Montag, 15. April 2019
Cassius Dio konnte sich als Historiker frei bewegen - „Er war der letzte seiner Zunft“
Denn unmittelbar nach seinem Tod im Jahre 235 + tat sich die „große varianische Leere“ auf. Eine fasst 1300 Jahre währende Nachrichtenlücke über alles was wir von Varus und seiner Zeit auf wissenschaftlicher Basis wissen. Sie endete erst im Jahre 1507/1508 mit dem Auffinden besser gesagt dem Diebstahl der Annalen des Tacitus. Im Kloster Corvey nahe Höxter wo man sie entdeckte und entwendete, staubte diese Abschrift einer Urhandschrift vermutlich seit dem 9. Jahrhundert vor sich hin. Der Fundort fasst schon innerhalb der dort von mir vermuteten ehemaligen Palisaden des römischen Sommerlagers gelegen, machte den Weserbogen seit ehedem schon sehr verdächtig. Man stahl die Tacitus Annalen noch Jahre bevor die Bücher von Cassius Dio erstmals durch Henricus Stephanus 1548 in Paris heraus gegeben wurden. Ans Licht kamen sie aber schon etwas früher und zwar 1526 in einer italienischen Übersetzung von Nicolo Leoniceno. Die unmittelbaren Schauplätze der Varusschlacht wurden von mir in mehr oder weniger groben Zügen bereits fixiert. Aber auch die zahlreichen Hinweise auf die Regionen und Örtlichkeiten die mit der Schlacht in einen direkten Zusammenhang gebracht werden können, wie die Landschaftsbeschreibungen aus den Zeiten der Germanicus Feldzüge, die Bezüge auf die kriegerischen Ereignisse unter Drusus, aber auch die Vielzahl an ergrabenen Zeugnissen haben unseren Wissensstand erweitert und verdichtet. Der Betrachtungsraum erstreckt sich weiträumig zwischen der Weser und den Oberläufen von Lippe und Ems, sowie der Nethe in ihrem Zentrum, aber auch der Diemel im Süden und der Emmer im Norden. Verbindet man alle Stationen miteinander da wo ich sie verortet habe, wird ein Liniengeflecht augenscheinlich. Ein Netz das nicht nur den Zugkorridor der Bewegungsschlacht offen legt. Es offenbart unter anderem auch die Wege die Germanicus, Caecina oder Stertinius später im Zuge ihrer Kämpfe bzw. Erkundungen zurück legen mussten. Aber ohne einen Fahrplan zu haben bzw. den Zeitablauf oder einen Zeitbedarf zu kennen, lässt sich kein Schlachtenverlauf rekonsturieren. Es hängt entscheidend davon ab, über welchen Zeitraum also über wie viel Tage und möglichst auch Stunden sich die Mehrtagesschlacht erstreckte. Daher ist es unvermeidbar, die Handlungsabfolgen und die Tagesetappen in ein realistisches Licht zu rücken. Erst wenn hier Klarheit herrscht, lassen sich die jeweils von Cassius Dio beschriebenen Ereignisse befriedigend den Tagen zuordnen. In diesem Kapitel habe ich es mir zur Aufgabe gesetzt, aus den uns von Cassius Dio
hinterlassenen Textstellen eine chronologische Abfolge herauszufiltern. Im letzten Kapitel habe mich der seltsamen Verknüpfung zwischen den Textstellen 56,19,4 und 56,19,5 gewidmet, aus der ich einen Hinweis ableite, dass Cassius Dio die zwei ersten Marschtage von einander abtrennen wollte. Wenn es denn zutreffen würde, würde schon hier für uns eine Tür aufgestoßen, die eine komplette Schlachtenrekonstruktion erlaubt. Aber ich denke, das uns Cassius Dio weitere Hinweise geliefert hat mit denen er uns helfen wollte, den Verlauf verständlicher zu machen. Verständlicher insofern, als dass aus seinem Schlachtengemälde bildlich gesprochen all das abgeleitet werden kann, was wir unter einer 3 ½ bzw. 4 tägigen Schlacht verstehen. Wie viel Kilometer legt ein Marschzug pro Tag zurück. Wie viel Zeit ist dafür anzusetzen. Wie viel Arbeitsstunden verbergen sich hinter dem Hinweis, dass Bäume zu fällen sind. Wie lange dauert es ein Nachtlager für tausende von Menschen vorzubereiten. Wie viel Zeit verstreicht damit gebrochene Achsen zu reparieren, oder die nötige Nahrung aufzubereiten. Alle diese Dinge wollen abgeleistet sein und kosteten Zeit die einzuplanen war. Was Cassius Dio letztlich bewogen hat und was ihn antrieb, so lange nach dem Ende der Varusschlacht noch einmal über sie zu berichten bleibt unergründlich. Es könnte dazu viele Anlässe gegeben haben. Als er dafür die Feder in die Hand nahm, weilten die Menschen aus Varuszeiten längst nicht mehr unter den Lebenden. Wer wusste 200 Jahre nach der Schlacht noch etwas über einen Feldherrn Varus. Ebenso hatten auch schon alle Historiker die vor ihm schrieben das Zeitliche gesegnet. Cassius Dio selbst verstarb im Jahre 235 +, könnte aber noch von der militärischen Ausdünnung des Limes erfahren haben. Eine damals notwendige Maßnahme um weitere römische Kräfte für die Sassanidenkämpfe der Jahre 231/232 + frei zu setzen. Kämpfe die im römischen Osten statt fanden und die dann die Alamannen für ihren großen Einfall unter anderem ins reichsrömische Maintaunus Gebiet nutzten. Jene Epoche in der sich Kaiser Maximinus Thrax gezwungen sah die Germanen zurück zu drängen, was in der Konsequenz ins Harzhorn Ereignis des Jahres 235/236 + östlich von Einbeck mündete. Eine längst vergangene Schlacht, die uns unvermittelt bis in unsere Zeit einholt und uns plötzlich wieder die uralte römisch/germanische Auseinandersetzung vor Augen führte. Auch unser Interesse daran ist immer noch nicht erloschen und scheinbar ungebrochen, wie es uns ein flugs aus dem Boden gestampftes „Harzhorn – Info Zentrum“ a` la Kalkriese unter Beweis stellt. So könnte man auch schlussfolgern, dass in den Zeiten von Cassius Dio die Germanengefahr immer noch allgegenwärtig und präsent war und er sich noch mal berufen fühlte, eine alte Verbindung zur fasst vergessenen Varusschlacht zu schlagen. So als ob er sagen wollte, 250 Jahre Germanenkriege und immer noch kein Ende in Sicht. Die nötige Wort Akrobatik historische Abläufe auf verständliche Weise wieder zu geben, anstatt sich im Dschungel kruder und heilloser Argumentationstränge zu verlieren,  erfordert ein Höchstmaß an Vorstellungs- und Einfühlungsvermögen um sich in die Gedankenwelt des modernen Lesers zu vergraben, der nicht so tief im Thema steckt wie man selbst. Ich hoffe es gelingt mir ganz besonders im Verlauf der Darstellung meiner nachfolgenden Hypothesen. Ich möchte also weitere Bedenken ins Feld führen, die ich im Hinblick auf die gesamte chronologische Gewissenhaftigkeit bzw. den damaligen Wissensstand von Cassius Dio geäußert hatte, oder sollte ich besser Spagat sagen. Alles was uns von Cassius Dio wie im Zeitrafferformat präsentiert wurde, verlief naturgemäß weitaus umfänglicher und aufwändiger, als uns seine kurz gehaltene Überlieferung glauben macht. Tausende von Menschen samt ihren Transportfahrzeugen mit Material und Ausrüstung, Verpflegung sowie Hab und Gut, ließen sich nicht in nur zwölf hellen Tagesstunden komplikationslos von A nach B in ein vermeintlich anderes Lager transferieren bzw. verlagern. In diesem Fall ungeachtet meiner Hypothese, ob man nun zuerst noch ein Zwischenlager „Brakel“ oder direkt das Untergangslager „Prima Vari castra“ ansteuerte. Was Cassius Dio mit nur wenigen Worten und Sätzen ausdrückt war folglich ein komplexer logistischer Prozess bzw. ein Kraftakt, den er für uns erschwerend noch hinter einer Fülle anderer Informationen verbarg, die für uns relativ unerheblich sind. Seine kurz gehaltene Überlieferung birgt somit Stoff für ganze Romanreihen und muss sich daher an Kausalität und Realität messen lassen, da ein Tag auch vor 2000 Jahren nur aus 24 Tages - und Nachtstunden bestand. Wobei in diese Zeit das Äquinoktium, also die Tages und Nachtgleiche fiel. Fehlendes Wissen füllte und schmückte er mit etwas Prosa also Alttagssprache, womit er aber auch sein Werk etwas ins Wanken brachte und Zweifler an seiner Überlieferung auf den Plan rief. Nehmen wir also an, Varus wäre bereits an dem ersten Marschtag von den Germanen angegriffen worden, als dieser die Weser verließ. Was müsste dann alles in der Zeit zwischen dem Verlassen bzw. dem frühen Aufbruch aus dem Sommerlager, bis zum Beginn der ersten Nahkämpfe geschehen sein. Nahkämpfe die noch dazu erst begonnen haben sollen, nachdem die Pioniere sich schon gezwungen sahen Bäume zu fällen. Und da möchte ich einige seiner Passagen aufgreifen die meine Bedenken rechtfertigen. Bedenken allerdings nicht am Inhalt seiner Überlieferung, als viel mehr an der Methodik seiner Darstellung. Will man alles, was uns Cassius Dio überlieferte eins zu eins in unser heutiges Verständnis überführen, muss man sich zuerst die berühmte "3 - D Brille" aufsetzen, sich in die Zeit zurück versetzen und die Uhr 2000 Jahre zurück stellen. In Stichworten ausgedrückt, würde es also so klingen. 1.) Die Legionen verlassen das Sommerlager 2.) Anfänglich werden sie von den Germanen begleitet 3.) Die Germanen reiten weg 4.) Die Pioniere müssen Bäume fällen 5.) die ersten Nahkämpfe setzen ein. Rollt man es hingegen von hinten auf, fängt also bei den Nahkämpfen an, so wächst erneut der Glaube daran, dass all dies an einem einzigen Tag unmöglich statt gefunden haben kann. Denn die Germanen konnten Varus nicht erst kurz vor dem Einbrechen der Dämmerung bzw. der völligen Dunkelheit angegriffen haben. Das ergibt militärisch keinen Sinn zumal schlechte Wetterbedingungen die Sichtverhältnisse erschweren und dadurch die Dunkelheit schneller voran schreitet. In dieser Jahreszeit fand der Sonnenuntergang gegen 19:34 Uhr statt. Die germanischen Angriffe sollten also noch im Hellen und bei relativ guter Sicht statt gefunden haben bzw. begonnen worden sein. Wann beginnt man einen Feind anzugreifen, den man in Gänze besiegen wollte und musste, dem man eine herbe Niederlage bereiten und dessen Kampflinien man unterbrechen wollte, wenn die Sonne um 19:34 Uhr unter geht und die Dämmerung schon etwa 45 Minuten vorher einsetzt. In jedem Fall musste der Angriff viele Stunden vor dem Eintritt der Dämmerungsphase erfolgen, wenn man nicht in die Nacht hinein kämpfen wollte. Die Germanen waren gezwungen an diesem Tag vollendete Tatsachen zu schaffen und konnten keine halben Sachen riskieren oder hinter lassen. Denn jeder Überraschungsangriff verliert auch irgendwann mal seinen Überraschungseffekt. Denn so wie es uns Cassius Dio beschrieb, war es an diesem Tag schon kein harmloses Geplänkel mehr mit dem die Germanen auf Zeit und Zermürbungstaktik setzen wollten. Das „worst case Szenario“ bei verspätetem Kampfbeginn wäre es gewesen, dass die Römer Zeit gewonnen hätten und sich über Nacht hätten untereinander warnen können, sie hätten ihre ihre Hörner geblasen und hätten die Zeit zum Sammeln genutzt, um sie dann am Folgetag aufzureiben. Um eine aus theoretisch drei, wenn auch geschwächten Legionen bestehende Streitmacht auch während eines Marschzuges am helllichten Tag anzugreifen, so sollte man tunlichst so früh wie möglich damit beginnen. Der frühe Nachmittag gegen 14 Uhr wäre wohl die späteste fiktive Zeitannahme um ein derartiges Unternehmen noch rechtzeitig beginnen lassen zu können. Da aber die römischen Pioniere schon vor den Kämpfen mit dem Bäume fällen beschäftigt waren, so muss auch dies schon einige Zeit bzw. einige Stunden in Anspruch genommen haben, also entsprechend früher vor Beginn der Kampfhandlungen passiert sein. Man könnte also um die frühe Mittagszeit gegen 11 Uhr mit den Wegeausbauarbeiten begonnen haben bzw. „müssen“. Man kann es also drehen und wenden wie man möchte, aber gegen Mittag also etwa 11 Uhr hatte man am ersten Marschtag erst maximal 10 Kilometer Wegstrecke nach dem Sommerlager zurück gelegt. Man befand sich also fasst noch in Sichtweite zum Sommerlager, soll sich aber dennoch schon im unwirtlichen Gelände befunden haben, wo man Bäume zu fällen hatte. Dies klingt nicht sehr plausibel. Die cheruskische Begleitung hätte sich bei den ersten nötigen Fällarbeiten angenommen gegen 11 Uhr dann möglicherweise vielleicht sogar noch unter den Römern befunden haben können. Das kollidiert allerdings mit den Inhalten der Überlieferung des Cassius Dio. Denn die Arminen sind ja erst noch ein Stück gemeinsam mit den Römern geritten und sind nicht schon unmittelbar nach dem Verlassen des Sommerlagers davon geritten um ihre Hilfskräfte zu mobilisieren. Wären sie unmittelbar nach dem Aufbruch aus dem Sommerlager schon zu ihren Hilfskräften geeilt, wäre die Formulierung von Cassius Dio eine andere gewesen. Sie erkennen anhand dieser kurzen Zusammenfassung wiederum die Unmöglichkeit dessen, was man aus den Zeilen des Cassius Dio heraus lesen könnte, will man sie denn so interpretieren. Als das nämlich die Zeit vom Verlassen des Sommerlagers bis zum Beginn der ersten Nahkämpfe auf einen einzigen Tag herunter gebrochen werden könnte. Wir erkennen daraus umso eher eine Deutlichkeit die für zwei Marschtage spricht. Man darf vielleicht auch noch mal fragen, wo denn eigentlich die Textstellen 56.19,6 bis 56.19,9 abgeblieben sind, wenn es sie denn je gegeben hat. Denn nach 56.19,5 folgt direkt die Textstelle 56.20,1. Haben wir da was verpasst, wurde da etwas weg gelassen oder wurde uns etwas vorbehalten. Wir wollen nicht spekulieren, also finden wir uns damit ab. Die Pionierarbeiten konnten sich also noch nicht nach einer so kurzen Distanz nach dem Ausrücken aus dem Sommerlager entfaltet haben, denn den schlechten Wegezustand so unmittelbar nach dem Sommerlager, hätte man im Generalstab des Feldherrn vorher gekannt, skeptisch bewertet bzw. einkalkuliert. Hätte man die Pionierarbeiten aber erst zu fortgeschrittener Tageszeit nach etwa 15 Kilometer Wegstrecke aufgenommen, so wäre man da aber fasst schon am Ziel des ersten Marschtages, nämlich am ersten Etappenlager gewesen. In diesen Nachmittagsstunden wäre es auch bereits zu spät für einen darauf folgenden germanischen Angriff geworden. Denn es ging in die Dämmerungsphase hinein in der man keinen Waffengang mehr austrägt. Meiner Auffassung nach, wurden die Pionierarbeiten laut Textstelle 56,20,1 erst in einer den Römern unbekannteren Region nötig und in die stieß man erst am zweiten Marschtag nach dem Verlassen des Etappenlagers Brakel vor. Nach meinem Dafürhalten begannen die Fällarbeiten also erst am späten Vormittag des zweiten Marschtages. Parallel dazu könnte eine erste berittene römische Vorhut sich schon jener Region genähert haben, in der man dann später das Gerichtslager abstecken wollte. Aus Sicht der römischen Militärführung sollte nach dem entspannten ersten Marschtag, auch der zweite Marschtag den gleichen ruhigen Verlauf nehmen. Niemand erwartete auf römischer Seite schon in der Anmarschphase zum Gerichtslager am zweiten Marschtag germanische Angriffe oder Revolten. Nach dem allgemeinen Selbstverständnis zu urteilen, erwartete man von Seiten der als unzufrieden beschriebenen Rebellen, dass diese erst ihrem Unmut Luft machen würden, nachdem man in ihr Stammesgebiet eingedrungen war bzw. man dort die Gerichtssitzung abhalten wollte. Dies war vermutlich auch die Darstellung bzw. die von den Cherusker gewählte Taktik. Erst im Zuge der Gerichtssitzung konnte es ihrer Meinung nach zu Unruhen kommen, aber nicht bereits auf dem Hinweg in das Gebiet der Aufrührer. Und rechtzeitig vor dem Eintreffen bzw. dem Eintreten dieser möglichen Gefahr, sollten auch die germanischen Hilfstruppen zu Stelle sein. Am zweiten Marschtag hatte man womöglich noch alle Zeit der Welt, die nötigen Wegearbeiten zu den Rebellen noch ordentlich und gewissenhaft anzugehen, denn dieser fiktive 25.09.0009 sollte nach Plan ein reiner Anmarschtag werden. Waffengänge zwischen Germanen und Römern sind innerhalb dieser Textstelle 56,20,1 zwar schon dokumentiert, sie sollten aber erst einsetzen, nach dem die Baumfällarbeiten, die nach meinem Zeitplan ab etwa 11 Uhr begannen, beschrieben sind. Nach meinem Zeitplan wäre das ab etwa 14 Uhr gewesen, von wo an ich spätestens die ersten Nahkämpfe erwartet hätte. Wie viel Körperkraft und Ausdauer besaß ein Germane vor 2000 Jahren, wie sah es mit dem beiderseitigen Kräfteverhältnis aus, aber fünf bis sechs Kampfstunden hätten nach Ansicht der Germanen am ersten Kampftag ausreichen müssen um die Legionen entscheidend zu schwächen bzw. ins Chaos zu stürzen. Aber ließen denn die Germanen die Römer während dem sie Bäume fällten, völlig ungestört ihre Säge ziehen oder ihre Axt schwingen ? Anfänglich so ist es dargestellt sicherlich, aber dann mussten letztlich doch alle Legionäre ihre Axt in kurzer Zeit mit dem Schwert tauschen, da es zum Kämpfen besser geeignet war. Die Kämpfe entfalteten also ihre volle Wirkungskraft ab etwa 15 Uhr. Blicken wir nun zurück auf die davor liegende Textstelle 56,19,5. Auch darin wurde uns von Cassius Dio angekündigt, dass die Germanen Varus angreifen und sogar furchtbares Unheil anrichten würden. In beiden Textstellen sowohl in 56,19,5 als auch in 56,20,1 sagte uns Cassius Dio die Angriffe der Germanen voraus, noch bevor sie passierten und man fragt sich unwillkürlich warum er die Warnung bzw. den Hinweis gleich zwei mal vorzog bzw. aussprach. Der Ordnung halber sei erwähnt, dass die Germanen die Legionäre auch noch nicht angegriffen hatten, als uns Cassius Dio schon unter der Textstelle 56,19,2 mitteilte, dass die Frauen und Kinder zur Auflösung des Marschzuges beitrugen. Da herrschte also auch noch völlige Kampfesruhe im Zug. Ebenso wurden uns auch noch keine germanischen Attacken innerhalb der Textstelle 56,20,3 angekündigt. In einer Textstelle, in der sich das Wetter schon als sehr wendig erwies und die Marschbedingungen zusehend schlechter wurden, hielten sich die Germanen also immer noch zurück. Cassius Dio kündigte uns vieles vom Bevorstehenden bereits im Vorfeld an, bevor es dann letztlich dazu kam. Er stimmte den Leser förmlich schon auf das Grauen ein und bediente sich dabei vorweg nehmender Formulierungen. In Textstelle 56,19,5 kündigte er den Angriff auf Varus an und in Textstelle 56,20,1 weist er daraufhin, dass die Römer schon vor den Angriffen Mühe mit dem Bäume fällen hatten. Aber dienten denn alle die frühen Hinweise auf das was die Römer erwarten würde nur dem einen Zweck, bei den Lesern einen Nervenkitzel vor dem Unausweichlichen auszulösen. Eigentlich eine Einstellung die einem seriösen Historiker fremd sein sollte. Ich kann es mir daher auch nicht vorstellen. So erkenne ich dahinter eher eine gewisse Methodik. Nämlich durch die Vorgriffe, den Geschehnissen die chronologische Reihenfolge zu entziehen. Dies ging zu Lasten der Übersichtlichkeit womit es ihm aber gelang, seinen fehlenden Wissenstand zu kaschieren. Fehlten ihm also die Fakten, so half er demnach mit etwas Poesie nach. Was blieb ihm letztlich übrig, bzw. was wäre andernfalls seine Alternative gewesen. Im Zweifelsfall wüssten wir noch weniger als wir schon wissen. Die harten Fakten der Varusschlacht beginnen also erst mit der Textstelle 56,20,4, als den Römern die ersten germanischen Speere um die Köpfe flogen. Unterdrücken wir aber seine weniger zielführenden Einlassungen und erstellen statt dessen mal eine Kurzzusammenfassung des mittleren Teiles der Cassius Dio Überlieferung. Sie liegt zwischen dem Ausmarsch aus dem Sommerlager und der ersten Feindberührung. Verzichtet man nun auf seine Randbemerkungen und auf seine Lagebeschreibungen, versucht also ohne sie aus zu kommen, so liest es sich plausibler und damit schnörkelloser. Dann wirkt jene Phase zwischen dem Abzug aus dem Sommerlager bis zum Einsetzen der Kämpfe wesentlich nüchterner und sachlicher. Allemal ein Versuch wert um dem nacktem Sachverhalt etwas näher zu kommen und uns nicht vom Unwesentlichen irritieren zu lassen. Nur unter Verwendung der faktenbezogenen Textbausteine, Sätze und Halbsätze, wie sie uns von Cassius Dio überliefert sind bzw. wie sie übersetzt wurden, hätten wir es sozusagen mit einer modernen Variante zu tun. Und ab der Textstelle 56,19,4 bis zur Textstelle 56,20,4 würde uns dieses reizvolle Experiment vielleicht auch einige Schlußfolgerungen und neue Sichtweisen gestatten. Die Darstellung kommt der besseren Lesbarkeit ohne Hinweise auf die jeweiligen Textstellen Nummern von Cassius Dio aus. Ebenso verwende ich aus dem gleichem Grund ein Vokabular, das sich geschmeidiger, zeitgemäßer und flüssiger einfügen lässt und verzichte auf diverse Umschreibungen.

