Samstag, 1. Juni 2019
Germanien wurde vom römischen Imperium überrollt - Varus hätte auch als Sieger den Nethegau verlassen können.
Die heutige Forschung taxiert einen Generationen - Intervall auf einen Mittelwert von etwa 31,7 Jahren. Vor 2000 Jahren wäre er weitaus geringer ausgefallen und könnte bei 25 Jahren gelegen haben, aber es gibt keine belastbare Datengrundlage für eine Menschen Generation der keltisch/germanischen Mischkultur in Ostwestfalen, die Cassius Dio noch die „Keltike“ nannte. Ein Kind das in Germanien in den Zeiten der Drususfeldzüge zwischen 12 - und 8 - geboren wurde, als sich Rom anschickte sich Germanien einzuverleiben und dann als Erwachsener in einer Zeit verstarb, als sich der römische Spuk in Ostwestfalen um das Jahr 16 + dem Ende zu neigte, lebte in etwa innerhalb dieses Zyklus oder dieser Intervall - Periode. Lediglich eine Menschen Generation umfasste also diese rund 28 Jahre währenden Germanenkriege. Eine Zeitspanne die es aber für die Menschen in Ostwestfalen in sich hatte und eine explosive Phase darstellten, in der man sich von vielen althergebrachten Weltanschauungen trennen musste. Sie erlebten Dinge, die sie nie vergessen sollten und die sie an ihre Bewußtseinsgrenzen stoßen lassen sollte und die sie an ihre nachfolgenden Generationen weiter gaben. Ihre Lebensgrundlagen und ihre Kultur war in dieser Zeit massiven Umbrüchen ausgesetzt. Ein Volk, das sich aus vielen Stämmen, unterschiedlichen Sippen und Kleinstvölkern zusammen setzte stand unter Zivilisationsschock und wie man unter solchen Bedingungen handelt ist unergründlich und lässt sich nur über parallele oder vergleichbare Abläufe, wenn überhaupt rekonstruieren. Fremde Machthaber strömten ins Land, urteilten und richteten auf eine für sie bis dato unbekannte Art und Weise, störten ihre mythologischen Bräuche und veränderten ihr Denken. Überzogen ihr Land, wie Paterculus es über den Krieg zwischen 1 + und 5 + zum Ausdruck brachte, mit Feuer, Tod und Leid und verbreiteten über Nacht Mord, Angst und Schrecken, was besonders die germanischen Marser im Jahre 14 + zu spüren bekamen. Diese römische Walze legte keine Pause ein, kannte keine Bremsspuren und drohte alles germanische Leben zu ersticken. Ähnlich wie es die rigide Christianisierung der Sachsen unter Karl dem Großen traf und später Snorri Sturluson auf die Idee brachte die letzten Erinnerungen an die heidnisch germanischen Traditionen und das Wissen darüber in der Edda zusammen zu fassen, um es auf seine Art und Weise zu sichern und historisch zu verarbeiten. Römische Kultur und Lebensart soll sich laut Cassius Dio schon unter den Germanen breit gemacht haben. Man soll sich an sie gewöhnt und sich ihr angepasst haben. Demnach begann für sie bereits langsam der römische „Way of life“ die Oberhand zu gewinnen. Genau so, oder ähnlich beschrieb es uns Cassius Dio in Bezug auf die schon fasst unter den Germanen beliebt zu nennenden Marktbesuche. Man erkannte in vielem von dem was uns Cassius Dio überlieferte grundsätzlich gutmütige und wohl gesonnene vielleicht auch leicht naive Wesenszüge einer altgermanischen Bauernkultur. Menschen die von der Viehzucht lebten und nur selten zur Jagd gingen. Aber was wir uns für die Rom gegenüber positiv, weil dankbar gesinnten Ubier vorstellen können, dass traf wohl weniger auf alle Germanen zu. Denn Sugambrer, Tenkterer und Usipeter die Lollius besiegten oder die Cherusker die sich mit Rom bereits bei Arbalo schlugen werden hier wohl nicht gemeint gewesen sein. Kurz gesagt. Waldgirmes war eben doch nicht Höxter. Aber in Ostwestfalen werden für die Germanen auch neue zivile Baustrukturen, Stilelemente und Techniken sichtbar und mit ihnen einhergehend hielt auch unbekanntes Siedlungswesen Einzug. Aber auch die Militärarchitektur der umwallten Kastelle also die römischen Kasernen war für die Germanen gewöhnungsbedürftig. Und einen ganz besonders bedeutsamen Gebäudekomplex für die Unterbringung von Militär - und Zivilpersonal sehe ich in den über - und unterirdischen Resten innerhalb der großen Weserschleife zwischen Höxter und Corvey wie sie den Luftaufnahmen zu entnehmen sind. Nämlich das schon sprichwörtlich zu nennende und oft zitierte römische Sommerlager. Eine Sommerresidenz für die angenehmen Wochen des Jahres klingt gut. Aber was haben wir uns, immer voraus gesetzt die historischen Auslegungen der alten Schriften geben ein solches überhaupt her, unter einem römischen Sommerlager vorzustellen. Die festen Standlager links des Rheins waren und mussten vom Aufbau her winterfest sein. Man kann ihnen daher auch mit Recht den Namen Winterlager geben. Hinzu kommen die zahlreichen römischen Marschlager für den einmaligen Gebrauch, also Schutzanlagen, die nur für eine Nacht und vielleicht noch für wenige Tage genutzt wurden wie möglicherweise das Lager Hachelbich. Ihr Aussehen dürfte sich aber nur unwesentlich von jenen, der nur für eine Nacht genutzten Lager unterschieden haben. Wir können uns auch denken, dass Marschlager die regelmäßig, also mehrmals jährlich aufgesucht wurden den Charakter eines Durchzugslagers hatten. Sie wurden also nicht nach einmaliger Nutzung eingeebnet, damit man sie gegebenenfalls später wieder schneller bezugsfertig machen konnte. Ich sehe derartige mehrfach genutzte Lagertypen bevorzugt an den Hauptverbindungsachsen der damaligen Zeit. Ein aktuelles Beispiel könnte dafür das neu entdeckte Römerlager in Bielefeld – Sennestadt sein, dass sich auch in unmittelbarer Nähe an einer wichtigen alten Fern - Verkehrsverbindung befindet, nämlich dem Senner Hellweg. Ich vermute sie aber auch anderorts und immer nahe an den häufig frequentierten Routen, also auch im weiteren Verlauf der Strecke von Anreppen über Bielefeld – Sennestadt nach Minden und natürlich von Anreppen über Brakel nach Höxter. Ob es derartige Lager bereits in Richtung Südharzumgehung also Hedemüden gab oder auch am nördlichen Rand des Wiehengebirges in Richtung Rheine ist ebenfalls denkbar. Aber in welchem Ausbauzustand befand sich dieses, von mir dort an der Weser angenommene Sommerlager, bevor es verlassen und aufgegeben wurde. Jenes häufig als Sommerlager bezeichnete exponiert nach Osten vorgeschobene Weserkastell mit der Zielrichtung vermutlich später mal die Bedeutung einer Provinzhauptstadt zu erlangen, hatte bereits ein mögliches Vorbild rechts des Rheins, nämlich in der Römerstadt bei Lahnau – Waldgirmes die seit 1993 archäologisch erforscht wird. Einer Römerstadt die vermutlich der Statthalterschaft Mainz unter geordnet war. Man begann diese Provinzhauptstadt schon 13 Jahre vor der Varusschlacht etwa ab dem Jahre 4 – zu erbauen, wie sich über die dendrochronologische Wissenschaft bestätigen ließ. Cassius Dio schrieb es später in der Übersetzung mit den folgenden Worten nieder „Ihre (römische Legionen) Truppen überwinterten dort (in Germanien) und gründeten Städte (eben u. a. Waldgirmes), und die Barbaren (Germanen) passten sich ihrer Ordnung an, gewöhnten sich an Märkte und trafen sich in friedlichen Versammlungen“. Aussagen von Cassius Dio die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließen, die aber bis zum besagten Gegenbeweis in Form der Römerstadt Waldgirmes von der kritischen Wissenschaft höchst misstrauisch und ungläubig beäugt wurden. Gerade so, als ob Cassius Dio da irgend etwas missverstanden haben könnte. Diese römische Stadt die trotz zweier Wallgräben bereits eindeutig einen starken zivilen Charakter besaß, befand sich immerhin schon erstaunlich tief in Germanien. Nämlich bereits sage und schreibe 70 Kilometer östlich des Rheins bzw. 67 Kilometer nordöstlich des Rheinknies. Eine Strecke für die eine römische Legion sowohl ab Koblenz bzw. Confluentes, als auch von Mainz bzw. Mogontiacum aus betrachtet immerhin schon rund drei Marschtage unterwegs war. Was wiederum auch mehrere Marschlager dazwischen nötig machte. Im Zuge der Ereignisse nach der Varusschlacht wurde die Römerstadt Waldgirmes deren römischen Namen wir nicht kennen, nieder gebrannt, was im ersten Moment für jegliches Absterben römischen Lebens rechts des Rheins spricht. Aber als man begann an dieser Stadt im Jahre 4 – zu bauen und dafür die ersten Bäume fällte, dachte man an eine langfristige Präsenz in Germanien und konnte auch nicht ahnen, dass ihre Geschichte schon 13 Jahre später jäh zu Ende sein würde. In diesem Zusammenhang verdient auch die Dynamik der stürmischen römischen Expansionspolitik noch eine besondere Erwähnung. So wird als spätestes Gründungsjahr der Stadt Köln für das Oppidum Ubiorum 20/19 – angenommen und schon 16 oder 17 Jahre später überschritt erstmals ein Römer nämlich der Feldherr Ahenobarbus im Jahre 3 – die Elbe. Das römische Militärlager bei Mainz entstand etwa zwischen 15 – und 12 – , so dass man also schon etwa 6 bis 11 Jahre später begann an der Römerstadt Waldgirmes in Hessen zu arbeiten. Das ältere römische Xanten bzw. Vetera I wurde 13/12 - errichtet und auch Lippe aufwärts ging es danach mit ähnlicher Vehemenz und Bauintensität nach Osten weiter. Am römischen Hafenkastell Anreppen immerhin 147 Kilometer Luftlinie östlich von Vetera entfernt gelegen hatte man bereits ab dem Jahr 5 + begonnen zu arbeiten. Die hier nicht mit eingerechneten zahlreichen Lippeschleifen zwischen Xanten und Anreppen behinderten den römischen Drang nach Osten vorzustoßen in keinster Weise und verdeutlichen deren raumgreifende Vorgehensweise. Vor diesem Hintergrund betrachtet, müsste man das varianische Sommerlager an der Weser mit dem man etwa 7 + begonnen haben könnte, bauhistorisch betrachtet fasst sogar schon als eine verspätete und nahezu längst überfällige Baumaßnahme bezeichnen. Und es waren letztlich auch nur 145 Kilometer Luftlinie, die die Römerstadt an der Lahn von einem anzunehmender weise nordöstlich gelegenen varianischen Sommerlager unter einem heutigen Gewerbegebiet am östlichen Stadtrand von Höxter trennen. Und das man diese Römerstadt nahe Waldgirmes die sich bereits mitten in Germanien befand als winterfest bezeichnen kann, dürfte anhand des Fundhorizontes unstrittig sein. Germanien bis zur Elbe könnte man um diese Zeit als ein Erforschtes und Vermessenes neues Territorium bezeichnen. Ein Gebiet, das auch die Gründung neuer Provinzen zu ließ, die es später verwaltungstechnisch nur noch mit einander zu verbinden galt. Das Imperium setzte sich selbst unter Druck und wollte im ersten Jahrzehnt nach der Zeitenwende nicht viel Zeit verlieren, Augustus hatte seine Anordnungen gegeben, also wurde ein energisches Vorgehen zur Pflichtaufgabe für alle römischen Feldherren in Germanien. Vielleicht erhoffte man sich im Zuge der Annexion auch zusätzliche militärische Verstärkung aus den germanischen Stämmen des Nordens, um den Gefahrenherden im Mittelmeerraum bzw. im Orient mehr Legionen entgegen stellen zu können. So bezeichnete ich auch schon an einer anderen Stelle das „Sommerlager“ an der Weser als ein überwinterungsfähiges Sommerlager. Also ein Lager, dass man bis 9 + bereits römischen Fußsoldaten zumuten konnte, obwohl sie nicht sehr gewillt gewesen sein dürften, dort die Wintermonate zu verbringen. Aber es war ein Lager, dass man noch nicht als so autark oder als so vollwertig bezeichnen konnte, wie etwa Waldgirmes und indem sich ein