Samstag, 29. Juni 2019
Segestes ein Mann im Zentrum der Varusforschung
Die erste große auf heute deutschem Boden stattgefundene Schlacht, die in früh geschichtlicher Zeit ausgetragen wurde und die man zu einem ?Historiendrama? hochstilisierte gelangte unter der Bezeichnung ?Varusschlacht? zu herausragender Bedeutung. Doch befragt man selbst Geschichtsfreunde, so kennen viele von ihnen maximal nur die zwei Hauptdarsteller. Varus den schmählichen Versager und Verlierer der Schlacht und Arminius den strahlenden Helden, dem der unerwartete Sieg gelang. Nur wenige Jahre zuvor läutete eine unsichtbare Glocke die Zeitenwende ein, womit die Germanen die fiktive Epoche der Prähistorie verließen. Man setzte für die Schlacht das Jahr 9 + an, was aber ein Jahr Null voraus setzt, das der Schaltjahr freie julianische Kalender nicht kennt, dem sich aber die Historie verpflichtet fühlt und was die Wissenschaft noch lange beschäftigten wird. Da sie den gregorianischen Kalender nicht anwendet, kommt auch Cäsar immer noch am 15. März 44 ? und nicht am 13. März 43 ? zur Welt. Diese Schlacht stellt sich vor unseren geistigen Augen wie ein monumentales Ereignis dar und nahezu geschaffen für die wuchtigen Großleinwände der Weltgeschichte. Entrückt aus fernen Anfangstagen nie mehr erreichbarer Zeiten erscheint es uns wie ein in irrealen Farben verklärtes Meisterwerk. Ganz so, als ob die Natur damals Farben benutzt hätte, die heute nicht mehr existieren würden. Dabei liegt alles ausgebreitet vor uns als sei es gestern erst Geschehen, denn der nötige Zeitsprung nach hinten, den wir im Kopf zu vollziehen haben, stellt uns vor keine unlösbaren Aufgaben. Die Naturgeschichte vollzog sich immer schon nach dem gleichen Muster und der Mensch von heute unterscheidet sich in seinem Inneren kaum von dem, der er auch schon vor 2000 Jahren war. Und das trifft auf alle Gestalten jener Zeit zu. Also auch auf Segestes der zum designierten Überläufer wurde und somit ein Insider der ersten Stunde war. Um diesen dynamischen und immer nach vorne gerichteten Prozess, dem alle geschichtlichen Abläufe unterliegen auch nur annähernd erfassen zu können, müssen alle denkbaren Register gezogen werden. Und je weiter das Ereignis zurück liegt um so schwerer erscheint es uns, sich im Zeittunnel rückwärts zu orientieren. Die Varusschlacht hebt sich in besonderer Weise von vielen anderen historischen Schlachten ab. Denn zwei gegen einander kämpfende Völker unterschiedlicher Kulturstufen, bei der das eine die Schriftsprache beherrscht, ohne die uns auch der Name Segestes nie erreicht hätte und das andere diesen Schritt noch vor sich hat, ist nicht die Norm. Die germanischen Stämme unterschieden sich von den Mittelmeerkulturen und standen auch zu ihren östlichen Anrainervölkern die als Nomaden lebten noch in Kontakt. Im Zuge der Völkerwanderungen bewiesen sie selbst, dass ihnen dieser Wesenszug noch nicht völlig abhanden gekommen war. Somit verlief die Varusschlacht an der Grenze einer brisanten zivilisatorischen Grabenkante, wo sich in der Sprache der Geologie ausgedrückt zwei Platten aneinander rieben. Und so muss unweigerlich am alten Drehbuch auch noch bis in unsere Tage hinein stetig neu geschrieben, es umgeschrieben und ständig an ihm nachgebessert werden. Denn es treten immer wieder neue Aspekte ins Blickfeld und finden im wahrsten Sinne des Wortes ans Tageslicht, nachdem sie sich Jahrhunderte lang im Boden vor der Forschung verbergen konnten. Und auch die Schriften der antiken Historiker können uns im Zuge inhaltlicher Analyse immer wieder noch neue Erkenntnisse offenbaren und Überraschungen bereit halten, die man bislang in einem anderen Kontext sah. Um hier nur die eine technisch provokante Frage in den Raum zu stellen, warum das Imperium ihr Know - How im Zusammenhang mit der Zementherstellung und Verarbeitung in Ostwestfalen plötzlich vergessen haben sollte. Jedes Mehr an Wissen macht auch das alte Schlachtengeschehen für uns transparenter und lässt es für unser Verständnis zunehmend abgerundeter und in sich schlüssiger erscheinen. Und auch beim einstigen Hoffnungsträger, dort wo anfänglich einiges darauf hinzudeuten schien, dass man die Örtlichkeiten der Endtragödie nahe dem ?Kalkrieser Berg? nördlich von Osnabrück endlich hoffte gefunden zu haben, führten neue Erkenntnisse zu einer veränderten Betrachtungsweise. Was nun zwangsläufig zu einer Korrektur bisheriger Ansichten führen musste. So konnte sich die viel zitierte normative Kraft des Faktischen dort mal nicht durch setzen. Und man meint, dem nun damit Rechnung tragen zu können in dem man dazu über geht, die Region nicht mehr der Varusschlacht zuzuordnen, sondern sie auf ein ?Varusereignis? zu reduzieren. Also nunmehr eine Schlachtenepisode mittleren Ausmaßes dahinter erkennt, die auf Basis der gefundenen Schlussmünze irgendwann nach dem Jahre 2 ? statt gefunden haben kann. So kämen demnach auch einige kriegerische Auseinandersetzungen nach dem Prägedatum infrage, die mit Varus nicht mehr unmittelbar in Verbindung gebracht werden können. Zum einen weil Varus erst um das Jahr 7 + Germanien betreten haben soll und zum anderen, weil er bereits zwei Jahre später tot war. Ungeachtet dessen möchte man jedoch am schwer gewichtigen Wort ?Varus? noch etwas festhalten und haben noch Hoffnung. Aber es waren nicht diese zwei Hauptprotagonisten Varus und Arminius allein die an der Geschichte des Jahres 9 + mit schrieben. Denn im Umfeld der Schlacht begegnen uns insbesondere auf römischer Seite noch viele weitere Namen, seien es die der unmittelbaren Teilnehmer an den Kämpfen, andere Zeitzeugen, Anverwandte oder Personen die später über das Geschehene berichten sollten, bis hin zu Kaiser Augustus oder dem auf ihn folgenden späteren Kaiser und früheren Feldherrn Tiberius höchstpersönlich. Alle waren sie in die Schlacht in irgendeiner Weise verwickelt, davon betroffen, tief geschockt, bestürzt oder einfach nur fasziniert vom bitteren Ausgang. Eine kriegerische Begegnung zweier Völkerschaften, die auf ungleiche Entwicklungen zurück blickten erschütterten damals die bekannte Welt. Vergessen wir dabei nicht, dass nach der Kurgan Hypothese beide Völker noch etwa 2500 Jahre vor der Varusschlacht in einer einst gemeinsamen indogermanischen Vergangenheit und großen Völkerfamilie miteinander verbunden waren. Die Varusschlacht könnte man demnach ebenso wie viele andere Schlachten und auch jene unter Cäsar aus heutiger Sicht als ?Wieder Annäherungskriege? zweier in Jahrtausenden auseinander gedrifteter Völkerströmungen bezeichnen. Vor der Entscheidungsschlacht hielt sich eine Varus unterstellte Armee auf ihrem Feldzug den Sommer über im inneren Germaniens auf, durchstreifte als Vorbote einer neuen Zeit Ostwestfalen und errichtete wie angenommen wird, ein zentrales stabiles Lager, von wo aus Varus die römischen Gesetze einführen und durchsetzen wollte. Für die Germanen war es zuviel und sie waren in jener Zeit von alledem schlicht überfordert. So verloren sie letztlich jede Scheu davor, sich einem Heer hoch gerüsteter Eroberer entgegen zu stellen. Mit der Schlacht war der Zenit eines Gewaltausbruches jener Menschen erreicht, die sich keiner anderen Zivilisation unterordnen wollten. Und diese Herausforderung brachte Menschen hervor, die sich mit aller Macht dagegen zur Wehr setzen wollten aber auch Germanen die einen Mittelweg oder eine Koexistenz anstrebten und Personen die einer völligen Unterwerfung das Wort redeten, wenn die Bedingungen stimmten. Sie brachte als Randerscheinung zudem auch noch die Konfrontation besser gesagt die Kollision zweier Götterhimmel mit sich. Eine Zerreiß- und Machtprobe zwischen einer fortschrittlichen Kultur aus den milden und angenehmen mediterranen Gefilden mit einer an die Nebel verhangenen und kühleren Landschaften des Nordens angepassten Bevölkerung. Und es war meines Erachtens nicht etwa der Zusammenprall von Götterfamilien, wonach sich die überlegenen Heroen der indogermanischen Streitaxt- oder Schnurkeramik Kulturen mit den archaisch bodenständigen göttlichen Vertretern der Welt der Megalithbauern bzw. Trichterbecher Kulturen maßen. Im Nethegau standen sich zwei wesentlich jüngere und fortschrittlichere Götterfamilien gegenüber, die sich unschlüssig waren, ob sie noch als Götter oder schon als Menschen agieren oder betrachtet werden wollten. Die Austragungsregion der ?Clades Variana? an deren Kante und in deren Kern das Eggevolk lebte, machte folglich diese Region auch zum Zentrum einer überirdischen Auseinandersetzung. Ein Prozess dem sich das Imperium auch in anderen Grenzregionen und nicht nur denen des Ostens gegenüber gestellt sah. Die Gewalttaten im Zuge der Varusschlacht, die sich über mehrere Tage ausgehend von den Niederungen des Nethegau bis hinauf auf die Hochebene nach Kleinenberg erstreckten, lösten einen Funken aus und ließen kommende Umbrüche erahnen, die in der Mythologie später als Götterdämmerung bzw. Ragnarök bezeichnet wurden. Aber es waren nicht nur lateinisch klingende Namen die uns die antiken Historiker überlieferten. Auch aus der germanischen Welt wurden einige Personen namentlich bis zu uns durch gereicht. Und einer Person gilt unsere besondere Aufmerksamkeit. Denn was wäre eine Tragödie klassischen Ausmaßes, die ohne Hinterlist, Tücke und Verrat aus kommt, wenn wir die Schlacht einmal wie ein Theaterstück inszenieren oder betrachten würden. Also ohne den Dritten im Bunde, der den Stoff und den dramatischen Verlauf erst durch seine verderblichen und scheinbar seelenlosen Intrigen und seine Rivalität gegenüber den Guten anreicherte und damit das ganze Schicksalhafte des Ereignisses erst komplett zu machen schien. Und diesen Dritten gab es leibhaftig und er durfte natürlich auch nicht fehlen. In der Gestalt des rivalisierenden Cherusker Fürsten Segestes betrat er die Bühne des Geschehens und er gelangte durch sein Tun zu zweifelhafter Berühmtheit. Am diffusen Licht, dass zu Anbeginn unserer Zeitrechnung auf Germanien fiel leistete er seinen nicht unerheblichen Beitrag. Nicht nur dank ihm ist anzunehmen, dass diese Schlacht und auch die Schlachten der Folgejahre den nötigen Grundstoff für die vielen Sagen und Legenden späterer Jahrhunderte liefern sollten. Außer Arminius dem man alles verzieh, der sich aber ebenfalls der gesamten Klaviatur der Intrige bedienen musste um sein Ziel zu erreichen, stand es aber nur Segestes zu, die drohende Gefahr offen beim Namen zu nennen. Er allein war, was seine Beweggründe anbelangte die nicht zu durchschauende und zwielichte dunkle Macht im Zusammenspiel der Kräfteverhältnisse. Und wäre die Schlacht nicht eine reale Begebenheit gewesen, man könnte annehmen, alles wäre nur eine unterhaltsam in Szene gesetzte Veranstaltung für das Volk von Rom gewesen. Eine Gewaltshow so, als ob alles wirklich statt gefunden hätte, wie man es damals auf dem Palatin oder im Kolloseum liebte und wie sich die Bürger der Hauptstadt bei Laune halten ließen. Aber wir denken, dass wir es anhand der antiken Schriften besser wissen, denn es war weder Phantasie noch Fiktion oder Einbildung römischer Theatralik, was sich damals in den Wäldern und Sümpfen Ostwestfalens wie ein Weltengericht über das Land legte. Aber Segestes war nicht nur der Mensch der den germanischen Hinterhalt auf deckte und womit er Freund und Feind gleichermaßen verwirrte, er hatte auch etwas Janusköpfiges an sich. Das sich dieser Germane, der sich in seinem ungestümen Verlangen Rom unter allen Umständen schützen zu wollen und zu müssen zu dieser Tat hinreißen ließ, damit die Pläne der Germanen massiv gefährdete und gleichzeitig den römischen Generalstab zu einer ungewollten militärischen Schwenkbewegung herausforderte, dürfte auch nicht seine Beliebheitswerte, gleich von welcher Seite aus man es betrachten möchte, gesteigert haben. So roch auch alles was wir von ihm wissen etwas zu stark nach Eigeninteresse und das lässt aufhorchen. Und er war auch nicht der von dem man annehmen könnte, er wäre nicht Herr seiner Sinne gewesen, der missverstandene, naive oder verwirrte Verräter und letzte römische Rettungsanker im großen Spiel und diplomatischem Geränke vor dem Kräftemessen. Er wusste was er tat. Denn bei genauer Analyse seines Werdeganges und den unterschiedlichen Rollen die er dabei einnahm, sowie der Lebenserfahrung die er sammelte, stoßen wir auf diverse Hinweise hinter denen sich Ungereimtheiten verbergen, die uns auch an etwas anderes denken lassen. Ich sehe daher in ihm die fragwürdigste Person im Kontext der Ereignisse und bin davon überzeugt, dass die Geschichtsforschung seiner Bedeutung zu wenig Raum gibt. Thusnelda seine Tochter soll um das Jahr 10 ? zur Welt gekommen sein. Als ihr Vater, könnte Segestes 20 Jahre früher, etwa um das Jahr 30 ? und natürlich auch später geboren worden sein. Nach 17 + verstarb Segestes vermutlich im gallischen Exil. Womit sich seine Lebenszeit in etwa errechnen ließe. Segestes durchlebte somit die schicksalhaftesten Jahre, die die Germanen in Ostwestfalen und der Großregion über sich ergehen lassen mussten. So könnte er schon mit 14 Jahren, also noch als Halbwüchsiger erfahren haben, wie die Sugambrer links des Rheins die Armee des römischen Statthalters Lollius im Jahre 16 ? aufrieben und sogar einen Legionssadler erbeuteten, Rom dann aber im Zuge der Revanche doch letztlich als Sieger vom Platz gehen sollte. Er hörte später davon, wie Rom mit diesen Sugambrern umsprang, sie in ihre Gewalt brachte, sie wie Sklaven behandelte und dann an den Niederrhein verfrachtete, bzw. umsiedelte. Dann erfuhr er im Alter von etwa 18 Jahren vom ersten größeren Drususfeldzug. Es war im Jahre 12 ? und es wirkte nicht nur so, sondern es war auch die Demonstration römischer Überlegenheit, bei der das Imperium ohne nennenswerten Widerstand kraftvoll den Niederrhein überschritt und danach in die westfälische Bucht eindrang. Er kämpfte mit inzwischen möglicherweise 19 Jahren auch auf Seiten der Cherusker bei Arbalo im Jahre 11 ? gegen Drusus mit. Dort musste er mit ansehen, wie hilflos, konfus und strategielos sich doch die germanische Taktik erwies und es nicht gelang, das römische Heer auf ihrem Rückmarsch zum Rhein entscheidend zu schwächen geschweige denn schlagen zu können. Mit Anfang 20 war er dann vielleicht auch in die Schlachten und Kämpfe des ?Immensum Bellum? unter Marcus Vinicius und dem Feldherrn Tiberius in Ostwestfalen der Jahre 1 + bis 5 + verwickelt oder davon betroffen. Und auch diese Erlebnisse gingen nicht spurlos an ihm vorbei. Letztlich zogen die Germanen immer wieder den Kürzeren und konnten dem unaufhaltsamen Vordringen des Imperiums nichts entgegen setzen. Alle mussten ohnmächtig zusehen, dass die römische Landnahme