immer schrieb, er entnahm es älteren Vorlagen deren Herkunft nicht eindeutig geklärt ist. So könnten sich auch die Tacitus Schriften gar nicht unter seiner Stoffsammlung befunden haben. Seine Beschreibung der ostwestfälischen Landschaft ist überzogen, erscheint bei ihm topographisch extrem unwirtlich, nimmt urgewalte Formen an und wirkt auf uns daher tendenziell belastet, was uns nicht gefällt. Denn wer mal im gebirgigen Apennin unterwegs war, oder die schroffe italienische Riviera erkundet hat, der würde die eher harmlos und überwindbar wirkende Mittelgebirgslandschaft zwischen Egge und Weser nicht in derart drastischen Farben beschreiben. Nicht zum Frontberichterstatter geboren versuchte er sich rund 200 Jahre nach der Varusschlacht in der Rolle uns Nachgeborenen ein Kampfgeschehen, samt Ursache und Wirkung bis zum letzten Akt nach Möglichkeit verständlich zu machen und nachvollziehbar zu vermitteln. So gewährte er uns zwischen den Zeilen auch phasenweise interessante Einblicke in seine Methodik vor allem aber in die Besonderheit seiner speziellen Art von chronologischer oder besser gesagt eben leider auch anachronistischer Wiedergabe. Was auf den „verschluckten“ Marschtag zurück zu führen ist. Denn in diesem Punkt ließ er sich aufgrund seiner schwammigen Quellen verleiten und bringt sich wider besseres Wissens und ungewollt selbst vom Pfad der Kontinuität ab. Saubere Recherche blieb auch schon ihm 200 Jahre nach der Schlacht verwehrt. Wir haben es noch aus dem letzten Abschnitt gut in Erinnerung, wie er uns, und das in seiner Lage unbeabsichtigt einen ganzen Marschtag verschweigt. Obwohl es für ihn ein leichtes gewesen wäre, und nur eines einzigen erklärendes Satzes bedurft hätte, hätte er über bessere also ausführlichere Quellen verfügt. Aber genau darin liegt ein weiteres und interessantes Problem begraben, mit dem ich mich ja nun in diesem Abschnitt beschäftigen möchte. Denn eine Chronologie in Form zeitlich ineinander greifender Abfolgen zum Geschehen suchen wir bei ihm aufgrund der geschilderten Komplikationen in einigen Textabschnitten leider vergeblich. So zieht er Abläufe vor, stört dadurch den Zusammenhang und reißt, für unsere kritischen Blicke einige Textstellen aus dem Lesefluss. Damals ließ man es ihm ohne besseres Wissens durch gehen, heute wollen wir es genauer wissen. Diese Versatz Elemente und eine sich daraus entwickelnde neue und andere Struktur geben jedoch ein verändertes Bild zum Präludium der Schlacht wider, was uns einen neuen Blickwinkel gestattet. Und was zwangsläufig in eine andere Logik der gesamten Schlachten Interpretation mündet. Aber eine Logik, die meine Theorie über die mit marschierenden Frauen und Kinder im Zug stützt und bestätigen würde. Die aber nicht für den zweiten Marschtag zutrifft, denn ich sehe die Frauen und Kinder vor meinem geistigen Auge nur im Streckenabschnitt zwischen Höxter, Brakel bzw. Anreppen marschieren und keinesfalls auf dem Weg ins Rebellengebiet. Die sich für uns daraus erschließende neue Sichtweise auf seine Überlieferung verändert dadurch wie angedeutet den ganzen Kontext, sowohl bezogen auf die Anfangsphase im Verlauf des ersten Marschtages als auch auf die Aufmarschphase zur bzw. in die eigentliche Varusschlacht. Nämlich hin orientiert zu meiner Hypothese zweier Marschzüge, die das Lager Brakel am Morgen des zweiten Marschtages in zwei unterschiedliche Richtungen verließen. Sein mit zivilen Aspekten aber auch emotionalen Darstellungen durchsetzter Stil kann schon mal den Leser etwas verwirren. In seiner Zeit setzte man vermutlich die Schwerpunkte mehr auf allgemeine Verständlichkeit, als auf die Information im Detail. Cassius Dio war ein Staatsbeamter und eben kein Julius Cäsar. Cäsar hätte uns wie wohl auch Carl von Clausewitz die Mehrtagesschlacht aus der Sicht eines Militaristen völlig anders beschrieben. Voll gepackt mit strategischen Erwägungen hätten diese den Manövern und den taktischen Schritten im Kampfe mehr Raum gegeben und sich nicht mit Nebensächlichkeiten abgegeben. Cäsar erwähnt zwar in seiner „De Bello Gallico“ auch Frauen, Kinder und Greise, aber nur dann wenn sie bei Fluss Überquerungen ertrinken. Cassius Dio hingegen erwähnt sie, um damit die erschwerten Marschbedingungen zu begründen. Cäsar weist ihnen also mehr die Opferrolle zu. Sicherlich gibt es viele wissenschaftliche Studien, die die Werke von Dio mit denen des Cäsar in Gänze abgleichen. Es in diesem Zusammenhang mit der Varusschlacht zu thematisieren würde jedoch zu weit ausgreifen und wäre damit nicht zielführend. In diesem Abschnitt möchte ich nur die folgenden Textstellen aus seiner Überlieferung heraus greifen und sie näher betrachten bzw. kommentieren. Cassius Dio leitete also, nachdem er sich mit den größeren Zusammenhängen der Varusschlacht beschäftigt hatte, die für diese Analyse nicht von unmittelbarer Bedeutung sind auf die näheren Umstände der Schlacht über. Er beschreibt uns darin auf Basis der von ihm studierten und von ihm zugrunde gelegten Quellen die Ausgangslage bis zum Beginn der Kämpfe. Dann geht er einen Schritt weiter und vermittelt uns sein Untersuchungsergebnis bzw. seinen Eindruck den er vom Kernverlauf der Varusschlacht hat. Er machte aber von seinen journalistischen Freiheiten Gebrauch und berichtete so, wie nur er es für richtig hielt. Wie er es für uns sortiert oder besser gesagt für uns vorsortiert und aufbereitet hat. Seine Niederschrift wird für uns zu einer Bibel über den Verlauf der ganzen Varusschlacht, denn es gibt nichts umfassenderes. Dabei wird schnell verkannt, dass nur ihm es oblag heraus zu filtern, welche Quellen er nutzen und aufbereiten wollte. Aber vor allem auf welche Weise er sie uns Preis geben wollte. Eine protokollarische Vorgehensweise oder Rangordnung einzuhalten war vor 1800 Jahren nicht der Standard. Nach welchem Prinzip ging er also vor. Ich hatte der Analyse breiten Raum gegeben und begründet, warum es aus Zeitgründen Arminius und Varus nicht gelungen sein konnte, die zahlreichen Handlungen in der Abfolge an einem einzigen Tag, nämlich dem ersten Marschtag zu bewältigen. Sie also letztlich zwei Tage dafür benötigten. Dies mündete in die Theorie, dass hier ein ganzer Marschtag aus dem Blickfeld geriet, der die Struktur der Schlacht verwirbelte. Das Varus folglich die Frauen und Kinder nicht mit in die Schlacht nahm, sondern sie auf schnellstem Wege nach Anreppen führte war ein Resultat der Logik. Aber Cassius Dio bestätigt uns diese Schlußfolgerung zusätzlich auch noch selbst im Zuge seiner chronologisch abgefassten Textstellen, die ich teilweise eher als anachronologisch also anachronistisch einstufe. Mit dem Aufspüren des bislang verdeckten zweiten Marschtages könnte man annehmen, Cassius Dio habe sich selbst ein Bein gestellt. Denn im Gewirr der Aufmarschaktivitäten zur Varusschlacht verlor er selbst etwas die Übersicht und die Orientierung und hinterließ uns dadurch erst die offenen Fragen. Und die Abläufe die er sich selbst nicht richtig erklären konnte, überließ er indirekt uns. Dies gilt es weiter zu erforschen und heraus zu finden an welchen Textstellen er für uns den ersten Marschtag fest machte, wann er in einem Hinweis zwei Marschtage mit einander verband und wann er eindeutig den zweiten vom ersten Marschtag erkennbar abkoppelte. Indem wir diese Reihenfolge entschlüsseln in die er die einzelnen Episoden der Handlung setzte, hilft es uns bei der Auflösung bestehender Unsicherheiten, die uns die Varusschlacht hinterlassen hat. Und wir können uns ein Bild über den Verbleib der Frauen und Kinder im Marschzug machen. Wie ging er also vor. Zuerst musste er den Hunger seiner Zeitgenossen und wohl auch den der Nachwelt stillen um dem allgemeinen Begehren nach zu geben, Varus für die Ewigkeit negativ abzustempeln. Er legte folglich, und das sehr ausgeprägt die Betonung auf die diversen Fehleinschätzungen und taktischen Irrtümer die Varus beging und berichtet dann über die außerordentlich schlechten Marschbedingungen, die Wetterverhältnisse, bis hin zu den ersten germanischen Angriffen. Dazwischen aber schiebt er uns dann jene Information, die sich nicht klar einem Marschtag zuordnen lässt. Grund dafür ist meine auf empirische Weise gewonnene hypothetische Erkenntnis, dass Cassius Dio zwei Marschtage zu einem Marschtag verschmolzen hat bzw. bei mir diesen Eindruck erweckt hat. Unstrittig ist die Textstelle, dass im Herbstzug auch Frauen und Kinder mit liefen bzw. sie auf Karren mit geführt wurden. Strittig ist allerdings, wann sie zur Auflösung der Marschordnung beitrugen. Sie waren definitiv dabei, aber mit ihrer Positionierung im Text hat Cassius Dio sie meines Erachtens in der Reihenfolge verschoben. In die Bredouille brachte er sich unbewusst selbst, da er sich mit dem „übersehenen“ zweiten Marschtag ein Bein stellte. Es folgt nun der Versuch ihnen meine gedankliche Zielrichtung mit möglichst wenigen Erklärungen und Argumenten plausibel zu machen. Ich habe daher die Darstellung in zwei Orientierungshilfen gegliedert. Die erste Hilfe konzentriert sich unmittelbar auf die Textstellen von Cassius Dio.
1. Und zwar die Ziffern:
56,19,1 bis 56,20,5
(versehen mit entsprechender Kommentierung).
Wobei der Textstelle 56,20,2 mit großer
Aussagekraft über die
„Frauen und Kinder“ im Marschzug meine
besondere Aufmerksamkeit gilt.
unter 56,19,1
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lesen wir, dass Varus „der Versager“ seine Truppen nicht konzentrierte. Man es ihm also ankreidete, dass er wichtige Truppenteile, nämlich die so genannten Abstellungen in die Peripherie schickte, obwohl er bereits rechtzeitig von einer drohenden Gefahr wusste, bzw. davor gewarnt war und er sie möglicherweise noch vor Marschbeginn zur Verstärkung hätte zurück beordern können. C. Dio bietet hier der Nachwelt eine griffige und allgemein gehaltene Fassung über Ursache und Wirkung an, in dem er Varus schon an dieser Stelle für seinen groben Schnitzer brandmarkt. Es ist allerdings eine übergeordnete und anachronistische Feststellung, da man sie keinem konkreten Marschtag zuordnen kann.
unter 56,19,2
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erfahren wir von seiner Schwäche die Gefahr unterschätzt zu haben, die von Arminius und Segimer aus ging bzw. von ihnen ausgenutzt wurde, zumal sie doch ständig seine Gäste waren. Hier legt C. Dio schonungslos sein Unvermögen offen. Auch dies ist wieder eine übergeordnete und anachronistische, also eine zeitlich keinem Marschtag zuordnungsfähige Feststellung.
unter 56,19,3
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wird seine dumpfe stoische Gutgläubigkeit unterstrichen, indem er sich sicher zu sein glaubt, dass ihm nichts zustoßen würde und er daher den Mahnern keinen Glauben schenkte. Ich sah dies bekanntlich anders, da Varus eine besondere Affinität zu den Cheruskern gehabt haben könnte, da sie ihm möglicherweise gegen Marbod beigestanden hätten. In diesem Fall ist es aber ebenfalls eine anachronistische Aussage, denn auch diese lässt sich an keinen bestimmten Tag fest machen.
unter 56,19,4
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gipfelt alles in der Darstellung seiner völligen Ahnungslosigkeit, nämlich die Taktik der Germanen in Gänze nicht durchschaut zu haben, die ihn erst Vertrauen erweckend begleiteten, dann aber bekanntlich an griffen, als er selbst bereits weit ins Feindesland vorgedrungen war. In diesem Fall ist es eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Beschreibung. Denn es wird hier sehr gut deutlich, dass es sich um den ersten Marschtag handelte. Aber interessanterweise erwähnt er in dieser Phase nicht die Frauen und Kinder im Marschzug, obgleich sie gemeinsam mit Varus das Sommerlager verlassen hatten. So stellten sie möglicherweise am ersten Marschtag noch kein Hindernis dar, oder Cassius Dio erwähnte es nicht explizit. Was verstand Cassius Dio unter der Wortwahl, „trugen zur Auflösung des Marschzuges bei“. Man kann es sich vorstellen, denn es werden wohl Disziplin und Ordnung gewesen sein. Und diese ließen sicherlich auch schon am ersten Marschtag zu wünschen übrig, als man noch alles recht locker anging. Im zweiten Teil der Darstellung gewährt uns Cassius Dio schon einen Ausblick bis weit in die zweite Tageshälfte des zweiten Marschtag bzw. deutet es uns uns schon vorsichtig an. Aber die dargestellten Handlungen sind allesamt noch dem ersten Marschtag zuzuordnen, als noch keine Angriffe einsetzten. Er beginnt aber bereits zum Ende der Textstelle 56,19.4 hin mit der Vermengung beider Tage und leistet damit einen Vorschub auf die gewaltigen Ereignisse des zweiten Marschtages, was dann erst in der folgenden Textstelle deutlicher wird.
unter 56,19,5
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lesen wir, dass die Arminen die germanischen Hilfstruppen übernehmen wollten. Was vermutlich kurz vor dem Erreichen des Etappenlagers Brakel geschah. Die Germanen trennten sich also von den Römern und entschwanden in den Nachmittag bzw. in die Dämmerung des frühen Abends hinein. In dem Moment also, in dem die Cherusker den Marschzug verlassen, endet für Cassius Dio der erste Marschtag und es mehren sich nun die Anzeichen, die für den zweiten Marschtag sprechen, denn nun werden möglicherweise schon in der Nacht die Abstellungen nieder gemacht und Arminius greift im Hellen des zweiten Marschtages mit den Germanen die Legionen an. Auch hier liegt uns eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung vor. Das Wegreiten der Arminen und die Mobilisierung der Hilfskräfte fällt für Cassius Dio schon in das Geschehen des zweiten Marschtages. Der angekündigte Angriff der Germanen auf die Legionen kam nach dem Zeitbedarf zu urteilen aber erst in der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtag zustande.
unter 56,20,1
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beschreibt er uns die Marschbedingungen auf nahezu unbegehbaren Wegen, die deswegen erst von den Pionieren herzurichten waren. Und er weist darauf hin, dass diese Arbeiten „noch vor“ den ersten germanischen Angriffen statt fanden. Hier vollzieht Cassius Dio einen sehr deutlichen Wechsel vom ersten auf den zweiten Marschtag. So ist hier auch eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung möglich, denn die Handlung kann zweifellos der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages zugeordnet werden. Am ersten Marschtag war man bekanntlich noch auf der gut begehbaren Strecke von Höxter nach Brakel unterwegs. Da man aber am zweiten Marschtag morgens ab Brakel den gut ausgebauten Hellweg verlassen hatte, begannen die Wege auch erst am zweiten Marschtag und folglich in der ersten Tageshälfte unbegehbar zu werden und in der zweiten Tageshälfte setzten die Angriffe der Germanen ein. In der ersten Tageshälfte am zweiten Marschtag also nach dem Verlassen des Brakeler Lagers gab es auch wie uns überliefert ist, noch keine germanischen Angriffe. Diese entwickelten sich erst im Verlauf der fortgeschrittenen Zeit, also der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtages. Cassius Dio sagt es ja deutlich, denn die ersten Wegearbeiten fanden noch „vor“ den germanischen Angriffen statt. Nach meiner Hypothese fanden die Wegearbeiten erst in der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages statt, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht angegriffen wurden. Am ersten Marschtag waren wegen der gut ausgebauten Verbindung noch keine Wegearbeiten nötig.
aber unter 56,20,2
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wird es nun spannend, denn jetzt (erst) folgt der verdächtige eingeschobene Hinweis, dass ihnen auch „FRAUEN UND KINDER“ folgten, die zur Marschauflösung beitrugen. Wollte er uns damit sagen, das sich die „FRAUEN UND KINDER“ auch noch am zweiten Marschtag innerhalb der Legionen bewegten, die zu den Rebellen zogen. Oder wollte er damit nur grundsätzlich zum Ausdruck bringen, dass sie zu einer permanenten Auflösung der Marschordnung beitrugen. Im zweiten Fall wäre diese Aussage eine pauschale übergeordnete und anachronistische, also keine tagesbezogene zuordnungsfähige Darstellung, denn man kann sie sowohl dem ersten, als auch dem zweiten Marschtag zuordnen. Blickt man auf die Reihenfolge, dann kommt nach der Textstelle 56,20,1 die Stelle 56,20,2 und es war somit zweifellos der zweite Marschtag angebrochen. Cassius Dio könnte die Textstelle 56,20,2 auch verschoben haben und wollte sie noch unter dem ersten Marschtag statt dem zweiten Marschtag verstanden wissen. Er brachte den Hinweis relativ spät, was uns verführt sie dem zweiten Marschtag zuzuordnen. Also dem Tag an dem man schon begonnen hatte die Wege her zurichten um sie passierbar zu machen. Das spricht auch für ihre Anwesenheit noch am zweiten Marschtag. Grundsätzlich könnten die Frauen und Kinder die Marschordnung natürlich sowohl schon am ersten als auch am zweiten Marschtag gestört haben. Ich vertrete nun die Theorie, dass die Frauen und Kinder den Marschzug bereits ab dem ersten Marschtag gestört haben mussten, und nicht erst am zweiten Marschtag. Zweifellos könnten sie aber am zweiten Marschtag als die Wege schwieriger wurden besonders gestört haben, so dass Cassius Dio sie auch aus diesem Grunde erst zu diesem Zeitpunkt erwähnt. Meiner Überzeugung nach waren sie jedoch an dem Marsch zu den Rebellen schon gar nicht mehr beteiligt, da man sie von Brakel aus direkt nach Anreppen schickte. Für Cassius Dio und seine Quellen waren Frauen und Kinder in einem Marschzug der einem militärischen Kampfauftrag folgte grundsätzlich ein Störfaktor, der sich zweifellos von Anfang an also vom ersten Marschtag an bemerkbar gemacht haben dürfte und nicht erst am zweiten Marschtag. Es schien sich aber sehr gut in die heikle Dramaturgie einzufügen um dem späteren Leser damit auf die besonders schweren Bedingungen des zweiten Marschtages hinzuweisen. Ob die Frauen und Kinder da noch dabei waren oder nicht spielte nicht unbedingt eine Rolle, aber es fügte sich gut in das ab hier beginnende Desaster. Weiterhin vertrete ich die Auffassung dass Cassius Dio von einem zivilen Marschzug von Brakel nach Anreppen gar nichts wusste, denn es ging aus seinen Quellen nicht hervor. Seinem Wissenstand folgend musste er annehmen, Varus habe sie auch mit ins Rebellengebiet genommen. Daher blieb es für Cassius Dio auch gleich zu welchem Zeitpunkt er uns auf die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug aufmerksam machte. Da aber Cassius Dio den ersten und den zweiten Marschtag hinsichtlich seiner literarisch, technischen Darstellung nicht voneinander isoliert betrachtete, ziehe ich daraus den Schluss, dass dieser Teil der Textstelle darauf hin deutet, dass wir den Schluss wagen können, dass Cassius Dio die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug nur für den Teilabschnitt von Höxter nach Brakel dokumentierte und ihre Anwesenheit nicht im zweiten Marschtag zu den Rebellen sah. Aber gestatten Sie mir den Hinweis, dass sie es hier nur mit einer Hypothese zu tun haben.
unter 56,20,3
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kommt dann die Erklärung, dass sich die Marschbedingungen durch die Wetterbedingungen extrem problematisch entwickelten. Innerhalb dieser Textstelle erwähnt er erneut keine „FRAUEN UND KINDER“ mehr und auch noch keinen Angriff der Germanen. Aber innerhalb dieser Textstelle hätte die Erwähnung der Frauen und Kinder und der ersten Kämpfe gegen die Germanen Sinn ergeben. Bei mehrfacher Anmerkung, dass sich Frauen und Kinder im Marschzuge zu den Rebellen befanden, hätte ich gezögert meine Theorie aufzustellen. Eine Darstellung die folglich noch gut in den Kontext der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages passt.
erst unter 56,20,4
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erfahren wir, dass nach zögerlichem Beginn nun die heftigen Angriffe folgten bis hin zu den ersten Nahkämpfen. „FRAUEN UND KINDER“ finden erneut keine Erwähnung mehr. Die Überlieferung von Cassius Dio hätte aber besonders unter diesen Bedingungen stark an Glaubhaftigkeit gewonnen, wenn er auf ihr Schicksal auch nur mit einer kurz gehaltenen Bemerkung eingegangen wäre. Denn genau in diesem Moment dürfte ihm eigentlich klar gewesen sein, das nun jeder Leser seiner Schriften etwas über sie erfahren wollte. Aber er schwieg. Und er schwieg deswegen, weil ihm seine Quellen nichts mehr dazu verrieten. In der Konsequenz schließe ich daraus, dass ihm die Quellen auch nicht mehr dazu sagen konnten, weil sich die Frauen und Kinder ab Brakel schon gar nicht mehr im Zug zu den Rebellen befanden. Wenn denn Cassius Dio berichtet, dass sich „nicht wenige“ Frauen und Kinder im Marschzug aufhielten und nicht wenige ungefähr dasselbe sind wie viele, so ist das plötzliche Ausbleiben jeglicher Erwähnung von ihnen zumindest erstaunlich. Es folgten nun jene Ereignisse die sich ab der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtages vor dem Erreichen des „Gerichtslagers“ zugetragen haben könnten. Die Kämpfe nahmen an Heftigkeit zu. Es handelt sich bei der Textstelle 56,20,4 folglich um eine recht gute chronistische, also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung.
unter 56,20,5
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geht Cassius Dio nun intensiv ins Detail in dem er berichtet, dass nun die Verluste erhebliche Ausmaße annahmen und die Legionäre den Germanen bereits hilflos, ohmächtig und handlungsunfähig zusehen mussten wie sie von ihnen dezimiert wurden. Denn sie konnten ihnen schon nichts mehr anhaben. Es klingt bereits wie ein Abschlachten. Er spricht nicht mehr vom Wegeausbau, denn dazu kamen die Legionäre in der Hitze des Kampfes auch gar nicht mehr und er erwähnt wiederum keine „FRAUEN UND KINDER“ in dieser Extremsituation. Es handelt sich meines Erachtens nun um die schon späte zweite Tageshälfte des zweiten Marschtages an dem sich für die Legionen die Niederlage anbahnt. Jetzt folgt bei Cassius Dio die Textstelle 56,21,1. Er berichtet darin wie man nun nach diesem, man möchte schon fasst sagen Blutbad, dass „Prima Vari Castra“ errichtet wird. Aber dies soll Gegenstand eines anderen Kapitels werden. Ab hier wird aber langsam deutlich, welche Konsequenzen es annimmt, oder annehmen kann, wenn sich hinter der Überlieferung aus der Feder des Cassius Dio plötzlich ein weiterer Marschtag am historischen Horizont abzeichnet bzw. auftut. Der erste vom Sommerlager ins Marschlager Brakel, der zweite vom Marsch- oder Etappenlager Brakel ins Gerichtslager dem „Prima Vari Castra“, der dritte Marschtag vom Gerichtslager in die Fluchtrichtung zum „teutoburgiensi saltu“ und der vierte Marschtag der letzten Überlebenden in die Schlucht und damit in ihren Untergang. Wir erkennen nun verstärkter, dass Cassius Dio in einer literarisch, historischen Not- oder Zwangslage steckte. Aber ich kann ihm nach so langer Zeit „post mortem“ letztlich doch noch eine Lösung für die Marsch Ereignisse inform der Marschaufteilung anbieten. Er braucht nun nicht mehr mit sich und seinen Quellen hadern, an welche Stelle er sich den Frauen und Kindern im Marschzug widmen wollte und brauchte sich nicht mehr mit der Überlegung zermürben, ob Varus tatsächlich Frauen und Kinder der Gefahr aussetzen wollte. Varus wollte sie vor Unheil bewahren und er bot ihnen an, bzw. befahl ihnen ab Brakel den direkten Verbindungsweg zur Lippe zu nehmen. All dies wusste Cassius Dio nicht, da die Quellen von keinem zivilen Zug wussten bzw. es dazu keine Augenzeugen und nichts schriftliches gab. Aber es war nicht allein den Frauen und Kinder im Marschzug zu verdanken, dass durch sie eine neue Sicht auf die Abläufe erkennbar wurde. Es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der meine Überzeugung wachsen ließ eine neue Erklärung für den Verlauf der Varusschlacht vorlegen zu können. Da sich das Zuggeschehen um einen ganzen Tag verschob, stieß ich auf eine weitere Textstelle, die ebenfalls offenbart, wie weit und tief sich Cassius Dio verstricken musste, um etwas halbwegs plausibles zur Varusschlacht hinterlassen zu können. Denn diese Textstelle symbolisiert ein Gefühl heilloser Verwirrung in der sich Cassius Dio wähnte, um nicht völlig die Orientierung zu verlieren. Da ich mir aber der Komplexität bewusst bin, möchte ich, bevor ich in diese Textstelle einsteige, noch den Versuch einer Zusammenfassung der bisherigen Analyse wagen.
