Freitag, 10. September 2021
Die letzten Stunden vor der Schlacht - Die Germanen hatten aus ihren Fehlern gelernt.
Wie stand es um das strategische Denken unserer Vorfahren. Waren sie wirklich so ungestüm, unkontrolliert und undiszipliniert wie es uns die römische Propaganda weiß machen wollte. Denn nach allem was sich aus den antiken Schriften heraus lesen lässt, soll es mit ihren taktischen Fähigkeiten nicht so weit her gewesen sein. Aber war es nicht vielmehr umgekehrt der Fall, so wie es bereits im letzten Kapitel behandelt wurde. War man nicht eher auf römischer Seite oftmals überfordert und erreichte nur selten das Ziel dessen, was man sich bei Beginn eines Feldzuges erhoffte. Beispiele für Fehleinschätzungen finden sich zur Genüge was den Nimbus einer siegreichen Armee eintrübt und das Kaschieren von Niederlagen gehörte schon fasst zur Standarddisziplin römischer Autoren. Haben römische Legionen in den Jahren zwischen Drusus und Varus vielleicht auch Germanien oftmals kampflos durchstreift, sondierten, verhandelten und erkundeten sie nur, vermieden aber bei ihren Observierungen weitab von ihren Nachschubwegen die unnötige Provokation. Warum sollten sich ihnen da die Einheimischen in kriegerischer Absicht entgegen gestellt haben, wenn sie es nicht für nötig hielten. Die Schlacht bei Arbalo 11 - spricht hingegen eine andere Sprache. Erkannten die Zentralgermanen damals erstmals, dass hier nach gallischem Vorbild eine fremde Macht dauerhaft Fuß fassen wollte. Die Schlacht kündet jedenfalls davon, dass die Fronten sich zu verhärten begannen. Was hatte Drusus falsch gemacht, dass er ihren Groll auf sich zog. Was waren die Gründe für den glücklichen römischen Sieg oder ein Entkommen im letzten Moment. Keiner kann heute hinter die Kulissen blicken aber es könnte auch in die simple Erklärung münden, dass ein germanischer Sieg nur ausblieb, weil ein erwartetes Kontingent germanischer Krieger aus abgelegeneren Regionen nicht rechtzeitig am Kampfplatz erschien. Es besteht jedenfalls kein Anlass die germanischen Fähigkeiten infrage zu stellen nur weil es die römischen Quellen so suggerieren. Denn einen Hinterhalt zu legen ist in Kriegszeiten eine legitimes Mittel, dass sich alle feindlich gegenüber stehenden Mächte je nach Bedarf gleichermaßen zu nutze machen, aber "hinterhältig" nennt es immer nur die Partei die die Falle nicht erkannt hat. So galt es die vielen Einzelfragen abzuklären und abzuarbeiten, warum die Schlacht ausgerechnet im Nethegau statt gefunden haben könnte und nicht irgendwo anders. Die gesamte bisherige Recherche bildete den nötigen Unterbau um zu diesem Resultat zu gelangen. Wer auch nur ein Kapitel aus lies dem konnte schnell der Überblick über die gesamte Argumentationskette und die darin verborgene Logik verloren gehen. Fehler passierten sie schon in der Anfangsphase großer Schlachten so waren sie später schwer wieder zu korrigieren. Da bildet die Varusschlacht in der Weltgeschichte keine Ausnahme, denn was für Napoleon das Vorgeplänkel bei "Quatre Bras" war, war für Varus vielleicht der germanische Handstreich am "Gradberg". In beiden Fällen wurden früh entscheidende Weichen für die späteren Niederlagen gestellt, ohne das es den Feldherrn bewusst wurde. Die historischen Fallstricke der Varusschlacht wurden nun einigermaßen hinreichend dargelegt, die Vorgeschichte ist verarbeitet und nun soll der eigentliche Akt des Schlachtverlaufs in den Mittelpunkt rücken. Aber zunächst sollen die Waffen schweigen und der Taktik der Vorrang gegeben werden. Dazu gehört es die Zugtrasse zu definieren. Dies wird wieder einige Kapitel verschlingen und es erfordert eine nahezu kriminalistische Herangehensweise. Aber hier geht es nicht allein um die Frage wo die Stunde Null schlug, also wo die Schlacht des Varus begann und der erste Speer geschleudert wurde, denn das tat sie recht zögerlich, sondern auch darum, wo sie ihr Ende fand. Denn da warten auf den Leser noch einige unerwartete Höhepunkte wie sie sich im Zuge der Analyse bezogen auf die mögliche Lokalisierung der Varus Selbsttötung ergeben haben. Aber auch erstaunliche Bezüge, warum der Stamm der Cherusker in den späteren Jahrhunderten wie begraben und eliminiert erscheint und nach etwa 120 + keinerlei Erwähnung mehr fand. Vielleicht besser gesagt finden durfte und noch einiges mehr, sodass es spannend bleiben wird. In groben Zügen kam es bereits in den letzten Abschnitten zur Sprache, aber ab