Feldherr mit komplettem Gefolge den Winter über aufhalten wollte. Wenn die Weser nach dem Rhein bald der neue Ostlimes werden sollte, so war es nur eine Frage der Zeit bis aus dem Sommerlager das typische Winterlager mit der nötigen Infrastruktur geworden wäre. Denn einen Winter an der Weser zu überdauern hätte klimatisch betrachtet einem Lager am Niederrhein in nichts nach gestanden und wäre auch nur eine simple Frage der Nahrungsmittelbevorratung und des nötigen Brennholzbestandes gewesen. Und das hätte man vielleicht schon in den Jahren 10 oder 11 + zum Abschluss bringen können, wenn es nicht zur Varusschlacht gekommen wäre. Varus hielt es nicht wie später die deutschen Kaiser des Mittelalters, die von Pfalz zu Pfalz, zu Kloster, Abtei oder Königsgut zogen. Varus war der örtlich abkommandierte, also stationierte Statthalter des römischen Kaisers an einem kritischen Außenposten des Reiches und plante dort eine dauerhafte Residenz für das Imperium nach dem Vorbild der römischen Städte Neugründungen nahe den keltischen Zentren nach dem gallischen Krieg wie zum Beispiel Autun. Und die Civitas an der Weser sollte sicherlich einige Nummern bedeutsamer werden, als die Römerstadt Waldgirmes. Aber die Strategie der örtlichen Nähe zu den ehemaligen Zentren der Einheimischen behielt man bei und so suchten sie diese auch an der Weser, errichteten sie nahe den Fürstensitzen der örtlichen Machthaber, die sie mittelfristig zu beerben bzw. zu verlagern gedachten. Anfänglich hatten die Lager die Funktion die Einheimischen zu bewachen und unter Kontrolle zu halten. Später köderte und adaptierte man sie mit ihrer römischen Zivilisation. Unmerklich sollte die germanische Lebensweise verändert werden um sie später in ihrem Sinne besser manipulieren also beeinflussen zu können. Und die Gruben für den Bau von Amphitheatern den frühen Attraktionen der Unterhaltung waren bestimmt schon räumlich angedacht. Die Nähe zu den bis dato verherrschenden Kulturzentren zu suchen ist Wesensmerkmal römischer Militärstrategie. Dafür Beispielgebend ist auch die Römerstadt Waldgirmes, da sie nur acht Kilometer neben dem zerstörten keltischen Oppidum Dünsberg sozusagen „auf der grünen Wiese“ begründet wurde. Das römische Sommerlager an der Weser, dass ich gedanklich zu einem umfassenden Sommerlager Komplex aufwerten möchte, befand sich etwa 6 Kilometer Luftlinie nördlich des Weser nahen Fürstenberges. Das Wort Fürst entstammte dem althochdeutschen Wort „furisto“ für der Erste, der Vorderste oder der Anführende. Und da, wo am rechten Ufer hoch gelegen oberhalb der Weser in etwa an der Stelle an der sich heute die Reste eines mittelalterlichen Schlosses befinden, befand sich nach meiner Theorie der Fürstensitz des Segimerclans. Ich stärke meine Theorie damit, dass sich auch die antiken Römerstädte am Rhein grundsätzlich auf der dem Feind abgewandten linken Rheinseite befanden, wo der Fluss zusätzlichen Schutz bot. Während die Germanen ihre Hauptorte aus strategischen Gründen bevorzugt auf die rechte Uferseite verlegten. Römische Kolonisationszentren sucht man demnach bevorzugt auch immer im Nahbereich zu den Hauptorten der Einheimischen. Die germanischen Expansionsbewegungen nahmen ihren Ausgang im Norden und Osten und es galt für sie sich zunächst auf einen Gegner im Westen einzustellen. Was sowohl für ein römisches Sommerlager links der Weser aber auch für ein germanisches Pendant rechts der Weser sprach. Auch der Segestes Clan wird sich daher seinen Sitz auf der rechten Seite eines Flusses gesucht haben, wie es auch die Wallanlage Vogelbeck rechts der Leine unterstreichen könnte, eine beeindruckende Erdburg die mindestens seit der Spätlatènezeit befestigt gewesen sein soll. Und wie es heute noch an nur zeitweise genutzten Fürsten- und Königshöfen praktiziert wird, wie zum Beispiel am Schloss Balmoral der Sommerresidenz des britischen Königshauses in Schottland, so wurde vielleicht auch damals nur bei der Anwesenheit des Statthalters eine römische Standarte gehisst. Weilte aber Varus an der Weser, so könnte man aus den Überlieferungen von Cassius Dio schließen, dass wir uns dort auch das römische Machtzentrum also eine Schalt – oder Befehlszentrale vorzustellen haben. Hier wurden damals die politischen Hebel bedient und die militärischen Weichen gestellt und hier ritten die Delegationen aus der Großregion und das von Fall zu Fall auch in recht kurzen Taktzeiten ein und aus. Hier wurde, wenn auch nur auf die Region bezogen damals die große Politik gemacht. Hier schlugen die Wellen auf, kollidierten unterschiedliche Interessenlagen miteinander und prallten kleine und große Machtblöcke und Einflusssphären aufeinander. Abordnungen der Markomannen, Langobarden, Sueben und anderer germanischer Stämme wollten zu Roms Statthalter engen Kontakt halten und mit ihm auf Tuchfühlung bleiben, wollten wissen und heraus finden, wie es in den nächsten Jahren an der Weser weiter gehen würde. Plante Rom möglicherweise wie beim großen Krieg geschehen, der im Jahre 5 + endete und den Paterculus den „Immensum exarserat bellum“, also einen gewaltig entbrannten Krieg nannte, wieder neue militärische Vorstöße die bis an die Elbe führen sollten. Musste man sich also in Germanien auf neue Kriege und Eroberungszüge einstellen, oder konnte man friedlich in die Zukunft blicken. Überlebens wichtige Fragen für alle Stämme des Ostens die damals sicherlich Priorität hatten. Aber es ging dabei auch um anderes. Nämlich um den zivilen also den nicht militärischen Teil der römischen Okkupation. Brauchten die Römer an der Weser möglicherweise zusätzliche Nahrungsmitteln, also mehr Vieh oder Getreide zur Versorgung der Legionen, oder waren germanische Hilfskräfte für die zahlreichen Aufbauarbeiten nötig. Was man alles gerne angeboten hätte, wenn die Gegenleistungen stimmten. Wollte man vielleicht auch mal nachfragen, ob noch germanische Söldner im Dienste des Varus oder des Imperiums gewünscht sind. Oder dürfen es auch mal Sklaven, Blondhaar oder Bernstein sein. Insgesamt geeignete Währungen um sich beliebt zu machen. Alles in allem ging es immer auch um die grundsätzliche Frage inwieweit man von der römischen Präsenz in Germanien unmittelbar profitieren konnte, denn auch Germanen waren Geschäftsleute. Es wird also viele Gründe gegeben haben, warum man zu Varus Kontakt suchte, lautere und weniger lautere. Die warnenden Hinweise eines Segestes verhallten schnell und waren in dieser Zeit daher auch nur ein Thema von vielen anderen. Denn vom Grundsatz her fühlten sich die Römer an der Weser stark, mächtig und vor allem vertraglich gut abgesichert. Was die Äußerungen von Segestes anbetraf, so gewannen diese für eine in historischen Dimensionen denkende Nachwelt, wie die unsrige erst durch die später darauf folgenden Ereignisse an Bedeutung. Hätte alles einen anderen Verlauf genommen, wäre Segestes vermutlich in der Bedeutungslosigkeit versunken. Germanen waren vielseitig interessiert und wurden zum integralen Bestandteil der Römer an der Weser und so riskierte man auch immer einen Blick auf die römische Truppenstärke, deren Ausstattung und man wollte sehen welches Kriegszeug sie mit sich führten. Germanen legten ihre Waffen nie weit weg, wurden als listig beschrieben und wenn sie in die Zentren römischer Zivilisationen gelangten und ihre Lager oder deren Umfeld betraten, so sahen sie mit verkniffenen Augen alles was sie sehen wollten. Sie sahen, ob sie es mit wehrhaften und motivierten Männern zu tun hatten und erkannten aus den Augenwinkeln heraus auch schnell ihre Stärken und Schwächen. Ihnen wären sofort moderne Waffen wie möglicherweise Katapult Abschuss Geräte aufgefallen, sollten sie vorhanden gewesen sein, oder andere ihnen unbekannte Waffenarten. Denn im Imperium wurde sicherlich vieles genutzt, ausprobiert und auch angewendet, was vielleicht in den militärischen Versuchsanstalten, wie ich die Gladiatoren Schulen mal nennen möchte, vorher getestet wurde und das waren nicht nur Schleudertechniken. Die Germanen waren lernfähig und hellwach und es dürfte ihnen nicht viel entgangen sein. Das unterschiedliche Wesen zweier sich fremd gegenüber stehenden Lager, Kulturen und Völkerschaften zu erforschen und kennen zu lernen war für sie sicherlich attraktiv und stimulierte all ihr Sinnen und Trachten. Aber es ging damals für Varus in Ostwestfalen um mehr, als nur darum den richtigen Kurs für den anstehenden Rückweg zum Rhein zu finden oder einen kleinen Aufruhr zu ersticken, den ihm ein Germane meldete. Auch konnte damals beim Abzug der Legionen aus dem Sommerlager noch niemand wissen oder ahnen, ob es überhaupt zu einer Schlacht kommen und wenn, wie umfangreich sie ausfallen würde geschweige denn, wie diese dann ausgehen würde. In eine ernste Gefechtslage zu geraten, stand für große Teile der römischen Soldateska und der sie begleitenden Zivilbevölkerung daher auch gar nicht unbedingt zur Debatte. Nur aus den Kreisen diverser Mitwisser deren Größenordnung wir natürlich nicht kennen und die über einige Detailkenntnisse verfügten, kamen verhaltene Unkenrufe. Ob dann eine mögliche Schlacht auch noch zu Gunsten Roms ausgehen würde, oder nicht war demzufolge auch erst recht kein sonderlich aktuelles oder brisantes Thema im Sommerlager. Man hatte eben viele andere Dinge an die man zu denken hatte. So sollte man sich auch heute davor hüten alles damalige nur auf die Varusschlacht zu reduzieren. Denn Ostwestfalen war seinerzeit auch von einem allgemeinen Pioniergeist erfasst und beherrscht. Goldgräberstimmung wäre zu weit gegriffen, aber es überwog eine gewisse wirtschaftliche Aufbruchstimmung. Ich beschrieb sie bereits im Zuge meines Kapitels über die römische Civitates „Selicasa“, also das Tempel artige Prunk Gebäude aus marmorartigem Silicat- bzw. dem Bachtuffgestein, wie man ihn in der Region abbauen konnte, um ihn in Corvey zu verbauen. Corvey der mögliche neue Herrschaftssitz des Statthalters. So ging es vielen Personen vermutlich noch bis zur letzten Minute und in erster Linie darum, sich noch rechtzeitig die lukrativen Pfründe am zukünftigen Erfolg einer prosperierenden Landschaft zu sichern. Denn vergessen wir auch an dieser Stelle nicht eines. Die bedeutsamen Bodenschätze Germaniens befanden sich östlich von Höxter im und hinter dem Harz bzw. den folgenden Mittelgebirgen und nicht im Norden in den weiten uninteressanten Sümpfen, Mooren und Niederungen der norddeutschen Tiefebene. Von einem Weltreich, dem es gelang mit einem unvorstellbar gigantischen Truppenaufgebot und einem logistischem Kraftakt soeben noch einen ganzen Landstrich an der Donau zurück zu erobern, in dem man den gewaltigen Pannonien Aufstand nieder schlug, konnte man noch vieles erwarten und die zahlreichen Nutznießer standen bereits in den Startlöchern. Das es vor dem erfolgreich beendeten Pannonienkrieg und das natürlich nur aus „taktischem Geschick“ heraus sozusagen noch „en passant“ gelang den mächtigen Germanenkönig Marbod und das obendrein kampflos auszuschalten und in die Knie zu zwingen, nur um auf diesem Wege die nötigen Truppen für den Krieg gegen die Pannonier und Dalmater frei zu bekommen wurde bekanntlich auch noch wie ein glorreicher römischer Sieg gefeiert. Obwohl es eher der Sieg eines Feldherr Tiberius