Zuvor aber noch ein kurzes Fazit.
FAZIT:
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Die römischen Pioniere hatten lt. 56.20.1 Mühe sich einen Weg (ins spätere Kampfgebiet) zu bahnen.
Lt. 56.20.2 werden (einen Abschnitt später) von Cassius Dio, nicht wenige Kinder, viele Wagen, Lasttiere und zahlreiche Trossknechte erwähnt, die zur Marschauflösung beitrugen.
Allein dieser Hinweis rechtfertigt es aus meiner Sicht nicht anzunehmen, dass sie sich in der Phase des Wege bahnens noch im Zug aufhielten.
Kurz bevor dieser schon vor dem ersten Feindkontakt stand.
Man kann den Hinweis auch aus dem Kontext lösen und ihm eine allgemein gültige Aussagekraft unterstellen.
Eben nicht mehr und nicht weniger, als dass Frauen und Kinder den Marschverlauf störten. Ungeachtet, ob sie es am ersten Marschtag, den ich favorisiere taten, oder am zweiten Marschtag.
Denn Cassius Dio gab einer chronologisch präzisen Ablauffolge nicht die von uns erwünschte Priorität.
Zur Zusammenfassung
***********************
Zunächst gaben die Quellen auf die Cassius Dio zurück griff und in der Konsequenz daraus natürlich auch er Cassius Dio selbst, Varus persönlich die Schuld. Dann gaben die Quellen sie auch den Wegeverhältnissen. Dazwischen gaben sie indirekt auch noch den Frauen und Kindern und dem Tross durch die von ihnen mit bewirkte Marschauflösung eine gewisse Mitschuld. Und letztlich waren es, man möchte schon sagen mal wieder die Wetterverhältnisse. Man bedient sich da gerne der französischen Fremdsprache und nutzt aus ihr geeignete Worte wie „fable convenue“, für etwas Erfundenes, das man als wahr gelten lassen möchte. Meine Absicht besteht aber in diesem Abschnitt nicht darin, dem uns sicherlich allen hinlänglich bekannten und mannigfach durch gekauten Allgemeinwissen der Schriften des Cassius Dio nahezu Gebetsmühlenartig nachzuspüren um es wieder aufzuwärmen, sondern einen besonderen Anhaltspunkt darin näher zu beleuchten. Nämlich den, der von Cassius Dio meines Erachtens chronologisch in die falsche Reihenfolge geschobenen Textstücke. So wie ich es zu Beginn des Kapitels auch dargestellt hatte. Und bei dieser von Cassius Dio gewählten spezifischen Methode möchte ich inne halten und insbesondere seinen Hinweisen bezogen auf die „FRAUEN UND KINDER“ innerhalb seiner Berichterstattung nachgehen. Der „FRAUEN UND KINDER“ Bezug, berührt immer wieder einen äußerst neuralgischen Nerv im gesamten Kontext um die Varusschlacht, auf den ich schon mehrfach einging. Man spürt förmlich, dass uns Cassius Dio damit etwas sagen wollte. Nämlich die alte Frage, wie Varus mit ihnen verfahren haben könnte. Cassius Dio tat sich vermutlich selbst schwer damit zu erkennen, an welcher Stelle er auf sie eingehen sollte und wollte. Ich meine nicht seinen Hinweis auf die durch sie erschwerten Marschbedingungen, sondern denke an seine Mühe die er damit hatte aufgrund seiner Quellenanalyse den „FRAUEN UND KINDERN“ nun den richtigen Platz im gesamten Geschehen zuzuweisen. Er wollte es möglicherweise selbst kaum glauben, dass Varus sie alle mit in die Schlacht nahm und Varus ihnen eine bedauerliche Opferrolle mitten im Gefecht zumutete bzw. zuwies, aber seine Quellen gaben nichts anderes her. Nur Cassius Dio überlieferte uns überhaupt die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug, ohne ihn wüssten wir nichts von ihnen im Vorfeld der Varusschlacht. Er entschied sich dann aber die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ in seinem Text an einer Stelle zu erwähnen, wo ihr hinsichtlich einer Plausibilität die chronologische Überzeugungskraft fehlt. Denn er schob sie wie bereits dargestellt chronologisch in den Teil ein, der zum zweiten Marschtag passt, aber besser im ersten Marschtag aufgehoben wäre. Da aber Cassius Dio keine Trennlinie zwischen dem ersten und zweiten Marschtag zieht, bleibt es letztlich unserer Interpretation überlassen, wo wir die Anwesenheit der Frauen und Kinder als plausibel erachten. Ich erkenne sie wie zuvor argumentiert am ersten Marschtag im Marschzug, aber nicht mehr im abgetrennten Marschzug zu den Rebellen. Cassius Dio soll sich besonders in die Senatsakten eingelesen und sie für sein Werk genutzt und verarbeitet haben. Er nutzte auch die sich ihm darin bietenden Spielräume, wenn sie ihm für seinen Abriss dienlich waren, Überzeugungskraft besaßen und ihm glaubhaft erschienen. Er wird sich kleinere Freiheiten aufgrund des großen zeitlichen Abstandes und dem vor ihm liegenden Informationsmaterial zum Schlachtgeschehen herausgenommen haben. Wer wollte auch seine Arbeiten kontrollieren, zensieren bzw. sie ihm inhaltlich noch rund 200 Jahre nach der Schlacht streitig machen wollen, oder ihm Fehlaussagen gleich welcher Art zum Vorwurf machen. Es wäre so, als wolle man das Protokoll des Wiener Kongresses von 1815 nochmal neu aufrollen und hinterfragen, aber wen würde das heute, außer den Historikern, noch ernsthaft interessieren. Cassius Dio griff also mutig zur Feder, die „FRAUEN UND KINDER“ flossen an einer ihm passenden Stelle in sein Machwerk ein, gleich ob es der erste oder der zweite Marschtag war. Denn er wusste es selbst nicht besser, was ihm sicherlich Kopfschmerzen bereitete. Aber indem er dies tat, kehrte auch erst die aus seiner Sicht nötige Plausibilität und damit die Ruhe in seine Überlieferung ein. Mit seiner Varusschlacht Geschichte wollte er dem Leser sowohl einen Gesamtüberblick offerieren, was ihm zweifellos gelang, als auch den diversen menschlichen Unpässlichkeiten und anderen Details etwas mehr an Raum verleihen. Dies war erforderlich um ein gewisses Verständnis des Lesers für die, in seiner Zeit schon sehr lange zurück liegende Varusschlacht zu wecken und um den Lesern Erklärungen für den Untergang der Varus Legionen anzubieten. Eigentlich das gleiche, was wir auch heute 1800 Jahre nach Cassius Dio auch immer noch versuchen, wenn wir nach Erklärungen und Motivationen suchen um ehemalige geschichtliche Abläufe aus unserer Epoche besser verstehen zu können. Aber was die Varusschlacht anbelangt, so können wir mit seiner Hilfe auch die Örtlichkeiten lokalisieren, die er als bekannt voraus gesetzt hatte. Oder sie für unwichtig hielt. Die Irrtümer des Feldherren Varus, die unangenehme Wetterlage, die dadurch ausgelösten widrigen und erschwerenden Marschbedingungen und eben den für alle zur Belastung werdenden zivilen Tross warf Dio mitsamt seiner Bemerkung zu den „FRAUEN UND KINDER“ zusätzlich in die Waagschale um ein Erklärungsgerippe zu entwerfen. Möglicherweise auch um Varus nach 200 Jahren teilweise zu entlasten und um etwas von seinem Versagen abzulenken. Sozusagen, die Zeit heilt alle Wunden auch die im Saltus. Das Aufhübschen der Gestalt des Varus schien im möglicherweise doch noch wichtig gewesen zu sein. Alles sollte in seinem Bericht nicht zu kurz kommen, ob sich dann noch alles in die richtige Chronologie der Geschehnisse einfügen ließ oder nicht, war für ihn in diesem Zusammenhang zweitrangig und nicht von unmittelbarer Bedeutung. Für ihn war es für den Verlauf nicht so schwerwiegend, an welcher Textstelle er nun in seiner Überlieferung die „FRAUEN UND KINDER“ erwähnte. Ob er sie früher oder später erwähnte, hatte letztlich auch keine Bedeutung für den Ausgang der Schlacht. Wir sehen das heutzutage natürlich völlig anders. Wir wünschen uns eine klar geordnete und wohl strukturierte Darstellung der zeitlichen Begebenheiten und keine Brüche oder Erklärungslücken. So sind wir es gewohnt und dulden eigentlich keine unlogischen Heeresprotokolle, obwohl auch diese in der Regel beschönigend wieder gegeben werden. Aber wie gesagt, Cassius Dio war eben kein gelernter Frontberichterstatter. Und warum muss auch jedes antike Wort von uns heute mit Gold aufgewogen werden. Und so vermisst man hier wie auch an anderen Stellen seiner Überlieferung den sterilen Ablauf, den wir für schlüssig halten, weil wir ihn mit modernen Maßstäben messen wollen. Einfacher ausgedrückt, für Cassius Dio hatte es stark geregnet und gestürmt, die Wege waren schlecht, die „FRAUEN UND KINDER“ haben das Durcheinander komplett gemacht und Varus war die Ursache allen Übels. Denn er wollte ja unbedingt die Aufrührer kennen lernen, richten für Ruhe sorgen und sein Winterlager ansteuern. Auch die Fragen danach, wann wie und wo alles geschah, war in den Augen von Cassius Dio nachrangig. Und wie schon gesagt, Cassius Dio schrieb sein Werk auch nicht für uns. Er konnte ja nicht ahnen, dass er für die Ewigkeit schreiben würde und ging vielleicht von wenigen Jahrhunderten aus, in denen man sich für seine Zeilen noch interessieren würde. Kommen wir aber nun dem Kern näher, also zu den von mir infrage gestellten chronologischen Verwerfungen in denen man erkennen kann, dass für Cassius Dio die Abfolge nicht die Bedeutung und den Stellenwert besaß, den wir darin sehen möchten. Im letzten Abschnitt hatte ich dargestellt, dass die Ereignisse zu einem frühen Beginn im Zuge der sich anbahnenden Varusschlacht einen weiteren Marschtag erkennen lassen, da die Germanen nicht imstande waren, alle ihnen zugeschriebene Aktivitäten auf einen einzigen Tag zu konzentrieren. Ich deutete bereits an, dass dieser übersehene erste Marschtag, nämlich die Distanz von Corvey/Höxter nach Brakel die zu überwinden war, weitere Türen öffnet. Des Weiteren baute ich eine Argumentationskette dahin gehend auf, als dass Varus die Anweisung gab, dass man die „FRAUEN UND KINDER“ zusammen mit den Wertgütern auf direktem Wege nach Aliso schaffen sollte. Beide Strategieschritte zusammen gefasst lassen sich nun durch einen weiteren Hinweis untermauern und bekräftigen. Die Essenz dieser Theorie beruht also darauf, dass der Hinweis von Cassius Dio auf die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug genau in das Geschehen des ersten Marschtages hinein passt, also den Anmarschweg von Höxter nach Brakel und weniger in den Verlauf des zweiten Marschtages. Im nächsten Kapitel folgt ein weiteres Synonym, was sein seltsame Vorgehensweise für historische Aufarbeitung anbelangt. (31.3.2019)
1. Und zwar die Ziffern:
56,19,1 bis 56,20,5
(versehen mit entsprechender Kommentierung).
Wobei der Textstelle 56,20,2 mit großer
Aussagekraft über die
„Frauen und Kinder“ im Marschzug meine
besondere Aufmerksamkeit gilt.
unter 56,19,1
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lesen wir, dass Varus „der Versager“ seine Truppen nicht konzentrierte. Man es ihm also ankreidete, dass er wichtige Truppenteile, nämlich die so genannten Abstellungen in die Peripherie schickte, obwohl er bereits rechtzeitig von einer drohenden Gefahr wusste, bzw. davor gewarnt war und er sie möglicherweise noch vor Marschbeginn zur Verstärkung hätte zurück beordern können. C. Dio bietet hier der Nachwelt eine griffige und allgemein gehaltene Fassung über Ursache und Wirkung an, in dem er Varus schon an dieser Stelle für seinen groben Schnitzer brandmarkt. Es ist allerdings eine übergeordnete und anachronistische Feststellung, da man sie keinem konkreten Marschtag zuordnen kann.
unter 56,19,2
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erfahren wir von seiner Schwäche die Gefahr unterschätzt zu haben, die von Arminius und Segimer aus ging bzw. von ihnen ausgenutzt wurde, zumal sie doch ständig seine Gäste waren. Hier legt C. Dio schonungslos sein Unvermögen offen. Auch dies ist wieder eine übergeordnete und anachronistische, also eine zeitlich keinem Marschtag zuordnungsfähige Feststellung.
unter 56,19,3
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wird seine dumpfe stoische Gutgläubigkeit unterstrichen, indem er sich sicher zu sein glaubt, dass ihm nichts zustoßen würde und er daher den Mahnern keinen Glauben schenkte. Ich sah dies bekanntlich anders, da Varus eine besondere Affinität zu den Cheruskern gehabt haben könnte, da sie ihm möglicherweise gegen Marbod beigestanden hätten. In diesem Fall ist es aber ebenfalls eine anachronistische Aussage, denn auch diese lässt sich an keinen bestimmten Tag fest machen.
unter 56,19,4
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gipfelt alles in der Darstellung seiner völligen Ahnungslosigkeit, nämlich die Taktik der Germanen in Gänze nicht durchschaut zu haben, die ihn erst Vertrauen erweckend begleiteten, dann aber bekanntlich an griffen, als er selbst bereits weit ins Feindesland vorgedrungen war. In diesem Fall ist es eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Beschreibung. Denn es wird hier sehr gut deutlich, dass es sich um den ersten Marschtag handelte. Aber interessanterweise erwähnt er in dieser Phase nicht die Frauen und Kinder im Marschzug, obgleich sie gemeinsam mit Varus das Sommerlager verlassen hatten. So stellten sie möglicherweise am ersten Marschtag noch kein Hindernis dar, oder Cassius Dio erwähnte es nicht explizit. Was verstand Cassius Dio unter der Wortwahl, „trugen zur Auflösung des Marschzuges bei“. Man kann es sich vorstellen, denn es werden wohl Disziplin und Ordnung gewesen sein. Und diese ließen sicherlich auch schon am ersten Marschtag zu wünschen übrig, als man noch alles recht locker anging. Im zweiten Teil der Darstellung gewährt uns Cassius Dio schon einen Ausblick bis weit in die zweite Tageshälfte des zweiten Marschtag bzw. deutet es uns uns schon vorsichtig an. Aber die dargestellten Handlungen sind allesamt noch dem ersten Marschtag zuzuordnen, als noch keine Angriffe einsetzten. Er beginnt aber bereits zum Ende der Textstelle 56,19.4 hin mit der Vermengung beider Tage und leistet damit einen Vorschub auf die gewaltigen Ereignisse des zweiten Marschtages, was dann erst in der folgenden Textstelle deutlicher wird.
unter 56,19,5
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lesen wir, dass die Arminen die germanischen Hilfstruppen übernehmen wollten. Was vermutlich kurz vor dem Erreichen des Etappenlagers Brakel geschah. Die Germanen trennten sich also von den Römern und entschwanden in den Nachmittag bzw. in die Dämmerung des frühen Abends hinein. In dem Moment also, in dem die Cherusker den Marschzug verlassen, endet für Cassius Dio der erste Marschtag und es mehren sich nun die Anzeichen, die für den zweiten Marschtag sprechen, denn nun werden möglicherweise schon in der Nacht die Abstellungen nieder gemacht und Arminius greift im Hellen des zweiten Marschtages mit den Germanen die Legionen an. Auch hier liegt uns eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung vor. Das Wegreiten der Arminen und die Mobilisierung der Hilfskräfte fällt für Cassius Dio schon in das Geschehen des zweiten Marschtages. Der angekündigte Angriff der Germanen auf die Legionen kam nach dem Zeitbedarf zu urteilen aber erst in der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtag zustande.
unter 56,20,1
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beschreibt er uns die Marschbedingungen auf nahezu unbegehbaren Wegen, die deswegen erst von den Pionieren herzurichten waren. Und er weist darauf hin, dass diese Arbeiten „noch vor“ den ersten germanischen Angriffen statt fanden. Hier vollzieht Cassius Dio einen sehr deutlichen Wechsel vom ersten auf den zweiten Marschtag. So ist hier auch eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung möglich, denn die Handlung kann zweifellos der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages zugeordnet werden. Am ersten Marschtag war man bekanntlich noch auf der gut begehbaren Strecke von Höxter nach Brakel unterwegs. Da man aber am zweiten Marschtag morgens ab Brakel den gut ausgebauten Hellweg verlassen hatte, begannen die Wege auch erst am zweiten Marschtag und folglich in der ersten Tageshälfte unbegehbar zu werden und in der zweiten Tageshälfte setzten die Angriffe der Germanen ein. In der ersten Tageshälfte am zweiten Marschtag also nach dem Verlassen des Brakeler Lagers gab es auch wie uns überliefert ist, noch keine germanischen Angriffe. Diese entwickelten sich erst im Verlauf der fortgeschrittenen Zeit, also der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtages. Cassius Dio sagt es ja deutlich, denn die ersten Wegearbeiten fanden noch „vor“ den germanischen Angriffen statt. Nach meiner Hypothese fanden die Wegearbeiten erst in der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages statt, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht angegriffen wurden. Am ersten Marschtag waren wegen der gut ausgebauten Verbindung noch keine Wegearbeiten nötig.
aber unter 56,20,2
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wird es nun spannend, denn jetzt (erst) folgt der verdächtige eingeschobene Hinweis, dass ihnen auch „FRAUEN UND KINDER“ folgten, die zur Marschauflösung beitrugen. Wollte er uns damit sagen, das sich die „FRAUEN UND KINDER“ auch noch am zweiten Marschtag innerhalb der Legionen bewegten, die zu den Rebellen zogen. Oder wollte er damit nur grundsätzlich zum Ausdruck bringen, dass sie zu einer permanenten Auflösung der Marschordnung beitrugen. Im zweiten Fall wäre diese Aussage eine pauschale übergeordnete und anachronistische, also keine tagesbezogene zuordnungsfähige Darstellung, denn man kann sie sowohl dem ersten, als auch dem zweiten Marschtag zuordnen. Blickt man auf die Reihenfolge, dann kommt nach der Textstelle 56,20,1 die Stelle 56,20,2 und es war somit zweifellos der zweite Marschtag angebrochen. Cassius Dio könnte die Textstelle 56,20,2 auch verschoben haben und wollte sie noch unter dem ersten Marschtag statt dem zweiten Marschtag verstanden wissen. Er brachte den Hinweis relativ spät, was uns verführt sie dem zweiten Marschtag zuzuordnen. Also dem Tag an dem man schon begonnen hatte die Wege her zurichten um sie passierbar zu machen. Das spricht auch für ihre Anwesenheit noch am zweiten Marschtag. Grundsätzlich könnten die Frauen und Kinder die Marschordnung natürlich sowohl schon am ersten als auch am zweiten Marschtag gestört haben. Ich vertrete nun die Theorie, dass die Frauen und Kinder den Marschzug bereits ab dem ersten Marschtag gestört haben mussten, und nicht erst am zweiten Marschtag. Zweifellos könnten sie aber am zweiten Marschtag als die Wege schwieriger wurden besonders gestört haben, so dass Cassius Dio sie auch aus diesem Grunde erst zu diesem Zeitpunkt erwähnt. Meiner Überzeugung nach waren sie jedoch an dem Marsch zu den Rebellen schon gar nicht mehr beteiligt, da man sie von Brakel aus direkt nach Anreppen schickte. Für Cassius Dio und seine Quellen waren Frauen und Kinder in einem Marschzug der einem militärischen Kampfauftrag folgte grundsätzlich ein Störfaktor, der sich zweifellos von Anfang an also vom ersten Marschtag an bemerkbar gemacht haben dürfte und nicht erst am zweiten Marschtag. Es schien sich aber sehr gut in die heikle Dramaturgie einzufügen um dem späteren Leser damit auf die besonders schweren Bedingungen des zweiten Marschtages hinzuweisen. Ob die Frauen und Kinder da noch dabei waren oder nicht spielte nicht unbedingt eine Rolle, aber es fügte sich gut in das ab hier beginnende Desaster. Weiterhin vertrete ich die Auffassung dass Cassius Dio von einem zivilen Marschzug von Brakel nach Anreppen gar nichts wusste, denn es ging aus seinen Quellen nicht hervor. Seinem Wissenstand folgend musste er annehmen, Varus habe sie auch mit ins Rebellengebiet genommen. Daher blieb es für Cassius Dio auch gleich zu welchem Zeitpunkt er uns auf die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug aufmerksam machte. Da aber Cassius Dio den ersten und den zweiten Marschtag hinsichtlich seiner literarisch, technischen Darstellung nicht voneinander isoliert betrachtete, ziehe ich daraus den Schluss, dass dieser Teil der Textstelle darauf hin deutet, dass wir den Schluss wagen können, dass Cassius Dio die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug nur für den Teilabschnitt von Höxter nach Brakel dokumentierte und ihre Anwesenheit nicht im zweiten Marschtag zu den Rebellen sah. Aber gestatten Sie mir den Hinweis, dass sie es hier nur mit einer Hypothese zu tun haben.