nicht zu stoppen war und man ging allgemein davon aus, dass es so weiter gehen würde, bis das Imperium die Elbe erreicht hätte, nach dem Rhein den nächsten großen Strom in Germanien. Nicht nur er könnte es wie einen Erfolg gewertet haben, als das Imperium endlich die Kriegshandlungen einstellte und auf Provinzialisierung setzte. So brachte der Bündnisvertrag zwischen den Cheruskern und dem Imperium unter Varus an dem auch er selbst mit gewirkt haben dürfte nach etwa 20 Jahren Kampf und Leid die nötige und ersehnte Ruhe ins Land. Zwar ein Diktatfrieden aber ein Frieden. Und wer wollte das Erreichte schon in irgend einer weise übermütig aufs Spiel setzen. Interpretiert man hier die gängige historische Auslegung anders, so wurde hier auch kein Varus an die Weser gelockt, so überzeugend es auch klingen mag, sondern hier wurden einem Varus bereitwillig die Türen zur Weser geöffnet, solange Rom Germanien nur nicht mit neuem Krieg überziehen würde. Denn die germanischen Hütten konnten und sollten nicht auf ewig brennen, man wollte wieder die Äcker bestellen und Hungersnöte mussten ein Ende finden. Das daraus letztlich ein Knebelvertrag wurde, den der cheruskische Vertragspartner einseitig brach, war bei Vertragsabschluss noch nicht zu erwarten gewesen. Und es bedarf auch keiner besonderen Betonung, das man in Rom für den Bruch des Vertrages keinen Grund erkennen konnte und auch nicht wollte, Ein Vertragsbruch war bekanntlich das Schlimmste, was sich ein Vasallenstamm gegenüber dem übermächtigen Imperium erlauben konnte. Letztlich brachte dies den Cheruskern im besonderen Maße den Groll des ganzen Imperiums ein, was in die erwartete Revanche mündete. Es scheint zeitweise so, als ob der Vertragsbruch alles überwog, mehr noch als der Verlust der vielen Kämpfer, oder der Legionsadler. Segestes mag das Kommende gesehen haben. Obwohl der Marserfeldzug des Jahres 14 + den Eindruck erweckte in erster Linie den Unruhen unter den Legionären am Rhein geschuldet gewesen zu sein, so machte er doch den Anfang der drei Schlachtenjahre unter Germanicus, die der Sühne geschuldet waren. Die Brukterer erlitten arge Verwüstungen, da sich durch ihr Stammesgebiet der Nachschubkorridor nach Osten zu Land und zu Wasser zog, während die Chatten 15 + noch recht glimpflicht davon kamen und das Mehrschlachtenjahr 16 + dann den Höhepunkt bildete. Gleich gestellt dem Vertragsbruch war dem Imperium besonders an der Symbolkraft in form der Wiedererlangung ihrer Legionsadler und damit der Tilgung der Schmach gelegen. Aber immer war erkennbar, dass den Siedlungsgebieten der Cherusker die Hauptstoßrichtung galt. Wohl alle Cherusker und natürlich auch Segestes hielten den Friedens - oder Kooperationsvertrag, gleich wie man ihn nennen möchte, der in den Anfangszeiten der varianischen Machtausdehnung geschlossen wurde, für eine gute bzw. die beste Lösung. Segestes kannte daher die Lage im alten Ostwestfalen und im südlichen Niedersachsen wie kaum ein anderer, war dem jungen Arminius an Erfahrung weit voraus und war in Ostwestfalen gegenüber Arminius der einige Jahre kriegsbedingt abwesend war, immer präsent geblieben. Möglicherweise war Segestes sogar selbst davon überrascht wie die Cherusker Arminius mit seiner ?Germanenkohorte? nach seiner Rückkehr wie eine Art Befreier empfingen. Marbod ließ sich vorher nicht in die Karten schauen, ob ihm eine Schlacht gegen Varus ins Kalkül passte. Im Nachhinein kritisierte er jedenfalls die siegreichen Cherusker und das ungestüme Verhalten von Arminius und seine Strategie bis zuletzt. Obwohl er andere Interessen verfolgte, könnte er es ähnlich wie Segestes gesehen haben. Unstrittig aber war, dass ein germanischer Erstschlag im Regelfall auch eine römische Gegenreaktion auslösen würde und eine Massierung römischer Streitkräfte an der Weser konnte nicht in Marbods Interesse liegen. Heutzutage würde man Segestes mit seiner Strategie vielleicht als einen Realpolitiker bezeichnen, der eine Eskalation um jeden Preis vermeiden wollte. Einen Fürst der im Interesse seines Volkes Risiko und Blutvergießen mit allen Mitteln verhindern wollte und der auch den anderen großen ?Chefstrategen? seiner Zeit nämlich Marbod zumindest nicht zum Feind hatte, verdient es auch in dieser Hinsicht eine angemessene Bewertung zu erfahren. Aber Verrat und Tücke kommt eben besser an, so dass man diese Gesichtspunkte gerne vernachlässigte. Die von Tacitus ausgesprochenen Lobeshymnen auf Arminius hätten im Falle seiner Niederlage sicherlich völlig anders geklungen. Vor diesem Hintergrund betrachtet erscheint uns Segestes zweifellos nicht mehr wie ein verwirrter oder naiver Cheruskerfürst, sondern wie ein umsichtiger und ernst zu nehmender Mann, der sich einer Schlacht mit ungewissem Ausgang entgegen stellen wollte. Er machte allerdings eine falsche Rechnung auf, denn er war sich der brodelnden Stimmung unter allen Cheruskern offenbar nicht bewusst. Und er unterschätzte möglicherweise auch die Beutegier und Kampfeslust seiner Stammesgenossen. Denkbar ist auch, dass der Wille zu Gewalt und Waffeneinsatz verstärkt von den Umliegerstämmen kam und sie es waren, die zusätzlichen Druck auf die Cherusker ausübten, da sie ähnliche Vertragsabschlüsse auf sich zukommen sahen. Jedenfalls sah und fühlte man sich an der Weser und unter den Nachbarstämmen überaus siegessicher und willens genug jeden Preis zu zahlen, um die römische Unterdrückung zu beenden. Segestes verharrte nach der Varusschlacht noch lange in seinem Fürstentum und verließ Germanien erst lange Zeit später im Jahre 15 + und das im Schutz des römischen Feldherrn Germanicus. Als ob Segestes es geahnt hätte, so sollte die römische Kriegsmaschinerie erst nach seinem Wegzug im Folgejahr 16 + voll über Ostwestfalen herein brechen. 27 lange Jahre römisch germanischer Schlachten zwischen dem Jahr 12 ? und dem Jahr in dem er den Weg ins Exil antrat, hatten Segestes nachhaltig geprägt und er hatte sie vielleicht auch mit Narben und Blessuren überstanden, aber vor allem hatte er sie überlebt. Die militärischen Fähigkeiten und das Führungstalent eines Segimer können wir nicht einschätzen, man hält ihn für einen Wegbereiter seines Sohnes Arminius. Seinem Vater Segimer könnte man das Mitwirken am nötigen Einigungsprozess unter den Cheruskern zuschreiben, aber allein und ohne Arminius gegen Varus anzutreten, schien ihm offensichtlich auch nicht ratsam gewesen zu sein. So könnte Segestes in den Jahren vor der Rückkehr von Arminius im Stamm der Cherusker auch über einen hohen Grad an Machtvollkommenheit verfügt haben, vielleicht sogar noch über Segimer selbst stehend, dem erst die Stärke seines Sohnes den nötigen Rückhalt verschaffte. Aminius der nun wieder in Ostwestfalen ein ritt um möglicherweise auch die ihm in früheren Jahren versprochene Thusnelda wieder zu sehen. Die langen Jahre hatten Segestes menschlich und auch politisch beeinflusst und reifen lassen. In der Konsequenz wollte er die Cherusker vor einer römischen Niederlage bewahren und das ließ ihn auch vor einem Verrat nicht zurück schrecken. So kann man es auch sehen. Denn kaum ein anderer kannte sich in diesen schweren Tagen auf germanischer Seite besser aus als er, aber die nicht erklärbare Fehleinschätzung hinsichtlich der Mentalität seiner cheruskischen Stammesgenossen und der von ihm damit verbundene unterschätzte Kampfeswille der germanischen Stämme lässt immer wieder Zweifel an seiner Gesinnung aufkommen und man meint auch andere, sprich niedere Beweggründe hinter seinem Verhalten erkennen zu können. Keine namhafte germanische Größe die sich mit ihm in diesen kritischen Jahren nicht traf und mit ihm in Berührung gekommen sein dürfte und die nicht mit ihm ihr Wissen ausgetauscht und geteilt hatte, ließen ihn von seinem Plan abbringen die Schlacht unbedingt vereiteln zu wollen. Er schien sich trotz allem an den Vertrag gebunden zu fühlen und war fest davon überzeugt, dass Varus zum einen nicht zu schlagen war und wenn doch, so hätten die Germanen die römischen Rachemaßnahmen nicht überstehen können. Genauso wird es keinen römischen Oberen oder Feldherrn gegeben haben, der nicht mit ihm wie auch immer in engerem Kontakt gestanden haben wird. Und auch diese Gespräche machten ihm deutlich, mit welchem kompromißlosen Gegner es die Germanen auf der Gegenseite zu tun hatten und wie riskant eine Auseinandersetzung mit ihnen werden würde. Nur einer wusste mehr und das war Arminius, der die gegnerische Front kannte und die eigene befehligte. Er stand ebenfalls mit allen Kräften jener Zeit in Verbindung und kannte die römischen Stärken besser als Segestes zumal er sie selbst hautnah im Kampf erlebt hatte und sich im Gegensatz zu Segestes in Ihre Strategien hinein denken konnte. Der Mut in diese waghalsige Schlacht zu gehen war beeindruckend und der folgende für viele unerwartete Siegesruf aus germanischer Kehle fand in windeseile seinen Weg in alle Himmelsrichtungen und dies nicht nur nach Rom sondern auch bis in den hohen Norden. Der Widerhall dieser Schlacht sollte noch lange nachklingen. Er löste bei den Gegnern völlige Fassungslosigkeit, bei den Siegern einen Freudentaumel und bei den neutralen Beobachtern Erstaunen aus. Segestes überlebte vermutlich auch seinen Widersacher Segimer von dem man annimmt, er könnte die Varusschlacht nicht überlebt haben, da danach jegliche Quellen über ihn schweigen. Den Feldherrn Varus überlebte er sowieso und möglicherweise außer Kaiser Augustus im bereits hoch betagten Alter auch noch Arminius selbst und viele andere ebenfalls. Das macht ihn für die historische Betrachtung besonders interessant. Kein Germane jener Tage verfügte über dieses umfängliche Insiderwissen wie er es besaß und in Teilen könnte er über die römischen Interna auch mehr gewusst haben als Arminius. Sein größter naturgegebener Vorteil den ihm keiner nehmen konnte war letztlich der Umstand, dass es ihm gelang die Varusschlacht und die kritischen Jahre danach zu überleben. Und nicht nur das, er war der einzige, der authentisch bis ins Jahr 15 + hinein gegenüber seinen römischen Verbündeten in allem eine aussagekräftige Quelle war, denn er allein besaß zum Imperium den nötigen Zugang und das Vertrauen. So hätten wir zweifelsohne in Segestes auch einen der wesentlichen Informanten über all die Dinge gehabt, wie sie sich damals zutrugen. Vieles von dem was seinem Wissenstand entsprach, dürfte daher meines Erachtens auch den Weg in die Senatsakten gefunden haben, um sich danach in so manchen antiken Schriften wieder finden zu lassen. Seine Detailkenntnisse floßen in die römischen Annalen ein und werden als Quelle dessen gedient haben, aus der dann alle späteren antiken Historiker in der Zeit nach der Varusschlacht in Rom schöpfen konnten. Er war ja bei allem was in Ostwestfalen geschah und das schon lange vor der Varusschlacht immer ganz nah dabei. Er schloss nach dem ?Immensum bellum? mit Segimer auch das wichtige Bündnis mit Rom und konnte über Vereinbarungen berichten, die ihm was das Inhaltliche anbelangte nur sehr wenige streitig machen konnten. Er konnte aus einem übervollen Fundus an Wissen schöpfen, denn es gab später keine Zeugen mehr, die etwas anderes hätten behaupten können. Ihm war es aber auch gegeben, die Dinge in ihrer Gesamtheit immer so darstellen zu können, wie sie sich für ihn am Günstigsten auswirken konnten. Wenn es zum Beispiel darum ging später zu Protokoll zu geben, wie oft und leider vergeblich er denn auf Varus eindrang, vor der Gefahr eines Hinterhaltes gewarnt haben will, Varus ihm aber partout nicht glauben wollte, so sprach das für seine volle Loyalität. Denn wer lebte noch von den alten römischen Kämpfern und hätte seine Worte bezeugen oder ihm widersprechen können. Segestes wird sie alle gekannt haben, wie sie um Varus herum im Feldherrnzelt saßen und er wird gewusst haben, was später nach der Varusschlacht aus ihnen geworden ist, wenn sie diese überhaupt überlebt hatten. Sollte meine Hypothese zutreffen, so könnten wir es in den antiken Quellen mangels überlebender Zeitzeugen der letzten Stunden mit einer stark einseitig gefärbten bzw. inszenierten Selbstdarstellung des Segestes zu tun gehabt haben. Wer vom römischen Adel, Generalstab oder aus den Reihen der Legionäre überlebte sich nach Xanten oder, wenn auch recht unwahrscheinlich in andere Legionslager durchschlagen konnte, durfte das Mutterland Italien auf Anweisung von Augustus nicht betreten. Dieses Verbot galt vermutlich nur über einen gewissen Zeitraum und zwar nur solange wie der Kaiser brauchte, um auch wieder seine germanische Leibwache die er vorüber gehend weg geschickt hatte bzw. weg schicken musste, zurück in seinen Palast zu holen. Es kann aber angenommen werden, dass es nur wenigen Legionären gelang sich wieder nach Rom zurück zu begeben um sich dort den Fragen der kaiserlichen Schreiberlinge zu stellen. Rom war letztlich auch nicht unbedingt die Heimatstadt vieler Legionäre und so zog es auch nur wenige in die Hauptstadt. Viele Legionäre kamen aus anderen Regionen, Südfrankreich oder Süditalien und machten um Rom einen Bogen, so dass diese später auch nie befragt werden konnten, wie es denn so in Ostwestfalen des Jahres 9 + abgelaufen ist. Ebenso könnte man davon ausgehen, dass die höhere Führungsschicht der Befehlshaber der drei Legionen, die das meiste zum Verlauf hätten beitragen könnten umkamen und Italien gar nicht mehr wieder gesehen haben. Segestes hätte demnach faktisch freie Hand gehabt, die Ereignisse so in die Federn der ihn Befragenden zu diktieren, wie es ihm beliebte und wie es seinen Vorstellungen, Wünschen und Zielsetzungen entsprach und vor allem wie es ihm ins Konzept passte. Er konnte vieles beschönigen, manipulieren und in anderer Weise darstellen. Und dazu gehört natürlich auch das gesamte Umfeld seiner Familie mitsamt den Geschehnissen, wie sie sich um seine Tochter Thusnelda darstellen, die er Arminius wie man so liest entreißen bzw. fortführen musste. Die Hypothese, dass Segestes der Mann war, der mangels römischer Quellen alles wusste, erfordert zweifellos eine komplette Neubetrachtung all jener in antiker Zeit nieder geschriebener Hinweise in Bezug auf die Varusschlacht. So macht es Sinn sich diesen Umständen zu widmen und einen Blick auf die Zeit zu werfen die folgte, nachdem sich Segestes mit seiner Familie in die Hände von Germanicus begab. Was geschah im Frühjahr 15 + und wann geriet er möglicherweise an die Adressen derer in Rom, die von ihm mehr hören wollten. Germanicus führte im Jahre 15 + zwei Angriffe gegen die germanischen Stämme die an der Varusschlacht beteiligt waren. Einen im Frühjahr gegen die Chatten, der schon an der Eder zu Ende zu sein schien bzw. dort stecken blieb, da sich die Chatten