Die protokollarische Version
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„Um Varus besser überwältigen zu können, vermittelten ihm die Germanen den Eindruck, er befände sich in einem befreundeten Land, bzw. sei darin unterwegs. Dies gelang auch den Germanen, denn Varus traf keine Vorsichtsmaßnahmen. Er ging nur von lokal begrenzten Zwistigkeiten aus und nicht von einem überraschend vorgetragenen Volksaufstand. Aber trotzdem entschied man sich im gegenseitigen Einvernehmen mit den Cheruskern dazu, sicherheitshalber zusätzliche germanische Hilfstruppen zu mobilisieren. Sie sollten Varus auf dem Zug in den Unruheherd begleiten. Germanen die den Varuszug anfänglich noch begleiteten verließen ihn an einer vereinbarten Stelle, um die dafür nötigen weiteren Hilfstruppen zu benachrichtigen. Diese sollten dann später in den römischen Marschzug integriert werden um gegenüber den Rebellen gemeinsam Stärke zu zeigen. Unterdessen setzten die römischen Legionen ihren Marsch ungehindert fort. Unter ihnen befanden sich auch viele Frauen, Kinder und andere nicht militärische Personen. Die Anwesenheit dieser vielen Zivilpersonen führte naturgemäß auch zu einem ungeordneten Marschverlauf. Die Germanen unter denen sich vermutlich auch Arminius befand erreichten parallel zum weiter ziehenden Marschzug der Varuslegionen ihre Stammesgenossen. Im weiteren Verlauf der Geschehnisse nahmen die Germanen den Kampf gegen jene römischen Einheiten auf, die vorher von Varus in den germanischen Gebieten zurück gelassen wurden und vernichteten diese. Varus, dem diese Scharmützel nicht zu Ohren kamen, zog während dessen weiter in die Richtung der Rebellen. (Das Übernachtungslager bei Brakel gibt die Übersetzung natürlich nicht her) Auf dem Weg zu den Aufrührern verschlechterten sich die Marschbedingungen und die Wetterverhältnisse zunehmend. Umfangreiche Wegeausbaumaßnahmen wurden daher nötig und führten zu Verzögerungen“.