unter 56,20,3
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kommt dann die Erklärung, dass sich die Marschbedingungen durch die Wetterbedingungen extrem problematisch entwickelten. Innerhalb dieser Textstelle erwähnt er erneut keine „FRAUEN UND KINDER“ mehr und auch noch keinen Angriff der Germanen. Aber innerhalb dieser Textstelle hätte die Erwähnung der Frauen und Kinder und der ersten Kämpfe gegen die Germanen Sinn ergeben. Bei mehrfacher Anmerkung, dass sich Frauen und Kinder im Marschzuge zu den Rebellen befanden, hätte ich gezögert meine Theorie aufzustellen. Eine Darstellung die folglich noch gut in den Kontext der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages passt.
erst unter 56,20,4
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erfahren wir, dass nach zögerlichem Beginn nun die heftigen Angriffe folgten bis hin zu den ersten Nahkämpfen. „FRAUEN UND KINDER“ finden erneut keine Erwähnung mehr. Die Überlieferung von Cassius Dio hätte aber besonders unter diesen Bedingungen stark an Glaubhaftigkeit gewonnen, wenn er auf ihr Schicksal auch nur mit einer kurz gehaltenen Bemerkung eingegangen wäre. Denn genau in diesem Moment dürfte ihm eigentlich klar gewesen sein, das nun jeder Leser seiner Schriften etwas über sie erfahren wollte. Aber er schwieg. Und er schwieg deswegen, weil ihm seine Quellen nichts mehr dazu verrieten. In der Konsequenz schließe ich daraus, dass ihm die Quellen auch nicht mehr dazu sagen konnten, weil sich die Frauen und Kinder ab Brakel schon gar nicht mehr im Zug zu den Rebellen befanden. Wenn denn Cassius Dio berichtet, dass sich „nicht wenige“ Frauen und Kinder im Marschzug aufhielten und nicht wenige ungefähr dasselbe sind wie viele, so ist das plötzliche Ausbleiben jeglicher Erwähnung von ihnen zumindest erstaunlich. Es folgten nun jene Ereignisse die sich ab der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtages vor dem Erreichen des „Gerichtslagers“ zugetragen haben könnten. Die Kämpfe nahmen an Heftigkeit zu. Es handelt sich bei der Textstelle 56,20,4 folglich um eine recht gute chronistische, also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung.
unter 56,20,5
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geht Cassius Dio nun intensiv ins Detail in dem er berichtet, dass nun die Verluste erhebliche Ausmaße annahmen und die Legionäre den Germanen bereits hilflos, ohmächtig und handlungsunfähig zusehen mussten wie sie von ihnen dezimiert wurden. Denn sie konnten ihnen schon nichts mehr anhaben. Es klingt bereits wie ein Abschlachten. Er spricht nicht mehr vom Wegeausbau, denn dazu kamen die Legionäre in der Hitze des Kampfes auch gar nicht mehr und er erwähnt wiederum keine „FRAUEN UND KINDER“ in dieser Extremsituation. Es handelt sich meines Erachtens nun um die schon späte zweite Tageshälfte des zweiten Marschtages an dem sich für die Legionen die Niederlage anbahnt. Jetzt folgt bei Cassius Dio die Textstelle 56,21,1. Er berichtet darin wie man nun nach diesem, man möchte schon fasst sagen Blutbad, dass „Prima Vari Castra“ errichtet wird. Aber dies soll Gegenstand eines anderen Kapitels werden. Ab hier wird aber langsam deutlich, welche Konsequenzen es annimmt, oder annehmen kann, wenn sich hinter der Überlieferung aus der Feder des Cassius Dio plötzlich ein weiterer Marschtag am historischen Horizont abzeichnet bzw. auftut. Der erste vom Sommerlager ins Marschlager Brakel, der zweite vom Marsch- oder Etappenlager Brakel ins Gerichtslager dem „Prima Vari Castra“, der dritte Marschtag vom Gerichtslager in die Fluchtrichtung zum „teutoburgiensi saltu“ und der vierte Marschtag der letzten Überlebenden in die Schlucht und damit in ihren Untergang. Wir erkennen nun verstärkter, dass Cassius Dio in einer literarisch, historischen Not- oder Zwangslage steckte. Aber ich kann ihm nach so langer Zeit „post mortem“ letztlich doch noch eine Lösung für die Marsch Ereignisse inform der Marschaufteilung anbieten. Er braucht nun nicht mehr mit sich und seinen Quellen hadern, an welche Stelle er sich den Frauen und Kindern im Marschzug widmen wollte und brauchte sich nicht mehr mit der Überlegung zermürben, ob Varus tatsächlich Frauen und Kinder der Gefahr aussetzen wollte. Varus wollte sie vor Unheil bewahren und er bot ihnen an, bzw. befahl ihnen ab Brakel den direkten Verbindungsweg zur Lippe zu nehmen. All dies wusste Cassius Dio nicht, da die Quellen von keinem zivilen Zug wussten bzw. es dazu keine Augenzeugen und nichts schriftliches gab. Aber es war nicht allein den Frauen und Kinder im Marschzug zu verdanken, dass durch sie eine neue Sicht auf die Abläufe erkennbar wurde. Es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der meine Überzeugung wachsen ließ eine neue Erklärung für den Verlauf der Varusschlacht vorlegen zu können. Da sich das Zuggeschehen um einen ganzen Tag verschob, stieß ich auf eine weitere Textstelle, die ebenfalls offenbart, wie weit und tief sich Cassius Dio verstricken musste, um etwas halbwegs plausibles zur Varusschlacht hinterlassen zu können. Denn diese Textstelle symbolisiert ein Gefühl heilloser Verwirrung in der sich Cassius Dio wähnte, um nicht völlig die Orientierung zu verlieren. Da ich mir aber der Komplexität bewusst bin, möchte ich, bevor ich in diese Textstelle einsteige, noch den Versuch einer Zusammenfassung der bisherigen Analyse wagen.
Zuvor aber noch ein kurzes Fazit.
FAZIT:
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Die römischen Pioniere hatten lt. 56.20.1 Mühe sich einen Weg (ins spätere Kampfgebiet) zu bahnen.
Lt. 56.20.2 werden (einen Abschnitt später) von Cassius Dio, nicht wenige Kinder, viele Wagen, Lasttiere und zahlreiche Trossknechte erwähnt, die zur Marschauflösung beitrugen.
Allein dieser Hinweis rechtfertigt es aus meiner Sicht nicht anzunehmen, dass sie sich in der Phase des Wege bahnens noch im Zug aufhielten.
Kurz bevor dieser schon vor dem ersten Feindkontakt stand.
Man kann den Hinweis auch aus dem Kontext lösen und ihm eine allgemein gültige Aussagekraft unterstellen.
Eben nicht mehr und nicht weniger, als dass Frauen und Kinder den Marschverlauf störten. Ungeachtet, ob sie es am ersten Marschtag, den ich favorisiere taten, oder am zweiten Marschtag.
Denn Cassius Dio gab einer chronologisch präzisen Ablauffolge nicht die von uns erwünschte Priorität.
Zur Zusammenfassung
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Zunächst gaben die Quellen auf die Cassius Dio zurück griff und in der Konsequenz daraus natürlich auch er Cassius Dio selbst, Varus persönlich die Schuld. Dann gaben die Quellen sie auch den Wegeverhältnissen. Dazwischen gaben sie indirekt auch noch den Frauen und Kindern und dem Tross durch die von ihnen mit bewirkte Marschauflösung eine gewisse Mitschuld. Und letztlich waren es, man möchte schon sagen mal wieder die Wetterverhältnisse. Man bedient sich da gerne der französischen Fremdsprache und nutzt aus ihr geeignete Worte wie „fable convenue“, für etwas Erfundenes, das man als wahr gelten lassen möchte. Meine Absicht besteht aber in diesem Abschnitt nicht darin, dem uns sicherlich allen hinlänglich bekannten und mannigfach durch gekauten Allgemeinwissen der Schriften des Cassius Dio nahezu Gebetsmühlenartig nachzuspüren um es wieder aufzuwärmen, sondern einen besonderen Anhaltspunkt darin näher zu beleuchten. Nämlich den, der von Cassius Dio meines Erachtens chronologisch in die falsche Reihenfolge geschobenen Textstücke. So wie ich es zu Beginn des Kapitels auch dargestellt hatte. Und bei dieser von Cassius Dio gewählten spezifischen Methode möchte ich inne halten und insbesondere seinen Hinweisen bezogen auf die „FRAUEN UND KINDER“ innerhalb seiner Berichterstattung nachgehen. Der „FRAUEN UND KINDER“ Bezug, berührt immer wieder einen äußerst neuralgischen Nerv im gesamten Kontext um die Varusschlacht, auf den ich schon mehrfach einging. Man spürt förmlich, dass uns Cassius Dio damit etwas sagen wollte. Nämlich die alte Frage, wie Varus mit ihnen verfahren haben könnte. Cassius Dio tat sich vermutlich selbst schwer damit zu erkennen, an welcher Stelle er auf sie eingehen sollte und wollte. Ich meine nicht seinen Hinweis auf die durch sie erschwerten Marschbedingungen, sondern denke an seine Mühe die er damit hatte aufgrund seiner Quellenanalyse den „FRAUEN UND KINDERN“ nun den richtigen Platz im gesamten Geschehen zuzuweisen. Er wollte es möglicherweise selbst kaum glauben, dass Varus sie alle mit in die Schlacht nahm und Varus ihnen eine bedauerliche Opferrolle mitten im Gefecht zumutete bzw. zuwies, aber seine Quellen gaben nichts anderes her. Nur Cassius Dio überlieferte uns überhaupt die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug, ohne ihn wüssten wir nichts von ihnen im Vorfeld der Varusschlacht. Er entschied sich dann aber die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ in seinem Text an einer Stelle zu erwähnen, wo ihr hinsichtlich einer Plausibilität die chronologische Überzeugungskraft fehlt. Denn er schob sie wie bereits dargestellt chronologisch in den Teil ein, der zum zweiten Marschtag passt, aber besser im ersten Marschtag aufgehoben wäre. Da aber Cassius Dio keine Trennlinie zwischen dem ersten und zweiten Marschtag zieht, bleibt es letztlich unserer Interpretation überlassen, wo wir die Anwesenheit der Frauen und Kinder als plausibel erachten. Ich erkenne sie wie zuvor argumentiert am ersten Marschtag im Marschzug, aber nicht mehr im abgetrennten Marschzug zu den Rebellen. Cassius Dio soll sich besonders in die Senatsakten eingelesen und sie für sein Werk genutzt und verarbeitet haben. Er nutzte auch die sich ihm darin bietenden Spielräume, wenn sie ihm für seinen Abriss dienlich waren, Überzeugungskraft besaßen und ihm glaubhaft erschienen. Er wird sich kleinere Freiheiten aufgrund des großen zeitlichen Abstandes und dem vor ihm liegenden Informationsmaterial zum Schlachtgeschehen herausgenommen haben. Wer wollte auch seine Arbeiten kontrollieren, zensieren bzw. sie ihm inhaltlich noch rund 200 Jahre nach der Schlacht streitig machen wollen, oder ihm Fehlaussagen gleich welcher Art zum Vorwurf machen. Es wäre so, als wolle man das Protokoll des Wiener Kongresses von 1815 nochmal neu aufrollen und hinterfragen, aber wen würde das heute, außer den Historikern, noch ernsthaft interessieren. Cassius Dio griff also mutig zur Feder, die „FRAUEN UND KINDER“ flossen an einer ihm passenden Stelle in sein Machwerk ein, gleich ob es der erste oder der zweite Marschtag war. Denn er wusste es selbst nicht besser, was ihm sicherlich Kopfschmerzen bereitete. Aber indem er dies tat, kehrte auch erst die aus seiner Sicht nötige Plausibilität und damit die Ruhe in seine Überlieferung ein. Mit seiner Varusschlacht Geschichte wollte er dem Leser sowohl einen Gesamtüberblick offerieren, was ihm zweifellos gelang, als auch den diversen menschlichen Unpässlichkeiten und anderen Details etwas mehr an Raum verleihen. Dies war erforderlich um ein gewisses Verständnis des Lesers für die, in seiner Zeit schon sehr lange zurück liegende Varusschlacht zu wecken und um den Lesern Erklärungen für den Untergang der Varus Legionen anzubieten. Eigentlich das gleiche, was wir auch heute 1800 Jahre nach Cassius Dio auch immer noch versuchen, wenn wir nach Erklärungen und Motivationen suchen um ehemalige geschichtliche Abläufe aus unserer Epoche besser verstehen zu können. Aber was die Varusschlacht anbelangt, so können wir mit seiner Hilfe auch die Örtlichkeiten lokalisieren, die er als bekannt voraus gesetzt hatte. Oder sie für unwichtig hielt. Die Irrtümer des Feldherren Varus, die unangenehme Wetterlage, die dadurch ausgelösten widrigen und erschwerenden Marschbedingungen und eben den für alle zur Belastung werdenden zivilen Tross warf Dio mitsamt seiner Bemerkung zu den „FRAUEN UND KINDER“ zusätzlich in die Waagschale um ein Erklärungsgerippe zu entwerfen. Möglicherweise auch um Varus nach 200 Jahren teilweise zu entlasten und um etwas von seinem Versagen abzulenken. Sozusagen, die Zeit heilt alle Wunden auch die im Saltus. Das Aufhübschen der Gestalt des Varus schien im möglicherweise doch noch wichtig gewesen zu sein. Alles sollte in seinem Bericht nicht zu kurz kommen, ob sich dann noch alles in die richtige Chronologie der Geschehnisse einfügen ließ oder nicht, war für ihn in diesem Zusammenhang zweitrangig und nicht von unmittelbarer Bedeutung. Für ihn war es für den Verlauf nicht so schwerwiegend, an welcher Textstelle er nun in seiner Überlieferung die „FRAUEN UND KINDER“ erwähnte. Ob er sie früher oder später erwähnte, hatte letztlich auch keine Bedeutung für den Ausgang der Schlacht. Wir sehen das heutzutage natürlich völlig anders. Wir wünschen uns eine klar geordnete und wohl strukturierte Darstellung der zeitlichen Begebenheiten und keine Brüche oder Erklärungslücken. So sind wir es gewohnt und dulden eigentlich keine unlogischen Heeresprotokolle, obwohl auch diese in der Regel beschönigend wieder gegeben werden. Aber wie gesagt, Cassius Dio war eben kein gelernter Frontberichterstatter. Und warum muss auch jedes antike Wort von uns heute mit Gold aufgewogen werden. Und so vermisst man hier wie auch an anderen Stellen seiner Überlieferung den sterilen Ablauf, den wir für schlüssig halten, weil wir ihn mit modernen Maßstäben messen wollen. Einfacher ausgedrückt, für Cassius Dio hatte es stark geregnet und gestürmt, die Wege waren schlecht, die „FRAUEN UND KINDER“ haben das Durcheinander komplett gemacht und Varus war die Ursache allen Übels. Denn er wollte ja unbedingt die Aufrührer kennen lernen, richten für Ruhe sorgen und sein Winterlager ansteuern. Auch die Fragen danach, wann wie und wo alles geschah, war in den Augen von Cassius Dio nachrangig. Und wie schon gesagt, Cassius Dio schrieb sein Werk auch nicht für uns. Er konnte ja nicht ahnen, dass er für die Ewigkeit schreiben würde und ging vielleicht von wenigen Jahrhunderten aus, in denen man sich für seine Zeilen noch interessieren würde. Kommen wir aber nun dem Kern näher, also zu den von mir infrage gestellten chronologischen Verwerfungen in denen man erkennen kann, dass für Cassius Dio die Abfolge nicht die Bedeutung und den Stellenwert besaß, den wir darin sehen möchten. Im letzten Abschnitt hatte ich dargestellt, dass die Ereignisse zu einem frühen Beginn im Zuge der sich anbahnenden Varusschlacht einen weiteren Marschtag erkennen lassen, da die Germanen nicht imstande waren, alle ihnen zugeschriebene Aktivitäten auf einen einzigen Tag zu konzentrieren. Ich deutete bereits an, dass dieser übersehene erste Marschtag, nämlich die Distanz von Corvey/Höxter nach Brakel die zu überwinden war, weitere Türen öffnet. Des Weiteren baute ich eine Argumentationskette dahin gehend auf, als dass Varus die Anweisung gab, dass man die „FRAUEN UND KINDER“ zusammen mit den Wertgütern auf direktem Wege nach Aliso schaffen sollte. Beide Strategieschritte zusammen gefasst lassen sich nun durch einen weiteren Hinweis untermauern und bekräftigen. Die Essenz dieser Theorie beruht also darauf, dass der Hinweis von Cassius Dio auf die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug genau in das Geschehen des ersten Marschtages hinein passt, also den Anmarschweg von Höxter nach Brakel und weniger in den Verlauf des zweiten Marschtages. Im nächsten Kapitel folgt ein weiteres Synonym, was sein seltsame Vorgehensweise für historische Aufarbeitung anbelangt. (31.3.2019)
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Sonntag, 10. März 2019
Der erste Marschtag vollzog sich vom Sommerlager ins Etappenlager nach Brakel
ulrich leyhe, 00:49h

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Der zweite Marschtag vollzog sich vom Etappenlager Brakel ins Rebellengebiet
ulrich leyhe, 00:47h

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Die erste Offenbarung des C. Dio - Ein Schlüssel zur Varusschlacht - Der „lang gesuchte“ Marschtag
ulrich leyhe, 00:22h
Aber ich muss Sie vorwarnen, denn in diesem Kapitel kommt „harter Tobak“ auf sie zu. Denn ich kann es Ihnen nicht ersparen, Ihnen meine Theorie von sehr vielen Sichtweisen aus darzulegen. Ich muss wie man es vor Gericht erleben kann, immer wieder neu in die Beweisaufnahme eintreten und wenn bei Ihnen der Eindruck entstehen sollte, es lägen der Argumente nun genügend auf dem Tisch, so muss ich im Sinne der Plausibilität die Thematik weiteren Transparenzprüfungen unterziehen. Aber direkt am Anfang finden Sie zwei Simulationen die Sie auf den ersten Blick erkennen lassen, wohin der Zug fährt. Trotzdem sollten Sie sich dem Aufbau meiner Argumente nicht verschließen, denn es steckt mehr drin, als sich in zwei kleinen Grafiken zeigen lässt. Wie sich der Abzug für die Varus Legionen im Verlauf des ersten Marschtages am Morgen dieses erdachten 24.09.0009 samt den Auxiliarkräften sowie den konföderierten Cheruskern nach dem Verlassen des „Sommerlager“ vollzog, beschrieb uns einzig nur der antike Historiker Cassius Dio. Ungeachtet dessen, dass wir auch hier wieder mit seiner sehr kargen Darstellung hadern aber vorlieb müssen, nehmen wir trotzdem alles gerne an, was er uns im übertragenen Sinne zu sagen hat. Für unser Verständnis tat er es sogar noch relativ plausibel und schrieb es auch so nieder, dass es für die Nachwelt auch nachvollziehbar war. Damit gewann seine Überlieferung zusätzlich an Glaubhaftigkeit. In seinen Büchern kann man das Wenige unter 56,19,4 und 59,19,5 nach lesen. Hier ist der Inhalt in etwas vereinfachter Form und leicht ergänzt, aber nicht Sinn entstellend wieder gegeben:
1.)
„...die Germanen begleiteten Varus
(unklar bleibt wie lange sie ihn
begleiteten) zunächst noch auf dem Marsch“
2.)
„...dann wurden sie (unklar bleibt, ob dies auf
Anordnung oder auf
eigenes Bitten geschah) entlassen“
3.)
„...um die Hilfstruppen zu mobilisieren“
4.)
„...und um diese schnellstmöglich heran zu führen“
5.)
„...dann übernahmen sie diese Hilfstruppen an
einem unbekanntem Ort“
6.)
„...dann machten sie die in ihren
Heimatgebieten
stationierten Legionäre nieder“
7.)
„...dann griffen sie Varus selbst an“
8.)
„...der sich da schon in schwer passierbaren
Waldgegenden befand“
9.)
