Dienstag, 24. März 2020
Strabo - Der Mann der uns mit wenigen Worten viele Antworten gibt
Seine Vorgänger Ovid und Manilius schrieben ihres in einer Zeit nieder als Augustus der bis 14 + lebte noch Kaiser war. Aber Strabo schrieb schon unter seinem Nachfolger Kaiser Tiberius und er berichtete uns Interessantes über den Triumphzug der für den Feldherrn Germanicus am 26.5.0017 ausgerichtet wurde. Er berichtete also in einer Zeit bzw. unmittelbar aus einer Zeit heraus in der Germanicus seine militärischen Aktivitäten in Germanien sozusagen gerade erst beendet hatte bzw. beenden musste. Tiberius war für das Kriegsende verantwortlich, denn es war seine Entscheidung das Kämpfen zu beenden. Er vollzog diesen gewichtigen Schwenk in der Germanenpolitik, die vielleicht aus pazifistischer Sicht betrachtet die am weitest reichende Entscheidung war, die das Imperium je in Germanien getroffen hat. Sie führte auch dazu, dass Tiberius zukünftig auf einen offensiven Feldherrn in Germanien wie Germanicus es einer war, verzichten konnte. Tiberius hatte als Kaiser seinem Neffen Germanicus, dem Sohn seines Bruders Drusus zuvor drei Jahre lang bei seinem Treiben in Germanien zugesehen.Tiberius selbst kannte Germanien und seine Bewohner wie kaum ein anderer und er traf seine Entscheidung aus dieser Kenntnis und Erfahrung heraus. Die Karriere von Germanicus war vorgezeichnet, denn Kaiser Augustus hatte ihn als Nachfolger von Tiberius bereits zu Lebzeiten vorbestimmt. Man nimmt allgemein an, dass Germanicus Ambitionen hatte, die Nachfolge von Tiberius antreten zu wollen, bevor dieser es zulassen wollte, was wohl keiner weiteren Verdeutlichung bedarf. Wäre ihm ein umfassender Sieg in Germanien gelungen hätten ihn seine Legionen dabei möglicherweise unterstützt. Das Schema wäre für Rom nicht neu gewesen. Erfolgreiches eigenes agieren vielleicht in Verbindung mit fehlerhaftem Verhalten bei Tiberius und möglichen Widersachern in Rom hätte es beschleunigen können. Aber Tiberius zeigte unerwartete Stärke in Verbindung mit geschickter Taktik, präsentierte sich als Staatsmann und band damit Germanicus die Hände. Hätte Germanicus, wie es viele sehen wollten und manche erhofften auch noch nach 16 + in Germanien weiter kämpfen dürfen und das möglicherweise sogar letztlich siegreich, wäre in ihm für Tiberius möglicherweise ein potenzieller Rivale heran gewachsen, was nicht in seinem Sinne war. Man kann es bei Herrschenden oft beobachten, dass diese ungern im Volk beliebte Charismatiker über längere Zeit neben sich dulden und Germanicus soll einer von jenen gewesen sein. Aber als Kaiser hatte Tiberius Handlungsfreiheit, er beendete die fruchtlosen Bemühungen von Germanicus was sich mit seiner Erfolglosigkeit und dem hohen militärischen Aufwand gut begründen ließ. Er stellte die Grenzsicherung in den Vordergrund und gab ihr den absoluten Vorrang. Eine respektable und anerkennenswerte Entscheidung mit der er sich als Friedensstifter in die Tradition von Kaiser Augustus einreihte und sich beim Volk Ansehen verschaffte. Er schwächte damit den Nimbus von Germanicus in dem er ihn abberief, ebnete ihm aber gleichsam gönnerhaft den Weg für einen glorreichen Empfang in Rom. Aber die Ziele die sich Germanicus in Germanien gesetzt hatte und möglicherweise auch die, die er im Imperium verfolgt haben könnte, wurden von Tiberius durchkreuzt. Insgesamt betrachtet ein äußerst guter politischer Schachzug. Denn als neuer Kaiser hatte Tiberius staatsmännischer zu denken und andere Dinge ins Visier zu nehmen als weiterhin zermürbende Schlachten in einem endlosen Sumpf- und Waldland zu führen. Aber nach alledem was Germanicus letztlich für die Reputation des Reiches geleistet hatte, sollte man doch zu dem Schluss gelangen, dass man ihm trotz magerer Ausbeute einen Triumphzug zugestehen musste und ihn als gerechtfertigt ansehen könnte. Aber auch der schöne Schein wollte in Rom gewahrt sein und so scheute man wohl weder Kosten noch Aufwand damit der Triumphzug für alle sichtbar zu einem lebhaften und unvergesslichen Großereignis werden konnte. Auch Strabo muss es berührt haben. Obwohl er uns als ein aufmerksamer und gewissenhafter Mensch erscheint, wird der Triumphzug auch an ihm nicht spurlos, heute würde man sagen emotionslos vorüber gegangen sein. So hinterließ er sicherlich auch bei ihm einen bleibenden Eindruck und er dürfte noch seine Zeit gebraucht haben, bis er alle seine Wahrnehmungen gedanklich verarbeitet hatte. Es musste sich in ihm erst alles gesetzt haben bis er zur Feder greifen konnte. Ob man es aus seinen Zeilen heraus lesen kann ist schwer zu sagen. Aber im Gegensatz zu Ovid schrieb Strabo aus anderen Beweggründen heraus und er war daran interessiert einer ausgewogenen Sachlichkeit den Vortritt zu lassen. Es wird erkennbar, dass bei ihm das Bedürfnis stark war Fakten vermitteln zu wollen. Die distanzierte Nüchternheit eines Geographen und Historikers stand im deutlichen Kontrast zu einem entrückten römischen Dichter und Poeten. Strabo war ein Historiker wie man ihn sich wünscht. Er nannte viele der auftretenden Personen beim Namen, er setzte mit dem 26.5.0017 ein fixes Datum und er stellte klar, dass Arminius jetzt immer noch Krieg führen würde. Aber mit der exakten Alterfestlegung des kleinen Thumelicus erwies er uns einen weiteren großen Dienst. Denn präziser ließ sich das Wesentliche dieses denkwürdigen Tages kaum zusammen fassen. Strabo musste sich Notizen gemacht haben, denn auch die germanischen Namen und ihre Schreibweise ließen sich für ihn nicht leicht im Gedächtnis behalten. Wir kennen aus der Zeit namentlich keine zweisprachigen Germanen und sind auf Spekulationen angewiesen. Germanen dürften und das erst recht im eigenen Lande, vielleicht eine geringe Oberschicht ausgenommen des Schreibens unkundig gewesen sein. So der allgemeine Wissensstand. Aber in Rom könnte es gebildete Germaninnen oder Germanen gegeben haben die die Gefangenschaft und Sklaverei hinter sich lassen konnten und denen einen sozialer Aufstieg vergönnt war. Sie könnten auch eine sprachliche Vermittlerfunktion ausgeübt und übernommen haben. Strabo musste die Namen der germanischen Häupter also nicht unbedingt über ihren Klang verschriftet haben. Er hätte sie aber auch erst in der Folgezeit nach Befragen weiterer Personen, also von anderer Seite her erfahren haben können und schrieb sie entsprechend später für die interessierte Nachwelt nieder. Sein Hang fixe zeitliche Bezüge zu hinterlassen was den noch jetzt Krieg führenden Arminius, den genauen Tag des Triumphzuges, sowie das exakte Alter des Thumelicus, aber auch die vielen Namensnennungen anbelangt lassen den Schluss zu, dass er einige Fakten erst noch selbst zeitversetzt nach recherchieren musste. Er sie also keinesfalls schon am 26.5.0017, oder kurze Zeit danach alle hätte zusammen getragen haben können. Ließe sich daraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass Strabo seinen gesamten Wissenstand den er unmittelbar nach dem 26.5.0017 noch nicht besessen haben dürfte erst nach und nach komplettiert haben könnte. Möglicherweise erfuhr er vieles erst Monate nach dem 26.5.0017 und vielleicht sogar erst im Jahre 18 +. Zum Beispiel, dass Arminius immer noch kämpfen würde. Und ähnlich verhielt es sich auch mit seinem Kenntnisstand über das Alter des Thumelicus. Aber bei der Aufarbeitung gilt es natürlich eines zu bedenken. Das nämlich ein Arminius, der nach Strabo selbst „jetzt“ noch gekämpft hatte, es theoretisch auch noch im Jahre 18 + und natürlich noch darüber hinaus und sogar bis zu seinem Tode gegen seinen Erzfeind Rom getan haben könnte. Denn es ist kaum vorstellbar das Arminius, sollte er sich noch körperlich dazu imstande gesehen haben ein Mann war, der sein Schwert an der Wand verrosten lässt, nur weil es in die Strategie von Tiberius passte. Aber wie ging es mit Segestes weiter. Da man im römischen Machtzentrum aus politischen Gründen und Kalkül die Darstellung von Segestes im Jahre 17 + gerne teilte, war es auch der Wille der Obrigkeit seine Version zu akzeptieren und nicht opportun am Wahrheitsgehalt zu zweifeln. Die Staatsraison gab den Ton vor, dass Segestes damals alles in seiner Macht stehende getan hatte, um Varus die Niederlage zu ersparen aber seine Rufe leider ungehört verhallten. Sollte Strabo doch schon mehr gewusst und daran gezweifelt haben, so dürfte er aus taktischen Gründen bei dieser Gemengelage auch gut beraten gewesen sein, das Kapitel „Segestes“ völlig auszuklammern und nur vom Treuebruch der Cherusker zu sprechen. Es sind also mehrere Varianten denkbar, wenn man nach Erklärungen sucht, warum Strabo diese Details in seiner Niederschrift aus ließ. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass Strabo nicht wusste was Segestes auf Befragen in Rom verlauten ließ. Erst die Historiker die auf Strabo folgten waren da mitteilsamer, ihnen standen die Quellen offen und sie konnten auf den Wissensstand aus dem Munde von Segestes zurück greifen. Und das taten sie. Alle schenkten sie seinen Worten uneingeschränkten Glauben. Das überaus große Interesse und eine seltsame Form von ungewöhnlicher Aufmerksamkeit mit der sich die vier Historiker die über Segestes berichteten seinen Ausführungen widmeten wirft natürlich weitere Fragen auf, mit denen ich mich der Reihe nach noch beschäftigen möchte. Gemeint sind Paterculus, Tacitus, Florus und Dio die sich alle über Segestes äußerten. Aber die wie ich meine Notlügen des Segestes passten auch noch Jahrhunderte später gut in die politische Landschaft und fanden Platz in den Seelen der Menschen eines gedemütigten Imperiums. Und so verbreiteten sie sich wie von selbst von Generation zu Generation und wurde immer glaubhafter. Die Geschichten um einen Mann, der sogar sein eigenes Volk für Rom verriet. Aber wir wissen auch wie man in Rom wirklich über Segestes dachte. Denn nach Plutarch drückte es einst auch Kaiser Augustus mit den Worten aus. „Ich liebe den Verrat, aber Verräter lobe ich nicht“. Somit war Strabo der Reihenfolge nach der dritte Varusschlacht – Bezeuger noch der Mann, der völlig unbedarft, ob wissentlich oder ahnungslos zwischen die Stühle des damaligen Kenntnisstandes geriet und zum letzten Historiker einer Ära wurde, die das von Segestes gesagte nicht verwertete. Damit schließt sich der Kreis der Argumentation und lässt den Rückschluss zu, dass erst mit dem Eintreffen von Segestes in Rom auch neues Wissen zur Varusschlacht in die Palatinischen Bibliotheken Eingang fand. Strabo war im Mai 17 + ein Passant der dem Triumphzug zusah, wie er an ihm vorbei zelebrierte. Ein Römer dem es so erging wie vielen anderen auch die von der Neugier getrieben dabei war. Es war vielleicht auch nur der pure Zufall, dass er in diesem Moment am Puls der Zeit verweilte. Aber er war auch Forscher, war allen neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen und sah sich an diesem Tag zum Geschichtsmensch berufen, der die quirlig nach oben gespülten Neuigkeiten aufarbeiten aber auch hinterfragen wollte. Mit dem bloßen Zuschauen wollte er es nicht bewenden lassen. Obwohl sein eigentliches Metier die Geographie war spürte er doch das Besondere dieses ereignisreichen Tages. Ich vertrete daher die Ansicht, dass er damals keinen Quellenzugang in die Interna der damaligen palatinischen Schaltzentrale hatte bzw. ihm dieser Einblick nicht gewährt wurde. Zugang in die Akten dessen was Segestes als seine Überlebenstaktik ausspielte. Strabo wusste zum Zeitpunkt seiner Niederschrift nicht, dass Segestes dem Tribunal gegenüber nur vorgetäuscht hatte für Rom seinen eigenen Stamm an Varus verraten zu haben. So konnte Strabo Varus auch kein Fehlverhalten unterstellen, denn Varus brauchte keine Warnung von Segestes in den Wind schlagen bzw. ignorieren, da es sie nie gegeben hat. Aber erwarten wir an dieser Stelle auch nicht zu viel an Detailkenntnissen von Strabo als die, die er uns schon erfreulicherweise hinterlassen hatte. Segestes sah übrigens kein Risiko darin im Verhörraum alles auf eine Karte zu setzen. Er konnte es sich erlauben. Denn in Rom hatte er keine unliebsamen Mitwisser oder Zeugen zu fürchten, da alle vom „Teutoburgiensi Saltu“ acht Jahre zuvor verschluckt wurden. Aber Segestes sah sich gezwungen bei der Befragung überzeugend wirken zu müssen. Er musste sich förmlich ereifert und hinein gesteigert haben, um mit dem berühmten Brustton der Überzeugung vorgeben zu können, damals sein Bestes gegeben zu haben um Varus und das sogar noch am Vorabend vor dem Verlassen des Hauptlagers gewarnt zu haben. Der „treue“ Segestes, dem es gelang und das sogar noch zu seinen Lebzeiten in Rom gefeiert zu werden, vor allem aber schaffte er es zu überleben. Obwohl als Verräter unbeliebt, baute man Segestes im propagandistischen Sinne für die Nachwelt auf. Und die Welt der Historie hatte später keine andere Wahl, als es so zu übernehmen. Letztlich aber setzte Segestes sich seine Krone selbst auf in dem er sich mangels anderer Zeitzeugen die es besser gewusst hätten, zum Bewahrer der römischen Interessen in Germanien aufschwang. Er täuschte allen eine Heldenfigur vor und die Tür zum römischen Olymp blieb ihm nur verschlossen, da er unbegreiflicherweise auf einen scheinbar unbelehrbaren und stoischen Varus stieß. Aus römischer Sicht schrammte er damit nur knapp an der Unsterblichkeit vorbei. Gleich wie man es nennen oder bewerten möchte, aber so könnte die Methode Segestes, nämlich die eines nur vorgespielten bzw. vorgetäuschten Verrates funktioniert und Eingang in die Geschichtsbücher gefunden haben. Eine Warnung die alle Geschichtsbücher bewahrten, die aber nie das Licht der Realität erblickte. Letztlich machte aber Segestes auch nichts anderes als es Ovid in seiner misslichen tristen Lage und viele andere auch taten. Denn man handelte wohl damals wie heute auch immer noch in erster Linie im eigenen Interesse, vor allem wenn es um Leib und Leben ging. Und wem von beiden wollte man dies aus menschlicher Sicht betrachtet auch verdenken. Keine Stimme wurde in Rom laut, die ihn als einen Verräter an seinem eigenen germanischen Volk verteufelt hätte. Man sah in ihm einen Sympathieträger und ein im Einvernehmen mit Rom handelndes Werkzeug. Alles andere hätte nach einer Zuneigung für Arminius, die Germanen also den Feind klingen müssen. Erst Tacitus war der Historiker der sich nach dem viele Jahre vergangen waren wagte, Arminius als den Retter Germaniens zu bezeichnen und dem Feind von damals Achtung zu zollen. Aber so kurz nach dem Debakel im Saltus wandelte man schnell auf dem schmalen Grad eines Landesverräters, wollte man etwas anderes behaupten. Alles passte damals ausgezeichnet in die Sicht der Dinge und warum sollte man das Volk in der Folgezeit auch etwas anderes glauben lassen als das, was ihnen plausibel und glaubhaft erschien. All das erhob den Germanen Segestes in den Rang einer besonderen Person, die sich in Rom in diesen Tagen von allen übrigen Germanen ab hob. Aber auch noch eine anderer Blickwinkel ist vonnöten, möchte man nichts auslassen. Denn was wäre die Kehrseite all dessen gewesen, denn dann hätte alles völlig anders ausgesehen. Segestes hätte also sein eigenes Volk nicht verraten, hätte vor dem Tribunal nicht gelogen, also nicht zur Notlüge gegriffen um seine eigene Haut zu retten bzw. sich besser aus der Affäre zu ziehen. Wie hätten wir Segestes vor diesem Hintergrund dann zu werten und zu begreifen gehabt. Etwa als einen Mann der trotz erheblicher Skrupel an der richtigen Handlungsweise seines eigenen Volkes dann letztlich doch zu ihm stand, weil er beim Thing überstimmt wurde, er sich zu seinem Volk hingezogen fühlte, sich von seinen Stammesgenossen überzeugen ließ und sich dann in den Krieg gegen Rom aber gegen seine inneren Überzeugungen hätte hinein ziehen lassen. Er hätte somit oberflächlich zwar treu zur germanischen Sache gestanden und hätte sich auch von Seiten seiner Landsleute nichts vorwerfen lassen brauchen, wäre dann aber wiederum in Rom verharmlost ausgedrückt, nicht gut gelitten gewesen. Aber er begab sich in die Hände von Germanicus nichts ahnend, dass in diese Entscheidung einmal nach Rom führen würde. Damals im Jahre 15 + wuchs auch für ihn und besonders für seine schwangere Tochter die Gefahr gemeinsam mit dem Helden Arminius