hier soll nun der Versuch gestartet werden der Thematik auf akribische Weise auf den Grund zu gehen. Für gewöhnlich wird jeder Schlachtbeginn daran fest gemacht, wo sich erstmals die Waffen kreuzten und dies fand demnach um die Mittagszeit nördlich von Dringenberg im Oesetal statt. Der Theorie nach geschah dies also schon, als sich Varus noch gar nicht des Ernstes der Lage bewusst und dabei war seinen Weg zu den Aufrührern ungerührt durch Wind und Regen fortzusetzen. Voraus gesetzt man hat die versteckten Botschaften von Cassius Dio richtig interpretiert, dann entwickelten sich die alles entscheidenden Ereignisse der Clades Variana erst ab dem zweiten Marschtag. Dieses wäre folglich der Tag gewesen, an dem sich die dunklen und ahnungsvollen Prophezeiungen derer die Varus zu besonderer Vorsicht rieten bewahrheiten sollten. Der Tag an dem sich alle seine voraus gegangenen Fehleinschätzungen rächen sollten und an dem die Rechnung auf germanischer Seite begann aufzugehen. In den aufgewühlten und erregten Seelen der einfachen Germanen tobte die Schlacht schon bevor sie zum Ausbruch kam aber ihre innere Anspannung durfte nicht auffallen und sie mussten sich beherrschen. Und auch in den Köpfen der germanischen Stammeseliten kann man die Unruhe heute noch nach empfinden. Sie waren für das Gelingen zuständig und alle Anführer werden im engen Kontakt zueinander gestanden haben, denn ab dem zweiten Marschtag der Legionen musste sich zeigen ob ihr Plan aufging. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen germanischen Stämme oder Kampfgruppen miteinander zu erforschen und sich in ihre jeweilige Angriffsstrategie hineinzudenken, ihre Methoden und Kommunikationswege zu entschlüsseln und dahinter eine abgestimmte Vorgehensweise zu suchen bedarf einer separaten Analyse, die aber mangels Wissens aussichtslos ist, dafür aber gespickt mit Spekulationen ausfallen würde. Die römischen Legionäre hingegen sahen ihren späteren Feinden noch lange völlig unbelastet und unbedarft ins Gesicht. Blickten in ihre Augen, kannten ihre Gegner teilweise sogar persönlich, kamen sich aber menschlich selten nahe und wussten daher nichts von deren verborgenen Absichten und finsteren Gedanken. Sie lebten und marschierten sogar mit ihnen zusammen, übersahen aber ihr inneres Aufbäumen und ihren Widerwillen gegenüber den Besatzern. Ihr undurchsichtiges Verhalten was allen Menschen im Imperium im Nachhinein betrachtet so rätselhaft erschien machte aus den mit ihrer Heimat verbundenen Germanen später das Volk der Verräter, Betrüger, Täuscher und Vertragsbrecher. Denn im verwöhnten Rom konnte sich niemand vorstellen, dass es überhaupt ein Volk geben könnte, dass auf die Segnungen des Imperiums freiwillig verzichten wollte und dafür armseligen Hütten den Vorzug gab. Aber wo schlug nun genau die Stunde Null der eigentlichen Varusschlacht. Und wann stellten sich diese Germanen für Varus völlig unerwartet mit der Waffe in der Hand entgegen. Der Tag an dem die Legionäre in den Germanen erstmals ihren Gegner erkannten brach wohl in Brakel an. In Brakel wo man tags zuvor eintraf um sich zur Ruhe zu legen und von wo aus die einen dann am nächsten Morgen entweder über Schwaney bzw. Aliso zur Lippe zogen oder die anderen ins Inferno zum "Teutoburgiensi saltu" aufbrachen. Am Morgen sah es in Brakel, obwohl es vielleicht schon etwas zu tröpfeln begann noch danach aus, als ob das Wetter halten könnte und alles einen friedlichen Verlauf nehmen würde. Varus verließ sein Zelt streckte sich und schien alles im Griff zu haben. Die meisten vertrauten ihm und hielten seine Vorbereitungen für durchdacht, die Zivilisten bereiteten sich auf ihren Abzug nach Anreppen vor, die Legionäre verluden schon seinen Richterstuhl, spannten die Zugtiere vor sein Gefährt oder sattelten sein Pferd. Wer aus welchem Grund auch immer jetzt keine Waffe führen konnte, der hatte möglicherweise das große Los gezogen und entging zumindest einem scheinbar größeren Schicksal. Wieviel Männer aus welchen Kohorten Varus abzog um sie dem zivilen Marschzug zur Lippe mit zugeben und ob auch Germanen an diesem Geleit teilnahmen stand vermutlich schon seit dem Vortag fest, denn so etwas wird nicht Adhoc entschieden. Es waren jene in der Überlieferung so schemenhaft und unverständlich dargestellten Abstellungen die den Treck begleiten sollten, um ihn gegen mögliche räuberische Überfälle verteidigen zu können. Möglicherweise auch auf Vorschlag