„...dort erkannten die Legionäre in den Feinden ihre
ehemaligen Gefährten“
Man kann dieser aus neun Zeilen bestehenden Zusammenfassung entnehmen, dass es am ersten Marschtag eigentlich schon recht turbulent bis hektisch zugegangen sein muss. Die Fakten die aus den zahlreichen Aktivitäten sprechen, rundete Cassius Dio in seinem Bericht noch mit kleinen Bemerkungen oder Hinweisen ab. Und bei genauem Hinsehen, liegt hier auch schon der Hase im Pfeffer. Denn es passierte an diesem ersten Marschtag schon sehr viel, man möchte schon sagen zu viel. C. Dio hinterließ uns zwar nicht gerade eine Fülle an Informationen, aber doch sehr hilfreiche Passagen die zum kombinieren ermuntern und zur Rekonstruktion ausreichen. Und alles was Cassius Dio berichtete entnahm er natürlich den viel älteren schriftlichen Aufzeichnungen, die sich aber letztlich alle irgendwann einmal auf die Aussagen jener Personen stützen mussten gleich welchen Standes sie waren die diese Stunden selbst mit erlebten. Aber jene Menschen die an diesem ersten Marschtag von Höxter nach Brakel dabei waren und die später berichten konnten, müssen nicht automatisch auch noch an den späteren Kämpfen teil genommen haben. Denn nach meinen Vorstellungen spaltete Varus den Zug in Brakel auf und einige Zeugen des ersten Tages hatten ein anderes Schicksal vor sich, als jene, die in die Gebiete der Aufrührer zogen. Die antiken Historiker können die Brüche in den Überlieferungen nicht übersehen und müssen sie entdeckt haben. Danach lagen ihnen Zeugenberichte von Personen vor, die nur über den ersten Tag berichten konnten und andere, die auch zu weiteren Abläufen wichtige Informationen besaßen. Personen die nur über lückenhaftes Halbwissen verfügten waren daher für die antiken Recherchen um den Hergang erforschen zu können keine große Hilfe. Dies soll nur Hinweis gebend dafür sein, welches Material Cassius Dio vorgelegen haben könnte, dass es auszuwerten galt und das er in Fluss zu bringen hatte. So ist es keine Geschichtsklitterung zu der Feststellung zu gelangen, dass viele Zugteilnehmer gesehen haben mussten, wie die Schar der Germanen anfangs noch mitten unter ihnen ritt. Und es sahen auch viele von ihnen, wie sie sich im Laufe des Tages von der Truppe entfernten, ohne das man genau wusste wohin sie ritten. Ob es in dieser Phase und in diesem Moment schon Personen auf römischer Seite gab, die einen Verdacht schöpften bleibt nebulös. Die Warnungen des Segestes dürften aber auch jene Römer gekannt haben, die den fort reitenden Cheruskern hinterher sahen. Personen die „nur“ auf der Trasse des römischen Hellweges über Brakel nach Schwaney ziehen sollten, wo sie später umkamen oder in Gefangenschaft gerieten, konnten nicht jene gewesen sein, die später erschreckend feststellen mussten, wie sich auf dem Zug zu den Rebellen die Waffen der einstigen Kampfgefährten nun plötzlich gegen sie richteten. Aber dieses Kapitel läutet einen entscheidenden Wendepunkt ein. Denn im Verlauf der Beschreibungen zum ersten Marschtag der Varuslegionen, so wie ihn uns Cassius Dio schilderte schlummert, man kann schon fasst sagen, liegt das halbe Geheimnis um die Struktur der gesamten Varusschlacht verborgen. Denn so wenig wie Cassius Dio uns im weiteren Verlauf etwas über die Anzahl und Örtlichkeit der folgenden Übernachtungslager der Legionen sagte, so oberflächlich fielen auch seine Erläuterungen zum ersten Marschtag aus. Dem Marschtag, den daher auch immer alle modernen Historiker für einen einzigen Tag hielten und ihn als solchen begreifen mussten. Es vereinfacht immer die Dinge, wenn man vorher das Drehbuch gelesen hat bzw. in unserem Fall zumindest glaubt es zu kennen. Dann erscheint es so, wie wenn einem die berühmten Schuppen von den Augen fallen und es erklären sich so manche Dinge wie von selbst. So als ob man sagen wollte, warum man denn nicht schon viel früher darauf gekommen ist. Denn an dieser Stelle, nämlich dem ersten Marschtag verbarg sich bereits eines der wesentlichen Lösungsansätze um das Gesamtverständnis zu wecken. Vom historischen Ablauf aus betrachtet, barg er vielleicht sogar mehr Explosivität in sich, als die folgenden Tage zwei oder drei, denn das Wissen um diese Basistheorie führt erst alle literarischen Stränge nämlich auch die Überlieferungen von Florus und Tacitus mit denen des Cassius Dio zusammen. Man kennt hinreichend die Motive und die Zielrichtungen die in den Handlungen liegen und kommt dadurch dem „Kriminalfall Varusschlacht“ jetzt erst ein gutes Stück näher. Allesamt wichtige Voraussetzungen, bevor ich zum eigentlichen Tatort bzw. in diesem Fall einer Reihe von Tatorten überleiten kann. Man könnte sogar den Eindruck bekommen, dass man in diesem Kapitel schon fasst den Lichtbogen sehen und den Stromüberschlag spüren kann, der das lang ersehnte Licht ins Dunkle vor über 2000 Jahren wirft. Aber Cassius Dio machte es der interessierten Nachwelt beileibe nicht einfach um auf Basis seiner mageren Zeilen die Abläufe zu rekonstruieren. Denn Cassius Dio zwang uns nicht nur zum mit denken, sondern auch noch zum kombinieren. Vor dem Hintergrund, dass wir uns im Verlauf der bisherigen Kapitel diverse geographische Orientierungshilfen und Fixpunkte merken mussten bzw. uns zugelegt haben und sie uns zu eigen machen konnten, können wir nun auf ein, wenn auch nur visuell existentes Landschaftsmodell vor unserem inneren Auge zurück greifen. Mit Hilfe einer plastischen Varusschlacht Skyline bzw. eines Panorama so, als ob wir durch eine 3D-Brille sehen würden, fällt natürlich vieles leichter um dahinter den Aufbau schemenhaft sichtbar zu machen und brauchen das Geschehen nur noch darüber zu stülpen. Wer sich schon einmal das monumentale Bauernkriegspanorama in Frankenhausen nahe dem Kyffhäuser angesehen hat, weiß was ich meine. Wir sehen aber wie vom Helikopter aus auf den westfälischen Hellweg hinab, wie er die Kehre bei Amelunxen in Richtung Brakel nimmt. Wir erkennen am westlichen Horizont schon den spitzen Turm der Brakeler St. Michaels Kirche, schauen im Norden auf das Oberwälder Land, sehen im Westen die Höhenlagen der Egge und können den „Teutoburgiensi saltu“ im Süden schon fasst erahnen. Und irgendwo da unten soll sich also einmal ein schicksalhaftes Ereignis angebahnt haben. Eigentlich kaum zu glauben. Bevor man aber nun die inhaltlichen Aussagen des Geschichtswerkes von C. Dio in die realen Abläufe des ersten Marschtages in das Weichbild Ostwestfalens eindrückt ist es nötig, sich auch das recht umfangreiche Strecken- und Entfernungsgeflecht zwischen Höxter, Marienmünster, Schwaney und Borlinghausen vor Augen zu halten, denn es umfasst viele Quadratkilometer. Vom „überwinterungsfähigen Sommerlager“ m. E. zwischen Höxter und Corvey gelegen, sind es über Brakel bis Aliso/Schwaney dem älteren schon drususzeitlichen römischen Winterlager auf der Höhe etwa 34 Kilometer Luftlinie. Die Entfernung von Höxter/Corvey bis in die Schlucht des „Teutoburgiensi saltu“ beträgt ebenfalls etwa 34 Kilometer Luftlinie und um das Triangel zu schließen, beträgt die Luftlinien Distanz von Schwaney/Aliso bis in den „Teutoburgiensi saltu“ hinein weitere etwa 18 Kilometer. Innerhalb dieses spitzwinkeligen Dreiecks vollzogen sich alle maßgeblichen Ereignisse die wir nun zuzuordnen haben bzw. nur noch zuzuordnen brauchen. Denn alle für die Varusschlacht relevanten uns bekannten Schicksale aus den Federn der antiken Historiker finden sich darin wieder. In diesem Sinne begegnen wir hier allen Stationen des Marschzuges „Vom Sommerlager in den Untergang“, wie es der Titel dieses Blogs vorweg nimmt, sozusagen den Leidensweg um nicht zu sagen Kreuzweg des P. Q. Varus. Aber Stopp. Alle bis auf einen Betrachtungsraum, nämlich eine Region außerhalb dieses Triangel. Sie erstreckt sich nördlich von Brakel in unbekannter Breite und Tiefe. In dieser Oberwälder Land genannten Landschaft befanden sich ebenfalls Siedlungskammern der Cherusker. Vermutlich jene Stammesgebiete die am weitesten nach Westen vorgeschoben waren. So zählte dieses Gebiet auch noch zum Einflussgebiet der Cherusker. Im Kern könnte es sich um Marienmünster erstreckt haben. Bei der Analyse des ersten Marschtages fällt diesen Wohngebieten nördlich von Brakel eine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den oft zitierten Abstellungen zu. Nach dem nun der berühmte Groschen gefallen sein sollte, kann man es nun bei näherer Betrachtung der von Cassius Dio zu Beginn des Kapitels von mir aufgeschlüsselten neun Punkte nun nicht mehr übersehen und es fällt sofort und unweigerlich auf, dass das Arbeitsprogramm für einen einzigen Tag natürlich sehr umfangreich besser gesagt zu umfangreich war. Wie ich es schon zum Ausdruck brachte, konnte es den Arminen daher auch nicht möglich gewesen sein, an einem einzigen Tag, alle diese von Cassius Dio beschriebenen Ziele zu erreichen bzw. die dargestellten Handlungen umzusetzen. Beginnen wir aber von vorne. Am ersten Marschtag verließen also die Germanen gemeinsam mit Varus das „überwinterungsfähige Sommerlager“. Sie begleiteten ihn dann noch eine gewisse Wegstrecke von unbekannter Länge. Dann wurden sie entlassen um zu ihren Männern zu reiten, wo auch immer sie standen, um sie zu mobilisieren. Wobei auch nicht bekannt ist, wie lange sie für diesen Ritt zu ihren Hilfskräften benötigten und auch nicht überliefert ist, wie viel Zeit sie brauchten um die nötigen Männer zu mobilisieren. Die Hilfskräfte mit denen Arminius Kontakt suchte bzw. aufnahm, werden auf ihn gewartet haben und sie konnten sich in etwa ausrechnen, wie lange Arminius, wenn denn alles glatt ging reiten musste, um bei ihnen anzukommen. Hier wird aber auch wieder deutlich, dass hinter dieser Kurzdarstellung „...um die Hilfstruppen zu mobilisieren, die sie an einem unbekanntem Ort übernahmen, um diese schnellstmöglich heran zu führen“, erkennbar wird, dass es in den damaligen Zeiten nicht auf eine Stunde ankam bzw. aufgrund der Geländeverhältnisse auch nicht ankommen durfte und konnte. Es war seinerzeit definitiv keine verlässliche Zeitplanung möglich gewesen. Man wartete geduldig und man verließ sich aufeinander. Nachdem Arminius seine Männer erreicht hatte begann man der Darstellung nach die abgestellten römischen Legionäre bzw. Abstellungen nieder zu ringen. Unmittelbar im Anschluss an diese Kämpfe, so klingt es der Überlieferung nach, sollen sie dann auch noch die Verfolgung der Legionen des Varus, über eine uns unbekannte Distanz aufgenommen haben. Und sie ritten ihnen nicht nur nach, sondern sie griffen sie dann auch noch zu einem Zeitpunkt an, als sich diese schon in unübersichtlichen Waldgegenden befanden. Bei allem Respekt, aber ganz so geht es nicht. Denn Ostwestfalen hatte nicht das Format eines Sandkastens und die Varusschlacht bestand auch nicht aus Miniatursoldaten. Werfen wir also einen Blick auf die große Bühne bzw. die Szenerie des Geschehens die sich zwischen dem Ausmarsch der Legionen bis zu dem Moment vor uns ausbreitet, in dem die Germanen zum Angriff auf die Legionen des Varus übergehen. Vor diesem Hintergrund können wir uns die Distanzen bewusst machen und sie uns vergegenwärtigen. Die überlieferte Tagesetappe eines Marschzuges, wenn man sie von der Leistung einer marschierenden Legion ableitet, entspricht plus minus 20 Kilometer. Der Zug war jedoch an diesem Tag außergewöhnlich umfangreich, ein langer Tross sicherlich bestehend aus allen Karrentypen die man in jener Zeit verwendete, sowie den Frauen und Kindern brauchte daher eine längere Marschzeit um nach diesen etwa 2o Kilometern das erste Marschlager zwecks Übernachtung zu erreichen. Die Entfernung vom Startlager Höxter/Corvey kommend bis zum Erreichen des Brakeler Raumes entspricht also auch in etwa der Distanz, die ein Marschzug tagsüber zu bewältigen imstande war. Spekulationen bzw. zeitliche Betrachtungen gegen wie viel Uhr morgens Varus an diesem Tage sein Quartier in den Weserauen verließ wären recht umfänglich und dürften ausarten. Es mag in einen Spielraum zwischen Sonnenaufgang also gegen viertel nach 7 bis etwa 11 Uhr statt gefunden haben. Eines steht jedoch unumstößlich fix im Raum und das ist das vorgegebene Zeitfenster zur Überwindung dieser 2o Kilometer. Obwohl der „römische Hellweg“ für die damalige Zeit beste Marschbedingungen zeigte, dürfte es eine unverrückbare Tatsache gewesen sein, dass sich der Marschzug unter Einhaltung der nötigen logistischen bzw. der unvermeidbaren Zwangspausen auch noch den naturgegebenen Rahmenbedingungen anpassen musste. Die verfügbaren Tageszeit Stunden wie sie in der dritten Dekade September zu erwarten sind, geben aber letztlich den Takt und die Beweglichkeit vor und das auch unter der Betrachtung möglicher sich verändernder Wetterverhältnisse. Die Sonne ging gegen 19 : 20 Uhr unter und die Dämmerungsphase beginnt etwa 45 Minuten davor. Die Marschkolonne sollte folglich noch vor Einbruch der Dunkelheit die Region Brakel erreicht haben um alle nötigen Vorbereitungen für die Nacht, wie die Eigenversorgung und die der Tiere etc. treffen zu können. Da es ein Abendessen vorzubereiten und einzunehmen galt, sollte auch noch der Zugteilnehmer aus dem letzten Trossabschnitt rechtzeitig das Nachtlager erreicht haben. Ob man die römische Hauptmahlzeit, die Cena auch auf einem Marsch schon gegen 16 Uhr begann einzunehmen, wie es aus dem Zivilleben überliefert ist, ist fraglich. In Anbetracht der mitreisenden Zivilpersonen war jedenfalls ein Eintreffen im Marschlager je besser, je früher es möglich war. Da das Marschlager Brakel jedoch der mehrfachen Nutzung diente und sich im bezugsfertigen Zustand befand, waren die üblichen aufwändigen Aufbauarbeiten in diesem Fall auch nicht erforderlich gewesen sein. Danach konnte der eigentliche Marsch die hellen Tageszeiten besser nutzen. Trotzdem lassen aber alle diese Überlegungen nicht viel Spielraum für taktische Gedanken zu, wenn man in einer Stunde etwa drei Kilometer zurück legen möchte bzw. sogar muss und für 20 Kilometer mindestens sieben Marschstunden anzusetzen sind. Meine weiteren Schlussfolgerungen basieren nun darauf, dass sich die römischen Abstellungen die es nieder zu ringen galt nur in den cheruskischen Siedlungsgebieten nördlich einer Achse Höxter/Corvey/Brakel aufgehalten haben können bzw. vorher auch nur aus diesen Regionen heraus angefordert wurden. Der Raum südlich von Brakel war von den Germanen zum Schlacht- bzw. Aufmarschgebiet auserkoren worden und er wurde den römischen Legionen als das unbekannte Territorium der Aufrührer dargestellt. Uns wurde es von den Chronisten später als ein germanischer Hinterhalt beschrieben. Denn nur in einer Landschaft die nicht oder kaum erschlossen ist und die abseits bekannter und häufig begangener Wege liegt, lassen sich plausiblerweise auch geeignete Hinterhalte konstruieren. Und auch nur dort im Unbekanntem, kann man auch auf unerwartetes und schwer begehbares Terrain mit all jenen Tücken stoßen, wie es uns so anschaulich von Cassius Dio geschildert wurde. Hätte man vorher aus dieser Gegend südlich von Brakel römische Hilfskräfte, also Abstellungen angefordert, so wäre die Gegend den römischen Legionären auch zwangsläufig besser bekannt gewesen. Somit wäre sie für die germanische Strategie auch nicht mehr „Hinterhaltwürdig“, dafür aber für skeptische Legionäre „Hinterhaltverdächtig“ gewesen und man hätte geeignete Vorbereitungen getroffen. In diese Region Abstellungen zu locken um sie darin nieder zu ringen, wäre für die germanische Taktik daher völlig unlogisch gewesen. Die römischen Hilfskräfte hätten sich dann in der Nähe der römischen Zuglinie zu den Rebellen aufgehalten, Schlachtenlärm wäre möglicherweise hörbar gewesen und die abgestellten Legionäre hätten sich auch recht schnell bei Gefahr dem Marschzug der Varuslegionen hilfesuchend nähern und anschließen können. Varus wäre gewarnt, sie wären in Sicherheit gewesen, womit der gesamte Plan der Arminen hinfällig geworden wäre. Beide Regionen mussten also weiträumig voneinander abgetrennt werden. Folglich die Zone aus der man die Abstellungen anforderte, um sie später ungestört vernichten zu können sowie der Raum in den Varus zog um dort die fiktiven Aufrührer durch seinen Richterbeschluss „zu befrieden“. Arminius ritt also an irgend einem Punkt und noch vor dem Erreichen des ersten römischen Marschlagers bei Brakel nach Norden, wo er auf weitere Männer aus seinem Stamm stieß. Wann er den Marschzug verließ besser gesagt, wann man ihn im guten Glauben entließ ist nicht bekannt. Man könnte es mit viel Phantasie bei Hembsen verorten, da sich ab Hembsen auch heute noch ein waldfreier direkter Korridor nach Norden in Richtung Bellersen oder Bökendorf auftut. Arminius zweigte möglicherweise am Nachmittag etwa 4 Kilometer vor Brakel ab um mit den ihn bislang begleitenden Männern zu den anderen, auf ihn wartenden Cheruskern zu reiten. Ab hier bis zum Rastlager Brakel wäre demnach noch etwa eine Marschstunde einschließlich dem Trossende gerechnet nötig. Ab etwa 18 : 45 Uhr beginnt an jedem 24. September die Dämmerung. Der Raum, wo Arminius auf die auf ihn wartenden Männer samt ihren schnaufenden Pferden stieß bedarf einer näheren Betrachtung. Wir werden noch in Jahrhunderten darüber rätseln aus wie viel Männern die römischen Abstellungen bestanden und wo sie sich befanden, als Arminius und seine Germanen sie an griff. Ebenso werden wir uns noch lange die Frage stellen, wo Arminius sich mit seinen Kämpfern vorher getroffen haben könnte, bevor man sich aufmachte die Abstellungen zu vernichten. Die Örtlichkeit sollte zentral gelegen sein. Zentral bzw. mittig im Revier der verteilten römischen Kräften, weil man sie von dort aus sternförmig bekämpfen konnte. Einzelne und auch immer zahlenmäßig überlegene germanische Kampfeinheiten, denen die Standorte der Römer bekannt waren werden sie dann auf Befehl des Arminius aufgesucht haben. Der zentrale Treffpunkt an dem Arminius auf seine Cherusker traf kann sich daher im Hinblick auf die cheruskischen Siedlungszentren im Kernraum Marienmünster auch nur in der dortigen Region befunden haben. Die Gründungszeiten der Ortsteile von Marienmünster liegen lange zurück. Teils reichen erste Überlieferungen in die merowingisch/karolingische Epoche zurück, was für eine noch frühere Siedlungsintensität spricht. Legen wir trotzdem eine enge Zeitschiene an, so könnte Arminius den römischen Marschzug am frühen Nachmittag gegen 14 Uhr verlassen haben und traf etwa eine Stunde später da auf seine Männer, wo er sie zusammen gezogen hatte. Nun öffnet sich in meiner Abfolge eine zweite Spekulationsblase. Denn ich bevorzuge die Theorie, dass Arminius mit seinen Männer aus Höxter sowie mit den Männern mit denen er sich traf gemeinsam die Abstellungen nieder machte, da er um sicher zu gehen, dafür eine zahlenmäßige Überlegenheit brauchte. Für diese ersten Kampfhandlungen im Zuge der Varusschlacht stand den Cheruskern ein Zeitraum vom Abend nach Einbruch der Dunkelheit des erdachten 24.09.0009 bis zum Morgen des 25.09.009 zur Verfügung. Alles natürlich vom Zeitbedarf, der Anzahl der römischen Abstellungen und der Aufteilung auf die germanischen Siedlungsgebiete abhängig. Und nun offenbart sich uns auch so langsam die ganze zeitliche Dimension, vor allem aber zeigt sich die beängstigende Dramatik dieses so genannten ersten Tages. Alles lässt nun erkennen, wie engmaschig die Arminen die Abläufe gestrickt haben müssten um im Zeitplan zu bleiben. Und allein schon das was uns Cassius Dio bis zum vermeintlichen Ende des ersten Marschtages schilderte bzw. das was wir alle bislang für den ersten Marschtag hielten, war schon definitiv nicht an einem einzigen Tag zu bewältigen. Und es sollte noch mehr hinzu kommen. Nämlich die nötigen Reitstunden und die folgenden Kampfhandlungen, die ich bereits der Nacht vom 24. auf den 29. 