Samstag, 17. Juli 2021
Zur Aliso - Forschung - Wie kam der Schwaneyer Limberg zu seinem Namen ?
Nur zwei Mal fällt in den antiken Schriften der Name Aliso. Zuerst war es Velleius Paterculus der den Kommandanten von Aliso lobte weil es ihm gelang das Kastell nach der Varusschlacht vor den Massen anstürmender Germanen erfolgreich zu verteidigen und der zweite Historiker war Publius Cornelius Tacitus der uns überlieferte, dass der Feldherr Germanicus im Jahre 16 + das ganze Gebiet zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschloss und sicherte. Der Hinweis von Paterculus verdeutlicht die Nachbarschaft von Aliso zum Schlachtgebiet und bei Tacitus wird erkennbar, dass es sich bei Aliso um ein Kopflager handelte. Ein römisches Kastell, dass sich weit an einem nach Osten vorgeschobenen Punkt befand von wo aus man über weite Strecken die römische Infrastruktur bis zum Rhein wieder herrichtete bzw. verbesserte. Wichtige Anhaltspunkte die die Theorie stärkten Aliso könne sich nur am Oberlauf oder im Quellbereich der Lippe unweit des Schlachtgebietes und damit auch im Nahbereich zum Stammesgebiet der Cherusker befunden haben. Aufgrund einer Vielzahl von Hinweisen lässt sich die Position von Aliso auf den Altenbekener Ortsteil Schwaney verdichten, dessen Umgebung auch wegen seiner auffälligen Topographie besondere Aufmerksamkeit erregt. Der prägende Limberghöhenrücken ist unübersehbar der Hausberg von Schwaney, ein Name den man gerne mit der Baumart Linde in Verbindung bringen möchte, obwohl Abweichungen in der Schreibweise und Wortherkunft unübersehbar sind. Denn im Althochdeutschen schrieb sich die Linde "linta" und im altsächsischen als auch angelsächsischen "lind", während sich in der Silbe "lim" der Name der klebrigen Masse Leim verbirgt. Die Silbe "Lim" könnte aus der indogermanischen Sprachwurzel stammen und sich dahin zurück verfolgen lassen von wo aus sie auf unterschiedliche Weise Eingang in die sich daraus entwickelnden europäischen Sprachenfamilien fand. Auf diesem Weg erreichte sie auch den italisch - latinisch - romanischen Sprachraum. So ließe sich im Zusammenhang mit dem Schwaneyer Limberg betrachtet auch eine weitere auf römischen Hinterlassenschaften fußende Theorie aufstellen, der nachzugehen es sich lohnen könnte. Viel zu viel der einst vorhandenen und vererbten Verbindungen und Spuren zurück ins antike römische Imperium wurde schon im Mittelalter verschüttet, sodass wir uns heute arg anstrengen müssen, wenn wir einiges davon wieder frei legen wollen. Seit jeher stützen wir uns dabei auf die Wissenschaft von der Erforschung der Sprach - und damit der Wortentwicklung über die Jahrhunderte, also die Etymologie und schwören auf sie vor allem dann, wenn sie uns zum Ziel führen kann. Eine große Anzahl keltischer als auch antiker lateinischer Worte hat, ohne das es uns bewusst ist oder nachweisbar wäre, Eingang in unsere Alltagssprache gefunden. Darunter fanden sich auch Elemente geographischer Natur wie Fließgewässer, bedeutsame Erhebungen oder vergleichbares. Was wegen der langen Zeitspanne aber durch das Raster historischer Namensforschung fallen musste sind die zahlreichen Bezeichnungen die sich in späterer Zeit aus dem im Imperium inflationär verbreiteten lateinischen Wort Limes entwickelt haben, das u.a. für Grenzweg, Grenze oder Grenzwall gebräuchlich war. Der "Limitemque a Tiberio", war schon früh Namensgeber für einen nach Möglichkeit bewuchsfrei zu haltenden langen Schutzstreifen. Unmittelbar nach dem Varusdesaster wurde er vom Feldherrn Tiberius angeordnet und verlief vermutlich östlich von Köln, von der Lippe durch das Bergische Land und vielleicht sogar noch über die Sieg hinaus bis an die Wied. Mit ihm machte Rom unmittelbar nach der verheerenden Schlacht den ersten Schritt hin zur Grenzstabilisierung und er sollte das Sprungbrett für den späteren Versuch einer Rückeroberung sein. Damit führte er den Germanen vor Augen, wie man sie zukünftig vom Imperium fern zu halten gedachte. Das große in der Forschung später vereinfacht Limes genannte gewaltige und trennende Bauwerk quer durch Germanien mit dem unter Kaiser Claudius in der Mitte des ersten Jahrhunderts begonnen wurde prägte fortan die germanisch römischen Beziehungen und diktierte den Germanen das Wesen und den Charakter der neuen Zivilisation. Daraus wurden rund 350 Jahre die die Germanen Zeit hatten sich an diese Grenze zu gewöhnen, sich mit ihr zu arrangieren, die sie aber nie akzeptierten bis sie sie zu Beginn des 5. Jhdt. überschritten, wodurch sie ihre Bedeutung verlor. So wurde die dafür ursprünglich römische Bezeichnung "limitare" oder "limitatio" für die Germanen zum Synonym für Grenze. In der lateinischen Sprache gebräuchlich waren zudem die Worte "limus" für quer und "limen" für Querstein und Schwelle und Cäsar sprach in seinen Ackergesetzen von "limites decumanique". Allesamt lateinische Worte mit der Silbe "lim" zu Beginn. Die germanische Zunge nahm sich des Wortes auf ihre Weise an. Was dann ihrer dialektischen Umgangssprache zum Opfer fiel, weil es ihrer Mentalität entsprach, war der Vereinfachung geschuldet. Und während die altsächsische "Marka" einen mehr territorialen Bezug gehabt haben könnte und das Wort Grenze erst später seine Bedeutung erlangte lag es unseren Vorfahren näher und war ihnen sprachlich zuzutrauen die römische Grenze "de Lim" zu nennen. Eine Kurzform aus früher Zeit die aber im Laufe der Jahrhunderte wieder verdrängt wurde und in Vergessenheit geriet. Denken wir dabei nur an die Rheinländer die ihrem Fluß kurzerhand den Namen "Rin" gaben. Die Germanen machten das Wort "Lim" zum Synonym für eine Vielzahl von Gebrauchsformen, verwendeten es aber vordringlich für prägnante Geländemarkierungen, wenn sie eine klassische Abgrenzung benennen und es im abschreckenden und besitzansprüchlichen Sinne zum Ausdruck bringen wollten. Worte die in ihrer Alltagssprache fehlten entlehnten sie so, wie wir es bis heute praktizieren. Sie legten damit den sprachlichen Grundstein, brachten uns aber in etymologische Erklärungsnöte hinsichtlich der Herkunft des Wortes "Lim". Aber sie leisteten damit ihren Beitrag zur schnellen Konversation auf eine sehr praktische Weise, denn auch die unsichtbaren Dinge wie Grenzen wollten einen Namen haben. Ein Beispiel sind auch die vielen Ortsnamen in denen das Wort "hausen" vorkommt, die man aber in Ostwestfalen und Niedersachsen oft nur mit "sen" enden ließt. Auch das Wort "Limes" kürzte man schließlich ein und nutzte nur die Vorsilbe "Lim", so wie sie es auch aus den Mündern ihrer "Bewacher" klang und sie es verstanden. "Lim" ein Wort, dass uns quer durch Europa und darüber hinaus unzählige Male begegnet. Mal sind es Worte wie Limbach wenn ein Bach eine Grenze bildet, mal ist es der einprägsame Bergrücken der Limberg, der wie eine Barriere wirkt und mal ist es die daraus hervor gegangene Limburg. Namen die sich bis Belgien und die Niederlande finden lassen. Limvorsilben wie sie im deutschen Sprachraum auch vielfach in Ortsnamen zu finden bzw. darin aufgegangen sind und wozu auch Worte wie Limbecke, Limbike oder Limbeke aber auch Limbierg und vielleicht auch Limrock zu zählen sind. Die etymologischen Argumente die sich um die Herkunft des Wortes "Lim" ranken können in keiner Weise befriedigen. Genauer betrachtet gibt es auch keine haltbaren Theorien die das Wort anders erklären könnten, als es auf diese antike Wurzel hin zurück zu führen. Während sich der Limitberg in seiner originalen Bedeutung abgewandelt von Limes vielleicht nur in der niederländischen Sprache in Südafrika als Limietberg erhalten hat, sind Limberge verbreiteter. Am Nordrand der Mittelgebirge häufen sie sich, sodass man die Wiehengebirgs - Egge auch den Limbergsattel nennt. Der Limberg mit seiner Limburg im Teutoburger Wald östlich von Bramsche war immer schon ein markanter Grenzberg ebenso wie der Schwaneyer Limberg am Ostrand der Egge. So bewahrten sich die Germanen möglicherweise auf ihre Art den alten Geist wie er sich im Ursprungswort verbarg, von dem sie aber die klare Vorstellung hatten, dass dieses Wort ursprünglich nicht positiv besetzt war. Aber nach dem Ende der römischen Besatzung setzten sie sich ihre Grenzen selbst und schufen sich ihren Limes. Aber der Weg vom Limes hin zum dazugehörigen Kastell war auch nicht weit wie es das augusteische Römerlager auf dem Limberg bei Sasbach am nördlichen Kaiserstuhl belegt. Zudem bestätigt sich die Theorie des Limberges als Grenzberg auch im Zuge der Entdeckung zweier Römerlager in Eschhofen einem Stadtteil von Limburg an der Lahn im Jahre 2012. Limberge könnten demzufolge auch hinweisgebend für ehemalige Befestigungsanlagen sein. Das unsere Vorfahren Bergkuppen zum Bau von Fluchtburgen nutzten ist bekannt und das sie sie Limberg nannten belegt auch der Limberg im saarländischen Wallerfangen. Allerdings konnte auf diesem Berg kein Römerlager, sondern die Reste keltischer Schutzanlagen der älteren und jüngeren Hallstattzeit entdeckt werden, obwohl sich nur etwa 1.500 Meter nördlich davon an der Saar die aus Cäsar Zeiten stammende Römerstadt Contiomagus befand, so dass hier im übertragenden Sinne ebenfalls ein Grenzberg vermutet werden darf. Hinzu kommt das dieser Grenzberg auch in einem Bereich liegt