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Montag, 10. Februar 2020
Das Phänomen der „toten Augen von Kalkriese“
ulrich leyhe, 11:58h
Der erst unlängst kreierte Begriff der „Schlachtfeldforschung“, der Archäologie des Krieges, also die umfassende Analyse von Auseinandersetzungen die in altertümlicher Zeit statt fanden, erlebte seine Geburts - oder Sternstunde im Zuge der Ausgrabungen nördlich des Kalkrieser Berges. Aber bei genauem Hinsehen war es eigentlich nur eine Wiedergeburt unter modernen Gesichtspunkten, denn man wollte vielleicht seit Herodot immer schon wissen wie eine Schlacht ihren Anfang nahm, wie sie verlief und warum sie so und nicht anders endete. So wird auf Schlachtfeldern mehr oder weniger wissenschaftlich schon länger geforscht, gegraben und die Schlachtverläufe beschrieben. Mit der Zunahme verbesserter Techniken und Methoden gelingen jedoch heute Rekonstruktionen und Fundbewertungen wie sie früher nicht denkbar waren. So wendete man auf Basis zeitgemäßer Möglichkeiten vieles auch schon früher an, war aber weniger am Verlauf, als an den Funden interessiert. So möchte man es auch heutzutage neu definiert wissen, dem Schatzgräbertum entgegen wirken und die wissenschaftliche Bedeutung hervor heben. Ein Forschungszweig der sich bislang mehr auf die Schlachtfelder der Neuzeit bezog sollte sich nun stärker zur Antike hin öffnen. Und obwohl sich die Bezeichnung Antike nur auf den Mittelmeerraum und das Reich der Römer bezieht, lassen wir es hier auch mal für Kalkriese stehen. Er wurde als eine sinnvolle Sparte der Archäologie anerkannt und unter optimierten Vorzeichen ins Leben gerufen. In der festen Annahme bei Kalkriese auf die Hinterlassenschaften von Varus und seinen Mannen gestoßen zu sein war die Euphorie anfänglich groß, musste dann aber bekanntlich einer eher nüchternen Denkweise weichen, da der umfängliche Kontext später vieles infrage stellte. Aber ungeachtet dessen bietet uns die dortige „Asservatenkammer“ der frühgeschichtlichen Forschung eine Fülle interessanter Objekte wie sie auf deutschem Boden nicht ihres Gleichen findet. Ein verlockend reichhaltiges Betätigungsfeld und dies noch für viele Jahre lässt noch auf manche Überraschung hoffen. Die Schlacht östlich von Bramsche und unbenommen, wie viel Männer beider Seiten dort kämpften oder starben hinterließ uns neben dem Fundkomplex Dottenbichl in Oberbayern wo 15 – Kelten und Römer aufeinander trafen, dass erste Untersuchungsgebiet einer römerzeitlichen Auseinandersetzung mit unseren anderen Vorfahren nämlich den Germanen. Wobei unsere germanischen Altvorderen auf uns in dem Gefecht bei Kalkriese wie eine Schattenarmee wirken da sich ihre Anwesenheit im Fundspektrum bis auf wenige abseitig gemachte Holzwaffenfunde kaum bemerkbar macht. Aber wer sollte in Kalkriese schon gegen Rom gekämpft haben, wenn nicht die germanischen Stämme der Region wie Chasuvarier, Ampsivarier oder Angrivarier, die keine endlos langen Märsche zurück legen mussten um sich am Kampf beteiligen zu können. Der Fundkomplex der Schlacht bei Kalkriese stellt ein Novum dar, denn er stand ganz am Anfang unserer Zeitrechnung. Die Schlacht war folglich militärisch betrachtet, der erste Wimpernschlag im frühen ersten Millenium und sie hinterließ bis heute sichtbare Spuren. Zurück greifend bis ins fiktive Jahr Null und noch lange danach findet sich im germanischen Deutschland, einer Region in der sich ältere keltische Nachweise im Zusammenhang mit den Fliehburgen nur minimal aufspüren und nachweisen lassen und daher oft nur Spekulation vorherrscht, nichts vergleichbares. Ebenso rar sind auch schlachtenbezogene Entdeckungen im keltisch/germanischen Mischgebiet in das erstmals Cäsar seinen römischen Fuß setzte. Und einmal abgesehen von der ersten römisch - rätischen Schlacht am Rande der Alpen, dem Gefecht am Dottenbichl an der Ammer, wo ebenfalls bedeutsame Funde gemacht werden konnten, verliefen alle anderen uns historisch überlieferten Kampfereignisse der „Schriftlosen“ gegen die „Supermacht“ nahezu spurlos. Und erst wieder das „Harzhorn Ereignis“ zu dem es im 3. Jhdt. kam brachte Auswertbares zutage. Mit der vorsichtigen Analyse der Relikte und Artefakte von Kalkriese betritt die aktuelle Archäologie in vielerlei Hinsicht Neuland. So wirft mancher Fund zwangsläufig wieder neue Fragen auf, zieht weitere Forschungen nach sich und bringt uns dazu ältere Erkenntnisse neu auf den Prüfstand zu stellen. Ein nötiger Prozess dem sich scheinbar manche ungern stellen wollen, weil sie am lieb gewonnenen festhalten möchten. Bis Ende 16 + konnten sich die Legionäre in Germanien samt ihren Anführern und dem Zivilpersonal noch nach freien Stücken relativ ungezwungen und gefahrlos entfalten. Man konnte nach Belieben und Erfordernis Kastelle anlegen, die nötige Anzahl Schiffe bauen und unterschiedlichste Formen von Logistik hinterlassen. Erst an Egge und Weser wo Rom auf ernsthafte Gegenwehr stoßen sollte, stellte man dem Imperium ein Stoppschild auf. Da die durchgreifenden militärischen Erfolge auf römischer Seite auch nach rund dreißig Jahren immer noch ausblieben, alles immense Mittel verschlang und der Zermürbungskrieg seinen Tribut forderte, wurde in der Folgezeit der Wirkungskreis der römischen Armee von Kaiser Tiberius tiefgreifend und maßgeblich beschnitten und eingeschränkt. Da bis dato alle Großschlachten geschlagen waren, verlagerten sich die konfliktträchtigen Regionen Germaniens zunehmend rückwärtig zum Rhein, Landschaften die sich die Germanen wieder zurück erobert hatten und für sich beanspruchten. Die westlichen Ausläufer des Wiehengebirges lagen aber möglicherweise noch innerhalb einer römischen Interessenssphäre in der eine gewisse imperiale Dominanz auch noch nach 16 + spürbar und denkbar war und wo man sie durch die Entfaltung von Aktivitäten und Präsenz zum Ausdruck brachte. Welche Vorsicht man hier in dieser noch beanspruchten Übergangszone römischerseits walten ließ ist nicht abschätzbar, aber der Vorhof des Imperiums ließ dort noch überschaubare Machtdemonstrationen zu. Zumal die dortigen Stämme der römischen Landnahme nicht mit der Effizienz und Vehemenz entgegen treten konnten, wie dies in Wesernähe geschah. Begrenzter Handel bewegte sich dort auch nach 16 + immer noch im Rahmen des möglichen und war vorstellbar, aber auch kleinere Strafmaßnahmen können nicht ausgeschlossen werden, wenn man sie im Xantener Hauptquartier für erforderlich erachtete. Ebenso sind schnelle Kommandoaktionen denkbar, wenn man in germanische Siedlungen aufbrechen musste, da sich dort Widerstand zusammen braute bzw. im Entstehen begriffen war. Aber auch innergermanische Stammesfehden könnten Hilfeersuche an die römischen Kommandeure am Rhein ausgelöst haben, denen man vielleicht sogar gerne nach kam. Musste man je nach Zielsetzung und Auftrag auch Wertgegenstände durch die germanischen Lande transportieren, geschah dies selbstverständlich unter Mitführung einer angemessenen Bewachung und Begleittruppe. Aber wo sollte man die Gründe für die Notwendigkeit schützenswerter Überlandtransporte für die ein Schutz erforderlich war suchen. Und das in einer Zeit in der es angeraten war die germanischen Territorien zu meiden. Wollte man strategisch wichtige germanische Oberhäupter bestechen um sie sich Gefügig zu machen, sich also auf diesem Wege neue Bündnispartner erkaufen. Wollte man gegen Vorauskasse Verträge für die Lieferung von Fellen, Vieh, Sklaven oder erzhaltiger Rohstoffe schließen. Alles ist denkbar aber eben auch der Gefangenenaustausch, der ja letztlich auch irgendwo statt gefunden haben musste. Es sind Grundpfeiler der Annahme, wonach es auch noch nach dem Jahr 16 + Gründe gab, sich über den Rhein hinaus ins germanische Landesinnere zu begeben. Denn die östlichen Regionen in Rheinnähe bildeten auch den wichtigen Speckgürtel, von wo aus nach Möglichkeit auch die römischen Rheingarnisonen mit versorgt werden konnten oder mussten. Denn so ließen sich die Germanen auch in eine strategisch gewollte Abhängigkeit locken. Dass das Unternehmen „Gefangenenaustausch“ in Kalkriese scheiterte, also nicht nach Plan verlief und in besagter Katastrophe endete, hatte die römische Generalität nicht vorgesehen. Denn man hatte sich einen fairen und reibungslosen Handel ohne böse Absichten erhofft. Aber uns bescherte das unerwartete Ereignis, vielleicht sogar das Missverständnis viele neue Erkenntnisse in Form aufregender Bodenfunde. Das Gemetzel führte unweigerlich dazu, dass einiges im Boden zurück bleiben musste. Am Kalkrieser Berg fanden sich neben den Metallresten die insgesamt zehn Augurenstäben zugeordnet werden konnten und den Kleinteilen militärischen Ursprungs auch noch zahlreiche Münzen. Aber es fanden sich auch noch Relikte, die hochwertiger Natur waren wie es die teilweise ausgegrabenen vergoldeten Silberbleche beweisen. Aber nicht nur das, denn es waren noch weitere interessante Dinge darunter. Gegenstände die den hohen technologischen Wissensstand der römischen Handwerkskunst und das schon im ersten Jahrzehnt nach der Zeitenwende wider spiegelten und sie unter Beweis stellen. Hochwertige Teile die schon einen weiten Weg hinter sich hatten und die unsere Forschung um diese frühe Zeit in Kalkriese, weit ab vom nächsten Flusshafen noch nicht auf dem Schirm bzw. erwartet hatte. Objekte wie man sie in so früher Zeit noch gar nicht in den römischen Militärstützpunkten Germaniens und auch nicht in Köln produzieren konnte. So musste man sie aus dem Süden über hunderte von Kilometern bis nach Westfalen transportiert haben. Es waren eben jene kleinen nur wenige Zentimeter großen Scherbchen aus Glas. Sie fanden sich plötzlich nicht nur in den wehrhaft ausgebauten Palisadenlagern an der Lippe, am Oberrhein oder in Xanten, sondern sogar relativ weit im Nordosten nämlich bei Kalkriese. Da wo sich hinter den Mittelgebirgen die trostlose Moorlandlandschaft auszubreiten begann und die schaurigen Grenzen zur Unwirtlichkeit verliefen. Eine urtümliche Landschaft deren biologische Ausstattung wir uns heute kaum noch vorstellen können und in der Menschen nur leben können, wenn sie dort geboren wurden und jeden Römer schaudern ließen. Aber Glas ist ein Material, dass neben sehr vielen positiven Eigenschaften auch eine negative hat, es ist zerbrechlich, will daher nicht gerne transportiert werden und schon gar nicht über Land. Jegliche rechtsrheinischen Funde von Objekten aus Glas lassen uns in dieser frühen Zeit grundsätzlich aufhorchen und sind aus mehrerlei Gründen merkwürdig. Zum einen, weil man sich in dieser frühen Stunde fragen muss, ob sich die raue germanische Wirklichkeit schon mit der römischen Leichtlebigkeit auf Basis derartiger Funde vertrug und hochwertige Produkte in einem Lande auf unterer Kulturstufe überhaupt einen Sinn ergaben. Und das zumal um diese frühe Zeit insgesamt betrachtet die römische Glasproduktion nördlich der Alpen