untergehen zu müssen. Denn Rom und Germanicus sinnte nach Rache und in Germanien wusste man, was dies bedeutete und diese Rache hätte dann auch ihn und seine Anverwandten in den Tod reißen können. Den Fürsten Segestes der damals doch nicht so römerfreundlich handelte wie man dachte, denn er wechselte noch rechtzeitig ins Lager Roms über um vielleicht am Tag X Arminius beerben zu können. So könnte es gewesen sein, denn nur so ließe es sich erklären, dass die gegnerischen Germanen den Fürsten Segestes in all den vielen Jahren nach dem Ende der Varusschlacht bis ins Jahr 15 + in Ostwestfalen unbehelligt ließen und man ihm nichts antat. Segestes war nicht zu beneiden. Hätte er damals in Rom Standhaftigkeit gezeigt, wie wäre es ihm ergangen. Es hätte für ihn viel Mut bedurft um zu seinem wahren Verhalten zu stehen. Aber er wäre dann bei der Wahrheit geblieben und die lautete Varus nicht gewarnt zu haben. Es wäre für ihn ein schwerer Spagat gewesen, es dem Tribunal glaubhaft zu machen, ohne dass es für die römischen Advokaten nach einer faulen Ausrede geklungen hätte. Er hätte sein Haupt sehr tief senken und ein Plädoyer für seine loyale Gesinnung abgeben müssen. Jener Treue gegenüber Rom, der er sich seit der damaligen Vertragsunterzeichnung zwischen Cheruskern und Römern immer verpflichtet sah. Aber in der damals aufgeheizten letztlich von Varus verursachten Stimmung des Jahres 9 + konnte er nicht anders, als der Strategie der Arminius Cherusker zu folgen. Es hätte schlimm enden können und es bestand für ihn die Gefahr eines äußerst riskanten Ausganges. Und was das für ihn bedeutet hätte, kann man sich vorstellen. Aber selbst wenn er sich so ehrenhaft verhalten hätte wie im Umkehrschluss dargestellt, wird es für seine Büste im urdeutschen „Heldentempel“, der Wallhalla von Donaustauf nicht mal für eine Nische im Keller gereicht haben. Dieser Überlegung zu folgen nähme natürlich zu starke hypothetische Züge an. Aber Strabo müsste man auf dieser Basis noch der ihm voraus gehenden Historikerriege Ovid/Manilius zurechnen. Drei kaum greifbare Persönlichkeiten die sich aber in einem einig schienen. Denn keiner von ihnen erwähnte, dass Varus von Segestes gewarnt wurde. (24.03.2020)

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Montag, 16. März 2020
Griff Segestes zur Notlüge ? - Seine Warnungen an Varus sind infrage zu stellen - Strabo wusste von alledem nichts
Am Samstag dem 9. November 2019 stellte ich das Kapitel „Strabo lüftet einen Vorhang - Der Tag des Triumphes für Germanicus“ ins Internet ein. Dieses Kapitel findet gemeinsam mit dem vorherigen Abschnitt nun seine Fortsetzung. Aber Segestes, der hier neben Strabo eine der damals unmittelbar handelnden Personen darstellt wird uns auch noch die nächste Zeit beschäftigen. Denn seine Auslassungen bilden eine der wesentlichen Grundlagen auf denen meine Theorien zu den Ursachen der Varusniederlage basieren. Hinter der Front in einem uns unbekannten römischen Militärlager am Rhein, vielleicht aber auch in der bereits zivil geprägten Ansiedlung, dem heutigen Köln darbte und schmachtete nun der Segestesclan in der Erwartung zukünftiger Entwicklungen vor sich hin. Sie mussten sich also wo auch immer zwangsläufig in Geduld üben. Segestes hatte sich bekanntlich mit Teilen seiner Familie vor allem aber mit seiner hoch schwangeren Tochter schon im Frühjahr 15 + als man die Fronten wechseln musste, in die Obhut von Germanicus begeben und wartete seit dem auf die weiteren Anweisungen bzw. auf sein zukünftiges Schicksal. Und er musste lange ausharren, denn erst nach über einem Jahr, vermutlich im Spätherbst 16 + traf Kaiser Tiberius in Rom die weitreichende Entscheidung den Krieg gegen die Germanen einzustellen, wodurch auch für die Sippe des Segestes die triste Phase des Warten ein Ende hatte. Was Segestes in der Zeit bei Laune gehalten haben könnte wäre eine interessante Perspektive gewesen, die er gesehen haben könnte. Und günstigenfalls hätte sich für ihn daraus sogar ein Karrieresprung ergeben können. Denn schließlich stand für ihn auch noch die Möglichkeit im Raum, dass Germanicus ihn, nachdem er den angestrebten Sieg über Arminius errungen hatte, zum neuen Cheruskerfürsten ernennen könnte. Denn Germanicus musste auch für die Zeit nach Arminius planen. Segestes verbrachte die Zeit folglich in Ungeduld, der frommen Hoffnung und Erwartung irgendwann das Erbe von Arminius antreten zu dürfen. Ein Ziel, das er vielleicht schon länger im Auge hatte und Bestandteil seines Plans war, als er sich 15 + in die Arme von Germanicus warf. Aber dann kam doch wider erwartend alles anders, denn nach dem Willen von Tiberius hatten sich sowohl seine Ambitionen als auch die von Germanicus in Germanien endgültig zerschlagen. Tiberius machte ihre Träume zunichte und Germanicus musste umdisponieren. Denn nun waren endlich die Würfel gefallen. Irgendwann und irgendwo musste also ein reitender Bote aus Rom Germanicus erreicht haben um ihm mitzuteilen, dass Tiberius das Kriegsende befohlen hat. Der unermüdliche und vielleicht auch noch siegessichere Germanicus stand im Herbst 16 + noch selbst an der Lippe im Kampf gegen die Marser und sah sich seinem Ziel näher kommen. Die fortgeschrittene Jahreszeit zwang ihn allerdings wie so oft, seinen Eroberungszug viel zu früh beenden zu müssen um in die Winterlager einzurücken. So könnte ihn die Nachricht von Tiberius im Spätherbst auch im Winterlager erreicht haben, denn es bestand sicherlich nicht die Notwendigkeit, dass ihn die Kuriere des Kaisers erst in Germanien suchen mussten. Es war vermutlich eine für ihn schockierende Nachricht mit der er nicht gerechnet hatte, wie man es aus der Einschätzung der damaligen Lage bei Tacitus entnehmen könnte. Mit der Botschaft einher gehend wird man, um ihn zu beschwichtigen auch mitgeteilt haben, dass man nun für ihn einen Triumphzug in Rom veranstalten würde. Es entwickelte sich daraus das Ende seiner aktiven Dienstzeit als Feldherr. Germanicus trat ab, verließ die Front und diente dem Imperium noch eine begrenzte Zeit vermutlich in der Funktion eines Militärattaches im mittleren Osten. So könnte er bereits im Winterlager den Alpenzug für das Folgejahr geplant haben und es ist infolgedessen denkbar, dass man sich entschied, die Überquerung nach der Schneeschmelze 0017 anzugehen. So bekam die Segestes Sippe nun von einem möglicherweise verbitterten Germanicus die Anweisung sich reisefertig zu machen. Aber Segestes wusste von diesem Moment an auch was ihm selbst bevor stehen würde. Denn statt mit römischer Rückendeckung in die germanische Heimat zurück kehren zu können erwartete ihn nun ein völlig anderes und unbekanntes Schicksal. Er hatte voll auf die römische Karte gesetzt, konnte aber nicht mit der Entscheidung von Tiberius rechnen. Von nun an war aber auch Germanicus für ihn wohl nicht mehr der gütige Retter von einst, sondern entwickelte sich zu einem berechnenden Feldherr der ihn zu seiner eigenen Ruhmesfeier nur noch zur Präsentation und als schmückendes Beiwerk brauchte bzw. missbrauchte. Einen Triumphzug den er der Vollständigkeit halber auch noch mit einer Anzahl anderer Germanen die er gefangen nehmen ließ anreicherte und man wird sie an den Ketten am Körper voneinander unterschieden haben. Drei antike Passverbindungen über das Gebirge sind bekannt und man wird sich für die entschieden haben, die um diese Jahreszeit geboten schien. Aus dem Rheintal bei Basel nach Süden vorstoßend könnte man, sollte diese Verbindung schon existiert haben, auch über Augusta Raurica dem heutigen Kaiseraugst/Augst über Olten und Zürich geritten sein. Man schwenkte dann später vor Mailand in die Via Claudia Augusta ein die in die Via Cassia mündete, sodass man durch die Porta Flaminia die Mauern von Rom passiert haben könnte. Während der Reise wurde Segestes Meile um Meile seine Lage bewusster. Denn im Zuge der für ihn unübersehbaren, da infrastrukturell belebten und gut ausgestatteten Regionen und dem landwirtschaftlichen Fortschritt erkannte er, welche Macht nun der Mann besaß, den er vielleicht sogar selbst einmal in jungen Jahren persönlich begegnet sein könnte. Nämlich