mit ihrer Hauptmacht der Schlacht entzogen und eine Rückzugschlacht vermutlich im östlichen Teil der westfälischen Bucht gegen die Marser und die sie unterstützenden Stämme. Brukterer und Cherusker wurden 15 + nicht angegriffen bzw. nicht erwähnt. Nach dem zeitigen Frühjahrsfeldzug 15 + befreite Germanicus Segestes und nahm ihn samt Familie in römische Obhut bzw. Verwahrung. Da er noch einen weiteren und umfänglichen Feldzug im Sommer ab Xanten plante, den er erfolgreich zu beenden gedachte, könnte er Segestes samt Anhang mit an den Niederrhein genommen oder ihn mit Geleit nach Mainz gebracht haben. Ein Datum ist fix, nämlich der 26. Mai 17, den an diesem Tag wurde die Segestes Familie im Triumphzug durch Rom geführt, gleich ob Segestes über Xanten oder Mainz nach Rom gelangte. Wo sie die Zeit zwischen dem Frühjahr 15 + und dem Mai 17 + verbrachten ist nicht bekannt. Was aber ereignete sich in Rom nach dem Bekanntwerden der Niederlage der drei Varus Legionen. Drei Tage Staatstrauer gingen auch einmal zu Ende, Augustus hatte den ersten Schock verdaut und man tröstete sich mit der erfolgreichen Niederschlagung des Pannonienaufstandes im gleichen Jahr. Asprenas hielt und stabilisierte in der ersten Zeit nach der Schlacht, als alle rechtsrheinischen römischen Städte und Legionslager in Flammen aufgingen die niederrheinische Front gegen mögliche germanische Versuche den Fluss überschreiten zu wollen, wobei ihm Feldherr Tiberius noch im Winter 9 + / 10 + zu Hilfe kam und das Kommando am Rhein übernahm. Tiberius zog darauf hin acht Legionen zusammen, beschränkte sich aber bis zu seiner Rückkehr nach Rom im Jahre 13 + wie Paterculus berichtete auf einige Strafexpeditionen vermutlich ins ehemalige Sugambrerland auf der rechtsrheinischen Seite. Sie waren zum Zwecke der Machtdemonstration erforderlich und dienten meines Erachtens der Vorfeldsicherung in jenem Pufferstreifen der dem Rhein vorgelagert war und am ?tiberianischen Landlimes? endete. Dem auch ?Gebück? genannten und geschützten Grenzweg, der sich unter dem Namen Landwehr über die Jahrhunderte erhielt und sich von Duisburg über Wuppertal, Römershagen und Krombach bis an das Siegufer vermutlich bei Siegen hin zog, wo man es später ?Kölsches Heck? nannte. Bis auf wenige Überlebende konnte kein Römer dem Inferno der Varusschlacht entrinnen und ab der Offiziersebene aufwärts soll es nur wenigen Reiterlegionären aus der Kavallerieeinheit des getöteten Numonius Vala gelungen sein, sich zum Rhein durch zu schlagen. Wer konnte und wollte also in Rom überhaupt noch etwas über den Schlachtenverlauf und die Hintergründe sagen, zumal wie berichtet Kaiser Augustus die Grenzen für römische Varuskämpfer nach Italien dicht machte. Aber die römischen Geschichtsschreiber waren der Staats - Chronik verpflichtet und an den Details interessiert und sie hielten Ausschau nach Personen die imstande waren noch Erklärungen für das Desaster abzugeben. Mangels zuverlässiger Quellen musste die Geschichtsschreibung möglicherweise notgedrungen einige Jahre ruhen und kam nahezu zum Stillstand, denn die Nachrichten erreichten die Hauptstadt nur tröpfchenweise. Ebenso wie wir uns heute von Grabungsfund zu Grabungsfund hangeln um unseren Wissensstand zu erweitern, versuchte man wohl auch damals schon, sich aus allem nach und nach ein plausibles Bild zu formen. Als die augusteische Zensur gelockert wurde sickerten mehr Informationen nach Rom durch, mit denen sich die Taten besser rekonstruieren ließen. Man erfuhr vom einen oder anderen Überlebenden oder aus zweiter Hand dieses und jenes, aber das Gesamtbild zum Verlauf der Schlacht wollte immer noch kein klares Bild ergeben. Es fehlten möglicherweise die ernst zu nehmenden Quellen und Wichtigtuer könnten die Oberhand gehabt haben. Aber etwa sechseinhalb Jahre nach der Schlacht gab es doch noch einen unerwarteten Lichtblick. Als sich in Rom herum sprach, dass es Germanicus gelang einen namhaften Cheruskerfürsten in seine Gewalt zu bekommen, hellten sich die Historikermienen unversehens auf. So wurde Segestes für die antiken Historiker in Rom zu einem Geschenk des Himmels, mit dem sie schon gar nicht mehr gerechnet hatten. Sie ließen ihre Schreibutensilien umgehend fallen nach dem sie erfuhren, dass ein Mann nach Rom unterwegs sei, der Interessantes über das zurück liegende Geschehen berichten könnte. Und zwar ein Zeitzeuge aus den Reihen des Feindes und keiner der ihrigen, der sich vorher noch zu vergewissern hatte, ob er es überhaupt riskieren konnte die Wahrheit über das Debakel zu verkünden. Denn in Gestalt des unfreiwilligen Überläufers Segestes erhoffte man sich nun die nötige Aufklärung und Lückenschließung zum bereits bekannten, aber immer noch unbefriedigenden Stand augusteisch und inzwischen tiberianischer Varusforschung. Aber noch mal zurück nach Germanien. Denn wie erging es der Familie des Segestes einschließlich seiner Person nach der de Facto Gefangennahme die wie ich denke in Vogelbeck statt fand. Germanicus stand nun der Triumph zu Segestes einschließlich Thusnelda und andere in Rom vorführen zu können. Aber nach der Befreiung des Segestes aus den Händen von Arminius hatte Germanicus noch den Sommerfeldzug des Jahres 15 +, sowie die Schlachten des Jahres 16 + vor sich. Germanicus ging aufgrund seiner Legionsstärke von einem Sieg gegen die germanische Allianz aus. In diesem Fall brauchte er Segestes, denn er hätte ihn dann anstelle von Arminius und Segimer als Cheruskerfürsten eingesetzt. Folglich wird er die Segestes Familie vorüber gehend in sicherem Gewahrsam möglicherweise in Mainz zurück gelassen haben. Nachdem aber seine Feldzüge erfolglos endeten und Tiberius ihm weitere Kämpfe untersagte, zog er mit der Familie des Segestes vermutlich 17 + über die Alpen nach Rom um sie im Mai des gleichen Jahres dem Volk von Rom zur Schau zu stellen. Mit seinem Eintreffen in Rom geriet Segestes nun in arge Erklärungsnöte. Denn jetzt war er in Rom also unmittelbar am Ort des Geschehens, wo der Kaiser, der Senat aber auch die kaiserliche Geschichtsschreibung ansässig war bzw. ihren Sitz hatte, wo das Volk von Rom erfahren wollte, wen Germanicus aus dem Land der Vertragsbrüchigen gefangen nehmen konnte und wo man nun über ihn zur Inquisition schritt. Denn er war auch gezwungen sich für sein Verhalten nach der Varusschlacht rechtfertigen zu müssen und das zwang ihn in Rom eine Version aufzutischen, mit der er sich von jeglicher Schuld frei sprechen konnte. Man wird ihn in Rom so einiges gefragt haben. Wie es denn sein konnte, dass ihm kein Armine nach der Varusschlacht ein Haar krümmte. Warum er Varus nicht in die Kämpfe von denen er wusste begleitete oder ihm noch rechtzeitig zu Hilfe kam. Warum sogar seine eigenen Sippenangehörigen an der Schlacht gegen ihren römischen Feldherrn Varus bis zuletzt teilnahmen bzw. sogar teilnehmen durften, wenn er doch ihr Fürst und Anführer war und sich zu allen Zeiten als römerfreundlich ausgab. Und warum er sechs lange Jahre bis ins Jahr 15 + ungeschoren blieb und sich seiner Verbundenheit Rom gegenüber erst wieder in der Not besann, als er persönlich in Gefahr geriet und Germanicus um Hilfe bitten musste. Eine in der Tat heikle Situation und ein schwerer Gang der wohl bedacht sein wollte, den er da anzutreten hatte um glaubhaft zu sein. Germanicus hatte ihn zwar vor Arminius gerettet, aber Germanicus war ?nur? Feldherr und sein Einfluss wird begrenzt gewesen sein und letztlich entschieden andere darüber, wie es mit ihm weiter gehen würde. So hätte alles für ihn auch ungünstig enden können. Er musste sich also etwas einfallen lassen, um seine Haut und die seiner Familie zu retten. Vor diesem Hintergrund betrachtet, sehe ich auch die Ereignisse im Zuge der Varusschlacht und danach unter einem anderen Licht, so dass es noch einiges zu Hinterfragen gibt. Es sei daher mal eine Überlegung in den Raum gestellt. Nämlich die, was gewesen wäre, wenn es tatsächlich außer Segestes gar keinen anderen Informanten mehr aus dem Jahre 9 + gegeben hätte, der etwas über den Verlauf der Schlacht hätte berichten können. Also die Zeitspanne die vom Verlassen des Sommerlagers bis in den Untergang im Saltus verstrich. Tacitus überlieferte es uns klar und unmissverständlich, dass die Cherusker Altäre errichteten, auf denen bevorzugt die höher dekorierten Römer geopfert wurden. Da wohl bis zu Schlussakkord der Schlacht die Anführer bzw. die jeweiligen Legionskommandaten schon nicht mehr lebten, wurden für die Siegeszeremonie dem Rang nach, die nächst niedrigeren Dienstgrade auf`s germanische Schafott geführt. Es waren der Überlieferung nach die Militärtribunen, folglich die Karriere orientierten Söhne aus dem Aristokraten- Senatoren- oder Ritterstand, also die zukünftigen Legaten oder Prokonsule oder auch die Centurionen. Wer also sollte in Rom noch Bericht erstattet haben können, der von Anbeginn bis zum Ende der Schlacht noch imstande gewesen sein könnte über die Chronologie der Schlacht etwas aussagen zu können. Einfache Legionäre falls sie je und überhaupt in Rom gehört wurden, entzog sich der große Zusammenhang. Wer wollte von Ihnen etwas über den Inhalt der Zwiegespräche zwischen Varus und Segestes erfahren haben. So ist die Hypothese, dass Segestes für vieles die einzige Quelle war und blieb auch nicht von der Hand zu weisen. Segestes schaffte es letztlich, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Da Segestes die Reputation gelang wurde ihm als Freund des Imperiums nach dem Triumphzug des Jahres 17 + ein geeigneter Altersruhesitz vermutlich in Gallien zugewiesen. Sollten die römischen Geschichtsschreiber wie man spekulieren kann in Segestes einen geeigneten Informanten gesehen haben, so konnte in Rom im Jahre 17 +, also rund acht Jahre nach der Schlacht die Akte Varus wieder geöffnet werden, denn es kamen neue Details hinzu, die das Bild abrunden halfen. Aber wie glaubhaft waren die Erzählungen eines Segestes aus unserer heutigen Sicht, der sich damals nicht um Kopf und Kragen reden durfte. Nahm man seine Informationen für bare Münze, so flossen sie in die Senatsakten ein. Aber sie konnten auch den Anstrich einer geschickten Täuschung haben der immer an den Stellen erkennbar geworden wäre, wo es ihm nützlich erschien. Wäre es an dem gewesen, so muss man befürchten, das einige Angaben im umfassenden Fundus aller antiken Berichterstatter über den Verlauf der Schlacht die wir immer noch gewohnt sind mit der Goldwaage zu verwiegen schlicht und einfach falsch waren. Diese Analyse lässt zweifellos einen Verdacht aufkommen, der ganz neue Gedankengänge erfordert, denen ich mich in einem anderen Abschnitt widmen möchte. (28.6.2019)

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Montag, 17. Juni 2019
Segestes - Überlebenskünstler und heimlicher Gewinner der Varusschlacht
In diesem und noch in einigen weiteren Kapiteln möchte ich mich näher mit der Person des Segestes beschäftigen und eine Reihe von Fragen aufwerfen und zu versuchen sie zu beantworten. Hier soll es unter anderem auch um die Kardinalfrage gehen wie es Segestes gelingen konnte, sich unbeschadet aus seinem Verrat des Jahres 9 + heraus zu winden. Und im Weiteren möchte ich den Versuch wagen, ob es mithilfe einer Rekonstruktion der Ereignisse möglich ist zu erfassen, wie sich der Wechsel der Stimmungslage innerhalb des germanischen Lagers im Jahre 15 + gegen Segestes vollzogen haben könnte. Aber auch der Frage nachgehen, was sich im Vorfeld der Belagerung des Segestes Sitzes zugetragen haben könnte, bis ihm Germanicus letztlich die rettende Hand reichte. Zum Ende dieser Analyse bzw. dieses Kapitels eröffnet uns sein Werdegang noch einen unerwartet anderen und neuen Blickwinkel. Diese Thematik greife ich aber erst im nächsten Abschnitt auf, denn der Person des Segestes könnte noch eine weitere wichtige und bislang unter gewichtete Rolle zugefallen sein. Nämlich eine historisch zeitliche Verkettung bzw. Verbindung die der Forschung entgangen sein könnte. Was für Segestes damals die Antriebsfeder dafür war den Feldherrn vor der drohenden Gefahr durch die Cherusker zu warnen wird für immer im Dunkeln bleiben. Das hindert uns aber nicht daran sein mögliches Verhalten und seine Beweggründe zu Hinterfragen. Und obwohl er ihm die Taktik eines Hinterhaltes verriet und er ihn gekannt haben könnte, so liegt der Nachwelt keine Quelle darüber vor, wo sich dieser auf tat, was zu denken gibt. Denn ein Cheruskerfürst wie Segestes könnte, ja muss es fasst sogar gewusst haben, denn er hatte Macht und Einfluss und er stammte aus der Großregion. Da sich nur wenige markante Schluchten wie es das Wort „Saltus“ verrät bzw. zum Ausdruck bringt, lassen sich brauchbare Schlussfolgerungen ziehen und sich der Suchraum eingrenzen bzw. lokalisieren. Und diese Schlucht sollte auch Segestes gekannt haben. Denn der Saltus lag unweit der geographisch und historisch überlieferten Ems - Lippe Quellregion bei den äußersten Brukterern. Bei allem was man sich so unter unseren Vorfahren den Germanen vorstellt, oder was man von ihnen weiß, ist man doch immer wieder über ihre recht fortschrittlichen Verhaltensweisen, ihre funktionierende Soziologie und Kommunikation ohne die sich kein Stamm erfolgreich führen lässt verwundert. So liegen uns Informationen über sie vor, die längst nicht mehr zu einem prähistorisch, unbändigen und schriftlosen Naturvolk passen wollen. Da wird uns über die antiken Historiker und das auch noch relativ ausführlich berichtet, wie sich einer dieser Germanen, nämlich ein gewisser Segest oder auch Segestes genannt im Vorfeld der Varusschlacht verhielt, besser gesagt wie er sich artikulierte und Gehör verschaffte, um seine dunklen Machenschaften zum Erfolg zu führen. Wie wir wissen gingen seine Pläne nicht auf und er zog den Zorn jener auf sich, die er zu Verrätern abstempelte. Aber trotzdem passierte mit ihm nach der Varusschlacht nicht das, was man eigentlich von seiten seiner Widersacher unbedingt erwartet hätte, nämlich in der Konsequenz daraus der fällige Racheakt an ihm. Der letzte Akt wurde an ihm nicht vollzogen. Eine Tat, die eigentlich jeder von uns gestern wie heute erwartet hätte, blieb damals aus. Eigentlich auch eine dramaturgische Fehlleistung mit der heute jeder moderne Regisseur vor einer Jury durchfallen würde, eben eine Geschichte wie sie nur das reale Leben schreiben kann. Denn nach bekannter Hollywood Manier sind wir es gewohnt am Ende immer den Sieg des Guten über das Böse nicht zu verpassen. Auf diesen zerstörenden Moment scheinbarer Gerechtigkeit wartete die Nachwelt vergeblich. Er verriet Varus und damit automatisch dem gesamten römischen Generalstab gleich mit, die Seele und damit das Wesentliche des germanischen