noch selbst in ihren Anfängen steckte. Und nun fanden sich derart hochwertige Teile farbigen Glases zudem noch in einer Zone am Rande der germanischen Diaspora. Was zum Teufel sollte die Römer veranlasst haben derartigen Aufwand zu treiben um solche bunten und künstlich hergestellten Stücke bis zum Venner Moor zu transportieren, möchte man da ausrufen. Und so muss man sich natürlich eine Reihe von Fragen stellen, will man sich diesem Phänomen nähern um es sich zu erklären. Möchte man sich damit auseinander setzen, können natürlich diverse Theorien aufgestellt und Methoden der Herangehensweise ausgearbeitet werden was auch gegenwärtig ausgiebig in Kolloquien etc. geschieht. Wie und auf welchem Weg kamen die Glasscherben besser gesagt die einstigen Fertigprodukte nach Kalkriese. Wo wurden sie produziert, wer benutzte sie, wo sollten sie irgendwann einmal benutzt werden, wo also befand sich ihr Zielort. Gingen die Teile in Kalkriese aus purer Zerstörungswut zu Bruch, stürzte der Karren um auf dem man sie transportierte. Oder wurden sie bewusst zerbrochen, bzw. waren es Trinkgefäße, die wenn man an die Zechtradition denkt nach Benutzung zerstört werden. Was also daraus spricht und was die Archäologie und Geschichtsforschung nicht minder interessiert ist die Frage von welchem einst unzerstörten Ausgangsobjekt die gläsernen Kleinteile stammten, wozu sie passten und woran sie einst befestigt waren, welche Funktion dieses Gesamtobjekt einst hatte und aus welcher Manufaktur es stammte bzw. wo man damals schon imstande war, solche Dinge herzustellen. Da alle Fragen eng ineinander greifen wird es komplex. Aber Geschichte ist immer Menschen gemacht und so ist oft schon die einfache Erklärung die richtige. Denn auch bei diesen Glasscherben könnte es sich durchaus auch nur um die Reste völlig normaler Gegenstände des Alltags gehandelt haben. So waren es vielleicht nur Kleinstteile einst voluminöser Objekte die auch schon einen größeren Verbreitungsraum besaßen als man gemein hin annimmt. Produkte also, die damals schon fasst auf dem Weg zur Massenware waren, auch wenn sie man sie noch nicht im Norden produzieren konnte und sich die Wissenschaft mangels Funden selbst zum Spekulieren gezwungen sieht. So wir wissen von Strabo aus seiner Geographica XV1.2, dass man zu seinen Lebzeiten, er starb nach 23 + schon einen gläsernen Trinkbecher für eine Kupfermünze kaufen konnte. Und Glas lag also auch, bzw. schon im Boden auf dem Oberesch bei Kalkriese, was allerdings nichts über den Zeitpunkt aussagt, wann es dort unter die Erde gelangte. Da derartige augenartige Scherben bis auf die zivil geprägte Stadt Augusta Raurica bislang ausschließlich in römischen Militärlagern an der Lippe und in Xanten zu Tage traten, wird man nicht ganz umhin kommen, auch noch mal die Überlegung aufgreifen zu müssen, ob die Glasscherben nicht schon zu Boden gefallen waren, als die Kämpfe bei Kalkriese noch gar nicht statt gefunden hatten. Ebenso muss man die Möglichkeit ins Auge fassen, dass die Scherben nicht in den Schlachtenkontext gehören, da die Objekte dort erst viele Jahre nach der Schlacht zu Bruch gegangen sein könnten. Sowohl in dem einen als auch in dem anderen Fall müsste man die Glasscherbenfunde völlig vom Schlachtengeschehen lösen und separat betrachten. Dies wiederum gibt den Blick auf das dort ergrabene römische Kleinkastell und deren einstige Funktion und Bedeutung frei. Denn eine Umwallung deren mögliche Innenstrukturen noch nicht erforscht sind und deren Dimension und Alter ebenfalls im Dunklen liegt bleibt ein potenziell geeigneter Platz um darin oder in der Umgebung auch noch auf ältere Benutzungsspuren aber auch Hinweise zu stoßen, dass es schon viele Jahre früher genutzt wurde. Die ovalen gläsernen und farbigen Bruchstücke wie sie dort gefunden wurden und die etwa zwischen fünf und neun Zentimeter lang sind, könnten also theoretisch betrachtet auch schon einige Jahre vor, als auch nach der Schlacht bei Kalkriese in den Erdboden gelangt sein, wo sie dann über die Jahrhunderte hinweg regelmäßig überpflügt wurden und sich ihr Fundort seitlich verlagert bzw. nach oben verschoben hat. Gleiches gilt für die Millefiori Glasreste. Unbrauchbar gewordene Trümmerteilchen die gleich wann sie in den Boden gelangten vermutlich auch unter den Germanen kein Interesse mehr weckten und daher liegen blieben. Verlassen wir diese Hypothese und halten uns wieder daran fest, dass alle aufgefundenen Glasteile erst im Zuge des Kampfgetümmels von größeren Teilen abbrachen und auch in diesem Zusammenhang zerstört wurden und dann zu Boden fielen. Dann stellt sich allerdings die Frage, was diese größeren Glaskorpusse in einem Marschzug zu suchen hatten, ob er nun aus zivilen oder militärischen Gründen unterwegs gewesen sein sollte. Dazu müsste man nun in den Fragenkomplex einsteigen, was sie einst für eine ursprüngliche Bedeutung und Bestimmung gehabt haben könnten. Erst dann könnte man tiefer greifen um zu sondieren, ob diese Ausrüstungsteile oder Gebrauchsgegenstände von Legionären, deren Anführer oder von Begleitpersonen gestammt haben könnten. Da es wertvollere Gebrauchsgegenstände waren, sollte man zunächst davon ausgehen, dass es auch ein höher gestellter Personenkreis war der sie verwendete. Sollten die Glaselemente mit den Tischsitten einher gehen, so war die Führungselite es möglicherweise gewohnt ihre Mahlzeiten mithilfe gläsernen Geschirrs einzunehmen. Diesen Objekten eine andere Herkunft und Bedeutung beizumessen, als dass sie zur Tischkultur zählten, schließe ich bis auf eine zweite Variante gegenwärtig aus. Möglicherweise handelte es sich bei den Scherben die zu Trink- oder anderen Gefäßen gehörten aber auch um Teile, die in einem intakten, uns jedoch derzeit noch unbekannten Ursprungszustand auch als Handel - oder Tauschware hätten Verwendung finden können. Man hätte sie aber sowohl als auch verwenden können, in dem man die Teile zwar zuvor selbst nutzte, um sie dann aber auch als Tauschware mit ins Geschäft einzubringen. Aber es waren zweifelsfrei diese Glaselemente die die Fachwelt und die Laien gleichermaßen irritierten und die man auch in diesem gebrochenen Zustand schon als Unikate vorindustrieller Handwerkskunst ansprechen könnte. Relikte, in denen wir heute zwar eine revolutionäre Errungenschaft der Altvorderen sehen möchten und die wir mit Bewunderung und Hochachtung in den Händen halten, die aber von unseren römischen Vorfahren schon wie Wegwerfware behandelt und betrachtet wurden und gar nicht so ungewöhnlich waren, wie es uns vorkommen mag. Aus unserem zeitgeistigen Sichtwinkel beurteilt blicken wir jedoch auf äußerst seltsame Glasobjekte, die man an mehreren Stellen in Westfalen und im Rheinland fand und deren Herkunft und Bedeutung für die Experten im Dunklen liegt, als wären sie vom Mond gefallen. Aber solange selbst die internationale Forschungsdisziplin der Kenner klassisch römischer Glasmacherkunst der augusteischen Zeit, was diese Stücke anbelangt schweigen muss und sich über die Teile nichts Konkretes sagen lässt, werden sie vermutlich noch lange von der Wissenschaft vereinfacht ausgedrückt „Glasaugen“ genannt. Eben leblose Augen, die zwar nicht maßstäblich, aber dem menschlichen Sehorgan sehr ähnlich sind und so sollte man sie sich näher betrachten. Unter anatomischen Gesichtspunkten gesehen, weist ein gesundes Auge einen weißen Augapfel auf, mittig darin eine unterschiedlich farbige Iris und darin dann die scheinbare pechschwarze Pupille. Bedingt durch den kugelförmigen Augapfel sieht man auch dem imitierten Organ schon von außen die Rundung an. Die ausgegrabenen Scherbenstücke vermitteln also auf den ersten Blick ebenfalls ein rundlich gewölbtes Erscheinungsbild was zum Augenvergleich verleitet. Auch Wirkung und Ausstrahlung erinnert optisch an eine Iris bzw. kommen dem auch nahe zumal das Mittelstück einer Pupille ähnelt, sodass die Scherben in der Tat auch etwas Augen artiges an sich haben. Iris und Pupille aus Kalkriese wurden jedoch nur in drei Fällen, also anatomisch naturgetreu auf weißes Glas geschmolzen, weiß wie wir es auch vom menschlichen Augapfel her kennen. In zwei weiteren Fällen nahm man jedoch kein weiß, sondern eine Unterlage in hellbraun in etwa erdfarbig. Und in einem Fall ist der „Augapfel“ sogar statt weiß in hellblau gehalten. Farben die es beim menschlichen Augapfel bekanntlich nicht vorkommen. Aber der Kunst und der Farbgebung waren auch schon im Altertum keine Grenzen gesetzt. Schaut man sich dann bei allen abgebildeten fünf Scherben die Iris genauer an, so ist diese in drei Fällen schwarz, einmal hell und einmal dunkelblau. Was aber auffällt ist die Tatsache, dass das menschliche Auge gar keine schwarze Iris kennt. Aber auch hierfür gilt natürlich die künstlerische Freiheit. Betrachtet man nun die fünf auf der Iris kenntlich gemachten Pupillen so entdecken wir, dass sie in drei Fällen die gleiche Farbe aufweisen, wie die sie umgebende Iris nämlich schwarz und sich nur angedeutet und durch einen gelben Kreis gekennzeichnet davon abhebt. Nur der gelbe Ring stellt den Unterschied zur Iris heraus bzw. macht den Kontrast zwischen Iris und Pupille sichtbar. In einem anderen Fall ist die sonst bei Menschen immer schwarze Pupille hier sogar mal gelb mit abgedunkeltem Kern. Aber die Pupille bei der letzten Glasscherbe ist als einzige sogar unrund und noch dazu mit ausgezahnten bzw. zackigen Ränder geformt, ist dunkelbraun und wirkt erdfarbig. Hier verließ man also in erheblichem Maße das naturgetreue Abbild des menschlichen Auges. Nutzt man diese aus medizinischer Sicht beschreibende Analyse als eine archäologische Grundlage, so hat man im Altertum der Kunst wahrlich einen großen Spielraum eingeräumt, denn menschlichen Augen sehen diese nur zum verwechseln ähnlich. Man wollte hier also nicht unbedingt naturgetreu arbeiten, sondern nur eine augenscheinliche Wirkung erzielen. Der Glas Unterbau unter Iris und Pupille in dem wir das Augapfelelement sehen möchten ist also in einem Fall hellblau und einem zweiten erdfarbig und nur in drei Fällen ordnungs- bzw. naturgemäß weiß. Was wir aber bisher nicht kennen ist die weitere Formgebung, Fortführung bzw. Fortsetzung der Scherbe, da uns eine Vorstellung über den darunter verborgenen Komplettzustand versagt bleibt. Anders ausgedrückt, wie sah es hinter dem „Scherbenhorizont“ aus. Dieses unbekannte Unterglasstück war die Auflage für die Iris- und die Pupillendarstellung, wobei ich das Wort Augapfel wegen der Farbabweichung für das Unterglasstück vermeiden möchte, da es suggerierend auf ein Auge abzielt. Das Material aus dem Iris und Pupille erzeugt wurden führte im Aufschmelzungsprozess zu örtlichen Verdickungen, was den Bruchprozess um diese Bereiche begünstigt hat. Stelle man sich hinter den Scherben ein einst intaktes bauchiges Behältnis vor, so könnte dieses komplett in weiß, hellblau oder erdfarbig gehalten