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Dieser hier textuell umgestaltete Ablaufbericht verdeutlicht, dass Cassius Dio auch in Gänze auf die von ihm in Textstelle 56,19.5 und 56,20.1 voraus geschickten Ankündigungen auf die bevorstehenden Kämpfe der Germanen hätte verzichten können, ohne das darunter die Gesamtlogik gelitten hätte. Es wäre ihm also auch gelungen auf dieses Beiwerk zu verzichten, ohne uns in ein informatives Defizit zu entlassen. Halten wir also minimalistisch fest, dass bei ihm eine chronologisch und sachlich orientierte Überlieferung nicht im Vordergrund seiner Bemühungen stand. Erst ab Textstelle 56,20.4 beschrieb er dann wie die Kämpfe entbrannten. Er zog also die den Römern drohenden Ereignisse zwei Mal vor, obwohl er sie später doch noch detaillierter erläutern sollte. Was mag ihn also bewogen haben auf die Dinge schon einige Kapitel früher einzugehen. Ebenso kann man sich die Frage stellen, warum Cassius Dio die Anwesenheit von Frauen und Kindern im Marschzug zu einem Zeitpunkt erwähnte, als diese möglicherweise schon nicht mehr in diesem in Brakel abgespaltenen Teil des Marschzug anwesend waren. Im ersteren Fall zog er Ereignisse vor, die sich erst in der späteren Textstelle 56,20.4 voll entfalten sollten und im letzteren Fall verschob er „möglicherweise“ einen Vorgang nach vorne, der besser in die hintere Textstelle 56,19,4 gepasst hätte. Wollte man Cassius Dio „auf die Füße treten“ könnte man ihm eine konfuse nicht gradlinig verlaufende historische Fehlleistung unterstellen. Ich sage hingegen, dass er aus seinem Wissensstand heraus unter den damaligen Bedingungen noch das Beste gemacht hat. Er hat zwar weite Teile seiner Überlieferung auf den Kopf gestellt, uns aber doch bei genauem Hinsehen, das wirklich wichtige auch nicht verschwiegen. Aus seiner Situation heraus eine Meisterleistung. Er verschob zwar untereinander die Chronologie, seine Stilrichtung ist für uns aber erkennbar, also nachvollziehbar geblieben und seine Arbeit gewinnt somit an Glaubwürdigkeit. Er blieb sich also treu. Damit zeigte er eine gewisse historische Größe, weil er sich damit bewusst dem Risiko der Anfechtbarkeit aussetzte, denn jedem der sein Werk las musste auffallen, dass er einige Erklärungslücken übertünchen musste. Und es fiel auf. Die starke Aussagekraft seines Hinweises auf die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug wird dadurch auch nicht geschmälert, aber alles zeugt davon, dass es in seiner Zeit keine Priorität hatte, in sich flüssige Texte zu hinterlassen. Ob die Pionierarbeiten von einigen Legionären sogar noch während der germanischen Angriffe fort gesetzt werden mussten, ob man vorne im Marschzug wusste was hinten geschah, oder ob die Frauen und Kinder zum Zeitpunkt der herab fallenden Baumkronen noch Bestandteil der Marschkolonne waren, alles lässt er zum Spielball freier Interpretation werden. Muss seine Überlieferung gar so bewertet werden, dass wer die wichtige Textstellen Ordnung verlässt, sich selbst untergräbt. Aber Cassius Dio ging das Wagnis ein, denn es sollte nach ihm keinen antiken Historiker mehr geben, der sich der Varusschlacht widmete. Vermutlich ahnte er es. Er opfert sein Werk der Nachwelt, gibt es Preis und stellt es zur Disposition. Geht man also davon aus, dass auch der Inhalt der Textstelle 56,20,2 mit dem wichtigen Hinweis auf die Frauen und Kinder im Marschzug nicht in die Gesamtchronologie passt, so birgt dies weiteren Stoff für interessante Schlussfolgerungen. Diese Schlussfolgerung würde mir bei meiner Bewertung der Varusschlacht Ereignisse in die Hände spielen, denn sie würde sich mit meiner Theorie decken. Der Theorie, die hin zu einem zusätzlichen Marschtag von Höxter/Corvey nach Brakel tendiert und die von einer Marschzugaufteilung in einen Marschzug mit Kampfauftrag und einen mit zivilem Auftrag aus geht. Bislang ist diese Textstelle 56,20,2 immer unumstritten als ein Synonym dafür gewertet und auch als ein solches allgemein aufgefasst worden, als dass Varus dieser Schurke, es selbst Frauen und Kindern zumutete, in einem als gefährlich eingestuften Krisengebiet möglicherweise den Tod finden zu können. Damit aber, dass sich Cassius Dio seine verwirrende Komposition selbst aushebelt und in gewisser Weise in Teilen dafür auch seine Glaubwürdigkeit opfert, hilft er uns aber daraus wieder eine Spur abzuleiten, nämlich die die meine „Zwei – Marsch – Rück – Zug - Theorie“ zum Rhein stützt. Eine kritische unwirtliche Randregion anzusteuern, die abseits bereits kolonisierter Gebiete lag und wo sich sogar die Germanen unter Arminius anboten sicherheitshalber noch zusätzliche Hilfskräfte zur Unterstützung der Römer für den Marsch dorthin zu mobilisieren, musste als gefährlich eingestuft werden und die Vorsichtsmaßnahmen nötig erscheinen lassen. Und unter diesen misslichen Umständen soll sich also Varus darüber hinweg gesetzt haben und nicht davor zurück geschreckt sein, sogar Frauen, Kinder, Alte und Kranke etc. in diesen ungezähmten böswilligen Landstrich mitzunehmen. Aber jeder Historiker der diese Textstelle zehn Mal rauf und runter las und in alle Richtungen interpretierte, konnte auch zu keiner anderen Auffassung gelangen, als dass Varus tatsächlich zu derartig verwerflichem Tun imstande war und es ihm auch jeder zutraute, so wie er von der Geschichte verrissen wurde. Und Cassius Dio schrieb es ja auch letztlich alles so auf wie er es vorfand, keiner wollte am von ihm Hinterlassenen rütteln und warum hätte man ihn auch anders verstehen bzw. diese Textstelle auch anders auffassen sollen. Es stand ja alles sorgfältig notiert schwarz auf weiß auf dem Papier. Erst im Zuge der akribischen Nachuntersuchung bei Aufdeckung des „verschütteten“ Marschtages und der abenteuerlichen Chronologie bzw. unter der Zusammenfassung und Analyse verschiedener logischer Schritte ist man auch erst imstande, die Zeilen von Cassius Dio einmal anders deuten zu können, ohne ihm „post mortem“ zu nahe treten zu wollen. Das Cassius Dio auch schon in früheren Zeiten innerhalb der Wissenschaft Aufmerksamkeit erregte bzw. durch die Art seiner Darstellung Kritik hervor rief bestätigt meine Theorie zweier Anmarschtage ins Rebellengebiet mit einem unvermeidlichen Zwischenstopp im Raum Brakel. Denn auch von anderer Seite wurde ihm schon vorgeworfen, dass er trotz vieler Verweise und Wiederholungen die chronologische Klarheit verfehlte und sich oft zu zweideutig äußerte. Er korrigierte auch die Undeutlichkeit seiner Überlieferung an keiner Stelle. Mehr noch als die Unbestimmbarkeit werden ihm aber falsche pragmatische Verknüpfungen angekreidet. Sein Bestreben die annalistische Darstellung umzuordnen führt zu Konfusionen. Als Cassius Dio über die Cäsarenmörder des Jahres 44 - berichtete, hatte er vorher schon die Ereignisse des späteren Triumvirats des Jahres 43 – vorgezogen und unter dem Zerreißen der Synchronismen leidet zwangsläufig seine gesamte historische Darstellung. Ähnliche Fehler unterliefen ihm mehrere, so bei der Darstellung der Schlacht bei Mutina und in dem er Caesars Konsulwahl vor die Versöhnung zwischen Antonius und Lepidus schob. Obwohl Cassius Dio Polybios als Vorbild hatte, erreichte er aber diesen nicht, was seine Beurteilungskraft, Anordnung und Einteilung sowie seine inhaltliche Tiefe anbelangt. Denn natürlich hatte Varus Frauen und Kinder unbestritten anfänglich, nämlich am ersten Marschtag auch mitgeführt, er konnte sie ja nicht zurück lassen, da stimmt wohl auch jeder mit Dio und seinen Quellen überein. Wenn man sie allerdings in den zweiten Marschtag hinüber holen möchte und ihre Existenz vom ersten Marschtag ablöst, so führt dies schnell zu ganz anderen Überlegungen. Übrigens hat sich passenderweise dazu auch noch kein heutiger Historiker gefunden, bzw. es wurde nicht der Frage nach dem späteren Verbleib dieser vielen Frauen und Kinder ernsthaft nach gegangen oder hat sich ihr auch nur angenähert. Denn bis auf eine nebulös geschilderte Flucht aus einem scheinbar römischen und undefinierbaren Lager mit unbekannten Namen in einer kalten Winternacht, die später von Trompetenklängen begleitet wurde, auf die ich noch in einem anderen Abschnitt eingehen möchte, hat sich auch kein Geschichtsforscher mehr gewagt die Fragen nach ihrer Position im Marschzug einmal in einen anderen Kontext zu rücken. Man bezog die Ereignisse um die Flucht der Frauen und Kinder zum rettenden Rhein immer und einzig auf das Lager Aliso hinter dem ich das Örtchen Schwaney sehe und vergaß dabei auch anderen Überlegungen zu folgen. Auch hier bin ich zu einer anderen Auffassung gelangt. Nun sind wir aber wieder einen Schritt weiter, denn zum einen liegt nun tatsächlich ein Konzept auf dem Tisch, nämlich die lückenlose Aneinanderreihung eines fasst viertägigen Marsches. Der Zugverlauf und die ersten Stationen bis zum Beginn der Varusschlacht liegt nun offen erkennbar vor unseren Augen. Und der harte Kern dieser Varusschlacht beginnt demnach gemäß Textstelle 56,20,4 am zweiten Marschtag nachmittags, als die Germanen von allen Seiten auf die Legionäre zu strömten, als sich diese schon nicht mehr wehren konnten oder wollten und er endete mit dem blutigen Abzug aus dem „Prima Vari Castra“ dem Gerichtslager am Morgen des dritten Marschtages. Am dritten Marschtag nachmittags oder im Verlaufe des Vormittages des vierten Marschtages war aus meiner Sicht die Schlacht geschlagen. Heillose Fluchtbewegungen werden den Ausklang gebildet haben. Sie dürften sich vordringlich in den „Teutoburgiensi Saltu“ hinein erstreckt haben, da nur diese Schlucht den rettenden Ausweg nach Westen bot. Nennenswerte Kämpfe werden um diese Zeit nicht mehr statt gefunden haben. Nun war auch die Zeit für Varus gekommen. Seine Leibwache und die Reste seiner Armee werden sich um ihn geschart haben. Den dritten Marschtag und die Nacht vom dritten auf den vierten Marschtag könnte er noch erlebt haben. Der Aufstieg in den „Teutoburgiensi saltu“ wird aber für ihn das Ende gebracht haben. Spätestens oben angekommen dürfte sich sein Schicksal erfüllt und er sein Leben ausgehaucht haben. Die deutliche Erwähnung, Heraushebung und die besondere Begrifflichkeit des „Teutoburgiensi saltu“ bei Tacitus in dem noch die Knochen der Opfer unbestattet gelegen haben sollen verstärkt den Eindruck, dass sich nur hier der Vorhang schloss und die Tragödie ihr Ende fand. Wo sich der steile „Teutoburgiensi saltu“ ins Soratfeld öffnet erreichten die letzten Überlebenden die Paderborner Hochebene die danach leicht in Richtung Kleinenberg abfällt. Unterdessen vermutlich am Abend des dritten Marschtages oder am letzten Marschtag dürften auch die Schwadronen des Paterculus Varus und mit ihm das sinkende Schiff verlassen haben. Wir erkennen nun deutlicher, dass Varus den Marschzug der Frauen und Kinder in Brakel abkoppelte und keiner spricht später auch mehr von ihnen. In einer Phase in der in einem umkämpften Lager hilfesuchende umher irrende Frauen und Kinder eigentlich einen festen historischen Platz hätten einnehmen müssen. Und letztlich können wir daraus auch die zusätzliche Schwächung der Kampflegionen im Saltus ableiten, denn die Bewachung des Marschzuges der Frauen und Kindern ab Brakel zur Lippe kostete Varus wieder zahlreiche Soldaten die ihm während der Kämpfe fehlen sollten. (16.04.2019)