Angriffsplanes, nämlich den Hinterhalt. Und darüber hinaus sogar noch den Zeitrahmen und; man mag es kaum glauben, er tat dies mehrfach und es stieß ihm nach der Schlacht nicht das Geringste zu. Er beging damit nicht nur einen Verrat der niederträchtigsten Art an seinem eigenen Volk, sondern er nannte dem römischen Feind obendrein auch noch die Namen der Rädelsführer. Damit lieferte er seine stammesinternen Feinde dem Gegner regelrecht ans Messer. Und wie man weiß, wurden Aufrührer wie Arminius oder Segimer es waren, in der Römerzeit nach ihrer Verurteilung auch schon mal ans Kreuz genagelt. Der Vergleich hinkt allerdings etwas, da Jesus nach Lukas 23 im Gegensatz zu Arminius sein Volk nicht hinter sich wusste. Während die Cherusker ihm bekanntlich einmütig den Rücken stärkten. Segestes verhielt sich in etwa so wie damals Ephialtes von Trachis der 480 - den Persern den Weg um die Thermopylen verriet und danach für die Griechen als der klassische Verräter in die Geschichte ein ging. Mitnichten erging es Segestes ähnlich, denn ihm gelang es unbehelligt zu bleiben. Ein aufgrund seiner Warnungen auf einen Kampf gut vorbereitetes römisches Heer hätte zu einem Blutbad unter den Germanen führen können und vielleicht sogar müssen. Und nicht nur das, er schreckte sogar nicht einmal davor zurück seine eigenen Sippenangehörigen auf diese Weise gleich mit zu opfern. Denn auch viele von ihnen nahmen an der Schlacht auf Seiten der Arminen teil, wie man den historischen Quellen eindeutig entnehmen kann. Viele Männer sogar aus dem engsten Kreise seiner eigenen Familie standen auch auf der Seite von Arminius und kämpften nachweislich gegen Varus. Somit hätte er damit auch eine stattliche Anzahl mutiger Männer seiner eigenen Sippe im Zuge seines Verrats dem Feind ausgeliefert. Das schien er alles in kauf zu nehmen. Nun aber kommt auch noch ein anderer Aspekt hinzu, denn wie verträgt sich das alles mit dem seltsamen Hinweis von Tacitus, dass Segestes nämlich in den Krieg sprich in die Varusschlacht „hinein gezogen“ worden wäre. Denn Tacitus schrieb: „Segestes, quamquam consensu gentis in bellum tractus, discors manebat, auctis privatim odiis“. Und in der Übersetzung lautet dies „Obgleich Segestes durch die Einmütigkeit des Stammes in den Krieg hinein gezogen war “. Er könnte sich also auf eine uns nicht bekannte Art in irgendeiner Weise dann doch noch für sein Volk eingesetzt bzw. sich noch im letzten Augenblick auf ihre Seite gestellt haben. Denn die Wortwahl nach der Übersetzung „hinein gezogen“ klingt danach so, als ob er sich vor Beginn der Kämpfe sogar noch in den Dienst der Arminen gestellt haben könnte. Aber es lässt sich kein Hinweis entdecken, dass Segestes selbst mit gekämpft hat. Aber wie sollte ein möglicher Kampfeinsatz eines wohl älteren Mannes wie Segestes auch ausgesehen haben. Denn ein Mann der wie er, nicht aus voller innerer Überzeugung hinter dieser gesamt germanischen Tat stand, wäre auf dem Schlachtfeld auf germanischer Seite völlig fehl am Platze gewesen. Halbherzig kann man als ein Überzeugungstäter der zum römischen Gegner tendiert, kein Schwert gegen eben diese Römer ziehen. Also gegen jene römischen Soldaten mit denen er seit langem sympathisierte und kollaborierte. Segestes musste also einen Königsweg gefunden haben, wie er zwischen den beiden Fronten erfolgreich lavirieren konnte. Verrat zu üben aber trotzdem schadlos zu bleiben, muss für ihn ein Balanceakt gewesen sein. Denn letztlich gelang es ihm bekanntlich sich dem Zorn seiner Landsleute zu entziehen. Aber warum rächte sich eigentlich nach der Varusschlacht kein Armine an ihm. Es mussten sich also Dinge zugetragen haben, die die Germanen aus dem Segimer Clan davor zurück schrecken ließ Segestes gegenüber handgreiflich zu werden. Zwar ging seine Rechnung nicht auf, denn die Römer gingen als Verlierer aus der Schlacht hervor, aber damit ließ sich sein Verrat nicht schön reden und schon gar rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund betrachtet wird besonders das Ausmaß deutlich, welch gefährliches Vabanque Spiel selbst ein Segestes trieb. Denn er schlug sich vorher und das sogar noch am letzten Abend unverhelt auf die Seite von Varus, ließ sich dann aber doch noch in das Geschehen auf germanischer Seite „hinein ziehen“ wenn man Tacitus so interpretieren möchte. Oder gab es da möglicherweise eine Rückversicherung, bzw. er konnte sich sicher gefühlt haben, dass ihm von germanischer Seite trotz seines Verrats keine Repressalien drohen würden. Er hätte eigentlich und das gleich wie die Schlacht ausgegangen wäre, damit rechnen müssen, dass man ihn für sein Verhalten alsbald bestraft und zur Rechenschaft gezogen hätte. Wir hätten ihn verstehen können und es hätte auch niemanden verwundert, wenn er und seine Getreuen unmittelbar nach Kenntnis vom Schlachtausgang ihre Pferde gesattelt hätten um vor seinen Landsleuten ins römische Mogontiacum zu flüchten um der Gefahr zu entkommen. Aber er blieb. Und daher stellt sich auch hier die interessante Frage nach seinem Verbleib und wie es nach der Varusschlacht mit ihm, dem Fürsten Segestes weiter ging zumal seine römische Fraktion die Unterlegene war und nahezu mit Mann und Maus unter ging. Auch wenn sich daraus keine Örtlichkeitsanalysen zum Schlachtort und Schlachthergang ableiten lassen, so stellt doch die Segestesfrage die Geschichtswissenschaft immer wieder vor ein Rätsel und sie gehört daher auch mit in den großen Kontext dieser nebulösen Varusschlacht. Denn plötzlich waren die kläglichen Reste seiner alten ehemaligen römischen Verbündeten, sofern sie das Inferno überhaupt überlebt hatten, Hals über Kopf auseinander gestoben hatten sich nach Aliso begeben und sich dann hinter den Rhein zurück gezogen. Was geschah also in dem Moment, als die römischen Truppen Höxter verließen Segestes sich aber nach unserem Kenntnisstand zu urteilen nicht daran beteiligte, weil er nicht gegen das Imperium kämpfen wollte und konnte und daher im Gegensatz zu Arminius auch Varus nicht begleitete. Wäre es an dem gewesen, es wäre möglicherweise aus den Quellen hervor gegangen, denn das hätten sie uns wohl nach alledem nicht verschwiegen. Er könnte an der Weser zurück geblieben sein, um dort auf die aus römischer und seiner Sicht erhoffte positive Siegesmeldung aus dem „Teutoburgiensi saltu“ zu warten. Aber die Nachricht fiel nicht in seinem Sinne aus. Doch was passierte statt dessen. Also was tat Segestes möglicherweise in den entscheidenden Stunden nachdem er erfuhr, dass die Schlacht zum römischen Fiasko wurde. Wagen wir also den Versuch einer Rekonstruktion. Wir schreiben den fiktiven 25.9.0009, den zweiten Marschtag und damit den ersten Kampftag der Legionen, wie sie sich auf ihrem Weg vom Sommerlager in den Untergang befanden und sich etwas südlich von Brakel vor arbeiteten. Varus räumte mit den zum Kampf auserwählten Legionen am frühen Morgen nach meiner Theorie das erste Marschlager in der Region Brakel. Zeitversetzt brach auch der zivile Treck mit Frauen, Kindern, Wertsachen, Veteranen, Blessierten, Priestern und Verwaltungsbeamten auf der den direkten Weg zur Lippe nehmen durfte. Die Legionen trafen nach meiner Zeitrechnung am frühen Nachmittag dieses zweiten Marschtages auf den ersten heftiger werdenden Widerstand der Germanen. Dies geschah in einer Zeit, als sich das Wetter wendete und die Wege unpassierbar wurden. Ob Segestes irgendwo im sicheren Hinterland in dieser frühen Phase schon Kenntnis von den konkreten Ereignissen hatte ist fraglich, denn wer hätte sich um diese Zeit schon als Nachrichtenübermittler betätigen sollen. Er wartete also unruhig ab und harrte der Dinge. Als er dann nach dem vierten Tag den Ausgang der Kämpfe und dies möglicherweise sogar noch aus den Mündern seiner eigenen Sippenleuten erfuhr, da diese selbst an den Schmähreden gegen den Leichnam von Varus beteiligt waren wurde ihm bewusst, dass er auf die falsche Karte gesetzt hatte. Trotz innerer Unruhe, hatte er vermutlich bis zuletzt damit gerechnet oder gehofft, dass die Sieg gewohnten Legionen dem germanischen Spuk ein schnelles Ende bereiten würden. Aber er hatte seine Landsleute unterschätzt und den germanischen Sieg nicht erwartet. Jetzt musste er umdisponieren und sein "Plan B" greifen, der uns nicht bekannt geworden ist. Nach den heftigen Kämpfen, dessen unmittelbare Auswirkungen sich noch bis Aliso und darüber hinaus entfalten sollten, hatte in den Reihen der Cherusker noch niemand Zeit und Muße sich mit dem einstigen Verräter Segestes näher zu beschäftigen. Der mühsam errungene Sieg und die anschließende gerechte Verteilung der Beutestücke nahm die volle Konzentration der Cherusker in Anspruch. Segestes dürfte sich nach der für ihn sicherlich Hiobsbotschaft zu nennenden Nachricht aus dem Saltus schnell und weit vom Weserbereich abgesetzt haben, und sich in seine Fluchtburg hinter die Wälle seines Fürstensitzes an der Leine zurück gezogen haben, wo er den Dingen entgegen sah. Die Tatsache, dass sich sogar in seiner eigenen Sippe Freunde von Arminius aufhielten und von ihm akzeptiert wurden bzw. werden mussten, könnte einiges erklären helfen. Denn auch sie hätten im Falle eines römischen Sieges auf der falschen Seite gestanden, wurden aber offensichtlich toleriert und konnten sich im Hause des Segestes behaupten. Es gab also Sippenangehörige in seinem Clan, die sich erdreisteten bzw. sich durch ihr Verhalten renitent und abtrünnig gegenüber ihrem Fürsten Segestes verhielten, indem sie sich nicht nur gegen ihn stellten, sondern sogar auf der Seite von Arminius mit kämpften und trotzdem geduldet wurden. Und diese Männer wussten sehr wohl, dass Segestes sie tendenziell mit verraten hatte. Unter ihnen sogar Anverwandte von Segestes, die wie sich später heraus stellte, sogar den Leichnam von Varus verspotteten und sich zudem 15 + gegenüber Germanicus noch mit dem Besitz römischer Waffen aus der Varusschlacht brüsteten. Ein an sich untrügliches Zeichen für ein in sich tief gespaltetes Fürstenhaus des Segestes. So in sich zerstritten, wie wir es bei Segimer trotz der eindeutigen Positionierung von Flavus seines anderen Sohnes für die römische Seite nicht erkennen können. Und nicht erst nach dem Ende der Varusschlacht dürfte sich für Segestes ein massiver Macht- und Akzeptanzverlust eingestellt haben. Dieser wird sich bereits lange vor der Varusschlacht bemerkbar gemacht haben. Zu einem Zeitpunkt, als sich unter den Germanen bereits ein erheblicher Zorn gegen die Besatzungsmacht aufzubauen begann, der sich letztlich in der Schlacht entlud. Die Volkesstimme die nach Vergeltung für die römische Knute rief und die sich wegen ihrer rostenden Schwerter sorgte konnte Segestes nicht verborgen geblieben sein und er beging trotzdem seinen Verrat an den Cheruskern. Parallel dazu wurde den Arminen bewusst, dass sie in Segestes einen üblen Gegenspieler in ihren Reihen hatten. Untrüglicher Fakt und Sachstand ist es jedoch immer noch, dass man ihn nach der Varusschlacht nicht belangte, ihn also am Leben ließ und ihm offensichtlich nicht nach selbigem trachtete. Somit führte sein Verrat unmittelbar nach der Schlacht erstaunlicherweise zu keinerlei Konsequenzen. Wie das, möchte man sich da fragen. Vielleicht wurde er zuletzt nur noch durch die römische Präsenz gestützt und von den anderen Germanen demzufolge nur geduldet. Vielleicht hatte er bereits ein hohes Alter erreicht oder konnte sich noch auf frühere Erfolge stützen, die ihm Achtung einbrachten und man ließ ihn gewähren. Neben anderen Faktoren, die sich heute kaum gedanklich erschließen oder nachvollziehen lassen, sehe ich drei Hauptgründe, die dazu führten, dass man Segestes nach der Varusschlacht über eine lange Zeit hinweg nicht behelligte, ihn also ungeschoren ließ. Dazu bedarf es einer übergreifenden Betrachtung bis für ihn schlussendlich rund 6 Jahre nach der Varusschlacht dann doch noch die Stunde der Wahrheit heran nahen sollte. Denn es sollte noch bis in dieses Schicksalsjahr 15 + dauern, bis auch er um sein Leben vor seinen eigenen Stammesgenossen bangen musste. Begeben wir uns also auf die Suche nach der möglichen Antwort. Denn wie konnte es den Germanen gelungen sein unter sich ihren Konflikt mit Segestes aus zu tragen, ohne das dies den Römern auffiel und sie sich dadurch ihrer Siegeschancen beraubten. Da sehe ich zum einen die germanischen Traditionen und das germanische Gedankengut, das uns da vielleicht weiter helfen kann. Segimer und Segestes werden auch auf positive gemeinsame Jahre zurück geblickt und nicht nur konfliktträchtige Perioden erlebt haben. So dürften sie sich nicht immer nur feindlich gesinnt gewesen sein. Man erinnerte sich also der gemeinsamen Vergangenheit. Das der Sieg letztlich auf ihrer Seite war, trug ebenfalls dazu bei, Wunden schneller heilen zu lassen. Aber es könnte noch eine andere starke Kraft im archaischen Alltagsleben an der Weser vorgeherrscht haben. Nämlich eine tief greifende Verbundenheit und Solidarität in den Stammesbeziehungen der beiden Fürstenhäuser und wie sie von ihnen gelebt wurde. Diese rauen Zeiten richtig zu bewerten dürfte daher auch eine wesentliche Rolle bei der Betrachtung der Menschen um die Jahrtausendwende gespielt haben. Denn auch der Stamm der Cherusker wird auf eine lange Existenz zurück geblickt haben. Wann sie entstanden sind, sich aus der Jasdorf Kultur entwickelten oder sich zu einem Stamm oder Volk formierten bzw. zusammen schlossen, liegt im Nebel der germanischen Zuwanderungen aus dem Norden und Osten Europas, sowie der Vermischungsprozesse mit den vorher dort lebenden, ich nenne sie mal Nordkelten. Und eine gemeinsame Entstehungsgeschichte opfert man möglicherweise auch dann nicht oder wirft sie über Bord, wenn der Fürst der Nachbarsippe eine andere Auffassung vertritt zumal man auch mal gemeinsam einen Bündnisvertrag mit Rom schloss bzw. schließen musste. Auch dann, wenn diese Meinungsverschiedenheit wie im Falle der Varusschlacht immense Ausmaße hätte annehmen können. Auch diese gewachsene Vergangenheit schmiedete sie aneinander. Zudem ist nichts für die Ewigkeit und auch im Hause des Segestes stand nach menschlichem Ermessen und das in gar nicht so langer Zeit auch wieder ein fälliger Generationswechsel an, also setzte man andere Maßstäbe an und verhielt sich vielleicht geduldiger als wir uns heute so unsere Vorfahren vorstellen mögen. Aber nun kommt noch die besagte weitere Überlegung hinzu. Denn was hat man sich darunter vorzustellen, dass gemäß der Überlieferung große Einmütigkeit im Stamme bzw. Volk der Cherusker darüber herrschte, dass man gegen Varus nun eine Schlacht riskieren und daher alle Kräfte sammeln müsse. Es war allerdings keine Schlacht auf offenem Felde, sondern eine Schlacht