der seinerzeit die keltischen Treverer von Mediomatrikern voneinander trennte. Am Pfälzer Wald unterstreicht der Grenzcharakter des Haardtrandes mit dem Limberg und dem darauf thronenden Salierkloster Limburg bei Bad Dürkheim gemeinsam mit der keltischen Wallanlage und dem römischen Steinbruch das Erbe beider Kulturen. Dieser Limberg den man auch Linthberg nannte hätte somit Bezug zu einem angenommenen "Limitberg" gehabt. Denn "Limthberg" wird man ihn wegen der Aussprache nicht genannt haben, da es sich mit der Phonetik nicht verträgt. Aber zurück nach Ostwestfalen, wo ein weiterer Hinweis den Verdacht auf römische Namenstradition erhärten könnte. Vom Menkhauser Bachtal samt entdecktem Marschlager nach Barkhausen mussten die Legionen den Kamm des Teutoburger Waldes überqueren um in das Stammesgebiet der Angrivarier einzudringen. So wie die Egge bei Schwaney, die Stämme der Brukterer von den Cheruskern trennte, so werden die Höhenlagen des Teutoburger Waldes die Brukterer von den Angrivariern abgetrennt haben. Während aus Sicht der Cherusker der Nethegau den westlichsten Rand ihres Stammesgebietes kennzeichnete, breitete sich am Nordrand des Teutoburger Waldes der Grenzgaubezirk der Angrivarier aus. Und so nannten sie ihn auch. Es war der "Limgau" oder "Limga" bzw. "Lingauwe" an der Bega um Schötmar der auch zum Namensgeber von Lemgo wurde. Hier tritt die Silbe "Lim" mangels eines Berges als Bezugsgröße in einer Tallage auf und hinterließ ihre Spuren im Ortsteilnamen Lieme. Man könnte demnach sagen, dass sich im Wort Lieme noch in Reinform der Hinweis auf das Limitierende einer Grenzziehung erhalten haben könnte. Möchte man eine gegenteilige Auffassung vertreten, so könnte diese zum Inhalt haben, dass es auch Limberge und Limbäche gibt hinter denen sich keine Bezüge zu Grenzen oder Befestigungsanlagen erkennen lassen. Allerdings könnte dies auch nur vordergründig zutreffen. So ist es nicht auszuschließen, dass sich über historische Untersuchungen widererwartend doch Bestätigungen finden lassen oder bereits gefunden wurden aber in den Archiven schlummern. Die aus den Germanen hervor gegangenen Franken und Sachsen und andere wendeten es in dieser Sinngebung an, übernahmen möglicherweise auch noch seine Bedeutung und trugen zur Verbreitung der aus drei Buchstaben bestehenden Silbe bei. Die Zeitschiene in der man im frühen Deutschland noch die Begrifflichkeiten miteinander verband dürfte im Zuge der fränkischen Eroberungen ein Ende gefunden haben und führten zur gleichnamigen Bildungen von Ortsnamen. So träfe auch auf den Schwaneyer Lim(es)berg vieles zu. Er könnte sowohl der Standort eines befestigtes Lagers wie Aliso gewesen sein, als auch eine Grenzfunktion inne gehabt haben, denn er trennte nicht nur die Stammesgebiete der Brukterer von den Cheruskern, sondern könnte auch bezeichnend für das östliche Ende des einstigen Imperiums gewesen sein. Ein markanter Bergrücken an dem die Germanen einst das römische Vordringen zum Stillstand brachten und in Schwaney hätte ein Limberg demnach seine volle Berechtigung gehabt. Aber es wäre allemal ein interessantes Betätigungsgebiet für die Welt der Etymologen. (17.07.2021)

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Samstag, 10. Juli 2021
Zu Widersprüchlich um wahr zu sein - Das Paradoxe mit den "Abstellungen" - Zeit für einen Bruch mit dem Widersinn.
Man ist geneigt anzunehmen Cassius Dio immer richtig verstanden zu haben, aber auch ein Cassius Dio wird sich nie richtig interpretieren lassen. Trotzdem kleben wir förmlich an seinen Lippen und vergessen dabei gerne, dass er selbst den Verlauf der Varusschlacht rund 200 Jahre danach eigentlich auch nur so beschreiben konnte und es gedurft hätte wie es die Quellen hergaben bzw. erlaubten auf die er Zugriff hatte und was vielleicht viel wichtiger war, die er verwenden wollte. Das ihm bei der Auswahl und Bewertung schon mal sein Einfühlungsvermögen trog und ihm der Überblick entglitt darf man ihm Angesichts dieser historisch überlieferten "Schlammschlacht" und der für ihn schwer nachvollziehbaren Gefechtslage nicht ankreiden. Vom Originalverlauf so wie er ihn sich vorstellte wollte er sich nicht zu weit entfernen und verkürzte dafür zu unserem Leidwesen seinen Bericht an den interessantesten Stellen um nicht noch mehr von seinen Selbsteinschätzungen einfließen zu lassen. Schauen wir dann bei ihm genauer hin, so geraten wir in die missliche Lage einst für unerschütterlich gehaltene Überzeugungen über Bord werfen zu müssen. Hier sollen nun einige fragwürdige Passus seiner Niederschrift hinterfragt werden was dazu führen kann neues Licht in eine sehr sensible und richtungsweisende Phase im Vorfeld der Schlacht zu bringen. So weit lässt sich voraus sagen, dass durch das Resultat dieser Analyse wieder vieles auf den Prüfstand zu stellen ist, was uns aber helfen wird den Ablauf der Schlacht besser verstehen zu können. Denn die Methodik des Cassius Dio beruhte nicht auf der Annahme, das Dürftige was er las 1 : 1 wieder geben zu wollen. Sein Ziel war es auch seine Leser von seiner persönlichen Sichtweise zu überzeugen. So wie er annahm wie es sich damals zutrug und wie er es sich vorgestellt hatte. Und diesen ihm vorliegenden kargen Zeilen versuchte er nun sowohl einen als auch seinen Sinn zu entlocken. Zum einen weil er den Schlachtverlauf selbst verstehen wollte und zum anderen, weil er den Geist seiner Zeit treffen musste, denn für die Leser im 3. Jhdt. war die Schlacht schon lange kein Kassenschlager mehr. So darf es uns nicht verwundern, dass sein Werk aus verdichteten nahezu gepressten und zerhackten Satzteilen unter Zuhilfenahme weniger Worte bestand und er immer nur versuchte das für ihn Wesentliche zusammen zu raffen. Einmal entlarvt erkennen wir daher auch die Kalamität der richtigen Wortwahl in der er steckte. Synonyme standen ihm nicht viele zur Verfügung oder er nutzte sie nicht, wenn er die Lage beschrieb. Sein Stil wäre unser Dilemma würden wir seine Absicht dahinter nicht zu kennen glauben. Somit ist es auch gar nicht mehr so schwer uns mit seiner Form der Darstellung zu arrangieren. Wir müssen ihm nur eine gewisse Oberflächlichkeit zubilligen die seiner mageren Quellenlage geschuldet war. So hat er es uns wiederum leicht gemacht, weil er seinem Stil treu blieb. Nicht nur von Cassius Dio auch von den anderen antiken Historikern die sich mit der Varusschlacht beschäftigten, sind uns eine Reihe magischer Worte und Begriffe überliefert. An ihnen und mit ihnen wird seit jeher gedeutelt, gedoktert oder gefachsimpelt um aus ihnen die Lösung zu saugen. Sie stehen im Vordergrund, weil sich dahinter die ganze Bannbreite der Varusschlacht Mysterien verbirgt, denen man bislang nicht so recht auf die Schliche kam. Darunter befinden sich dann Schlagworte wie "Aliso", "Teutoburgiensi saltu". Aber auch die Worte "Knochenbestattung", "Lagerüberfall", "Sommerlager" und noch manch anderes Wort. Aber nicht zu vergessen, denn dazu gehört auch der Begriff "Abstellungen". Ein deutsches Wort das man hier für ein griechisches Wort eintauschte, weil man es für passend hielt. Das Wort "Abstellungen" war geboren man hielt es für das richtige und es wird seit jeher für diejenigen Legionäre angewendet, die Varus in die germanischen Dörfer zur Unterstützung ausgeliehen haben soll. Steigt man tiefer in die Palette der Namensentstehungen und ihre jeweilige Interpretationsgeschichte ein, dann könnte man für dieses Internet Buch auch einen anderen Namen finden und ihm den Titel geben: "Die Varusschlacht" Eigentlich war alles ganz anders". Aber er lautet nun mal "Vom Sommerlager in den Untergang" und daran hat sich dem Sinne nach auch nichts geändert. Varus könnte man vieles Anhängen, Unterstellen oder zum Vorwurf machen, aber einen Fehler wird man ihm sicherlich nicht ankreiden können. Nämlich eine Anweisung gegeben zu haben, wonach er Teile seiner Armee in die Siedlungen befreundeter Einheimischer entsandte und dort beließ, während er selbst in einen Unruheherd ziehen musste, wo man kriegerische Auseinandersetzungen erwartete. Und diese Entsendeten waren die so genannten Abstellungen von denen hier die Rede sein soll. Und dieser Teil der Cassius Dio Überlieferung ist deswegen zu recht umstritten, weil es sich so schlecht bzw. gar nicht in den Kontext des Gesamtgeschehens einfügen lässt. Denn in einer Phase in der man beabsichtigt die Sommerquartiere zu verlassen und sich zudem noch in einer Situation befand in der sich kritische Entwicklungen anbahnten, gibt man keine Legionäre mehr ab um Einheimischen entgegen zu kommen bzw. ihnen in der einen oder anderen Lebenslage behilflich zu sein, auch dann nicht wenn diese darum gebeten hatten. Sollte es jedoch so gewesen sein, dann holt man diese Expeditionstruppe zumindest so rechtzeitig wieder zurück um sie noch zum richtigen Zeitpunkt wieder in die Rückzugsarmee integrieren zu können. So ruft diese Textstelle von Cassius Dio förmlich nach Recherche, denn für den Zug zu den Rebellen wird man gerade diese Soldaten dringender benötigt haben als sie abzukommandieren. Zumal in einer als bedenklich dargestellten Lage in der man sich sogar aus Mangel eigener Soldaten der Unterstützung der germanischen Bündnispartner versichern musste. Es