als dieser im Jahr 4 + an den Lippequellen sein Winterlager aufschlug, bevor er im folgenden Jahr die Langobarden an der Elbe besiegte. Ein Lager das ich im Raum Schwaney verorte. Nun war der Onkel von Germanicus der römische Kaiser Tiberius und er war seit dem Jahr 14 + Herrscher über ein Imperium. Und wer einem derartigen kulturellen Wechselbad ausgesetzt ist wie Segestes, der ist sich seiner heiklen Lage im Klaren und hatte sich tunlichst im ureigenen Interesse auch den neuen Begebenheiten anzupassen und zu beugen. Nun war er nicht mehr der Trumpf im Ärmel von Germanicus und Garant für ein willfähriges Cheruskervolk, sondern geriet in die gestrengen Mühlen einer Großmacht und seine Haut zu retten bekam für ihn oberste Priorität. Die Stunde der Wahrheit rückte für ihn näher und er musste sich auf die diverse Fragen vorbereiten die man ihm stellen würde. Fragen die ihm in Ostwestfalen erspart geblieben wären und wo er sich nicht hätte rechtfertigen brauchen. Was er nach seinem Eintreffen in Rom dann im Zuge der Gespräche den römischen Beamten berichtete erfuhren bzw. protokollierten zuerst die, die ihn nach jenen vergangenen Vorkommnissen im Nethegau befragten. Aus welchem Personenkreis sich dieser zusammen gesetzt haben könnte wissen nur die alten Mauern des Palatin. Von den antiken Geschichtsschreibern die auf diesem Wissen später ihre Überlieferungen aufbauten kennen wir zwar einige, aber nicht alle. Darunter finden sich der zeitlichen Reihenfolge nach so prominente Namen wie Paterculus, Tacitus, Florus und Dio aber nicht Strabo. Denn er wurde oder konnte damals bezogen auf Segestes noch nicht deutlich werden, da er von den Dingen die sich hinter den verschlossenen Türen ereigneten keine Kenntnis hatte. Aber nur dank Strabo ist es überhaupt erst möglich diese Gedankenkette schlüssig aufzubauen. Die Kette die mit der von Tacitus beschriebenen „Rettung“ des Segestes im Jahre 15 + ihren Anfang nahm und die mit der Erwähnung von Strabo als ein Teilnehmer beim Triumphzug 17 + endete. Aber alle Historiker die auf Segestes Äußerungen später Bezug nahmen, übernahmen zwangsläufig den jungfräulichen Gesprächsinhalt aus den Verhören mit ihm. Sie ließen uns folglich alle in dem Glauben, es hätte sich damals zwischen dem Saltus, Aliso, dem Hauptlager und der Weser auch alles so zugetragen wie Segestes es in seiner Not zum Besten gab. Wer wollte den Historikern auch den Vorwurf machen seinem Gesagten nicht genügend misstraut zu haben. Und wer konnte später auch erwarten, dass sich alles was von Segestes in dieser Form in die Welt gesetzt wurde, auf ewig in die Geschichtsbücher einbrennen würde. Wider besseres Wissens übernahmen oder mussten es alle übernehmen. Und dies gilt auch für alle späteren Geschichtswissenschaftler bis hinein in unsere Tage und ab dem Zeitpunkt an dem die verschollenen Schriften der antiken Historiker aufgefunden werden konnten. Sie hatten es alle als Realität zu betrachten und hinzunehmen, wollten sie nicht an den ehernen Grundfesten der damals in Stein gemeißelten Glaubwürdigkeit des Palatin rütteln. Denn sie konnten alle dem nicht viel entgegen halten, weil es keine andere Ursprungsquelle und keine andere Alternative außer Segestes gab. Von Segestes erwartete man nun in Rom, dass er die letzten noch bestehenden alten Wissenslücken und verborgenen Geheimnisse erläutern bzw. schließen würde. Und dazu bedurfte es mehrerer Gespräche, einer guten Vorbereitung und einem angemessenen Verhörgeschick, denn es galt zudem sprachliche Barrieren und diese möglicherweise mittels Dolmetscher aber auch andere Verständnisprobleme zu überwinden. Man kann sich vorstellen, wie sich ein „Beinahe Delinquent“ in einer Vernehmung verhält in dem es um sehr viel ging, um nicht zu sagen vielleicht sogar um seinen Kopf. Über die Inhalte wird das Verhörtribunal keine Öffentlichkeit informiert haben und nur ein handverlesener Kreis Vertrauter bzw. das Kaiserhaus werden von seinen Aussagen erfahren haben. Denn Segestes wurden und mussten schließlich auch einige peinliche Fragen gestellt werden. Und die Antworten die er darauf gab lesen wir auch nur zu einem geringen Bruchteil in den Annalen der vier großen antiken Historiker jener Zeit. Zum Beispiel warum sich denn die Männer aus seiner eigenen Sippe im Jahre 9 + auf die Seite von Arminius schlugen und sich nicht gegen ihn stellten. War sein Durchsetzungsvermögen, er war immerhin ein Fürst der Cherusker so schwach, dass er dies nicht hätte verhindern können. Ein Verhalten das in sich betrachtet nicht zu einem treuen Römerfreund, wie es immer hieß passen will. Aber er musste sich auch ein gutes Argument dafür einfallen lassen, warum ihn die Arminius Cherusker nach dem Ende der Varusschlacht bis ins Jahr 15 + hinein unbeschadet ließen. Wie sich aber nun aus dieser Theorie erschließen lässt, konnten ihn nach der Varusschlacht letztlich die Männer der Segestes/Arminius Sippe deswegen unbehelligt lassen, weil er sich nichts gegen sein Volk hatte zu Schulden kommen ließ. Er war also in Germanien nach 9 +, möchte man es so ausdrücken gut gelitten. Aber genau diesen indirekten Vorwurf machten ihm auch die Beamten und Segestes hatte sie nun vor dem Tribunal glaubwürdig zu entkräften. Segestes hatte wie wir wissen jenen die ihn aushorchten natürlich auch den Hergang und die Ausgangslage im Vorfeld der Schlacht zu schildern und zu erklären. Und in diesem Moment offenbarte sich erst das ganze Dilemma in dem Segestes steckte. Denn man erwartete von Segestes, dass er die Pläne des Arminius gegenüber Varus in voller Gänze bis ins Detail und das absolut überzeugend hätte aufdecken müssen. Nämlich das er Varus ultimativ vor dem drohenden Unheil warnte um ihn davor zu bewahren. Es war eine Frage mit der er rechnen musste und auch gerechnet hat. Daher konnte er in diesem Moment auch dem hohen Hause der „Interrogatoren“ eine Argumentation seiner Verhaltensweise anbieten, auch wenn diese mächtig wackelte. Seine Antwort bestand darin ihnen mit voller Überzeugung darzulegen, dass er sich doch Varus gegenüber sogar selbst als Geisel angeboten habe und Varus den Vorschlag gemacht hatte, er möge es auch mit Arminius und den anderen so handhaben. Aber warum sollte Varus Segestes in Ketten legen lassen, wo der doch auf seiner Seite stand und von dem ihm keine Gefahr drohte. Diese Erklärungen erscheinen daher bei genauerem Hinsehen wie der letzte, ein aus der Verzweifelung heraus geborener Versuch gewesen zu sein, mit dem er sich endgültig von jedem Verdacht befreien wollte, nicht alles erdenkliche getan zu haben. Es war die Antwort auf die Frage die er kommen sehen musste und für die er keine bessere Erklärung finden konnte, als sich die Geschichte von eben dieser nebulösen „Inkettenlegung“ am Vorabend der Schlacht einfallen zu lassen. Und warum übrigens sollte Segestes dies auch alles erst und noch so kurzfristig am Vorabend der Schlacht Varus angeboten haben. Ebenfalls eine Darstellung die Verdacht schöpfen lässt, wie händeringend und schon fasst flehend Segestes in Rom sein panischen Bemühen um Reputation glaubhaft machen wollte. Aber alles nutzte den drei Legionen damals nichts, denn Varus tat es einfach ab. All die Argumente die Segestes vortrug klingen wie ein wahnwitziges und in der Praxis nicht umsetzbaren Ringen um Erklärungen. Hilfloses lamentieren was man ihm in Rom nur abnehmen konnte, da man sich dort nicht in die Verhältnisse im Nethegau am Vorabend der Schlacht hinein denken konnte und es keine gegenteiligen Aussagen gab. Die Bredouille in der Segestes in diesem Augenblick saß war perfekt und er steckte in der Argumentationsfalle bei der die Glaubwürdigkeit seiner ganzen Person auf dem Spiel stand. Das er sich wie Tacitus es berichtete vor dem Ausbruch der Varusschlacht sogar noch gezwungenermaßen selbst auf die Seite von Arminius schlug, muss für das Tribunal unentschuldbar geklungen haben. Denn wie hätte er es denn in diesem Moment angestellt haben sollen Varus zu warnen, wenn er doch selbst zum indirekten Teilnehmer am Kampfgeschehen wurde bzw. sich in den Krieg hinein ziehen ließ, so wie es die antike Historie berichtete. Hätte