9.0009 zurechne bzw. je nach Betrachtung schon dem folgenden Tag zuordne. Was stand für die Germanen an oder besser gesagt auf dem Spiel. Es galt zu reiten, also Kilometer überbrücken zu müssen, dort galt es sich zu versammeln und die Lage zu sondieren. Danach waren wieder Räume zu überwinden und danach galt es den Kampf aufzunehmen. Und das alles zog sich noch möglicherweise in die Dämmerung hin, fand also entweder bei einer unter oder bei einer aufgehenden Sonne statt. In die Dunkelheit hinein zu reiten, über Stock und Stein auf kaum erkennbaren Wegen und Pfaden und dann bei möglicherweise ungünstiger Wetterlage um dann auch noch zu kämpfen. Und während Arminius dieses alles vollbrachte, zog Varus „seelenruhig“ in Brakel ein, übernachtete dort teilte am anderen Morgen den Marschzug auf und begab sich selbst zu den Rebellen. Als die Armee des Varus am nächsten Tag ihre Nachtlager in Brakel verließ und sich marschfertig machte, neigten sich die Kämpfe der Germanen gegen seine Abstellungen dem Ende zu und sie ritten zum Gradberg wo sie den zivilen Tross erwarteten. Ein Kartenhaus, dass sich auf dem schwachen Fundament einer nicht aufgehenden Zeitrechnung aufbaut steht nicht lange. Wollte man den nötigen Zeitbedarf außer Betracht lassen oder aushebeln wäre es so, als ob man sich den Naturgesetzen widersetzen. Man kann die Uhr nicht anhalten oder gegen die Zeit argumentieren. Es war diese Zusatznacht vor der herein brechenden Schlechtwetterfront in Brakel, die bislang bei allen Recherchen zum Ablauf der Varusschlacht unentdeckt blieb, aber nicht auf ewige Zeiten unentdeckt bleiben musste. Cassius Dio sah vor 1800 Jahren natürlich keine Notwendigkeit darin uns den „Nachlebenden“ explizit jede einzelne Übernachtung und die dazugehörigen Handlungen minutiös und detailliert zu überliefern. Warum auch. Denn für C. Dio waren auch die Schilderungen aus der Feder von Tacitus, die er möglicherweise kannte plausibel, denn das was Cassius Dio in seinen Quellen vorfand, fügte sich auch in die Zusammenhänge seiner eigenen Darstellung. Und diese für so wesentliche Tacitus Darstellung beruhte letztlich einzig auf der Schlachtfeldbegehung des Offiziers Caecina 15 + und seiner Zeitzeugen, den ehemaligen Teilnehmern der Schlacht, sechs Jahre nach den Kämpfen. Die Detailkenntnisse die C. Dio besaß gingen über den Kenntnisstand von Tacitus hinaus und er vervollkommnete ihn. Trotzdem verschwieg er uns vieles. Aber um uns die Fülle der vielen anderen Aktionen und Marschbewegungen penibel und schlüssig zu präsentieren oder uns die Einzelschicksale darzustellen blieb in seinen Aufzeichnungen letztlich leider kein Platz. Dem römischen Senator, Aristokraten und Konsul im öffentlichen Dienst Cassius Dio war vermutlich militärisches und taktisches Denken und Einfühlungsvermögen nicht gegeben und auch das nötige Talent dazu bzw. das kämpferische Geschick fehlte ihm, ganz im Gegensatz zu seinem späteren Namensvetter dem Boxer Cassius Clay. Feldzüge an denen er teilnahm sind nicht bekannt. Es war sein Stil die Ereignisse nach Möglichkeit in eine Reihenfolge zu setzen, aber nur so wie sie ihm persönlich passend erschienen, er ließ die Dinge geschehen, sah sich auf höherer Warte und fragte viele Jahrzehnte nach der Schlacht auch nicht mehr nach Zeit und Raum. Aber in der Konsequenz aus seiner Schilderung müssen wir, da der Stoff für einen Tag zu umfangreich war, aus einem Marschtag zwei Marschtage machen. Den Marsch zum ersten Marschlager Brakel und am Folgetag den Marsch in die Region der Aufrührer. Handlungen für die man bislang nur einen Tag festlegte verteile ich nun auf zwei Tage. Denn nicht Arminius hatte ausgefüllten Tage und Nächte, auch einem Varus konnte es nicht gelingen morgens sein Domizil, nämlich das strittige Sommerlager an der Weser zu verlassen, hinter sich einen langen, undisziplinierten und ungeordneten Marschzug zu wissen, und sich dann nur fünf Stunden später nämlich etwa 15 Kilometer weiter und noch am gleichen Tag schon mit Mann und Maus in einer schwer passierbaren Waldgegend wieder zu finden, die allen größte Mühe bereitete sie überhaupt begehbar zu gestalten. Schlussfolgernd kann man sagen, dass beide Protagonisten, sowohl Varus als auch Arminius, betrachtet man ihre Taten vor Beginn der Varusschlacht von ihren jeweils unterschiedlichen Standpunkten aus, nicht imstande gewesen sein konnten, das beschriebene sehr umfängliche Pensum so kurz aufeinander erfüllen zu können. Ich rekapituliere daher nochmal zum besseren Verständnis. Ein Tagesmarsch entsprach etwa einer Strecke von 2o Kilometer. Bei näherer Betrachtung der recht konfus zusammen gewürfelten Teilnehmerschar, wäre dafür eine absolute zeitliche Untergrenze von sieben Stunden nötig gewesen. Wäre Varus bereits am ersten Marschtag in diese unwirtlichen Gebiete vorgedrungen, so hätte dies im Umkehrschluss bedeutet, dass sich dieses unbekannte und schier Wege lose und unwirtliche Terrain schon nach nur 10 oder 15 Kilometern Wegstrecke nach dem Verlassen des Hauptlagers vor ihm aufgetan hätte. Da auch bei diesem direkten Marsch ins Rebellengebiet bei etwa Kilometer 20 ein bezugsfertiges Marschlager, in diesem Fall war es das „Gerichtslager“ auf sie warten sollte, was man in den hellen Stunden zu errichten gedachte und beziehen wollte, so wäre dies in der Tat zu einem recht abenteuerliches Unterfangen, noch dazu mit Sack und Pack geworden. Denn man nahm ja bislang grundsätzlich an, Varus wäre mit seiner gesamten „Sommerlager Entourage“ ins Kampfgebiet gezogen. Um es noch mal zu verdeutlichen, dieses „Gerichtslager“ musste also erst noch gebaut werden und es existierte im Gegensatz zum Brakeler Etappen Lager noch nicht einmal im Ansatz. Eine Zugstrecke die den Römern trotz der räumlichen Nähe zum Sommerlager bislang völlig fremd gewesen sein soll, die sie vorher nicht oder noch nie inspiziert hatten und in die sie sich nun auf `s Geratewohl sozusagen Nonchalance und unvorbereitet hinein begaben, sollten sie sich dann nach nur 1o oder 15 Kilometern unversehens im völligen Chaos wieder finden. Sorry, aber so rückschrittlich war eine Armee auch im alten Rom nicht. Denn ein Gelände, dass sich nur maximal 15 Kilometer nach einem Sommerlager ausbreitete war für Rom kein Niemandsland. Hier war man noch Herr im Hause, hier überschaute man noch alles und hier befand man sich auch noch im Einzugsbereich der versorgenden Logistik. So stoßen wir folglich auch erst über diesen Weg des akribischen Aufrollens einer Chronologie auf jenen vermissten bzw. verschollenen Tag. Nämlich den Tag, den wir eigentlich immer schon gesucht haben und den wir brauchen um die Mehrtagesschlacht aus der Feder von Cassius Dio überhaupt entschlüsseln zu können. Die inhaltlichen Passagen der drei Historiker Dio, Florus und Tacitus die sich auf die Varusschlacht bezogen, sind nur zerstückelt und in extremer Kurzform vorhanden und beschränken sich auch nur auf wenige Textbausteine. Paterculus der Vierte im Bunde steuerte uns zwar noch eine Reihe von interessanten Randanekdoten bei, die aber den Schlachtverlauf im Kern aussparten. So kam es, dass uns Cassius Dio und das natürlich unbeabsichtigt, den ersten man möchte meinen bislang als verschluckt geglaubten Marschtag unterschlug und dieser Tag sozusagen unter die Räder der römischen Ochsenkarren geriet. Wir haben bislang alle die Komplexität der Dimensionen und Entfernungen unterschätzt und die Zeiträume die nötig waren um von A nach B zu gelangen. Wir sind nun bei genauem Hinsehen den entscheidenden Schritt weiter und schlauer, denn der Betrachtungsraum in tiefen Osten Ostwestfalens war groß und umfasste viele Quadratkilometer und diese Distanzen lassen sich nicht weg dividieren, auch wenn jegliche Hinweise darauf von Cassius Dio unausgesprochen bleiben. So ist zum Beispiel das erste Marschlager, wie ich es einen Tagesmarsch also rund 20 Kilometer nach Höxter im Raum Brakel als den Wendepunkt varianischer Aufmarschtaktik erkenne, bei ihm auf Anhieb auch an keiner Stelle ersichtlich. Marschlager wie Brakel die für die mehrmalige Nutzung vorgesehen waren, da sie sich an Hauptwegen befanden in festgesetzten Abständen vorzufinden sind und die häufig die Funktion eines Knotenpunktes inne hatten, waren nicht nur in der römischen Expansionszeit eine völlige Normalität, die keiner besonderen Erwähnung bedarf. Man befand sich um diese Zeit in Ostwestfalen auch nicht mehr auf dem Kriegspfad, wo man vor jeder Nacht ein Marschlager zu errichten hatte, dass man dann am folgenden Tag wieder einebnen musste. Cassius Dio verrät es uns wie dargestellt auch nur indirekt im Zuge seiner letztlich schlüssigen Gesamtschilderung zumal er wie Tacitus auch, nie in seinem Leben in Brakel an der Nethe war. Nur dadurch lässt sich der erste lang gesuchte und scheinbar von der Bildfläche verschwundene Marschtag auffinden. Die Theorien zur Dauer der Mehrtagesschlacht schwanken zwischen drei und vier bzw. 3 1/2 Tagen, aber mit dem Marschlager Brakel, dass Varus übrigens nicht errichten musste, da es ein bekanntes römisches Zubringer bzw. Etappenlager zwischen Anreppen/Ad Ripam, dem letzten Lippelager, Schwaney/Aliso, dem Rastlager vor dem Eggeabstieg und Höxter/Sommerlager dem Endpunkt war, schließt sich der Kreis besser gesagt die Fortsetzung der Kastellkette an der Lippe und ihre Weiterführung auf den trockenen Wegen zur Weser. Nun erscheint es uns schon fasst wie eine Erleuchtung, wenn wir von einem „prima Vari castra“ lesen. Und natürlich erkannten und sahen darin sowohl Caecina 15 + als auch Tacitus rund 100 Jahre später als ein „prima Vari castra“, nämlich das erste bzw. das Hauptlager des Feldherrn Varus. Das Lager das ich zeitweise als das „Gerichtslager“ bezeichnen möchte. Varus war gezwungen dieses Lager von Grund auf neu errichten lassen zu müssen. Ein unbekannter Ort an dem sich bislang kein anderes Marschlager befand. Dort gedachte er und erhoffte sich, das Problem mit den Aufrührern lösen zu können. Keiner kam nach der Varusschlacht auf die Idee einem militärisch bedeutungslosen weil zweckgebundenen und nüchternem Etappenlagerkomplex bzw. einem rationalem Versorgungsdepot wie Brakel es war die Bezeichnung „prima Vari castra“ zu geben. Denn Brakel war nicht das „Erste Vari castra“, im Marschlager Brakel wurde nicht gekämpft und es war nur eines der vielen namenlosen Marschlager der damaligen Zeit. Es war ein Lager das im Zuge der Varusschlacht nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde und das erst danach der germanischen Zerstörungswut ausgesetzt war. Es war es nicht wert erwähnt zu werden. Blutgetränkte Kampfstätten wie das „prima Vari castra“ zogen eher das allgemeine Interesse der ersten römischen Schlachtfeldtouristen auf sich. Sicherlich unbeabsichtigt verbarg Cassius Dio dies vor den Augen des unaufmerksamen Lesers. Und nicht nur bei Tacitus, auch in der Kurzfassung von Cassius Dio vermissen wir einen deutlichen Hinweis auf das letzte Ruhelager vor dem Sturm. Es war für keinen antiken Historiker relevant um so tief in die Details einzusteigen, denn es hätte nur zu einer noch größeren Bewunderung für die Taktik des Arminius geführt. Aber Varus tat genau das, was eigentlich jeder von uns in seiner Situation von ihm erwartete. Das er nämlich hier in Brakel den großen und unbeweglichen und für einen Kampf untauglichen und ungeeigneten Marschzug aufteilte. Er trennte ihn in eine straffe und diszipliniert geführte Kampftruppe und sonderte diese vom schwachen, hinderlichen und bislang ungeordneten und sich teilweise in der Auflösung befindlichen zivilen Marschzug ab. Der bunt gemischte Tross ohne Kampfauftrag, der ab Brakel nun aus Kampf unwilligen, aus Unfähigen, aus älteren Personen oder aus Frauen und Kindern bestand und dem Varus den Großteil seiner Prestigegüter anvertraute sollte nun am folgenden Morgen, dem erdachten „25.09.0009“ den direkten Marsch von Brakel über Aliso nach Anreppen antreten. Sie bemerken also an dieser Stelle wie sich durch diesen ersten Marschtag die gesamte Szenerie vom bislang diffusen Erscheinungsbild in einen sinnhaften Prozess umwandelt. Immer wieder verrannten sich die modernen Historiker innerhalb dieser unlogisch erscheinenden Übergangsphase zwischen dem Verlassen des Lagers und dem Beginn der ersten Kämpfe, blieben stecken oder suchten an der falschen Stelle weiter. Dadurch eröffnet sich nun auch eine neue Logik, die in den dritten und vierten und damit in den letzten Kampf bzw. Marschtag mündet bzw. überleitet. Der Tag im oder vielleicht sogar schon vor dem Erreichen der „Teutoburgiensi saltu“ Schlucht, an dem sich der Großteil der Legionen aufgeben sollte. Varus war konsequent in seiner Rückmarschlogistik, er blieb seinem Motto treu, man würde ihm vielleicht heute die Worte in den Mund legen, „meine Münzsammlung, mein Mobiliar, mein Tischgeschirr“ und dies wollte er in sicheren Händen wissen. Aber die Aufspaltung der Kräfte um damit die Zivilisten und vor allem seine Werte sicher zu geleiten, führte zu weiteren Konsequenzen. Dem Dio Bericht zum Teil wortgetreu folgend aber einen zusätzlichen Marschtag an den Anfang zu setzen, verschiebt natürlich auch alle weiteren Abläufe nach vorne. Daher möchte ich nochmal in diese Abläufe einsteigen. In der Rekapitulation bedeutet dass, Arminius hatte Varus also schon vor dem Einzug in Brakel verlassen, um seine Männer zu informieren. Die Germanen besaßen theoretisch also die Möglichkeit diese Abstellungen schon im Laufe der Nacht oder im ersten Morgengrauen im Halbschlaf vom 24. auf den 25.9.0009 nieder zu metzeln. Varus bekam in Brakel von alledem nichts mit, denn keinem auch nur leicht verletzten Römer aus den Abstellungen gelang es ihn vor dem Abmarsch aus Brakel noch zu warnen. Man leistete ganze Arbeit. So hätten die Germanen anderntags gegen Mittag auch noch die nötige Zeit gehabt diesen besagten zivilen Marschzug der u. a. aus den oft zitierten Frauen und Kinder etc. bestand auf dem Weg nach Aliso auflauern zu können um sich diese gesamte Beute und die Sklaven und alles Mitführende zu sichern und alles unter einander aufteilen zu können. Und dann folgt schlussendlich noch der entscheidende Hinweis von Cassius Dio unter den Zeilen sieben bis neun. Denn nachdem Arminius mit seinen Männern die Abstellungen nieder machte und dann auch noch die Eroberung des zivilen Trosses durch seine Männer zu kontrollieren bzw. zu beaufsichtigen hatte, müsste er es tatsächlich noch geschafft haben, am gleichen Tag, nämlich immer noch dem besagten 24.09.0009 und da reden wir nach althergebrachter Denkweise also vom ersten Marschtag, Varus mit seinen Männern in den Rücken zu fallen. Nämlich in jener Region Varus anzugreifen, in der er bereits die schwer passierbaren Waldgegenden zu überwinden hatte. Hier traten dann bekanntlich die ehemaligen Kampfgefährten urplötzlich als Feinde auf. Die Cherusker hätten aber, wollten sie denn alles an einem Tag bewältigt haben, nahezu unvorstellbare körperliche Kräfte aufbringen müssen und hätten dafür viele Kilometer auf ihren inzwischen nassen Pferderücken zurück legen müssen. Denn sie hätten nach dem blutigen Niederringen der Abstellungen, obwohl sich am Dingfest machen der Römer auch die germanische Zivilbevölkerung mit beteiligt haben dürfte, den zivilen Tross erobern müssen um dann noch im gleichen Atemzug Varus anzugreifen. Wohlweislich alles an nur einem einzigen Tag, an dem Arminius den Marschzug aber erst am Nachmittag verließ. Aber so viele lichte Stunden konnte ein trüber Tag im September des Jahres 0009 nicht bieten zumal sich bereits Regen ankündigte und mit Pferden in die Dämmerung hinein zu reiten um noch einen Angriff durchzuführen käme einem Selbstmordkommando gleich. Diese hier präsentierte Hypothese birgt einen weiteren wichtigen Hinweis in sich, der für uns zum Zündstoff einer neuen Theorie wird. Denn auch auf diese nun ab gespaltete Teilarmee die Varus als Schutztruppe dem Tross zur Lippe mit gab musste er letztlich im weiteren Verlauf der Kämpfe verzichten. Denn auch diese Männer konnte er nun nicht mehr mit zu den Rebellen nehmen. Es ergibt sich demzufolge eine gewisse Schlussaddition seiner verfügbaren Kräfte. Denn er konnte somit die Legionäre aus den Abstellungen nicht mehr in den Kampfmarschzug integrieren, denn sie gab es für ihn nicht mehr. Zudem konnte er auch noch die Männer die er als Schutztruppe für den zivilen Zug abstellte nicht mehr in seine Planspiele im Rebellengebiet mit einbeziehen. Er verzichtete bereits auf jene Legionäre, die er im winterfesten Sommerlager zurück ließ. Und er zog mit einer Kampftruppe ins Aufrührergebiet, in der sich jene Männer befanden, die de facto noch vom Pannonienaufstand ausgezehrt für ihn übrig geblieben sind. Und so stellt sich wieder die Frage, um wie viele Legionäre geschwächt Varus in die gleichnamige Schlacht zog. Arminius mag zu alledem vielleicht sogar noch auf die Zahl der Römer Einfluss genommen haben, die Varus seinem privaten Castortransport mit gab, in dem er darauf achtete, dass Varus nur so viel Römer oder gar Germanen dem Wertetross überstellte, wie die Germanen auch später problemlos bewältigen konnten um sich dann relativ mühelos in den Besitz aller seiner Reichtümer bringen zu können. Nichts vom einstigen Reichtum des Varus blieb im Eggewald am Gradberg bei Neuenheerse oder wo auch immer im Steilbereich liegen, alles klaubten die Germanen sorgsam auf und verwerten es. Nun noch eine ernsthafte Zahl an römischen Legionären auszuwürfeln, die Varus mit in die Schlacht nahm, kommt einer Rechnung mit weiteren Unbekannten gleich und ich möchte dieses Kapitel nicht mit unnötigen und vagen Vorstellungen beenden. Es könnte aber die Überlegungen jener Historiker stützen helfen, die die Auffassung vertreten, dass die Schlacht zwar einen wichtigen Wendepunkt darstellte und einen hohen moralischen und später auch mythologischen Stellenwert bekam, aber rein zahlenmäßig bei weitem nicht mit den späteren Germanicus Schlachten Schritt halten konnte. Denn diese verdienen im Gegensatz zur Varusschlacht den Namen Schlacht. (9.3.2019)
1.)
„...die Germanen begleiteten Varus
(unklar bleibt wie lange sie ihn
begleiteten) zunächst noch auf dem Marsch“
2.)
„...dann wurden sie (unklar bleibt, ob dies auf
Anordnung oder auf
eigenes Bitten geschah) entlassen“
3.)
„...um die Hilfstruppen zu mobilisieren“
4.)
„...und um diese schnellstmöglich heran zu führen“
5.)
„...dann übernahmen sie diese Hilfstruppen an
einem unbekanntem Ort“
6.)
„...dann machten sie die in ihren
Heimatgebieten
stationierten Legionäre nieder“
7.)
„...dann griffen sie Varus selbst an“
8.)
„...der sich da schon in schwer passierbaren
Waldgegenden befand“
9.)