wäre auch aus der militärischen Sicht erfahrener Legionskommandeure betrachtet ein unvorstellbarer Akt gewesen römische Soldaten für den Schutz germanischer Dörfer abzustellen um im gleichen Moment germanische Krieger verdingen zu müssen, damit diese die eigenen Lücken schließen sollen. Man hätte also auf die germanische Kampfkraft bei den Aufrührern nicht verzichten wollen, konnte aber im Gegenzug eigene Soldaten abgeben. Klingt kurios. Ein Tauschgeschäft nach dem Motto, ihr schützt unsere Siedlungen und wir unterstützen euch bei den Aufrührern ist nicht schlüssig und entbehrt jeglicher Sinnhaftigkeit. Als plausibelste aller Gegendarstellungen erscheint noch die abgegriffene und unglaubliche Vorstellung Varus und seinem Generalstab war der gesamte gesunde Menschenverstand und das in jeder Hinsicht abhanden gekommen. Diese Männer stellte Varus dieser Theorie folgend nicht zur Verfügung um damit polizeiliche Aufgaben zu erfüllen, sondern gab sie nur für den Geleit des zivilen Marschzuges frei und stellte sie nur dafür ab und für nichts anderes, denn nur für derartige Funktionen gibt man seine Soldaten ab aber nicht um sie Räuber einfangen zu lassen. Denn Varus hatte den Aufruhr nicht völlig unterschätzt wie es oft suggeriert wird, sonst hätte er schließlich auch keine Cherusker hinzuziehen brauchen. Hierin verborgen steckt eine tiefe Unlogik und Ungereimtheit, die auch schon so manchen neuzeitlichen Forschern der Worte von Cassius Dio verwirrt und zum Rätseln gebracht hat und ihn vielleicht sogar fasst verzweifeln ließ. Und auch in diesem Fall stürzt uns Cassius Dio wieder in die alt bekannte Misere, denn auch das was er uns hier über die Abstellungen hinterließ, kann uns nicht so recht überzeugen. Aber nun haben wir seine Methode durchschaut und sind besser gerüstet um den möglichen Wahrheiten auf den Grund gehen zu können. Cassius Dio hatte wie man weiß mehrmals so seine Probleme damit, dass ihm zur Verfügung stehende alte Wissen über die Varusschlacht in einen ordnenden Rahmen zu überführen, damit seine Leser zumindest eine ungefähre Vorstellung vom Ablauf der Ereignisse bekommen konnten. Aber nicht nur Cassius Dio musste zeitweise im Trüben älterer Schriften fischen. Auch spätere Philologen und Schriftgelehrte konnten besonders dann irren, wenn es um die Übersetzungsplausibilität vom klassischen Latein ins Neudeutsche geht. In einem später folgenden Kapitel soll noch eine weitere Merkwürdigkeit zum Vorschein kommen mit der sich darlegen lässt, wie uns die spätere Sinngebung von Worten verwirren kann. Und das Cassius Dio die flüssige Chronologie der Geschehensabläufe plötzlich unterbrach bzw. auseinander riss um sie dann in seine eigene Überlieferungsmethodik zu integrieren, ließ sich bereits feststellen. Hier soll es aber zunächst um das Wort "Abstellungen" und seine Bedeutung gehen. Denn es ist bezeichnend für die Irritationen die entstehen können, wenn sich Interpretationen verselbstständigen die dann zu Fehlannahmen verleiten. So findet sich hier ein weiterer Ansatzpunkt anhand dem sich die Denkschritte von Cassius Dio nachvollziehen lassen. Ein Erkenntnisgewinn auf dem sich aufbauen lässt, denn nur so ließ sich erst heraus arbeiten, dass Arminius gar nicht imstande gewesen sein konnte nach dem morgendlichen Aufbruch aus dem Sommerlager noch am gleichen Tag seine Männer verständigen zu können, mit ihnen die "Abstellungen", wie allgemein angenommen in den Dörfern und Heimatgebieten der Cherusker nieder zu machen, um dann auch noch genügend Zeit zu finden Varus anzugreifen, der sich zu diesem Zeitpunkt schon sehr weit in den Nethegau hinein fort bewegt haben müsste. Taten und Distanzen die Arminius alle am ersten Tag gar nicht hätte begehen bzw. bewältigen können, ohne das ihn die Dämmerung überrascht hätte. Und erst aus dieser Rekonstruktion der Abfolge des ersten Marschtages heraus ergibt sich zwangsläufig, dass es für Varus unvermeidbar war nach rund 2o km Tagesetappe noch eine weitere Übernachtung einlegen zu müssen die uns zum bislang übersehenen Marschtag führt und unsere Vorstellungen von einer Mehrtagesschlacht stützt. Denn ohne Zwischenrast hätte sich das von Cassius Dio geschilderte Programm nicht realisieren lassen. Diese fand im Marschlager Brakel am Hellweg statt, dass seit prähistorischen Zeiten den Kreuzungspunkt einer Nordsüd - und einer Ostwestverbindung darstellt. Daraus erschließt sich wiederum bzw. es erhöht oder bekräftigt die Wahrscheinlichkeit die zu der Schlussfolgerung führt, dass man am Folgetag nach Brakel den Werte- Material - und Provianttransport mitsamt Frauen, Kindern, Sklaven und anderen, die bei einer militärischen Auseinandersetzung hinderlich gewesen wären nicht mit ins Krisengebiet nahm, sondern ihnen zubilligte sie auf direktem Weg nach Anreppen ziehen zu lassen. Zusammen gefasst gewinnt somit das Plausible zunehmend an Gewicht und der Varusschlacht kommt Schritt für Schritt das Nebulöse abhanden. Greifen wir nun in das Geschehen ein, dann zogen die Kampflegionen unter denen sich auch Varus befand am 2. Marschtag ab Brakel nach Süden in Richtung Warburger Börde und erst aus diesem Marschtag heraus entwickelte sich der erste Kampftag. An diesem Tag schalteten die Cherusker zunächst den Geleitschutz des zivilen Wertetransportes aus und nahmen ihn an sich. Dabei handelte es sich auch um diese so genannten Abstellungen, die man ihm zur Sicherung zugeteilt hatte und griffen danach die Kampflegionen während ihres Zuges in den Süden an. Man darf nun annehmen, dass der erste Marschtag ab dem Sommerlager noch einen ruhigen und ungestörten Verlauf nahm, an dem sich noch kein germanischer Krieger als Feind zu erkennen gab. Die sich hier entwickelnde neue Logik die in die Erkenntnis der Marschaufteilung mündet verändert auch unser Blickfeld auf den gesamten Verlauf. Und so erfährt auch das augenfällige Wort "Abstellungen" eine neue Auslegung und bekommt eine angemessene Bedeutung. Über die Jahrhunderte betrachtet hatte die gesamte historische Aufarbeitung aus den Zeilen des Cassius Dio folglich eine Wortschöpfung heraus gelesen, die dieser in der von späteren Generationen interpretierten Weise gar nicht benutzt bzw. gemeint hat. Diese Bezeichnung lautet "Abstellungen" verleitete die Nachwelt zu den bekannten Schlussfolgerungen und fortan verstand darunter jeder Historiker jene römischen Legionäre, die von Varus in die vermeintlichen germanischen Wohngebiete entsendet wurden, um den Germanen Hilfestellung zukommen zu lassen, was man dann kurz und bündig als die "Abstellungen" bezeichnete. Eigentlich war es auch ein passender Begriff, denn man stellte diese Männer auch in der Tat ab, aber nicht für das, was die Forschungsgeschichte aus ihnen machte. Den Worten Cassius Dio könnte man entnehmen, dass man sie von ihren originären Aufgaben als kämpfende Legionäre zu wirken entband und aus ihnen profane Bausoldaten mit mittelmäßiger Polizeifunktion machte. So könnte man es verstehen, so klingt es plausibel und so durfte man es auch heraus lesen, aber wie es sich tatsächlich verhielt wusste selbst ein Cassius Dio nicht, denn diese Details gingen aus seinen Quellen nicht hervor. Übersetzt ließt man es unter 56.19 (1). Da  schreibt Cassius Dio. "Varus hielt seine Legionen nicht zusammen, wie es in einem "FEINDLICHEN LAND" üblich war, sondern verteilte "VIELE" der Soldaten an "HILFLOSE" Gemeinschaften, die sie zu dem angeblichen Zweck anforderten, um verschiedene Punkte zu bewachen, Räuber festzunehmen oder Versorgungszüge zu eskortieren". Erklärungen die sich schon auffällig seltsam und unglaubwürdig anhören. Aber neben der nicht bezifferbaren Angabe und daher nicht definierbaren Stärke, wie es durch das Wort "VIELE" zum Ausdruck gebracht wird und die sich nur abschätzen lassen, eröffnet sich noch ein weiterer Gedankenspielraum. Nämlich sein warnender Hinweis der irritierend und unpassend zu gleich klingt. Denn daraus ergibt sich ein weiterer Aspekt der in diesem Rahmen mit zu behandeln ist, da er im Zusammenhang mit den "Abstellungen" auftritt. Eine Bemerkung die uns erneut die Methodik des Cassius Dio vor Augen führt. Nämlich die, dass Varus das Abstellen von Soldaten anordnete, obwohl oder während dessen man sich wie es Cassius Dio ausdrückt, in einem "FEINDLICHEN LAND" befand. Wie Cassius Dio zu dieser Aussage gelangt bleibt offen, denn es lässt sich nicht erkennen, ob er dies als seine persönliche Annahme, Empfindung oder Wahrnehmung nur grundsätzlich anmerkt, so als ob es damals allen bewusst gewesen sein müsste sich unter Feinden bewegt zu haben. Möglich auch, dass er diese Formulierung seinen Vorlagen entnommen haben könnte. Und natürlich müssen wir uns auch hier wieder mit den üblichen Recherchewegen und den daraus resultierenden Argumentationssträngen befassen. Nämlich zum einen den Text des vor langer Zeit verstorbenen antiken Historikers Cassius Dio genau studieren, der um seine Annalen schreiben zu können erst einmal selbst recherchieren musste und der dann das heraus filterte und zu erkennen versuchte, was auch seiner persönlichen Überzeugung entsprach. Und letztlich kommt für uns noch der Kraftakt hinzu heraus zu finden, was die neuzeitliche Forschung aus seiner in Teilen eigenwilligen Schrift machte. Erst dann