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Dienstag, 9. April 2019
Das Rätsel „zwischen“ den Textstellen Nr. 56,19,4 und 56,19,5 des Cassius Dio
Wie bereits angekündigt möchte ich mich nun einer schwer verständlichen Satzverbindung bzw. Satzunterteilung widmen, wie sie Cassius Dio im Griechischen schuf bzw. uns hinterließ. Die wörtliche Rede wird von ihm an der Kapitelstelle 56,19,4 unterbrochen, ohne das sich dafür auf den ersten Blick eine plausible Erklärung bzw. eine Begründung findet. Es scheint, als eröffne er grundlos und das noch dazu mitten im Satz ein neues Kapitel. Er vergibt dafür die Nummer 56,19,5. Nur auf den ersten Blick betrachtet, wird der Satz ab dieser Kapitelstelle 56,19,5 inhaltlich und sinngemäß fort gesetzt. Auf den zweiten Blick hingegen zeigt sich uns ein anderes Bild. Beide Satzteile scheinen fließend ineinander über zu gehen und die deutlich markierte Unterbrechung der Satzelemente will anfänglich keinen rechten Sinn ergeben. Sie birgt damit wie sich herausstellen wird, sogar vorsichtig ausgedrückt etwas Geheimnisvolles in sich, denn es findet sich oberflächlich betrachtet in der Tat keine Erklärung für seine Art von Satzbau und Stilistik. Geht man aber diesem augenfälligen Satzbruch auf den Grund, bietet sich eine Möglichkeit an, die Cassius Dio angestrebt haben könnte. Um es aber zum Teil vorweg zu nehmen, versteckt sich dahinter ein Hinweis darauf, dass er genau an dieser Schnittstelle die Marschtage eins und zwei von einander abtrennen wollte. Er gibt uns also einen Fingerzeig in die Richtung, dass die Germanen ihren Angriff auf die römischen Legionen nicht schon am ersten Tag durchführten, als die drei Legionen das Sommerlager verließen, sondern dies erst am darauf folgenden Tag taten. Ich rekapituliere. Am ersten Tag nach dem Verlassen des Sommerlagers befanden sich die Frauen und Kinder folgerichtig noch im bis dato ungeteilten Marschzug. An diesem ersten Tag zogen sie also noch alle gemeinsam, geschlossen und friedlich durch das germanische Ostwestfalen und kein Cherusker hatte vor, sich ihnen in kriegerischer Absicht in den Weg zu stellen. Die Römer verließen an der Weser ein kleines germanisches Fürstentum, mit dem man sich vertraglich verbunden hatte und wo man sich wünschte, dass dort noch der Geist vorherrschen würde, der da lautete „Pacta sunt servanda“ gleichbedeutend mit, dass „Verträge auch einzuhalten sind“. Man erwartete dies grundsätzlich auch von nicht römischen Kleinvölkern. Man übersah jedoch den unterschwelligen Gärungsprozess in diesem Teil Germaniens und betrachtete ihn wie Freundesland. Man hielt ihn für vertrauenswürdig und unverdächtig. So fühlte man sich unterwegs ins erste Nachtlager auch völlig sicher. Ob man zu Scherzen aufgelegt war, wäre allerdings spekulativ zu nennen. Der römische Ritter Arminius war zusammen mit seinem Vater Segimer ein Garant für diese bis dato gute Zusammenarbeit. Wie allgemein geschlussfolgert wird, ritt Arminius mit seinen Männern anfänglich noch unter den Römern und es schien für Varus und seine Untertanen keinen Grund zur Besorgnis zu geben. Frühere Warnungen waren verhallt, vergessen oder auch nur verdrängt. Es war ein ruhiger Tag an dem die Legionen in den Morgenstunden das „überwinterungsfähige“ Sommerlager verließen und sich auf den Weg ins erste Rastlager begaben, dass sich wie ich meine etwa 2o Kilometer weiter westlich im Raum Brakel befand. Aber nun ins Detail meiner These. Mit dem Hinweis, dass die Arminen ihre Hilfstruppen alarmieren sollten oder würden, endet denn auch die Textstelle 56,19.4. aus der Feder von Cassius Dio. Er schnitt also wie betont eine neue Textstelle an. Meines Erachtens deswegen, weil er uns hier mit einer neuen Zählfolge, nämlich der Textstelle 56,19.5 eine Spur zum zweiten Marschtag legen wollte. Dieser zweite Tag war damit ausgefüllt, dass Varus in Brakel den zivilen Treck zusammen stellte da er die Frauen und Kinder nicht in den Marschzug zu den Rebellen integrieren wollte, sondern sie samt Begleitmannschaft auf den direkten Weg über Aliso zur Lippe schickte. Wir erkennen bislang noch nicht, wieso Cassius Dio zwar die Nummer der Textstelle wechselt, indem er von der Ziffer 4. auf die Ziffer 5. überleitet, er sich aber in seiner inhaltlichen Botschaft treu bleibt. Erst bei genauerem Hinsehen fällt uns der Unterschied auf, warum er hier die Geschehnisse trennen wollte. Denn hier vollzog sich bei Cassius Dio ein Bewusstseinswandel, der sich unserem Verständnis nicht sofort erschloss. Denn die letzten Worte der Textstelle 56,19,4 leiten nur auf den ersten Blick betrachtet sinngemäß und übergangslos in die Textstelle 56,19.5 über. Es ergibt sich also im ersten Moment kein Grund dafür, warum Cassius Dio hier eine neue Textstelle vergeben wollte. Thematisch und sachlich ist für den schnellen Leser auch kein Grund zu erkennen, wodurch ein Textstellenwechsel einen Sinn ergeben könnte. Den letzten Halbsatz aus der Textstelle 56,19,4 vom ersten Halbsatz aus der Textstelle 56,19.6 zu lösen scheint demnach also völlig paradox zu sein, denn es handelt sich doch eigentlich um ein und dieselbe Aussage. Auch ein weiterer Blick auf den Fluß der Worte und den Inhalt verrät, dass dieser Satz an sich keine größere Trennung duldet. Und nicht nur das, es handelt sich dazu auch noch um einen zusammen hängenden Satz der stilistisch gar nicht abtrennbar ist. Und erst recht nicht, in dem man ihn durch eine neue Textstellen Nummer nämlich die Ziffernfolge 56,19.5 abrupt unterbricht. Warum könnte also Cassius Dio diesen flüssigen Satz, noch getrennt haben, um mitten drin eine neue Ziffer zu verwenden ? Die Altphilologen haben sich in ihrer Übersetzung durch gerungen, noch ein Komma an die Stelle seiner Ziffer 5.) zu setzen. Selbst einen Punkt zu machen, wäre schon zu viel gewesen und hätte nicht dort hin gepasst. Anders gefragt. Warum also eröffnete Cassius Dio aus uns unerklärlichen Gründen an dieser Stelle gleich eine ganz neue Textstelle, statt auf die 5.) zu verzichten. Tatsächlich und meines Erachtens zweifelsfrei wollte er hier zwei wichtige Handlungsstränge unmissverständlich und deutlich sichtbar für unsere Augen voneinander abkoppeln. Cassius Dio selbst, verwendete keine Interpunktion, er setzte also weder ein Komma, noch einen Punkt. Und er entschied sich zu unserer Verwunderung auch an einer denkbar ungünstigen Stelle dafür, einen ganz neuen Absatz zu beginnen, nämlich mitten im Satz. Aber Absätze vergibt man bekanntermaßen nur da, wo man sich einem grundsätzlich anderem Inhalt zu wenden möchte. Aber nicht so wie es hier augenscheinlich der Fall war. Was aber wollte er genau voneinander abgetrennt wissen ? Schauen wir uns also mal den ganzen von ihm „durch“ brochenen Satz an und suchen nach seinem möglichen Motiv. Der Satz in Textstelle 56.19.4 endet mit den Worten bzw. dem Hinweis, dass „....DIE GERMANEN NUN SCHLEUNIGST DIE HILFSTRUPPEN HERAN FÜHREN WOLLTEN“, und in der Textstelle 56.19.5 geht er dann inhaltlich weiter mit den Worten, „ÜBERNAHMEN DIE IN BEREITSCHAFT STEHENDEN HILFSTRUPPEN, MACHTEN DIE ABSTELLUNGEN NIEDER UND GRIFFEN DANN VARUS SELBST AN...“. Er tut also nichts anderes als uns eine chronologische fortlaufende Aufzählung zu vermitteln. Zwei Satzteile also, die wie man liest im Prinzip zusammen gehören, die aber Cassius Dio mit der Nr. 5.) auseinander riss. Um es noch mal zu betonen, ein augenfälliger Grund für einen derart gekennzeichneten Textstellenwechsel ist nicht erkennbar. Aber man lässt ja nicht locker und es sollte bzw. es müsste doch eine Ursache dafür geben bzw. sich ein Hinweis dafür finden lassen. Und ich denke es gibt diesen bzw. es gab ihn auch. Ich möchte daher die folgende bereits vorgestellte Lösung dieser historischen Irritation zur Disposition stellen. In seiner Textstelle 56,19.4 ging es Cassius Dio noch einzig darum eine Handlung nieder zu schreiben, die lediglich aus dem Mobilisieren der germanischen Hilfskräfte bestand. Kampfaktivitäten werden in der Textstelle 56,19,4 nicht beschrieben. Folglich bezog sich diese Textstelle und die darin beschriebenen Vorkommnisse auch nur auf Geschehnisse die zum ersten Marschtag passten. Aber ab der Textstelle 56,19.5 ist im Gegensatz zum ersten Satzteil 56,19,4 erstmals in seiner gesamten Abhandlung auch von konkreten kriegerischen Ereignissen die Rede, die nicht nur angedeutet wurden. Nämlich jene Handlungen, die aus zeitlichen Gründen nur auf den zweiten Marschtag anwendbar sein können bzw. zutreffen konnten. Ich schließe daraus, dass aus der Sicht von Cassius Dio ab der Stelle mit der Ziffer 5.) der zweite Marschtag beginnen sollte, bzw. er ihn dahinter sah. Er flocht seine Botschaft wie man es schon fasst bei ihm gewohnt ist an dieser Stelle ein, ohne das er es näher aus formulieren wollte. Es war seine Absicht, dass er den Tag der sich lediglich auf die Kampfvorbereitungen bezog von dem Tag an dem die Kämpfe gegen die Abstellungen beginnen sollten, isolieren wollte. Deswegen hat er uns diese klare Markierungsgrenze gezogen, bzw. hinterließ sie uns. Er kleidete seine Vorstellungen nicht in viele Worte, sondern ließ eine neue Textstelle für sich sprechen. Einen anderen Beweggrund dahinter zu sehen, kann ich nicht erkennen. Aus dieser unscheinbaren Veränderung in seinem Textaufbau entnehme ich daher einen weiteren Hinweis dafür, dass uns Cassius Dio an dieser Stelle den Weg in den zweiten Marschtag ebnen wollte. Während also in der Textstelle 56,19.4 noch alles relativ ruhig und gesittet zu ging, nimmt die Sache dann mit Beginn der Textstelle 56,19.5 ernstere Züge an. In der Textstelle 56,19.5 überschlagen sich förmlich die Ereignisse und hier hätte Cassius Dio vielleicht gut daran getan, besser eine zusätzliche Textstelle einzuschieben, weil es ereignisreicher wurde. Der entscheidende Moment in dem die Germanen Varus und seine Männer verließen, muss für Cassius Dio und seine Quellen einer einschneidenden Weichenstellung gleich gekommen sein, also eine wichtige Bedeutung gehabt haben. Denn diese Phase war für alle der ultimative Wendepunkt nämlich die Hinwendung zum Beginn der Schlacht. Einer Schlacht, die mit der Niederkämpfung der Abstellungen seinen Anfang nahm. Denn man wusste erst im Nachhinein, dass jene sich nun entfernenden und sich bis dato friedfertig verhaltenden Germanen ab diesem Zeitpunkt ihre wahre Gesinnung zeigten und diese nicht mehr verbergen wollten. Die kriegerische Absicht muss ihnen schon vorher ins Gesicht geschrieben gewesen sein, obwohl sie sie auf dem Zug vor den Römern noch geschickt hinter ihrer Mimik verbargen. In diesem Augenblick fielen für die Historiker die Schatten von den Augen und ihr aller Blick richtete sich auf das Unternehmen „Varusschlacht“. Das sich Entfernen der Germanen von der Truppe war ein nicht rückholbarer Einschnitt und somit ein bedeutsames Ereignis. Es fiel aber auch bereits in eine fortgeschrittene Tageszeit, in der die Germanen keine großen kämpferischen Aktionen mehr entfalten konnten. Dieses war dem folgenden also dem zweiten Marschtag vorbehalten. Die Historiker, die die Senatsakten sammelten, verfassten oder für die Nachwelt aufbereiteten, aus denen Cassius Dio dann schöpfen durfte und aus denen er unter anderem seine Informationen entnommen haben soll, konnten nicht sagen, wann Arminius auf seine auf ihn wartenden Hilfskräfte stieß, denn dazu stand nichts in den frühen Annalen und keine römische Zunge sprach mehr dazu ein Sterbenswort. Sie hätten sie schon am ersten Marschtag abends, oder vielleicht auch erst in der Nacht auf den zweiten Tag, oder in den Morgenstunden treffen können. Aber einen unwegsamen Nachtritt schließe ich aus. Wer wollte das alles noch mit Bestimmtheit sagen. Ich präferiere einen Ritt während der hellen Tageszeit frühestens ab 15 Uhr aufbrechend und spätestens gegen 20 Uhr bei seinen Leuten eintreffend. So konnten die Germanen gemäß Textstelle 56,19,5 auch erst am zweiten Marschtag in aller Frühe die Abstellungen nieder machen und griffen auch dann erst Varus an diesem fiktiven 25.09.0009 selbst an. Am frühen Abend bzw. in der Nacht angegriffene Römer hätten möglicherweise auch noch im Schutz der Dunkelheit entkommen und Varus warnen können. Für den ersten Marschtag reichte die Zeit für diese Kämpfe nicht mehr aus, denn es senkte sich der Stand der Sonne zusehend. Und so griffen sie also Varus am zweiten Marschtag an, als dieser sich schon sehr weit vom letzten Lager (nämlich Brakel) entfernt hatte. Denn sie befanden sich nun seit dem Vortag nicht mehr auf dem relativ gut begehbaren römischen Hellweg, sondern schon in jenen schwer passierbaren möglicherweise präparierten Waldgegenden, wo sie dann wie überliefert sogar schon Bäume fällen mussten, um sich einen Gehweg zu bahnen. Wir halten also abschließend fest. Varus wurde am zweiten Marschtag angegriffen und das beschrieb Cassius Dio ab der Textstelle 56,19,5. (09.04.2019)