wie sie ein schwächerer Gegner führen muss, wenn er seine Chance wahren will. Aber wie gelangte Tacitus bzw. seine Quellen überhaupt zu der Auffassung, dass unter den Cheruskern Einmütigkeit also „consensu“ bzw. ein Konsens darüber herrschte, was den Angriff auf die römischen Legionen anbetraf. Was meinte Tacitus damit und welche Informationen lagen darüber vor, oder vielleicht besser gesagt, welche Phantasien gab es über die internen Meinungsbildungsprozesse und Schlachtpläne innerhalb der germanischen Stämme im antiken Rom. Denn von den Germanen die als Halbwilde galten, wusste man in der fernen römischen Hauptstadt herzlich wenig. Ging man dort von einer mehrheitlichen Beschlußlage aus, oder erschloss man sich den Tatbestand einer germanischen Einmütigkeit auf andere Weise. Etwa aufgrund der logischen Voraussetzung und Annahme, dass nur ein Volk ohne Abweichler und welches nach innen volle Geschlossenheit zeigte, zu solch einem waghalsigen Unternehmen imstande gewesen sein konnte. Aber in Germanien hatten Thingversammlungen also Malstätten wie man sie später nannte eine Tradition. Der Stadtteil Malstatt von Saarbrücken bewahrt heute noch diese alte Tradition im Namen. Und vor einem derart gewaltigen Waffengang wird es sicherlich eine oder mehrere davon und das nicht nur im Stamm der Cherusker, sondern auch bei den anderen angeschlossenen Stämmen des Bündnisses gegeben haben. Versammlungen auf denen diese „taciteische Einmütigkeit“ erst einvernehmlich hergestellt sein wollte. Vergessen wir nicht, die Germanen waren bekanntlich „frank und frei“ und wählten sich ihren Anführer, nämlich den, der vor ihnen her zog bzw, herziehen durfte, den Herzog nur in äußerst kriegerischen Zeiten. In der übrigen Zeit duldeten sie keinen Gesamtherrscher. Und das alles geschah natürlich unter dem strengen Siegel der Verschwiegenheit vor den römischen Besatzern. Die Treffen fanden also sicherlich nicht vor deren Augen statt. Wenn davon überhaupt etwas nach außen drang, könnten es nur wenige verbreitet haben. Das Verraten von Thingbeschlüssen an den Feind war sicherlich auch ein Straftatbestand vergleichbar mit einem Hochverrat. Sollten Römer sie belauscht haben, dürfte dies nicht so problematisch gewesen sein, denn römische Legionäre konnten westgermanische Dialekte nicht verstehen und Germanen sprachen kein Latein. Es wird also wie man möglicherweise südlich der Alpen annahm, keine stillschweigende Übereinkunft ohne jegliche Vorabsprachen Strategien, Meinungen und Gegenmeinungen gegeben haben, sondern eine Abstimmung die auf allgemeine Zustimmung stieß und mittels Schildklopfen, begleitet von gestikulierendem Verhalten angenommen wurde. Vielleicht bietet uns das britische Unterhaus, das „House of commons“ mit seiner bekannt rauen Geräuschkulisse noch eine alte Erinnerung daran, wie es beim Thing zugegangen sein könnte. Derartige Einmütigkeiten, wie man sie den kurzen Zeilen von Tacitus entnehmen könnte, konnten also auch im alten Germanien nicht aus dem Himmel gefallen sein. Und genauso wenig, konnte auch ein dabei anwesender Fürst Segestes nicht gegen seinen Willen dazu gezwungen worden sein, sich in den Krieg „hinein ziehen“ zu lassen. Man konnte ihn nicht mit Gewalt in die Schlacht hinein ziehen, könnte aber Druck auf ihn ausgeübt haben. Letztlich wurde es uns dann so dargestellt oder man könnte es so interpretieren, als ob er sich trotz seines voraus gegangenen mehrfachen Verrats noch einem einmütigen Beschluss, also letztlich der Mehrheitsmeinung beugte bzw. sich ihr fügte oder unterwarf. Es könnte in diesem Zusammenhang also zu einer Art Abstimmung oder eben einer germanischen Thingversammlung gekommen sein, bei der sich alle germanischen Großen der Region gegenüber standen, um sich der besonderen Problematik zu stellen und möglicherweise einen Kompromiss bzw. einen Ausweg zu finden, wie sich die Stämme und die Fürstenhäuser zusammen halten ließen. Es könnte sogar auch noch eine dritte Fraktion gegeben haben, von der wir nie erfuhren, die sich im Sinne einer Schlichtung eingesetzt haben könnte. Eben einen Ausweg aus dem Dilemma zu suchen, dass sich unter ihnen ein Fürst befand, der gegen die Interessen der Mehrheit votierte. Diese Versammlung, wenn sie denn in dergestalt statt fand, könnte sich nur unmittelbar vor den Kampfhandlungen zugetragen haben. Denn im Zuge einer vermutlich letzten Thingversammlung vor der Schlacht, hatte man Segestes ja letztlich in den Krieg hinein gezogen bzw. ihn hinein ziehen können. Zu einem früheren Zeitpunkt hätte eine derartige Versammlung noch keinen Sinn ergeben, denn da war die Gesamtsituation noch unübersichtlich und nicht abstimmungsreif. Dies ist eine interessante Phase, denn der Hinweis von Tacitus, Segestes wäre in den Krieg hinein gezogen worden, weist auf vorherige Prozeduren oder Absprachen hin. Deutet aber indirekt auch auf eine gewisse Mittäterschaft seiner Person hin, denn ein „Hineingezogener“ ist ja im inneren germanischen Zirkel angekommen. In diesem Moment müsste aber Segestes auch über Detailinformationen, was den geplanten Hinterhalt und seine Planung, Taktik und Örtlichkeit anbelangt verfügt haben. Denn wenn man weiß, dass es zu einem Krieg kommt und wenn man sich in diesen hinein ziehen lässt, so weiß oder sollte man auch wissen wo er statt findet. Er warnte Rom vor eben jenem Hinterhalt, also dürfte er auch gewusst haben, wo und ab wann Arminius gedachte die Falle zu stellen. Folglich müsste Segestes zum Zeitpunkt des alles entscheidenden letzten Volksthing, über nähere Informationen verfügt haben. Diese Versammlung könnte sich demzufolge einige Tage vor dem Abzug der Römer aus dem Sommerlager ereignet haben. Sie fand natürlich statt, als sich noch keine Kriegshandlungen zutrugen bzw. erkennbar wurden. Aber aus dem weiteren Verlauf lässt sich ein Schlussfolgerung ziehen. Nämlich die, dass es auf der besagten letzten Thingversammlung zu einer Vereinbarung unter den Großen gekommen sein könnte. Segestes schwenkte also um und ließ sich dann doch noch in den Krieg hinein ziehen, obwohl er noch kurz zuvor diverse Warnungen an die römische Seite weiter gegeben hatte. Da er aber im Zuge der letzten Versammlung zu einem der ihren wurde, hatte er sich auch der Mehrheitsmeinung anzuschließen bzw. sich ihr angeschlossen. Die Mehrheit verpflichtete ihn sich zukünftig entsprechend zu verhalten besser gesagt zurück zu halten. So musste bzw. durfte Segestes ab dem Zeitpunkt des Übereinkommens der Thing Parteien im Zuge der Versammlung gegenüber Varus sicherlich fortan keine das Unternehmen gefährdenden Hinweise mehr geben. Der Kompromiss den er mit der Mehrheit seines Volk schloss, wäre demnach auch sein Schweigen zur genauen Örtlichkeit der Schlacht gewesen. Aber nicht nur das. Er durfte auch nichts über das den Römer gegenüber stehende germanische Aufgebot bzw. Kräfteverhältnis sagen. Denn auch darüber konnte er sich im Rahmen der Versammlung ein Bild machen. Das war oder könnte der Preis gewesen sein, den Segestes bereit war zu zahlen bzw. zahlen musste um zukünftige Racheaktionen der Germanen gegen ihn zu vermeiden. Wenn er also wieder mit Varus in Kontakt trat, so musste das Thema Hinterhalt im Detail betrachtet Tabu bleiben. Segestes ging also gegenüber Varus nur so weit, als das er wie zuvor auch lediglich pauschale Warnungen aussprach. Segestes hätte demnach auch gewusst, dass die Legionen am zweiten Marschtag ab Brakel südwärts mit dem Angriff zu rechnen hatten. Dies war aber auch nicht unbedingt überraschend, denn von da ab näherten sich die Legionen sowieso unaufhaltsam dem Gebiet der stigmatisierten Aufrührer an. Das im Kern Wesentliche, was aber Segestes beim letzten Gastmahl bei Varus für sich behielt bzw. behalten musste, waren zwei Faktoren, die letztlich die Niederlage herbei führten. Zum einen, dass Varus an diesem zweiten Marschtag noch völlig unvorbereitet sein musste, da zu diesem Zeitpunkt noch kein Römer einen Angriff erwartet hatte bzw. hätte. Zum anderen, dass auch kein Römer damit rechnete, dass nicht nur die eigentlich schon erwarteten Rebellen Varus gegenüber traten bzw. angreifen würden, sondern das ihnen eine größere Allianz bestehend aus Cheruskern und anderen Stämmen gegenüber stehen würde. Und eben nicht nur dieser kleine rebellisch gewordene Teilstamm im Süden des Nethegaus. Segestes verriet Varus also viel, jedoch nicht alles. Danach verfügte Varus auch nur über Halbwissen. Er besaß zwar die Kenntnis, dass Arminius und andere die Rädelsführer des Aufstandes waren, er wusste auch das ihnen Gefahr drohte, aber er kannte nicht die Dimension und wusste nicht, ab welchem Marschkilometer die Germanen zum Angriff ansetzen würden und er konnte sich kein Bild über die Ernsthaftigkeit, die Strategie, das Aufgebot also die Stärke des germanischen Gegners machen. In dem Segestes gegenüber Varus die Wahrheit nur halbherzig offenbarte, ließ er sich eine wichtige Tür offen mit der ihm der Drahtseilakt gelungen sein könnte, die Geschehnisse lebend zu überstehen. Letztlich wird der Sieg dazu beigetragen haben, die Ereignisse zu verwischen. Aber das war es nicht allein. Man war sich im Germanien der Cheruskerzeit sicherlich auch einig darin, dass es etwas anderes war, wenn es galt sich gegen einen Feind von außen zur Wehr zu setzen, als einen internen Stammeszwist herauf zu beschwören, sich also gegenseitig zu zerfleischen. Man kannte sich und das alte Zusammenhalts bzw. Zusammengehörigkeitsgefühl überwog in jenen Jahren. Und gegen einen gemeinsamen Feind aufzustehen, war etwas grundlegend anderes als eine Revolte im eigenen Volk auszulösen bzw. zu riskieren. Man war mehrheitlich bereit Arminius und Segimer im Jahre 9 + in den Kampf zu folgen, aber man hätte innerhalb der Cherusker keine Zustimmung dafür gefunden, bei der es am Ende auf einen Konflikt zwischen dem Haus Segimer und dem Haus Segestes hinaus gelaufen wäre. Diese Eskalationsstufe war nach der Schlacht gegen Varus noch nicht erreicht, bzw. wieder ab geebbt, mag das Verhalten von Segestes auch noch so verwerflich gewesen sein. Man hätte im Clan der Segimer Cherusker keinesfalls eine Zustimmung dafür bekommen Segestes anzugreifen. Außerdem hätten sich auch noch all jene Kämpfer des Segestes die vorher auf der Seite des Arminius gegen Varus kämpften in diesem Moment von Arminius abgewandt, da sie sich Segestes gegenüber verpflichtet sahen und hätten sich dann gegen Arminius gestellt. Es verlief sicherlich ein Riss zwischen beiden Fürstenhäusern, den man aber auch anlässlich der Thingversammlung nicht zum Ausbruch kommen lassen wollte. Stolz und Familienbande werden allemal groß und die Beziehungen beider Häuser eng mit einander verflochten gewesen sein. Man musste und wird es wohl zähneknirschend hingenommen haben, dass man Segestes aufgrund des Thingbeschlusses dann unmittelbar nach der Varusschlacht nicht greifen konnte und durfte, um ihn für seinen Verrat zur Rechenschaft zu ziehen. Aber es war meines Erachtens eine Entscheidung der Thingversammlung, die niemand zu brechen gewagt hätte. Aber wie konnte diese alte schon fast verheilte Narbe des Segestes Verrats nach den vielen Jahren die nach der Varusschlacht verstrichen, dann doch wieder aufbrechen und sich die Stimmungslage wieder gegen ihn drehen. Blicken wir zurück auf das Jahr 10 +. Was taten die Römer nach der Varusschlacht am Rhein. Ich ging dazu in einem anderen Kapitel näher auf meine Theorie von der „tiberianischen Landwehr“ ein. Man sicherte sich ab verschanzte und schützte sich am Rhein in den ersten Jahren nach der Schlacht vor einem unerwarteten germanischen Angriff mittels eines Pufferstreifens. Errichtet wurde er in einer Region abgerückt vom Rheintal im Bergischen Land, wo sich die Mittelgebirge für eine limesartige Schneise anboten und aus der man vorher große Teile der Sugambrer zwangs umgesiedelt hatte. In dieser überschaubaren Zone wagte man sich rechts des Rheins militärisch aktiv zu bleiben und Präsenz zu zeigen. Östlich davon sind auch keine nennenswerten Vorstöße bis zum besagten Jahr 14 + bekannt geworden. So trat nach der Varusschlacht in Ostwestfalen und an der Weser Ruhe ein. Man hatte sich die alte Freiheit wieder zurück erkämpft und wendete sich, nach dem sich der Siegestaumel verflüchtigt hatte, moralisch gestärkt wieder den früheren Lebensgewohnheiten zu. Die Lage normalisierte sich von Jahr zu Jahr zusehend. Der Feind blieb weitgehend hinter dem Rhein und so folgten sechs lange Jahre des Friedens in denen die alten Wunden verheilen konnten. In dieser Zeit könnte sich auch die Stimmung zwischen den zwei Sippen wieder aufgehellt haben und man näherte sich wieder an, denn die traditionellen Familienverbindungen zwischen den Sippen ließen es nicht zu, dass man sich unter einander bekriegte. Zumal wie ich schlussfolgerte Segestes sich an die Vorgaben der Thingversammlung hielt und man zudem die Schlacht gewonnen hatte. Aber dann brach das Schicksalsjahr 14 + an. Erst schien es so, als ob dieses Jahr wieder so verlaufen würde, wie die Jahre zuvor auch. Aber dann neigte sich der Sommer des Jahres 14 + dem Ende zu und es zeigte sich, dass die Ruhe nur trügerisch war. Die Lage in den römischen Kastellen am Rhein entwickelte sich unübersichtlich und selbst Germanicus hatte Mühe die Disziplin unter seinen Legionären aufrecht zu halten. Germanicus entschloss sich daher zum Handeln, zog aus der Revolte innerhalb seiner Soldaten die Konsequenzen und entschied sich zu einer ungewöhnlich späten Jahreszeit dazu erstmals nach dem Jahr 9 +, die Germanen im Inneren anzugreifen. Womit niemand gerechnet hatte, denn dieser plötzliche Rachfeldzug ohne Erklärung und Vorwarnung um seine Soldaten vom Meutern abzulenken kam bekanntlich für alle Germanen völlig unerwartet. Damit beschäftigte Germanicus die römischen Legionäre am Rhein und schlug ihren Aufstand geschickt nieder. Mit ihrem erlernten Kriegshandwerk konnten sie sich abreagieren und Germanicus konnte die Lage am Rheinlimes wieder unter seine Kontrolle bekommen. Die alten Revanche- und Eroberungsgelüste boten sich dafür hervorragend an. Auf die Germanen musste der blutige Feldzug gegen die Marser im Spätsommer bzw. Frühherbst dieses Jahres 14 + wie ein Schock gewirkt haben. Er nahm meines Erachtens seinen Anfang in Neuss und erstreckte sich vermutlich bis in den Raum Niedermarsberg, in dessen östlicher Region ich auch Tamfana verorte. Auf germanischer Seite vollzog sich in dieser Zeit ein Generationswechsel, der aufgrund der geringeren Lebenserwartung dynamischer verlief. Jüngere noch heranwachsende Germanen die im Jahre 9 + erst 11 Jahre alt waren, wollten und konnten sechs Jahre später bereits ein Schwert führen und das wollten sie auch. Die Stimmung heizte