am „grünen Tisch“ der Diplomatie gewesen sein dürfte. Wer wollte diesem imperialen Machtfaktor in der rückständigen germanischen Welt noch Paroli bieten. Ein derartig hoch gerüsteter und perfekt organisierter Militärapparat wirkte auf die Unterdrückten einschüchternd und musste einfach als unbesiegbar gelten und die Strahlkraft wuchs von Jahr zu Jahr, solange sie ungebrochen war. Germanische Kontingente und Personenschützer in römischen Diensten hatten eine lange Tradition und Geschichte, Cäsar setzte sie gegen die Kelten ein, Augustus hatte sie schon vor der Varusschlacht in seine Leibgarde integriert und es ist auch sehr nahe liegend, dass Arminius mit seinen Cheruskern in Pannonien zum Einsatz kam. Möglicherweise wurde sogar Flavus der Bruder von Arminius auch schon im Zuge dieser Kämpfe verletzt und verbrachte danach einige Zeit im Lazarett, bevor er sich mit Arminius später das Streitgespräch über die Weser lieferte. Möglicherweise standen später besonders jene Germanen in dem Ruf, bzw. es haftete den germanischen Verbänden eine besondere Kriegstauglichkeit an, wenn sie aus den ehemaligen Widerstandsregionen der früheren Germanenschlachten an der Weser kamen. Ein Makel von Illoyalität also eines Verrätertums konnte, möchte man spekulieren, dem wohl nichts anhaben. Diese Attribute ließen sie im Dienste des Imperiums später als besonders nützlich erscheinen. Man kann das auch an neuzeitlichen Kriegen festmachen, denn das Militär machte da noch nie einen Unterschied. Man denke nur an jene deutschen Wehrmacht Soldaten die man alle problemlos in die französische Fremdenlegion integrierte, ohne nach ihrem Vorleben zu fragen. So ist es auch denkbar, dass germanische Söldnereinheiten, kamen sie denn aus Ostwestfalen nach dem Ende des Pannonienaufstandes hoch willkommen waren und für weitere Einsätze nicht in die niederrheinischen Standlager oder in ihre Heimat entlassen wurden, sondern im weiteren Verlauf anderen römischen Legionen angliedert wurden, in denen sie dann noch lange ihren Dienst taten, wofür es Beispiele gegeben haben könnte. Möglicherweise schufen sie innerhalb des römischen Militärwesens sogar eigene Traditionen und bildeten darin einen festen Bestandteil. Das römische Ostwestfalen auf dem Sprung zur Elbe, an der Schwelle zu den Erzabbaustätten im Harz oder seinen Bleivorkommen in Westfalen hatte für alle viel zu bieten. Wer konnte denn auch auf römischer oder auf germanischer Seite schon im voraus wissen, ob die gewagte Arminius Aktion letztlich überhaupt erfolgreich verlaufen würde. Nicht nur unter den Leuten des Segestes auch unter den Arminen selbst sahen sicherlich schon einige, wie Segimer, Arminius und andere Stammeshäuptlinge gesenkten Hauptes in Fesseln nach Anreppen geführt wurden, sahen wie der germanische Widerstand kläglich in sich zusammen brach und sorgten sich um ihre Zukunft. Auch darauf galt es sich vorzubereiten. Wer jetzt zu Varus stand und zu ihm den besten Zugang hatte, konnte am Ende der Gewinner sein und damit zum Profiteur aller zukünftigen Aktivitäten des Imperiums im Osten des Reiches werden. Wer wollte sich da auf diesen Fall nicht vorbereiten und nicht das Vertrauen des Feldherrn besitzen oder es gar auf`s Spiel setzen. Denn wer das Vertrauen des Feldherrn erschleichen wollte, der sollte ihm tunlichst nach dem Mund reden, wovon viele Gebrauch gemacht haben dürften. Es gab natürlich wie wir wissen sehr viele Wagnisse in der Taktik der Cherusker und es war beileibe keine ausgemachte Sache, dass alles im Sinne der Arminen verlaufen würde. Wir können uns daher auch gut vorstellen, wie es in Ostwestfalen bei einem Triumph des Varus weiter gegangen wäre, denn dazu bedarf es keiner großen Phantasie. Brukterer, Angrivarier, Chatten oder Marser hätten unterwürfig ihre Untergebensheitsadressen bei Varus abgegeben und um Nachsicht gebeten. So, wie es damals sehr verspätet auch die Teutonen gegenüber dem Imperium taten. Die Welt hätte sich in Ostwestfalen im römischen Sinne auf lange Zeit stabilisieren können. Man hätte sich in der Großregion mit dem römische Reich arrangieren und hätte sich auf ein Zusammenleben mit Rom einrichten müssen. Der Zivilisationstransfer vom Rhein an die Weser hätte ab diesem Zeitpunkt immense Ausmaße angenommen, Kelten und andere Völker wären ins Land geströmt und das Imperium hätte als nächstes Ziel wohl nicht nur die Elbe anvisiert. Denn was hätte sie davon abhalten sollen, wenn sich ihm kein Widerstand entgegen gestellt hätte. Und auch die später einsetzende Völkerwanderung hätte eine andere Dynamik entwickeln können, wenn sich den Ostgermanen schon eine in sich einige römisch/westgermanische Front bereits an der Weser entgegen gestellt hätte. Aber am Vorabend der Schlacht stand dies alles in Ostwestfalen auf des Messers Schneide und wer wollte da nicht vorgesorgt haben und auf der richtigen Seite stehen. Die Vorstellung man hätte für Varus dem Triumphator im Falle eines Sieges in Rom den roten Teppich ausgelegt und man hätte ihm dort einen glorreichen Empfang geboten war nicht weit her geholt. Schon oft wurden im Imperium aus siegreichen Feldherren sogar spätere Kaiser gemacht. Nicht auszudenken, wie schnell das Land an der Weser unter der römischen Verwaltung latinisiert worden wäre und Segestes der treueste Römerfreund aller Zeiten, wäre zum Reichsverweser ernannt worden und hätte fortan seinen festen Platz samt seiner Sippe im Zelt des Feldherrn inne gehabt. Krönender Abschluss wäre möglicherweise noch eine darauf hin ausgerichtete Familienpolitik gewesen. Jedenfalls hätten fortan die Uhren in Ostwestfalen anders geschlagen, als wie es letztlich ausging. Ein Sieg des Imperiums im „Teutoburgiensi saltu“ wäre für Segestes wie ein Lottogewinn gewesen, denn er hätte mit dem geringsten Einsatz den größtmöglichen Gewinn erzielen können. Das gegenteilige Szenario wäre eingetreten. Die römischen Abstellungen hätten sich für die Arminen unerwartet als unbezwingbar erwiesen, die Kommandanten der drei Legionen hätten die richtigen Befehle erteilt, Asprenas hätte zum Schrecken der Germanen seine Trompeter voraus geschickt und hätte dann auf erstaunliche Weise noch in kürzester Zeit seine zwei Legionen als Entsatz heran geführt. Die keltischen und germanischen Auxilareinheiten die zu Rom standen, hätten sich hervorragend geschlagen, römische Waffenqualität hätte sich auf ganzer Linie durch gesetzt und römische Kampfdisziplin das übrige getan. Das schlechte Wetter hätte zudem entfernter wohnende Germanen davon abhalten können lange Regenmärsche zu bewältigen. Es hätte aber auch andererseits plötzlich auftretende optimale Wetterverhältnisse herrschen können und die Mehrtagesschlacht wäre für Rom auf trockenem Boden unter blauem Himmel ohne Komplikationen verlaufen und wäre zu einem durchschlagenden Erfolg geworden. Eine interessante Gedankenkette, der wir aber entnehmen können, was damals für alle Seiten aber vor allem die Germanen auf dem Spiel stand. Gleich ob es ihnen bewusst war oder nicht. List war gefragt, denn kein Germane sollte tunlichst seine wahre Gesinnung zu früh erkennen lassen. Und um so bedeutsamer wird da erst die Feststellung, welchen Mut und welche Selbstbeherrschung die revoltierenden Germanen damals aufbringen mussten, in dem sie derartige Gedanken verdrängten, zur gemeinsamen Sache standen und Ausbrüche von Siegesgewissheit oder gar Optimismus vermieden bzw. dies nicht durch unnötige Gestik zum Ausdruck brachten. Oder konnte sich die germanische Front der Arminen so sicher sein und konnte auf so viele Kräfte zurück greifen, dass man einen einzelnen Segestes nicht zu fürchten brauchte, da man sich hoch überlegen wähnte. Ich denke, dass für übertriebene Euphorie und vorzeitiges Frohlocken kein Grund bestand und die Germanen das Unternehmen mit voller Entschlossenheit angehen mussten, wollten sie es zum Erfolg führen. Viele kritische Stimmen, die die Verhältnisse im Detail nicht kannten oder gewichten konnten, werden voll auf Varus gesetzt haben. Aber die dazwischen Stehenden, die Ängstlichen, Verzagten und Unschlüssigen, die Zweifler und Bedenkenträger, sie werden alles daran gesetzt haben um Varus eindringlich davon zu überzeugen, er möge ins abseitige Rebellengebiet doch besser ohne sie marschieren. Sie wären ja nur hinderlich und ohne sie käme er doch viel besser voran. Ein Weg um selbst möglichst gefahrlos und unbeschadet zur Lippe zu gelangen. Es war eine komplexe Gemengelage die uns da von Cassius Dio und anderen antiken Historiker in so knappen Worten beschrieben wurde und es hätte damals nur weniger Drehmomente an den Stellschrauben der Geschichte bedurft und das gesamte Schlachtengerüst eines Hinterhaltes wäre schon frühzeitig in sich zusammen gebrochen. Es lässt sich aber auch davon ableiten, warum Varus damals so und gar nicht anders entscheiden konnte. (1.6.2019)

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Donnerstag, 9. Mai 2019
IN EIGENER SACHE
Das Format dieser BLOG Darstellung hält als Suchmöglichkeit im Bereich "Navigation" auf der linken Bildseite für den Interessenten an meinen Varusschlacht Kapiteln eine Themenauflistung vor.
Diese alphabetisch gehaltene Übersicht ist jedoch

NICHT VOLLSTÄNDIG !

Wenn Sie daran interessiert sind alle Abschnitte lesen zu wollen, denn es sind bereits mehr erschienen als die Darstellung zeigt, so greifen Sie bitte auf die kalendarische Darstellung "Archiv" auf der rechten Bildseite zurück und klicken Sie auf das jeweilige Datum.
Dann werden Ihnen alle meine bisherigen Veröffentlichungen angezeigt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
Gruß
Ulrich Leyhe

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Mittwoch, 8. Mai 2019
Eine Reputation für P.Q.Varus ? - Bilden Sie sich selbst Ihre Meinung
Wer zweifelt schon an der Darstellung, dass Segestes viele Anläufe machte, um Varus von den bösen Absichten der Arminen zu überzeugen. Varus aber unbelehrbar blieb und in sein Verderben zog. Was, wenn der Feldherr dem Germanen Segestes von Beginn an seine Warnung abnahm, aber die Schlacht trotzdem verloren ging. Eine in der Tat seltsame Vorstellung die ich aber trotzdem aufgegriffen habe. Sie ist nicht undenkbar, denn es liegt uns dazu die folgende Überlieferung vor, die man analysieren sollte.

Paterculus 118. (3 + 4) berichtet über Segestes
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In der Kurzform:
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Arminius habe den Zeitpunkt für den Hinterhalt festgelegt und darüber hinaus noch, dass dies dem Varus von Segestes hinterbracht wurde.

In der Übersetzung ist zu lesen:
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Also weihte er (Arminius) anfangs nur wenige, dann aber mehrere in seinen Plan ein; er behauptete und überzeugte sie davon, dass die Römer überwältigt werden könnten, ließ diesen Beschlüssen sofort Taten folgen und setzte den Termin für den Anschlag fest. 
Varus wurde das durch einen treuen und vornehmen Mann aus jenem Stamm namens Segestes aufgedeckt.

Aus dem lateinischen Originaltext
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primo igitur paucos, mox pluris in societatem consilii recepit opprimi posse Romanos et dicit et persuadet, decretis facta iungit, tempus insidiarum constituit. 