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Sonntag, 31. März 2019
Die „zweite Offenbarung“ des C. Dio - Chronologie war nicht seine Stärke
Das nun folgende und recht lange Kapitel wird Sie auch dementsprechend beschäftigen. Bitte nehmen Sie sich die Zeit und die Ruhe und lesen Sie es nötigenfalls auch zwei Mal. Einen antiken Historiker wie Cassius Dio nach rund 1800 Jahren angemessen bewerten zu wollen, kommt dem Unmöglichen sehr nahe. In dieser längst versiegten Quelle immer wieder zu schürfen liegt aber in der Notwendigkeit der Sache und meiner Zielsetzung. Das von Cassius Dio geschilderte Szenario zu ergründen wird auf eine sonderbare Weise erschwert und erschließt sich erst nach mehrfacher Lesung. Denn in seiner Überlieferung steckte gleichzeitig ein hohes Maß an Nachvollziehbarkeit aber gepaart mit Rätselhaftem. Das verleitete zu scheinbar schlüssigen Interpretationen, die dann ein vorschnelles Ende fanden. Den Lesern meiner Zeilen auf diesen mühseligen Weg mit zu nehmen erfordert seine Geduld und Aufmerksamkeit. Der Komplexität bewusst habe ich eine Form der Darstellung gewählt, die mich auf die Idee gebracht hat, mich der Thematik nicht nur einmal an zu nähern. Ich habe den Blickwinkel darauf daher immer wieder neu justiert um den möglichen Sachverhalt von verschiedenen Positionen aus betrachten zu können. Was wie Wiederholungen erscheinen mag, soll unser Einfühlungsvermögen schärfen damit kein Gedankengang verloren geht. Nach der Sisyphus Arbeit die erste Offenbarung aufzuspüren, folgt nun daraus resultierend eine weitere Schlussfolgerung. Cassius Dio hatte uns wissentlich, unwissentlich oder auf Basis seiner eigenen Auslegung der ihm vorliegenden Quellen einen gut versteckten, aber umso wichtigeren Hinweis überliefert. Ich hatte diesen Hinweis den „verschwundenen Marschtag“ genannt. Im letzten Kapitel bin ich detailliert darauf eingegangen und habe dazu einen Erklärungsstrang gelegt. Durch diese Entschleierung wurde es mir auch erst möglich das Geschehen um die Varusschlacht auf maximal vier Marschtage einzugrenzen. Aber nicht nur das. Im Zuge dieser Erkenntnis gelang es, wenn auch nur zum Teil, die an diesen Tagen jeweils statt gefundenen Handlungen, ob sie von germanischer oder von römischer Seite ausgeführt wurden, zu- bzw. einzuordnen. Dies wurde mir erst möglich, in dem ich die von Cassius Dio erzählten Ereignisse auf ihren jeweiligen Zeitbedarf hin analysierte. Mein Fazit bestand letztlich darin, dass es Arminius nie und nimmer möglich gewesen konnte, alle geschilderten Aktivitäten nach dem Verlassen des Sommerlagers an einem einzigen Tag bewältigen zu können. Aber auch Varus brauchte für alles seine Zeit. So kam man nicht ohne den besagten zweiten Marschtag aus. Das mir diese Aufdeckung auch noch dabei half mit ihr die Zweiteilung des Marschzuges ab Brakel zu untermauern, führte zu einer weiteren Erleuchtung eines dunklen Kapitels deutscher Frühgeschichte, sozusagen einem Nebenprodukt. Hat man aber erst einmal einen Ansatzpunkt gefunden, so wäre man schlecht beraten, wenn man dieses Wissen nicht auch für den weiteren Verlauf der Mehrtagesschlacht nach dem Marschtag Nr. 1.) nutzen würde. Und natürlich habe ich diese Spur auch weiter verfolgt. Denn sie macht neugierig darauf, wie Cassius Dio denn nun die Abfolge der Ereignisse in die vier Tage ein sortierte bzw. auf sie verteilen würde. Um eine gewisse Ordnung beizubehalten blieb es ihm nicht erspart sich eine Form der Chronologie der vier Marschtage auf zu erlegen. Aber nicht vergessen, erst nach dem Aufspüren des „verschluckten“ Marschtages wurde es überhaupt erst möglich, in diese interessante Methodik der Verkettung einzusteigen. Und nur diesem Wissensgewinn ist es letztlich zu verdanken, dass es jetzt einen Weg geben könnte, der uns mehr Einblick in den Verlauf der Varusschlacht ermöglichen könnte. Cassius Dio und seine Zeit, schließlich begann nur 50 Jahre nach seinem Tod schon das, was wir die Spätantike nennen, die ihm vorliegenden Quellen, aber auch die Resultate zahlreicher Übersetzungsarbeiten der Altphilologen haben uns einen umfänglichen Stoff zur Analyse hinterlassen. Wo endete der erste Marschtag, dieser fiktive 24.9.0009, welche Ereignisse können wir an ihm fest machen. Wie begann der zweite und was trug sich am dritten oder vierten Marschtag zu und was lässt sich all diesen Tagen und Nächten zuordnen, die dazwischen lagen. Wir stoßen auf interessante Details, aber wir spüren auch die Unsicherheit von Cassius Dio wie er wankt und mit sich selbst zauderte und mit den Quellen gehadert haben dürfte. Wir erkennen es in der Art und Weise, wie er alles wieder gab. Dieses zweite Kapitel nach der Aufdeckung der nötigen Marschtage befasst sich nun mit der Textgestaltung, Formulierung und dem Textaufbau, so wie es Cassius Dio pflegte bzw. gewohnt war, es nieder zu schreiben. Und ein Blick auf seine besondere Schreibweise, aber vor allem seine suspekte Chronologie verrät uns viel. Denn nun öffnet sich erst langsam die Tür und gibt den Blick frei auf die textuellen Brüche die zwangsläufig die gesamte Chronologie stören müssen. Cassius Dio konnte dies wegen seiner diffusen Quellenlage auch bei bestem Willen nicht vermeiden. Er hatte selbst Mühe genug, nach dem inneren Zusammenhalt bzw. dem roten Faden einer Mehrtagesschlacht zu fahnden, von der er sich 200 Jahre nach der Schlacht selbst kein klares Bild machen konnte. Da man die Ereignisse von zwei Tagen nicht in einen einzigen Tag drücken kann, blieb es also nicht aus, dass darunter die zeitliche Abfolge litt und ins Hintertreffen geriet was zu Irritationen führt. Alle Tageszeiten wie Morgen, Mittag, Abend und Nacht beanspruchten ihren Platz im Kontext der Geschehnisse und sollten ineinander greifen. Wo das eine unklar oder unausgesprochen bleibt, hinterlässt es woanders neue Rätsel. Und man kennt es aus der Mathematik. Ein einmal übersehener Fehler setzt sich fort, zieht sich durch die ganze Rechnung und führt zum falschen Endergebnis. Cassius Dio war bestimmt kein Zyniker und hat uns sicherlich nicht auf eine Fährte gelockt hat, damit wir uns unser eigenes Urteil bilden sollten. Er wusste es einfach nicht besser. Aber er ließ bekanntlich sogar einmal selbst durchblicken, dass auch er damals, schließlich schrieb er 200 Jahre nach der Schlacht, schon Probleme damit hatte, die Dinge richtig wieder zu geben oder zuzuordnen. Womit er sich übrigens auch angreifbar machte. Denn viele Historiker führen seine Selbstzweifel auf eine als restriktiv geltende Herrscherklasse zurück, die ihn angeblich daran gehindert habe, unliebsame Wahrheiten auszusprechen. Eine Verunglimpfung des Staates sollte demnach unterbunden werden. Ich halte das für eine falsche Auslegung. So hinterließ er uns Räume für neue Gedanken, die auch er selbst nicht imstande war schlüssig und verständlich zu füllen, wir aber vielleicht aus der Retrospektive beantworten können. So sprang er „Nonchalance“ über vieles einfach hinweg in dem er keine Verbindung herstellte bzw. darauf verzichtete oder aus eigener Unklarheit heraus nur Halbsätze formulierte. Die Freilegung des zusätzlichen Marschtages aus der sich dann wie von selbst die chronologischen Verwerfungen innerhalb seines Textaufbaus entwickelten und man sie heraus lesen kann, bildet den Kern dieses Kapitels. Beides, sowohl der entdeckte bzw. bislang immer gesuchte Marschtag in Verbindung mit den darauf aufbauenden chronologischen Brüchen führt bzw. mündet aber in die gleichen von mir aufgestellten Theorien. Aber Stop, hat man denn überhaupt jemals nach einem fehlenden Marschtag plausibel und ernsthaft gesucht, hat man die Möglichkeit in Betracht gezogen bzw. hat man einen Marschtag schon mal vermisst ? Hatte man denn nicht immer nur gerätselt und sich gewundert, dass das alles irgendwie nicht stimmen konnte, wusste aber nie woran es lag ? Aber nun bringt uns die Schriftenerforschung dazu zu mutmaßen, dass Varus am Morgen des zweiten Marschtages den Marschzug in Brakel aufteilte, ja sogar aufsplitten musste. Er setzte die Frauen und Kinder im Marschzug eben nicht der Rebellengefahr aus und machte daher auch aus einem Marschzug zwei Marschzüge. Einen militärischen der nach Süden ins Kampfgebiet zog und einen Zivilen, der sich auf sicheren Pfaden nach Westen bewegen sollte. Sie merken, dass es unvermeidbar ist von Zeit zu Zeit im Verlauf meiner Darstellungen zurück greifen zu müssen, um den Faden nicht zu verlieren. So auch jetzt und hier. Zu Beginn seiner Berichterstattung, als die Legionen ihr Sommerlager verließen, hat Cassius Dio die Geschehnisse dermaßen stark zusammen gestaucht, in meiner Heimatstadt Wuppertal sagte man früher dazu auch zusammen gestuckt, dass es uns allen hätte eigentlich früher auffallen müssen. Möglicherweise ist es auch aufgefallen. Mir sind aber keine Personen bekannt geworden die ebenfalls darauf stießen. Einem Militärhistoriker oder einem Paterculus als Schriftsteller, wäre es vielleicht schon vor 2000 Jahren aufgefallen, Cassius Dio könnte es übersehen haben. Denn auch damals konnte man nicht an der Feststellung vorbei kommen, dass sich diese Abläufe gar nicht an einem einzigen Tage bewältigen ließen. Man brauchte dafür also zwei Tage statt einem Tag. Nämlich den ersten Tag vom Sommerlager zum ersten Marschlager nach Brakel und den zweiten Tag vom Marschlager Brakel zu den Rebellen ins Aufrührergebiet. Ich hatte es im voraus gegangenen Kapitel ausführlich und hoffentlich verständlich dargestellt. Denn so einen langen Tag gibt die Natur sprich das Tageslicht nicht her. „Der längste Tag“ ist übrigens schon reserviert, es wurde der 6. Juni 1944 und der begann schon kurz nach Mitternacht. In diesem Abschnitt kann ich nun wie angekündigt eine weitere Interpretation nachschieben. Denn basierend auf dem letzten Kapitel zum entschlüsselten Marschtag lässt sich nun erst eine weitergehende Theorie entwickeln oder besser gesagt darauf aufbauen und die nimmt Formen an, wenn man sich der weiteren chronologischen Abläufe zu wendet. Denn die Ereignisse wollen ja nun plausibel auf zwei Tage verteilt sein. Cassius Dio vermittelte uns leider den Ablaufhergang ohne die beiden Marschtage nachvollziehbar voneinander zu trennen. Also möchte ich mich daran versuchen die Zeiten und Handlungen die uns wie zusammen gebacken erscheinen, zu entzerren. Wir können also wenn überhaupt, nur schwerlich erkennen, welche Handlung in den ersten und welche in den zweiten Marschtag gehörte, aber es könnte gehen. Aber wie kam es überhaupt dazu. Eine Erklärung dafür sah ich in der Quellenunsicherheit, der sich Cassius Dio selbst ausgesetzt sah. Er sah deutlich ein Missverhältnis vor seinen Augen, aber seine Quellen gaben nicht mehr her, um es für uns kenntlicher machen zu können. Zudem lagen ihm keine Terrainstudien vor und er konnte sich kein Bild von der Landschaft, dem Wegezustand, den Entfernungen, dem Wetter und den Zugzeiten machen. Er musste folglich auf ein plausibles chronologisches Gerüst verzichten. Sich in unsere penible moderne Welt hinein zu versetzen, die später den Hergang unbedingt möglichst minutiös analysieren wollte, wäre wohl von ihm zuviel verlangt gewesen. Es kam ihm nicht darauf an und interessierte ihn nicht, ob spätere Generationen einmal wissen wollten, über wie viel Marschtage sich denn nun die Varusschlacht erstreckt hatte, wo sie statt fand, wie viel Legionäre den Tod fanden, wo diese vorher schliefen oder wann sie morgens aufstanden. Am Anfang nach dem Verlassen des Sommerlagers harmonierte sein Text noch halbwegs und man kann die Dinge noch dem ersten Marschtag zuordnen. Dann aber bleibt ihm wohl keine andere Wahl mehr, sie entglitten ihm zunehmend und er beginnt den ersten mit dem zweiten Marschtag zu vermischen. Zum Ende zu, lassen sich die Handlungen dann wieder recht gut dem zweiten Marschtag zuordnen. So gut, dass ich mich sogar etwas in die Details vor wagen kann. Dies versetzte mich zudem noch in die Lage den zweiten Marschtag in eine erste und eine zweite Tageshälfte zu unterscheiden. Fest machen lässt sich das konfuse Erscheinungsbild der ersten Marschtage gut im Zuge jener wichtigen Textstelle, in der er sich auf die Anwesenheit von Frauen und Kinder im Marschzug bezieht. Zugegeben, ein Frontberichterstatter wäre uns lieber gewesen, aber wir sind da nach 1800 Jahren nicht mehr so wählerisch. Sein Arbeitsfeld war mehr der Schreibtisch und das spürt man bei all seiner Wortwahl, die seiner Chronik