sich auch in Ostwestfalen auf, das bislang verschont blieb. Man konnte von Seiten der Cherusker und der anderen Stämme um diese Zeit noch nicht erkennen, welche Taten bzw. ob noch Feldzüge von römischer Seite dem folgen würden. Aber der letzte ruhige Sommer des Jahres 14 + vor dem römischen Angriff auf die Marser und den folgenden zwei harten Schlachtenjahren 15 und 16 + barg auch noch ein anderes Geheimnis. Denn das Wissen um die spätere Gemahlin von Arminius nämlich Thusnelda, lässt uns natürlich einen Blick auf die als zerstritten geschilderten Familienbande beider Fürstenhäusern werfen. Wobei unklar ist, ab wann man zerstritten war. Möglicherweise unterlag dies über die Jahre betrachtet einem auf und ab, je nach dem welche Probleme sich aufschaukelten. Das sich Arminius und Thusnelda möglicherweise schon von Kindesbeinen auf kannten ist denkbar. Thusnelda soll um 10 – geboren worden sein und wäre im Jahr der Varusschlacht demnach etwa 19 Jahre alt gewesen. In dieser Zeit lebte sie sicherlich noch in der Obhut ihres Vaters Segestes. Aber die Geschichte der beiden Fürstenkinder verlief tragisch, wie uns Tacitus berichtete. Tacitus nennt sie zwar im Gegensatz zu Strabo nie mit Namen, aber es kann sich in seinen Aufzeichnungen in Bezug auf Arminius nur um Thusnelda gehandelt haben. Von Tacitus erfuhren wir vom Hass, mit dem sich beide Fürstenhäuser gegenüberstanden, was nach den Ereignissen um die Varusschlacht auch nicht verwundert. Wie verhielt es sich also mit der historisch überlieferten Zerrissenheit der beiden Fürstenhäuser. So könnte man die These aufstellen, dass sich die Sippen erst untereinander zerstritten, als es im Zuge der römischen Besatzung und der späteren Varusschlacht zu erheblichen Differenzen kam. Differenzen, die es in den Jahren davor nicht bzw. in der Intensität nicht gab. Jahre in denen man gut nebeneinander her leben konnte und in denen man auch zur Verheiratung von Arminius und Thusnelda noch eine gemeinsame Richtung verfolgte bzw. Übereinstimmung erzielen konnte. Erst die großen Umbrüche brachten es mit sich, dass sich ein Keil zwischen die Sippen schob. So erfahren wir von Tacitus, dass sich das Zerwürfnis der Sippen später bis in den privaten Bereich ausdehnte und von Segestes besonders gegen Arminius gerichtet war. Möglicherweise rückte Segestes erst nach der Varusschlacht von der ursprünglichen Vereinbarung ab und versprach Thusnelda einem anderen Mann. Arminius schritt daraufhin zu einem nicht bekannten Zeitpunkt ein und raubte bzw. entführte sie aus dem Elternhaus, je nach dem wie man es lesen möchte. Da man im alten Germanien bei derartigen Dingen sehr empfindsam war, so wird diese Tat nicht aus dem Nichts heraus geschehen sein und Arminius dürfte seine Gründe dafür gehabt haben. Zum Beispiel könnte auch damals schon, eine möglicherweise statt gefundene Verlobung bereits ein mündliches Eheversprechen gewesen sein, dass Segestes brach, zumal Ehevereinbarungen von Fürstenkindern schon in sehr frühen Jahren abgeschlossen wurden. So kann man annehmen, dass zwischen den adligen Fürstenhäuser beider Stämme Einigkeit darüber herrschte, dass es hier zu einer arrangierten Ehe kommen sollte. Sie waren sich sozusagen versprochen. Es wurde also elterlicherseits entschieden, dass beide schon früh für einander bestimmt waren, also die Hiwa die germanische Ehe einzugehen. Was noch über die indogermanische Schiene dem altindischen Wort „Vivaha“ für Eheschließung etwas ähnelt. Wir wissen nicht wann sich Arminius und Thusnelda näher kamen. Da sie im Frühjahr 15 + sichtbar schwanger war, könnte es im Sommer, also noch vor dem Angriff der Römer auf die Marser zu einem Tête-à-Tête zwischen beiden gekommen sein. Eine Zeit in der sich Germanien wie im tiefsten Frieden wähnte. Und da es kaum vorstellbar ist, dass es zu Begegnungen von Arminius und Thusnelda kam, ohne das Segestes davon erfuhr, dürfte sich die Lage zwischen den Fürstenhäusern nach der Varusschlacht wie ich schlussfolgere wieder stabilisiert und entspannt haben. Thusnelda war im heiratsfähigen Alter und man hielt die seinerzeit beschlossene Familientradition bei, die die Fürstenhäuser mit einander verband, bzw. verbinden sollte. Aber die Lage nach dem römischen Blitzangriff auf die Marser sollte die gesamte Stimmungslage an der Weser in kürzester Zeit grundlegend verändern. Die Unken hatten es prophezeit. Rom würde die Schmach des Untergangs der Legionen im jahre 9 + nicht widerstandslos hinnehmen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es soweit war. Nun konnten sich auch alle vorstellen, dass der Marserfeldzug nur der Anfang einer neuen Phase von Kriegen und Gemetzel sein würde. Frühere Warnungen die man wohl zeitweise aus dem Westen erhielt, trafen folglich zu und man tat gut daran sich im Weserraum wieder zu rüsten, auf alles vorzubereiten und alte aber auch neue Allianzen zu schmieden. Man kannte die römischen Pläne und deren Stoßrichtung zwar nicht im Detail, aber den Arminen war nach der Marserattacke schnell klar, worauf man es abgesehen haben könnte, nämlich auf die Feinde von einst. Segestes der Römerfreund und wohl immer noch Rom nahe stehende Germane dürfte es ähnlich gesehen haben und die übrigen Germanen kannten seine Gesinnung. Segestes erkannte ebenfalls die Zeichen der Zeit und wird nach der richtigen Taktik für sich und seine Familie gesucht haben. Rom war wieder im Vormarsch begriffen alte und damals schon fasst sicher geglaubte Territorien wieder zurück gewinnen zu können. Nach Lage der Dinge musste man also mit einem massiven Truppenaufgebot von römischer Seite aus rechnen, denn es war bekannt welche Armeen Rom am Nieder- und Oberrhein zusammen gezogen hatte. Eine Truppenstärke die die des Jahres 9 + erheblich übertraf. Wenn er nun nicht in die neuen nun zu erwartenden und wohl heftig ausfallenden kriegerischen Turbulenzen mit hinein gezogen werden wollte, musste Segestes die richtigen Schritte einleiten. Zu aller erst war es dringend nötig einen nach außen hin deutlich sichtbaren Schnitt zum alten Römerfeind Arminius und dem Haus Segimer zu vollziehen. Nachdem man in Germanien unschwer erkennen konnte, mit welcher Brachialgewalt das Imperium wieder begann zurück zu schlagen, war dies das Gebot der Stunde. Denn nun konnte eine Nähe zu ihnen für Segestes zu einem gefährlichen Nachteil erwachsen. Folglich wäre ihm anzuraten gewesen, auf erste vorsichtige vielleicht noch zögerliche Distanz zu den Arminen zu gehen. Im Winter 14/15 + als die Legionen nach dem Marserfeldzug wieder links des Rheins standen, reifte dann möglicherweise sein Entschluss, die ersten nötigen Konsequenzen zu ziehen. Seine schwangere Tochter, die Gemahlin des Arminius die wie man annehmen kann auch bei Arminius lebte, konnte für Segestes somit zur Gefahr für ihn werden. Denn dies könnte man auf römischer Seite so auslegen, als dass Segestes und die Arminen nach der Varusschlacht wieder zusammen gefunden hatten. Denn wer seine Tochter dem größten Römerfeind zur Frau gibt, der konnte definitiv nicht mehr auf römischer Seite stehen. Er musste sich von den Arminen absetzen sich also deutlich distanzieren um diesen Eindruck zu vermeiden. Und sicherlich war auch Segestes die stark gewachsene Stärke und Präsenz der römischen Armee nach sechs Ruhejahren bewusst, was für die Germanen nichts Gutes versprach. Irgendwann hätte das Imperium damit begonnen, die alte Schmach wett zu machen bzw. zu rächen und das gründlich. Der überaus heimtückische Angriff auf die Marser war unmißverständlich. So könnte auch der Fall eingetreten sein, dass Segestes seine Tochter der vermeintlich drohenden Gefahr eines weiteren römischen Feldzuges im Jahr 15 + nicht aussetzen wollte. Zumal man allerseits davon ausging, dass es auch im Jahr 15 + zu einem weiteren Vorstoß römischer Truppen und das möglicherweise auch bis nach Ostwestfalen kommen könnte. Und dann war zweifellos Arminius und damit auch Thusnelda das Ziel eines römischen Feldzuges. Segestes könnte sich also bereits die Frage gestellt haben, ob es für seine Tochter nicht besser wäre, sie zu sich zu holen, statt sie bei ihrem Mann zu belassen, der als bald wieder ein Schwert in die Hand nehmen müsste. Germanicus führte seine Truppen im Frühjahr 15 + von Mainz aus nach Norden und Segestes verfolgte aufmerksam alle seine Bewegungen. Sich Segestes als einen treu sorgenden und fürsorglich denkenden Familienvater vorzustellen fällt allerdings schwer, ist aber denkbar zumal es auch seiner eigenen Sicherheit diente. Er könnte und dürfte meines Erachtens folglich auf die Idee gekommen sein, Thusnelda noch rechtzeitig in Sicherheit zu wissen und sie in seinen Fürstensitz gelockt oder entführt haben, wie es heißt. Mit der Entführung stellte er auch die Weichen, dass Thusnelda nicht in die befürchteten Kriegswirren geraten konnte. Denn Germanicus hätte auch schon im Frühjahr des Jahres 15 + einen Durchmarsch bis in die cheruskischen Stammesgebiete, also auch bis bzw. durch seine Stammesgebiete unternehmen können, was allerdings im Frühjahr 15 + ausblieb. Germanicus schlug aber, wie ich theoretisiere nach der chattischen Ederattacke auf seine Truppen wider erwartend den Rückweg zum Niederrhein ein. Dieser Schwenk blieb auch Arminius nicht verborgen und er nutzte den Rückzug von Germanicus um die zuvor von Segestes entführte Thusnelda wieder dem seinem Zugriff zu entziehen. Aber jetzt muss ich doch mal Herrn Segestes persönlich etwas fragen. „Edler Segestes, war Ihnen denn vorher nicht klar, dass Arminius die Entführung seiner Frau nicht hinnehmen würde und er daher alles tun würde, um sie wieder zu sich zurück zu holen und dafür auch vor eine Belagerung Ihres Fürstensitzes nicht zurück schrecken würde ? Edler Fremder, ich wollte meine Tochter doch nur solange in Sicherheit wissen, bis die Kriegsgefahr vorüber ist, dann hätte ich sie ihm sofort zurück geschickt. Erst als er sie sich mit Gewalt holen wollte, habe ich mich anders besonnen“. So weit so schlecht. Allgemein könnte man auch davon ausgehen, dass Segestes seine Tochter bereits in der vollen Absicht entführte, sich und seine Sippe bei nächster Gelegenheit Germanicus auszuliefern. Fakt ist aber auch, dass Segestes Germanicus erst um Hilfe anging als die Arminen ihn belagerten und keiner weiß wie es ausgegangen wäre, wenn die Arminen ihn nicht belagert hätten. Das Arminius die Belagerung nicht glückte könnte mehrere Ursachen gehabt haben die ich hier nicht thematisieren möchte. Vielleicht wäre Segestes hätte Arminius ihn nicht belagert dann sogar an der Leine geblieben. Als also Germanicus im Frühjahr 15 + gegen die Chatten vorging und bis zur Eder vorstieß, geschah dies sehr früh im Jahr, denn es folgte darauf hin noch ein weiterer römischer Feldzug im gleichen Jahr gegen die Brukterer und Cherusker im nämlich schon im Sommer 15 +, der umfangreiche Vorarbeiten nötig machte. Germanicus der die Eder überschritt, bewegte sich möglicherweise in Nordhessen und dürfte sich auf dem Weg zum Niederhein befunden haben, von wo aus er den Sommerfeldzug plante. Um die bekannten 30.000 Soldaten vom Oberrhein ins Ijsselmeer zu verschiffen brauchte er nicht den Umweg zurück nach Mainz auf sich nehmen. Möglicherweise stand er um diese Zeit etwa 50 Kilometer nordwestlich der Ederübergänge von Geismar etwa im Raum Korbach oder Brilon und wollte vermutlich als Rückweg zum Rhein den alten Haarweg nutzen, als ihn die Information von der Belagerung des Segestes Fürstensitzes durch Arminius und seiner Getreuen erreichte. Da ich die Wallanlagen von Segestes in Vogelbeck südlich von Einbeck vermute, hätte Germanicus dafür etwa eine Strecke von rund 96 km Luftlinie zurück legen müssen. Ob er für die Befreiungsaktion nur seine Kavallerie oder auch Fußtruppen nutzte ist nicht bekannt. Beritten konnte er die Region im Leinetal relativ schnell erreichen. Das Germanicus die Befreiung gelang beweist, dass die Kämpfer von Arminius sowohl zu schwach waren die Festung einzunehmen, als auch sich gegen Germanicus zur Wehr zu setzen. Als im Mehrschlachten Jahr 16 + die Entscheidungen fielen und Kaiser Tiberius das Ende der Kriegshandlungen ausrief lebte Segestes bereits im römischen Exil vermutlich in Gallien. Wer dann für ihn im Jahre 16 + bei Idistaviso und am Angrivarierdamm den cheruskischen Segestes Clan gegen Germanicus anführte ist nicht bekannt und ihm kann es egal gewesen sein. Möglicherweise lag im Jahre 16 + alles in der alleinigen Hand von Arminius und seinen neuen Verbündeten aus dem Nordosten Germaniens. Aber Segestes hatte es geschafft. Er war den Wirren der Varusschlacht entkommen, lebte bis ins Jahr 15 + noch sechs lange Jahre als allseits respektierter Fürst in Germanien, floh dann mit seiner ganzen Familie in römische Obhut und überließ den Segimer Cheruskern den Kampf gegen Rom, der ab dem Sommerfeldzug 15 + an Härte zu nahm. Segestes überlebte schwierige und unsichere Zeiten in denen auch Marbod eine Rolle spielte und nicht einschätzbar war. Durch seine taktisch man könnte auch sagen kluge Vorgehensweise entging er somit auch den gewaltigen Schlachten des Jahres 16 + bei Idistaviso am Angrivarierdamm und möglicherweise auch in der Niewedder Senke, in die er möglicherweise auch kraft Thingversammlung mit „hinein gezogen“ worden sein könnte. Man mag sich süffisant ausdenken oder ausschmücken wie seine letzten Jahre im gallischen Exil umgeben von einer gepflegten Villa Rustica mit Sklaven und niveauvollen Tischsitten ausgeklungen sein könnten. Segestes war beileibe kein germanischer Märtyrer, aber nahm innerhalb der politischen Gemengelage auch die Funktion eines wichtigen Gegenpols ein und vertrat somit die konträre Seite seiner Zeit. Heute würde man sagen, er stellte die Opposition. Vielleicht war er auch ein beschwichtigender Mäßiger, der einfach nur das große Risiko einer germanischen Niederlage scheute. Denn die hätte verheerende Auswirkungen haben können. Im Jahre 9 + konnte noch niemand ahnen, dass es der germanischen Allianz sogar gelang einen Feldherrn Germanicus mit seinem immensen Aufgebot an Kampfkraft letztendlich abzuwehren. Er hatte sicherlich auch das nötige Glück, doch alles klingt so, als ob er in den Wirren der Zeit einen bzw. seinen Weg fand, wie er sich den Kopf retten konnte. Möchte man noch ein Resüme ziehen, könnte man die Meinung vertreten, dass ein Geschichtswerk über sein Leben, gäbe es denn ein solches, sicherlich genauso interessant wäre, wie das verschollene Werk von Plinius dem Älteren und vielleicht sogar noch etwas authentischer. (17.6.2016)

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Samstag, 1. Juni 2019
Germanien wurde vom römischen Imperium überrollt - Varus hätte auch als Sieger den Nethegau verlassen können.