gewesen sein und die erhöht angebrachte Iris und Pupille würden nur die Griffigkeit verbessern helfen und hätten zudem noch einen dekorativen Begleiteffekt. Das würde auch dem Gedanken den Boden entziehen es könne sich bei den Scherben um originale Augapfelnachbildungen handeln. Denn das Originalgetreue zum Auge fehlte ihnen, sodass sie als Augeinlagen für Statuen oder Statuetten wegen der Farbabweichungen nicht mehr geeignet gewesen wären. Es sei denn man wollte hier etwas Abstraktes schaffen. Die kleinen Scherben wären also vielmehr die jeweiligen Teile passend zum Gesamtgefäß und zeigen damit schlüssig seine Gesamtfarbe. Alle Scherben vermitteln jedoch durch die abbruchbedingte Risskante bzw. die dadurch gestörte Formgebung zwangsläufig den Eindruck schlitzartiger Augen, da sie in dieser spitzwinkligen Form in den Boden gelangt sind. Löst man sich also von dieser Überlegung haben wir es hier nicht mit kompletten Augen zu tun, sondern immer nur mit Iris und Pupille. Denn das Weiße, das wir für einen Augapfel halten ist bereits Teil des Ursprungsobjektes. Diese Interpretation ermöglicht einen völlig anderen Blickwinkel auf die Scherben, denn nun sind die rundliche Iris samt Pupille nur noch aufgebuckelte, warzen - oder knospenförmige Erhebungen. Dies ließe auch in dem unzerbrochenen unbekannten Ursprungsteil eine völlig andere Funktion vermuten und schwächt den Verdacht, dass man die Teile einst in die Augenhöhlen von Statuenköpfen legte, denn es widerspräche dem römischen Schönheitsideal und damit einem antiken Perfektionsanspruch. Der leicht hinkende Vergleich mit einem Auge träfe zwar immer noch zu, ließe aber auch neue Schlussfolgerungen zu. Würde aber in allem auch die Fragestellung ad absurdum führen, wofür man in Germanien am Nordrand des Wiehengebirges römische Statuen gebraucht hätte. Die rundlich aufgeschmolzene Kombination aus Iris und Pupille könnte dann, hätte denn den Scherben einst ein komplettes Glasgefäß zugrunde gelegen auch mehrfach daran angebracht gewesen sein können, etwa eine angenommene rundum oder verstreut verlaufende Musterung oder Ornamentik, den damaligen Geschmacksvorstellungen angepasst. Sei es, dass man es als Trinkgefäß oder als Schale benutzt hätte. So starren uns hier zwar Augen ähnliche Objekte an, die uns wie aus einer anderen mystischen Welt erscheinen, die aber möglicherweise nur dem Zweck der Verzierung, Dekoration oder der Griffigkeit dienten. Sie könnten aber auch einer gängigen und zeitgemäßen Glasmacherkunst entsprungen sein und sogar praktischen Nutzen gehabt haben. Das Auge wäre dann nicht ihre eigentliche Bestimmung, sondern nur ein Bestandteil und Ausdruck einer modischen Impression der Zeit gewesen. Eine Beziehung in orientalische Regionen herzustellen, aus denen man Schutzamulette gegen den bösen Blick kennt, ist bei dieser Interpretation schwerlich möglich, denn man weiß nicht wie weit diese Tradition zurück greift. Allerdings bei der zweiten Variante auf die ich noch eingehen möchte. Es würde sich aber eine Verbindung aufbauen lassen, wenn man einst diese Amulett artigen Glasaugen auch dazu nutzte um damit einen Anblick auf ein sakrales Objekt zurückzuweisen oder abschrecken wollte. In dem man also den menschlichen Blick mithilfe starrer Glasaugen, die auf den Betrachter gerichtet sind vom Anblick ablenkt. Wir wissen um die Berührungsängste der Römer im Zusammenhang mit dem Tod bzw. den Bestattungen von Knochen. Zweifellos denkt man dabei unwillkürlich an die Rüge die Kaiser Tiberius dem Feldherrn Germanicus, einem Auguren gegenüber aussprach, als dieser sich auch am Knochenberg für die Varuslegionäre zu schaffen machte. So lassen sich auch andere Überlegungen anstrengen mit denen man sich erhofft das Ursprungsteil an dem einst die Glasaugen befestigt gewesen sein könnten imaginär greifbar zu machen. Ob die Glaselemente in voluminöse und pompöse Möbelstücke wie etwa Totenbahren also Klinen eingelassen waren klingt angesichts des Fundortes nicht unbedingt überzeugend. Man geht davon aus, dass auf der 2023 sechs Meter unter der Londoner Straßendecke frei gelegten römische Kline ein hochrangiges Mitglied der damaligen Gesellschaft bestattet wurde. An Beifunden konnte eine römische Lampe, ein Glasfläschchen sowie Perlen gemacht werden unter denen sich aber keine Glasaugen "Modell Kalkriese" befanden. Denn wer wollte diesen größeren Gegenstand, wie man ihn mal in Trier zu Versuchszwecken nachbaute, vor rund 2000 Jahren, noch dazu auf dem Landweg und in Karren verstaut, gezogen von Maultieren durch die norddeutsche Sumpflandschaft bugsieren. Eine offene Frage, die auch im Zusammenhang mit der Möglichkeit innen liegender Augen für Standbilder also Statuen einher geht und diese gleichfalls infrage stellt. Denn wo hätte sich proportional passend zu den toten Glasaugen in Norddeutschland ein Ort finden lassen, wo man an der Aufstellung einer entsprechend großen römischen Statue interessiert gewesen sein könnte. Ebenso wie die Frage, welch hochrangigen Toten es gegeben haben könnte, um ihn in einem großen Totenbett bei Kalkriese von A.) nach B.) entlang transportieren zu müssen. Aber wie man es sich zur Angewohnheit gemacht hat, möchte man auch keinen Gedankengang unterschlagen. So gibt es für diese rätselhafte Glasaugenfunde noch eine weitere Erklärung, der im folgenden Kapitel auf zu den Grund zu gehen wäre. (10.2.2020 und ergänzt 11.02.2024 )
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Samstag, 1. Februar 2020
Licht in die Nebel um Kalkriese - Fakten und Aspekte - Die Chasuarier und ihr Weltbild
ulrich leyhe, 16:44h
Die Chasuaren, Hasuarier oder Chasuarier gehörten zu den eher unscheinbaren Germanenstämmen oder Kleinvölkern deren Existenz uns die antike Geschichtsschreibung fasst unterschlagen hätte, so gering sind unsere Informationen über sie. Tacitus erwähnt sie in Kapitel 32 – 34 seiner „Germania“ zusammen mit den Angrivarier, Chamaver und Dulgubnier, die in Norddeutschland nördlich oder nordöstlich von den Chasuarier siedelten. Und in diesem Abschnitt soll es auch nur um den Stamm der Chasuarier gehen von dem uns diese drei vorgenannten Schreibweisen überliefert sind. Die Chasuarier sollten aber nicht mit den ähnlich klingenden Hattuarier, Chattwarier, Kasuarier oder Attuarier verwechselt werden mit denen sie manche Forscher auf eine Stufe stellen möchten. Bei den Siedlungsgebieten dieser Stämme für die uns vier unterschiedliche Namensbezeichnungen bekannt geworden sind, sind sich die Historiker uneins, da sich ihre Zugbewegungen aus den ursprünglich chattischen Regionen Hessens heraus im dunklen Geschehen der Vergangenheit einer genauen Analyse entziehen. So unsicher, dass einige Forscher sogar das „hattuarische Hattingen“ oder Herbede an der mittleren Ruhr noch zu den Wohngebieten der nördlichen Chasuarier zählen möchten, um dann von dort aus eine Siedlungsbrücke ins alte Hasegau schlagen zu können. Auf dieser Theorie basierend ließe sich eine aber nur scheinbar plausible Verbindung herstellen und beide Stämme, also sowohl Chasuarier als auch Hattuarier könnte man somit zu einem einzigen Stamm verschmelzen lassen. Aber man übersah, dass zwischen Hattingen und dem Hasegau nicht nur über 130 Kilometer Luftlinie liegen und sich dazwischen die gesamte westfälische Bucht ausbreitet, sondern sich dort auch noch die Stammesgebiete anderer Germanenstämme wie etwa die der Brukterer befanden. Man sollte hier wohl von zwei getrennten Germanenvölkern ausgehen, denn ein Stammesgebiet von der Ruhr bis in die norddeutsche Tiefebene, also in dieser Dimension und Ausdehnung klingt äußerst unwahrscheinlich. Zumal sich das Stammesgebiet nicht nur in die Länge, sondern natürlich auch noch in die Breite hätte ziehen müssen. Zudem und sehr ungewöhnlich hätte dieser Stamm auch gleichermaßen sowohl Gebirgs- als auch Flachlandregionen mit inbegriffen. Der Zuzug durch die chattischen Hattuarier fand vermutlich erst ab der zweiten Hälfte des 1. Jhdt. statt, denn sie fanden in ihrer neuen Region an der mittleren Ruhr vorher keine Erwähnung. Ihr Siedlungsdruck führte anzunehmenderweise zu Verschiebungen und Überlagerungen innerhalb von Wohngebieten in denen bis dato auch andere Germanenstämme lebten. Völkerkundlich und etymologischen Recherchen und Hinweisen zufolge hatten sich die Chasuarier zwischen den zwei großen nordwestdeutschen Flüssen Weser und Ems nördlich der Mittelgebirge nieder gelassen. Wie alle bodenständig gewordenen Stämme der Zeit lebten sie in verstreut liegenden Bauernschaften und schlossen sich bei Gefahr zu wehrhaften Sippenverbänden auf Basis von Hundertschaften zusammen. Eine Kampfeinheit die eher unseren theoretischen Vorstellungen entsprungen sein dürfte und weniger der Realität entsprach, denn es setzt ein vollzähliges Vorhandensein voraus und suggeriert eine abgezählte Kämpferschar. Über ihre Siedlungsplätze entschied u.a. die Quantität und Qualität des bebaubaren Bodens, die Verteidigungsfähigkeit ihrer Scholle, die Verfügbarkeit von sauberen Trinkwasserschöpfstellen oder Quellen und natürlich, ob genügend Viehfutter also Weideland etc. zur Verfügung stand. Aber auch die Nähe zu dieser bedeutenden Ost - West Verkehrsader war attraktiv und es ging eine Anziehungskraft von ihr aus. Dies könnte auch dazu geführt haben, dass sich die Siedlungsaktivitäten der Chasuaren parallel bzw. im Nahbereich zu diesem Hellweg entwickelten, sich an ihm orientierten, sich um ihn bündelten bzw. an ihm konzentrierten. Sie aber auch im Umfeld der Trasse umfangreicher ausfielen. Ein Verkehrsweg für den der Name Landstraße schon zu kurz greift, denn die Struktur und Verlaufslinie hatte die Geologie schon vor Jahrtausenden im Schatten der Mittelgebirgskette und dem nördlichen Sumpf- und Moorland vorgegeben. Sie war und wurde dadurch mit Abstand zur bedeutungsvollsten ostwestlich verlaufenden Fernverbindung die den Großraum der heutigen Niederlande mit dem südlichen Niedersachsen verband. Sie führte bis an die Mittelelbe und darüber hinaus und vernetzte sich knotenartig mit zahlreichen nachrangigen Querwegen und Pfaden. War aber auch eine zentralgermanische Route die an vielen Schnittpunkten die großen Wege der Völkerwanderungen kreuzte. Es war nicht nur für die Chasuaren eine wichtige Lebensader und damit Fluch und Segen zugleich, sondern auch für alle anderen Stämme die sie nutzten und von ihr abhängig oder betroffen waren. Stößt man also im Umfeld von Kalkriese auf germanische Siedlungsspuren aus der Epoche der römischen Kaiserzeit, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie es waren die dort einst Landwirtschaft und Viehzucht betrieben. An einer großen Verkehrsachse zu wohnen die eigenes Stammesgebiet durchschneidet bedeutete für sie zwangsläufig eine Mittelpunktlage inne gehabt zu haben und auch vermittelnde Funktionen übernehmen zu müssen. Denn auch in Germanien war in kritischen Zeiten ein schneller