er wie auch immer man es sich vorstellen möchte, sich etwa hinter den eigenen Linien verstecken sollen oder hätte er das Risiko eingehen sollen sich von den Legionären seines Freundes Varus auf dem Schlachtfeld töten zu lassen. So wird ihm irgendwann der glänzende Einfall gekommen sein sich einen geschickten Ausweg aus dem Dilemma zu suchen. Um also im Verhör bestehen zu können gab er, ohne das er es wirklich tat vor, Varus auf die ihm bevor stehende Gefahr hingewiesen zu haben. Nur so konnte er noch seine Haut retten. Da Varus ihm dann nach eigenen Aussagen die Glaubwürdigkeit versagte und seine Warnung abtat, war er gezwungen seine Rolle auf Seiten der Arminius Cherusker zu Ende zu spielen. Wie er dies tat darüber schweigen die Quellen. Zeugen seiner nie statt gefundenen Warnung hatte er bekanntlich nicht zu befürchten und so ließ sich diese Szenerie eines von ihm aus den Fingern gesogenen Dialoges und ohne das es Konsequenzen für ihn gehabt hätte, entwerfen. Die Faktenlage die durch das nachfolgende Desaster im Saltus Bestätigung findet spricht dafür, dass Varus da er nicht vorgewarnt war, den Marschzug also völlig unvorbereitet angetreten hatte. Im vollen Glauben nichts befürchten zu müssen, genügend Soldaten gehabt zu haben und von den Cheruskern unterstützt zu werden, stolperte er blindlinks in die ihm gestellte Falle und traf keinerlei weitere militärische Vorkehrungen. Denn es war ja nur eine harmlose Gerichtsverhandlung von denen er in Germanien schon viele absolviert hatte. Er ritt also nichts ahnend vom Sommerlager in den Untergang. Segestes verdrehte in Rom den Sachverhalt in seinem Sinne und erfand die für Rom plausible Argumentationskette nämlich Varus im Vorfeld gewarnt zu haben um so einer möglichen Bestrafung für seine Passivität zu entgehen. Sein Plan ging bekanntlich auf, man glaubte ihm, wollte ihm glauben und musste ihm glauben. Segestes könnte dadurch vielleicht sogar um Haaresbreite geschickt der Kerkerhaft entgangen sein. Aber nicht etwa deswegen, weil seine Erklärungen so gut und glaubhaft waren, sondern auch weil man Segestes damals nicht fallen lassen wollte um sich selbst keine Blöße zu geben. Man konfrontierte ihn möglicherweise auch mit der provokanten Fragestellung was denn geschehen wäre, wenn sich Germanicus im Jahre 15 + gar nicht nach Ostwestfalen aufgemacht hätte um Rache an den Cheruskern zu nehmen. Hätte Segestes dann wie im tiefsten Frieden in seiner Residenz vermutlich in Vogelbeck an der Leine sein schönes Leben weiter geführt, Thusnelda wäre dann mit Arminius glücklich verheiratet gewesen und er hätte sich mit ihm arrangiert. Und in der Tat und bei Licht besehen, könnte es auch dazu gekommen sein, wenn Germanicus keine Rachepläne gehegt hätte und nicht in Ostwestfalen einmarschiert wäre. Segestes konnte nicht anders, er sah sich gezwungen damals den Senat zu täuschen und ihm die Geschichten von der Warnung aufzutischen und er kam damit auch durch. Strabos Vorgänger auf der Liste der Varusschlacht Berichterstatter waren Ovid und Manilius, ihnen war ein Mann namens Segestes noch nicht bekannt. Aber wie verarbeitete Strabo, der Segestes vom sehen her gekannt haben könnte und ihn sogar erwähnte das Wissen seiner Zeit, wenn es um die Ursachen ging die zur Niederlage in der Varusschlacht führten. Strabo tat das einzig richtige, denn er er brachte den „Verrat“ nur in einen Zusammenhang mit dem Verhalten der Germanen in der Varusschlacht. Und dem ist kein Bezug zu Segestes zu entnehmen und auch keine Hinweise darauf das dieser Varus gewarnt haben will. Für Strabo war die Sachlage klar, die Germanen hatten die Verträge verraten wodurch die Legionen vernichtet werden konnten. Dieser Darstellung lässt sich nicht entnehmen, dass sich dahinter noch mehr verbarg, es also noch ein Vorspiel eines gewissen Segestes dazu gab. Es war wie es auch jeder wusste damals eben in erster Linie ein germanischer Verrat an den Verträgen im Spiel und auf Segestes kam man erst rund sieben Jahre später zu sprechen. Segestes wurde demzufolge zu einer relativ uninteressanten Randperson denn sein Verhalten, ob er nun Varus warnte oder auch nicht, schien damals für alle für den Ausgang der Schlacht unmittelbar nach dem Jahr 9 + unerheblich gewesen zu sein. Wie sich der genaue Hergang im Zuge der verräterischen Tat vollzog bleibt bei Strabo natürlich offen. Da er aber in diesem Zusammenhang weder Segestes erwähnte noch ihn als den Verräter bezichtigte und dies weder wollte noch durfte, konnte er wie es auch alle anderen bewerteten auch nur in den Germanen die Verräter gesehen haben. Denn wer den Vertrag brach war in diesem Fall der germanische Stamm der Cherusker zu dem auch Segestes gehörte aber ihn selbst als Einzelperson sprach man in Rom vom Vorwurf des Vertragsbruches frei. Mitgefangen mit gehangen galt für Segestes nicht. Und dies obwohl er sich damals auf die Seite der gesamtgermanischen Sache schlug. Eine höchst fragwürdige Angelegenheit und in der Tat eine Gratwanderung. So ist die von Strabo gewählte Formulierung aus seiner Sicht nachvollziehbar. Alle bedeutenden späteren antiken Verbindungspersonen die nach dem Jahr 17 + anhand ihrer Quellen über Kenntnisse zur Varusschlacht verfügten und darüber berichteten, wie Paterculus, Tacitus, Florus und Dio thematisierten das Besondere aber auch das Rätselhafte am Verhalten von Segestes. Ob sie es nun einen Verrat von ihm nannten wie die einen sagen, oder ob sie es als hilfreiche Warnung darstellten die von Varus völlig ignoriert wurde. Nur Strabo ging nicht explizit auf die Person und die Rolle ein die Segestes inne hatte, er nannte es einfach nur einen Verrat der Germanen und ohne dabei den Namen Segestes fallen zu lassen. Natürlich wusste man in Rom und das auch schon vor dem Mai 0017, dass bei der Varusschlacht Verrat in welcher Form auch immer im Spiel war. Und natürlich konnten nach römischem Selbstverständnis die Germanen auch Varus nur deswegen bezwingen, weil man Verrat an ihm beging, ihn also im guten Glauben ließ, dass ihm nichts geschehen würde und was man nun mal schlicht und einfach Verrat nennt. Aber wie es sich zugetragen haben soll, war in Rom nicht nachvollziehbar. Denn zum Verrat gehörten immer zwei. Der der den Verrat beging und der der sich verraten ließ. Das die Germanen Varus verraten hatten war also unbestritten. Und wenn Strabo von Verrat spricht, so konnte er zu so früher Stunde und als einfacher Zuschauer in Rom auch nichts über die Details und das Verhalten wissen, das damals Segestes an den Tag legte. Strabo war also auch nicht bekannt, dass Segestes den Feldherrn Varus vor dem germanischen Angriff gewarnt haben wollte. So waren ihm also die verzweifelten Anstrengungen und Bemühungen von Segestes sich in Rom ins rechte Licht zu rücken auch noch nicht bekannt gewesen. Sonst wäre auch er wie später seine historischen Nachfolger wohl auch näher auf das umstrittene Verhalten von Segestes eingegangen, aber er beließ es beim „Verrat“. Bis zum Zeitpunkt seiner Niederschrift könnte also Strabo nichts über die Details der Verstrickungen eines Segestes in die Varusschlacht gewusst haben, er wusste nur, dass man Varus verraten hatte. Der Reihenfolge nach schmiedeten also die Germanen zuerst ihren verräterischen Plan, woraufhin dann Segestes diesen Verrat an Varus verraten haben soll, wenn man es also mal so darstellen möchte. So blieb es beim Verrat der Germanen, aber der angeblich von Segestes vorgegebene „Gegenverrat“ blieb bei Strabo unerwähnt. Begäbe man sich tiefer in den spekulativen Bereich hinein, so könnte Strabo auch schon mehr über Segestes gewusst haben, ohne aber darauf eingegangen zu sein. Strabo kann man nach Ovid und Manilius an die chronologisch dritte Stelle der ersten „Schlachtenbezeuger“ setzen. Aber wie zuvor zum Ausdruck gebracht, noch ohne das er gleich in welcher Art Bezug auf den im Raum stehenden Verrat des Segestes nahm. Die römischen Quellen nach Strabo drückten es unterschiedlich aus, denn sie wollten es auch wie eine Warnung, also eine dezentere Art in Form einer freundschaftlichen Geste verstehen. Eine Interpretation die erkennen lässt, das man sich nicht so ganz schlüssig war, wie man die Worte von Segestes bewerten sollte. Für alle durfte und dürfte Segestes natürlich kein Verräter im negativen Sinne gewesen sein, er stand auf römischer Seite und es sollte nicht der geringste Schatten eines Makels auf ihn fallen. Aber er lieferte uns eine von mehreren Erklärungen dafür, warum Varus in die Niederlage schlitterte.(16.03.2020)