Die heutige Forschung taxiert einen Generationen - Intervall auf einen Mittelwert von etwa 31,7 Jahren. Vor 2000 Jahren wäre er weitaus geringer ausgefallen und könnte bei 25 Jahren gelegen haben, aber es gibt keine belastbare Datengrundlage für eine Menschen Generation der keltisch/germanischen Mischkultur in Ostwestfalen, die Cassius Dio noch die „Keltike“ nannte. Ein Kind das in Germanien in den Zeiten der Drususfeldzüge zwischen 12 - und 8 - geboren wurde, als sich Rom anschickte sich Germanien einzuverleiben und dann als Erwachsener in einer Zeit verstarb, als sich der römische Spuk in Ostwestfalen um das Jahr 16 + dem Ende zu neigte, lebte in etwa innerhalb dieses Zyklus oder dieser Intervall - Periode. Lediglich eine Menschen Generation umfasste also diese rund 28 Jahre währenden Germanenkriege. Eine Zeitspanne die es aber für die Menschen in Ostwestfalen in sich hatte und eine explosive Phase darstellten, in der man sich von vielen althergebrachten Weltanschauungen trennen musste. Sie erlebten Dinge, die sie nie vergessen sollten und die sie an ihre Bewußtseinsgrenzen stoßen lassen sollte und die sie an ihre nachfolgenden Generationen weiter gaben. Ihre Lebensgrundlagen und ihre Kultur war in dieser Zeit massiven Umbrüchen ausgesetzt. Ein Volk, das sich aus vielen Stämmen, unterschiedlichen Sippen und Kleinstvölkern zusammen setzte stand unter Zivilisationsschock und wie man unter solchen Bedingungen handelt ist unergründlich und lässt sich nur über parallele oder vergleichbare Abläufe, wenn überhaupt rekonstruieren. Fremde Machthaber strömten ins Land, urteilten und richteten auf eine für sie bis dato unbekannte Art und Weise, störten ihre mythologischen Bräuche und veränderten ihr Denken. Überzogen ihr Land, wie Paterculus es über den Krieg zwischen 1 + und 5 + zum Ausdruck brachte, mit Feuer, Tod und Leid und verbreiteten über Nacht Mord, Angst und Schrecken, was besonders die germanischen Marser im Jahre 14 + zu spüren bekamen. Diese römische Walze legte keine Pause ein, kannte keine Bremsspuren und drohte alles germanische Leben zu ersticken. Ähnlich wie es die rigide Christianisierung der Sachsen unter Karl dem Großen traf und später Snorri Sturluson auf die Idee brachte die letzten Erinnerungen an die heidnisch germanischen Traditionen und das Wissen darüber in der Edda zusammen zu fassen, um es auf seine Art und Weise zu sichern und historisch zu verarbeiten. Römische Kultur und Lebensart soll sich laut Cassius Dio schon unter den Germanen breit gemacht haben. Man soll sich an sie gewöhnt und sich ihr angepasst haben. Demnach begann für sie bereits langsam der römische „Way of life“ die Oberhand zu gewinnen. Genau so, oder ähnlich beschrieb es uns Cassius Dio in Bezug auf die schon fasst unter den Germanen beliebt zu nennenden Marktbesuche. Man erkannte in vielem von dem was uns Cassius Dio überlieferte grundsätzlich gutmütige und wohl gesonnene vielleicht auch leicht naive Wesenszüge einer altgermanischen Bauernkultur. Menschen die von der Viehzucht lebten und nur selten zur Jagd gingen. Aber was wir uns für die Rom gegenüber positiv, weil dankbar gesinnten Ubier vorstellen können, dass traf wohl weniger auf alle Germanen zu. Denn Sugambrer, Tenkterer und Usipeter die Lollius besiegten oder die Cherusker die sich mit Rom bereits bei Arbalo schlugen werden hier wohl nicht gemeint gewesen sein. Kurz gesagt. Waldgirmes war eben doch nicht Höxter. Aber in Ostwestfalen werden für die Germanen auch neue zivile Baustrukturen, Stilelemente und Techniken sichtbar und mit ihnen einhergehend hielt auch unbekanntes Siedlungswesen Einzug. Aber auch die Militärarchitektur der umwallten Kastelle also die römischen Kasernen war für die Germanen gewöhnungsbedürftig. Und einen ganz besonders bedeutsamen Gebäudekomplex für die Unterbringung von Militär - und Zivilpersonal sehe ich in den über - und unterirdischen Resten innerhalb der großen Weserschleife zwischen Höxter und Corvey wie sie den Luftaufnahmen zu entnehmen sind. Nämlich das schon sprichwörtlich zu nennende und oft zitierte römische Sommerlager. Eine Sommerresidenz für die angenehmen Wochen des Jahres klingt gut. Aber was haben wir uns, immer voraus gesetzt die historischen Auslegungen der alten Schriften geben ein solches überhaupt her, unter einem römischen Sommerlager vorzustellen. Die festen Standlager links des Rheins waren und mussten vom Aufbau her winterfest sein. Man kann ihnen daher auch mit Recht den Namen Winterlager geben. Hinzu kommen die zahlreichen römischen Marschlager für den einmaligen Gebrauch, also Schutzanlagen, die nur für eine Nacht und vielleicht noch für wenige Tage genutzt wurden wie möglicherweise das Lager Hachelbich. Ihr Aussehen dürfte sich aber nur unwesentlich von jenen, der nur für eine Nacht genutzten Lager unterschieden haben. Wir können uns auch denken, dass Marschlager die regelmäßig, also mehrmals jährlich aufgesucht wurden den Charakter eines Durchzugslagers hatten. Sie wurden also nicht nach einmaliger Nutzung eingeebnet, damit man sie gegebenenfalls später wieder schneller bezugsfertig machen konnte. Ich sehe derartige mehrfach genutzte Lagertypen bevorzugt an den Hauptverbindungsachsen der damaligen Zeit. Ein aktuelles Beispiel könnte dafür das neu entdeckte Römerlager in Bielefeld – Sennestadt sein, dass sich auch in unmittelbarer Nähe an einer wichtigen alten Fern - Verkehrsverbindung befindet, nämlich dem Senner Hellweg. Ich vermute sie aber auch anderorts und immer nahe an den häufig frequentierten Routen, also auch im weiteren Verlauf der Strecke von Anreppen über Bielefeld – Sennestadt nach Minden und natürlich von Anreppen über Brakel nach Höxter. Ob es derartige Lager bereits in Richtung Südharzumgehung also Hedemüden gab oder auch am nördlichen Rand des Wiehengebirges in Richtung Rheine ist ebenfalls denkbar. Aber in welchem Ausbauzustand befand sich dieses, von mir dort an der Weser angenommene Sommerlager, bevor es verlassen und aufgegeben wurde. Jenes häufig als Sommerlager bezeichnete exponiert nach Osten vorgeschobene Weserkastell mit der Zielrichtung vermutlich später mal die Bedeutung einer Provinzhauptstadt zu erlangen, hatte bereits ein mögliches Vorbild rechts des Rheins, nämlich in der Römerstadt bei Lahnau – Waldgirmes die seit 1993 archäologisch erforscht wird. Einer Römerstadt die vermutlich der Statthalterschaft Mainz unter geordnet war. Man begann diese Provinzhauptstadt schon 13 Jahre vor der Varusschlacht etwa ab dem Jahre 4 – zu erbauen, wie sich über die dendrochronologische Wissenschaft bestätigen ließ. Cassius Dio schrieb es später in der Übersetzung mit den folgenden Worten nieder „Ihre (römische Legionen) Truppen überwinterten dort (in Germanien) und gründeten Städte (eben u. a. Waldgirmes), und die Barbaren (Germanen) passten sich ihrer Ordnung an, gewöhnten sich an Märkte und trafen sich in friedlichen Versammlungen“. Aussagen von Cassius Dio die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließen, die aber bis zum besagten Gegenbeweis in Form der Römerstadt Waldgirmes von der kritischen Wissenschaft höchst misstrauisch und ungläubig beäugt wurden. Gerade so, als ob Cassius Dio da irgend etwas missverstanden haben könnte. Diese römische Stadt die trotz zweier Wallgräben bereits eindeutig einen starken zivilen Charakter besaß, befand sich immerhin schon erstaunlich tief in Germanien. Nämlich bereits sage und schreibe 70 Kilometer östlich des Rheins bzw. 67 Kilometer nordöstlich des Rheinknies. Eine Strecke für die eine römische Legion sowohl ab Koblenz bzw. Confluentes, als auch von Mainz bzw. Mogontiacum aus betrachtet immerhin schon rund drei Marschtage unterwegs war. Was wiederum auch mehrere Marschlager dazwischen nötig machte. Im Zuge der Ereignisse nach der Varusschlacht wurde die Römerstadt Waldgirmes deren römischen Namen wir nicht kennen, nieder gebrannt, was im ersten Moment für jegliches Absterben römischen Lebens rechts des Rheins spricht. Aber als man begann an dieser Stadt im Jahre 4 – zu bauen und dafür die ersten Bäume fällte, dachte man an eine langfristige Präsenz in Germanien und konnte auch nicht ahnen, dass ihre Geschichte schon 13 Jahre später jäh zu Ende sein würde. In diesem Zusammenhang verdient auch die Dynamik der stürmischen römischen Expansionspolitik noch eine besondere Erwähnung. So wird als spätestes Gründungsjahr der Stadt Köln für das Oppidum Ubiorum 20/19 – angenommen und schon 16 oder 17 Jahre später überschritt erstmals ein Römer nämlich der Feldherr Ahenobarbus im Jahre 3 – die Elbe. Das römische Militärlager bei Mainz entstand etwa zwischen 15 – und 12 – , so dass man also schon etwa 6 bis 11 Jahre später begann an der Römerstadt Waldgirmes in Hessen zu arbeiten. Das ältere römische Xanten bzw. Vetera I wurde 13/12 - errichtet und auch Lippe aufwärts ging es danach mit ähnlicher Vehemenz und Bauintensität nach Osten weiter. Am römischen Hafenkastell Anreppen immerhin 147 Kilometer Luftlinie östlich von Vetera entfernt gelegen hatte man bereits ab dem Jahr 5 + begonnen zu arbeiten. Die hier nicht mit eingerechneten zahlreichen Lippeschleifen zwischen Xanten und Anreppen behinderten den römischen Drang nach Osten vorzustoßen in keinster Weise und verdeutlichen deren raumgreifende Vorgehensweise. Vor diesem Hintergrund betrachtet, müsste man das varianische Sommerlager an der Weser mit dem man etwa 7 + begonnen haben könnte, bauhistorisch betrachtet fasst sogar schon als eine verspätete und nahezu längst überfällige Baumaßnahme bezeichnen. Und es waren letztlich auch nur 145 Kilometer Luftlinie, die die Römerstadt an der Lahn von einem anzunehmender weise nordöstlich gelegenen varianischen Sommerlager unter einem heutigen Gewerbegebiet am östlichen Stadtrand von Höxter trennen. Und das man diese Römerstadt nahe Waldgirmes die sich bereits mitten in Germanien befand als winterfest bezeichnen kann, dürfte anhand des Fundhorizontes unstrittig sein. Germanien bis zur Elbe könnte man um diese Zeit als ein Erforschtes und Vermessenes neues Territorium bezeichnen. Ein Gebiet, das auch die Gründung neuer Provinzen zu ließ, die es später verwaltungstechnisch nur noch mit einander zu verbinden galt. Das Imperium setzte sich selbst unter Druck und wollte im ersten Jahrzehnt nach der Zeitenwende nicht viel Zeit verlieren, Augustus hatte seine Anordnungen gegeben, also wurde ein energisches Vorgehen zur Pflichtaufgabe für alle römischen Feldherren in Germanien. Vielleicht erhoffte man sich im Zuge der Annexion auch zusätzliche militärische Verstärkung aus den germanischen Stämmen des Nordens, um den Gefahrenherden im Mittelmeerraum bzw. im Orient mehr Legionen entgegen stellen zu können. So bezeichnete ich auch schon an einer anderen Stelle das „Sommerlager“ an der Weser als ein überwinterungsfähiges Sommerlager. Also ein Lager, dass man bis 9 + bereits römischen Fußsoldaten zumuten konnte, obwohl sie nicht sehr gewillt gewesen sein dürften, dort die Wintermonate zu verbringen. Aber es war ein Lager, dass man noch nicht als so autark oder als so vollwertig bezeichnen konnte, wie etwa Waldgirmes und indem sich ein Feldherr mit komplettem Gefolge den Winter über aufhalten wollte. Wenn die Weser nach dem Rhein bald der neue Ostlimes werden sollte, so war es nur eine Frage der Zeit bis aus dem Sommerlager das typische Winterlager mit der nötigen Infrastruktur geworden wäre. Denn einen Winter an der Weser zu überdauern hätte klimatisch betrachtet einem Lager am Niederrhein in nichts nach gestanden und wäre auch nur eine simple Frage der Nahrungsmittelbevorratung und des nötigen Brennholzbestandes gewesen. Und das hätte man vielleicht schon in den Jahren 10 oder 11 + zum Abschluss bringen können, wenn es nicht zur Varusschlacht gekommen wäre. Varus hielt es nicht wie später die deutschen Kaiser des Mittelalters, die von Pfalz zu Pfalz, zu Kloster, Abtei oder Königsgut zogen. Varus war der örtlich abkommandierte, also stationierte Statthalter des römischen Kaisers an einem kritischen Außenposten des Reiches und plante dort eine dauerhafte Residenz für das Imperium nach dem Vorbild der römischen Städte Neugründungen nahe den keltischen Zentren nach dem gallischen Krieg wie zum Beispiel Autun. Und die Civitas an der Weser sollte sicherlich einige Nummern bedeutsamer werden, als die Römerstadt Waldgirmes. Aber die Strategie der örtlichen Nähe zu den ehemaligen Zentren der Einheimischen behielt man bei und so suchten sie diese auch an der Weser, errichteten sie nahe den Fürstensitzen der örtlichen Machthaber, die sie mittelfristig zu beerben bzw. zu verlagern gedachten. Anfänglich hatten die Lager die Funktion die Einheimischen zu bewachen und unter Kontrolle zu halten. Später köderte und adaptierte man sie mit ihrer römischen Zivilisation. Unmerklich sollte die germanische Lebensweise verändert werden um sie später in ihrem Sinne besser manipulieren also beeinflussen zu können. Und die Gruben für den Bau von Amphitheatern den frühen Attraktionen der Unterhaltung waren bestimmt schon räumlich angedacht. Die Nähe zu den bis dato verherrschenden Kulturzentren zu suchen ist Wesensmerkmal römischer Militärstrategie. Dafür Beispielgebend ist auch die Römerstadt Waldgirmes, da sie nur acht Kilometer neben dem zerstörten keltischen Oppidum Dünsberg sozusagen „auf der grünen Wiese“ begründet wurde. Das römische Sommerlager an der Weser, dass ich gedanklich zu einem umfassenden Sommerlager Komplex aufwerten möchte, befand sich etwa 6 Kilometer Luftlinie nördlich des Weser nahen Fürstenberges. Das Wort Fürst entstammte dem althochdeutschen Wort „furisto“ für der Erste, der Vorderste oder der Anführende. Und da, wo am rechten Ufer hoch gelegen oberhalb der Weser in etwa an der Stelle an der sich heute die Reste eines mittelalterlichen Schlosses befinden, befand sich nach meiner Theorie der Fürstensitz des Segimerclans. Ich stärke meine Theorie damit, dass sich auch die antiken Römerstädte am Rhein grundsätzlich auf der dem Feind abgewandten linken Rheinseite befanden, wo der Fluss zusätzlichen Schutz bot. Während die Germanen ihre Hauptorte aus strategischen Gründen bevorzugt auf die rechte Uferseite verlegten. Römische Kolonisationszentren sucht man demnach bevorzugt auch immer im Nahbereich zu den Hauptorten der Einheimischen. Die germanischen Expansionsbewegungen nahmen ihren Ausgang im Norden und Osten und es galt für sie sich zunächst auf einen Gegner im Westen einzustellen. Was sowohl für ein römisches Sommerlager links der Weser aber auch für ein germanisches Pendant rechts der Weser sprach. Auch der Segestes Clan wird sich daher seinen Sitz auf der rechten Seite eines Flusses gesucht haben, wie es auch die Wallanlage Vogelbeck rechts der Leine unterstreichen könnte, eine beeindruckende Erdburg die mindestens seit der Spätlatènezeit befestigt gewesen sein soll. Und wie es heute noch an nur zeitweise genutzten Fürsten- und Königshöfen praktiziert wird, wie zum Beispiel am Schloss Balmoral der Sommerresidenz des britischen Königshauses in Schottland, so wurde vielleicht auch damals nur bei der Anwesenheit des Statthalters eine römische Standarte gehisst. Weilte aber Varus an der Weser, so könnte man aus den Überlieferungen von Cassius Dio schließen, dass wir uns dort auch das römische Machtzentrum also eine Schalt – oder Befehlszentrale vorzustellen haben. Hier wurden damals die politischen Hebel bedient und die militärischen Weichen gestellt und hier ritten die Delegationen aus der Großregion und das von Fall zu Fall auch in recht kurzen Taktzeiten ein und aus. Hier wurde, wenn auch nur auf die Region bezogen damals die große Politik