Informationsfluss vonnöten und der hatte trotz diverser Animositäten untereinander in Notzeiten stammesübergreifend zu funktionieren. Und alle Zugbewegungen auf diesem Weg der sich Hellweg „Unter dem Berge“ nannte erlebten die Chasuaren aus nächster Nähe mit und das mit allen Vor – und Nachteilen und mussten es im leidtragenden Sinne auch über sich ergehen lassen. Also ein Stamm der sowohl davon profitieren, der aber auch damit gestraft war. Der immer direkt oder indirekt in Mitleidenschaft gezogen wurde und der es oft schmählich zu erdulden hatte, dass die durchziehenden Truppen ihr Territorium gefragt oder ungefragt nutzten, weil sie es nutzen mussten, weil sie dort rasteten und sich nach Möglichkeit auch aus der Region verpflegen wollten. Chasuarische Wegeposten waren und mussten sich daher gezwungenermaßen ständig am Hellweg auf erhöhter Warte aufhalten, postieren und präsent sein und sie wussten immer was sich auf ihm tat. Es wird zudem die besagte Kommunikationskette existiert haben die schon von weit her funktionierte, damit ihnen bereits andere Sippen oder Stämme Warnungen zukommen lassen konnten bzw. Botschaften und Nachrichten übermittelten. Dieser Fahrweg war ein ständiger Unruheherd und es ging von ihm eine permanente Gefahrenlage aus, die immer auch einen schnellen Kontakt in die entfernteren Dörfer und Ansiedlungen der Gemeinschaft erforderlich machte. Bereiche in denen die Chasuaren ihre Nahrungsvorräte und wichtigen Güter horteten und wo auch die Schwächeren der Sippe ihr Zuhause hatten und u.a. die Tiere hüteten. Den Hellweg musste man daher seitwärts auf versteckten Pfaden und Bohlenwegen immer schnell und ungesehen erreichen und wieder verlassen können. Auf unliebsame Überraschungen vorbereitet und gefeit zu sein, traf sicherlich für alle Anwohner der großen Hellwege zu und das nicht nur zu jener Zeit. Die nördlich angrenzenden im Moor liegenden trockenen Siedlungsnischen oder gewachsenen warftähnlichen Erhöhungen waren für sie im Ernstfall ihre Überlebensgarantie und man wusste sich zu schützen. Ihr Stamm gehörte nicht zu den Einflussreichsten und sie mussten ihre begrenzten wehrfähigen Kräfte die auf etwa 3000 Krieger geschätzt werden zurückhaltend, bedacht und kontrolliert einsetzen. So war dieser vermutlich relativ kleine aber schlagfertige und ernst zu nehmende Stamm der Chasuarier oft zum tatenlosen Zuschauer des großen Geschehens der Zeit verdammt. Vornehmlich dann, wenn die gewaltigen römischen Legionszüge am rechten Emsufer etwa bei Rheine anlegten um nach Ostwestfalen oder an die Mittelweser aufzubrechen. Dann lagen sie mitten im Aufmarschgebiet, wo die Legionen einst ihre Logistik entfalteten um sich auf den Landweg vorzubereiten und sich konzentrierten bevor sie sich in Feindesnähe begaben. In eine Frontregion in der sie von stärkeren germanischen Kräften bereits erwartet wurden. Auf dem Rückweg zur Ems allerdings mussten sie wieder mehr oder weniger blessiert oder dezimiert die Siedlungsgebiete der Chasuarier passieren. Es war wohl ein frommer Wunsch jeweils im Vorfeld und rechtzeitig von römischer Seite aus in Kenntnis gesetzt zu werden, wenn diese die bedeutsame Verkehrsachse nutzen wollten. Sie hörten damals auch von den unglaublichen Geschichten eines entfernt kämpfenden Feldherrn namens Cäsar, der erstmals sogar eine Brücke über den Rhein gebaut haben soll. Für sie nahezu unvorstellbar, denn sie kannten den Rhein nur als einen sehr breiten Flachlandfluss. Erlebten dann, wie alles mit Drusus seinen unguten Anfang nahm, sich der Krieg unter Tiberius und Ahenobarbus im Immensum Bellum fortsetzte und gerieten wohl in Euphorie als sie vom Ausgang der Varusschlacht erfuhren. Ihre Schreckensjahre erlebten die Chasuaren im Verlauf der Germanicus Feldzüge als die Kämpfe gegen Rom ihren Höhepunkt erreichten. Und sie waren mit die Ersten die hörten, wie seine Schiffe 16 + in der rauen Nordsee zerschellten oder im Wattenmeer stecken blieben, was sie sicherlich nicht bedauerten. Große römische Heeresmassen die im Verbund mit germanischen Söldnern gegen andere Germanenstämme antraten und das Land verwüsteten sahen sie in diesen Zeiten an sich vorüber ziehen. Aber sie spielten immer nur die ohnmächtige Nebenrolle des passiven Betrachters der es nicht wagen durfte römische Machtpläne zu durchkreuzen. Aber nicht nur in der Fisse - Niewedder Senke mussten sie wie kein anderer germanischer Stamm jeden Quadratmeter und jede moorige Untiefe gekannt haben, schwarze Löcher in denen sie ihre Opfer für die Götter versenkten und in die sie nicht unversehens selbst hinein stürzen durften. Denn damals gab es in den Moorgebieten noch die versteckten tückischen mit Moos überdeckten Gefahrenstellen, wie sie heute nur in Märchenbüchern beschrieben werden. Das alles machte aus ihnen einen ernsthaften Anwärter, wenn es um die Frage geht, wer denn 17 + oder 18 + bei Kalkriese gekämpft haben könnte. Als Teilnehmerstamm an der Varusschlacht sucht man sie in den antiken Chroniken vergeblich was auch nicht verwundert, denn von Kalkriese bis ins Nethegau war es für sie kein Katzensprung. Und auch kein römischer Rachefeldzug gegen sie war nötig und wurde uns daher nicht überliefert. Aber in dem Jahr 18 + schlug möglicherweise letztmals auch ihre Stunde, auf die sie sich vielleicht schon lange vorbereitet, was sie aber insgeheim erhofft und erwartet hatten. Aber der stärkere Nachbarstamm der Angrivarier mit dem sie sicherlich auch vielfältig verwandschaftlich verbunden waren, hatte das Sagen und die Vorrechte und verfolgte seine elementaren Interessen. Zumal sie es waren, die nun über Nacht zum römischen Verbündeten avanciert waren. Auch ist es fraglich, ob die Angrivarier seinerzeit über eine geschlossene Führungs- bzw. Oberschicht verfügten in der sich alle über die Vorgehensweise im Zuge der Lösegeldübergabe einig waren. Denn ein Gefangenenaustausch dieser Dimension erforderte eine breite Zustimmung bei der jeder auf seine Kosten kommen wollte. Warum hätten sich also alle an die Vereinbarung halten sollen. Einzelne Sippen innerhalb des Großstammes mögen ausgeschert sein, da sie anderer Auffassung waren, kämpften auf eigene Rechnung verfolgten ihre Pläne und könnten sich selbst am Überfall auf den Wertetransport beteiligt haben um sich zu bereichern. Andere wiederum könnten sich verpflichtet gesehen haben, die Austauschvereinbarung auch ohne den Gebrauch von Waffen einzuhalten. Aufgrund der römischen Schandtaten der Vergangenheit, war der Gedanke an Vergeltung zwar immer noch bei allen stark verwurzelt, aber in diesem Moment könnte nicht nur der Inhalt der Truhen für die Germanen interessant gewesen sein. Denn in diesen Zeiten war es attraktiver weil lebenswichtiger gegenüber einem Feind über die besseren Waffen zu verfügen. Im Nahkampf als auch in der offenen Feldschlacht war die römische Ausstattung seinerzeit führend und unerreicht. Wurfspeer, Schwert, Dolch und die hochwertige Schutzausrüstung der römischen Legionäre stießen vermutlich auf ein weit aus größeres Interesse, als der Klimbim und der Plunder den man ihnen im Austausch gegen die Geisel überlassen wollte und der ihnen sowieso zugestanden hätte oder ein Lösegeld, das in einer Welt ohne Zahlungsverkehr mit Ausnahme des Eigenwertes nur geringen Stellenwert besaß. Da nicht zu erwarten war, dass man den Germanen diese Waffen freiwillig überließ, war auch dies ein denkbares Motiv, um sie sich mit Gewalt anzueignen. Wie die Schlachtentheorie zeigt, war man den Römern an diesem Tag zahlenmäßig überlegen bzw. man hatte sich in geeigneter Weise auf ein mögliches Gefecht vorbereitet. Beste Voraussetzungen um Fakten zu schaffen bzw. die Beuteanteile zu erhöhen. So konnte man sich zusätzlich bereichern und der Verteilungsschlüssel ließ sich enorm zu ihren Gunsten verschieben. Die Gefangenen konnte man irgendwo frei lassen, somit ließe sich der Vertrag sogar in Teilen erfüllen. Für den Angriff auf die römische Karawane ließen sich im Nachhinein auch andere Stämme verantwortlich machen und man konnte sich in geschickten Schuldzuweisungen üben. Und wer damals das Talent hatte Hinterhalte legen zu können um sogar drei wenn auch nicht in Sollstärke befindliche römische Legionen zu vernichten, der konnte auch am Kalkrieser Berg die Falle gestellt haben. Große Teile der Beute gelangten damals sicherlich nicht an die vorgesehenen Adressaten oder an ihre eigentlichen Bestimmungsorte. Ob es letztlich den Germanen gleichgültig war, dass die Schiffbrüchigen oder Gefangenen je wieder römischen Boden betreten würden oder nicht würde schon wieder zu weit ins Spekulative und Konspirative eingreifen. Vielleicht hatte man einige von ihnen auch schon längst als Sklaven weiter verkauft und sie waren schon gar nicht mehr in ihrem Besitz, als es zum Austausch kam. Es musste aber eine gewisse Glaubwürdigkeit und Garantie im Geschäft gesteckt haben, denn auch Römer wollten keine Katze im Sack kaufen und sie wollten vorher wissen, welche Männer man ihnen übergeben würde, welche sie also frei gekauft hatten. Und damit war auch der neuralgische Moment der gesamten Aktion gekommen. Der kritische Augenblick der alles in eine Eskalation führen konnte und letztlich ein Gefecht ausgelöst haben könnte. Letztlich wird es für uns aber genauso unbekannt bleiben, ob dies alles der Grund für die Kämpfe bei Kalkriese war genau so wie die Frage unbeantwortet bleibt, ob die aufregenden Geschichten der heimgekehrten römischen Legionäre „vom Ende der Welt“, so wie es uns Tacitus indirekt mitteilte, nur aus den Mündern jener Legionäre stammten, die aus Britannien zurück kamen und nicht auch von jenen, die in Germanien auf ihren Freikauf warten mussten bzw. wie auch immer von dort frei kamen. Denn kein antiker Historiker verriet uns, ob der Freikauf aller entwurzelten Römer auch ein erfolgreiches Ende nahm und hätten wir nicht Tacitus, wir wüssten nichts von alledem. Denn nur er berichtete uns über einen Rückkauf von Verschollenen unter Mitwirkung der Angrivarier. Und natürlich war es damals ein offenes Geheimnis, welche Zugrichtung der römische Tross samt Geleitschutz und Werten nehmen musste, denn die Regionen waren damals arm an ausgebauten raumgreifenden Wegeverbindungen und die Zustände sicherlich marode und unsäglich und das auch in der besseren Jahreszeit. Wollte man vor 2000 Jahren vom Niederrhein etwa aus Xanten kommend in den Norden bzw. Nordosten gelangen, gab es also nicht viele Alternativen um zu den Angrivariern zu gelangen oder gar weiter zur Weser und oft musste man dazu einheimische Wegeführer verdingen. Wie hätte man also die vereinbarte Geldsumme zu den germanischen Stämmen ins Hinterland schaffen sollen, wenn nicht auf den ebenen begehbaren Wegen nördlich des Wiehen - Gebirgsrückens an dem man sich gut orientieren konnte, da man ihn schon „van wiehen“ aus sehen konnte. Man käme also nicht umhin dafür die Strecke von etwa 140 km Luftlinie