können wir nach dem Realen forschen um nach Möglichkeit auch einen örtlichen Bezug zu den Handlungen herstellen zu können. Wir müssen sozusagen einen Quantensprung durch die Zeiten vollziehen und Cassius Dio als einen mit heutigen Ansprüchen gleichgestellten Forscher und Analysten akzeptieren. Erst aus der Verbindung von altem Schriftgut, auf das nur Cassius Dio seine Augen warf und dem was er daraus an Glaub - und Sinnhaftem deutete, können wir heute unsere Schlussfolgerungen ziehen die dann wieder wir für logisch halten. Aber wie verhielt es sich mit der von Cassius Dio so knapp und gleichzeitig diffuse gehaltenen Äußerung Varus habe sich mitten im "Feindesland bzw. in einem feindlichen Land" von wichtigen Teilen seiner Armee und das ohne Not bzw. Druck von außen, also völlig freiwillig getrennt. Wohlweislich, dass man damals und das wusste auch Cassius Dio, mit genau diesen Bewohnern, die er als "feindlich" betitelte einen Bündnisvertrag geschlossen hatte. Und derartige Vereinbarungen trifft man nur, wenn man sich gegenseitig vertraut und nicht verfeindet ist. Und diesen Feinden hatte man nun auch noch freundlicherweise seine Krieger zur Unterstützung ausgeliehen. Da stellt man sich natürlich die Frage, warum Varus "Feinden" Hilfe zukommen ließ, in dem er dabei half deren Siedlungen und sonstiges zu beschützen. Man darf also annehmen, dass Cassius Dio mit dem Hinweis auf "feindliches Land" erneut seine Sicht der Dinge nieder schrieb, aber Varus es damals anders sah. Unsere Aufgabe besteht nun darin heraus zu finden, wo sich denn nach Meinung von Cassius Dio dieses Feindesland befunden haben soll. Cassius Dio musste natürlich nach allem was er später über die Ereignisse las denken, dass sich Varus wie unter Feinden in einem feindlichen Land gefühlt und bewegt haben müsste. Und aus der Retrospektive betrachtet durfte es Cassius Dio auch so sehen. Aber der vor den Entscheidungen stehende Varus war wohl lange Zeit anderer Auffassung, denn erst in dem Moment als man begann ihn zu bekämpfen hatte er Grund sich unter Feinden zu sehen. Für ihn war Arminius bis zu diesem Augenblick ein zuverlässiger Partner und so begann für Varus aus seiner damaligen Sicht heraus betrachtet das Feindesland auch erst mit dem Einreiten in das Stammesgebiet der Aufrührer und natürlich ganz offensichtlich in dem Moment als man ihn angriff. Das Cassius Dio dieser Disens nicht auffiel ergibt sich aus seinem Quellenstudium, denn es stand darin geschrieben, dass die Abstellungen Proviantzüge zu bewachen hatten. Was sollte Cassius Dio nun diesen ihm vorliegenden Hinweisen auch anders entnehmen, als dass in Germanien unterwegs befindliche Proviantzüge in Gefahr geraten konnten ausgeraubt zu werden. Das es eben ein wildes Land war. Und natürlich musste Cassius Dio davon ausgehen, das es sich bei diesen Proviantzügen um Lebensmitteltransporte innerhalb der germanischen Stämme von A nach B handelte. Denn welche Lebensmittel sollten es auch gewesen sein, die die Germanen durch unruhige Regionen transportieren mussten, wo sie dann von ihren eigenen Landsleuten bedroht werden konnten. Er musste zwangsläufig annehmen, dass die Germanen sich gegenseitig überfallen hätten. Erneut eine seltsame Vorstellung. Cassius Dio ließ es aber im Detail unbeantwortet, ob die Abstellungen tatsächlich innergermanische Züge bewachen sollten, oder aber ob sie sicherzustellen hatten, dass ein römischer Proviantzug der von römischem Zivilpersonal begleitet wurde nicht von aufrührerischen Germanen überfallen werden konnte. Es lassen sich beide Versionen heraus lesen, wobei die Variante zwei die glaubwürdigere ist. Und natürlich konnte Cassius Dio auch an das Risiko gedacht haben, dass es möglicherweise verstreute Rebellengruppen gab, die eben jenem Zug der Frauen und Kinder nach Anreppen hätten gefährlich werden können. So wollte er dies möglicherweise mit dem Hinweis auf feindliches Gebiet zum Ausdruck bringen. Aber so war es nach Lage der Dinge nicht, denn es stand gegenüber Varus der harte Vorwurf im Raum, dass er seine Truppen nicht zusammen gehalten hatte und das verdeutlicht die Schwierigkeit die Cassius Dio damit hatte seinen Vorlagen eine Erklärung für das Verhalten von Varus entnehmen zu können und stimmte in den Chor der Varuskritiker ein. Die Lage lässt aber erkennen um welchen Geleitschutz es Varus im eigentlichen Sinne gegangen ist, nämlich darum mit diesen Abstellungen die Zivilisten zu schützen und worum Arminius ihn der Überlieferung nach gebeten hatte. So konnte er es Varus plausibel machen und es als Vorwand nutzen und ihn damit zusätzlich zu schwächen, in dem es ihm gelang weitere möglicherweise Schlacht mit entscheidende Truppen aus dem späteren Kampfgeschehen heraus zu lösen. Während Cassius Dio daraus den nebulösen Vorgang konstruieren musste, dass die Abstellungen den Germanen zu Hilfe kommen sollten, weil er in seinen Vorlagen nichts von einem zivilen Marschzug las. Und indirekt offenbarte und erhellte sich für Cassius Dio an dieser Stelle kurzzeitig der große Kontext des Geschehens, der ihm allerdings nicht bewusst wurde, da ihm die Verhältnisse und Gegebenheiten in Germanien nicht bekannt waren. So lässt sich über das Wort "Abstellungen" ein weiterer belastbarer Hinweis für die Aufteilung des Marschzuges ab Brakel entdecken. Aber wie verhielt es sich nun mit dem Feindesland. War Varus also nun unter Freunden oder war er unter Feinden. Welche Germanen sollten denn nun wie es Cassius Dio darstellte von den römischen Abstellungen geschützt werden, doch wohl nur die die loyal zu Varus standen. Aber vor allem auch die Frage vor wem wollte man denn die Germanen beschützen. Denn die eigenen Feinde kann man schlecht vor anderen Feinden schützen. Wo lag nun das Feindesland in dem Varus jeden Soldaten für seine Schlacht gebraucht hätte und niemanden hätte abstellen dürfen. Das seine Darstellung erst im Zusammenhang mit dem abgetrennten Marschzug einen Sinn ergibt, konnte Cassius Dio natürlich nicht durchschauen. Da wo die Cherusker auf Basis des Vertrages das Land gemeinsam mit Rom beherrschten konnte sich schließlich kein Feindesland befunden haben. So wäre Feindesland wieder nur da zu suchen, wo die Rebellen ihr Unwesen trieben. Und diese Information birgt nicht nur neuen Analysestoff in sich. Damit verriet sich Cassius Dio auch selbst bzw. das was er unter Geschichtsschreibung verstand und begab sich in die Fänge des antiken Mainstream. Natürlich musste jeder Historiker annehmen, dass man 200 Jahre nach der Schlacht als Cassius Dio schrieb im Imperium davon ausging, dass ganz Ostwestfalen durch und durch von Feinden durchsetzt war, da es sich letztlich als solches entpuppte. Aber Cassius Dio hätte keine Veranlassung gehabt anzunehmen, dass dies schon vor der Schlacht so war und hätte Varus seinen eigenen Entscheidungsspielraum gestatten und einräumen müssen. Cassius Dio versetzte sich nur zurück in die Zeit um 9 + und eine Zeit in der sich Freund und Feind für ihn bei dieser Gemengelage nicht mehr unterscheiden ließen. Er hätte es aber aus der Sichtweise von Varus darstellen müssen und nicht aus seiner eigenen vorbelasteten Meinung und Vorstellung. Cassius Dio hätte in seinen Zeilen auf die besondere Phase eingehen müssen, als Varus die bekannten Wege verließ und in unbekanntes Terrain einschwenkte. Der heikle Übergangsbereich zwischen dem vermeintlichen Freundesland des Bündnispartner also den Cheruskern und dem Feind, den Aufrührern. Dieser Theorie nach wäre Brakel der Ort gewesen, wo ihn die Abstellungen am zweiten Marschtag auf sein Geheiß hin in Richtung Westen verließen und er nach Süden marschierte. Brakel lag im langen Durchzugschlauch der durch ein Gebiet verlief, dass von befreundeten Cheruskern beherrscht war. Zur Grenzstation wurde es erst wenn man von Brakel aus in den Süden vordrang, denn es lässt sich nicht recherchieren wie weit die cheruskischen Territorien reichten, wo sie also im Süden endeten, auch wenn die Diemel dabei eine wichtige Landmarke gewesen sein dürfte. Zum besseren Verständnis lässt sich die Begrifflichkeit des "Feindeslandes" auch in Form von Varianten darstellen:

Variante 1.)
Varus hielt seine Legionen im Feindesland nicht zusammen. Eine Pauschalisierung worunter Cassius Dio demnach wohl die gesamte Region verstand, zumindest aber das heutige Ostwestfalen in der sich Varus aufhielt. Dies umfasste demnach auch die Stammlande der Cherusker also das Gebiet des römischen Bündnispartners. Folgen wir Cassius Dio, dann hätte sich Varus demzufolge auch schon unter den Cheruskern wie unter Feinden fühlen müssen. Was jedoch irritiert, denn ihr Herrschaftsgebiet hätte Cassius Dio vor der Schlacht nicht als Feindesgebiet bezeichnen dürfen.

Variante 2.)

Varus hielt seine Legionen im Feindesland nicht zusammen, worunter Cassius Dio nur die Siedlungsgebiete des Aufrührerstammes verstand. Germanen, mit denen Varus keinen Vertrag geschlossen hatte. In diesem Fall hätte Varus seine Abstellungen abkommandiert während er sich bereits im feindlich gesinnten Rebellengebiet befand, also schon in einer Region in der die Kämpfe unmittelbar vor dem offenen Ausbruch standen. Aber in dieser prekären Situation hätte Varus mit Sicherheit keine Truppen für was auch immer abgegeben.