„...dort erkannten die Legionäre in den Feinden ihre
ehemaligen Gefährten“
Man kann dieser aus neun Zeilen bestehenden Zusammenfassung entnehmen, dass es am ersten Marschtag eigentlich schon recht turbulent bis hektisch zugegangen sein muss. Die Fakten die aus den zahlreichen Aktivitäten sprechen, rundete Cassius Dio in seinem Bericht noch mit kleinen Bemerkungen oder Hinweisen ab. Und bei genauem Hinsehen, liegt hier auch schon der Hase im Pfeffer. Denn es passierte an diesem ersten Marschtag schon sehr viel, man möchte schon sagen zu viel. C. Dio hinterließ uns zwar nicht gerade eine Fülle an Informationen, aber doch sehr hilfreiche Passagen die zum kombinieren ermuntern und zur Rekonstruktion ausreichen. Und alles was Cassius Dio berichtete entnahm er natürlich den viel älteren schriftlichen Aufzeichnungen, die sich aber letztlich alle irgendwann einmal auf die Aussagen jener Personen stützen mussten gleich welchen Standes sie waren die diese Stunden selbst mit erlebten. Aber jene Menschen die an diesem ersten Marschtag von Höxter nach Brakel dabei waren und die später berichten konnten, müssen nicht automatisch auch noch an den späteren Kämpfen teil genommen haben. Denn nach meinen Vorstellungen spaltete Varus den Zug in Brakel auf und einige Zeugen des ersten Tages hatten ein anderes Schicksal vor sich, als jene, die in die Gebiete der Aufrührer zogen. Die antiken Historiker können die Brüche in den Überlieferungen nicht übersehen und müssen sie entdeckt haben. Danach lagen ihnen Zeugenberichte von Personen vor, die nur über den ersten Tag berichten konnten und andere, die auch zu weiteren Abläufen wichtige Informationen besaßen. Personen die nur über lückenhaftes Halbwissen verfügten waren daher für die antiken Recherchen um den Hergang erforschen zu können keine große Hilfe. Dies soll nur Hinweis gebend dafür sein, welches Material Cassius Dio vorgelegen haben könnte, dass es auszuwerten galt und das er in Fluss zu bringen hatte. So ist es keine Geschichtsklitterung zu der Feststellung zu gelangen, dass viele Zugteilnehmer gesehen haben mussten, wie die Schar der Germanen anfangs noch mitten unter ihnen ritt. Und es sahen auch viele von ihnen, wie sie sich im Laufe des Tages von der Truppe entfernten, ohne das man genau wusste wohin sie ritten. Ob es in dieser Phase und in diesem Moment schon Personen auf römischer Seite gab, die einen Verdacht schöpften bleibt nebulös. Die Warnungen des Segestes dürften aber auch jene Römer gekannt haben, die den fort reitenden Cheruskern hinterher sahen. Personen die „nur“ auf der Trasse des römischen Hellweges über Brakel nach Schwaney ziehen sollten, wo sie später umkamen oder in Gefangenschaft gerieten, konnten nicht jene gewesen sein, die später erschreckend feststellen mussten, wie sich auf dem Zug zu den Rebellen die Waffen der einstigen Kampfgefährten nun plötzlich gegen sie richteten. Aber dieses Kapitel läutet einen entscheidenden Wendepunkt ein. Denn im Verlauf der Beschreibungen zum ersten Marschtag der Varuslegionen, so wie ihn uns Cassius Dio schilderte schlummert, man kann schon fasst sagen, liegt das halbe Geheimnis um die Struktur der gesamten Varusschlacht verborgen. Denn so wenig wie Cassius Dio uns im weiteren Verlauf etwas über die Anzahl und Örtlichkeit der folgenden Übernachtungslager der Legionen sagte, so oberflächlich fielen auch seine Erläuterungen zum ersten Marschtag aus. Dem Marschtag, den daher auch immer alle modernen Historiker für einen einzigen Tag hielten und ihn als solchen begreifen mussten. Es vereinfacht immer die Dinge, wenn man vorher das Drehbuch gelesen hat bzw. in unserem Fall zumindest glaubt es zu kennen. Dann erscheint es so, wie wenn einem die berühmten Schuppen von den Augen fallen und es erklären sich so manche Dinge wie von selbst. So als ob man sagen wollte, warum man denn nicht schon viel früher darauf gekommen ist. Denn an dieser Stelle, nämlich dem ersten Marschtag verbarg sich bereits eines der wesentlichen Lösungsansätze um das Gesamtverständnis zu wecken. Vom historischen Ablauf aus betrachtet, barg er vielleicht sogar mehr Explosivität in sich, als die folgenden Tage zwei oder drei, denn das Wissen um diese Basistheorie führt erst alle literarischen Stränge nämlich auch die Überlieferungen von Florus und Tacitus mit denen des Cassius Dio zusammen. Man kennt hinreichend die Motive und die Zielrichtungen die in den Handlungen liegen und kommt dadurch dem „Kriminalfall Varusschlacht“ jetzt erst ein gutes Stück näher. Allesamt wichtige Voraussetzungen, bevor ich zum eigentlichen Tatort bzw. in diesem Fall einer Reihe von Tatorten überleiten kann. Man könnte sogar den Eindruck bekommen, dass man in diesem Kapitel schon fasst den Lichtbogen sehen und den Stromüberschlag spüren kann, der das lang ersehnte Licht ins Dunkle vor über 2000 Jahren wirft. Aber Cassius Dio machte es der interessierten Nachwelt beileibe nicht einfach um auf Basis seiner mageren Zeilen die Abläufe zu rekonstruieren. Denn Cassius Dio zwang uns nicht nur zum mit denken, sondern auch noch zum kombinieren. Vor dem Hintergrund, dass wir uns im Verlauf der bisherigen Kapitel diverse geographische Orientierungshilfen und Fixpunkte merken mussten bzw. uns zugelegt haben und sie uns zu eigen machen konnten, können wir nun auf ein, wenn auch nur visuell existentes Landschaftsmodell vor unserem inneren Auge zurück greifen. Mit Hilfe einer plastischen Varusschlacht Skyline bzw. eines Panorama so, als ob wir durch eine 3D-Brille sehen würden, fällt natürlich vieles leichter um dahinter den Aufbau schemenhaft sichtbar zu machen und brauchen das Geschehen nur noch darüber zu stülpen. Wer sich schon einmal das monumentale Bauernkriegspanorama in Frankenhausen nahe dem Kyffhäuser angesehen hat, weiß was ich meine. Wir sehen aber wie vom Helikopter aus auf den westfälischen Hellweg hinab, wie er die Kehre bei Amelunxen in Richtung Brakel nimmt. Wir erkennen am westlichen Horizont schon den spitzen Turm der Brakeler St. Michaels Kirche, schauen im Norden auf das Oberwälder Land, sehen im Westen die Höhenlagen der Egge und können den „Teutoburgiensi saltu“ im Süden schon fasst erahnen. Und irgendwo da unten soll sich also einmal ein schicksalhaftes Ereignis angebahnt haben. Eigentlich kaum zu glauben. Bevor man aber nun die inhaltlichen Aussagen des Geschichtswerkes von C. Dio in die realen Abläufe des ersten Marschtages in das Weichbild Ostwestfalens eindrückt ist es nötig, sich auch das recht umfangreiche Strecken- und Entfernungsgeflecht zwischen Höxter, Marienmünster, Schwaney und Borlinghausen vor Augen zu halten, denn es umfasst viele Quadratkilometer. Vom „überwinterungsfähigen Sommerlager“ m. E. zwischen Höxter und Corvey gelegen, sind es über Brakel bis Aliso/Schwaney dem älteren schon drususzeitlichen römischen Winterlager auf der Höhe etwa 34 Kilometer Luftlinie. Die Entfernung von Höxter/Corvey bis in die Schlucht des „Teutoburgiensi saltu“ beträgt ebenfalls etwa 34 Kilometer Luftlinie und um das Triangel zu schließen, beträgt die Luftlinien Distanz von Schwaney/Aliso bis in den „Teutoburgiensi saltu“ hinein weitere etwa 18 Kilometer. Innerhalb dieses spitzwinkeligen Dreiecks vollzogen sich alle maßgeblichen Ereignisse die wir nun zuzuordnen haben bzw. nur noch zuzuordnen brauchen. Denn alle für die Varusschlacht relevanten uns bekannten Schicksale aus den Federn der antiken Historiker finden sich darin wieder. In diesem Sinne begegnen wir hier allen Stationen des Marschzuges „Vom Sommerlager in den Untergang“, wie es der Titel dieses Blogs vorweg nimmt, sozusagen den Leidensweg um nicht zu sagen Kreuzweg des P. Q. Varus. Aber Stopp. Alle bis auf einen Betrachtungsraum, nämlich eine Region außerhalb dieses Triangel. Sie erstreckt sich nördlich von Brakel in unbekannter Breite und Tiefe. In dieser Oberwälder Land genannten Landschaft befanden sich ebenfalls Siedlungskammern der Cherusker. Vermutlich jene Stammesgebiete die am weitesten nach Westen vorgeschoben waren. So zählte dieses Gebiet auch noch zum Einflussgebiet der Cherusker. Im Kern könnte es sich um Marienmünster erstreckt haben. Bei der Analyse des ersten Marschtages fällt diesen Wohngebieten nördlich von Brakel eine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den oft zitierten Abstellungen zu. Nach dem nun der berühmte Groschen gefallen sein sollte, kann man es nun bei näherer Betrachtung der von Cassius Dio zu Beginn des Kapitels von mir aufgeschlüsselten neun Punkte nun nicht mehr übersehen und es fällt sofort und unweigerlich auf, dass das Arbeitsprogramm für einen einzigen Tag natürlich sehr umfangreich besser gesagt zu umfangreich war. Wie ich es schon zum Ausdruck brachte, konnte es den Arminen daher auch nicht möglich gewesen sein, an einem einzigen Tag, alle diese von Cassius Dio beschriebenen Ziele zu erreichen bzw. die dargestellten Handlungen umzusetzen. Beginnen wir aber von vorne. Am ersten Marschtag verließen also die Germanen gemeinsam mit Varus das „überwinterungsfähige Sommerlager“. Sie begleiteten ihn dann noch eine gewisse Wegstrecke von unbekannter Länge. Dann wurden sie entlassen um zu ihren Männern zu reiten, wo auch immer sie standen, um sie zu mobilisieren. Wobei auch nicht bekannt ist, wie lange sie für diesen Ritt zu ihren Hilfskräften benötigten und auch nicht überliefert ist, wie viel Zeit sie brauchten um die nötigen Männer zu mobilisieren. Die Hilfskräfte mit denen Arminius Kontakt suchte bzw. aufnahm, werden auf ihn gewartet haben und sie konnten sich in etwa ausrechnen, wie lange Arminius, wenn denn alles glatt ging reiten musste, um bei ihnen anzukommen. Hier wird aber auch wieder deutlich, dass hinter dieser Kurzdarstellung „...um die Hilfstruppen zu mobilisieren, die sie an einem unbekanntem Ort übernahmen, um diese schnellstmöglich heran zu führen“, erkennbar wird, dass es in den damaligen Zeiten nicht auf eine Stunde ankam bzw. aufgrund der Geländeverhältnisse auch nicht ankommen durfte und konnte. Es war seinerzeit definitiv keine verlässliche Zeitplanung möglich gewesen. Man wartete geduldig und man verließ sich aufeinander. Nachdem Arminius seine Männer erreicht hatte begann man der Darstellung nach die abgestellten römischen Legionäre bzw. Abstellungen nieder zu ringen. Unmittelbar im Anschluss an diese Kämpfe, so klingt es der Überlieferung nach, sollen sie dann auch noch die Verfolgung der Legionen des Varus, über eine uns unbekannte Distanz aufgenommen haben. Und sie ritten ihnen nicht nur nach, sondern sie griffen sie dann auch noch zu einem Zeitpunkt an, als sich diese schon in unübersichtlichen Waldgegenden befanden. Bei allem Respekt, aber ganz so geht es nicht. Denn Ostwestfalen hatte nicht das Format eines Sandkastens und die Varusschlacht bestand auch nicht aus Miniatursoldaten. Werfen wir also einen Blick auf die große Bühne bzw. die Szenerie des Geschehens die sich zwischen dem Ausmarsch der Legionen bis zu dem Moment vor uns ausbreitet, in dem die Germanen zum Angriff auf die Legionen des Varus übergehen. Vor diesem Hintergrund können wir uns die Distanzen bewusst machen und sie uns vergegenwärtigen. Die überlieferte Tagesetappe eines Marschzuges, wenn man sie von der Leistung einer marschierenden Legion ableitet, entspricht plus minus 20 Kilometer. Der Zug war jedoch an diesem Tag außergewöhnlich umfangreich, ein langer Tross sicherlich bestehend aus allen Karrentypen die man in jener Zeit verwendete, sowie den Frauen und Kindern brauchte daher eine längere Marschzeit um nach diesen etwa 2o Kilometern das erste Marschlager zwecks Übernachtung zu erreichen. Die Entfernung vom Startlager Höxter/Corvey kommend bis zum Erreichen des Brakeler Raumes entspricht also auch in etwa der Distanz, die ein Marschzug tagsüber zu bewältigen imstande war. Spekulationen bzw. zeitliche Betrachtungen gegen wie viel Uhr morgens Varus an diesem Tage sein Quartier in den Weserauen verließ wären recht umfänglich und dürften ausarten. Es mag in einen Spielraum zwischen Sonnenaufgang also gegen viertel nach 7 bis etwa 11 Uhr statt gefunden haben. Eines steht jedoch unumstößlich fix im Raum und das ist das vorgegebene Zeitfenster zur Überwindung dieser 2o Kilometer. Obwohl der „römische Hellweg“ für die damalige Zeit beste Marschbedingungen zeigte, dürfte es eine unverrückbare Tatsache gewesen sein, dass sich der Marschzug unter Einhaltung der nötigen logistischen bzw. der unvermeidbaren Zwangspausen auch noch den naturgegebenen Rahmenbedingungen anpassen musste. Die verfügbaren Tageszeit Stunden wie sie in der dritten Dekade September zu erwarten sind, geben aber letztlich den Takt und die Beweglichkeit vor und das auch unter der Betrachtung möglicher sich verändernder Wetterverhältnisse. Die Sonne ging gegen 19 : 20 Uhr unter und die Dämmerungsphase beginnt etwa 45 Minuten davor. Die Marschkolonne sollte folglich noch vor Einbruch der Dunkelheit die Region Brakel erreicht haben um alle nötigen Vorbereitungen für die Nacht, wie die Eigenversorgung und die der Tiere etc. treffen zu können. Da es ein Abendessen vorzubereiten und einzunehmen galt, sollte auch noch der Zugteilnehmer aus dem letzten Trossabschnitt rechtzeitig das Nachtlager erreicht haben. Ob man die römische Hauptmahlzeit, die Cena auch auf einem Marsch schon gegen 16 Uhr begann einzunehmen, wie es aus dem Zivilleben überliefert ist, ist fraglich. In Anbetracht der mitreisenden Zivilpersonen war jedenfalls ein Eintreffen im Marschlager je besser, je früher es möglich war. Da das Marschlager Brakel jedoch der mehrfachen Nutzung diente und sich im bezugsfertigen Zustand befand, waren die üblichen aufwändigen Aufbauarbeiten in diesem Fall auch nicht erforderlich gewesen sein. Danach konnte der eigentliche Marsch die hellen Tageszeiten besser nutzen. Trotzdem lassen aber alle diese Überlegungen nicht viel Spielraum für taktische Gedanken zu, wenn man in einer Stunde etwa drei Kilometer zurück legen möchte bzw. sogar muss und für 20 Kilometer mindestens sieben Marschstunden anzusetzen sind. Meine weiteren Schlussfolgerungen basieren nun darauf, dass sich die römischen Abstellungen die es nieder zu ringen galt nur in den cheruskischen Siedlungsgebieten nördlich einer Achse Höxter/Corvey/Brakel aufgehalten haben können bzw. vorher auch nur aus diesen Regionen heraus angefordert wurden. Der Raum südlich von Brakel war von den Germanen zum Schlacht- bzw. Aufmarschgebiet auserkoren worden und er wurde den römischen Legionen als das unbekannte Territorium der Aufrührer dargestellt. Uns wurde es von den Chronisten später als ein germanischer Hinterhalt beschrieben. Denn nur in einer Landschaft die nicht oder kaum erschlossen ist und die abseits bekannter und häufig begangener Wege liegt, lassen sich plausiblerweise auch geeignete Hinterhalte konstruieren. Und auch nur dort im Unbekanntem, kann man auch auf unerwartetes und schwer begehbares Terrain mit all jenen Tücken stoßen, wie es uns so anschaulich von Cassius Dio geschildert wurde. Hätte man vorher aus dieser Gegend südlich von Brakel römische Hilfskräfte, also Abstellungen angefordert, so wäre die Gegend den römischen Legionären auch zwangsläufig besser bekannt gewesen. Somit wäre sie für die germanische Strategie auch nicht mehr „Hinterhaltwürdig“, dafür aber für skeptische Legionäre „Hinterhaltverdächtig“ gewesen und man hätte geeignete Vorbereitungen getroffen. In diese Region Abstellungen zu locken um sie darin nieder zu ringen, wäre für die germanische Taktik daher völlig unlogisch gewesen. Die römischen Hilfskräfte hätten sich dann in der Nähe der römischen Zuglinie zu den Rebellen aufgehalten, Schlachtenlärm wäre möglicherweise hörbar gewesen und die abgestellten Legionäre hätten sich auch recht schnell bei Gefahr dem Marschzug der Varuslegionen hilfesuchend nähern und anschließen können. Varus wäre gewarnt, sie wären in Sicherheit gewesen, womit der gesamte Plan der Arminen hinfällig geworden wäre. Beide Regionen mussten also weiträumig voneinander abgetrennt werden. Folglich die Zone aus der man die Abstellungen anforderte, um sie später ungestört vernichten zu können sowie der Raum in den Varus zog um dort die fiktiven Aufrührer durch seinen Richterbeschluss „zu befrieden“. Arminius ritt also an irgend einem Punkt und noch vor dem Erreichen des ersten römischen Marschlagers bei Brakel nach Norden, wo er auf weitere Männer aus seinem Stamm stieß. Wann er den Marschzug verließ besser gesagt, wann man ihn im guten Glauben entließ ist nicht bekannt. Man könnte es mit viel Phantasie bei Hembsen verorten, da sich ab Hembsen auch heute noch ein waldfreier direkter Korridor nach Norden in Richtung Bellersen oder Bökendorf auftut. Arminius zweigte möglicherweise am Nachmittag etwa 4 Kilometer vor Brakel ab um mit den ihn bislang begleitenden Männern zu den anderen, auf ihn wartenden Cheruskern zu reiten. Ab hier bis zum Rastlager Brakel wäre demnach noch etwa eine Marschstunde einschließlich dem Trossende gerechnet nötig. Ab etwa 18 : 45 Uhr beginnt an jedem 24. September die Dämmerung. Der Raum, wo Arminius auf die auf ihn wartenden Männer samt ihren schnaufenden Pferden stieß bedarf einer näheren Betrachtung. Wir werden noch in Jahrhunderten darüber rätseln aus wie viel Männern die römischen Abstellungen bestanden und wo sie sich befanden, als Arminius und seine Germanen sie an griff. Ebenso werden wir uns noch lange die Frage stellen, wo Arminius sich mit seinen Kämpfern vorher getroffen haben könnte, bevor man sich aufmachte die Abstellungen zu vernichten. Die Örtlichkeit sollte zentral gelegen sein. Zentral bzw. mittig im Revier der verteilten römischen Kräften, weil man sie von dort aus sternförmig bekämpfen konnte. Einzelne und auch immer zahlenmäßig überlegene germanische Kampfeinheiten, denen die Standorte der Römer bekannt waren werden sie dann auf Befehl des Arminius aufgesucht haben. Der zentrale Treffpunkt an dem Arminius auf seine Cherusker traf kann sich daher im Hinblick auf die cheruskischen Siedlungszentren im Kernraum Marienmünster auch nur in der dortigen Region befunden haben. Die Gründungszeiten der Ortsteile von Marienmünster liegen lange zurück. Teils reichen erste Überlieferungen in die merowingisch/karolingische Epoche zurück, was für eine noch frühere Siedlungsintensität spricht. Legen wir trotzdem eine enge Zeitschiene an, so könnte Arminius den römischen Marschzug am frühen Nachmittag gegen 14 Uhr verlassen haben und traf etwa eine Stunde später da auf seine Männer, wo er sie zusammen gezogen hatte. Nun öffnet sich in meiner Abfolge eine zweite Spekulationsblase. Denn ich bevorzuge die Theorie, dass Arminius mit seinen Männer aus Höxter sowie mit den Männern mit denen er sich traf gemeinsam die Abstellungen nieder machte, da er um sicher zu gehen, dafür eine zahlenmäßige Überlegenheit brauchte. Für diese ersten Kampfhandlungen im Zuge der Varusschlacht stand den Cheruskern ein Zeitraum vom Abend nach Einbruch der Dunkelheit des erdachten 24.09.0009 bis zum Morgen des 25.09.009 zur Verfügung. Alles natürlich vom Zeitbedarf, der Anzahl der römischen Abstellungen und der Aufteilung auf die germanischen Siedlungsgebiete abhängig. Und nun offenbart sich uns auch so langsam die ganze zeitliche Dimension, vor allem aber zeigt sich die beängstigende Dramatik dieses so genannten ersten Tages. Alles lässt nun erkennen, wie engmaschig die Arminen die Abläufe gestrickt haben müssten um im Zeitplan zu bleiben. Und allein schon das was uns Cassius Dio bis zum vermeintlichen Ende des ersten Marschtages schilderte bzw. das was wir alle bislang für den ersten Marschtag hielten, war schon definitiv nicht an einem einzigen Tag zu bewältigen. Und es sollte noch mehr hinzu kommen. Nämlich die nötigen Reitstunden und die folgenden Kampfhandlungen, die ich bereits der Nacht vom 24. auf den 29. 