von Xanten aus über Coesfeld nach Bramsche einzuschlagen. Sollte man also den Landweg bevorzugt haben, so könnte der Marschzug über Emsdetten verlaufen sein. Hätte man sich für den Wasserweg entschieden, wäre Rheine die Anlegestelle gewesen um die Ems zu verlassen. Von entscheidender Bedeutung bei dieser Theorie bleibt aber die hypothetische Frage, welche Art von Vermittlungsfunktion die Angrivarier in diesem Geschäft eingenommen hatten. Lag ihre Aufgabe lediglich darin den Kontakt zu den Legionen am Rhein herzustellen, etwa mit der Botschaft, dass da noch Soldaten auf die Heimholung warteten. Das man der römischen Administration sagte, wo sich diese befanden und das die Hinterlandstämme dem Austausch nur bei vorheriger Lösegeldzahlung für die befristete „Kost und Logis“ zustimmen würden. Sicherlich hatten die Angrivarier in diesem Zusammenhang ebenfalls Forderungen in Gestalt einer „Aufwandsentschädigung“ geltend gemacht. Aber die unmittelbaren Modalitäten der Gefangenenübergabe auszuhandeln könnte sich wie zuvor dargestellt in der Tat als die Crux erwiesen haben. Denn Rom musste ihnen zwangsläufig auf dem bekannten „halben Weg“ entgegen kommen. Und die Freisetzung von Gefangenen erfolgt in der Regel im Niemandsland bzw. in Grenzgebieten und da boten sich nur die Wohngebiete eines weiteren relativ neutralen Germanenstammes nämlich dem der Chasuarier kurz vor dem Erreichen des von Angrivariern besiedelten Gebietes östlich der Hunte an. Es ist also äußerst schwerlich vorstellbar wie das Prozedere abgelaufen sein könnte. War die Senke vor dem Kalkrieser Berg bereits der vereinbarte Übergabeplatz oder wollten, sollten bzw. mussten die Römer noch weiter nach Osten ziehen. Hatten die Stämme die in ihrem Besitz befindlichen Legionäre schon selbstständig bis dahin geführt, um sie dort zu übergeben und den Gegenwert in Empfang zu nehmen. Oder zeichneten die Angrivarier für den kompletten Austausch verantwortlich in dem sie es waren die das Geld in Empfang nehmen sollten. Um damit dann den weiteren Weg über die Weser nach Norden oder Osten einzuschlagen hatten, um das Lösegeld weiter zu reichen. Oder erst um von dort die Gefangenen zu holen und sie bis zur römischen Grenzzone zu geleiten. Oder was schlecht vorstellbar ist, gestattete man es gar den Römern selbst die Hinterlandstämme aufzusuchen. Dies wäre zweifellos eine sehr mutige Aktion mit begrenzter Rückkehrgarantie gewesen. Denn so kurz nach den Germanicus Feldzügen im ehemaligen Kampfgebiet zu agieren war sicherlich nicht ratsam. Ich plädiere bei der Betrachtung der Alternativen daher für die erste Version. Nämlich die Variante, die eine Übergabe von Geld und Gefangenen unter Beteiligung und Abordnung aller betroffenen Stämme im Grenzgebiet östlich von Bramsche vor sah. Denn hier wurde der Kuchen verteilt und hier wollte jeder sein Stück abhaben. Die alt bekannte und sicherlich auch berüchtigte Heerweg Engstelle am Kalkrieser Berg war allen bekannt und von allen Seiten betrachtet eine Pforte sowohl in die Norddeutsche Tiefebene als auch in Richtung Niederrhein. Weiter ins Inland hätten sich Römer in diesen Zeiten nicht mehr vor gewagt und näher hätte man sie vermutlich auch nicht heran kommen lassen. Aber viel näher als Kalkriese war in diesem Fall auch weder vorgesehen noch nötig. Ab Kalkriese hätte dem auch das seinerzeit weitaus umfangreichere Venner Moor entgegen gestanden und ein Schwenk wieder nach Süden auf Minden zu wäre die falsche Richtung gewesen und hätte keinem Erfordernis entsprochen. Aber die Maultierkarren samt Truhen und Lösegeld konnte Rom auch nicht völlig unbewacht an die äußersten östlichen Hemisphären des Imperiums ins alte Hasegau schicken. Folglich hatte und musste man dem Transport auch begrenzte militärische Kräfte beistellen. Die für 3000 bis 4000 Legionäre Platz bietende später erst entdeckte umwallte römische Anlage die einige hundert Meter westlich vom „Varusschlacht Museum“ ergraben wurde könnte einer Teilstreitmacht der „I Legio Germanica“ gedient haben, der dort ein verlustig gegangenes Mundblech zugeschrieben wird. Dieses Metallteil mit dem eingeritzten Hinweis LPA, das als L(egio) P(rima) A(ugusta) gelesen und der Legio I Germanica zugeschrieben wird spricht dafür, dass diese Legion für die Geleitaktion Männer abgestellt haben könnte, die den Schutz des Konvoi zu übernehmen hatten. Andererseits hätte das Mundblech auch aus einer Schenkung unter Legionären stammen können, denn auch das Gewichten derartiger Theorien gebietet die neutrale Herangehensweise. Zumal Soldaten von Varus als auch von Asprenas also beider Legionen einst gemischt am Rhein stationiert waren. Letztlich war es aber ein römisches Anerbitten um einen Gefangenenaustausch und folglich befand man sich von römischer Seite aus gesehen daher auch in der ungünstigeren Verhandlungsposition. Denn Rom konnte in der Festlegung der Übergabelokalitäten nicht frei gewesen sein und konnte daher auch nur wenig Einfluss auf den Zeitpunkt ausüben, geschweige denn ihn den Angrivariern vorgeschrieben haben. Die Germanen hätten also genügend Zeit gehabt um den Übergabeplatz zu bestimmen. Es dürfte lediglich eine robuste römische Unterhändlerdelegation gewesen sein, die da unterwegs war und man forderte sicherlich, dass Rom mit keinem umfänglichen und bedrohlich auftretenden Heer bestehend aus diversen Legionen anrücken würde, denn das wäre einer neuerlichen Kriegserklärung gleich gekommen und hätte auch gegen die kaiserliche Anordnung verstoßen. Dann wäre dieser Austausch vermutlich geplatzt und weitere wären nie zustande gekommen. Es sollte und durfte daraus also keine Militäroperation und erst recht keine Parade römischer Überlegenheit werden, sondern als Minimalkonsenz lediglich der besagte Gefangenenaustausch und das im kleinen Rahmen. Man musste also eine reduzierte Anzahl sprich eine weniger schlagkräftige Abteilung bzw. Vexillation dafür abordnen, was erklären würde, dass man in Kalkkriese auch auf keine größeren Skelettfunde mehr stieß. Die Germanen ließen möglicherweise sogar viele Legionäre bewusst flüchten bzw. entkommen, um keinen neuen Kriegsgrund zu entfachen, da es den Germanen in erster Linie um die begehrten Güter und Ausrüstungen vielleicht auch um die Pferde ging und man an einem Großkampf kein Interesse zeigte. Leicht und ohne große Anstrengungen sollte es möglicherweise ablaufen. Ungeachtet dessen bleibt ein Gefangenenaustausch mit ehemaligen Kriegsgegnern immer ein gefährliches Unterfangen, auch wenn man in den Angrivariern den möglichen Wolf im Schafspelz als Vermittler gewinnen konnte und man sie in die Verhandlungen eingebunden hatte. Denn mit der Zuverlässigkeit bei der Einhaltung von Verträgen hatte man bekanntlich im Imperium mit den Germanen leidige Erfahrungen gesammelt. Dem Transport den Anstrich einer friedlichen Mission zu geben musste also das Gebot der Stunde sein. Und dafür galt es eine geeignete Strategie zu entwickeln um den Austausch in geordneten Bahnen abzuwickeln und ihn nicht scheitern zu lassen. Ein Hinweis dafür könnte sich unter den bei Kalkriese gefundenen Teilen finden lassen. In den Angrivariern fand man offensichtlich einen brauchbaren oder auch den einzigen Vermittler und neuerdings auch einen Partner des Vertrauens. Trotzdem blieb es eine prekäre Mission, zu der man nach Germanien aufgebrochen war. Es galt beschwichtigend aufzutreten und an das Ehrgefühl der Germanen zu appellieren, sofern es etwas derartiges in den damaligen Zeiten noch oder schon wieder gab und man zog vermutlich vorher alle Register um sich des gegenseitigen Vertrauens zu versichern. So war es ein probates Mittel und es könnte ratsam gewesen sein, alles unter dem heiligen Siegel einer humanitären Maßnahme ablaufen zu lassen. Denn man hatte schon auf dem Hinweg nach Kalkriese bedenkliches Gelände zu durchqueren und befand sich am angedachten Übergabeplatz bereits in Feindesland. Weiße Fahnen schwenkte man damals noch nicht, aber einen derartigen Marschzug mit den nötigen höheren Weihen auszustatten, könnte dazu geführt haben, dass man ihm auch eine äußerlich sichtbare Symbolik verleihen wollte. Der Marschkolonne eine übergebührlich hohe Anzahl frommer Kultpriester aus der Kaste der Auguren beizustellen um damit die Germanen zu beeindrucken und den besonders religiösen Charakter heraus zu stellen, könnte ein probates Mittel gewesen sein, ihn für alle deutlich als unantastbar auszuweisen. Auch Karl der Große nutzte ein derartiges Respekt einflößendes äußeres Erscheinungsbild um später die Sachsen mit einer stattlichen Anzahl von Kirchenmännern schon rein optisch zu beeinflussen. So verlieh man auch dem römischen Marschzug Würde aber auch Fairness, machte ihn zu einer imposanten Demonstration und gab ihm damit die Bedeutung übergeordneter Interessen. In vorchristlicher Zeit hatten noch die Götter bei Weihe, Zeremonien und großen Prozeduren das letzte Wort und so wollte man versuchen das ganze Geschehen dem Schutz der göttlichen Mächte zu überantworten. Man musste alle Germanen davon überzeugen den Zug ungestört passieren zu lassen und alles zu tun, damit sie ihn nicht ausplünderten. Und das Wort „ausplündern“ könnte es getroffen haben, denn für die Germanen waren die zum Freikauf gedachten Mittel auch nichts anderes als römischer „Plunder“. Um alles zu einem würdigen Akt hoch zu stilisieren ließ man zahlreiche Lituiträger oder Priester mit marschieren. Auch ein jüngst ausgegrabenes Schloss weist auf den Transport von Truhen hin, die durch die Engstelle am Kalkrieser Berg bzw. bis dahin transportiert wurden und Schatullen und ähnliches sprechen ebenfalls für einen wertvollen Inhalt. Die gewählte Örtlichkeit war wie man heute noch gut nachvollziehen kann, wie geschaffen für einen Hinterhalt. Aber eine Falle der man es ansehen kann, dass sie eine ist, ist bekanntlich keine. Römer die sich in eine derartige Übergangszone zwischen Sumpf und Hanglage begeben um dort den Austausch durchzuführen, sollten sich der geographisch heiklen Lage bewusst gewesen sein. Inmitten dieser Engstelle hatten sie ein Marschlager, dass bereits vor dem vermeintlichen Gefangenenaustausch vorhanden gewesen sein könnte und man in den Kontext der Germanicus Feldzüge einordnen könnte, dessen Truppen diese Route genutzt hatten. So wurde diese beiden Völkern bestens bekannte Örtlichkeit auch ausgewählt um dort den Gefangenenaustausch statt finden zu lassen und das Lösegeld zu übergeben. Ein Gefangenenaustausch ist wie der Name schon sagt keine Einbahnstraße sondern ein Tausch, denn man darf annehmen, dass in Kalkriese Gefangene aus beiden Lagern übergeben wurden. Ein normaler Akt und somit ein übliches Prozedere wie man es im Vorfeld ausgehandelt hatte. Während die Angrivarier jene Legionäre übergaben die den Schiffbruch überlebten, befanden sich auf Seiten der Römer germanische Kriegsgefangene, darunter möglicherweise auch höher gestellte