Id Varo per virum eius gentis fidelem clarique nominis, Segesten, indicatur. postulabat etiam

Präziser, eindeutiger und unmissverständlicher lässt es sich kaum in Worte fassen, wie es ein Zeitgenosse von Varus nämlich Velleius Paterculus damals tat. Man kann und muss also daraus sogar schließen dürfen, dass Varus aus dem Munde von Segestes nicht nur über den Hinterhalt bzw. den Zeitpunkt, also den „Tempus“ was Zeit, Dauer, Lage, aber auch den Zeitraum und die Zeitspanne umfasst, bestens informiert war. Er erfuhr von ihm auch noch vieles mehr, was über den geplanten Hinterhalt und den „Tempus“ hinaus ging. Zumindest wusste Varus all das, was auch Segestes wusste. Denn wer über Hinterhalt und Tempus aussagefähig ist, der müsste auch noch mehr gewusst haben. Daran haben wir uns zunächst einmal zu orientieren. Allerdings gibt es noch eine andere Sichtweise zu dem Wissenstand von Varus auf die ich im nächsten Kapitel eingehen möchte, dass sich mit der Person des Segestes beschäftigt. Fortan gilt es also bei taktischen Überlegungen zur weiteren Vorgehensweise des Varus die Überlieferung von Paterculus im Hinterkopf zu behalten. Varus könnte also immer auf der Höhe des Wissenstandes gewesen sein, den auch Segestes besaß und das schon lange vor dem Abzug aus dem Sommerlager. Ihm kamen also möglicherweise weitaus mehr Details zu Ohren, als seine damalige Lage uns aus heutiger Sicht erkennen lässt. Basierend auf diesem Wissensstand ist es schwer vorstellbar, dass die altbekannte Vorstellung einer urplötzlich los brechenden Schlacht die niemand erahnen konnte, im germanischen Regenwald den damaligen Tatsachen entsprach. Hier könnte man auch den Eindruck gewinnen, dass Cassius Dio wie es uns bei den Tacitus Schriften ebenso erscheint, auch die Überlieferungen des Paterculus gar nicht kannte oder nicht in seine Darstellung einfließen ließ. Demnach dürfte auch eine heftigere kriegerische Auseinandersetzung für Varus, immer und je nach Wissenstand des Segestes, oder dessen was er bereit war Varus mitzuteilen, für ihn keine sonderliche Überraschung mehr gewesen sein. Segestes der sicherlich an der Vertragsverhandlung mit Rom teilgenommen haben dürfte, wird und musste aus römischer Sicht natürlich auch als ein absolut loyaler Mann aus dem Stamm der Cherusker gegolten haben und so wird er auch beschrieben und von Varus behandelt worden sein, nämlich als ein treuer Mann der einen angesehenen Namen hatte. Und sicherlich verfügte Segestes zumindest anfänglich auch noch über genügend Schwertgenossen die ihm familiär, freundschaftlich oder aus anderen Interessen heraus betrachtet verpflichtet waren. Denn am Vorabend der Ereignisse konnten Segestes und seine Männer noch zuversichtlich sein, bald die Herren über das ganze Territorium der Cherusker zu sein und so konnte er sich noch auf viele Gleichgesinnte gestützt haben. Er dürfte sich also zu diesem Zeitpunkt noch auf eine ansehnliche Gefolgschaft gestützt haben, die zwar geringer war als die der Arminen aber immer noch beeindruckend und präsent. Sein Machtbereich, den ich zwischen Einbeck und dem Harzvorland sehe war nach Osten orientiert und die dortigen Bewohner verfolgten naturgemäß nicht die Interessen der Wesercherusker. Segimer könnte den Herrschaftsbereich in den nördlich angrenzenden, fruchtbareren und waldärmeren Regionen inne gehabt haben die auch bevölkerungsreicher waren und mehr Kämpfer aufbieten konnten. In Flavus dem auf römischer Seite stehenden Sohn seines Widersachers Segimer hatte Segestes zudem einen Partner im unmittelbaren Familienverband des Segimer und konnte sich aufgrund des cheruskisch/römischen Vertrages vor der Varusschlacht auch noch auf ein breiteres pro Römisches Bündnis stützen. Zudem diente sein Sohn Segimund als Priester in Köln, so dass seine Stimme mehrfach Gewicht unter den Cheruskern besaß. Varus hatte also in Segestes einen äußerst zuverlässigen und vertrauensvollen Mann, der ihn nicht anlügen würde. Es muss in jenen Tagen ein hin und her an Informationen aus den jeweiligen Lagern heraus gegeben haben und Arminius wusste genau wie Segestes über Mittelsmänner auch immer von den Strategien des anderen. Man beobachtete sich, sah jeden Schritt und alles Wissen beruhte auf Gegenseitigkeit und dem Gegner ließ sich nur wenig vorenthalten. Es galt nun vor den Augen des Varus für die beiden germanischen Konfliktparteien beider Fürstenhäuser die Geschehnisse im Vorfeld der Schlacht in ihrem jeweiligen Sinne für sich zu beeinflussen. Varus soll also nach Paterculus sogar den Zeitpunkt gewusst haben, wann der Hinterhalt statt finden sollte. Zeitpunkt kann natürlich nur auf einen groben Hinweis hindeuten, denn Tag und Uhrzeit wird hier wohl nicht gemeint gewesen sein. Varus war jedenfalls im Bild konnte die Situation in seinem Sinne für sich nutzen und seine weiteren Schritte abwägen. Er besaß schließlich eine stattliche Anzahl gut ausgebildeter Legionäre auf die er setzte und meinte sich auf sie verlassen zu können und hatte wohl auch ausreichend Zeit für das Entwerfen von Szenarien, für seine Bewertungen, Einschätzungen und militärische Sandkastenspiele gemeinsam mit seinem Führungsstab. Denn derartige Kommunikationen wie sie zwischen Segestes und ihm abliefen, wenn auch zeitweise nur auf der Ebene von Flüstertönen hinter vorgehaltener Hand dürfte Varus gut verstanden haben. Einen Arminius der nun voll in Verdacht geraten war bzw. stand da er von Segestes in einen solchen gerückt wurde, nämlich mit Gegnern Roms also mit Aufrührern gemeinsame Sache zu machen, konnte sich Varus in den Augen aller Mitwisser nicht leisten. Und davon gab es inzwischen recht viele. Andererseits aber war Arminius seit seiner Rückkehr auch der neue starke Mann auf cheruskischer Seite und das machte die Lage für Varus brisant. Einen Mann der die Emotionen, also die Herzen der Cherusker im Gegensatz zu Segestes auf seiner Seite wusste, ihn durfte er wiederum nicht brüskieren, solange ihm nicht genügend Beweise vorgelegt werden konnten und die hatte Segestes offensichtlich nicht. Er musste nach dem berühmten diplomatischen Mittelweg suchen. Er durfte also auch Segestes nicht vor aller Welt mehr glauben schenken, als Arminius dem zuverlässigen und bewährten Anführer in römischen Diensten. Einem Mann, dem er aber fortan skeptisch gegenüber stehen und dem er misstrauen musste. Segestes ernst nehmen, aber gleichzeitig Arminius seine Zweifel an ihm nicht spüren lassen, war für ihn eine Herausforderung und das Gebot der Stunde. Mit diesem Hintergrundwissen ausgestattet arbeitete er an seiner Taktik. Er musste den richtigen Weg finden um die Aufstandspläne zu nichte zu machen, ihn im Keim zu ersticken, also nieder zu schlagen, alle Rädelsführer dingfest zu machen um dann in die Winterlager einzurücken und ein befriedetes Germanien zu hinterlassen. Man könnte sich nun also auch die Frage stellen, wer denn hier wem die bessere Falle stellen konnte oder gestellt hat. Varus, dem Arminius mit dem sicheren Wissen darum seine Pläne zu kennen, ihn aber in dem Glauben lassend, es würde alles so verlaufen, wie er es mit seinen Arminen durchgeplant hatte. Oder Arminius in dem er Varus unbeirrt mit seinen Legionen sein Ziel ansteuern ließ, obwohl er also Arminius genau wusste, dass Varus ihn durchschaut hatte und auch seine Pläne kannte. Beide wussten von jedem viel, aber nicht alles und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen war damals die Kriegskunst. Beide mussten sich wie die Stärkeren und Überlegenen gegenüber dem anderen Part fühlen, denn jeder wusste ja vom anderen alles, und wer wie im Schach am Besten die Züge des anderen voraus denken konnte, war am Ende der Gewinner. Arminius hatte jedoch einen großen Vorteil. Denn er kannte die Stärke besser gesagt die Schwachstellen der römischen Armee, aber Varus kannte nicht die Schlagkraft der Germanen die Arminius in seinem Rücken aufgebaut hatte. Und die kannte auch Segestes nicht in vollem Umfang. Aber eine Schlacht ist kein Brett- und kein Sandkastenspiel und wer wollte da schon wissen, wer von Beiden die besseren Karten haben würde. Eine Schlacht, die die Götter entschieden haben, könnte man meinen, denn Menschen konnten hier in den Augen vieler Germanen allein nicht am Werk gewesen sein. Eine Taktik der zwei aufeinander zu fahrenden Lokomotiven die letztlich für Varus nicht auf ging, weil er sich verschätzte und den Moment verpasste im richtigen Augenblick noch rechtzeitig die Weichen umzulegen. Bei alledem und das ist verständlich, wollte Varus sich, also seine eigene Person natürlich keinem unnötigen Risiko für Leib und Leben aussetzen. Er musste sich also seiner Sache sehr sichern gewesen sein, unbeschadet aus dem Konflikt heraus zu kommen. Aber wissentlich einen oder mehrere Aufrührer innerhalb der römischen Armee also mitten unter sich zu wissen und zu dulden, war auch für Varus kein Kavaliersdelikt. Man hatte ihm dies nach seinem Tod oft genug zum Vorwurf gemacht. Trotzdem ließ er Arminius in seinem Umfeld wirken und ließ ihn sogar später davon reiten, also mehr oder weniger entkommen. Er entschied sich also insgeheim, die Warnungen des Segestes aus taktischen Gründen zu ignorieren und ließ die Sache auf sich zu kommen. Er ermöglichte dem bzw. den Aufrührern die Flucht in der Hoffnung, seine Taktik wäre die bessere und er stünde am Ende als Gewinner da. Varus brauchte keine Nachhilfe, er kannte sich mit Aufrührern bestens aus. Denn vergessen wir hier nicht, dass sich Varus noch wenige Jahre zuvor in einer Region und an einem Orte aufhielt, wo sich auch ein Römer aber mit Namen Pontius Pilatus seine Hände in Unschuld wusch. Und Varus wusste daher nur zu gut, welche Strafe Aufrührer im römischen Reich zu erwarten hatten bzw. welche Strafe er als oberster Richter gegen die Arminen auszusprechen hatte. Konnte er sich das gegen die Cherusker weit ab vom Rhein auf deren Stammesgebiet leisten. Er wusste nach dem Hinweis bzw. den Hinweisen von Segestes, dass Arminius und Segimer als Drahtzieher hinter dem Aufstand standen, so wäre dies vom Grundsatz her für Varus auch eine sehr gute Gelegenheit gewesen, sich von den Rom kritischen Kräften zu trennen. Er könnte Arminius vor aller Augen als Feind Roms Brandmarken und Segestes als dauerhaften Partner gewinnen, ihn festigen und als Fürst inthronisieren. Aber er konnte es definitiv nicht riskieren. Er begab sich daher mit seinen Legionen demnach also mit voller Absicht in den vermeintlichen Hinterhalt um zu siegen und um somit klare Fakten zu schaffen. Einen Sieg den er brauchte um handlungsfähig zu werden also Beweise zu haben, um danach die Arminen aburteilen zu können. Seinen kampferprobten Elite Legionen erteilte er also irgendwann den Befehl in die Gebiete der Aufständischen vorzurücken. Er persönlich hätte dann nach Beendigung der Kampfhandlungen genügend Beweise gegen Arminius zusammen getragen oder ihn möglicherweise auch schon während der Schlacht gefangen nehmen können. Hätte ihn an den Pranger stellen können, ihn des Verrats beschuldigt, also überführen können um ihn dann zu töten oder ihn nach römischer Sitte in Rom in einem Siegeszug als bezwungenen Gegner in Ketten vorzuführen. Es hätte für ihn keinen größeren Erfolg geben können, aber dazu brauchte er den Erfolg und den Beweis. Erst damit wäre der Front gegen Rom das Genick gebrochen worden. Dann war eben Segestes der neue starke Mann an der Weser und Varus konnte beruhigt an den Rhein ziehen, denn er hätte klare Verhältnisse in Ostwestfalen hinterlassen. Mangels überlebender Führungskräfte aus seinem Generalstab wissen wir von alledem natürlich nichts