9.0009 zurechne bzw. je nach Betrachtung schon dem folgenden Tag zuordne. Was stand für die Germanen an oder besser gesagt auf dem Spiel. Es galt zu reiten, also Kilometer überbrücken zu müssen, dort galt es sich zu versammeln und die Lage zu sondieren. Danach waren wieder Räume zu überwinden und danach galt es den Kampf aufzunehmen. Und das alles zog sich noch möglicherweise in die Dämmerung hin, fand also entweder bei einer unter oder bei einer aufgehenden Sonne statt. In die Dunkelheit hinein zu reiten, über Stock und Stein auf kaum erkennbaren Wegen und Pfaden und dann bei möglicherweise ungünstiger Wetterlage um dann auch noch zu kämpfen. Und während Arminius dieses alles vollbrachte, zog Varus „seelenruhig“ in Brakel ein, übernachtete dort teilte am anderen Morgen den Marschzug auf und begab sich selbst zu den Rebellen. Als die Armee des Varus am nächsten Tag ihre Nachtlager in Brakel verließ und sich marschfertig machte, neigten sich die Kämpfe der Germanen gegen seine Abstellungen dem Ende zu und sie ritten zum Gradberg wo sie den zivilen Tross erwarteten. Ein Kartenhaus, dass sich auf dem schwachen Fundament einer nicht aufgehenden Zeitrechnung aufbaut steht nicht lange. Wollte man den nötigen Zeitbedarf außer Betracht lassen oder aushebeln wäre es so, als ob man sich den Naturgesetzen widersetzen. Man kann die Uhr nicht anhalten oder gegen die Zeit argumentieren. Es war diese Zusatznacht vor der herein brechenden Schlechtwetterfront in Brakel, die bislang bei allen Recherchen zum Ablauf der Varusschlacht unentdeckt blieb, aber nicht auf ewige Zeiten unentdeckt bleiben musste. Cassius Dio sah vor 1800 Jahren natürlich keine Notwendigkeit darin uns den „Nachlebenden“ explizit jede einzelne Übernachtung und die dazugehörigen Handlungen minutiös und detailliert zu überliefern. Warum auch. Denn für C. Dio waren auch die Schilderungen aus der Feder von Tacitus, die er möglicherweise kannte plausibel, denn das was Cassius Dio in seinen Quellen vorfand, fügte sich auch in die Zusammenhänge seiner eigenen Darstellung. Und diese für so wesentliche Tacitus Darstellung beruhte letztlich einzig auf der Schlachtfeldbegehung des Offiziers Caecina 15 + und seiner Zeitzeugen, den ehemaligen Teilnehmern der Schlacht, sechs Jahre nach den Kämpfen. Die Detailkenntnisse die C. Dio besaß gingen über den Kenntnisstand von Tacitus hinaus und er vervollkommnete ihn. Trotzdem verschwieg er uns vieles. Aber um uns die Fülle der vielen anderen Aktionen und Marschbewegungen penibel und schlüssig zu präsentieren oder uns die Einzelschicksale darzustellen blieb in seinen Aufzeichnungen letztlich leider kein Platz. Dem römischen Senator, Aristokraten und Konsul im öffentlichen Dienst Cassius Dio war vermutlich militärisches und taktisches Denken und Einfühlungsvermögen nicht gegeben und auch das nötige Talent dazu bzw. das kämpferische Geschick fehlte ihm, ganz im Gegensatz zu seinem späteren Namensvetter dem Boxer Cassius Clay. Feldzüge an denen er teilnahm sind nicht bekannt. Es war sein Stil die Ereignisse nach Möglichkeit in eine Reihenfolge zu setzen, aber nur so wie sie ihm persönlich passend erschienen, er ließ die Dinge geschehen, sah sich auf höherer Warte und fragte viele Jahrzehnte nach der Schlacht auch nicht mehr nach Zeit und Raum. Aber in der Konsequenz aus seiner Schilderung müssen wir, da der Stoff für einen Tag zu umfangreich war, aus einem Marschtag zwei Marschtage machen. Den Marsch zum ersten Marschlager Brakel und am Folgetag den Marsch in die Region der Aufrührer. Handlungen für die man bislang nur einen Tag festlegte verteile ich nun auf zwei Tage. Denn nicht Arminius hatte ausgefüllten Tage und Nächte, auch einem Varus konnte es nicht gelingen morgens sein Domizil, nämlich das strittige Sommerlager an der Weser zu verlassen, hinter sich einen langen, undisziplinierten und ungeordneten Marschzug zu wissen, und sich dann nur fünf Stunden später nämlich etwa 15 Kilometer weiter und noch am gleichen Tag schon mit Mann und Maus in einer schwer passierbaren Waldgegend wieder zu finden, die allen größte Mühe bereitete sie überhaupt begehbar zu gestalten. Schlussfolgernd kann man sagen, dass beide Protagonisten, sowohl Varus als auch Arminius, betrachtet man ihre Taten vor Beginn der Varusschlacht von ihren jeweils unterschiedlichen Standpunkten aus, nicht imstande gewesen sein konnten, das beschriebene sehr umfängliche Pensum so kurz aufeinander erfüllen zu können. Ich rekapituliere daher nochmal zum besseren Verständnis. Ein Tagesmarsch entsprach etwa einer Strecke von 2o Kilometer. Bei näherer Betrachtung der recht konfus zusammen gewürfelten Teilnehmerschar, wäre dafür eine absolute zeitliche Untergrenze von sieben Stunden nötig gewesen. Wäre Varus bereits am ersten Marschtag in diese unwirtlichen Gebiete vorgedrungen, so hätte dies im Umkehrschluss bedeutet, dass sich dieses unbekannte und schier Wege lose und unwirtliche Terrain schon nach nur 10 oder 15 Kilometern Wegstrecke nach dem Verlassen des Hauptlagers vor ihm aufgetan hätte. Da auch bei diesem direkten Marsch ins Rebellengebiet bei etwa Kilometer 20 ein bezugsfertiges Marschlager, in diesem Fall war es das „Gerichtslager“ auf sie warten sollte, was man in den hellen Stunden zu errichten gedachte und beziehen wollte, so wäre dies in der Tat zu einem recht abenteuerliches Unterfangen, noch dazu mit Sack und Pack geworden. Denn man nahm ja bislang grundsätzlich an, Varus wäre mit seiner gesamten „Sommerlager Entourage“ ins Kampfgebiet gezogen. Um es noch mal zu verdeutlichen, dieses „Gerichtslager“ musste also erst noch gebaut werden und es existierte im Gegensatz zum Brakeler Etappen Lager noch nicht einmal im Ansatz. Eine Zugstrecke die den Römern trotz der räumlichen Nähe zum Sommerlager bislang völlig fremd gewesen sein soll, die sie vorher nicht oder noch nie inspiziert hatten und in die sie sich nun auf `s Geratewohl sozusagen Nonchalance und unvorbereitet hinein begaben, sollten sie sich dann nach nur 1o oder 15 Kilometern unversehens im völligen Chaos wieder finden. Sorry, aber so rückschrittlich war eine Armee auch im alten Rom nicht. Denn ein Gelände, dass sich nur maximal 15 Kilometer nach einem Sommerlager ausbreitete war für Rom kein Niemandsland. Hier war man noch Herr im Hause, hier überschaute man noch alles und hier befand man sich auch noch im Einzugsbereich der versorgenden Logistik. So stoßen wir folglich auch erst über diesen Weg des akribischen Aufrollens einer Chronologie auf jenen vermissten bzw. verschollenen Tag. Nämlich den Tag, den wir eigentlich immer schon gesucht haben und den wir brauchen um die Mehrtagesschlacht aus der Feder von Cassius Dio überhaupt entschlüsseln zu können. Die inhaltlichen Passagen der drei Historiker Dio, Florus und Tacitus die sich auf die Varusschlacht bezogen, sind nur zerstückelt und in extremer Kurzform vorhanden und beschränken sich auch nur auf wenige Textbausteine. Paterculus der Vierte im Bunde steuerte uns zwar noch eine Reihe von interessanten Randanekdoten bei, die aber den Schlachtverlauf im Kern aussparten. So kam es, dass uns Cassius Dio und das natürlich unbeabsichtigt, den ersten man möchte meinen bislang als verschluckt geglaubten Marschtag unterschlug und dieser Tag sozusagen unter die Räder der römischen Ochsenkarren geriet. Wir haben bislang alle die Komplexität der Dimensionen und Entfernungen unterschätzt und die Zeiträume die nötig waren um von A nach B zu gelangen. Wir sind nun bei genauem Hinsehen den entscheidenden Schritt weiter und schlauer, denn der Betrachtungsraum in tiefen Osten Ostwestfalens war groß und umfasste viele Quadratkilometer und diese Distanzen lassen sich nicht weg dividieren, auch wenn jegliche Hinweise darauf von Cassius Dio unausgesprochen bleiben. So ist zum Beispiel das erste Marschlager, wie ich es einen Tagesmarsch also rund 20 Kilometer nach Höxter im Raum Brakel als den Wendepunkt varianischer Aufmarschtaktik erkenne, bei ihm auf Anhieb auch an keiner Stelle ersichtlich. Marschlager wie Brakel die für die mehrmalige Nutzung vorgesehen waren, da sie sich an Hauptwegen befanden in festgesetzten Abständen vorzufinden sind und die häufig die Funktion eines Knotenpunktes inne hatten, waren nicht nur in der römischen Expansionszeit eine völlige Normalität, die keiner besonderen Erwähnung bedarf. Man befand sich um diese Zeit in Ostwestfalen auch nicht mehr auf dem Kriegspfad, wo man vor jeder Nacht ein Marschlager zu errichten hatte, dass man dann am folgenden Tag wieder einebnen musste. Cassius Dio verrät es uns wie dargestellt auch nur indirekt im Zuge seiner letztlich schlüssigen Gesamtschilderung zumal er wie Tacitus auch, nie in seinem Leben in Brakel an der Nethe war. Nur dadurch lässt sich der erste lang gesuchte und scheinbar von der Bildfläche verschwundene Marschtag auffinden. Die Theorien zur Dauer der Mehrtagesschlacht schwanken zwischen drei und vier bzw. 3 1/2 Tagen, aber mit dem Marschlager Brakel, dass Varus übrigens nicht errichten musste, da es ein bekanntes römisches Zubringer bzw. Etappenlager zwischen Anreppen/Ad Ripam, dem letzten Lippelager, Schwaney/Aliso, dem Rastlager vor dem Eggeabstieg und Höxter/Sommerlager dem Endpunkt war, schließt sich der Kreis besser gesagt die Fortsetzung der Kastellkette an der Lippe und ihre Weiterführung auf den trockenen Wegen zur Weser. Nun erscheint es uns schon fasst wie eine Erleuchtung, wenn wir von einem „prima Vari castra“ lesen. Und natürlich erkannten und sahen darin sowohl Caecina 15 + als auch Tacitus rund 100 Jahre später als ein „prima Vari castra“, nämlich das erste bzw. das Hauptlager des Feldherrn Varus. Das Lager das ich zeitweise als das „Gerichtslager“ bezeichnen möchte. Varus war gezwungen dieses Lager von Grund auf neu errichten lassen zu müssen. Ein unbekannter Ort an dem sich bislang kein anderes Marschlager befand. Dort gedachte er und erhoffte sich, das Problem mit den Aufrührern lösen zu können. Keiner kam nach der Varusschlacht auf die Idee einem militärisch bedeutungslosen weil zweckgebundenen und nüchternem Etappenlagerkomplex bzw. einem rationalem Versorgungsdepot wie Brakel es war die Bezeichnung „prima Vari castra“ zu geben. Denn Brakel war nicht das „Erste Vari castra“, im Marschlager Brakel wurde nicht gekämpft und es war nur eines der vielen namenlosen Marschlager der damaligen Zeit. Es war ein Lager das im Zuge der Varusschlacht nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde und das erst danach der germanischen Zerstörungswut ausgesetzt war. Es war es nicht wert erwähnt zu werden. Blutgetränkte Kampfstätten wie das „prima Vari castra“ zogen eher das allgemeine Interesse der ersten römischen Schlachtfeldtouristen auf sich. Sicherlich unbeabsichtigt verbarg Cassius Dio dies vor den Augen des unaufmerksamen Lesers. Und nicht nur bei Tacitus, auch in der Kurzfassung von Cassius Dio vermissen wir einen deutlichen Hinweis auf das letzte Ruhelager vor dem Sturm. Es war für keinen antiken Historiker relevant um so tief in die Details einzusteigen, denn es hätte nur zu einer noch größeren Bewunderung für die Taktik des Arminius geführt. Aber Varus tat genau das, was eigentlich jeder von uns in seiner Situation von ihm erwartete. Das er nämlich hier in Brakel den großen und unbeweglichen und für einen Kampf untauglichen und ungeeigneten Marschzug aufteilte. Er trennte ihn in eine straffe und diszipliniert geführte Kampftruppe und sonderte diese vom schwachen, hinderlichen und bislang ungeordneten und sich teilweise in der Auflösung befindlichen zivilen Marschzug ab. Der bunt gemischte Tross ohne Kampfauftrag, der ab Brakel nun aus Kampf unwilligen, aus Unfähigen, aus älteren Personen oder aus Frauen und Kindern bestand und dem Varus den Großteil seiner Prestigegüter anvertraute sollte nun am folgenden Morgen, dem erdachten „25.09.0009“ den direkten Marsch von Brakel über Aliso nach Anreppen antreten. Sie bemerken also an dieser Stelle wie sich durch diesen ersten Marschtag die gesamte Szenerie vom bislang diffusen Erscheinungsbild in einen sinnhaften Prozess umwandelt. Immer wieder verrannten sich die modernen Historiker innerhalb dieser unlogisch erscheinenden Übergangsphase zwischen dem Verlassen des Lagers und dem Beginn der ersten Kämpfe, blieben stecken oder suchten an der falschen Stelle weiter. Dadurch eröffnet sich nun auch eine neue Logik, die in den dritten und vierten und damit in den letzten Kampf bzw. Marschtag mündet bzw. überleitet. Der Tag im oder vielleicht sogar schon vor dem Erreichen der „Teutoburgiensi saltu“ Schlucht, an dem sich der Großteil der Legionen aufgeben sollte. Varus war konsequent in seiner Rückmarschlogistik, er blieb seinem Motto treu, man würde ihm vielleicht heute die Worte in den Mund legen, „meine Münzsammlung, mein Mobiliar, mein Tischgeschirr“ und dies wollte er in sicheren Händen wissen. Aber die Aufspaltung der Kräfte um damit die Zivilisten und vor allem seine Werte sicher zu geleiten, führte zu weiteren Konsequenzen. Dem Dio Bericht zum Teil wortgetreu folgend aber einen zusätzlichen Marschtag an den Anfang zu setzen, verschiebt natürlich auch alle weiteren Abläufe nach vorne. Daher möchte ich nochmal in diese Abläufe einsteigen. In der Rekapitulation bedeutet dass, Arminius hatte Varus also schon vor dem Einzug in Brakel verlassen, um seine Männer zu informieren. Die Germanen besaßen theoretisch also die Möglichkeit diese Abstellungen schon im Laufe der Nacht oder im ersten Morgengrauen im Halbschlaf vom 24. auf den 25.9.0009 nieder zu metzeln. Varus bekam in Brakel von alledem nichts mit, denn keinem auch nur leicht verletzten Römer aus den Abstellungen gelang es ihn vor dem Abmarsch aus Brakel noch zu warnen. Man leistete ganze Arbeit. So hätten die Germanen anderntags gegen Mittag auch noch die nötige Zeit gehabt diesen besagten zivilen Marschzug der u. a. aus den oft zitierten Frauen und Kinder etc. bestand auf dem Weg nach Aliso auflauern zu können um sich diese gesamte Beute und die Sklaven und alles Mitführende zu sichern und alles unter einander aufteilen zu können. Und dann folgt schlussendlich noch der entscheidende Hinweis von Cassius Dio unter den Zeilen sieben bis neun. Denn nachdem Arminius mit seinen Männern die Abstellungen nieder machte und dann auch noch die Eroberung des zivilen Trosses durch seine Männer zu kontrollieren bzw. zu beaufsichtigen hatte, müsste er es tatsächlich noch geschafft haben, am gleichen Tag, nämlich immer noch dem besagten 24.09.0009 und da reden wir nach althergebrachter Denkweise also vom ersten Marschtag, Varus mit seinen Männern in den Rücken zu fallen. Nämlich in jener Region Varus anzugreifen, in der er bereits die schwer passierbaren Waldgegenden zu überwinden hatte. Hier traten dann bekanntlich die ehemaligen Kampfgefährten urplötzlich als Feinde auf. Die Cherusker hätten aber, wollten sie denn alles an einem Tag bewältigt haben, nahezu unvorstellbare körperliche Kräfte aufbringen müssen und hätten dafür viele Kilometer auf ihren inzwischen nassen Pferderücken zurück legen müssen. Denn sie hätten nach dem blutigen Niederringen der Abstellungen, obwohl sich am Dingfest machen der Römer auch die germanische Zivilbevölkerung mit beteiligt haben dürfte, den zivilen Tross erobern müssen um dann noch im gleichen Atemzug Varus anzugreifen. Wohlweislich alles an nur einem einzigen Tag, an dem Arminius den Marschzug aber erst am Nachmittag verließ. Aber so viele lichte Stunden konnte ein trüber Tag im September des Jahres 0009 nicht bieten zumal sich bereits Regen ankündigte und mit Pferden in die Dämmerung hinein zu reiten um noch einen Angriff durchzuführen käme einem Selbstmordkommando gleich. Diese hier präsentierte Hypothese birgt einen weiteren wichtigen Hinweis in sich, der für uns zum Zündstoff einer neuen Theorie wird. Denn auch auf diese nun ab gespaltete Teilarmee die Varus als Schutztruppe dem Tross zur Lippe mit gab musste er letztlich im weiteren Verlauf der Kämpfe verzichten. Denn auch diese Männer konnte er nun nicht mehr mit zu den Rebellen nehmen. Es ergibt sich demzufolge eine gewisse Schlussaddition seiner verfügbaren Kräfte. Denn er konnte somit die Legionäre aus den Abstellungen nicht mehr in den Kampfmarschzug integrieren, denn sie gab es für ihn nicht mehr. Zudem konnte er auch noch die Männer die er als Schutztruppe für den zivilen Zug abstellte nicht mehr in seine Planspiele im Rebellengebiet mit einbeziehen. Er verzichtete bereits auf jene Legionäre, die er im winterfesten Sommerlager zurück ließ. Und er zog mit einer Kampftruppe ins Aufrührergebiet, in der sich jene Männer befanden, die de facto noch vom Pannonienaufstand ausgezehrt für ihn übrig geblieben sind. Und so stellt sich wieder die Frage, um wie viele Legionäre geschwächt Varus in die gleichnamige Schlacht zog. Arminius mag zu alledem vielleicht sogar noch auf die Zahl der Römer Einfluss genommen haben, die Varus seinem privaten Castortransport mit gab, in dem er darauf achtete, dass Varus nur so viel Römer oder gar Germanen dem Wertetross überstellte, wie die Germanen auch später problemlos bewältigen konnten um sich dann relativ mühelos in den Besitz aller seiner Reichtümer bringen zu können. Nichts vom einstigen Reichtum des Varus blieb im Eggewald am Gradberg bei Neuenheerse oder wo auch immer im Steilbereich liegen, alles klaubten die Germanen sorgsam auf und verwerten es. Nun noch eine ernsthafte Zahl an römischen Legionären auszuwürfeln, die Varus mit in die Schlacht nahm, kommt einer Rechnung mit weiteren Unbekannten gleich und ich möchte dieses Kapitel nicht mit unnötigen und vagen Vorstellungen beenden. Es könnte aber die Überlegungen jener Historiker stützen helfen, die die Auffassung vertreten, dass die Schlacht zwar einen wichtigen Wendepunkt darstellte und einen hohen moralischen und später auch mythologischen Stellenwert bekam, aber rein zahlenmäßig bei weitem nicht mit den späteren Germanicus Schlachten Schritt halten konnte. Denn diese verdienen im Gegensatz zur Varusschlacht den Namen Schlacht. (9.3.2019)
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Samstag, 2. März 2019
Marbod ein unberechenbarer Taktiker - Gaius Suetonius Tranquillus sah es wie Gaius Velleius Paterculus - Die Welt war schon vor 2000 Jahren ein Dorf
ulrich leyhe, 22:57h
Für das römische Imperium war der Krieg Alltag. Irgendwo musste es in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende immer die Schwerter schwingen, sei es gegen die Punier, die Kelten oder die Teutonen. Aber nach der Eroberung Galliens durch Cäsar begann Rom seine Fühler auch in den Osten tief nach Germanien auszustrecken. Fasst zeitgleich mit dem Jahr Null hatte Rom die Voraussetzungen geschaffen nun auch Germanien einzuverleiben. Aber dann wurde dem Imperium in relativ kurzer Zeit das Zepter streitig gemacht. Eigentlich waren es nur drei große Ereignisse die den Wechsel einleiteten und die ausreichten um zwischen dem Jahr 6 + und dem Jahr 9 + Rom bis ins Mark zum Beben zu bringen. Eine kritische Phase die auch über die Zukunft des Imperiums in Germanien mit entscheiden sollte. Im folgenden Abschnitt möchte ich diese Phase einer zusammenfassenden Betrachtung unterziehen, da man ihre unterschiedlichen Verläufe und Ursachen nur im Kontext versteht und nicht getrennt voneinander behandeln darf. Der Historiker Sueton steuert dazu einen interessanten Impuls bei den ich hier aufgreifen möchte. Rechnet man nun zu diesen drei zentralen Großereignissen auch noch jene Feldzüge des „Immensum Bellum“ hinzu, der von 1 + bis 5 + andauerte, sowie die Germanicus Feldzüge der Jahre 14 + bis 16 +, so war unverkennbar, welcher Widerstandswille dem Römischen Reich in den nur 15 Jahren an der östlichen Front entgegen schlug. Im Kern dieser 15 Schlachten - Jahre liegen der besagte „Ruptum Expeditio Boiohaemum“ 6 +, also der abrupt abgebrochene Markomannen Feldzug der gewaltige „Bellum Batonianum“ 6 + bis 9 + also der große Aufstand in Pannonien und Dalmatien und die „Clades Variana“ 9 +, also die Varusschlacht. Aus den Zeilen von Gaius Suetonius Tranquillus kurz Sueton genannt lesen wir unschwer heraus, dass für die Menschen der damaligen Zeit die in unmittelbarer Berührung zu den Geschehnissen standen, schon alles nach einem groß germanisch, illyrischen Komplott aussah. Wann Sueton es ausformulierte, er lebte etwa von 70 + bis 122 + ist nicht bekannt, aber seine „De vita Caesarum“ soll nach 120 + erschienen sein. Gehen wir davon aus, dass er es in seinen letzten Lebensjahren nieder schrieb, so trennten ihn vom Jahr 6 + bereits über 1oo Jahre. Unter der Lupe der Chronisten erscheint uns so, als ob Varus darin nur die Rolle einer Marionette innerhalb einer ereignisreichen Epoche übernahm. Ihn manövrierten die Umstände seiner Zeit in eine recht ungünstige Position, wie er sie nicht erwartet hatte, als vermutlich Kaiser Augustus ihn vordem zum Statthalter in Germanien ernannte. Die neue Lage zwang ihn dazu die Jahre 6 + bis einschließlich 8 + wegen der Abwesenheit großer Teile seiner Kampfverbände nur mit halber Kraft seinen Aufgaben nach kommen zu können und so er sah sich genötigt, sie mehr schlecht als recht überbrücken zu müssen. Ich hatte diese für ihn heikle Phase mit einer meines Erachtens fundierten Theorie begründet. Denn aufgrund dieser Vorgeschichte musste und konnte er im Jahr 9 + auch nur jene Legionen in die Mehrtagesgefechte mit Arminius führen, die bedingt durch die voraus gegangenen militärischen Ausfälle nicht mehr über ihre volle Kampfkraft verfügten. Denn sie kehrten letztlich geschwächt, nicht vollständig und somit angeschlagen aus dem „Bellum Batonianum“, dem pannonischen Aufstand an den Rhein bzw. an die Weser zurück. Auf die besondere Brisanz seiner Lage schon vor der Varusschlacht wies uns noch vor Sueton auch schon ein Zeitgenosse von Varus hin, nämlich der römische Offizier Velleius Paterculus, indem er das damals allgemein vorherrschende Misstrauen gegenüber Marbod zum Ausdruck brachte. Das man nämlich Marbod bereits vor dem Feldzug gegen ihn zutrauen musste, dass dieser sogar in Germanien, dem Noricum oder Pannonien einfallen könnte. Aber war dies von Paterculus nur eine rechtfertigende Zweckbehauptung um das Vorgehen von Tiberius, der uns manchmal wie sein persönliches Idol erscheint, im Zuge des „Expeditio Boiohaemum“ nachträglich zu legitimieren und damit seine Einzelmeinung, oder ließe sie sich auch noch anderweitig stützen. Marbods Unberechenbarkeit, dass dieser möglicherweise nach dem „Ruptum Expeditio“ dem abgebrochenen Feldzug nun vielleicht sogar unerwartet und erstarkt auch irgendwo in Germanien einfallen und möglicherweise auch zu einer Bedrohung für Varus werden könnte, passte daher gut in die Zeit und war vermutlich aus damaliger Sicht sogar für die Menschen nachvollziehbar und damit glaubwürdig. Da Paterculus und Marbod zur gleichen Zeit lebten, könnten bzw. dürften sie sich gekannt haben. Marbod war demnach für Paterculus kein unbeschriebenes Blatt. Bevor ich auf die Worte von Gaius Suetonius Tranquillus eingehe, noch ein anderer Aspekt. Denn man kann aus alledem auch einen anderen Schluss ziehen. Nämlich den, wie nahe sich doch damals die geographischen Räume standen. In einer trägen Welt in der Ochsenkarren