Fürstensöhne resultierend aus den Gefechten der Germanicus Schlachten. Männer die auf diese Weise das Glück hatten, wieder in ihre germanischen Wohnstätten zurück kehren zu können. Im Zuge des durch das außer Kontrolle geratene Zusammentreffen entstandene Gefecht, konnten diese Germanen von ihren Landsleuten befreit werden. Germanen die einen Wert darstellten und denen man von römischer Seite auf dem Weg zur vereinbarten Begegnungsstätte Fesseln und ähnliches angelegt hatte um ihre Flucht auf dem Marschzug zu verhindern. Ein Beweisstück dieses Verfahrens fand sich jüngst auf dem Schlachtfeld nahe dem Kalkrieser Berg, denn es konnte ein Fixiereisen ausgegraben werden. Es lag vermutlich noch neben den vergangenen sterblichen Überresten seines Aufsehers eines römischen Legionärs von dem die Schildpanzerelemente übrig blieben. Ein einmaliger Fund, den man allerdings in einen umgekehrten Kontext setzte in dem man annimmt die Germanen hätten einem römischen Legionär eine Halsgeige umgelegt um sich ihn für eine spätere Opferung aufzubewahren. So scheint es denkbar, dass man das ringförmige Eisenteil dem einstigen Bewacher nach seiner Ermordung auch hinter her geworfen haben könnte. Man darf nicht außer acht lassen, dass immer noch nach Argumenten Ausschau gehalten wird, um damit bei Kalkriese den Austragungsort der Varusschlacht begründen zu können. Aber was verrät uns unsere Phantasie noch zum Hergang des Gefechts. Möglicherweise war es anfänglich noch eine friedliche Begegnung oder sollte es sein. Ein Austausch den man einvernehmlich gestalten wollte. In dem sich vielleicht schon der Charakter eines bilateralen Neubeginns abzeichnen sollte. Denn ein Gefangenenaustausch war immer das deutliche sichtbare Zeichen für eine Beruhigung der Lage und eine wenn auch langsame Rückkehr zur Normalität. Römischerseits hatte man die Germania Magna aufgegeben, bzw. überließ sie sich selbst und der Handel trat nun stärker in den Vordergrund. Wir kennen noch nicht den einstigen baulichen Zustand des ergrabenen römischen Lagers, aber es kam vermutlich nicht von ungefähr, dass es sich genau dort befand, wo später das Gefecht tobte. Möglicherweise bot es sich an um darin den Abschluss eines gelungenen Geschäftes zu begehen oder gar zu feiern. Römischer Sitte und Gepflogenheit entsprach es derartige Gelegenheiten zu nutzen um ihre kulturellen Errungenschaft und ihre Überlegenheit in jeder Hinsicht zu zeigen. Eine repräsentative und gepflegte Tischsitte gehörte allemal dazu und alles sollte wie es auch die mitgeführten Millefiori Gefäße zeigen, die in Form von Scherben nachweisbar sind, gebührend ausgestaltet und geschmückt sein. Auch das in Kalkriese gefundene Relikt eines Weinsiebes und diverse Porzellanscherben belegen den Charakter einer besonderen Veranstaltung. Alles war Bestandteil einer kultivierten Tradition die man aber auch zur Schau stellen wollte um zu beeindrucken. Das alles nicht in der gewünschten Weise verlief war nicht Teil des Planes und nicht zu erwarten gewesen. Möglicherweise konnte man sich nicht einig werden und es waren zu viele germanische Stämme mit unterschiedlichen Vorstellungen am Geschäft beteiligt die unter sich uneins waren was plötzlich alles in Gewalt umschlagen ließ. War das Lager vorher schon von Chasuariern, Angrivariern und möglicherweise auch von Arminius umstellt worden, als die römische Delegation eintraf und dort in einen Kessel lief. Geriet alles außer Kontrolle und endete dann für die Legionäre in einer heillosen Flucht. Stammten etwa die vielen Münzfunde in der Region schon gar nicht mehr von flüchtenden Römern, sondern von Germanen, die sie gegen andere Germanen verteidigten und dabei verloren hatten. War es gar schon fasst ein Kampfgeschehen von Germanen untereinander. Aber im Zentrum befand sich ein Kleinlager, das von den römischen Legionären als Übergabetreffpunkt genutzt wurde, sich dann aber auch zum letzten Zufluchtsort entwickelt haben könnte, wie die Einsturzstellen belegen. Wurde es dann auf Basis dieser Überlegung während des germanischen Überfalls komplett verwüstet. Dieses im Boden nach gewiesene römische Etappenlager, das im Zuge der Kämpfe seine einst vorhandene Schutzfunktion gänzlich verloren hatte, könnte von den Legionären die den Transport mit dem Lösegeld begleiteten noch am Vortag auch als Übernachtungs- bzw. Rastlager genutzt worden sein. So könnte man den Wertetross in diese Engstelle geködert haben, ihnen auch germanisches Geleit zugesichert, aber sich nicht daran gehalten haben und über anders gesinnte Germanen will man gar nicht erst spekulieren. So wollten sich die örtlichen Germanen vom Stamm der Chasuarier diese günstige Gelegenheit auch nicht entgehen lassen und konnten nun Rache nehmen an den schmachvollen und erniedrigenden Begebenheiten und Begegnungen der Vergangenheit, denn da gab es sicherlich einiges, dass es noch abzurechnen galt. So konnte man sich auch in den Besitz der kostbaren Fracht bringen, bevor diese in die Hände anderer Stämme gelangte. Es ist also vieles denkbar, denn Lösegeldübergaben hatten immer eine lange Vorgeschichte und entwickelten, siehe der Fall des „Richard the Lionheart“ immer schon ihre eigene Dynamik und schrieben selbst Geschichte. Wir stünden also womöglich in Kalkriese am Schauplatz eines missglückten Freikaufgeschehens, dass der antiken Geschichtsschreibung nicht viele Zeilen wert war. Es könnte aber wie angedeutet später auch noch zu einem Gefecht unter rivalisierenden germanischen Stämmen um den Beuteanteil gekommen sein, ein Szenario, das sich dem Überfall anschloss und schon würden erneut einige andere Theorien ins Wanken geraten. Möglicherweise war dies die letzte Tat die Arminius einfädelte und ausführte bevor er sich zurück zog und selbst in die Geschichte ein ging. Denn in der Bemerkung von Strabo schwingt auch noch etwas von Wehmut bei gleichzeitiger Achtung für diesen Mann mit, die man dem großen germanischen Feldherrn Arminius der “noch jetzt“ neun Jahre nach der Varusschlacht kämpfte entgegen brachte. Arminius ein Supertalent und eine Ausnahmegestalt gleichermaßen, dem es gelang seit den Pannonienschlachten des Jahres 8 + bis etwa ins Jahr 18 + mit klarem Kopf und offensichtlich körperlich unversehrt militärisch zu wirken. Er musste über eine übermäßige sich von den anderen Germanenoberhäuptern abgehobene Natur verfügt haben die auf auf exzellente Gene schließen lässt. Ein Mensch wie eine Lichtgestalt bei dem es uns nicht verwundern sollte, wenn ihn seine Stammesgenossen später auf ein höheren übernatürliches Podest stellen wollten. Kalkriese war der Grund dafür, dass Strabo nach dem Jahr 17 + noch einmal fest halten wollte, dass Arminius „immer noch“ kämpfte. Ich spielte zwar bereits mit dem Gedanken, dass Strabo in der Summe betrachtet, alle germanischen Kämpfe gegen Rom in dieser Zeit als Taten unter dem Kommando eines Arminius sah, obwohl dieser schon gar nicht mehr unbedingt selbst daran teil genommen haben musste. Aber er gibt uns doch den wichtigen Hinweis, dass in Germanien auch nach 16 + wo auch immer noch gegen Rom gekämpft wurde. Ich möchte diese denkbare Variante als eine weitere Erklärung für die Schlacht am Kalkrieser Berg vorschlagen bzw. nicht unerwähnt lassen. Wie beschrieben liegt es also auch im Rahmen des möglichen, dass es sich bei den Funden in der Niewedder Senke um das Lösegeld für die in germanischer Gefangenschaft befindlichen Römer gehandelt haben könnte. Denn ein Geldtransport weckt sicherlich zu allen Zeiten und unter allen die davon wussten lebhafte und heftige Begehrlichkeiten zumal der Zorn aus früheren Zeiten hier noch beflügelnd nach wirkte. Man könnte vielleicht den Streuwinkel und die darin gemachten Funde unter diesem Gesichtspunkt neu bewerten, denn der Marschzug wäre dieser Hypothese zufolge statt von Ost nach West von West nach Ost unterwegs gewesen. Man könnte so betrachtet vor allem in den nördlich von Kalkriese gemachten Münzfunden durchaus sichtbare Hinweise dafür erkennen, dass dort Germanen untereinander kämpften, denn den Legionären war hinreichend bekannt, dass es für sie in die nördlichen Richtungen keinen Fluchtweg gab, sondern nur Sumpf und Morast. Im Zuge der Auseinandersetzung erreichte dann ein Teil der Geldsumme auch nicht die ursprünglich angedachten germanischen Empfänger, sondern blieb 2000 Jahre im Erdreich bei Bramsche verborgen. Die Frage nach dem Verbleib der Geiseln muss hier zwangsläufig unbeantwortet bleiben. Laut Tacitus wurden diese von den Angrivariern an die Römer zurück gegeben. Man kann also annehmen das, wenn auch nicht alle in Freiheit gelangten, sich doch einige Schiffbrüchige an den Rhein retten konnten. Sich Gedanken hinzugeben, ob dies den gefangenen Legionären nur gelang, weil sie sich im Zuge der Auseinandersetzung bei Kalkriese selbst befreien konnten, sie befreit oder frei gesetzt wurden, oder ob Tacitus keine erneute römische Niederlage eingestehen wollte, oder es nicht besser wusste, würde zu weit führen und man kann es getrost dem freien Spiel der Spekulation überlassen. Man erkennt anhand dieses kurzen Denkanstoßes aber auch wie schnell der Boden einer vermeintlichen Objektivität unter unseren Füßen schwinden kann. Germanien hatte seine Eigenarten, war wie alle Großregionen ein Land der Widersprüche und ihre Bewohner waren unberechenbar wie es jeder Menschenschlag ist. Und fremde Kulturen die es gewohnt sind nach eigenen Gesetzmäßigkeiten zu urteilen, tun sich im Umgang mit Völkern immer schwer, die auf anderen Traditionen aufbauen. Wir erleben es in unseren Tagen, wie komplex es sich gestaltet, wenn wir europäische mit orientalischer Gesetzgebung verbinden wollen. Aber damit nicht genug, denn es ließe sich noch ein weiteres Argument anführen, womit sich neben dem Lösegeld auch ein Warenaustausch mit dem Ziel eines Gefangenenfreikaufes begründen ließe.Ein von der Universität Trier unter Berücksichtigung der Systematik einer gängigen zeitversetzten in Umlaufsetzung römischer Münzen erfolgter Abgleich der in Haltern gefundenen Münzen mit "VAR" Kennzeichnung mit den bei Kalkriese aus gegrabenen Münzen mit Varus Gegenstempel führte zu dem Ergebnis, dass diese einem zeitlichen Horizont zuzuordnen sind, der auf die Zeit nach der Varusschlacht hinweist. Darauf basiert die Feststellung, dass die Auseinandersetzung in Kalkriese sogar weit nach der Varuskatastrophe stattgefunden haben könnte. Möglicherweise also auch erst unter dem römischen Senator Corbulo in der ersten Hälfte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts.(01.02.2020)
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Freitag, 10. Januar 2020
„Kalkriese“ - Was sagen die Völkerkundler
ulrich leyhe, 14:00h