und Cassius Dio konnte nichts dergleichen berichten. Keine Senatsakten gaben darüber Auskunft, denn die wenigen Überlebenden waren niederen Ranges und wussten nur wenig darüber was der Generalstab in dieser Zeit wusste und plante. So konnten auch Cassius Dio und all die anderen nur spekulieren. Als Varus sich aufmachte zu den Aufrührern zu ziehen blieb Segestes an der Weser zurück und harrte der Dinge. Er ließ Varus in die Schlacht ziehen, an der er nach unserem Kenntnisstand selbst nicht teil nahm. An der Weser stand er aber mit seinem handverlesenen Aufgebot schon bereit und wartete auf die Nachricht vom Untergang der Cherusker und der beteiligten Stämme, um dann Varus im entscheidenden Moment loyal zur Seite springen zu können und um die Macht an der Weser als sein neuer Vasall und Unterstatthalter übernehmen zu können. Damit hätte Segestes sein Lebensziel erreicht, seine Position gestärkt und die Unbesiegbarkeit der römischen Armee war für alle sichtbar ein für allemal zur Tatsache geworden. Eine etwas weit her geholte mögliche Alternative wäre es noch gewesen, dass Arminius seine Unterlegenheit noch rechtzeitig erkannt hätte. Er hätte dann seine Taktik geändert, wäre den Legionen des Varus gegen die vermeintlichen Aufständischen möglicherweise zu Hilfe gekommen und mit Hilfe und Unterstützung seiner cheruskischen Reitern hätte man die Aufrührer unterworfen bzw. sie möglicherweise zum Schein in die Flucht getrieben. Arminius hätte sich als treu ergeben erwiesen und seine Haut gerettet. Dies hätte allerdings für Arminius einen schier unmöglichen Spagat bedurft, denn er hätte damit seine eigenen Stammesgenossen verraten und wie hätte er sie dabei alle schadlos halten sollen. Aber hatte Arminius überhaupt einen "Plan B". Wäre es aber tatsächlich so gekommen hätte Varus genau richtig entschieden, in dem er Arminius geglaubt hatte und nicht Segestes. Segestes wäre in diesem Fall als noch dazu unglaubwürdiger Verräter der in Ungnade Gefallene, und alle Cherusker hätten geschlossen hinter Varus und Arminius gestanden. Sicherlich nicht, denn diese Verhaltensweise hätte nicht zu Arminius gepasst und es ist daher ein kaum vorstellbares Szenario. Andernfalls hätte natürlich Arminius einen drohenden Untergang vor Augen das Schlachtfeld auch immer noch noch Hals über Kopf verlassen können um die Flucht zu ergreifen, wenn seine Taktik nicht aufgegangen wäre. Dann wäre es nie zu der uns bekannt gewordenen „Varusschlacht“ gekommen, sondern sie wäre möglicherweise als „Seditio bzw. Seditionem Cheruscorum“ also als ein lapidarer Cherusker Aufstand in die römischen Reichsannalen eingegangen. Varus wäre in beiden Fällen Gewinner und Herr der Lage gewesen, er musste eben einfach nur die Schlacht gewinnen. Aber es kam anders und ich möchte daher die Geschehnisse, wie ich es gerne praktiziere noch einmal etwas zurück drehen. Aber natürlich ohne dabei von den grundsätzlichen Zügen meiner Theorie abzuweichen. So ist anzunehmen, dass auf Varus in jenen Tagen vor dem Abzug die Ereignisse und Informationen nur so hernieder prasselten. Teils prallten sie an ihm ab, aber immer mussten sie von ihm angemessen bewertet und ernst genommen werden. Als Verwaltungschef einer sich selbst versorgenden Civitas mit integrierter Garnison bzw. großem militärischen Komplex bestimmte und prägte er das unmittelbare Leben von etwa 15.000 bis 20.000 Menschen, römisch, keltisch oder germanischer Gesinnung. Sozusagen als Bürgermeister und Militärgouverneur in einem und somit oberster Mann an der Spitze einer schon fasst Kleinstadt zu nennenden Ansiedlung trug er für alles Verantwortung. Alle und jede Neuigkeit ging über seinen Tisch, aber jene mit militärischem Hintergrund lagen ganz oben auf. Unser besonderes Interesse gilt der Rekonstruktion der letzten Stunden und Tage vor dem Aufbruch. So wissen wir natürlich nicht, wann Varus die erste Nachricht erreichte, dass die Gefahr einer Revolte bei einem germanischen Nachbarstamm bestand und wie sie ihm gegenüber konkretisiert wurde. Sie kam bekanntlich von Segestes, jenem Mann der an der Spitze eines rivalisierenden Clans innerhalb der Cheruskersippe stand und der mit Varus eng kollaborierte. Wir können uns also auch nicht vorstellen, wie viel Zeit Varus danach verblieb, um auf geeignete Weise darauf zu reagieren und sich mit dieser neuen und brisanten Lage vertraut zu machen. Genau von diesem frühesten Moment an, müsste man also im ostwestfälischen Generalstab der römischen Lippe/Weserarmee in einen Krisenmodus umgeschaltet haben. Fortan galt für sie eine Gefährdungsstufe und es bestand die Notwendigkeit diese richtig zu bewerten bzw. einzuschätzen. Eine Prozedur, die sich damals wie heute kaum voneinander unterschieden haben dürfte. Dazu gehört es auch immer den Informanten auf seine Glaubwürdigkeit hin abzuklopfen. Sein mutiges Verhalten Stammes interne Dinge auszuplaudern, brachte den Germanen zwar in die vorderste Position und er gewann im Römerlager an Ansehen und Bedeutung, er weckte aber auch Zweifel unter den Menschen, die bei ihm andere Beweggründe erkannten oder sehen wollten. Wann also erfuhr Varus das erste Mal aus dem Munde von Segestes, dass es Germanen gab, die sich mit revolutionären Absichten trugen. Geschah dies Monate, Wochen oder nur Tage vor dem Ausmarsch. Ob die ersten Informationen darüber kurzfristig, also nur wenige Tage vor dem Abzug aus dem Sommerlager in die römische Strategiedebatte einflossen, oder Varus schon länger über diesen bedrohlich wirkenden Kenntnisstand verfügte, macht hinsichtlich des Betrachtungswinkels auf die Ereignisse einen Unterschied. Und was bedeutet schon die Wortwahl „Warnung“. Was unternimmt man für gewöhnlich in der Position eines Feldherrn, wenn man vor Feinden im umliegenden Bereich und hier sogar schon fasst im Rücken gewarnt wird. Man verschafft sich einen Überblick über die Gefahrenlage, reitet möglicherweise mit dem nötigen Geleitschutz selbst hin, sendet eine Patrouille oder gar eine schlagkräftige Kavallerieeinheit aus. Man kann aber auch das diplomatische Gespräch mit den Aufrührern suchen um sie zu beschwichtigen bzw. um das Sinnvolle mit dem Notwendigen zu verbinden. Also wie hier nahe liegend den Rückzug zum Rhein nutzen, um sich bei dieser Gelegenheit vor Ort mit der Lage vertraut zu machen. Dies war aber aus gesamt strategischen Gründen heraus betrachtet nur deswegen überhaupt möglich, weil man nicht von einer unmittelbar bevorstehenden bzw. drohenden Gefahr einer militärischen Aktion des Feindes ausgehen musste. Und so machte man es dann bekanntlich auch. Man zog also in die Zone für die die Warnungen ausgesprochen wurden bzw. von wo aus man eine Gefahr erwartete. Segestes ist rhetorisch sicherlich bis an sein persönliches Limit gegangen und hatte demnach den ersten Teil dessen, was er für seine Informationspflicht hielt voll erfüllt, nämlich auf ein sich anbahnendes Risiko deutlichst hinzuweisen und auch eine Reaktion auszulösen. Aber er wollte wohl mehr, denn es reichte ihm nicht, dass die Legionen nur einen Umweg machten. Sie sollten wenn es nach seinem Wunsch und Willen ging vehementer gegen die Arminen vorgehen und dies nicht nur halbherzig, sondern massiv. Es musste in diesen Stunden im Zelt des Varus, ich vermute aber bereits die Existenz eines festen Holzgebäudes, eine explosive Stimmung geherrscht haben. Ein sich drohend gebärdender sich echauffierender Segestes der möglicherweise sogar im Beisein von Segimer und Arminius deren sofortige Verhaftung einforderte, war in der Tat eine Eskalation und eine Brüskierung für alle Seiten. Theoretisch betrachtet hätten sogar in diesem Moment Arminius und Segimer Hals über Kopf die Flucht ergreifen können, um einer Inhaftierung zu entgehen wenn sie erkannt hätten, dass Varus dem entsprechen wollte. Damit wäre die gesamte bisherige Bündnispolitik Roms an der Weser unmittelbar vor dem herbstlichen Rückmarsch ins Wanken geraten, wenn nicht sogar gescheitert. Es schien Segestes jedes Mittel recht gewesen zu sein, sich mit seiner Position selbst im letzten Moment noch durchsetzen zu wollen. Sogar seine Forderung, man möge doch die Elite der Cherusker einschließlich seiner eigenen Person in Ketten legen, gehörte ultimativ mit dazu. Alles schien im billig gewesen zu sein, um eine Revolte der Germanen gegen Rom im Keim zu ersticken. Aber selbst ein Kriegs Marschmäßiges Ausrücken der Legionen zu erreichen blieb ihm verwehrt, denn dazu hätte der Auszug der Überlieferung nach bekanntlich militärisch geordneter ablaufen müssen. Den Zug ins Rebellengebiet ging man aus seiner Sicht betrachtet nur unzureichend an, aber Varus wollte auch nicht so weit gehen die Führungsebene der Cherusker kopflos zu machen in dem er sie inhaftierte. Varus war sicherlich nicht dumm und hatte gute Berater. Es ist also durchaus denkbar, dass Varus dem Ausmarsch aus dem Sommerlager einen bewusst friedlichen Anstrich geben wollte um seine wahre Strategie möglichst lange zu verschleiern. Es sogar noch nicht einmal von der Hand zu weisen, dass Varus auch Segestes bis zum Schluss im Unklaren ließ wie er sich entscheiden würde. Varus ließ Arminius sogar mit seinem Gefolge mitreiten um die Harmlosigkeit aller Prophezeiungen zu unterstreichen. In dem Moment als Arminius die Legionen verließ um die Hilfskräfte zu mobilisieren stellt sich allerdings die Frage, wie Varus damit umgehen würde. Er wusste, dass er seinen Widersacher ziehen lassen musste, musste aber aufgrund der Warnungen von Segestes davon ausgehen, dass er nun seine Streitmacht gegen ihn heran führen würde. Von diesem Moment an stand die Frage der Glaubwürdigkeit beider Cheruskerfürsten im Raum. Es war die ultimative Nagelprobe, ob Varus sich in Segestes oder in Arminius getäuscht hatte. In dem Moment in dem Varus Arminius die Genehmigung erteilte seine Hilfskräfte zu mobilisieren war im klar, das es sich für Arminius als den Glaubwürdigeren von beiden entschied. Für den Fall, dass er sich geirrt haben sollte, musste er von Stund an mit einem germanischen Angriff auf seine Legionen rechnen. Doch dieser blieb am ersten Marschtag aus. Varus rückte ins erste Marschlager ein und befestigte es. Anderntags sah es der Plan vor, dass Arminius mit seinen Hilfskräften Varus ins Aufstandsgebiet folgen sollte. Am Morgen vor dem Abzug aus dem ersten Marschlager sah Varus keinen Grund nicht ins Gebiet der Aufrührer marschieren zu sollen, denn er erwartete in Kürze Arminius und sein Kontingent. Natürlich war die Forderung von Segestes ein überaus schlecht durchdachter Vorschlag. Denn den wesentlichen Adelspersonen der cheruskischen Führungsschicht allein schon aufgrund eines nah wie vor nur möglichen Gefahrenszenarios heraus brutal die Freiheit entziehen lassen zu wollen, sie also zu entmachten, wäre für alle Wesergermanen und darüber hinaus ein unvorstellbarer Akt der Erniedrigung und Entmündigung gewesen und hätte zu einem Eklat ungeahndeten Ausmaßes führen können. Segestes hätte sich denken müssen, dass er sich mit dieser Forderung bei Varus nicht durchsetzen konnte und er damit erheblich zu weit gehen würde. Denn allein dieses Verhalten hätte möglicherweise bereits einen Kampf herauf beschwören können. Selbst für einen Varus waren hier wohl die Schmerzgrenzen der Zumutbarkeit erreicht und er bremste die Wünsche von Segestes aus. Mehr noch, dieser in den Raum gestellten Vorschlag hätte Varus auch schon wie eine Einmischung in seine Machtbefugnisse und Untergrabung seiner Kompetenzen sehen können, was Feldherrn gar nicht so gerne haben. Dies verrät auch einiges über die charakterliche Eignung der Person des Segestes. Er