die Transporte übernahmen, in der die Wasserwege durch die Schiffbarkeit der Flüsse limitiert und in der Pferd, Esel und Maultier die wichtigsten Fortbewegungsmittel waren scheint dies für uns heute unvorstellbar zu sein. Ähnlich so, wie ich es mit einer Abstandssimulation von Nordböhmen nach Ostwestfalen tat, die uns die Entfernungen überschaubarer machen sollte. Schnelle Römische Meldereiter ließen die Distanzen zusammen rücken und auch der „Drususritt“ von Tiberius zeugt von den raumgreifenden Möglichkeiten der Zeit. Die damalige Welt war zwar kein Dorf, aber die Interessensphären waren unerwartet eng mit einander verflochten. Aber zurück zum Thema. Denn der berühmte antike Schriftsteller Sueton, übrigens ein Zeitgenosse von Tacitus rückt nun ein weiteres Faktum ins Blickfeld der germanischen Kräfteverhältnisse jener Zeit. Denn er setzte der Überlieferung von Velleius Paterculus, einer in den Raum gestellten latenten Gefahr die von Marbod ausging, noch eines drauf, in dem er den „Bellum Batonianum“ also den Pannonien Aufstand unter ihren beiden Anführern gleichen Namens, nämlich Bato, noch mit in den sich von Westfalen bis ans Mittelmeer erstreckenden Konflikt trächtigen Gefahrenraum einbezieht. Von Oberbosnien, wo man ein Zentrum des „Bellum Batonianum“ sieht bis Ostwestfalen sind es rund 1000 Kilometer Luftlinie. Wir sprechen somit alles in allem schon über einen gewaltigen Frontabschnitt, den die römischen Machthaber nur 50 Jahre nach der Ermordung von Cäsar nicht vernachlässigen durften. Der aufkommende Verdacht Marbod könnte sogar noch selbst mit an den Stellschrauben des Pannonien Aufstandes gedreht, ihn also mit inszeniert, beeinflusst oder gar ausgelöst haben, lässt alle Germanenkriege in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Zeitenwende vor einem ganz anderen Licht erscheinen. Man könnte den Eindruck bekommen, dass diese drei ineinander greifenden römischen Offensiven der Jahre 6 + bis 9 + wobei es in einem Fall nur zu einem Aufmarsch artigen Manöver kam, zumindest dem weströmischen Reich schon Jahrhunderte vor deren zeitgeschichtlichem Ende das große Stoppschild vor allen weiteren Ostexpansionen aufstellte. Nicht umsonst nannte Sueton den Pannonien Aufstand den schwersten aller auswärtigen Kriege seit den Punischen. Wäre es dem Imperium wie viele Historiker vermuten in dieser Zeit sogar gelungen, die Elbe als ihre vorgeschobene Ostgrenze zu festigen und zu behaupten, wären die zurück gedrängten und östlich der Elbe eingepferchten germanischen Völker in ihren eingeschränkten Siedlungsgebieten vermutlich schon früher gegen Rom aufgestanden. Zwei Grenzen gleich stark zu bewachen und zu stabilisieren ist ein Unding und so hätte das Imperium zwangsläufig die Rheingrenze vernachlässigen müssen. Einem germanischen Ansturm hätte die Rheingrenze dann nichts mehr entgegen zu setzen gehabt. Der immense Frontabschnitt im II. Weltkrieg quer durch Russland bezeugt, dass man auch noch Jahrhunderte später am eigenen Größenwahn scheitern konnte. Was meiner gedanklichen Richtung Nahrung gibt, wie wenig sich doch unsere heutige Denkweise von der der Altvorderen unterscheidet bzw. seit dem offensichtlich unverändert blieb. Mit der weisen Entscheidung von Kaiser und nun nicht mehr Feldherr Tiberius im Jahre 16 + könnte es ihm sogar gelungen sein, die römische Präsenz auf heutigem deutschem Boden noch verlängert zu haben. Somit konnte er auch der später einsetzenden Völkerwanderung unbeabsichtigt etwas die Dynamik genommen haben, da er den Germanen zwischen Rhein und Elbe einen größeren Pufferstreifen einräumte. Aber in diesem Kapitel möchte ich versuchen, den interessierten Lesern noch die rationalen Bestandteile im Denken unserer Altvorderen näher zu bringen, so wie sie uns Sueton in Erinnerung gerufen bzw. hinterlassen hat. Denn damals wie heute bestimmte schon der Geist das Handeln und persönliche, also individuelle Erfahrungsschätze nahmen darin immer einen breiten Raum ein. Arminius und all den anderen erging es da nicht anders. Aber nicht nur den dadurch ausgelösten Denkprozessen die sich in den Köpfen derer vollzogen, die damals im weiten Vor – und Umfeld der Varusschlacht die Geschicke der Zeit lenkten auf die Spur zu kommen erfordert ein großes Einfühlungsvermögen an unsere heutigen Generationen. So sollten wir ein Gespür für ihr fortschrittliches und räumlich dimensionales Denken entwickeln, ob es nun um das Überwinden von Distanzen in Mitteleuropa geht, oder andere damit verbundene und für uns heutzutage schier unvorstellbare Leistungen der antiken Bevölkerung. Trotz waghalsiger topographischer Herausforderungen waren die Landmassen Mitteleuropas für die Menschen der Zeit Überschau - und kalkulierbar gewesen. Das die Lage und Ausdehnung der Alpen oder der Verlauf der großen in die Nordsee mündenden Flüsse auch früher schon kein Geheimnis war ist nachvollziehbar. Und wo ein Ptolemäus schon Koordinate vergab, war man weiter als man sich heute eingestehen möchte. Aber wie stand es um den Richtungssinn und das geographische Wissen über unsere weiträumigen und endlos erscheinenden Mittelgebirgslandschaften. Bewaldete Höhenrücken wo man hinschaute, samt Tälern und meist unbewohnt, die auf den ersten Blick und aus großer Distanz alle gleich aussahen und die damals noch keinen Fernmeldeturm trugen, was sie kenntlicher gemacht hätte. Dazwischen die germanischen Siedlungskammern in denen man die Menschen willfährig machen und auf das römisch provinzielle Leben einstimmen wollte. Berge wie der zentral gelegene Feldberg im Taunus, der Harz oder das Massiv des Donnersberges bei Kirchheim - Bolanden waren dabei elementar wichtig, da man sie schon aus vielen Kilometern richtungsweisend vorfand und sie den „Vorwärtsstrategen“ in den Reihen der römischen Legionärskommandeure bei der Verortung und Errechnung der Tagesetappen sowie der Marschstrecke halfen. Schauen wir in die alten Zeiten zurück müssen wir uns, obwohl es schwer verdaulich klingt, von manchen in den Jahrhunderten nach der Entdeckung der Tacitus Schriften gewachsenen Illusionen lösen und uns frei machen von falschen Gedankengängen und Abschied nehmen von verzerrten Vorstellungen. Denn die genaue Analyse der antiken Schriften ist immer für Überraschungen gut, schickt uns nur auf den ersten Blick auf andere Wege gestattet uns aber viele Interpretationen aus den verborgenen Welten zwischen den Zeilen. Wenn aber die Zeiten nicht so waren wie wir sie uns heute vorstellen, wie waren sie dann. Die Vergangenheit gewährt uns nur wenige Blicke hinter ihre Kulissen noch dazu vor 2000 Jahren und lässt sich kaum mehr in ihre vergilbten Karten schauen. Aber was wir noch haben, ob in schriftlicher Form oder als Fund, dem gehen wir nach. Sie verbergen auch noch eine Vielzahl von Anhaltspunkte die es wert sind, dass man sie sich auch vor dem Hintergrund immer wieder neuer Theorien näher ansieht. Denn es gibt noch einige Schleier, die wegzuziehen es sich lohnen könnte. Ich denke nicht, dass wir nur wortlos vor einem Abgrund stehen, der sich vor unseren Füßen auf tut um uns dann einen Blick in eine andere unbekannte Welt voll finsterer Gräueltaten frei zu geben. Es erscheint aber manchmal so, als ob es den frühen Historikern einen Genuss bereitet hätte uns, der Nachwelt nur die grässlichsten Dinge des menschlichen Zusammenlebens in schriftlich konservierter Form hinter lassen zu wollen und den Rest bzw. die passende Ausschmückung dazu haben die nachfolgenden Generationen dann gerne selbst übernommen. Denn so wenig wie wir uns in die Wesenszüge unserer Vorfahren hinein denken können, so rätselhaft standen die Menschen vor 2000 Jahren vor der Frage wie sich die Welt ohne sie weiter entwickeln würde. Man labte und ergötzte sich besonders in nach römischer Zeit um so mehr an allem, je blutrünstiger es sich darstellen ließ. Ein gutes Beispiel sind die ersten Begegnungen und das Aufeinandertreffen mit den hunnischen Steppenvölkern die anders verlaufen sein könnten, als man es uns später weis machen wollte. Die wenigen positiven Begebenheiten müssen wir darin mühsam aufspüren. Denn wären die Zeiten und die Menschheit damals so grausam gewesen wie oft geschildert, gäbe es uns dann heute überhaupt. Das die antiken Schriftsteller und Zeitzeugen ihre Texte im Gegensatz zur frühmittelalterlichen Klosterliteratur in einem nüchtern, sachlichen und klaren Stil abfassten, den wir in den früh christlichen Zeiten vermissen, sollte uns zu denken geben. Denn einiges spricht dafür, dass viele kulturelle Strömungen in der römisch heidnischen Zeit verständlicher formuliert und fortschrittlicher dargestellt wurden, als in der Folgezeit. Sicherlich lag es ab dem 6. Jahrhundert im Interesse des Katholizismus den Blick in die Vergangenheit übel zu beschreiben um dadurch das Positive des anbrechenden religiösen Zeitalters besser heraus stellen zu können. Das Ende des römischen Imperiums sollte nahtlos ins göttliche übergehen und da galt es besonders die Kontraste zu schärfen. Das Leiden der frühen Märtyrer, die blutgetränkten Kämpfe der Gladiatoren, der elende Handel mit den Sklaven beherrschen unsere Vorstellungen und prägen a` la „Ben Hur“ oder „Quo Vadis“ unser unterhaltsames Bild von der alten Zeit noch bis heute. Es war in den damaligen Jahrhunderten sicherlich allgegenwärtig, aber wie hoch und bedeutsam war letztlich ihr tatsächlicher Anteil am normal/realen und dörflich römischen Alltagsleben. Ich bin eher davon überzeugt, dass es abgesehen von zweifellos schwierigen Lebensbedingungen die in verschiedenen Epochen der Zeitgeschichte in den letzten 2000 Jahren die Menschheit in Mitteleuropa heim suchten die Medaille besonders zu Zeiten des römischen Imperiums auch eine zweite Seite hatte. Immer wieder erfahren wir und es erstaunt uns, wie sorgsam man im Imperium den Lebensmittelnachschub sicherstellte und garantierte. Verknappung oder Hungerrevolten begegnete man schon im Frühstadium, Getreide wurde bevorratet, Horrea die Lagerhäuser jener Zeit existierten im ganzen Reich und die Notwendigkeit einer funktionierenden Versorgungslage stand über allem. Auch der Begriff „ Brot und Spiele“ bringt es zum Ausdruck. Und auch in den germanischen Gefilden wusste man Engpässe zu vermeiden, aber Missernten blieben unvorhersehbar und kaum beherrschbar. Ungeachtet dessen war man bewandert und auch schon lange vor der "Tabula Peutingeriana" kannte man das keltische und noch ältere Straßengeflecht Mitteleuropas, nutzte es und man höre und staune, denn man kam auch damals schon am gesteckten Ziel an. In den voraus gegangenen Abschnitten hatte ich mehrfach großen Wert auf die Feststellung gelegt, dass der geopolitische Großraum, den die damals agierenden Personen auf römischer Seite in militärstrategischer Hinsicht unter Kontrolle zu halten hatten, wenn sie die Grenzen des Imperium ausdehnen wollten immense war, ihnen aber auch keine Angst machte, zumindest solange sie keine „übergroße Frau“ zur Umkehr ermunterte. Und vor dem trügerischen Jahr 9 + musste und konnte man in Rom auch noch davon ausgehen, dass sich der Fahrplan für neue Eroberungen einhalten ließ. Denn um diese Zeit soll sich das römische Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht befunden haben und es strotzte vor Stolz und Gigantismus, obwohl bereits in diesen Tagen dunkle Wolken aufzogen, genau genommen die römische Expansion schon dabei war einzufrieren. Das schon das Jahr 16 + allen weiteren römischen Expansionswünschen ein Ende setzen würde konnte nur noch niemand vorher sehen und keiner wusste oder konnte es ahnen. Denn zumindest im Osten Germaniens hatte das Imperium ab dieser Zeit im Gegensatz zum weiterhin florierenden freien Warenverkehr ihre militärische Zukunft verspielt. Als Tacitus und Sueton darüber leicht zeitversetzt schrieben, war dies alles bereits zur Realität geworden und man wusste die voraus schauende Entscheidung von Tiberius im Jahre 16 + historisch einzuordnen und zu bewerten. Und beide berichteten rückblickend über das, was der damaligen Faktenlage entsprach bis sie dann 117 + bzw. 122 + selbst verschieden. Der Status quo resultierend aus den letztlich erfolgreichen germanischen Widerstandskämpfen der Jahre 9 + bis 16 + hielt lange. Kriege oder größere Schlachten zwischen Römern und Germanen in Ostwestfalen, Niedersachsen oder Thüringen sind bis zum Ende des Imperiums also östlich von Höxter historisch nicht mehr belegt. Erst das Harzhorn Ereignis im 3. Jahrhundert, dass sich vermutlich zwischen 228 + und 240 + ereignete und fasst genau 50 Kilometer östlich von Höxter statt fand, verblüffte wieder die Forschung. Epochal betrachtet voll zog es sich aber bereits in einer neuen Zeit. Der Zeit zwischen dem Jahre 16 + und den folgenden Jahrzehnten habe ich eigene Kapitel gewidmet. Aber rund 160 Jahre nach der Varusschlacht und mit Beginn der Markomannen Kriege die man nicht mit dem abgebrochenen Markomannen Feldzug des Tiberius im Jahre 6 + verwechseln darf bzw. nicht mit ihm in Verbindung steht, schienen sich die germanischen Angriffsstrategien verborgen und geradezu versteckt hinter dem Harz vollzogen zu haben. Von hier aus bedrohten die Germanen später den Limes und fielen sogar in Norditalien ein. Gleich einer burgundischen Pforte erstreckte sich zwischen Harz und Elbe ein verdeckt liegendes Aufmarschgebiet aus den mitteldeutschen Siedlungsräumen für jene nicht mehr abreißen wollenden germanischen Angriffswellen gegen das Imperium noch vor Beginn der Völkerwanderung. Bis hierhin wagten sich auch keine römischen Legionen mehr vor und Ostwestfalen bzw. Südniedersachsen war eher peripher über den Korridor am östlichen Rande im Leinetal tangiert. Aber zurück zu den Geschehnissen um die abrupt beendete militärische Expedition des Tiberius nach Böhmen. Ich hatte die These vertreten, dass der abgebrochene Feldzug Marbod wieder zum starken Mann in Germanien machte. Varus hatte nach dem „Immensum Bellum“ einige seiner Legionen auf Weisung aus Rom erst für für den Marbod Feldzug, dann für das „Bellum Batonianum“ Abenteuer, also den Pannonien Aufstand abtreten müssen, was ihn in den Anfangsjahren seiner Zeit als Statthalter schwächte und ihn in seinen Planungen zurück warf. Die Unberechenbarkeit von Marbod die aus den Schriften des Zeitzeugen Paterculus spricht, bietet Basis und Anhaltspunkt dafür, dass sich Varus in Ostwestfalen in diesen kritischen Jahren in äußerst unangenehmer Mission befand. Tacitus der den Ereignissen um den Markomannen Feldzug zeitlich noch recht nahe stand, denn zwischen dem Tod von Marbod 37 + und seiner Geburt 58 + verstrichen nur 21 Jahre, konnte sich sowohl über Marbod als auch Arminius ein Urteil erlauben. Für Tacitus war Arminius der 21 + verstorben sein soll, bekanntlich der freiheitsliebende und unerschütterliche Held und Marbod der 37 + starb der Tyrann. Obwohl die Geste von Marbod in dem er den Kopf des Varus ausschlug und an den Kaiser weiter leitete ihn wie romfreundlich erscheinen lässt, war das allgemeine Misstrauen gegen Marbod in den damaligen Zeiten offensichtlich so stark verbreitet, dass man es ihm, wie Tacitus berichtete, nicht positiv anrechnen wollte. Marbod war und blieb auch noch zu den Zeiten des Tacitus das, was er in den Augen aller immer war, der unberechenbare und verschlagene Germanenkönig. Kommt man nun zurück auf die geopolitische Vernetzung jener Zeit, so kommt man nicht umhin die Verbindungslinien zwischen den Regionen Ostwestfalen, Böhmen und Pannonien - Dalmatien zu schlagen. Der Schriftsteller Gaius Suetonius Tranquillus kurz Sueton genannt, ein Zeitgenosse von Tacitus, der sicherlich seine Meinung über Arminius und Marbod kannte, bringt nun zusätzlich Licht ins Dunkle. Er verdeutlicht uns dieses uralte Geflecht in seinem Werk „De vita Caesarum“ über den römischen Kaiser Tiberius. Unmissverständlich spricht er dem Cäsar Tiberius sein Lob für den großen Sieg in Pannonien aus. Einen Sieg, den er gerade im richtigen Moment errang, als Varus fasst zur gleichen Zeit in Ostwestfalen drei römische Legionen verlor. Es muss in der damaligen Zeit wie ein Gottesurteil gewirkt haben, dass Sieg und Niederlage so eng bei einander liegen konnten. Es hatte aber auch dazu geführt, dass Marbod seine Strategie nun komplett überdenken musste. Aber Sueton ging sogar noch einen großen Schritt weiter. Denn während Paterculus der allgemeinen Skepsis gegenüber Marbod Ausdruck verlieh, wurde Sueton noch deutlicher. Auch er stellte fest, das im Falle eines Sieges der pannonischen Aufständischen kein Mensch daran gezweifelt habe und es jeder prophezeit hätte, dass die siegreichen Germanen nun nichts anderes zu tun gehabt hätten, als sich mit den Pannoniern zu verbünden um dann gemeinsam gegen das Imperium zu kämpfen. Man kann daraus auch ohne sich groß anstrengen zu müssen ableiten, wie die römische Welt, die aktuelle Tagespolitik seinerzeit mit verfolgt haben muss. Man sah also im Falle einer römischen Niederlage in Illyrien eine gewaltige Germanenfront auf das Imperium zu rollen, dem man keinen Einhalt mehr hätte gebieten können. Der Untergang des Abendlandes, pardon des römischen Weltreiches wäre damit nach Ansicht vieler im Falle einer Niederlage in Pannonien besiegelt gewesen. Diesen Ansturm hätte man wohl südlich der Alpen nicht mehr abfangen können bzw. ihm nichts mehr entgegen zu setzen gehabt, zumal bereits alle möglichen und zur Verfügung stehenden Legionen für Pannonien ausgehoben waren. Restliche in Nordgermanien stationierte Legionen wären möglicherweise in ihren Garnisonen angegriffen worden und das römische Imperium könnte bereits im Jahre 6 + Geschichte gewesen sein. Wenn, ja wenn es denn Tiberius nicht gelungen wäre, das Feuer im pannonischen Krisenherd zu löschen was ihm gelang. Die bedrohliche Phalanx eines geeinten Germanien herauf zu beschwören entsprach also dem damaligen Zeitgeist, den uns Sueton beschrieb. Später zu Zeiten der Völkerwanderungen sollten schon einzelne germanische Stämme reichen, um das Imperium auszuhebeln. Und daran, das sich dann an dieser möglicherweise „vor“ völkerwanderungszeitlichen Germanenschwemme über das Kernland Italien auch Marbod und andere germanische Stämme mit beteiligt hätten bzw. mit gemeint waren, dürfte wohl in diesen Krisenzeiten außer Frage gestanden haben. Nach Paterculus schriftlichen Werken zu urteilen, den sowohl Tacitus als auch Sueton nicht mehr erlebten, da er vor ihnen verstarb waren es neben ihm auch Tacitus und Sueton, die den Teufel marbod`scher Gefahr an die Wand malten. Sueton erwähnt im Gegensatz zu Paterculus zwar Marbod nicht namentlich, aber sein Hinweis auf die germanische Gesamtgefahr dürfte insbesondere Marbod, dem vermutlich der nächste römische Feldzug gegolten bzw. ins Haus gestanden hätte, bzw. der ihn zu fürchten hatte mit eingeschlossen haben. Wenn man von römischer Seite möglicherweise in Marbod eine Schlüsselfigur in der Inszenierung des Pannonien Aufstandes gesehen haben sollte, was sich jedoch auch damals nicht beweisen ließ, so tat Marbod natürlich gut daran den Erfolg des Arminius 9 + klein zu reden und auch das Angebot des Varus Kopfes für eine Germanenallianz abzulehnen. Rom hatte wieder Kraft und hätte ihm eine Annäherung an die Cherusker Arminen nicht verziehen. Die germanische Entscheidungsschlacht 8 Jahre nach der Varusschlacht in der Marbod unterlag könnte man auch völlig losgelöst von den Ereignissen um sie betrachten. Denn in diesen 8 Jahren ist viel passiert. So hätte Arminius mit seiner Teilnahme am Markomannen Krieg auf Seiten der Elbgermanen auch die Unterstützung der Semnonen und Langobarden gegen Germanicus gut gemacht haben können. Sueton ein langjähriger Zeitgenosse von Tacitus beschrieb die Stimmung im Lande und auch er wusste indirekt und naturgemäß um die Gefahr, die damals sowohl vor und erst recht auch nach dem Pannonienaufstand von Marbod ausging. Ob Marbod sogar selbst Drahtzieher des Pannonien Aufstandes war klingt da gar nicht so weit her geholt. Denn derartige Zufälle um vorzeitig abgebrochene Feldzüge wären in der Historie die Seltenheit. Sueton starb 126 + und Tacitus 117 +. Beide verfügten zu Lebzeiten über ein umfassendes Weltbild, sowohl was die politischen Verhältnisse, als auch was das Wissen um Geographie und Distanzen anbelangt. Beide konnten dem Gegner im nach hinein gut in die Karten schauen, verfügten über Literatur und könnten oder konnten fasst sogar noch Zeitzeugen befragt haben die mit Marbod in Ravenna Kontakt hatten und sie kannten sich in den Ränkespielen der großen Politik aus. Während Pannonien in Schutt und Asche versank, Marbod sich gegenüber Varus nach 6 + dann doch bedeckt hielt, fiel im Teutoburgiensi saltu 9 + die Entscheidung und damit der erste Dominostein gegen Rom. Die Kette reißt bekanntlich am schwächsten Glied und das saß an einer Stelle, wo das Imperium es nicht erwartet hatte, nämlich in Ostwestfalen. Für mich ist diese Abfolge der Theorien aber in soweit schlüssig, als dass sich die Fühler von Macht und Einfluss des Markomannen König Marbod bis nach Ostwestfalen erstreckten, sich drei antike Schriftsteller in der Gefahrenbeschreibung über Marbod einig waren und Varus am Tropf damaliger Geopolitik in keiner beneidenswerten Position war. In einer derartigen Lage am Vorabend der Varusschlacht kluge Besonnenheit und die richtige Reaktion zu zeigen, war für ihn nicht einfach und weckt sogar etwas Verständnis und Mitgefühl für seine Funktion in römischen Diensten am Rande der damaligen Zivilisation.(1.3.2019)
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