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Dienstag, 10. März 2020
Anno 0017 stand in Rom alles im Zeichen Germaniens
Die Feierlichkeiten für Germanicus sollten nicht nur seine persönlichen Erfolge heraus stellen. Man machte 0017 damit auch zum Jahr der Wende und alles sollte auf das römische Volk wie ein Schlußstrich wirken. Ein symbolischer Abschluss von alledem, was Rom in 30 Jahren Krieg in Germanien hinterlassen hat. Jahrelanges Blutvergießen hatte Misstrauen ausgelöst, aus dem Land eine gespaltene vom Rhein zerschnittene Region gemacht und die Menschen und Völker zu Feinden werden lassen. Ab diesem Jahr wollte man in Rom die Vergangenheit vergessen machen und nach vorne schauen. Man hatte der Germania Magna strategisch betrachtet den Rücken gekehrt und die römischen Städte auf dem linken Rheinufer sicherten nördlich von Rheinbrohl nur noch den „nassen Limes“. Ohne es mit Arminius abgestimmt zu haben möchte man derzeit, dass er zum Weltkulturerbe ernannt wird. Einfach ungeheuerlich. Germanicus hatte die Front verlassen müssen, war nicht mehr im Amt und seine Tage waren gezählt. Germanien schien zur Ruhe zu kommen, denn das Jahr 17 + verlief östlich des Rhein unauffällig. Aber die Realität sah wohl anders aus, denn Arminius ballte offensichtlich immer noch die Fäuste. Der Grieche Strabo der wohl geschielt haben soll und auch Strabon genannt wurde war für die Historienforschung ein Glücksfall, denn er hat uns aus dieser Zeit viel an historischem Stoff zur Auswertung hinterlassen. Damit verbunden sind aber auch einige Denkaufgaben die sich nur schwerlich angehen lassen, wenn man sie nicht im Kontext der damaligen Zeiten betrachtet. Wer die letzten Kapitel gelesen hat, dem ist nicht entgangen, dass die Antwort auf die Frage in welchem Jahr möglicherweise das Gefecht bei Kalkriese geschlagen wurde etwas ausgeklammert wurde. Zwei Jahre könnten dafür in Frage kommen. Nämlich die Jahre 17 + und 18 +. Die Hinweise im Zusammenhang mit der neu besetzten Generalität am Niederrhein nach der Rückkehr von Germanicus im ersten Halbjahr 17 + nach Rom und die danach am Rhein in Angriff genommene Flottenaufrüstung sprechen eher für das Jahr 18 +. Aber es gibt noch weitere Anhaltspunkte weshalb man das Jahr 18 + gegenüber dem Jahr 17 + bevorzugen könnte. Im Verlauf dieses und der nächsten Kapitel werden sie sich verdichten. Von jetzt an soll auch Segestes, der sich nach seinem Erscheinen in Rom genötigt sah oder gedrängt wurde seine persönlichen Rechtfertigungen und Offenbarungen zu verbreiten, wieder eine größere Aufmerksamkeit zu kommen. Aber die im Zuge des Germanicus Triumphzuges im Nachhinein von Strabo zu Papier gebrachten Fakten beziehen sich nicht nur auf den Germanenfürsten Segestes. Denn in seine Darstellung, die wie alles was uns die antiken Historiker hinterließen schwer deutbar ist, spielt vermutlich auch ein spezielles Kampfgeschehen mit hinein. Eine Auseinandersetzung bei der es sich um das Gefecht bei Kalkriese gehandelt haben könnte. Natürlich kommt es bei Strabo nicht explizit zur Sprache, aber sein Hinweis ist vieldeutig. So hätten bei Strabo beide Schlachten Spuren hinterlassen, die Varusschlacht deren Verlauf sich meines Erachtens auf den Nethegau konzentrierte, als auch die Auseinandersetzung bei Kalkriese. Diese Verstrickung erschwert es in diesem Fall auch beide Kampfereignisse getrennt voneinander zu behandeln. Aber auf den ersten Blick muss es verwundern, wo es denn eine Verbindungslinie zwischen dem Triumphzug des Jahres 17 in Rom + bis nach Kalkriese gegeben haben soll. Aber eine Verkettung ist nicht ausgeschlossen und so trägt der antike Geschichtsschreiber Strabo, wenn auch hier nur im Scherz gemeint die Schuld daran, dass die Aufarbeitung der „Vita Segestes“ für einen Exkurs in die Welt der „toten Glasaugen von Kalkriese“ für einige Kapitel unterbrochen werden musste. Denn es hing letztlich mit seinem Hinweis zusammen, den er uns im Zuge seiner Überlieferungen betreffend des für Germanicus veranstalteten Triumphzuges am 26. Mai 0017 + hinterlassen hat. Denn es verbarg sich in seinen Aufzeichnungen eine interessante Steilvorlage für eine neue Hypothese. Nämlich eine Aussage mit der er es uns ermöglicht daraus eine zeitliche Fixierungsmöglichkeit abzuleiten und womit er die Brücke zum Ereignis von Kalkriese schlug. So öffnete er uns damit eine gedankliche Tür, wonach man das Gefecht von Kalkriese sogar einer chronologischen Einordnung unterziehen könnte. Strabo schien ein Pedant gewesen zu sein. Denn er machte sich nicht nur die Mühe die Namen der germanischen Häupter die im Triumphzug mitgeführt wurden in Erfahrung zu bringen um sie dann aufzuzählen, er ließ uns auch in den Genuss einiger anderer wertvoller und präziser Randbemerkungen kommen die wir bei anderen Historiker vermissen. So erfahren wir nur von ihm im Zuge seines Kurzberichtes über den 26.5.0017 auch das bereits zuvor thematisierte, nämlich das Arminius offensichtlich immer noch das tat, was man eigentlich nach dem Befehl von Kaiser Tiberius aus dem Jahre 16 + gar nicht mehr erwartet hätte. Denn es wurde auch danach östlich von Xanten von den Germanen immer noch Krieg geführt. Aber wir erfahren auch noch das Wesentliche. Das sich nämlich unter jenen die immer noch im Krieg gegen Rom standen auch Arminius befand. Nach heutiger und wohl auch damaliger Auffassung besteht ein Krieg nicht nur aus einer einzigen Schlacht, sondern einer Abfolge von Kämpfen. Und so dürfte es nach dem Jahr 16 + in Germanien doch noch unerwartet heiß her gegangen sein. Aber einen Krieg brauchten und hatten die Wesergermanen nach dem einseitig ausgerufenen Waffenstillstand aus dem Munde von Kaiser Tiberius nach unseren Vorstellungen nach dem Jahre 16 + gegen Rom eigentlich nicht mehr führen. Das lässt uns gedanklich innehalten. Denn die von Strabo gemachte Randbemerkung will nicht zu unserem Wissenstand passen nämlich dem, dass uns kein römischer Historiker von einer Schlacht zwischen den beiden verfeindeten Völkern berichtet hatte, die sich im Jahr 17 + zugetragen hat. Wenn nicht im Jahre 17 + so könnte diese Feststellung den Schluss zulassen, dass das Gefecht von Kalkriese erst ein Jahr später also im Jahr 18 + statt gefunden haben könnte. Das wiederum würde bedeuten, dass Strabo seine Niederschrift auch erst im Jahre 18 + verfasst hat und nicht im Jahr 17 + und Arminius hätte demnach noch im Jahr 18 + gekämpft und nicht im Jahr 17 +. Infolgedessen wäre es ein weiterer Meilenstein in der Theorie, dass man in Kalkriese im Jahr 18 + gekämpft haben könnte. Auf das große und sicherlich tumultartige Spektakel im Mai 0017, dass Strabo vielleicht nur aus der Menge heraus gemeinsam mit anderen Zuschauern von den hinteren Reihen aus erlebte und dem er mit Blicken folgte ging er übrigens anders als Ovid es sich ausmalte nicht näher ein. Aber neben der Namensnennung der vorgeführten Personen sah Strabo sich doch noch genötigt seine patriotische Pflicht zu erfüllen. Denn er musste auch noch den glänzenden Triumph, der Germanicus nun zu stand mit erwähnen. Aber der Bedeutung dieses Tages für unsere historische Aufarbeitung dürfte auch er sich nicht bewusst gewesen sein. So hinterließ er uns dann doch diesen kleinen und relativ unscheinbaren Hinweis, dass Arminius den von Rom vor vielen Jahren angezettelten Krieg immer noch fortsetzen würde. Und damit wird er wohl zweifellos den Krieg gegen das Imperium gemeint haben, denn innergermanisch ausgetragene Stammeskonflikte waren für Rom keine Kriege und werden für Strabo und Italien keine erwähnenswerte Bedeutung gehabt haben. Man könnte davon ausgehen, dass Strabo sogar selbst im Mai 17 + an einer belebten Straßenecke im alten Rom inmitten des Geschehens stand, obwohl er es nicht