konnte Varus zwar keine konkreten Beweise für eine Rebellion vorlegen und alles was er besaß war auf bloße Verdachtsmomente gestützt, aber trotzdem setzte er zuletzt alles auf eine Karte. Und auf diesen vagen Hinweisen basierend sollte Varus trotz seines grundsätzlichen Vertrauens Segestes gegenüber nun ein Exempel seiner Machtvollkommenheit statuieren, kaum vorstellbar. Hätte Segestes in dieser Phase Varus doch nur triftige Argumente in die Hand spielen können, er wäre nicht um eine Verhaftung der Arminen herum gekommen. Und alles noch kurz vor dem Verlassen seines Stützpunktes an der Weser. Andernfalls wäre es ein höchst verwerflicher und undiplomatischer Akt gegenüber einem bis dato vertragstreuen Germanenstamm gewesen, einem Stamm, der ihm bislang noch keinen Anlass geboten hatte restriktiv gegen ihn vorgehen zu müssen. Hinzu käme danach noch eine lange Phase der winterlichen Abwesenheit der Legionen samt ihrem Feldherr. Monate in denen sich jene Cherusker die man gerade noch in Ketten gelegt hätte, auf sich allein gestellt sahen. In denen sie sich aber loyal und vertragsgebunden verhalten und sich den Römern auch weiterhin verpflichtet fühlen sollten. Dies würde alles nicht zusammen passen und Varus erkannte die Lage sicherlich deutlicher als Segestes es wahrhaben wollte. Denn es ließe sich definitiv nicht damit vereinbaren, wenn man kurz zuvor noch die Fürsten dieses Stammes für eine unbekannte Frist eingesperrt hätte. Segestes bewies mit diesem Vorschlag ein sehr unsensibles Verhalten, was ihn als Stammesfürsten schon nahezu disqualifizierte. Aber vergessen wir nicht, dass Segestes dies aus der vollen Überzeugung heraus tat um eine Schlacht und möglicherweise eine Niederlage Roms zu verhindern, was ihn all dies übersehen ließ. Sein Problem war es nur, dies nicht klar genug beweisen zu können, denn dagegen stand sicherlich die Aussage der Arminen, die ihre Hände in völliger Unschuld wuschen. Soweit zum Sachstand. Das Wissen um die Länge der Vorwarnzeit macht einen gewissen Unterschied. Denn je länger sich Segestes bemühte bzw. je häufiger er mit seinen Sorgen bei Varus vorsprach und vorstellig wurde, bzw. fasst schon schwanger ging, je abgestumpfter und oberflächlicher könnte man auch von römischer Seite aus darauf reagiert haben. Denn jede Warnung könnte irgendwann wirkungslos bleiben bzw. sich abnutzen, wenn sie sich nicht bewahrheitete bzw. bestätigten ließ und was Segestes schuldig blieb. Aber hier könnten die Dinge auch anders gelegen haben, denn Segestes könnte und hat auch über tieferes Wissen verfügt. Dazu gehörte möglicherweise auch das Wissen darüber, wo sich der Gefahrenherd zusammen braute, denn er konnte Varus möglicherweise auch einen Hinweis darauf geben, welche germanischen Rädelsführer sich außer den Arminen noch hinter den Aufrührern verbargen. Und Varus soll ja bekanntlich sogar den Zeitpunkt gewusst haben. Varus entschied also aufgrund der Vorwarnungen diese Region auf dem in Bälde anstehenden Rückweg zum Rhein anzusteuern um nach dem Rechten zu sehen. Dieser Ablauf würde plausibel klingen, wenn es da nicht die viel beschworene Ungereimtheit gäbe. Nämlich den Hinweis, dass Varus offensichtlich nicht ernsthaft an die von Segestes vorgetragenen Warnungen glaubte. Denn Segestes musste seine Warnung tatsächlich noch ein weiteres Mal bekräftigen und wiederholen um bei Varus Gehör zu finden. Und selbst noch das letzte Gastmahl vor dem Aufbruch musste dafür herhalten, um Varus noch einmal an diese Gefahrenlage zu erinnern. Aber wir müssen über kreuz denken. Denn in der Tat gelang es doch noch dem Segestes den Feldherrn Varus zu überzeugen, ohne das dieser es aber erkennbar zum Ausdruck bringen durfte. Auch so kann man es sehen. Es schien für alle und nicht nur die späteren Historiker so, als ob Varus es selbst am Vorabend des Rückzuges noch nicht einmal für nötig hielt den Worten von Segestes glauben schenken zu wollen. Aber Varus schwenkte letztlich doch noch auf die Position des Segestes um in dem er sich entschied, sich nun ungeachtet aller anderweitigen Überlegungen doch noch im Sinne der Warnungen des Segestes zu verhalten. Er ließ sich die Entscheidung vielleicht auch bewusst lange offen um einem möglichen Feind die Vorbereitungszeit auf einen Angriff zu verkürzen bzw. deren Strategie zu durchkreuzen. Schließlich müssen wir uns mit unseren Überlegungen immer wieder in die Denkvorgänge eines Feldherrn damaliger Zeiten versetzen. Auch wenn sein Plan die Aufrührer nieder zu werfen schon viel früher festgestanden haben könnte, musste er dies nicht sofort gegenüber seinem ganzen Umfeld verlauten lassen. Denn er wusste wie schnell auch der Feind davon erfahren könnte. Varus ließ die Katze daher vielleicht auch bewusst erst kurz vor dem Ausmarsch aus dem Sack und täuschte in dem er die Frauen und Kinder anfangs noch im Zug mit führte sehr lange einen routinemäßigen Rückzug zum Rhein vor. Erst spät beruhigte er also alle umstehenden mit seiner Entscheidung, nun doch den Rückweg durch das Rebellengebiet antreten zu wollen um sich der angedrohten Gefahr zu stellen und nahm das Angebot von Arminius gerne an Verstärkung zu beschaffen. Diesem Szenario liegt die Annahme zugrunde, Segestes hatte recht, Varus glaubte ihm, es lag in der Tat ein Aufruhr in der Luft. Aber Arminus und Segimer waren nicht die Rädelsführer dieses Aufstandes. Sondern es handelte sich um eine unabhängige Rebellion an der der weder Segimer noch Arminius beteiligt waren. Und die Informanten von Segestes waren für Varus nicht glaubwürdig genug. Das musste doch genügen, was sollte Varus also noch tun. Damit erübrigte sich auch die Frage, wie man im römischen Generalstab die Glaubwürdigkeit eines Segestes einstufte. Man nahm ihn letztlich ernst und handelte entsprechend. Zwar nicht so militant wie Segestes es sich druckvoll erhoffte, aber immerhin plante man nun einen großen Schwenk, beließ es aber dabei und legte Arminius und Segimer vorher auch keine Fesseln an. So gelang es Segestes zwar nicht alle Register zu ziehen und es Varus plausibel zu machen, in welch konkreter Gefahr er und seine Politik schwebten, aber er hatte sein Möglichstes getan und konnte auch einen gewissen Erfolg verbuchen. Nun aber setzten alle auf die Schlag- und Kampfkraft der Legionen der Auxiliareinheiten der germanischen Hilfskräfte und der Kavallerie. Die Äußerungen von Segestes gingen also nicht ins Leere und blieben nicht reaktionslos. Trotzdem vermied es Varus sich vorher selbst noch einen eigenen Überblick über die Lage vor Ort zu verschaffen und er sandte auch vor dem offiziellen Rückzug an den Rhein keine Delegation in die Aufrührerregion, weil er es nicht für nötig hielt. Er hätte es tun sollen. Es gab also jenen offensichtlich von Segestes ausgelösten Umdenkungsprozess bei den Römern bzw. bei Varus der ihnen irgendwann einmal klar machte, dass man sich doch mal in der kritischen Region blicken lassen musste. So hatten die Warnungen des Segestes am letzten Abend doch noch gefruchtet oder es könnte sogar neue Hinweise gegeben haben die seine Äußerungen stützten, die wir aber nicht kennen. Denn nun entschied man wohl doch schon am Vorabend und nicht erst mitten im Verlaufe des ersten Rückzugtages den Dingen auf den Grund gehen zu wollen. Der von einem germanischen Fürsten vorgebrachte Wissensstand, auch wenn dieser einer weniger einflussreichen Führungsriege angehörte, könnte und hat dann doch noch eine gewisse Unruhe unter Varus und seinem Stab entfacht. Der Rückmarsch zum Rhein bedingte aus logistischer Sicht betrachtet zahlreiche Vorbereitungen. Längerfristig geplante und somit ausgereifte Rückzugstrategien umzusetzen liefen natürlich mit einer gewissen Routine ab. Eine kurzfristig geänderte Rückzugroute für die man sich erst nach dem letzten Gastmahl entschied, also die Aufrührerregion in das Marschgeschehen nun mit einbeziehen zu wollen bzw. zu streifen entwickelt einen anderen Charakter. Gleich einer Art Ad hoc Aktion aus dem stegreif heraus nehmen derartige Unternehmen oftmals einen anderen Verlauf. Da keine anderen warnenden Stimmen im Vorfeld bekannt wurden, hat letztlich Segestes diesen Umweg erst ausgelöst und damit eigentlich auch den Ausgang mit zu verantworten gehabt. Kein Segestes – kein Umweg – keine Schlacht ? Varus soll jedenfalls mehrfach von Segestes und das sogar noch bei seinem letzten Gastmahl gewarnt worden sein, was wiederum für einen längeren Vorwarnzeitraum spricht. Varus könnte sich aber auch schon sehr viel früher für einen Zug ins Rebellengebiet entschieden haben wie ich annehme und hatte mit seiner Entscheidung wie ich spekuliere hinter dem Berg gehalten. Segestes drang also am Vorabend nur noch mal zusätzlich darauf, dass Varus sich also definitiv auch auf eine möglicherweise heftige Schlacht vorzubereiten hatte. Auch das würde passen. Segestes nahm man also viel früher ernst und er nutzte den letzten Abend nur noch mal, um seine Sorgen zu bekräftigen. Denn er selbst blieb ja zurück, nahm weder am Zug an den Rhein noch ins Rebellengebiet teil. Er gab ihnen also noch mal einen guten Ratschlag sozusagen mit auf den Weg. Demnach verlief der Rückzug also nicht unter möglicherweise ungeordneten und auch keinen hektischen Bedingungen ab, sondern konnte sorgsam angegangen werden. Unter einem Aufruhr so wie ihn uns die antiken Historiker dargestellt haben, konnte man sich in der damaligen Zeit und können wir uns auch heute vieles vorstellen. Menschen reagieren, wenn sie mit ihren Lebensumständen unzufrieden sind unterschiedlich. Ein Ärger kann auch mit dem Verhalten der eigenen Landsleute zu tun haben, aber hier klingt es nicht nur danach, als ob sich etwas gegen eine ungewollte Obrigkeit zusammen braut, sondern es gibt auch deutliche Hinweise, die dafür sprechen. Da wir nicht wissen wie Segestes die Lage bei den Aufrührern Varus gegenüber konkret begründete bzw. beschrieb, haben wir auch keinen näheren Kenntnisstand darüber was sich genau im Unruheherd zugetragen haben soll bzw. wie man es darstellte. Was uns ebenfalls rätseln lässt, ist immer die Frage, ob Varus überhaupt jemals etwas über eine Rebellion oder gar einen Volksaufstand aus dem Munde der Segestes Rivalen Arminius oder Segimer erfuhr. Hätten nicht auch von dieser Seite warnende Stimmen laut werden müssen. Sicherlich ja, aber doch nur dann, wenn es auch etwas gab, vor dem man die Römer hätte warnen müssen oder wollen. Aber auf diese Taktik bin ich in einem separaten Kapitel eingegangen. Denn Arminius durfte die von ihm eingefädelte Gefahrenlage weder hoch kochen noch durfte er sie herunter spielen. Ein Hochkochen hätte bei Varus eine deutliche militärisch starke Antwort heraus gefordert, ein herunter spielen, hätte Varus aber möglicherweise ganz davon abrücken lassen, überhaupt die Rebellenregion aufzusuchen. Oder er hätte nur seine Kavallerie damit beauftragt für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Varus konnte nicht ahnen, dass es die Absicht der Arminen war nach Möglichkeit alle drei Legionen auszuschalten. Beide Szenarien wären für die Taktik von Arminius fatal gewesen. Vielleicht überließ es Arminius daher auch lange Zeit seinem Widersacher Segestes die Gefahr eines Aufruhrs gegenüber Varus an die Wand zu malen und er konnte sich selbst bedeckt halten. Als vermeintlicher Rädelsführer sollte man vielleicht nicht auch noch unbedingt derjenige sein, der den Feind mit der Nase darauf stößt. Letztlich musste es aber Varus erfahren, denn er sollte ja schließlich in diese Falle laufen und dazu musste er auch wissen, wo sie sich auftat, also welchen Rückzugsweg er dazu