Welcher Geschichtsfreund bevorzugt nicht die harten Fakten und vernachlässigt dafür die weichen. In der Archäologie stehen daher zunächst einmal jene Funde am unteren Ende der Beliebtheitsskala, die sich einer handfesten zeitlichen Bestimmung entziehen und auch keine sichere Zugehörigkeit bzw. Zuordnung hinsichtlich Funktion oder Nutzung gestatten. Andererseits sind es aber gerade sie, die die Forschung besonders faszinieren, anspornen und inspirieren. Unsicherheit in Klarheit zu verwandeln ist das Ziel, denn sie könnten noch einiges verbergen, was sich bislang unseren Blicken entzog und was uns neue Erkenntnisse nicht nur versprechen sondern auch verschaffen könnte. Aber hier beschäftigen wir uns mit der Örtlichkeit um Kalkriese im ethnologisch geographischen Sinne. Das markante Wort „Kalkriese“ ist durch seine spektakulären Funde bereits zu einem internationalen Synonym und Begriff antiker deutscher Schlachtfelderforschung geworden. Aber es fehlt uns dazu nach wie vor das Wesentliche. Nämlich die fixe Jahreszahl, wann dort das möglicherweise legendäre Gefecht statt fand. Wüsste man es könnte man daraus weitere Schlüsse ziehen, ein neuer Kontext ließe sich erschließen, vieles wäre rekonstruierbar und eingebettet in die literarischen Fakten der antiken Historiker würde so manches plausibler werden. Aber wir vermissen eben den wichtigen zeitlichen Bezug und damit den härtesten aller Fakten um die Varusschlacht wie ich meine vom Nethegau ins Hasegau verlegen zu können. Folglich können wir auch keine tiefer gehenden und eindeutigen Schlüsse aus jenem Kampf ziehen, von dem uns nur die Bodenfunde offenbaren, dass dort einmal die Waffen ultimativ gegeneinander geschlagen wurden. Oftmals verläuft derartiges auch in die entgegen gesetzte Richtung. Dann wissen wir zwar von einem Ereignis, vermuten in groben Zügen auch die Örtlichkeit, kennen sogar den Grund der Auseinandersetzung, finden aber das dazugehörige Schlachtfeld nicht. Ein Beispiel dafür ist die weit aus größere Hunnenschlacht 451 + auf den katalaunischen Feldern. Hier haben wir es mit der umgekehrten Lage zu tun, indem wir von einer Schlacht wissen, aber das dazugehörige Schlachtfeld noch nicht gefunden haben. Im Falle dieses Blog Buches „Vom Sommerlager in den Untergang“, schwebt mir an Hand zahlreicher Hinweise und Theorien zwar der Verlauf und die Streckenführung des mehrtägigen Marschgefechtes in Ostwestfalen vor, aber die Funde bleiben aus. Wofür es allerdings auch gute Gründe gibt. Man kann sich nun aussuchen welches von beiden das Angenehmere ist. Ein Schlachtfeld mit Funden, dem der Kontext fehlt, oder ein Schlachtfeld ohne Funde, dafür aber mit Kontext. Doch zurück zu den Beweis kräftigeren, da sichtbaren Relikten, die man erst ergraben und frei pinseln musste. Abgesehen von den Bodenverfärbungen, kann man vereinfacht sagen, das alles was hart ist meist auch langlebig ist. Folglich besteht es aus Metall oder aus gesteinsartigen oder gesteinsbildenden Substanzen bzw. Mineralstoffen wie Glas, Porzellan aber auch Knochen. Während sich die weichere Biomasse schneller zersetzte und über die Jahrtausende verging oder sich verflüchtigte, kann sich Metall auch noch im verklumpten Zustand, genauso wie Knochen aber auch organisches Material bei optimalem ph-Wert länger im Boden erhalten. Daher kommt auch den noch in Spuren vorhandenen, weil daran anhaftenden Begleitelementen bei der zeitlichen Bestimmung des Objektes eine Bedeutung zu. Da uns zudem auch keine schriftlichen Zeugnisse darüber bekannt sind was dort passiert ist und was uns die Geschehnisse an jenem „Riesen aus Kalk“ erklären helfen könnte, bleibt es ein Buch an dem noch alle sieben Siegel so gut wie unbeschädigt sind. Die Vorgehensweise ist der Wissenschaft verpflichtet und die Archäologie muss es so handhaben. So sind zwar die Prioritäten gesetzt, aber viele andere und nicht weniger interessante Betrachtungsfelder bleiben leider zu oft auf der Strecke oder werden unterschwellig gesehen meines Erachtens zu wenig in die Deutung mit einbezogen. Den Begriff „Fakt“ was seine Zielrichtung anbelangt zu definieren wäre abendfüllend, ich möchte es daher vereinfachen. Wir haben also diese harten Fakten, sowie die weichen Fakten die noch auf ihre Deutung warten, aber auch noch die „butterweichen“ Fakten. Und sie verbergen sich hinter den Seelen der Spezies „Mensch“, also hinter unseres gleichen. Blättert man in den Büchern der älteren oder klassischen Literatur wird einem schnell bewusst, dass wir uns in den letzten 2000 Jahren und noch weit darüber hinaus im Wesen nicht grundlegend verändert haben. Es ist das Spiel der Ewigkeit. Tugenden waren immer schon Mangelware, aber auch der Zwang in Notlagen zusammen halten zu müssen sitzt tief und lässt die Menschen wieder auf sich zugehen. Wir kennen das. Diese kurz eingeschobenen Kapitel sollen aber einen vorsichtigen Beitrag dazu leisten in dem sie einen kleinen Teil dessen aufzeigen könnten, der uns verloren gehen kann, wenn wir unsere Gedanken in Bezug auf die Vorgeschichte und den möglichen Hergang der Schlacht bei Kalkriese nicht den freien Kräften unserer Visionen überlassen. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt formulierte es einmal sehr drastisch mit den Worten: "Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen", was zweifellos wie ein abfälliges Totschlagargument gegen das Intuitive und das Vorstellungsvermögen aller Visionisten unserer Zeit klingt. Er mag vielleicht Recht gehabt haben, aber hier sind ausnahmsweise einmal nicht jene für gewöhnlich in die Zukunft gerichteten Visionen gemeint. Hier geht es darum unseren Blick zurück in die ferne Vergangenheit zu werfen. Die Zeit aus der wir kommen und nicht die, wo wir hingehen möchten. Denn auch das ist Vision. Da ein Lichtstrahl ebenso schnell vergeht wie er in dem kurzen Moment auch sehr erhellend wirken kann, müssen wir uns auch dafür einen offenen Geist bewahren. Am Anfang sah doch alles so einfach aus, denn nichts war robuster als die scheinbar harten Fakten die uns die im 19. Jahrhundert bei Barenau entdeckten und später verschollenen augusteischen Münzschätze versprachen. Man brauchte also nur an Theodor Mommsen und andere seiner Zeitgeister fest glauben und schon konnte der „Fall Varusschlacht“ zu den Akten gelegt werden. Aber das Gläubige vertrug sich noch nie mit dem Forschenden und erst recht nicht mit dem Wissenden. Aber derzeit steckt eben genau dieser forschende Aspekt etwas in einer Sackgasse fest. Und zu allem Überfluss schwindet nun auch noch der Glaube daran, in Kalkriese jemals auf das zu stoßen, was uns eine dauerhafte Gewissheit garantiert. Wir hätten es sozusagen mit einem doppelten Dilemma zu tun, wenn uns nicht noch die Hoffnung bleiben würde. Aber wonach suchen wir eigentlich in Kalkriese. Letztlich wünschen wir uns doch ein menschliches Skelett zu finden, das alles enthält wonach uns der Sinn steht. Dieses Skelett eines Verstorbenen hätte zweierlei Bedingungen zu erfüllen. Es muss zweifelsfrei von einem Menschen stammen der einmal bei einer der drei unter gegangenen Varuslegionen gedient hat also ihnen zugeordnet werden kann. Keinem Auxiliarkelten oder Germanen und auch keinem freien also gegnerischen Germanen. Und man müsste dann an ihm noch militärisch also gattungsbezogene Identifikationsmerkmale folglich Ausrüstungsteile gleich welcher Art ausfindig machen können. Eine Kennung zum Beispiel für die „LEG XIX COH II“ zu finden wäre also das Mindeste bzw. das ultimative Muss. Noch besser wäre vielleicht der Fund eines Signaculum, dass man in diesen Zeiten in einem Lederbeutel um den Hals trug. Ein reizvolles Objekt, das ein Germane allerdings als begehrte Trophäe schnell an sich genommen hätte und wohl auch hat. Damit wäre man schon einen großen Schritt weiter. Aber damit nicht genug, denn diesem Skelett müsste man zudem auch noch DNA fähige Bestandteile wie etwa Knochenmark entnehmen können, womit sich der Todeszeitpunkt zurück verfolgen ließe. Und dieser Zeitpunkt muss darüberhinaus noch eine jahresgenaue Zuordnung erlauben. Dann noch einen auswertbaren Baumstamm mit Jahresringen in seiner unmittelbaren Nähe zu finden mit dem sich dann tunlichst alles noch auf den Herbst des Jahres 9 + datieren ließe und wir hätten das Ziel erreicht. Denn dann erst wüssten wir genau, dass das Gefecht auch im Zusammenhang mit der Varusschlacht stand oder die Varusschlacht war. Ein ideales Zusammentreffen vieler Träume, das wohl nie in Erfüllung gehen dürfte. In der Folge würden uns schon DNA fähige Substanzen, gleich wo wir sie fänden erfreuen, Hauptsache sie ließen sich dem Herbst 9 + zuordnen. Aber dann würde uns möglicherweise wieder der Bezug zu einer Varus Legion fehlen und es ginge nur der halbe Traum in Erfüllung. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als das stete Sammeln jeglicher Indizien gleich wo sie sich finden lassen, munter fort zu setzen. Ein Schauprozess würde sich auf diese Weise in einen Indizienprozess verwandeln und was für das Gefecht bei Kalkriese gilt, träfe auch auf die Varusschlacht im Nethegau zu. Was uns aber bei der „Nethegau – Theorie“ entgegen kommt ist der schlüssige Gesamtkontext, den man in Kalkriese selbst beim besten Willen nicht erkennen kann. Aber bei aller Tristesse, denn ohne sich entmutigen zu lassen, sollte doch sowohl die Suche als auch das Kombinieren und Jonglieren in alle Richtungen unvermindert weiter gehen. Vielleicht sind neue Formen der Herangehensweise gefragt, wobei aber der Mensch der damaligen Zeit immer im Mittelpunkt zu stehen hat. Ohne über die für die Forschung nötigen Geldmittel zu philosophieren gehört zu alledem das permanente Aufgreifen neuer Ideen auch Brainstorming genannt, die Schlachtenanalytik also das Profiling, die übersichtliche Gestaltung via Flipchart, oder das Ordnen und Vernetzen von Fragen auch Clustering genannt um zumindest unser theoretisches Wissen zu bündeln. Eben das ganze Spektrum der Kreativtechnik. All dies scheint in Kalkriese bislang zu kurz gekommen zu sein. Daraus entwickelte sich ein Manko, aus dem wegen einer zu frühen Festlegung ein Versäumnis wurde, das aufgrund einer zu stark fund - archäologisch orientierten und darauf fixierten Fachwelt eine zu lastige Ausrichtung erfuhr. Viele kleine und größere Schlachtfeldfunde füllen inzwischen die Vitrinen und Ausstellungsräume des Kalkrieser Museums, aber man wähnt sich nach 32 Jahren Entdeckungsgeschichte als auch Tony Clunn auf die ersten augusteischen Münzen stieß, immer noch wie am Anfang. Was meine Hypothese zum Verlauf der Varusschlacht, also „Vom Sommerlager in den Untergang“ anbelangt, so möchte ich daran nicht rütteln, da zu viele Fakten für die „Nethegau – Theorie“ sprechen. Aber alle diskutierten Alternativen dazu völlig auszublenden wäre natürlich töricht und unentschuldbar zugleich. Diesen Vorwurf möchte man sich nicht einhandeln. Über ein immer noch, wenn auch in die Ferne gerücktes denkbares Varus orientiertes Schlachtenszenario an anderer Stelle den frühen Stab der Unmöglichkeit zu brechen griffe genauso zu kurz, wie die statt gefundene zu schnelle Festlegung. Man