zugrunde liegt. Seine Systematik, die Struktur und den Aufbau kann man also würdigen oder bemängeln, es bleibt sich gleich, denn wir können ihn nicht mehr befragen. Es als Konsul und Senator gewohnt zu sein, viele Dinge aus der Distanz heraus zu bewerten also eher der bürokratischen Richtung zu folgen und weniger der praktischen Richtung, muss zuerst einmal seiner Qualifikation als Historiker keinen Abbruch tun. Was aber nur gilt, wenn er sich auch an die ungeschriebenen Gesetze eines Chronisten gehalten hätte, was er aber nicht tat. Wir müssen es ihm also nachsehen, wenn seine Prioritäten anderen und uns unbekannten Zielrichtungen folgten. Diverse Darstellungen aus seiner Feder erscheinen uns da schon recht fragwürdig, aber Fragen lässt er sich nicht mehr. Man würde Cassius Dio Unrecht tun, täte man ihn mit Karl May vergleichen, aber auch er hatte nie das Land seiner Berichte und Erzählungen bereist. Aber auch Tacitus war übrigens nie in Germanien. Wie wäre es doch von Vorteil gewesen, beide Historiker hätten sich vorher einmal selbst in Ostwestfalen umgeschaut um das Terrain zu sondieren, bevor sie sich über die dortige Landschaft und die Menschen ausließen. Zudem nennt Cassius Dio Germanien nach griechischer Tradition und Lesart auch noch zu seinen Lebzeiten und das war im 2. bzw. im ins dritte Jahrhundert übergehenden Zeitalter immer noch die „Keltike“. Denn er war sich scheinbar immer noch nicht sicher, was denn den Unterschied zwischen Germanen und Kelten ausmachte und wo die einen und wo die anderen lebten. Wenn er schreibt „einige von den Kelten, die wir Germanen nennen”, so zeugt das doch von erheblicher Unsicherheit. So als ob er die ältere Taciteische etwa aus dem 1. Jahrhundert stammende Benennung „Germanorum“ gar nicht gekannt hätte. Dabei hatte es doch Tacitus so gut beschrieben, als er feststellte, dass der Rhein sich vor dem Batavergebiet in zwei Ströme teilte. Nämlich der Rhein der Germanien streifte und der seine Strömung bis zum Ozean beibehält und der andere, der breiter und sanfter am gallischen Ufer entlang fließt und von den Anwohnern nicht mehr Rhein, sondern Waal genannt wird. Deutlicher kann man keine Trennung mehr zwischen Kelten und Germanen bzw. Galliern und Germanen zum Ausdruck bringen. Man könnte hier den Anschein bekommen, dass Cassius Dio die Aufzeichnungen von Tacitus möglicherweise gar nicht eingesehen hatte. Um so erstaunlicher ist es daher, dass sich meiner Auffassung nach letztlich beide Historiker in ihren Aussagen zum Verlauf der Varus Ereignisse dann doch wieder einig sind. Denn sie hinterließen schlüssige Darstellungen die zusammen passten und letztlich zum gleichen Ergebnis kommen. Was übrigens auch für Florus gilt. So könnte man vermuten, dass die Schriften des Tacitus und die des Florus den Weg in die häufig zitierten Senatsakten gar nicht gefunden haben, mit denen Cassius Dio gearbeitet haben soll. Was den Stil von Cassius Dio anbelangt, so läge es sicherlich auch nicht in unserem Interesse zu viel schriftstellerisches oder bellestristisches Talent im Sinne überzogener Ausschmückung bei ihm zu entdecken. Denn was wir suchen und für die Rekonstruktion der Varusschlacht brauchen, sollte weniger lebendig oder gar blumig klingen, sondern vielmehr faktenorientiert geschrieben sein. Alles was C. Dio über das Varusschlachtfeld auch immer schrieb, er entnahm es älteren Vorlagen deren Herkunft nicht eindeutig geklärt ist. So könnten sich auch die Tacitus Schriften gar nicht unter seiner Stoffsammlung befunden haben. Seine Beschreibung der ostwestfälischen Landschaft ist überzogen, erscheint bei ihm topographisch extrem unwirtlich, nimmt urgewalte Formen an und wirkt auf uns daher tendenziell belastet, was uns nicht gefällt. Denn wer mal im gebirgigen Apennin unterwegs war, oder die schroffe italienische Riviera erkundet hat, der würde die eher harmlos und überwindbar wirkende Mittelgebirgslandschaft zwischen Egge und Weser nicht in derart drastischen Farben beschreiben. Nicht zum Frontberichterstatter geboren versuchte er sich rund 200 Jahre nach der Varusschlacht in der Rolle uns Nachgeborenen ein Kampfgeschehen, samt Ursache und Wirkung bis zum letzten Akt nach Möglichkeit verständlich zu machen und nachvollziehbar zu vermitteln. So gewährte er uns zwischen den Zeilen auch phasenweise interessante Einblicke in seine Methodik vor allem aber in die Besonderheit seiner speziellen Art von chronologischer oder besser gesagt eben leider auch anachronistischer Wiedergabe. Was auf den „verschluckten“ Marschtag zurück zu führen ist. Denn in diesem Punkt ließ er sich aufgrund seiner schwammigen Quellen verleiten und bringt sich wider besseres Wissens und ungewollt selbst vom Pfad der Kontinuität ab. Saubere Recherche blieb auch schon ihm 200 Jahre nach der Schlacht verwehrt. Wir haben es noch aus dem letzten Abschnitt gut in Erinnerung, wie er uns, und das in seiner Lage unbeabsichtigt einen ganzen Marschtag verschweigt. Obwohl es für ihn ein leichtes gewesen wäre, und nur eines einzigen erklärendes Satzes bedurft hätte, hätte er über bessere also ausführlichere Quellen verfügt. Aber genau darin liegt ein weiteres und interessantes Problem begraben, mit dem ich mich ja nun in diesem Abschnitt beschäftigen möchte. Denn eine Chronologie in Form zeitlich ineinander greifender Abfolgen zum Geschehen suchen wir bei ihm aufgrund der geschilderten Komplikationen in einigen Textabschnitten leider vergeblich. So zieht er Abläufe vor, stört dadurch den Zusammenhang und reißt, für unsere kritischen Blicke einige Textstellen aus dem Lesefluss. Damals ließ man es ihm ohne besseres Wissens durch gehen, heute wollen wir es genauer wissen. Diese Versatz Elemente und eine sich daraus entwickelnde neue und andere Struktur geben jedoch ein verändertes Bild zum Präludium der Schlacht wider, was uns einen neuen Blickwinkel gestattet. Und was zwangsläufig in eine andere Logik der gesamten Schlachten Interpretation mündet. Aber eine Logik, die meine Theorie über die mit marschierenden Frauen und Kinder im Zug stützt und bestätigen würde. Die aber nicht für den zweiten Marschtag zutrifft, denn ich sehe die Frauen und Kinder vor meinem geistigen Auge nur im Streckenabschnitt zwischen Höxter, Brakel bzw. Anreppen marschieren und keinesfalls auf dem Weg ins Rebellengebiet. Die sich für uns daraus erschließende neue Sichtweise auf seine Überlieferung verändert dadurch wie angedeutet den ganzen Kontext, sowohl bezogen auf die Anfangsphase im Verlauf des ersten Marschtages als auch auf die Aufmarschphase zur bzw. in die eigentliche Varusschlacht. Nämlich hin orientiert zu meiner Hypothese zweier Marschzüge, die das Lager Brakel am Morgen des zweiten Marschtages in zwei unterschiedliche Richtungen verließen. Sein mit zivilen Aspekten aber auch emotionalen Darstellungen durchsetzter Stil kann schon mal den Leser etwas verwirren. In seiner Zeit setzte man vermutlich die Schwerpunkte mehr auf allgemeine Verständlichkeit, als auf die Information im Detail. Cassius Dio war ein Staatsbeamter und eben kein Julius Cäsar. Cäsar hätte uns wie wohl auch Carl von Clausewitz die Mehrtagesschlacht aus der Sicht eines Militaristen völlig anders beschrieben. Voll gepackt mit strategischen Erwägungen hätten diese den Manövern und den taktischen Schritten im Kampfe mehr Raum gegeben und sich nicht mit Nebensächlichkeiten abgegeben. Cäsar erwähnt zwar in seiner „De Bello Gallico“ auch Frauen, Kinder und Greise, aber nur dann wenn sie bei Fluss Überquerungen ertrinken. Cassius Dio hingegen erwähnt sie, um damit die erschwerten Marschbedingungen zu begründen. Cäsar weist ihnen also mehr die Opferrolle zu. Sicherlich gibt es viele wissenschaftliche Studien, die die Werke von Dio mit denen des Cäsar in Gänze abgleichen. Es in diesem Zusammenhang mit der Varusschlacht zu thematisieren würde jedoch zu weit ausgreifen und wäre damit nicht zielführend. In diesem Abschnitt möchte ich nur die folgenden Textstellen aus seiner Überlieferung heraus greifen und sie näher betrachten bzw. kommentieren. Cassius Dio leitete also, nachdem er sich mit den größeren Zusammenhängen der Varusschlacht beschäftigt hatte, die für diese Analyse nicht von unmittelbarer Bedeutung sind auf die näheren Umstände der Schlacht über. Er beschreibt uns darin auf Basis der von ihm studierten und von ihm zugrunde gelegten Quellen die Ausgangslage bis zum Beginn der Kämpfe. Dann geht er einen Schritt weiter und vermittelt uns sein Untersuchungsergebnis bzw. seinen Eindruck den er vom Kernverlauf der Varusschlacht hat. Er machte aber von seinen journalistischen Freiheiten Gebrauch und berichtete so, wie nur er es für richtig hielt. Wie er es für uns sortiert oder besser gesagt für uns vorsortiert und aufbereitet hat. Seine Niederschrift wird für uns zu einer Bibel über den Verlauf der ganzen Varusschlacht, denn es gibt nichts umfassenderes. Dabei wird schnell verkannt, dass nur ihm es oblag heraus zu filtern, welche Quellen er nutzen und aufbereiten wollte. Aber vor allem auf welche Weise er sie uns Preis geben wollte. Eine protokollarische Vorgehensweise oder Rangordnung einzuhalten war vor 1800 Jahren nicht der Standard. Nach welchem Prinzip ging er also vor. Ich hatte der Analyse breiten Raum gegeben und begründet, warum es aus Zeitgründen Arminius und Varus nicht gelungen sein konnte, die zahlreichen Handlungen in der Abfolge an einem einzigen Tag, nämlich dem ersten Marschtag zu bewältigen. Sie also letztlich zwei Tage dafür benötigten. Dies mündete in die Theorie, dass hier ein ganzer Marschtag aus dem Blickfeld geriet, der die Struktur der Schlacht verwirbelte. Das Varus folglich die Frauen und Kinder nicht mit in die Schlacht nahm, sondern sie auf schnellstem Wege nach Anreppen führte war ein Resultat der Logik. Aber Cassius Dio bestätigt uns diese Schlußfolgerung zusätzlich auch noch selbst im Zuge seiner chronologisch abgefassten Textstellen, die ich teilweise eher als anachronologisch also anachronistisch einstufe. Mit dem Aufspüren des bislang verdeckten zweiten Marschtages könnte man annehmen, Cassius Dio habe sich selbst ein Bein gestellt. Denn im Gewirr der Aufmarschaktivitäten zur Varusschlacht verlor er selbst etwas die Übersicht und die Orientierung und hinterließ uns dadurch erst die offenen Fragen. Und die Abläufe die er sich selbst nicht richtig erklären konnte, überließ er indirekt uns. Dies gilt es weiter zu erforschen und heraus zu finden an welchen Textstellen er für uns den ersten Marschtag fest machte, wann er in einem Hinweis zwei Marschtage mit einander verband und wann er eindeutig den zweiten vom ersten Marschtag erkennbar abkoppelte. Indem wir diese Reihenfolge entschlüsseln in die er die einzelnen Episoden der Handlung setzte, hilft es uns bei der Auflösung bestehender Unsicherheiten, die uns die Varusschlacht hinterlassen hat. Und wir können uns ein Bild über den Verbleib der Frauen und Kinder im Marschzug machen. Wie ging er also vor. Zuerst musste er den Hunger seiner Zeitgenossen und wohl auch den der Nachwelt stillen um dem allgemeinen Begehren nach zu geben, Varus für die Ewigkeit negativ abzustempeln. Er legte folglich, und das sehr ausgeprägt die Betonung auf die diversen Fehleinschätzungen und taktischen Irrtümer die Varus beging und berichtet dann über die außerordentlich schlechten Marschbedingungen, die Wetterverhältnisse, bis hin zu den ersten germanischen Angriffen. Dazwischen aber schiebt er uns dann jene Information, die sich nicht klar einem Marschtag zuordnen lässt. Grund dafür ist meine auf empirische Weise gewonnene hypothetische Erkenntnis, dass Cassius Dio zwei Marschtage zu einem Marschtag verschmolzen hat bzw. bei mir diesen Eindruck erweckt hat. Unstrittig ist die Textstelle, dass im Herbstzug auch Frauen und Kinder mit liefen bzw. sie auf Karren mit geführt wurden. Strittig ist allerdings, wann sie zur Auflösung der Marschordnung beitrugen. Sie waren definitiv dabei, aber mit ihrer Positionierung im Text hat Cassius Dio sie meines Erachtens in der Reihenfolge verschoben. In die Bredouille brachte er sich unbewusst selbst, da er sich mit dem „übersehenen“ zweiten Marschtag ein Bein stellte. Es folgt nun der Versuch ihnen meine gedankliche Zielrichtung mit möglichst wenigen Erklärungen und Argumenten plausibel zu machen. Ich habe daher die Darstellung in zwei Orientierungshilfen gegliedert. Die erste Hilfe konzentriert sich unmittelbar auf die Textstellen von Cassius Dio.