einzuschlagen hatte. Arminius trieb ein gefährliches Spiel und musste auch immer der Möglichkeit Raum geben, noch alles abbrechen zu können um zu verhindern, dass sich die Dinge nachteilig entwickelten. Wie er dies hätte anstellen sollen bleibt sein Geheimnis. Eventuell nutzte Arminius in dieser Phase auch indirekt Segestes als einen Erfüllungsgehilfen für seine Pläne. Arminius hätte zum Beispiel die sorgenvollen Warnungen von Segestes abwiegeln und als unbegründet darstellen können, wenn dies zu seinem Plan gepasst hätte. Er hätte sie aber auch genauso so überaus ernst nehmen können und wie Segestes es auch tat zum Handeln aufrufen können. Er musste also mit dieser Situation äußerst geschickt und talentreich umgegangen sein um in dieser alles entscheidenden Phase keine Fehler zu machen. Dazu fügte es sich sehr gut, dass sich Arminius auf Druck der von Segestes beschriebenen Lage großmütig bereit erklärte, sicherheitshalber noch zusätzliche germanische Hilfstruppen zur Verfügung zu stellen. Auch so kann man es darstellen. Hier kommt auch die Frage nach dem Machtbereich eines „segestischen Fürstenhauses“ ins Spiel. Wo waren in dieser äußerst kritischen Phase die Schwertgenossen des Segestes, als es darum ging germanische Hilfstruppen hinzu zu ziehen. Segestes hätte mit einem ähnlichen Angebot basierend auf seinen eigenen Männern bei Varus punkten können. Diese Frage lässt sich damit beantworten, dass sich westlich des Weser nicht das Stammesgebiet des Segestes Clans ausbreitete. Ich hatte es weiter östlich im Raum um Einbeck und Vogelbeck verortet. Aber hier um Höxter und westlich von Corvey besaß Segestes keine Hausmacht. Hinzu kommt, dass sich Männer von Segestes später bei Germanicus rühmten in der Varusschlacht römische Waffen erbeutet zu haben und sogar sein eigener Neffe nicht auf seiner Seite stand. Segestes konnte sich also in seiner Unterstützung für Varus gar nicht auf alle seine Männer verlassen, sie ihm also auch nicht anbieten können. Außerdem hatte ich den Gedanken verfolgt, dass Segestes die Aufgabe hatte an der Weser die Stellung zu halten, wenn sich die Botschaft vom für Rom siegreichen Ausgang der Varusschlacht ausgebreitet hätte. Wie sich das von Segestes als drohend beschriebene Trauma einer möglichen Rebellion entfalten sollte, wissen wir nicht. Segestes verkaufte es Varus gegenüber jedenfalls als absolut glaubwürdig, was die zahlreichen und offensichtlich hartnäckig vorgetragenen Warnungen von ihm unterstreichen. Alles deutete darauf hin, dass er Informanten hatte, die über tiefere und weiter gehende Details verfügten, sonst hätte er nicht so überzeugend auftreten können. Bekanntlich nahmen selbst seine eigenen Männer an der Varusschlacht auf Seiten von Arminius teil, die ihm sicherlich den Grund ihres Wegzuges auch vorher mitgeteilt hatten. Frei nach dem Motto, „geh doch mit Segestes jetzt zeigen wir dem Varus mal wo die Harke hängt“. Vielleicht mit ein Grund dafür mit einigen Informationen gegenüber Varus zurück haltend zu sein. Interessant, aber bei dieser Betrachtung nebensächlich ist und bleibt aber immer noch die Frage wie man den Aufruhr begründet hatte. Arminius benötigte zur Umsetzung seiner Taktik einen germanischen Stamm am Rande römischer Einflusssphäre, der die zukünftige Lage genauso grau in grau sah wie er. Ein Stamm der entfernter angesiedelt sein musste, um die Routenänderung zu rechtfertigen und gleichzeitig einen Stamm, der ebenfalls befürchten musste, dass ihn auf kurz oder lang von römischer Seite ein unredliches Vertragswerk unterbreitet werden könnte, was man vermeiden wollte. Die großräumige Unzufriedenheit der Germanen mit der römischen Besatzungspolitik ist hinreichend überliefert. Allein daraus einen sich anbahnenden Konflikt abzuleiten und dieses Szenario Varus glaubhaft zu machen ist daher nahe liegend. Was Segestes allerdings konkret über den Ablaufplan wusste bzw. über ihn und somit auch gegen Arminius in der Hand hatte, ist nicht überliefert, obwohl sein Wissen über den Zeitpunkt wie es Paterculus hinterließ Rätsel aufgibt. Er erkannte hinter allem nur seine Stammes internen Konkurenten als die Urheber und Drahtzieher die es unbedingt noch rechtzeitig vor dem Aufbruch dingfest zu machen galt, um die Köpfe der Rebellion auszuschalten, sonst schienen es nur vage Behauptungen gewesen zu sein. Ob er selbst wusste, dass es sich bei diesem so genannten Aufruhr lediglich um ein vorgeschobenes Lockmittel der Arminen handelte, es also nur um ein vorgetäuschtes Manöver ging, ist nicht bekannt. Was wusste also Segestes bzw. was könnte er gewusst haben und wie weit reichte sein Informationsstand. Konnte er möglicherweise wissen, dass man im Rebellengebiet schon Tage vor dem Rückzug dabei war germanische Kämpfer zusammen zu ziehen. Kämpfer die man schon an der voraus bestimmten Zugtrasse positionieren wollte. So detailliert sicherlich nicht, denn damit begann man germanischerseits frühestens an dem Morgen, als die Legionen ihr Sommerlager verließen, denn dieser Zeitpunkt war allgemein bekannt. Die Varusschlacht ist anfänglich vorstellbar wie ein Rebellenangriff aus dem Unterholz und dürfte erst im weiteren Verlauf zu schlachtartigen Zusammenballungen geführt haben. Ein Aufruhr wie man ihn den Römer verkündet hat zeigt natürlich andere Merkmale. Diese suchte mal allerdings vergeblich auf dem infrage kommenden Streckenabschnitt, denn da „rührte niemand was auf“. Alles sichtbare das für einen Aufruhr spräche, oder auf einen Aufruhr hinweisen würde, hätte man also von der Anlage her grundsätzlich vergeblich gesucht. Man hätte keines von alledem ausmachen können, da die Germanen bekanntlich nicht kaserniert waren. Jeder Römer aber auch Segestes, hätte er sich denn in den Tagen davor persönlich in der Region umgeschaut, ihnen wäre wohl nichts Auffälliges aufgefallen. Alles was ihnen zu Ohren gekommen wäre, wäre lediglich verbaler Natur gewesen, über greif - und vorzeigbares verfügte Segestes nicht. Im Aufrührergebiet herrschte wohl völlige Ruhe und es brannten dort beileibe keine Hütten, auf die er hätte verweisen können. Alles verlief nach dem Grundsatz einer gewissen Ruhe vor dem Sturm und die spürt ein Außenstehender in der Regel nicht. Schon gar nicht ein Segestes, den man dem gegnerischen Lager zurechnete. Selbst ein Segestes konnte keine Hinweise auf eine Falle vermuteten oder liefern, und schon gar keine Revolution erkennen, die gegen Varus im vollen Gange war. Allerdings kannte Segestes die germanischen Angriffstaktiken, aber die kamen relativ unorthodox zur Anwendung und waren schwer kalkulierbar. Er wusste nur, das auf Varus irgendwo und irgendwann eine äußerst brenzlige Lage zukommen würde, wie auch immer sie geartet war. In Ostwestfalen harrte man unterdessen der Dinge. Aber auch die Informanten von Segestes werden gut daran getan haben, ihm nicht ihr ganzes Wissen preis zu geben, denn jeder der zuviel wusste begab sich in diesen Tagen in Gefahr, wenn er später nicht auf der Gewinnerseite stand. Segestes hätte vielleicht doch mal hin reiten sollen, besser gesagt müssen, um sich ein Bild vor Ort machen zu können. Aber wie hätte die Anwesenheit eines Segestes bei den Germanen links der Weser gewirkt. Es scheint also, als ob er alles nur aus der Distanz heraus bewerten konnte, sozusagen vom Hörensagen und das hörte sich für Varus nicht sonderlich plausibel an, auch wenn er später wunschgemäß die nötigen Register zog. Segestes verkaufte es gegenüber Varus als eine konkrete von den Arminen ausgehende und gesteuerte Gefahr und irgendwann musste Varus dann wohl doch noch eine Reaktion zeigen. Arminius hingegen stapelte tief, verschleierte die Gründe und ließ die Gerüchte gären, denn sie kamen seinem Plan alles unpräzise und haltlos darzustellen entgegen. Aber immer noch wissen wir nicht und werden es nie erfahren, wie und ob sich auch Arminius dazu gegenüber Varus jemals äußerte. Arminius bot jedenfalls germanische Hilfstruppen an, was erkennen lässt, dass er zu einem bestimmten Punkt in die Argumentation des Segestes taktisch einschwenken und es wohl auch letztlich musste, da es geraten schien gegenüber Varus möglicherweise einen deutlichen Beweis der Loyalität liefern zu müssen. Es ist auch denkbar, dass es die Ursprungstaktik von Arminius gar nicht vor sah, sich vom Marschzug abzusondern. Es könnte viel mehr nur ein Grund dafür gewesen sein, um Varus in Sicherheit zu wiegen in dem er vorgab seine Hilfskräfte zu mobilisieren. Hilfskräfte die auch ohne ihn den Weg ins Kampfgebiet gefunden hätten um ihm gegen Varus zu helfen. Ein plausibles Argument, denn um die römischen Abstellungen zu besiegen, kam es letztlich wohl nicht auf die Schar der Kämpfer an, die Arminius begleiteten, als er gemeinsam mit den Legionen das Sommerlager verließ. Jene Germanen, die die Abstellungen nieder kämpften hielten sich bereits frühzeitig in der Nähe dieser römischen Abteilungen auf und wussten demnach auch, wo sich diese befanden. Grundsätzlich dürfte es Arminius aus taktischen Gründen aber eher wie einen lokalen und von Rom unabhängig zu wertenden Putsch ausgesehen haben lassen. Denn eine direkt gegen Rom gerichtete und erkennbare Rebellion müsste Varus wie eine Kriegserklärung betrachten und hätte ihn völlig anders handeln lassen. Varus hätte dann die Cherusker wie eine Auxiliareinheit gegen einen anderen Germanenstamm einsetzen müssen. So wie es hier im Ernstfall auch vorgesehen war. Es soll sich wie inszeniert zunächst nur um einen entfernter wohnenden germanischen Stamm gehandelt haben, der rebellisch wurde. Den Aufruhr schilderte man also aus weiterer Entfernung um Varus zu motivieren sich dahin in Bewegung zu setzen. Danach soll er dann der Überlieferung nach auch auf andere germanische Sippen oder Stämme übergegriffen haben. Was aus Sicht der antiken Berichterstatter auch glaubhaft klingt, so jedenfalls auch die spätere Darstellung von Tacitus. Denn es artete letztlich in einen Schlagabtausch aus, an der rein zahlenmäßig betrachtet schließlich auch mehrere Germanenstämme beteiligt gewesen sein mussten um drei Legionen nieder ringen zu können. Der Aufstand weit ab vom standardmäßigen Rückzugskorridor entwickelte sich demnach möglicherweise in einer Region, in der sich bislang vom Grundsatz her noch gar keine römische Kolonisierung entfaltet hatte. In der sich die römische Provinzialisierung noch nicht übermäßig bemerkbar machte, wo man sich aber durch sie bereits bedroht fühlte. Eine Region in der auch keine „vertragstreuen“ und gebundenen Cherusker mehr siedelten und die auch noch gar nicht in einen engeren Kontakt bzw. in Berührung mit den römischen Aktivitäten an der Weser gekommen war. Eigentlich eine Region in der man noch gar nicht hätte gegenüber dem Imperium in Rage geraten und einen Aufruhr anzetteln können, weil deren negative Auswirkungen bis hier noch nicht sehr intensiv spürbar gewesen waren. Das man sich von von dort aus bereits gegenüber dem Imperium erzürnte bzw. erzürnen sollte, war der Gesamttaktik und der Motivation aller durch Arminius geschuldet. Alles zusammen betrachtet, dürfte es daher Segestes schwer gefallen sein bei Varus Gehör zu finden bzw. weit ab des Weges eine ernsthafte Gefahr für sich und seine Soldaten zu erkennen, denn was sollten die dortigen Bewohner schon für Probleme, geschweige denn mit Rom gehabt haben. Ich hatte in diesem Aufrührerstamm die Marser identifiziert, bei denen noch ältere Rechnungen offen standen. Ihre Wohnsitze vermute ich südlich ab Scherfede entlang der Diemel und möglicherweise auch um Haaren, Essentho und Büren bis zu den Grenzen der Chatten bzw. Brukterer. Ein