Variante 3.)

So bleibt demnach nur die Feststellung, dass Cassius Dio die Abgabe von Legionären zutiefst verwirrte, denn Varus hätte dies Angesichts der Gefahr nicht anordnen dürfen. Das sich aber Varus zu dem Zeitpunkt als er die Entsendung der Abstellungen veranlasste nicht in Feindesland wähnte, erschloss sich Cassius Dio nicht. Denn dazu fehlte ihm der nötige Überblick. Cassius Dio sah daher keine andere Möglichkeit als es in dergestalt zu formulieren und sprach daher verallgemeinernd von Feindesland. Eine andere Erklärung konnte er sich für die Zustände nicht geben die sich damals rund 150 Jahre vor seiner Geburt im Norden zutrugen.
Cassius Dio entnahm seinen Quellen, dass Varus seine Truppen nicht konzentrierte, ein schwer wiegender Vorwurf aber vermutlich las er nicht mehr und nicht weniger als das. Dies war soweit auch zweifellos richtig, aber Varus sonderte seine Soldaten auch nicht unbedacht ab, sondern tat es in einer Phase völliger Unbesorgtheit zum Schutze des zivilen Marschzuges. Cassius Dio gab hier seinem Bauchgefühl bzw. seiner eigenen Einschätzung nach und baute seine Vermutung wider besseres Wissens in seine Überlieferung ein. Aber aus dieser zweifellos nachvollziehbaren Entscheidung konstruierte die Nachwelt ein Totschlagargument gegen die gesamte varianische Kriegführung. Cassius Dio ging also davon aus, Varus hätte zum Zeitpunkt der Entsendung seiner Soldaten bereits wissen müssen, dass er sich nur unter Verrätern also Feinden bewegen würde und unterstellte ihm damit völlige Ahnungslosigkeit. So war es also sogar noch 2oo Jahre nach dem Tod von Varus immer noch opportun in ihm den Alleinschuldigen zu sehen, der bis zuletzt nicht erkannte wie man ihn hinter ging. Cassius Dio war der Blick auf die damalige Realität verwehrt und man darf ihm daher diese Versionsgeschichte die er in eine gängige Unterstellung kleidete nach sehen. So hätten wir Cassius Dio wieder dabei ertappt wie er eigene Ansichten einflocht um die Varusschlacht für seine Leser flüssig zu halten und nachvollziehbar zu machen. Nach dem Motto "Wie konnte denn dieser Varus bloß nur seine Soldaten abgeben, wo er doch genau wusste, dass er sich in Feindesland befand und wo er sie doch dringend in der Schlacht gebraucht hätte". Aber letztlich entschied sich Varus dafür seine Soldaten abzustellen, als er sich noch im sicheren Brakel und damit im befreundeten Cheruskerland befand. Ein Zeitpunkt als er noch nicht zu den Aufrührern unterwegs war. Und Varus schickte die Abstellungen auch nicht in die germanischen Dörfer, sondern gab sie aus Umsicht und Weitblick dem zivilen Tross mit bzw. vertraute die Soldaten zu deren Schutz an. Und darunter für einen Tross einen ordnungsgemäßen Geleitschutz abzustellen, kann man wahrlich keine militärische Absurdität erkennen, selbst dann nicht, wenn keinerlei Gefahr in Sicht gewesen wäre. Man muss seine Entscheidung sogar als völlig normal bezeichnen. Im Gegenzug könnte man sogar annehmen, dass Arminius gar nicht an der Entsendung beteiligt war und dies einzig den Überlegungen von Varus entsprang. Aber es hätte gut in eine Stimmung gepasst wonach Varus dem Ansinnen von Arminius naiv und blind gefolgt wäre. Cassius Dio hingegen las in seinen oberflächlichen Quellen nur, dass Varus einige seiner Männer noch vor der Schlacht abgegeben haben soll und fahndete händeringend nach einer Erklärung für diese absurde Tat. So schwächelt hier die Überlieferung von Cassius Dio, denn Varus gab den Befehl zur Entsendung nicht in einem feindlichen Land, sondern schon in Brakel und er konnte den Befehl auch nicht gegeben haben, als er schon zu den rebellisch gesinnten Aufrührern unterwegs war, denn zu diesem Zeitpunkt war die Marschaufteilung bereits vollzogen. Und Varus der sich unter den Cheruskern nicht wie in einem feindlichen Land fühlte hatte auch keine Probleme damit Teile seiner Armee zum Geleit des Zuges abzustellen. Eben weniger deswegen, weil er für den Tross eine Gefahr von außen befürchtete, sondern weil seine Männer lediglich die Disziplin im Zug aufrecht zu halten hatten, bei den Steigungen aushelfen mussten und natürlich weil sie auf seine persönlichen Wertsachen achten sollten. Und zweifellos auch deswegen weil es ihm vielleicht auch die Germanen aus naheliegenden Gründen angeraten haben sollen. Somit liefert uns Cassius Dio mit dieser Bemerkung wieder einen klassischen Fall von Eigeninterpretation. Einer nachträglich eingeschobenen persönlichen Meinung die auf einer subjektiven und befangenen aber damals weit verbreiteten Ansicht beruhte, der er sich mangels besseres Wissen anschloss. Aber das Lager Brakel, dass sich selbst noch im cheruskischen Freundesland befand, wurde in dem Moment als man es in Richtung Süden verließ in der Tat zu einem Frontlager, denn von hier aus machte Varus sich nach Süden zu den Rebellen auf. Als Varus sich von den Abstellungen trennte und sie für den zivilen Geleit freigab befand er sich kurz vor dem Aufbruch aus dem Lager Brakel und er war auch der vollen Überzeugung, die Abstellungen nicht vom Feindesland aus in ein anderes Feindesland entlassen zu haben. Für Varus war das ganze Land zwischen Brakel und Anreppen, wenn auch noch in einem frühen Stadium, so aber doch mit Hilfe der Cherusker bereits provinzialrömisch dominiert, man verfügte auf den Eggehöhen über das mächtige Fort Aliso und er fürchtete bekanntlich wie in allen Überlieferungen zu lesen ist keine Gefahr. Und Gefahr befürchtet man bekanntlich nicht wenn man sich sicher ist nicht in Feindesland unterwegs zu sein. Möchte man es anders sehen, dann kommt ein Kontrast zum Ausdruck in dem Cassius Dio eine in die Irre führende Trennlinie zieht. Denn wenn er von Feindesland spricht hätte er auch noch Raum für Freundesland lassen müssen, auf was er aber verzichtete. So hatte Rom nach seiner Späteinschätzung offensichtlich in Germanien keinerlei Freunde und bewegte sich nur in Feindesland. Die Möglichkeit, dass Arminius vorgegeben haben könnte, es handele sich bei den Aufrührern um einen cheruskischen Teilstamm, wäre wohl zu hypothetisch, zumal sein gesamtes Szenario auf Hinterlist aufgebaut war. Und natürlich ging Varus davon aus, dass sich der zivile Marschzug durch Freundesland bewegen und auch unangetastet in Anreppen eintreffen würde, während er sich selbst ab Brakel schon mit einem Fuß im Feindesland wähnte, noch bevor er deren Stammeszentrum erreicht hatte. Denn es begann an unbekannten Ort irgendwo zwischen Brakel und der Eggeschlucht. Wo also hätte Cassius Dio die Grenze zwischen Feindes- und Freundesland auch ziehen sollen. Genau genommen konnte er sie mangels Ortskenntnis gar nicht ziehen, er schlussfolgerte nur und überließ es dem Leser. Aber seine vage und gut durchschaubare Festlegung bietet für uns Anhaltspunkte um unser Vorstellungsvermögen dafür zu schärfen, wie man 200 Jahre nach der Schlacht die damalige Gefahrenlage einschätzte. Für Cassius Dio war demzufolge bereits alles Land das Varus umgab Feindesland, obwohl es doch erst zu Feindesland wurde, als sich ihm die Cherusker als Feinde entgegen stellten. Das aber vor ihm der zivile Zug am Gradberg zuerst die leidige Erfahrung machen musste schon im Feindesland unterwegs zu sein konnte Varus nicht ahnen und wird es vermutlich auch nie erfahren haben, denn zwischen beiden Schauplätzen existierte keine Kommunikationsschiene, mehr. Und so konnte man es Varus auch nicht zum Vorwurf machen, er habe seine Abstellungen mit vollem Wissen in einen Gefahrenbereich entsendet. So gelesen läge ein weiterer Hinweis darüber vor, dass Varus seinen Marschzug aufteilte. Damit ist auch das Argument entfallen und ausgeräumt, Varus vorwerfen zu können er hätte es verhindern müssen die Abstellungen einer Gefahr auszusetzen und habe sie "in Feindesland" nicht zusammen gehalten. Aber so haben wir Cassius Dio kennen gelernt, nämlich als Mann der viele seiner historischen Nachrichten kontextfrei also zusammenhanglos aneinander reihte um es plausibel zu fassen und so zu hinterlassen. Im Kapitel ( 56,18.5 ) beginnt Cassius Dio dann damit auf die Ursachen einzugehen, die zur Schlacht führten, die Motive die die Germanen hatten und wie sie sich taktisch verhielten um Varus ihre Friedfertigkeit glaubhaft zu machen. Passend zu Paterculus, der bereits von fingierten Gerichtsverfahren wusste. Aber ab Kapitel ( 56,19,1 ) wendete sich das Blatt merklich, denn nun rückt bei Cassius Dio die Schlacht literarisch näher. Er erweckte den Eindruck, als ob bereits in der Phase wachsenden Unmutes Abstellungen aus dem Kern der Truppe heraus gelöst wurden, um sie in die Siedlungsgebiete für diverse Hilfsdienste zu verteilen. Cassius Dio erklärte sich auf diese Weise die Schwäche der drei Legionen die deswegen nicht imstande waren die Schlacht für sich zu entscheiden. Er wusste offensichtlich davon, dass der militärische Gesamtkörper der Varusarmee zum Zeitpunkt der Schlacht Varus nicht mehr komplett zur Verfügung stand. Aber er verstand nicht die Ursachen, die sich dahinter verbargen und konstruierte sich die Sachlage unter Zuhilfenahme der absonderlichsten Begründungen. So zwingt ihn sein schlechter Informationsstand förmlich zu einem plötzlichen Wandel in