1. Und zwar die Ziffern:
56,19,1 bis 56,20,5
(versehen mit entsprechender Kommentierung).
Wobei der Textstelle 56,20,2 mit großer
Aussagekraft über die
„Frauen und Kinder“ im Marschzug meine
besondere Aufmerksamkeit gilt.

unter 56,19,1
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lesen wir, dass Varus „der Versager“ seine Truppen nicht konzentrierte. Man es ihm also ankreidete, dass er wichtige Truppenteile, nämlich die so genannten Abstellungen in die Peripherie schickte, obwohl er bereits rechtzeitig von einer drohenden Gefahr wusste, bzw. davor gewarnt war und er sie möglicherweise noch vor Marschbeginn zur Verstärkung hätte zurück beordern können. C. Dio bietet hier der Nachwelt eine griffige und allgemein gehaltene Fassung über Ursache und Wirkung an, in dem er Varus schon an dieser Stelle für seinen groben Schnitzer brandmarkt. Es ist allerdings eine übergeordnete und anachronistische Feststellung, da man sie keinem konkreten Marschtag zuordnen kann.

unter 56,19,2
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erfahren wir von seiner Schwäche die Gefahr unterschätzt zu haben, die von Arminius und Segimer aus ging bzw. von ihnen ausgenutzt wurde, zumal sie doch ständig seine Gäste waren. Hier legt C. Dio schonungslos sein Unvermögen offen. Auch dies ist wieder eine übergeordnete und anachronistische, also eine zeitlich keinem Marschtag zuordnungsfähige Feststellung.

unter 56,19,3
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wird seine dumpfe stoische Gutgläubigkeit unterstrichen, indem er sich sicher zu sein glaubt, dass ihm nichts zustoßen würde und er daher den Mahnern keinen Glauben schenkte. Ich sah dies bekanntlich anders, da Varus eine besondere Affinität zu den Cheruskern gehabt haben könnte, da sie ihm möglicherweise gegen Marbod beigestanden hätten. In diesem Fall ist es aber ebenfalls eine anachronistische Aussage, denn auch diese lässt sich an keinen bestimmten Tag fest machen.

unter 56,19,4
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gipfelt alles in der Darstellung seiner völligen Ahnungslosigkeit, nämlich die Taktik der Germanen in Gänze nicht durchschaut zu haben, die ihn erst Vertrauen erweckend begleiteten, dann aber bekanntlich an griffen, als er selbst bereits weit ins Feindesland vorgedrungen war. In diesem Fall ist es eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Beschreibung. Denn es wird hier sehr gut deutlich, dass es sich um den ersten Marschtag handelte. Aber interessanterweise erwähnt er in dieser Phase nicht die Frauen und Kinder im Marschzug, obgleich sie gemeinsam mit Varus das Sommerlager verlassen hatten. So stellten sie möglicherweise am ersten Marschtag noch kein Hindernis dar, oder Cassius Dio erwähnte es nicht explizit. Was verstand Cassius Dio unter der Wortwahl, „trugen zur Auflösung des Marschzuges bei“. Man kann es sich vorstellen, denn es werden wohl Disziplin und Ordnung gewesen sein. Und diese ließen sicherlich auch schon am ersten Marschtag zu wünschen übrig, als man noch alles recht locker anging. Im zweiten Teil der Darstellung gewährt uns Cassius Dio schon einen Ausblick bis weit in die zweite Tageshälfte des zweiten Marschtag bzw. deutet es uns uns schon vorsichtig an. Aber die dargestellten Handlungen sind allesamt noch dem ersten Marschtag zuzuordnen, als noch keine Angriffe einsetzten. Er beginnt aber bereits zum Ende der Textstelle 56,19.4 hin mit der Vermengung beider Tage und leistet damit einen Vorschub auf die gewaltigen Ereignisse des zweiten Marschtages, was dann erst in der folgenden Textstelle deutlicher wird.

unter 56,19,5
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lesen wir, dass die Arminen die germanischen Hilfstruppen übernehmen wollten. Was vermutlich kurz vor dem Erreichen des Etappenlagers Brakel geschah. Die Germanen trennten sich also von den Römern und entschwanden in den Nachmittag bzw. in die Dämmerung des frühen Abends hinein. In dem Moment also, in dem die Cherusker den Marschzug verlassen, endet für Cassius Dio der erste Marschtag und es mehren sich nun die Anzeichen, die für den zweiten Marschtag sprechen, denn nun werden möglicherweise schon in der Nacht die Abstellungen nieder gemacht und Arminius greift im Hellen des zweiten Marschtages mit den Germanen die Legionen an. Auch hier liegt uns eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung vor. Das Wegreiten der Arminen und die Mobilisierung der Hilfskräfte fällt für Cassius Dio schon in das Geschehen des zweiten Marschtages. Der angekündigte Angriff der Germanen auf die Legionen kam nach dem Zeitbedarf zu urteilen aber erst in der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtag zustande.

unter 56,20,1
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beschreibt er uns die Marschbedingungen auf nahezu unbegehbaren Wegen, die deswegen erst von den Pionieren herzurichten waren. Und er weist darauf hin, dass diese Arbeiten „noch vor“ den ersten germanischen Angriffen statt fanden. Hier vollzieht Cassius Dio einen sehr deutlichen Wechsel vom ersten auf den zweiten Marschtag. So ist hier auch eine chronistische also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung möglich, denn die Handlung kann zweifellos der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages zugeordnet werden. Am ersten Marschtag war man bekanntlich noch auf der gut begehbaren Strecke von Höxter nach Brakel unterwegs. Da man aber am zweiten Marschtag morgens ab Brakel den gut ausgebauten Hellweg verlassen hatte, begannen die Wege auch erst am zweiten Marschtag und folglich in der ersten Tageshälfte unbegehbar zu werden und in der zweiten Tageshälfte setzten die Angriffe der Germanen ein. In der ersten Tageshälfte am zweiten Marschtag also nach dem Verlassen des Brakeler Lagers gab es auch wie uns überliefert ist, noch keine germanischen Angriffe. Diese entwickelten sich erst im Verlauf der fortgeschrittenen Zeit, also der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtages. Cassius Dio sagt es ja deutlich, denn die ersten Wegearbeiten fanden noch „vor“ den germanischen Angriffen statt. Nach meiner Hypothese fanden die Wegearbeiten erst in der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages statt, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht angegriffen wurden. Am ersten Marschtag waren wegen der gut ausgebauten Verbindung noch keine Wegearbeiten nötig.

aber unter 56,20,2
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wird es nun spannend, denn jetzt (erst) folgt der verdächtige eingeschobene Hinweis, dass ihnen auch „FRAUEN UND KINDER“ folgten, die zur Marschauflösung beitrugen. Wollte er uns damit sagen, das sich die „FRAUEN UND KINDER“ auch noch am zweiten Marschtag innerhalb der Legionen bewegten, die zu den Rebellen zogen. Oder wollte er damit nur grundsätzlich zum Ausdruck bringen, dass sie zu einer permanenten Auflösung der Marschordnung beitrugen. Im zweiten Fall wäre diese Aussage eine pauschale übergeordnete und anachronistische, also keine tagesbezogene zuordnungsfähige Darstellung, denn man kann sie sowohl dem ersten, als auch dem zweiten Marschtag zuordnen. Blickt man auf die Reihenfolge, dann kommt nach der Textstelle 56,20,1 die Stelle 56,20,2 und es war somit zweifellos der zweite Marschtag angebrochen. Cassius Dio könnte die Textstelle 56,20,2 auch verschoben haben und wollte sie noch unter dem ersten Marschtag statt dem zweiten Marschtag verstanden wissen. Er brachte den Hinweis relativ spät, was uns verführt sie dem zweiten Marschtag zuzuordnen. Also dem Tag an dem man schon begonnen hatte die Wege her zurichten um sie passierbar zu machen. Das spricht auch für ihre Anwesenheit noch am zweiten Marschtag. Grundsätzlich könnten die Frauen und Kinder die Marschordnung natürlich sowohl schon am ersten als auch am zweiten Marschtag gestört haben. Ich vertrete nun die Theorie, dass die Frauen und Kinder den Marschzug bereits ab dem ersten Marschtag gestört haben mussten, und nicht erst am zweiten Marschtag. Zweifellos könnten sie aber am zweiten Marschtag als die Wege schwieriger wurden besonders gestört haben, so dass Cassius Dio sie auch aus diesem Grunde erst zu diesem Zeitpunkt erwähnt. Meiner Überzeugung nach waren sie jedoch an dem Marsch zu den Rebellen schon gar nicht mehr beteiligt, da man sie von Brakel aus direkt nach Anreppen schickte. Für Cassius Dio und seine Quellen waren Frauen und Kinder in einem Marschzug der einem militärischen Kampfauftrag folgte grundsätzlich ein Störfaktor, der sich zweifellos von Anfang an also vom ersten Marschtag an bemerkbar gemacht haben dürfte und nicht erst am zweiten Marschtag. Es schien sich aber sehr gut in die heikle Dramaturgie einzufügen um dem späteren Leser damit auf die besonders schweren Bedingungen des zweiten Marschtages hinzuweisen. Ob die Frauen und Kinder da noch dabei waren oder nicht spielte nicht unbedingt eine Rolle, aber es fügte sich gut in das ab hier beginnende Desaster. Weiterhin vertrete ich die Auffassung dass Cassius Dio von einem zivilen Marschzug von Brakel nach Anreppen gar nichts wusste, denn es ging aus seinen Quellen nicht hervor. Seinem Wissenstand folgend musste er annehmen, Varus habe sie auch mit ins Rebellengebiet genommen. Daher blieb es für Cassius Dio auch gleich zu welchem Zeitpunkt er uns auf die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug aufmerksam machte. Da aber Cassius Dio den ersten und den zweiten Marschtag hinsichtlich seiner literarisch, technischen Darstellung nicht voneinander isoliert betrachtete, ziehe ich daraus den Schluss, dass dieser Teil der Textstelle darauf hin deutet, dass wir den Schluss wagen können, dass Cassius Dio die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug nur für den Teilabschnitt von Höxter nach Brakel dokumentierte und ihre Anwesenheit nicht im zweiten Marschtag zu den Rebellen sah. Aber gestatten Sie mir den Hinweis, dass sie es hier nur mit einer Hypothese zu tun haben.

unter 56,20,3
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kommt dann die Erklärung, dass sich die Marschbedingungen durch die Wetterbedingungen extrem problematisch entwickelten. Innerhalb dieser Textstelle erwähnt er erneut keine „FRAUEN UND KINDER“ mehr und auch noch keinen Angriff der Germanen. Aber innerhalb dieser Textstelle hätte die Erwähnung der Frauen und Kinder und der ersten Kämpfe gegen die Germanen Sinn ergeben. Bei mehrfacher Anmerkung, dass sich Frauen und Kinder im Marschzuge zu den Rebellen befanden, hätte ich gezögert meine Theorie aufzustellen. Eine Darstellung die folglich noch gut in den Kontext der ersten Tageshälfte des zweiten Marschtages passt.

erst unter 56,20,4
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erfahren wir, dass nach zögerlichem Beginn nun die heftigen Angriffe folgten bis hin zu den ersten Nahkämpfen. „FRAUEN UND KINDER“ finden erneut keine Erwähnung mehr. Die Überlieferung von Cassius Dio hätte aber besonders unter diesen Bedingungen stark an Glaubhaftigkeit gewonnen, wenn er auf ihr Schicksal auch nur mit einer kurz gehaltenen Bemerkung eingegangen wäre. Denn genau in diesem Moment dürfte ihm eigentlich klar gewesen sein, das nun jeder Leser seiner Schriften etwas über sie erfahren wollte. Aber er schwieg. Und er schwieg deswegen, weil ihm seine Quellen nichts mehr dazu verrieten. In der Konsequenz schließe ich daraus, dass ihm die Quellen auch nicht mehr dazu sagen konnten, weil sich die Frauen und Kinder ab Brakel schon gar nicht mehr im Zug zu den Rebellen befanden. Wenn denn Cassius Dio berichtet, dass sich „nicht wenige“ Frauen und Kinder im Marschzug aufhielten und nicht wenige ungefähr dasselbe sind wie viele, so ist das plötzliche Ausbleiben jeglicher Erwähnung von ihnen zumindest erstaunlich. Es folgten nun jene Ereignisse die sich ab der zweiten Tageshälfte des zweiten Marschtages vor dem Erreichen des „Gerichtslagers“ zugetragen haben könnten. Die Kämpfe nahmen an Heftigkeit zu. Es handelt sich bei der Textstelle 56,20,4 folglich um eine recht gute chronistische, also eine zeitlich zuordnungsfähige Darstellung.