ausdrücklich erwähnt hat. Ob er also dem Zug persönlich, wenn auch nur aus der Distanz beiwohnte muss folglich offen bleiben, ebenso die Frage wie er an die detaillierten Informationen kam die er später hinterließ. Aber ungeachtet dessen nahm Strabo an diesem denkwürdigen Tag eine Position ein, die ihn zum Berichterstatter an einer historischen Schnittstelle werden ließ. Denn an diesem Tag wollte das Imperium einen unrühmlichen Abschnitt seiner Politik beenden, nämlich das Ende einer Ära einläuten, die dem Imperium in Germanien bis dato mehr Schaden als Nutzen und Erfolg einbrachte. Er wurde zu dem was man heute einen Zeitzeugen nennt. Er spazierte also möglicherweise an jenem 26. Mai an einer beliebigen Stelle durch Rom und sah von weitem nur die Dinge, die das Kaiserhaus unter Tiberius zu ließ. In die Hinterzimmer der Macht hatte er keinen Zutritt und seine Quellen dürften daher in dieser Phase nicht ergiebig gewesen sein. Nur was auf den Straßen gemunkelt wurde und was man sich zuraunte hätte er zu so früher Stunde zu Papier bringen können aber den jeweiligen Wahrheitsgehalt konnte er noch nicht erkennen. Später wird sein Wissen wohl umfänglicher gewesen sein. Als Strabo in Rom oder im Großraum weilte, basierten noch alle dort vorliegenden Informationen über den Verlauf der Varusschlacht auf dem Kenntnisstand den damals die römischen Staatsbeamten besaßen. Was ihnen also aus dem Munde wieder anderer Römer von überall her zugetragen wurde. Und alle kannten und verwendeten sie immer nur das eine große überlagernde und überragende Wort das alles überschattete nämlich „Verrat“. Verrat aber auch Betrug an Varus und am ganzen römischen Volk. Aber germanische Quellen die ihnen zum Abgleich hätten dienen können waren nicht vorhanden. Doch im Jahre 17 + betrat nun endlich eine hoch gestellte germanische Persönlichkeit die römische Weltbühne von der man sich Aufklärung erhoffte. Nun konnte man nach rund 7 langen Jahren auf das ersehnte Insiderwissen hoffen und einen Mann befragen, der damals hautnah dabei war. Ob sein Wissen allerdings bei allen so willkommen gewesen war, muss ebenfalls offen bleiben. Und dieser Mann der Stunde war Segestes und er war noch dazu ein Cheruskerfürst. Er könnte vieles aufklären Licht ins dunkle und Klarheit in die Vergangenheit bringen. Aber die Zeiten waren im Jahr 17 + längst nicht mehr die alten. Denn in sieben Jahren hatte sich vieles verändert und das Varusereignis war allen wenn auch nur oberflächlich aus dem Gedächtnis geglitten, man hatte es verdrängt und es besaß nach den langen Kriegen unter Germanicus nicht mehr die Bedeutung von einst. Auch das römische Volk hatte in diesen Jahren viel zu erleiden und zu erdulden gehabt und es galt auch noch den fasst genau so lange zurück liegenden zehrenden Krieg in Pannonien und Dalmatien zu überwinden. Die Wende ausgelöst durch die Varusschlacht hatte zwar einen bleibenden Eindruck in den Seelen der Römer hinterlassen, aber das Inferno am Saltus wich über die Jahre betrachtet einem dumpfen, weit zurück liegenden Gefühl, dass sie nur noch nebulös und kaum fassbar in ihren Erinnerungen mittrugen. Es war eine Zeit angebrochen in der die Hintergründe um die Varusschlacht in den Köpfen der meisten Römer soweit sie sich überhaupt erschließen ließen, schon fasst in Vergessenheit geraten waren. Der Feldherr Germanicus, der Vater des späteren Kaisers Caligula hatte die germanischen Untaten ruhmreich gerächt, auch wenn dies nur der offiziellen Verlautbarung entsprach und man konnte das Kapitel abschließen. Was man also nun aus dem Munde eines Segestes an neuem alten aus Germanien erfuhr hatte sicherlich nicht mehr den hohen Stellenwert, den es unmittelbar nach Bekanntwerden der römischen Niederlage in der Varusschlacht gehabt hätte, einer Zeit als in Rom noch mehr die Angst eines plötzlichen germanischen Angriffs überwog und weniger der Zorn, der in den Gesichtern der Römer geschrieben stand. Aber nun beherrschte nur noch die Innenpolitik die Agenda des Kaisers und die sah vor, dass man an diesem 26.5.0017 ausgelassen zu feiern hatte und das die alten Geschichten nicht mehr hervor gezerrt werden sollten. Der letzte Beweis dafür wurde im Triumphzug vorgeführt, es war die fällige Endabrechnung mit dem germanischen Widersacher und die Akte Varusschlacht ließ sich bei dieser Gelegenheit auch gleich mit schließen. Doch dann geschah unerwartetes. Denn nun betrat ein Mann die Szenerie. Ein Mann wie aus der Vergangenheit auferstanden der noch mal an die längst vergessene Schlacht im vermeintlichen Nethegau erinnerte und bei allen alte Gefühle weckte. Ein Germane den man in diesen Zeiten einen Römerfreund nannte muss schon kurios gewirkt haben. Ein Mann den man von höchster Stelle belobigte, den man nun präsentieren und vorzeigen wollte. Ein lebender Beweis dafür, dass Rom in Germanien nicht nur Feinde hatte und er ließ sich zum Markenzeichen und Aushängeschild einer ehrenwerten römischen Gesinnung hoch stilisieren. Er personifizierte damit für alle sichtbar den guten Germanen im Kontrast zu Arminius. Aber dieser Mann mit Namen Segestes hatte auch noch eine dunkle Seite und die passte nicht so recht ins römische Kalkül. Vielleicht hatte man im Kaiserhaus auch gerne seine diffuse Rolle die er damals zwischen Arminius und Varus einnahm unterdrückt, denn sein Wissen konnte auch unangenehme Folgen haben. So hätte er die Niederlage des Varus auch als eine zwangsläufige Konsequenz darstellen können, da man im Jahre 5 + große Truppenkontingente aus den niederrheinischen Garnisonen für den Markomannenfeldzug und den späteren Pannonienkrieg heraus gelöst hatte. Fehlende Soldaten die man Varus nicht mehr unterstellen konnte, da sie schlicht auf dem Schlachtfeld an der Donau starben oder wegen ihrer Verletzungen nicht mehr einsatzfähig waren. Ein Verlust der dazu führte, dass die drei Legionen bei weitem nicht in Sollstärke gegen Arminius antreten konnten. Möglicherweise wäre selbst noch Tiberius in die Kritik geraten denn er hatte es entschieden und zugelassen, dass Varus in militärischer Unterzahl eine neue Provinz aufbauen musste. So bahnte sich vermutlich auch diplomatischer Konfliktstoff an, als Segestes im Geleit von Germanicus in Rom eintraf. Segestes hätte von derartigem Wissen sicherlich keinen Gebrauch gemacht zumal man in Rom über diese Hintergründe damals auch bestens informiert war. Aber der römische Senat der Verwaltungsapparat aber auch andere dürften noch an der Aufarbeitung der alten Ereignisse interessiert gewesen sein. Ob die kaiserliche Regie darauf Einfluss genommen haben könnte ist denkbar und anzunehmen. Wir kennen dies auch aus unseren Tagen. Denn wie gerne würde auch heute noch so mancher Politiker in der einen oder anderen Sache zur Tagesordnung übergehen, weil man an alten Geschichten nicht mehr rütteln mochte. Doch dann schlägt die berühmte Stunde der Opposition und der gefürchtete Untersuchungsausschuss muss es doch noch mal aufwühlen, will es recherchieren und genauer wissen. Und selbst Tiberius, obwohl seine Politik nach vorne gerichtet war, sollte man nicht unterstellen, er könnte daran nicht interessiert gewesen sein. Aber man erwartete von Segestes auch Loyalität und konnte sie einfordern. Wenn auch nicht mehr auf den Straßen Roms, so rätselte und sinnierte man sicherlich immer noch in den Historiker - und Aristokratenkreisen darüber, was sich denn acht Jahre zuvor im Zuge der Varusschlacht in Ostwestfalen genau zugetragen haben könnte. Und dies war vor allem aus aktuellem Anlass begünstigt, denn nun war der damals zweit Wichtigste Mann aus Ostwestfalen plötzlich unter ihnen und konnte Rede und Antwort stehen. Und auch Claudia Pulchra die Gattin von Varus samt Anhang drang möglicherweise auch noch auf Reputation für ihren einstigen Ehemann. Man kann dem entnehmen, dass sich vieles im alten Rom an Dingen festmachte wozu uns heute die Sachkenntnis fehlt. Aber bei tieferer Analyse erscheint es uns begreiflicher. Als Strabo in seinem Bericht, gleich wann er ihn verfasste erwähnte, dass es in Germanien sogar noch nach dem Jahr 16 + immer noch zu Gefechten kam, müsste ihn dies aufgehorcht