seiner "Tonart". Denn Cassius Dio beschreibt uns ein missverständliches feldherrisches Fehlverhalten in einer sehr frühen Phase. Denn während er in Kapitel ( 56,18.5 ) noch positiv zum Ausdruck bringt wie die Germanen mit Varus doch so freundschaftlich und friedfertig verkehrten, erklärte er schon im direkten Folgekapitel ( 56,19,1 ) und das völlig unmissverständlich die ganze Region plötzlich zu Feindesland. Ein jäher Abriss in dem ihn seine ganze Vorstellungskraft verlassen haben muss und zum Ausdruck kommt, wie sehr er seine Vorlagen anzweifelt. Als Fazit seiner Worte lässt sich sagen, dass Varus die Lage gänzlich verkannte und Cassius Dio völlig unbefangen und ohne Wissen von der Marschaufteilung am Vormittag des zweiten Marschtages war, da seine Quellen darauf mit keinem Wort eingingen bzw. man es ihnen auch nicht entnehmen konnte. Seinen Vorlagen könnte er lediglich Hinweise auf Gefechte entnommen haben, die andernorts und vor der eigentlichen Varusschlacht statt fanden. Er las auch, dass an diesen Gefechten zahlreiche Römer beteiligt waren, die von den Germanen vorher angefordert, dann aber besiegt wurden. Und er stieß auf Passagen die für ihn sehr eindeutig klangen. Denn seine Quellen berichteten von eben jenen Proviantzügen die man vor Räubern schützen musste und von Örtlichkeiten die es zu bewachen galt. Hinweise die Cassius Dio aber nicht mit dem zivilen Tross in Verbindung bringen konnte. Er war also ohne Kenntnis darüber, dass hier die Geleitmannschaft gemeint war. Damit setzte er ohne es zu wollen eine Deutung in die Welt, die uns den Blick auf das nahe liegende vernebelte. Denn es war in der Tat ein großer und aus sehr viel Proviant bestehender Tross nötig und dieser Tross verkehrte auch nicht zwischen x beliebigen germanischen Dörfern wo er Gefahren ausgesetzt war. Es war jene Kolonne deren Aufgabe darin bestand alle nötigen Vorräte und bedeutsame Gegenstände vom Sommerlager aus auf direktem Weg an die Lippe zu schaffen. Und möglicherweise auch Proviant und Ausrüstung mit dem dann die Legionen versorgt sein wollten bzw. werden mussten, wenn sich diese nach Erledigung ihres Auftrages wieder mit dem Tross vereinten. Die Nachwelt machte aus diesen römischen Abstellungen jene Hilfskräfte, die man den Germanen für Aufbau- und Überwachungsarbeiten zur Verfügung gestellt hatte aber keineswegs Geleitmannschaften die dafür zu sorgen hatte, dass der Treck unversehrt in Anreppen eintreffen sollte. Damit erübrigt sich auch die Frage warum Varus diese Abstellungen nicht rechtzeitig in seine Armee integrierte und zurück beorderte, denn ihr Auftrag bestand aus der Bewachung des zivilen Marschzuges. Cassius Dio konnte diese Zusammenhänge wie dargestellt nicht überblicken und vermengte sie für uns bis zur Unkenntlichkeit. Denn ohne die Zusatztheorie der Marschaufteilung hätte sich uns dieser Disens nie in seiner ganzen Bedeutung offenbart. Eine von Varus vorgenommene Marschaufteilung die nie bis in den Palatin gelangte und in die Senatsakten in der erwünschten Deutlichkeit mit aufgenommen wurde. Es war ein Kenntnisstand den nur die Menschen besaßen die sich in Ostwestfalen auskannten, von den geographischen Gegebenheiten wussten und denen der Weg ins rettende Aliso glückte. Man kannte von Germanien nur dichte Wälder, fruchtbares Offenland, Gebirgshindernisse, Flüsse, Stammeszentren, germanische Höhenburgen und feste Bollwerke die man selbst geschaffen hatte. Kaiser Augustus und dem ganzen römischen Militärapparat lag kein belastbares Kartenwerk vor. Da existierte nichts dergleichen in der die diversen Kastelle, Marschstrecken, Entfernungen oder andere Fixpunkte verzeichnet waren. Damals wurde im Rahmen der Möglichkeiten "von der Hand in den Mund" entschieden und Hindernisse aus dem Weg geräumt wenn man sie erkannte. Wie sollte man also unter diesen Umständen in Rom auch ein Verständnis für die nötige Logistik und Versorgungslage entwickeln. Man werfe nur einen Blick auf die verzerrte "Tabula Peutingeriana" und erwarte dann noch ernsthaft, dass sich auf dieser Basis exakte Eroberungspläne schmieden lassen, denn selbst für die belebte Rheinschiene war die Art der Darstellung dürftig. Die Kette der einzelnen Stationen der römischen Provinzialisierung zwischen Lippe und Weser war die römische Lebensader und Blutbahn der Zivilisation, wich man von ihr ab bewegte man sich der Lesart nach schnell in Feindesland. Cassius Dio wusste lediglich davon, dass die Cherusker Varus ein praktisches Hilfsangebot in Form eines Kontingentes für den Zug zu den Rebellen unterbreiteten. Was ihn verwirrte und ihm die Entscheidung von Varus befremdlich vorkommen ließ, war die Tatsache , dass er vor diesem kritischen Hintergrund Teile seiner Truppen abgab. So lässt sich Cassius Dio auch kein historischer Überlieferungsfehler vorwerfen denn in Unkenntnis zu sein ist nicht fehlerbehaftet, er hätte es nur stärker als seinen persönlichen Verdacht kennzeichnen brauchen und Quelle von Interpretation trennen müssen. Und was er verarbeitete war das, wozu er aus seiner Sicht imstande war. Aber bekanntlich läuft man nicht nur als Historiker schnell Gefahr Fakten mit Annahmen zu vermischen.(09.07.2021)

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Samstag, 5. Juni 2021
Der Marsch in die Rebellengebiete - Wie stand es um die Versorgung der Legionen.
Elementare also grundsätzliche und somit praktische Sichtweisen kommen im Zuge der historischen Schlachtenauswertung oft zu kurz weil sie sich kaum oder nicht mehr erfassen lassen und weil es mit jedem vergangenen Jahrhundert schwieriger wird. Aber auch weil man sich die Mühe erspart derartigen Überlegungen in ihre Tiefe zu folgen. So gehört das Zusammenspiel von Zeitbedarf, Marschtempo, Logistik und Verproviantierung zu den ungeliebten "Geisterwissenschaften" denen schlecht beizukommen ist und die man häufig außen vor lässt, weil daraus zu schnell nackte, lästige und scheinbar überflüssige Zahlengerüste werden mit denen wir unsere Visionen nicht vernebeln lassen wollen. Geschichtsfreunde und Professoren sind selten Mathematiker dabei sollten gerade diese Dinge die immer Kriegs - und Schlachten entscheidend waren, da sie sich mit historischen Truppenbewegungen beschäftigen am Anfang aller Überlegungen stehen. Mit guten Bögen aber ohne genügend Pfeile, mit stumpfen Klingen, schlechtem Schuhwerk, oder hungrigen Kämpfern kann selbst der beste Feldherr kein Gefecht für sich entscheiden und bei Varus wäre es nicht anders gewesen. Wie also bemaß Varus den logistischen Aufwand den er zu treiben hatte um alle in ausreichender Weise zu versorgen und welche Eigenvorsorge befahl er ihnen für die geplante mehrtägige Operation im Rebellengebiet zu leisten. Wieviel Proviant hatte jeder Einzelne nach dem Verlassen des Hauptlagers mit sich zu führen und von wieviel Tagen Abwesenheit von sicheren Versorgungsdepots ging Varus aus. Das man sich im Hauptlager die Taschen voll stopfte darf erwartet werden und auch das am ersten Rastlager im vermeintlichen Brakel noch etwas hinzu kam. Aber dann musste es reichen, denn mit dem Abgreifen von rechts und links des Wegesrandes wird es für einige tausend Personen schlecht bestellt gewesen sein und die Germanen hatten diesbezüglich Vorkehrungen getroffen und es zu verhindern gewusst. So zielt die Fragestellung dieses Kapitels auf zwei Grundsatzüberlegungen ab. Nämlich zum einen die, wie viele Tage der Proviant für die kämpfende Truppe zu reichen hatte, zum anderen aber auch eine Frage die hier im Vordergrund stehen soll. Nämlich die, die sich aus der gesamten Proviantlage ergibt und die sich um die Problematik dreht, was die Mitnahme eines umfänglichen zivilen Anhangs für einen zusätzlichen Transport Mehraufwandes an Gütern zur Folge gehabt hätte. Ein vermeidbarer Kraftakt den sich Varus mit seiner Entscheidung ersparen konnte, indem er den Zivilpersonen den bequemeren Rückweg gönnte. Hätte er sie mitgenommen, dann galt es aber auch die Versorgung sowohl der Truppen als auch der Zivilisten für den Weg in das angenommene Kampfgebiet, als auch den dortigen Aufenthalt, aber auch noch für der Rückweg zur Lippe sicher zu stellen. Je nach dem wie man es bewerten möchte, mit oder ohne den zivilen Tross, es war allemal ein logistischer Akt. Die Anmarschzeit, die Einsatzdauer und die Abmarschzeit bestimmten folglich nicht nur die Proviantmitnahme sondern auch das gesamte Marsch Equipement. Waren nun wider erwarten unter ihnen auch Zivilisten unterschiedlicher Zusammensetzung und unbekannter Anzahl, so musste Varus dem in vollen Umfang Rechnung tragen. Um aber die Plausibilität nicht zu kurz kommen zu lassen bedarf es zunächst eines kurzen Einstieges ins Grundlegende. Die römische Armee ist bekannt für ihre strenge, autoritäre Disziplin basierend auf exzellenten Befehlsstrukturen und teils unnachgiebigen Kommandeuren. Stützte sich auf straffe Organisationsabläufe war selbstbewusst, siegesgewohnt und siegesverwöhnt. Die in Ostwestfalen untergegangenen Legionen sollen nach Paterculus sogar die Crème de la Crème der damaligen Zeit gewesen sein. Jeder Schritt wurde im Vorfeld durchdacht und man überließ wenig dem Zufall. Wenn sie im Legionsverbund bestehend