muss sich also auch die Freiheit nehmen den Versuch zu wagen anderen Thesen auf den Grund zu gehen um auch dort nach möglichen Alternativen Ausschau zu halten. Und dazu gehören natürlich auch andere mögliche Ereignisstätten im Großraum NRW/Niedersachsen. In Kalkriese lassen sie sich anhand von Funden ausmachen und man stellt sie zur Diskussion. Soweit mein Plädoyer für eine offene Strategie der Forschungslandschaft die unter der einstigen Vorgehensweise etwas gelitten hat. Aber der Frust darüber, dass zu befürchten ist, dass die Funde nie für eine klärende Endaussage reichen werden wiegt mehr und scheint derzeit unübersehbar den Optimismus etwas einzudämmen. Denn einmal in Erklärungsnöte geraten sieht man gerne den Wald vor lauter Römern, pardon Bäumen nicht mehr. In diesem Abschnitt möchte ich daher das ungeliebte Kapitel der unabwägbaren Gegebenheiten, also das der Imponderabilien breiter aufschlagen um das Interesse an neuen Überlegungen und eben auch Visionen zu wecken. So war es im Ringen um die beweissicheren Argumente immer schon ein wesentlicher Bestandteil meiner Methodik und des Aufbaus dieses „Blog – Buches“ mehrere Sichtweisen die auch gegen- und wechselseitig, also in sich konträr wirken dürfen anzustrengen, um sie parallel zu bewerten, damit man sich daraus resultierend einer möglichen Lösung im Sinne einer Indizienverdichtung besser annähern kann. So ging man zum Beispiel sehr wenig bis gar nicht einer, mit der Schlacht sehr eng verbundenen Frage nach. Nämlich der, in welchem germanischen Stammesgebiet sich die Schlacht am Kalkrieser Berg überhaupt zutrug. So sollte es doch Grundpfeiler jeglicher Herangehensweise sein, sich zuerst einmal eine Vorstellung darüber zu machen, wer denn das Land überhaupt besaß und es damals besiedelt hatte, von dem alle Welt spricht, wenn von der vermeintlichen Varusschlacht am Kalkrieser Berg die Rede ist. Und man sollte folglich der Frage nachgehen, wie es auch das alte Wort „angestammt“ so schön zum Ausdruck bringt, welcher Stamm also dort sein angestammtes Hausrecht ausgeübt haben könnte. So ist es doch naturgemäß nahe liegend, dass auch diese Germanen um deren Grund und Boden es letztlich gegangen ist und auf deren Scholle sich das Gefecht vollzog, noch vor allen anderen in den Verdacht geraten müssten, auch daran beteiligt gewesen zu sein. Von den dortigen Geschehnissen gleich welcher Art sie waren, sie müssen unmittelbar davon betroffen gewesen sein, denn es berührte und beeinflusste ihre Lebensbedingungen. Und sie wären es auch gewesen, die nach römischer Denkweise das erste Opfer einer späteren Vergeltungsaktion geworden wären, da sie dem Schlachtengelände als der nächst liegende Germanenstamm anwohnten. In der Regel sollte man auch davon ausgehen, dass in Friedenszeiten und die Jahre 17 + und 18 + könnte man bereits als solche einstufen können, größere Zugbewegungen zuvor mit den ansässigen Völkern abgestimmt und sich ein Wegerecht gesichert wurde. Die römische Kavallerie imposant im Aussehen, sollte also Sondierungsritte angestrengt haben auch um den Wegezustand zu erkunden, sie dürften aber auch Kontakte zu den Anwohnern aufgenommen haben. Genau diese Dinge eben, die man damals auch von Varus erwartet hätte, die er aber wohl unterließ. Ließe sich die Varusschlacht mit dem Gefecht bei Kalkriese vergleichen, würde man sich auch hier die Frage stellen, ob man dem Lösegeldkonvoi nicht auch eine Warnung vor einer möglichen Gefahr zu kommen ließ, wie es einst auch angeblich Segestes Varus gegenüber getan haben soll. Diese Hypothese würde allerdings in einen Wust von Szenarien münden und man sollte sich nicht darin vertiefen. Ob der Lösegeldkonvoi der zu den Angrivariern unterwegs war also in ähnlicher Weise nichts ahnend in seinen Untergang zog, lässt man also tunlichst offen. Da ein Sieger keine Werte auf dem Schlachtfeld zurück lässt, kann man davon ausgehen, dass der Punktsieg von Kalkriese eindeutig an die Adresse der Germanen ging. Bei etwas veränderten Vorzeichen ließe sich hinter dem Gefecht bei Kalkriese auch der kleine Bruder der Varusschlacht erkennen, denn auch hier könnte die Reihenfolge „Überfall folgt auf Hinterhalt“ gestimmt haben. Die Niewedder Senke befand sich, da sie am nördlichen Rand des Wiehengebirges lag, im ureigenen Siedlungsgebiet der dort ansässigen „Sumpfland“ Germanen. Dort, wo diese ihre Tiere züchteten und ihre Plaggenäcker bestellten, es war eben ihr Land, dass sie sich vielleicht sogar einst erkämpften oder das sie sich von der Natur abtrotzen und urbar machen mussten. Waren es noch dazu militärische Ereignisse und als solches könnte man auch den Lösegeldtransport ansprechen, so musste auch ihre besondere Wachsamkeit geweckt worden sein. Ob es sich also um den durch ziehenden Marschzug eines feindlichen Volkes, oder um die Handlungen eines befreundetes Stammes handelte, war zunächst mal nebensächlich, denn das Gebiet hatte schon einen Eigentümer der in Kenntnis gesetzt sein und der gefragt werden wollte. Man durchstreifte grundsätzlich und zu keiner Zeit Waffen tragend, hoch zu Ross und ohne vorherige Abstimmung fremde Ländereien und darin wird man vor 2000 Jahren genauso kleinlich gewesen sein, wie heute, wo bereits Luftraumverletzungen diplomatische Verstimmung auslösen können. Es sei denn man konnte sich dank kraftstrotzender römischer Dominanz immer noch nach alter imperialer Gepflogenheit und in gewohnt überheblicher Manier darüber hinweg setzen. Moore, Bannwälder, geologische Landmarken oder Gebirgskämme waren in jener Zeit die von der Natur seit uralten Zeiten gesetzten und vor gegebenen Grenzen der Stämme untereinander. Und auch wenn ein besonders fruchtbarer Landstrich immer umkämpft war, so musste man sich doch irgendwann einmal verständigt haben um sich zu arrangieren. Aber in den Niederungen waren es die Flussläufe mit ihren weitläufigen sumpfigen Einzugsgebieten und den verzweigten Altarmen, denen die größere Bedeutung bei der Grenzregelung und Findung zu kam. Je breiter und unüberwindlicher und unzugänglicher diese Landschaften waren, um so stärker und komplexer machte sich ihre trennende Wirkung bemerkbar. Im Betrachtungsraum sind dies vor allem die Flüsse Weser und Ems mit ihren Verästelungen. Aber den beiden kleineren dazwischen liegenden und langsam fließenden Flachlandflüssen Hunte und Hase gehört unsere Aufmerksamkeit, denn auch sie dürften für die Ziehung der Stammesgrenzen mit maßgebend gewesen sein. Und wie wir wissen konnten es sogar schon kleine Bäche sein, denen eine wichtige „deilende“ Funktion zukam, so wie etwa der von Süden nach Norden fließende Deilbach nördlich von Wuppertal und der in die Ruhr entwässert. Der einst das Rheinland von Westfalen, aber auch mal Franken von Sachsen und möglicherweise auch schon Römer von Germanen trennte und heutzutage ein beliebtes Naherholungsgebiet ist. Da man den einen der beiden Flüsse, die Hunte als den westlichen Grenzfluss eines angrivarischen Siedlungsgebietes einstufen könnte, die Ems aber in diesem Abschnitt bereits zum Stammesgebiet der Ampsivarier gezählt wird, galt es die Besiedelungszonen im Winkel zwischen Hunte, Hase und Ems stammeshistorisch zu definieren. Da die Hase nur etwa acht Kilometer nordwestlich an Kalkriese vorbei fließt wird aus linguistischen Gründen angenommen, dass sich in diesem Raum einst die Wohngebiete der germanischen Chasuarier befanden und wenn genetisch nachweisbar auch heute noch deren Nachkommen. Einem Stamm dem man schon oder immer noch seinen unmittelbaren namentlichen Bezug zum Flüsschen Hase entnehmen kann. Ein germanischer Stammesname der uns auch in der Schreibweise Chasuaren, Hasuaren, Hasuarier und auf der verzerrten Karte des Claudius Ptolemäus als Casuary begegnet. Aber auch ein Name der sich in zwei Bestandteile zerlegen lässt. Dem Namensbestandteil „Warier“ begegnen wir häufiger. Es umfasst den gesamten Stamm, so wie es auch im Namen der Angrivarier oder der Ampsivarier zum Ausdruck kommt. So wurden bei der Namensfindung eines Stammes oftmals Bezüge hergestellt die sich an einen Fluß anlehnen, der durch ihr Siedlungsgebiet fließt. In etwa im Sinne von, die Leute an der Ems oder die von der Hase. Die Chasuarier der in der dortigen Region siedelnde Germanenstamm wurde wie der der Angrivarier auch nicht im Zusammenhang mit den Rachefeldzügen des Germanicus erwähnt. Auch römische Vergeltungskämpfe unter Germanicus gegen die Ampsivarier sind nicht bekannt geworden. Im Gegensatz zu den „nach varianischen“ Rachefeldzügen unter Germanicus gegen Chatten, Cherusker, Marser und Brukterer sind uns aus der Region nördlich des Kalkrieser Berges folglich keine zornigen Strafmaßnahmen des Imperiums, also Aktionen gegen die Stämme aus der Gegend um den Kalkrieser Berg dokumentiert. Als ein vereinfachtes Fazit könnte man also auch sagen, dass keine Varusschlacht am Kalkrieser Berg statt fand, da von Germanicus gegen die dortigen Stämme keine Rachefeldzüge bekannt geworden sind. Und die dortigen Stämme sind auch nicht als kriegerische Bündnispartner des Imperiums schriftlich in Erscheinung getreten. Lediglich die Episode um Arminius und den Ampsivarier Boiocalus lässt noch rätseln, wie weit die Spaltung dieses Stammes in Rom treu und Arminius treu gegangen sein könnte. Aber in diesem Zusammenhang gibt es noch einen weiteren Aspekt, auf den ich noch in einem anderen Kapitel eingehen werde. Die Siedlungsgebiete der besagten Chasuarier befanden sich also nicht in der völlig unerreichbaren Abgeschiedenheit der ausgedehnten norddeutschen Marsch- und Moorlandschaften, sondern säumten eine dort verlaufende und sicherlich häufig genutzte und sehr wichtige prähistorische Heer- und Handelsstraße und standen dadurch sozusagen unmittelbar mit dem tagesaktuellen Zivilisationsgeschehen in Verbindung. Vom einfachen Viehtrieb bis hin zum Transport von Handelsgütern als auch den Militärzügen müsste für sie das für damalige Verhältnisse quirlige Treiben ein gewohnter Anblick gewesen sein. Sie waren die Anrainer jener Verkehrsachse und betrachteten sich indirekt oder gewissermaßen vielleicht auch als die Bewacher, Herren oder Beschützer dieser bedeutsamen Lebensader, soweit sie ihr Siedlungsgebiet tangierte. Ihr Schicksal war eng damit verbunden und sie entschieden letztlich auch welchen Verlauf die Straße nahm oder nehmen sollte, konnten ihn daher auch geschickt beeinflussen, stellten aber nach Regen oder Frostphasen möglicherweise auch die Begehbarkeit wieder her und konnten diese dann aus taktischen Gründen bei Bedarf natürlich jederzeit auch behindern, also sperren und unterbrechen. Die Straße verlieh ihnen Macht und Einfluss den sie beim Warenverkehr nutzen konnten. Sie wachten als die Herrscher über den Kalkrieser Pass und diese Lage brachte sie in eine sensible aber damit verbunden auch verwundbare Position zugleich. (10.01.2020)
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