haben lassen. Denn normalerweise müssten einem Menschen in diesem Fall Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Veranstaltung gekommen sein. Denn eine Feier aus Anlass eines Sieges über das germanische Volk abzuhalten hätte nicht zu der Realität gepasst, dass der Hauptwidersacher Arminius nicht nur immer noch lebte, sondern sogar noch persönlich an Kriegen gegen das Imperium beteiligt war. Eine historische Faktenlage, die man mit dieser Feier förmlich auf den Kopf stellte und die sich definitiv nicht mit diesem feierlichen Staatsakt vereinbaren ließ. Eine Veranstaltung der man dann schon fasst den Namen „Pyrrhusfeier“ hätte geben können. Aber Stopp. Denn unter Zugrundelegung meiner Theorie, dass Strabo seine Zeilen erst 18 + nieder schrieb, Arminius also 18 + noch kämpfte, konnte auch 17 + in Rom noch keiner wissen, dass der Krieg in Germanien wieder angefacht von germanischer Seite im Jahre 18 + erneut aufgeflammt war. Man erkennt daran wie heikel sich Spekulationen verselbstständigen können. Aber zurück in die Rekonstruktion. Sollte Strabo von den Kriegen des Arminius schon an diesem 26. Mai 0017 etwas erfahren haben, dann hätte der Krieg an dem Arminius beteiligt war bereits im ersten Halbjahr 0017 statt gefunden haben müssen. Es stellt sich also die Frage, wann Strabo seinen Bericht über den Triumphzug nieder schrieb und wann ihn selbst die Information über Arminius erreichte. Denn auch hier gilt wieder der historische Leitsatz, der auch für heutige Tageszeitungen immer noch gilt, nämlich das ein Ereignis nicht an dem Tag zu Papier gebracht wurde bzw. darüber berichtet werden kann, an dem es sich ereignete. Es hätte also damals auch noch eine lange Zeit verstreichen können, bis man es mit der sinerzeit bereits verfügbaren metallisch bleihaltigen Tinte sozusagen zu Papyrus brachte. Denn mit jedem Tag den Strabo mit seinem Bericht zuwartete bzw. den er vergehen ließ bevor er über den 26.5.0017 schrieb, kämpfte auch Arminius um diesen Tag länger gegen das Imperium. Man sollte also annehmen, dass Strabo nicht schon am gleichen Tag, nämlich dem 26.5.0017 zur Feder gegriffen hat. Denn wen hätte es auch gegeben haben sollen, der ihm einen Redaktionsschlusstermin aufgezwungen haben könnte. Er könnte also alle Zeit der Welt gehabt haben bevor er sich setzte um etwas zu verfassen. Aber von der Überlegung wann er diese schriftliche Aufarbeitung nun in Angriff genommen hatte, hängt die Frage nach der Aktualität seines gesamten Berichtes ab. Und das nicht nur was den Zeitpunkt des Krieges von Arminius anbetrifft, sondern auch das Alter des kleinen Thumelicus, auf das er ebenfalls eingegangen ist. Wann also erfuhr Strabo davon. Je nach dem wann und aus welchem mehr oder weniger berufenen Munde ihm diese Informationen zugeflüstert wurden, stellt sich also diese Frage und damit auch die nach der Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit seines oder seiner Zuträger. Eines aber wird durch den Hinweis von Strabo deutlich und das unbenommen davon, wann er es, ob nun im Jahre 17 + oder erst 18 + erfuhr bzw. nieder schrieb. Denn Arminius ließ auch noch nach dem Befehl von Kaiser Tiberius im Jahre 16 + den Kampf gegen Germanien einzustellen seine Waffen nicht ruhen. Für ihn war der Krieg folglich noch nicht mit dem Machtwort des Kaisers beendet. So ist es auch denkbar, dass Arminius der auch noch im Jahre 18 + gelebt haben soll, auch noch in diesem Jahr in Kämpfe mit Rom nicht nur verwickelt gewesen sein könnte, sondern sogar den Befehl gab römische Einrichtungen anzugreifen bzw. mit dabei war. Denn die Entführung seiner Frau könnte ihn auf lange Sicht zornig gemacht haben und auch die letzten Anhänger von Segestes in Ostwestfalen dürften seine Wut zu spüren bekommen haben und schließlich wurde Arminius mit dem Abzug des Segestesclans zum einzigen Herrscher der Cherusker. Daher besitzt auch die Frage keine Relevanz wie lange die pikante und zugleich beängstigende Botschaft, eines immer noch kämpfenden Arminius oder vielleicht auch seines kämpfenden Germanenvolkes aus dem Norden bis nach Rom gebraucht haben könnte. Rechenmodelle, wonach sich Nachrichten von Germanien nach Rom schneller vollzogen als gedacht liegen allerdings vor. So bleibt es sich gleich, ob die Menschen in Rom und damit auch Strabo es schon am 26.5.0017 erfuhr oder erst Monate später. Aber sein Hinweis zeugt auch von einer erheblichen Unruhe, die noch nach 16 + in Germanien östlich des Rheins geherrscht haben muss. Aber nun zum letzten Fallbeispiel, nämlich der Möglichkeit, dass sich Strabo mit der Niederschrift seines Triumphzug Berichtes Zeit ließ und ihn erst irgendwann im Jahre 18 + zu Ende schrieb und veröffentlichte. Damit ließe sich in der Konsequenz auch noch eine Schlacht am Kalkrieser Berg und das unter Beteiligung von Arminius in das Jahr 18 + ziehen. Was man aber auch noch berücksichtigen und betonen sollte ist die Tatsache, dass es sich bei den Kämpfen von Arminius nun nicht mehr um Verteidigungsschlachten gegen römische Legionen handelte, sondern das er nun selbst zum Angreifer wurde, denn das Blatt hatte sich nach dem Rückzugsentscheid 16 + gewendet. Wenn also Strabo schrieb das Arminius immer noch Krieg führen würde, ob er es nun schon im zweiten Halbjahr 17 + oder erst im Jahr 18 + tat, so muss auch noch mal der Frage nachgegangen werden, wo Arminius denn diesen Krieg geführt haben sollte. Da sich nach 16 + keine römischen Legionen mehr tiefer in Germanien aufhalten durften könnte man also annehmen, dass Arminius sich der Rheingrenze genähert haben musste, nämlich dort wo es auch etwas zu kämpfen gab. Er könnte im rechtsrheinischen ehemaligen Sugambrergebiet römische Abordnungen angegriffen, aber auch römische Ansiedelungen nieder gebrannt haben. Er könnte aber auch wie dargestellt einen römischen Marschzug samt allem mitgeführten Besitz in seine Gewalt gebracht haben. Eine Vexillation dessen Absicht es war römische Schiffbrüchige frei zu kaufen, könnte auch noch gut in sein Konzept gepasst haben. Arminius wird nach 16 + auch nicht mehr sein ganzen Volk hinter sich gewusst haben, denn man war kriegsmüde, sondern wird diese Vorstöße nur im Rahmen seiner Kampfstärke gewagt haben. Schließlich fühlte man sich in Germanien nach dem Jahre 16 + noch lange in Siegerlaune und da werden sich sicherlich Kämpfer gefunden haben die sich ihm anschlossen. Man könnte also dieser Variante den Vorzug geben, womit es sich auch kompatibler zum Tacitus Hinweis bewegen würde, nämlich dem des Gefangenenaustausches der Schiffbrüchigen unter Beteiligung der Angrivarier. Sollte also Strabo schon im zweiten Halbjahr 17 + zur Feder gegriffen haben und nicht erst 18 + so ließe sich prophylaktisch vor diesem Hintergrund betrachtet, dass Gefecht von Kalkriese auch aus dem Jahr 18 + in den Herbst des Jahres 17 + vorverlegen. Dann hätte man die Freikaufverhandlungen mit den Angrivariern vielleicht schon im Spätsommer oder Herbst 16 + aufgenommen und der Gefangenenaustausch hätte noch im Jahr 17 +, dem Jahr des Germanicus Triumphzuges statt finden können. Strabo lieferte also mit seinem Querverweis in Form dieser erstaunlichen Randbemerkung einen Impuls, dem es sich lohnte nachzugehen. Und im Zuge der Textanalysen von Strabo und Tacitus war es daher auch ein leichtes die Bündelung dieser Informationen auch als Erklärungen für das Gefecht am Kalkrieser Berg heran ziehen, und es sogar zeitlich eingrenzen zu können. Der textuelle Fluss im Verlauf dieses Internet Buches nämlich die Motive eines Segestes zu ergründen musste also vorübergehend für die neue Kalkriese Theorie ausgesetzt werden und die voran gegangenen Kapitel hatten dem Rechnung zu tragen. So musste zwangsläufig die Frage nach der Bedeutung des Cheruskerfürsten Segestes und seinen Aussagen in Rom für einige Abschnitte in den Hintergrund treten. Aber das wird sich im nächsten Abschnitt wieder etwas ändern, denn bekanntlich war Segestes der Mann, der unseren historischen Wissensstand über die Varusschlacht maßgeblich beeinflusst und sogar dominiert und angereichert hatte. (10.03.2020)

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