aus tausenden von Soldaten koordiniert vorgingen hatte jeder seinen Platz, genau darin lag ihr Erfolgsrezept und genau diese Systematik konnten sie in jenem September nicht anwenden. Zusammengefasst waren es unter Feldschlachtbedingungen die eingeübten Abläufe militärischer Logistik, die optimale Waffenausrüstung und im Nahkampf die Routine die ihnen das Siegen erleichterte. Und nicht zu vergessen oft auch ein dem nicht gewachsener Gegner der es ihnen leicht machte. Aber die Truppenführung der drei Varuslegionen vom Centurio bis zum Stabsoffizier wollte auch von der richtigen Vorgehensweise überzeugt sein. Und das schienen sie anfänglich auch gewesen zu sein, da allen die Strategie sich von den nervenden Zivilisten abzutrennen schlüssig erschien. Zumindest gingen die Legionäre damit bis zu dem Zeitpunkt konform, als man ihnen aus taktischen Gründen am ersten Kampftag, dem zweiten Marschtag befahl passiv bleiben zu müssen, denn dazu liegen uns von Paterculus anderslautende Überlieferungen vor. Soldaten mussten und wollten im Ernstfall die Waffe ziehen und sie wollten dabei auf keine störenden Zivilisten achten müssen. So sprechen auch derartige Überlegungen dafür, dass Varus seinen Rückmarschzug halbierte besser gesagt aufsplitten musste und aus ihm einen zivilen und einen militärischen Teil machte. Möglicherweise aus der bloßen Unwissenheit einer falschen Grundeinschätzung heraus, oder einer unangemessenen Bewertung der Lage vor Ort trugen die antiken Historiker den realen Bedingungen und das nicht nur in diesem Fall, keine Rechnung. Sie verschwiegen fiel und verinnerlichten sich nicht das Geschehen, konnten ihm nicht folgen und schenkten vielem keine Beachtung, wohl weil es ihre Leser nicht interessierte. Angesichts der gewaltigen Varusschlacht werden derartige Details auch unwesentlich geworden sein und traten in den Hintergrund. Denn wer konnte oder wollte später überhaupt noch über die Marschaufteilung berichten. Zumal diese taktisch kluge Entscheidung auch noch für die militärische Umsichtigkeit von Varus gesprochen hätte, an dem niemand ein gutes Haar lassen wollte und durfte. Um es näher zu begründen ist es noch mal erforderlich den Ablauf der Geschehnisse des ersten Marschtag unter nachvollziehbaren Gesichtspunkten zu analysieren. Denn erst ein genauer Blick auf die Zeitraffer artige Beschreibung von Cassius Dio verrät uns die wichtige und verborgen gebliebene Erkenntnis. Denn schlicht und einfach ausgedrückt beruht die Theorie auf der Tatsache, dass um die Zeit der Herbstsonnenwende der helle Tag unter Einbeziehung der Dämmerung- und Eintrübungssphasen nur 12 Stunden hat und im halbdunklen konnte man nicht reiten und wollte auch keiner kämpfen. Eine umfassende Erläuterung dazu findet sich in dem Kapitel - Die erste Offenbarung des C. Dio - Ein Schlüssel zur Varusschlacht. "Der lang gesuchte Marschtag". Und darin lässt sich auch eine Erklärung für die Absicht von Varus finden, den Zug auf zwei Wegen zur Lippe führen zu wollen. In der Replik zum besseren Verständnis nochmal die dazu gehörige Theorie. Als Arminius am ersten Marschtag die Kolonne zu unbekannter Zeit und an einem unbekannten Ort absprachegemäß verließ, berichtet Cassius Dio was er danach getan haben soll. Zuerst übernahm er seine Männer, dann schaltete er die Abstellungen aus und danach suchte er Anschluss an Varus um ihn anzugreifen bzw. ihm in den Rücken zu fallen. Insgesamt betrachtet ein volles Programm was sich nicht im Hand umdrehen bewältigen ließ. Man könnte sich noch eine Situation vorstellen, nach der Arminius zumindest Teile seiner Streitkräfte an einem vereinbarten Ort antraf, wo sie ihn schon erwarteten. Aber es werden dort möglicherweise auch nicht alle gewesen sein und sie werden ihn auch nicht in geschlossener Formation wie an einer Bushaltestelle empfangen haben. Viel mehr werden aus unterschiedlichen Richtungen immer wieder kleinere und größere Trupps zu ihm gestoßen sein und selbst am frühen Morgen des ersten Kampftages werden im Umfeld des Gradberges noch weitere Krieger zur Verstärkung eingetroffen sein. Denn um unnötige Risiken auszuschließen ritt damals keine Kampfeinheit unnötige Strecken, nur um sich an einem Treffpunkt mit Arminius vereinen zu wollen, dazu kannte man die Region zu gut. Aber zunächst verbrachte Arminius die Nacht nach dem ersten Marschtag mit seinen Kriegern im Umfeld des Gradberges und erwartete dort den zivilen Marschzug am anderen Morgen. Arminius konnte sich dieser Terminologie nach nicht bereits am ersten Marschtag gegen Nachmittag auf die Abstellungen, die man an der Oese vermuten darf stürzen und gleich danach noch Varus angreifen. Denn dies passt nicht ins tageszeitliche Fenster. Der Aufwand, die Distanzen, die Lichtverhältnisse und erst recht nicht die unvorhersehbaren Randerscheinungen gaben es nicht her. Denn Ende September beginnt man zu fortgeschrittener Stunde keinen Angriff mehr auf einen wehrhaften römischen Marschzug bestehend aus Truppenverbänden mitsamt schwer bewaffneter Legionäre. Und bei eben jenen so häufig zitierten Abstellungen die Arminius vorher noch nieder machte, handelte es sich möglicherweise um die römischen Legionäre die Varus als Geleitschutz dem zivilen Tross mit gab. Bezieht man aber bei realistischer Betrachtung eine Übernachtung, wie die in Brakel angenommene mit ein, dann ergibt sich ein entspannteres Bild und die Rechnung geht auf. Denn am zweiten Marschtag als im Verlauf des Vormittags beide Züge Brakel verließen, der eine nach Süden, der andere nach Westen reichten auch die Tagesstunden für Arminius aus und er konnte sowohl die Abstellungen nieder ringen, als auch noch den Kampf gegen Varus aufnehmen bzw. mit eingreifen. Der Überlieferung von Cassius Dio nach soll sich Varus zum Zeitpunkt des Angriffs bereits in unwegsamen Gelände befunden haben. Aber am ersten Marschtag brauchte sich Varus im Gegensatz zum zweiten Marschtag noch nicht auf schwierigem Terrain fort bewegen, denn da befand er sich noch in räumlicher Nähe zum Sommerlager zwischen Höxter und Brakel, wo die Wege im besseren Zustand waren. Der schlechte Wegezustand verrät es und stützt diese Theorie, dass Varus zum Zeitpunkt des Angriffs den römischen Hellweg bereits verlassen hatte. Damit verdichtet sich die Annahme, dass Varus nicht am ersten, sondern erst am zweiten Marschtag angegriffen wurde. So wird ersichtlich, dass hier ein ganzer nämlich der erste unblutig verlaufende Marschtag durch die von Cassius Dio gewählte Form der Darstellung in der Chronologie unterdrückt wurde was nie auffiel. Es war der erste Tag vom Sommerlager der an der Weser begann und in Brakel endete der Tag an dem Arminius sich von Varus trennte und er verlief demzufolge noch völlig friedlich. Als eine weitere Begründung für die Marschzugaufteilung kommt bekanntlich hinzu, dass man die zahlreichen Zivilisten nicht der Gefahr eines Gefechtes aussetzen wollte. Und natürlich wollte man auch sicher stellen, dass der umfangreiche Tross unbeschadet am Ziel eintrifft. Aber es kam anders, denn der begehrte zivile Tross fiel komplett in die Hände der Germanen. Es waren die ersten Schwerthiebe der Varusschlacht die sich dieser Theorie zufolge um den zur Oese abfallenden Gradberg ereigneten und für die Germanen war es die Stunde des Beute machen und so dürften sich daran auch Germanen aus anderen Stämmen beteiligt haben. Neben den Cheruskern zuvorderst die vermutlich ab Schwaney auf der Paderborner Hochebene siedelnden Brukterer aber entfernungsbedingt wohl weniger die Chatten, obwohl der Name "Kattenborn" westlich des Gradberges am alten Hellweg danach klingen könnte. In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Cassius Dio und auch kein anderer antiker Historiker eine klare Aussage darüber hinterließ, dass Frauen und Kinder oder andere Teilnehmer des zivilen Marschzuges jemals das ersehnte Kastell Aliso wohl auf der Eggehöhe bei Schwaney liegend, erreichten. Diese Annahme geht nur auf Mutmaßungen neuzeitlicher Historiker zurück, die es so lesen möchten und man erschloss es sich, weil die Hinweise darauf im Kontext zur Varusschlacht standen. Diese Thematik erfordert allerdings eine unabhängige Betrachtungsweise, der noch ein eigenständiges Kapitel gewidmet ist. Es soll Klarheit in die Abwegigkeit der Überlegungen bringen, wonach es Varusschlacht Teilnehmern gelungen sein soll, sich nach Aliso zu retten. Bekanntlich lockten die Germanen Varus in einen ihm weniger bekannten Hinterhalt und das weit ab von den häufiger frequentierten Wegen in eine unwirtliche Region, wo am Ende ein steiler Gebirgssattel über die Egge auf sie wartete. Sie mussten folglich eine abseits gelegene Strecke einschlagen, was man für gewöhnlich einen Umweg nennt. Im Zuge der hier vorgestellten Gesamttheorie lässt er sich in Kilometern relativ gut bemessen. Denn letztlich lag das Ziel der römischen Armee darin, wieder auf eine Anlegestelle an der Lippe zu stoßen, von wo aus sich die Truppen auf dem Wasserweg wieder zügiger an den Rhein zurück verlegen ließen. Dabei wird es sich aus Distanzgründen nicht mehr um das Hafenkastell Anreppen gehandelt haben, denn dieser Hafen passte, wenn man sich auf der Höhe des