gemacht. Hier schlugen die Wellen auf, kollidierten unterschiedliche Interessenlagen miteinander und prallten kleine und große Machtblöcke und Einflusssphären aufeinander. Abordnungen der Markomannen, Langobarden, Sueben und anderer germanischer Stämme wollten zu Roms Statthalter engen Kontakt halten und mit ihm auf Tuchfühlung bleiben, wollten wissen und heraus finden, wie es in den nächsten Jahren an der Weser weiter gehen würde. Plante Rom möglicherweise wie beim großen Krieg geschehen, der im Jahre 5 + endete und den Paterculus den „Immensum exarserat bellum“, also einen gewaltig entbrannten Krieg nannte, wieder neue militärische Vorstöße die bis an die Elbe führen sollten. Musste man sich also in Germanien auf neue Kriege und Eroberungszüge einstellen, oder konnte man friedlich in die Zukunft blicken. Überlebens wichtige Fragen für alle Stämme des Ostens die damals sicherlich Priorität hatten. Aber es ging dabei auch um anderes. Nämlich um den zivilen also den nicht militärischen Teil der römischen Okkupation. Brauchten die Römer an der Weser möglicherweise zusätzliche Nahrungsmitteln, also mehr Vieh oder Getreide zur Versorgung der Legionen, oder waren germanische Hilfskräfte für die zahlreichen Aufbauarbeiten nötig. Was man alles gerne angeboten hätte, wenn die Gegenleistungen stimmten. Wollte man vielleicht auch mal nachfragen, ob noch germanische Söldner im Dienste des Varus oder des Imperiums gewünscht sind. Oder dürfen es auch mal Sklaven, Blondhaar oder Bernstein sein. Insgesamt geeignete Währungen um sich beliebt zu machen. Alles in allem ging es immer auch um die grundsätzliche Frage inwieweit man von der römischen Präsenz in Germanien unmittelbar profitieren konnte, denn auch Germanen waren Geschäftsleute. Es wird also viele Gründe gegeben haben, warum man zu Varus Kontakt suchte, lautere und weniger lautere. Die warnenden Hinweise eines Segestes verhallten schnell und waren in dieser Zeit daher auch nur ein Thema von vielen anderen. Denn vom Grundsatz her fühlten sich die Römer an der Weser stark, mächtig und vor allem vertraglich gut abgesichert. Was die Äußerungen von Segestes anbetraf, so gewannen diese für eine in historischen Dimensionen denkende Nachwelt, wie die unsrige erst durch die später darauf folgenden Ereignisse an Bedeutung. Hätte alles einen anderen Verlauf genommen, wäre Segestes vermutlich in der Bedeutungslosigkeit versunken. Germanen waren vielseitig interessiert und wurden zum integralen Bestandteil der Römer an der Weser und so riskierte man auch immer einen Blick auf die römische Truppenstärke, deren Ausstattung und man wollte sehen welches Kriegszeug sie mit sich führten. Germanen legten ihre Waffen nie weit weg, wurden als listig beschrieben und wenn sie in die Zentren römischer Zivilisationen gelangten und ihre Lager oder deren Umfeld betraten, so sahen sie mit verkniffenen Augen alles was sie sehen wollten. Sie sahen, ob sie es mit wehrhaften und motivierten Männern zu tun hatten und erkannten aus den Augenwinkeln heraus auch schnell ihre Stärken und Schwächen. Ihnen wären sofort moderne Waffen wie möglicherweise Katapult Abschuss Geräte aufgefallen, sollten sie vorhanden gewesen sein, oder andere ihnen unbekannte Waffenarten. Denn im Imperium wurde sicherlich vieles genutzt, ausprobiert und auch angewendet, was vielleicht in den militärischen Versuchsanstalten, wie ich die Gladiatoren Schulen mal nennen möchte, vorher getestet wurde und das waren nicht nur Schleudertechniken. Die Germanen waren lernfähig und hellwach und es dürfte ihnen nicht viel entgangen sein. Das unterschiedliche Wesen zweier sich fremd gegenüber stehenden Lager, Kulturen und Völkerschaften zu erforschen und kennen zu lernen war für sie sicherlich attraktiv und stimulierte all ihr Sinnen und Trachten. Aber es ging damals für Varus in Ostwestfalen um mehr, als nur darum den richtigen Kurs für den anstehenden Rückweg zum Rhein zu finden oder einen kleinen Aufruhr zu ersticken, den ihm ein Germane meldete. Auch konnte damals beim Abzug der Legionen aus dem Sommerlager noch niemand wissen oder ahnen, ob es überhaupt zu einer Schlacht kommen und wenn, wie umfangreich sie ausfallen würde geschweige denn, wie diese dann ausgehen würde. In eine ernste Gefechtslage zu geraten, stand für große Teile der römischen Soldateska und der sie begleitenden Zivilbevölkerung daher auch gar nicht unbedingt zur Debatte. Nur aus den Kreisen diverser Mitwisser deren Größenordnung wir natürlich nicht kennen und die über einige Detailkenntnisse verfügten, kamen verhaltene Unkenrufe. Ob dann eine mögliche Schlacht auch noch zu Gunsten Roms ausgehen würde, oder nicht war demzufolge auch erst recht kein sonderlich aktuelles oder brisantes Thema im Sommerlager. Man hatte eben viele andere Dinge an die man zu denken hatte. So sollte man sich auch heute davor hüten alles damalige nur auf die Varusschlacht zu reduzieren. Denn Ostwestfalen war seinerzeit auch von einem allgemeinen Pioniergeist erfasst und beherrscht. Goldgräberstimmung wäre zu weit gegriffen, aber es überwog eine gewisse wirtschaftliche Aufbruchstimmung. Ich beschrieb sie bereits im Zuge meines Kapitels über die römische Civitates „Selicasa“, also das Tempel artige Prunk Gebäude aus marmorartigem Silicat- bzw. dem Bachtuffgestein, wie man ihn in der Region abbauen konnte, um ihn in Corvey zu verbauen. Corvey der mögliche neue Herrschaftssitz des Statthalters. So ging es vielen Personen vermutlich noch bis zur letzten Minute und in erster Linie darum, sich noch rechtzeitig die lukrativen Pfründe am zukünftigen Erfolg einer prosperierenden Landschaft zu sichern. Denn vergessen wir auch an dieser Stelle nicht eines. Die bedeutsamen Bodenschätze Germaniens befanden sich östlich von Höxter im und hinter dem Harz bzw. den folgenden Mittelgebirgen und nicht im Norden in den weiten uninteressanten Sümpfen, Mooren und Niederungen der norddeutschen Tiefebene. Von einem Weltreich, dem es gelang mit einem unvorstellbar gigantischen Truppenaufgebot und einem logistischem Kraftakt soeben noch einen ganzen Landstrich an der Donau zurück zu erobern, in dem man den gewaltigen Pannonien Aufstand nieder schlug, konnte man noch vieles erwarten und die zahlreichen Nutznießer standen bereits in den Startlöchern. Das es vor dem erfolgreich beendeten Pannonienkrieg und das natürlich nur aus „taktischem Geschick“ heraus sozusagen noch „en passant“ gelang den mächtigen Germanenkönig Marbod und das obendrein kampflos auszuschalten und in die Knie zu zwingen, nur um auf diesem Wege die nötigen Truppen für den Krieg gegen die Pannonier und Dalmater frei zu bekommen wurde bekanntlich auch noch wie ein glorreicher römischer Sieg gefeiert. Obwohl es eher der Sieg eines Feldherr Tiberius am „grünen Tisch“ der Diplomatie gewesen sein dürfte. Wer wollte diesem imperialen Machtfaktor in der rückständigen germanischen Welt noch Paroli bieten. Ein derartig hoch gerüsteter und perfekt organisierter Militärapparat wirkte auf die Unterdrückten einschüchternd und musste einfach als unbesiegbar gelten und die Strahlkraft wuchs von Jahr zu Jahr, solange sie ungebrochen war. Germanische Kontingente und Personenschützer in römischen Diensten hatten eine lange Tradition und Geschichte, Cäsar setzte sie gegen die Kelten ein, Augustus hatte sie schon vor der Varusschlacht in seine Leibgarde integriert und es ist auch sehr nahe liegend, dass Arminius mit seinen Cheruskern in Pannonien zum Einsatz kam. Möglicherweise wurde sogar Flavus der Bruder von Arminius auch schon im Zuge dieser Kämpfe verletzt und verbrachte danach einige Zeit im Lazarett, bevor er sich mit Arminius später das Streitgespräch über die Weser lieferte. Möglicherweise standen später besonders jene Germanen in dem Ruf, bzw. es haftete den germanischen Verbänden eine besondere Kriegstauglichkeit an, wenn sie aus den ehemaligen Widerstandsregionen der früheren Germanenschlachten an der Weser kamen. Ein Makel von Illoyalität also eines Verrätertums konnte, möchte man spekulieren, dem wohl nichts anhaben. Diese Attribute ließen sie im Dienste des Imperiums später als besonders nützlich erscheinen. Man kann das auch an neuzeitlichen Kriegen festmachen, denn das Militär machte da noch nie einen Unterschied. Man denke nur an jene deutschen Wehrmacht Soldaten die man alle problemlos in die französische Fremdenlegion integrierte, ohne nach ihrem Vorleben zu fragen. So ist es auch denkbar, dass germanische Söldnereinheiten, kamen sie denn aus Ostwestfalen nach dem Ende des Pannonienaufstandes hoch willkommen waren und für weitere Einsätze nicht in die niederrheinischen Standlager oder in ihre Heimat entlassen wurden, sondern im weiteren Verlauf anderen römischen Legionen angliedert wurden, in denen sie dann noch lange ihren Dienst taten, wofür es Beispiele gegeben haben könnte. Möglicherweise schufen sie innerhalb des römischen Militärwesens sogar eigene Traditionen und bildeten darin einen festen Bestandteil. Das römische Ostwestfalen auf dem Sprung zur Elbe, an der Schwelle zu den Erzabbaustätten im Harz oder seinen Bleivorkommen in Westfalen hatte für alle viel zu bieten. Wer konnte denn auch auf römischer oder auf germanischer Seite schon im voraus wissen, ob die gewagte Arminius Aktion letztlich überhaupt erfolgreich verlaufen würde. Nicht nur unter den Leuten des Segestes auch unter den Arminen selbst sahen sicherlich schon einige, wie Segimer, Arminius und andere Stammeshäuptlinge gesenkten Hauptes in Fesseln nach Anreppen geführt wurden, sahen wie der germanische Widerstand kläglich in sich zusammen brach und sorgten sich um ihre Zukunft. Auch darauf galt es sich vorzubereiten. Wer jetzt zu Varus stand und zu ihm den besten Zugang hatte, konnte am Ende der Gewinner sein und damit zum Profiteur aller zukünftigen Aktivitäten des Imperiums im Osten des Reiches werden. Wer wollte sich da auf diesen Fall nicht vorbereiten und nicht das Vertrauen des Feldherrn besitzen oder es gar auf`s Spiel setzen. Denn wer das Vertrauen des Feldherrn erschleichen wollte, der sollte ihm tunlichst nach dem Mund reden, wovon viele Gebrauch gemacht haben dürften. Es gab natürlich wie wir wissen sehr viele Wagnisse in der Taktik der Cherusker und es war beileibe keine ausgemachte Sache, dass alles im Sinne der Arminen verlaufen würde. Wir können uns daher auch gut vorstellen, wie es in Ostwestfalen bei einem Triumph des Varus weiter gegangen wäre, denn dazu bedarf es keiner großen Phantasie. Brukterer, Angrivarier, Chatten oder Marser hätten unterwürfig ihre Untergebensheitsadressen bei Varus abgegeben und um Nachsicht gebeten. So, wie es damals sehr verspätet auch die Teutonen gegenüber dem Imperium taten. Die Welt hätte sich in Ostwestfalen im römischen Sinne auf lange Zeit stabilisieren können. Man hätte sich in der Großregion mit dem römische Reich arrangieren und hätte sich auf ein Zusammenleben mit Rom einrichten müssen. Der Zivilisationstransfer vom Rhein an die Weser hätte ab diesem Zeitpunkt immense Ausmaße angenommen, Kelten und andere Völker wären ins Land geströmt und das Imperium hätte als nächstes Ziel wohl nicht nur die Elbe anvisiert. Denn was hätte sie davon abhalten sollen, wenn sich ihm kein Widerstand entgegen gestellt hätte. Und auch die später einsetzende Völkerwanderung hätte eine andere Dynamik entwickeln können, wenn sich den Ostgermanen schon eine in sich einige römisch/westgermanische Front bereits an der Weser entgegen gestellt hätte. Aber am Vorabend der Schlacht stand dies alles in Ostwestfalen auf des Messers Schneide und wer wollte da nicht vorgesorgt haben und auf der richtigen Seite stehen. Die Vorstellung man hätte für Varus dem Triumphator im Falle eines Sieges in Rom den roten Teppich ausgelegt und man hätte ihm dort einen glorreichen Empfang geboten war nicht weit her geholt. Schon oft wurden im Imperium aus siegreichen Feldherren sogar spätere Kaiser gemacht. Nicht auszudenken, wie schnell das Land an der Weser unter der römischen Verwaltung latinisiert worden wäre und Segestes der treueste Römerfreund aller Zeiten, wäre zum Reichsverweser ernannt worden und hätte fortan seinen festen Platz samt seiner Sippe im Zelt des Feldherrn inne gehabt. Krönender Abschluss wäre möglicherweise noch eine darauf hin ausgerichtete Familienpolitik gewesen. Jedenfalls hätten fortan die Uhren in Ostwestfalen anders geschlagen, als wie es letztlich ausging. Ein Sieg des Imperiums im „Teutoburgiensi saltu“ wäre für Segestes wie ein Lottogewinn gewesen, denn er hätte mit dem geringsten Einsatz den größtmöglichen Gewinn erzielen können. Das gegenteilige Szenario wäre eingetreten. Die römischen Abstellungen hätten sich für die Arminen unerwartet als unbezwingbar erwiesen, die Kommandanten der drei Legionen hätten die richtigen Befehle erteilt, Asprenas hätte zum Schrecken der Germanen seine Trompeter voraus geschickt und hätte dann auf erstaunliche Weise noch in kürzester Zeit seine zwei Legionen als Entsatz heran geführt. Die keltischen und germanischen Auxilareinheiten die zu Rom standen, hätten sich hervorragend geschlagen, römische Waffenqualität hätte sich auf ganzer Linie durch gesetzt und römische Kampfdisziplin das übrige getan. Das schlechte Wetter hätte zudem entfernter wohnende Germanen davon abhalten können lange Regenmärsche zu bewältigen. Es hätte aber auch andererseits plötzlich auftretende optimale Wetterverhältnisse herrschen können und die Mehrtagesschlacht wäre für Rom auf trockenem Boden unter blauem Himmel ohne Komplikationen verlaufen und wäre zu einem durchschlagenden Erfolg geworden. Eine interessante Gedankenkette, der wir aber entnehmen können, was damals für alle Seiten aber vor allem die Germanen auf dem Spiel stand. Gleich ob es ihnen bewusst war oder nicht. List war gefragt, denn kein Germane sollte tunlichst seine wahre Gesinnung zu früh erkennen lassen. Und um so bedeutsamer wird da erst die Feststellung, welchen Mut und welche Selbstbeherrschung die revoltierenden Germanen damals aufbringen mussten, in dem sie derartige Gedanken verdrängten, zur gemeinsamen Sache standen und Ausbrüche von Siegesgewissheit oder gar Optimismus vermieden bzw. dies nicht durch unnötige Gestik zum Ausdruck brachten. Oder konnte sich die germanische Front der Arminen so sicher sein und konnte auf so viele Kräfte zurück greifen, dass man einen einzelnen Segestes nicht zu fürchten brauchte, da man sich hoch überlegen wähnte. Ich denke, dass für übertriebene Euphorie und vorzeitiges Frohlocken kein Grund bestand und die Germanen das Unternehmen mit voller Entschlossenheit angehen mussten, wollten sie es zum Erfolg führen. Viele kritische Stimmen, die die Verhältnisse im Detail nicht kannten oder gewichten konnten, werden voll auf Varus gesetzt haben. Aber die dazwischen Stehenden, die Ängstlichen, Verzagten und Unschlüssigen, die Zweifler und Bedenkenträger, sie werden alles daran gesetzt haben um Varus eindringlich davon zu überzeugen, er möge ins abseitige Rebellengebiet doch besser ohne sie marschieren. Sie wären ja nur hinderlich und ohne sie käme er doch viel besser voran. Ein Weg um selbst möglichst gefahrlos und unbeschadet zur Lippe zu gelangen. Es war eine komplexe Gemengelage die uns da von Cassius Dio und anderen antiken Historiker in so knappen Worten beschrieben wurde und es hätte damals nur weniger Drehmomente an den Stellschrauben der Geschichte bedurft und das gesamte Schlachtengerüst eines Hinterhaltes wäre schon frühzeitig in sich zusammen gebrochen. Es lässt sich aber auch davon ableiten, warum Varus damals so und gar nicht anders entscheiden konnte. (1.6.2019)

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