unter 56,20,5
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geht Cassius Dio nun intensiv ins Detail in dem er berichtet, dass nun die Verluste erhebliche Ausmaße annahmen und die Legionäre den Germanen bereits hilflos, ohmächtig und handlungsunfähig zusehen mussten wie sie von ihnen dezimiert wurden. Denn sie konnten ihnen schon nichts mehr anhaben. Es klingt bereits wie ein Abschlachten. Er spricht nicht mehr vom Wegeausbau, denn dazu kamen die Legionäre in der Hitze des Kampfes auch gar nicht mehr und er erwähnt wiederum keine „FRAUEN UND KINDER“ in dieser Extremsituation. Es handelt sich meines Erachtens nun um die schon späte zweite Tageshälfte des zweiten Marschtages an dem sich für die Legionen die Niederlage anbahnt. Jetzt folgt bei Cassius Dio die Textstelle 56,21,1. Er berichtet darin wie man nun nach diesem, man möchte schon fasst sagen Blutbad, dass „Prima Vari Castra“ errichtet wird. Aber dies soll Gegenstand eines anderen Kapitels werden. Ab hier wird aber langsam deutlich, welche Konsequenzen es annimmt, oder annehmen kann, wenn sich hinter der Überlieferung aus der Feder des Cassius Dio plötzlich ein weiterer Marschtag am historischen Horizont abzeichnet bzw. auftut. Der erste vom Sommerlager ins Marschlager Brakel, der zweite vom Marsch- oder Etappenlager Brakel ins Gerichtslager dem „Prima Vari Castra“, der dritte Marschtag vom Gerichtslager in die Fluchtrichtung zum „teutoburgiensi saltu“ und der vierte Marschtag der letzten Überlebenden in die Schlucht und damit in ihren Untergang. Wir erkennen nun verstärkter, dass Cassius Dio in einer literarisch, historischen Not- oder Zwangslage steckte. Aber ich kann ihm nach so langer Zeit „post mortem“ letztlich doch noch eine Lösung für die Marsch Ereignisse inform der Marschaufteilung anbieten. Er braucht nun nicht mehr mit sich und seinen Quellen hadern, an welche Stelle er sich den Frauen und Kindern im Marschzug widmen wollte und brauchte sich nicht mehr mit der Überlegung zermürben, ob Varus tatsächlich Frauen und Kinder der Gefahr aussetzen wollte. Varus wollte sie vor Unheil bewahren und er bot ihnen an, bzw. befahl ihnen ab Brakel den direkten Verbindungsweg zur Lippe zu nehmen. All dies wusste Cassius Dio nicht, da die Quellen von keinem zivilen Zug wussten bzw. es dazu keine Augenzeugen und nichts schriftliches gab. Aber es war nicht allein den Frauen und Kinder im Marschzug zu verdanken, dass durch sie eine neue Sicht auf die Abläufe erkennbar wurde. Es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der meine Überzeugung wachsen ließ eine neue Erklärung für den Verlauf der Varusschlacht vorlegen zu können. Da sich das Zuggeschehen um einen ganzen Tag verschob, stieß ich auf eine weitere Textstelle, die ebenfalls offenbart, wie weit und tief sich Cassius Dio verstricken musste, um etwas halbwegs plausibles zur Varusschlacht hinterlassen zu können. Denn diese Textstelle symbolisiert ein Gefühl heilloser Verwirrung in der sich Cassius Dio wähnte, um nicht völlig die Orientierung zu verlieren. Da ich mir aber der Komplexität bewusst bin, möchte ich, bevor ich in diese Textstelle einsteige, noch den Versuch einer Zusammenfassung der bisherigen Analyse wagen.
Zuvor aber noch ein kurzes Fazit.

FAZIT:
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Die römischen Pioniere hatten lt. 56.20.1 Mühe sich einen Weg (ins spätere Kampfgebiet) zu bahnen.

Lt. 56.20.2 werden (einen Abschnitt später) von Cassius Dio, nicht wenige Kinder, viele Wagen, Lasttiere und zahlreiche Trossknechte erwähnt, die zur Marschauflösung beitrugen.

Allein dieser Hinweis rechtfertigt es aus meiner Sicht nicht anzunehmen, dass sie sich in der Phase des Wege bahnens noch im Zug aufhielten.

Kurz bevor dieser schon vor dem ersten Feindkontakt stand.

Man kann den Hinweis auch aus dem Kontext lösen und ihm eine allgemein gültige Aussagekraft unterstellen.

Eben nicht mehr und nicht weniger, als dass Frauen und Kinder den Marschverlauf störten. Ungeachtet, ob sie es am ersten Marschtag, den ich favorisiere taten, oder am zweiten Marschtag.

Denn Cassius Dio gab einer chronologisch präzisen Ablauffolge nicht die von uns erwünschte Priorität.

Zur Zusammenfassung
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Zunächst gaben die Quellen auf die Cassius Dio zurück griff und in der Konsequenz daraus natürlich auch er Cassius Dio selbst, Varus persönlich die Schuld. Dann gaben die Quellen sie auch den Wegeverhältnissen. Dazwischen gaben sie indirekt auch noch den Frauen und Kindern und dem Tross durch die von ihnen mit bewirkte Marschauflösung eine gewisse Mitschuld. Und letztlich waren es, man möchte schon sagen mal wieder die Wetterverhältnisse. Man bedient sich da gerne der französischen Fremdsprache und nutzt aus ihr geeignete Worte wie „fable convenue“, für etwas Erfundenes, das man als wahr gelten lassen möchte. Meine Absicht besteht aber in diesem Abschnitt nicht darin, dem uns sicherlich allen hinlänglich bekannten und mannigfach durch gekauten Allgemeinwissen der Schriften des Cassius Dio nahezu Gebetsmühlenartig nachzuspüren um es wieder aufzuwärmen, sondern einen besonderen Anhaltspunkt darin näher zu beleuchten. Nämlich den, der von Cassius Dio meines Erachtens chronologisch in die falsche Reihenfolge geschobenen Textstücke. So wie ich es zu Beginn des Kapitels auch dargestellt hatte. Und bei dieser von Cassius Dio gewählten spezifischen Methode möchte ich inne halten und insbesondere seinen Hinweisen bezogen auf die „FRAUEN UND KINDER“ innerhalb seiner Berichterstattung nachgehen. Der „FRAUEN UND KINDER“ Bezug, berührt immer wieder einen äußerst neuralgischen Nerv im gesamten Kontext um die Varusschlacht, auf den ich schon mehrfach einging. Man spürt förmlich, dass uns Cassius Dio damit etwas sagen wollte. Nämlich die alte Frage, wie Varus mit ihnen verfahren haben könnte. Cassius Dio tat sich vermutlich selbst schwer damit zu erkennen, an welcher Stelle er auf sie eingehen sollte und wollte. Ich meine nicht seinen Hinweis auf die durch sie erschwerten Marschbedingungen, sondern denke an seine Mühe die er damit hatte aufgrund seiner Quellenanalyse den „FRAUEN UND KINDERN“ nun den richtigen Platz im gesamten Geschehen zuzuweisen. Er wollte es möglicherweise selbst kaum glauben, dass Varus sie alle mit in die Schlacht nahm und Varus ihnen eine bedauerliche Opferrolle mitten im Gefecht zumutete bzw. zuwies, aber seine Quellen gaben nichts anderes her. Nur Cassius Dio überlieferte uns überhaupt die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug, ohne ihn wüssten wir nichts von ihnen im Vorfeld der Varusschlacht. Er entschied sich dann aber die Anwesenheit der „FRAUEN UND KINDER“ in seinem Text an einer Stelle zu erwähnen, wo ihr hinsichtlich einer Plausibilität die chronologische Überzeugungskraft fehlt. Denn er schob sie wie bereits dargestellt chronologisch in den Teil ein, der zum zweiten Marschtag passt, aber besser im ersten Marschtag aufgehoben wäre. Da aber Cassius Dio keine Trennlinie zwischen dem ersten und zweiten Marschtag zieht, bleibt es letztlich unserer Interpretation überlassen, wo wir die Anwesenheit der Frauen und Kinder als plausibel erachten. Ich erkenne sie wie zuvor argumentiert am ersten Marschtag im Marschzug, aber nicht mehr im abgetrennten Marschzug zu den Rebellen. Cassius Dio soll sich besonders in die Senatsakten eingelesen und sie für sein Werk genutzt und verarbeitet haben. Er nutzte auch die sich ihm darin bietenden Spielräume, wenn sie ihm für seinen Abriss dienlich waren, Überzeugungskraft besaßen und ihm glaubhaft erschienen. Er wird sich kleinere Freiheiten aufgrund des großen zeitlichen Abstandes und dem vor ihm liegenden Informationsmaterial zum Schlachtgeschehen herausgenommen haben. Wer wollte auch seine Arbeiten kontrollieren, zensieren bzw. sie ihm inhaltlich noch rund 200 Jahre nach der Schlacht streitig machen wollen, oder ihm Fehlaussagen gleich welcher Art zum Vorwurf machen. Es wäre so, als wolle man das Protokoll des Wiener Kongresses von 1815 nochmal neu aufrollen und hinterfragen, aber wen würde das heute, außer den Historikern, noch ernsthaft interessieren. Cassius Dio griff also mutig zur Feder, die „FRAUEN UND KINDER“ flossen an einer ihm passenden Stelle in sein Machwerk ein, gleich ob es der erste oder der zweite Marschtag war. Denn er wusste es selbst nicht besser, was ihm sicherlich Kopfschmerzen bereitete. Aber indem er dies tat, kehrte auch erst die aus seiner Sicht nötige Plausibilität und damit die Ruhe in seine Überlieferung ein. Mit seiner Varusschlacht Geschichte wollte er dem Leser sowohl einen Gesamtüberblick offerieren, was ihm zweifellos gelang, als auch den diversen menschlichen Unpässlichkeiten und anderen Details etwas mehr an Raum verleihen. Dies war erforderlich um ein gewisses Verständnis des Lesers für die, in seiner Zeit schon sehr lange zurück liegende Varusschlacht zu wecken und um den Lesern Erklärungen für den Untergang der Varus Legionen anzubieten. Eigentlich das gleiche, was wir auch heute 1800 Jahre nach Cassius Dio auch immer noch versuchen, wenn wir nach Erklärungen und Motivationen suchen um ehemalige geschichtliche Abläufe aus unserer Epoche besser verstehen zu können. Aber was die Varusschlacht anbelangt, so können wir mit seiner Hilfe auch die Örtlichkeiten lokalisieren, die er als bekannt voraus gesetzt hatte. Oder sie für unwichtig hielt. Die Irrtümer des Feldherren Varus, die unangenehme Wetterlage, die dadurch ausgelösten widrigen und erschwerenden Marschbedingungen und eben den für alle zur Belastung werdenden zivilen Tross warf Dio mitsamt seiner Bemerkung zu den „FRAUEN UND KINDER“ zusätzlich in die Waagschale um ein Erklärungsgerippe zu entwerfen. Möglicherweise auch um Varus nach 200 Jahren teilweise zu entlasten und um etwas von seinem Versagen abzulenken. Sozusagen, die Zeit heilt alle Wunden auch die im Saltus. Das Aufhübschen der Gestalt des Varus schien im möglicherweise doch noch wichtig gewesen zu sein. Alles sollte in seinem Bericht nicht zu kurz kommen, ob sich dann noch alles in die richtige Chronologie der Geschehnisse einfügen ließ oder nicht, war für ihn in diesem Zusammenhang zweitrangig und nicht von unmittelbarer Bedeutung. Für ihn war es für den Verlauf nicht so schwerwiegend, an welcher Textstelle er nun in seiner Überlieferung die „FRAUEN UND KINDER“ erwähnte. Ob er sie früher oder später erwähnte, hatte letztlich auch keine Bedeutung für den Ausgang der Schlacht. Wir sehen das heutzutage natürlich völlig anders. Wir wünschen uns eine klar geordnete und wohl strukturierte Darstellung der zeitlichen Begebenheiten und keine Brüche oder Erklärungslücken. So sind wir es gewohnt und dulden eigentlich keine unlogischen Heeresprotokolle, obwohl auch diese in der Regel beschönigend wieder gegeben werden. Aber wie gesagt, Cassius Dio war eben kein gelernter Frontberichterstatter. Und warum muss auch jedes antike Wort von uns heute mit Gold aufgewogen werden. Und so vermisst man hier wie auch an anderen Stellen seiner Überlieferung den sterilen Ablauf, den wir für schlüssig halten, weil wir ihn mit modernen Maßstäben messen wollen. Einfacher ausgedrückt, für Cassius Dio hatte es stark geregnet und gestürmt, die Wege waren schlecht, die „FRAUEN UND KINDER“ haben das Durcheinander komplett gemacht und Varus war die Ursache allen Übels. Denn er wollte ja unbedingt die Aufrührer kennen lernen, richten für Ruhe sorgen und sein Winterlager ansteuern. Auch die Fragen danach, wann wie und wo alles geschah, war in den Augen von Cassius Dio nachrangig. Und wie schon gesagt, Cassius Dio schrieb sein Werk auch nicht für uns. Er konnte ja nicht ahnen, dass er für die Ewigkeit schreiben würde und ging vielleicht von wenigen Jahrhunderten aus, in denen man sich für seine Zeilen noch interessieren würde. Kommen wir aber nun dem Kern näher, also zu den von mir infrage gestellten chronologischen Verwerfungen in denen man erkennen kann, dass für Cassius Dio die Abfolge nicht die Bedeutung und den Stellenwert besaß, den wir darin sehen möchten. Im letzten Abschnitt hatte ich dargestellt, dass die Ereignisse zu einem frühen Beginn im Zuge der sich anbahnenden Varusschlacht einen weiteren Marschtag erkennen lassen, da die Germanen nicht imstande waren, alle ihnen zugeschriebene Aktivitäten auf einen einzigen Tag zu konzentrieren. Ich deutete bereits an, dass dieser übersehene erste Marschtag, nämlich die Distanz von Corvey/Höxter nach Brakel die zu überwinden war, weitere Türen öffnet. Des Weiteren baute ich eine Argumentationskette dahin gehend auf, als dass Varus die Anweisung gab, dass man die „FRAUEN UND KINDER“ zusammen mit den Wertgütern auf direktem Wege nach Aliso schaffen sollte. Beide Strategieschritte zusammen gefasst lassen sich nun durch einen weiteren Hinweis untermauern und bekräftigen. Die Essenz dieser Theorie beruht also darauf, dass der Hinweis von Cassius Dio auf die „FRAUEN UND KINDER“ im Marschzug genau in das Geschehen des ersten Marschtages hinein passt, also den Anmarschweg von Höxter nach Brakel und weniger in den Verlauf des zweiten Marschtages. Im nächsten Kapitel folgt ein weiteres Synonym, was sein seltsame Vorgehensweise für historische Aufarbeitung anbelangt. (31.3.2019)

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