heutigen Kleinenberg befunden hätte nicht mehr zur eingeschlagenen westlichen Marschrichtung, denn Anreppen befand sich dafür zu weit nördlich. Alle Umwege haben eines gemeinsam, sie bedeuten in jeder Hinsicht, dass man einen zusätzlichen logistischen Aufwand zu treiben hat. Man musste alles dafür nötige Material auf schweren Karren über eine längere Distanz transportieren. Mehr Kilometer bedeutet für Holzräder die sich entweder in den Boden eingraben oder im Schlamm stecken bleiben immer Materialverschleiß, Zeitverlust, Unterbrechungen also unnötige Verzögerungen. So war es das Gebot der Stunde auf jegliches Unnütze möglichst zu verzichten. Gegenständliches was ein ziviler Tross der auf direkter Linie unterwegs war gut übernehmen konnte. Plant man einen Umweg, so ist auch mehr Zeit einzuplanen und somit auch ein Mehrbedarf an reinen Versorgungsgütern für alle Marschteilnehmer, folglich auch für die Zivilisten, wenn man sie denn mit genommen hätte. Man gab also grundsätzlich dem unbedingt Nötigen gegenüber dem Vermeidbaren den Vorzug. Hätte Varus nun den als äußerst umfänglich beschriebenen Marschzug samt Frauen und Kindern gegen jegliche Logik tatsächlich mit ins Rebellengebiet genommen, so hätte sich somit ein weiterer nicht zu unterschätzender Hindernisgrund aufgetan. Denn dann wäre von ihm nicht nur das Problem der Unterbringung und Betreuung der vielen Personen, sondern auch noch das der zusätzlichen Versorgung zu lösen gewesen. Eine Frage der man sich hypothetisch nähern kann. Legt man die einfache Luftlinie vom ersten Übernachtungslager in Brakel nach Anreppen zugrunde, so beträgt diese Distanz etwa 40 Kilometer. Sie führt die Egge aufwärts an Schwaney vorbei und verläuft dann nur etwa 1000 Meter nördlich der Paderquelle auf direktem Weg zum Lippehafen nahe dem heutigen Anreppen. Diese Entfernung entspricht in groben Zügen der Rückmarschentfernung die der zivile Tross ab Brakel hätte zurück legen müssen. Und in Aliso, dem "Ad caput Juliae" also der julischen Passhöhe, hätte man die zweite Zwischenübernachtung nach Brakel eingeplant. Hätte man dem zivilen Tross diesen vereinfachten Rückmarschweg verwehrt, hätte auch er den kompletten Umweg in die Aufrührerregion mit gehen müssen. So wäre für die Frauen und Kinder aus diesen 40 Kilometern eine um 30 Kilometer längere Wegstrecke geworden, wenn man eine Anlegestelle nahe Lippstadt angesteuert hätte. Ein Zusatzdistanz die man dem zivilen Tross hätte zumuten müssen. Der Tross wäre demnach gemeinsam mit dem militärischen in Brakel aufgebrochen, wäre zuerst mit ins Rebellengebiet gezogen um nach der Gerichtsverhandlung aus dem Raum Peckelsheim/Schweckhausen kommend in die Route nach Westen über den Saltus zur Lippe einzuschwenken. Man hätte sozusagen mit Sack und Pack diese mühsame Eggeschlucht überwinden müssen um dann einen geeigneten Ankerplatz zu erreichen, wenn man sich den Landweg über den Haarweg ersparen wollte. Das wären nach dieser Rechnung besagte 30 Kilometer gegenüber dem Hafen Anreppen mehr gewesen. Aber diese Vorgehensweise wäre nicht ohne Konsequenzen geblieben. Denn die zusätzliche Wegstrecke hätte für den zivilen Tross wegen des längeren Lageraufenthaltes an der Gerichtsstätte die Unterbringung in nicht nur einem zusätzlichen Marschlager erfordert, sondern sogar noch ein zweites Rastlager nötig gemacht, zumal man für den Eggeaufstieg durch den Saltus viele Stunden hätte einplanen müssen. Immer voraus gesetzt, Varus hätte den Streitfall im Einvernehmen mit den Aufrührern auch an nur einem einzigen Tag gütlich schlichten können und die Sache wäre wunschgemäß in seinem Sinne zu Ende gegangen. Es hätte aber auch anders und zu unerwarteten Komplikationen oder Verzögerungen kommen können, man hätte auch uneinig sein können auch ohne dabei direkt an den Einsatz von Waffen zu denken. Dieser Zeitverlust lässt sich nicht beziffern könnte sich aber hingezogen haben. Der umfangreiche Marschzug wäre aber auch dann irgendwann aus der Region um Peckelsheim weiter gezogen, hätte dann den Kleinenberger Burgweg nahe der ersten Teutoburg genutzt um dann dem Herßweg folgend später die Lippe zu erreichen. So musste sich Varus auch im Falle eines positiven Ausgangs seiner richterlichen Tätigkeiten in Anbetracht der erheblichen Zugdistanz, die ernste Frage der Verproviantierung aller gestellt haben. Denn auf diesem Weg befand sich kein Aliso, dass auf den zivilen Tross wartete um ihn mit ausreichend Nahrung für das letzte Teilstück nach Anreppen zu versorgen. Aber auf der um weitere 30 Kilometer angewachsenen Distanz hätten nicht nur die Legionäre, sondern nun auch noch die zahlreichen anderen Marschteilnehmer versorgt, also satt werden müssen. Die Trosswagen für die Menschen hätten daher auch die nötigen Nahrungsmittel und Gebrauchsgüter für diese zusätzlichen dreißig Kilometer einschließlich zweier zu errichtender oder her zurichtender Rastlager zuladen müssen. Und wir wissen nicht wie viele zivile Personen es waren, die es mit dem täglichen Bedarf an Lebensmitteln und Frischwasser zu versorgen galt. Hinzu kommt ggf. auch der Bedarf für die Zugtiere und das andere Lebendvieh was sich möglicherweise nicht vom Wegesrand ernähren konnte. Bei angenommenen 500 Zivilisten ließe sich deren täglicher Nahrungsbedarf spekulativ hoch errechnen, den diese für den Zeitraum, also den Umweg zusätzlich hätten mit zu führen gehabt. Tonnage, die man sich leicht hätte ersparen können, wenn man den zivilen Tross nicht mit genommen hätte. Aber auch Zelte, Decken und ähnliches bedeutete zusätzlichen Ballast. Auf der nun immerhin 70 Kilometer langen Rückmarschroute zwischen Höxter und Lippstadt stellten sich zwangsläufig andere Versorgungsbedingungen und eine veränderte Vorratshaltung ein. Man hatte sich in den Zentren an der Weser mit dem nötigen Proviant versorgt. Man kam also aus Regionen in denen man intensiveren und fortschrittlicheren Ackerbau betrieb, also verbesserte Bewirtschaftungsformen anwandte, als in den rein germanisch geprägten Agrarregionen im Durchzugskorridor. Man musste es auch, denn je mehr man in unbekannte Regionen vorrückte und in schwieriges Terrain oder bewaldete Gebiete vorstieß, veränderte sich und erschwerte sich aufgrund mangelnder bäuerlicher Siedlungsaktivität naturgemäß auch ihre Versorgungssituation. Es war unkalkulierbar, da man nicht wusste, was sich rechts und links des Weges nutzen ließ, was man dort an Genießbarem vorfand und ob ihnen die Stämme in dieser Region, dass nicht mehr zum Cheruskergebiet zählte überhaupt Nahrung überließen bzw. überlassen wollten. Ob man also in einer Aufrührerregion auch bereit gewesen wäre willig teilen zu wollen muss dahin gestellt sein. Und sicherlich wird Varus nicht das Risiko eingegangen sein, sich in dieser Situation mit Gewalt an den Vorräten der Germanen vergreifen zu wollen. Man kam also nicht umhin die benötigen zusätzlichen Vorräte für möglicherweise plus minus 5oo Personen mit zu transportieren. Das "panis militaris", also das Militärbrot stellte die Haupternährung der Soldaten dar und auch die Zivilisten werden sich ähnlich ernährt haben.  Die Marschverpflegung und der Nahrungsbedarf des Legionärs in Gefechtslage, wozu man sicherlich auch die Marschverpflegung rechnen kann, setzte sich unter anderem  aus Speck, Hartkäse, und geringen Mengen Frischfleisch zusammen oder bestand aus den Nahrungsmittel, die sich eben unterwegs leicht beschaffen ließen und das konnte im Herbst in Germanien für die vielen tausend Menschen schon zu Problemen führen. Lebendes Großvieh vermutlich auch Hühner zur Eigenversorgung ließ sich noch leicht mitführen und war sicherlich Bestandteil aller Marschzüge durch fremdes Territorium außer, man befand sich auf befristeten Kriegszügen wie es Varus nach Abzug aus dem Sommerlager möglicherweise bevor stand. In diesem Fall dürften größere Nutz- also auch Schlachttiere aufgrund der möglicherweise bevorstehenden Militäroperationen eher hinderlich gewesen sein. Zur Not wenn die Nahrungsmittel nicht gereicht hätten, wären sicherlich die Tragtiere zuerst geschlachtet worden. Wenn die historischen Überlieferungen berichten, dass die Legionen üblicherweise das Vieh unterdrückter Stämme wegtrieben, so dürfte dies nur eine Umschreibung dafür gewesen sein, dass man es sich dort bei Bedarf auch gegen mögliche Widerstände angeeignet hätte um es selbst zu nutzen. Somit stehen wir wieder am Anfang jener Überlegung die uns zu dem Schluss kommen lässt, dass Varus sich dieser Lage sehr wohl bewusst war und gut daran tat den Zivilisten diesen Weg aus den unterschiedlichsten Gründen heraus zu ersparen. So gewinnen wir im Zuge der Recherche immer mehr Klarheit darüber was damals geschehen sein könnte. Und auch aus jahreszeitlich - also klimatischer Sicht betrachtet wäre es sehr sinnvoll gewesen, diese logistischen Anstrengungen zu vermeiden und Varus tat es wohl in dem er die einzig richtige Entscheidung traf, nämlich die, die uns kein antiker Historiker hinterließ und die uns auch Cassius Dio nur in verschlüsselter Form überlieferte. Denn der Tag bestand auch an dem vermuteten "24.09.0009" nur aus 12 Stunden. (05.06.2021)

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