Stamm auf den mehrere Faktoren zutreffen. So auch der später von ihnen zurück eroberte Adler einer an der Schlacht beteiligten römischen Legion. In diesen Teil Ostwestfalens aber auch schon Nordhessens war also nach meinem Dafürhalten das römische Leben noch gar nicht so tief durch bzw. eingedrungen und nicht so präsent wie an der Lippe sowie zwischen Anreppen und Höxter bzw. nördlich bis Herford. Der Aufruhr wurde von Arminius sicherlich bewusst nebulös geschildert, zumal er in der dargestellten Form nie existierte. Er durfte nie konkret werden und kann nach der Darstellung auch der Arminen noch gut und gern als eine stammesinterne, innere Zwistigkeit gegenüber dem Generalstab im Sommerlager dargestellt worden sein. So kamen eine Reihe argumentativer Pluspunkte für Arminius im Kampf um die Hoheit in der Frage nach der Glaubwürdigkeit zwischen ihm und Segestes zusammen. Vorteile die Varus bewogen haben könnten auch noch sehr lange an der Glaubwürdigkeit von Arminius festzuhalten und die ihn so gar bewogen Arminius noch weg reiten zu lassen. Sollte es also Aussagen von Arminius gleich welcher Art gegenüber Varus gegeben haben, so könnte er völlig andere Ursachen vorgeschoben haben. Ursachen, die also auch nicht unmittelbar etwas mit den römischen Interessen und deren Präsenz in Ostwestfalen zu tun gehabt haben mussten. Damit wurde aus Sicht der Römer die Gefahrenstufe erheblich abgesenkt und man konnte sich trotz der Warnungen des Segestes gelassener ins Aufrührergebiet hinein begeben. Der fiktive Aufruhr wogegen er auch immer gerichtet war, steckte jedenfalls als Segestes begann vor ihm zu warnen noch in einer frühen Anfangsphase und konnte daher von ihm auch nur unterschwellig vermittelt bzw. dargestellt werden. Es war ein Aufruhr bei dem man noch keine lodernden Feuer sah und sie auch nie sehen würde. Für Varus schwebte alles noch in einer Übergangsphase mit dem Potenzial einer gewissen Schlichtungsfähigkeit durch seine höchstrichterliche Person. Denn es ist überliefert, dass Varus bei ihnen bzw. unter ihnen eine Gerichtsverhandlung abhielt bzw. abhalten wollte, um sie anzuhören, zu befrieden, zu beschwichtigen, oder um ihnen wie auch immer eine Lösung für mögliche Probleme anzubieten. Den wahren Ernst der Lage zu erkennen blieb ihm sehr lange verwehrt. Ganz in der Rolle des Landesvaters aufgehend, wäre ihm dieses Verhalten zuzutrauen gewesen. Er wollte sich ein Bild machen um nach Möglichkeit per Gerichtsbeschluss bzw. Dekret die Sache einzudämmen und aus der Welt zu schaffen. Wir müssen uns also auch davor hüten anzunehmen, hier wäre schon früh die Varusschlacht bereits als die Ultima Ratio schlechthin, also als ein unausweichlich sich zuspitzendes bzw. sich frühzeitig hoch schaukelndes Endszenario erkennbar gewesen. Bei weitem nicht, denn aus römischer Sicht war eine Schlacht in den später angenommenen Ausmaßen in der Anmarschphase noch nicht absehbar. Ungeachtet dessen musste Varus trotzdem zwei Szenarien durchspielen um vorbereitet zu sein. Wir würden es heute, wie es damals auch die Römer taten die Gefahr einer größeren Auseinandersetzung etwas herunter spielen. Denn so dramatisch wie es Segestes sehen wollte, sahen es die Römer noch lange nicht. Denn die gemäßigte aber doch nüchterne Lagebeurteilung wie sie anzunehmenderweise Arminius gegenüber Varus zur Situation vor Ort bei den Aufrührern abgab, entsprach mit Abstand nicht dem, was Segestes daraus machte bzw. machen wollte. Denn auch die möglicherweise von Arminius ausgesprochenen Worte gaben es wohl nicht her, dass sich hier in Ostwestfalen das Imperium einer ernsthaften Herausforderung und Bedrohung gegenüber gestellt sah. Varus hätte falls es zwischen Arminius und Segestes eine volle Übereinstimmung in der Lagebeurteilung gegeben hätte, definitiv anders reagiert und entschieden. Er hätte umfängliche Kampfvorbereitungen getroffen und wäre unmittelbar nach dem Auszug aus dem Sommerlager vielleicht schon in einer disziplinierten Formation vorgerückt. Und er hätte sicherlich auch schon in dieser Phase den Frauen und Kindern einen besseren Schutz angedeihen lassen. Trotzdem wird er Vorkehrungen getroffen haben, denn er hatte erfahrene Militärs um sich. Und vor diesem Mix bzw. Hintergrund aus überzogener Schwarzmalerei von der einen Seite und sachlicher Gelassenheit von der anderen Seite aus betrachtet hatte Varus den Mittelweg zu finden. Aber Varus musste auch noch anderen Überlegungen Raum geben. Nämlich eine Interessenslage zu gewichten, die völlig anderen Motivationen folgte. Strategische Dinge die man so heute also im Nachhinein verkennen könnte, wenn man nicht wüsste, dass Varus auch über den Tellerrand hinaus blicken musste. Um es anders auszudrücken, in Rom war man Intrigen erfahrener. So könnte man hier aus Sicht der Römer auch ein germanisches Komplott hinter allem gesehen haben, dass in eine ganz andere Richtung abzielte. Nämlich ein gegenseitiges Ringen innerhalb der germanischen Führungsschicht um die Vorherrschaft, dass bereits imperiale Pläne bedrohte und berührte, die man sich nicht aus der Hand nehmen lassen wollte. Denn Rom gedachte in Ostwestfalen in den nächsten Jahren und darüber hinaus noch viele Dinge anzugehen und umzusetzen. Revolutionäres an Aufbauleistung von denen sich die meisten Germanen vielleicht noch gar keine rechten Vorstellungen machen konnten. Man sah im Zelt des Varus, nach dem Segestes die ersten Warnungen aussprach möglicherweise auch das Bedürfnis eines Mannes, der sich vor die rivalisierende Segimer Partei schieben wollte um mit römischen Zugeständnis allein die zukünftigen Geschicke des Cherusker Hauses lenken zu dürfen. Dies könnte Varus ebenfalls bewogen haben hinter seinen Äußerungen nur ein drittrangiges Ereignis zu erkennen, das man nicht über zu gewichten hatte. Ein Germane der sich Rom derart anbiederte und sich in den Vordergrund schob könnte selbst einem Varus verdächtig gewesen sein. Das es Segestes möglicherweise nicht gelang Varus eindeutig und frühzeitig voll für sich und seine Position zu vereinnahmen, könnte darauf zurück zu führen sein, dass Segestes das Format eines Arminius fehlte. Das beruhigende Angebot von Arminius sogar Hilfstruppen hinzuziehen zu wollen bzw. anzubieten wird dann alle Zweifel bei Varus beseitigt haben und auch ihn davon überzeugt haben nun doch mal im Süden nach dem Rechten zu schauen. Es wird ihm verdeutlicht haben, dass er nicht um einen Abstecher herum kommen würde. Schließlich kam diese Hilfszusage vom möglichen Aufrührer Arminius und nicht vom treuen Segestes und gewann dadurch an Gewicht. Die Augen von Varus hingegen waren in dieser Zeit wie angedeutet auf viele andere zukünftige von ihm zu treffende Entscheidungen gerichtet. Unruhen bei einem weiter entfernt liegenden Stamm besaßen für ihn nur am Rande eine Bedeutung. Unruhen wurden ihm zudem immer mal wieder gemeldet. Mal lagen sie näher mal weiter entfernt. Oft entpuppten sie sich aber als harmlose Familienfehden, oder andere kleinere Delikte, die er von seinem Richterstuhl im Sommerlager aus bereinigte. Sollte Varus etwa jedes Mal eine Legion entsenden nur um nachsehen zu lassen, was an den Gerüchten über Rebellionen oder ähnlichem wahr oder nicht wahr war. Er kam bekanntlich den Cherusker Germanen schon sehr weit entgegen in dem er ihnen seine Abstellungen anvertraute. Hörte man von Unruhen aus anderen Regionen so wurden diese zuerst einmal als belangloser eingestuft, wenn sie außerhalb der Interessensphären lagen. Wurden sie aber aus dem rückwärtigen Raum zwischen Weser und Rhein vermeldet, musste man sie schon ernster nehmen und nahm dafür wie im vorliegenden Fall dann auch einen Umweg in Kauf. Aber Varus schien es, als wollte Segestes und seine Männer ihn für ihre Ideen vereinnahmen und ihn möglicherweise für ihre Pläne und Vorstellungen instrumentalisieren. Varus hielt sie vielleicht sogar nur für die Visionen oder gar Wahnvorstellungen eines Macht besessenen kleinen Regionalfürsten. Hätte es keine Varusschlacht gegeben, ein Mann mit Namen Segestes wäre nie Berühmtheit erlangt und in keinen Annalen der Weltgeschichte aufgetaucht. In den Wochen davor gingen seine Warnungen in der Vielstimmigkeit des bunten Treibens unter. Und uns kamen sie auch nur zu Ohren, weil er damals der Mann war, der am Ende Recht behielt. Es waren zwar keine belanglosen Nichtigkeiten die Segestes hier zu bedenken gab. Es waren immerhin die ernsten Ansichten und Worte aus dem Munde eines angesehenen und als Rom freundlich geltenden Mannes. Aber auch der andere Teil des Bündnispartners mit dem römischen Ritter Arminius an seiner Spitze galt zu dieser Zeit noch als ausgesprochen Rom freundlich und vertrauenswürdig innerhalb des Fürstenhauses der Cherusker. An den Schilderungen des Segestes übte man sicherlich auch keinen direkten Zweifel, man glaubte ihm die Unruhen schon und respektierte ihn auch bis zu einem gewissen Grad, hielt sich aber auch selbst für stark genug diese Aufrührer in ihre Schranken zu weisen. Andernfalls hätte man die Arminen wie von Segestes vorgeschlagen samt ihm selbst in Ketten gelegt, was aber nicht geschah. Ungezählte andere Personen, Sippenälteste, Stammesführer, oder Gesandtschaften aber auch seine eigenen Leute taten es Segestes in diesen Tagen gleich, sie versuchten alle auf ihn Varus und seine Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Varus war unbestritten der starke Mann an der Weser und bei allen und jedem gefragt. Aber Varus trieben auch andere Sorgen um, als nur jener neuerliche kleine Zwist, der sich da im Süden aufzutun schien. Über die Sorgen die Segestes umtrieb oder die er vorschob zu haben, waren an der Weser möglicherweise früher oder später schon alle hinlänglich informiert. Doch alle seine Warnungen und übertriebenem Prophezeiungen nutzten sich irgendwann auch ab, zumal auf sie nichts Bedrohliches folgte. Keine Römer wurden auf ihren Versorgungszügen zur Lippe angegriffen und kein germanisches Heer war im Anmarsch auf das römische Sommerlager. Was allerdings auch nicht nötig war, denn man kam bekanntlich zu ihnen. Später, als alles vorbei war, die Knochen unbestattet in der Sonne bleichten und sich die finsteren Prognosen bewahrheiteten, sah man Segestes mit anderen Augen. Da war man beladen mit einer gehörigen Portion an Selbstvorwürfen und erinnerte sich bitter an alle seine Hinweise zurück. Aber da lag das Kind im Brunnen und jeder rief aus „Warum haben wir damals nur nicht auf Segestes gehört“. Man erkennt unschwer, dass die Aufarbeitung der Varusschlacht Geschehnisse einen umfassenden Komplex berührt, den die alten Schriften auf den ersten Blick nicht erkennen lassen. Erst die Detailanalyse in Verbindung mit vielen logischen Schlussfolgerungen öffnet uns die Augen. Vielleicht müssen wir uns innerlich von lieb gewonnenen Vorstellungen verabschieden und unsere Querdenker Flexibilitäten von Grund auf aktivieren. Die Schlacht als solches war demnach für Varus keine Überraschung. Überraschend kam für ihn nur, wie sie sich aus dem Nichts aufbaute, wie sie ihre unbändige Eigendynamik entwickelte, sich die Rahmenbedingungen ins Nachteilige drehten, wie stark der germanische Widerstand ausfiel und wie erfolglos letztlich seine Legionen operierten bzw. dem Feind gegenüber standen. Die Götter hatten sich gegen sie gewendet. Das Varus mit Arminius auf der gegnerischen Seite zu rechnen hatte, wurde ihm angekündigt. Aber um Einschreiten zu können waren ihm diplomatisch die Hände gebunden. Er hoffte bis zuletzt, die Arminen wären am Aufruhr nicht beteiligt (8.5.2019)

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