der Cherusker hatte Varus die Entsendung eines Truppenteils angeordnet bzw. ihr zugestimmt. Es könnten viele, vielleicht sogar Schlachten entscheidende Kräfte gewesen sein die man dem Hauptkader entzog. Denn man machte Varus nach seinem Tod heftige Vorwürfe, weil er seine Truppen nicht zusammen gehalten hatte. Den damit verbundenen Vorwurf dies zudem noch in Feindesland getan zu haben wird Varus, hätte er denn überlebt wohl nicht akzeptiert und dürfte es mit dem Brustton abgestritten haben. Denn aus seiner Sicht betrachtet bewegte er sich doch zu diesem Zeitpunkt noch unter vertragstreuen Partnern vielleicht auch Freunden aber nicht unter Feinden. Was allerdings die zahlreichen besser wissenden so genannten bösen Zungen späterer Jahrzehnte aus Ahnungslosigkeit über den wahren Schlachtenverlauf oder dem Mainstream geschuldet, anders bewerteten. Es ist ein schwieriges Unterfangen, aber man kann versuchen die Schilderungen zu diesem ereignisreichen zweiten Marschtag auf mehrere Ebenen und Perspektiven verteilt in ein profundes und verständiges Licht zu rücken. So könnte man versuchen sich den Abläufen dieses Tages auf einer sachlich nüchternen Ebene zu nähern und dazu gehört es auch, sich mit den landschaftlichen, und heute noch erkennbaren realen Gegebenheiten auseinander zu setzen und einen Vergleich mit damals zu wagen. Sich also in einen Rundumblick zu vertiefen, der uns zu einem Vorher - Nachher empfinden führt, der aber von uns abverlangt 2000 Jahre überbrücken zu müssen. Letztlich öffnet sich uns aber auch ein Blickwinkel der Voreingenommenheit. Denn durch diese Theorie ist er ein anderer geworden. Nun ist man belastet mit dem vermeintlichen Wissen, dass einst im Nethegau und eben nicht andernorts die Varusschlacht getobt haben könnte. Neigt man jedoch dazu sich die Landschaft und ihr Weichbild in der Rückbesinnung allzu fabelhaft vorzustellen, dann kann man Gefahr laufen in die romantischen Vorstellungswelten eines Caspar David Friedrich abzugleiten. Die Germanen werden es weniger Pittoresk gesehen haben. Entfernt man sich nun innerlich vom großen Hellweg wie er zwischen Höxter und Schwaney verläuft und von dem Varus am zweiten Marschtag abwich, dann gerät sofort ein anderer scheinbar unbedeutender Weg in den Focus der Betrachtung. Es ist zwar nur ein kleiner und unauffälliger dafür aber ein ebenfalls prähistorischer Verbindungsweg der auch noch heute den gewichtigen Namen Hellweg trägt. Von Brakel führt er über die Heggehöhen in die Richtung der Warburger Börde die man korrekterweise Borgentreicher Börde nennen sollte. Und dieser kleine Bruder des großen Hellweges könnte zu einem geschichtsträchtigen Weg geworden sein. Denn er war es möglicherweise über den die Legionen in all ihren Irrungen und Wirrungen letztlich zum angedachten ersten Lager dem "prima Vari castra" gelangten. Heute sind die Regionen durch die einst die römischen Soldaten marschierten von der intensiven Land - und Forstwirtschaft geprägt. Die Natur schweigt und sie verrät mit keinem Deut mehr etwas über die einstige schicksalhafte Vergangenheit. Man kann so weit es möglich ist versuchen, sich in die Welt der Germanen zurück zu versetzen. Rund 26 Jahre sind seit der letzten bündnispolitischen Großtat der erfolgreichen "Clades Lolliana" des Jahres 16/17 - vergangen an der sich Sugambrer, Tenkterer und Usipeter beteiligten. Aber dazwischen stand noch das ungelöste Rätsel von Arbalo von dem niemand weiß was dort wirklich geschah, dass aber die Germanen zunächst moralisch zurück warf bevor sie sich wieder zusammen rauften was den Immensum Bellum auslöste. Als sie dann zwanzig Jahre nach Arbalo gegen Varus antraten war es eine andere Generation. Und dieses Mal wollte man es sicher besser machen und es intelligenter angehen. Für Rom dürfte es nach den Jahren der Ruhe nach dem Immensum Bellum kaum vorstellbar gewesen sein, dass man nun östlich des Rheins imstande gewesen sein soll, gegen sie wieder ein Bündnis im Verborgenen zu schmieden. Das es den Raubeuteln von der Weser gelingen könnte, den Spieß umzudrehen um plötzlich selbst mit Disziplin, Taktik und Geschlossenheit zu glänzen konnte man im Lager des Varus nicht erwarten. Eigenschaften die bislang nicht unbedingt zu den Stärken der Germanen zählten. Der germanische Widerstand hatte viele Gesichter und bestand aus zahlreichen Facetten die in ihrer Komplexität nur schwer zu greifen sind. Aber einen besonderen Augenmerk sollte man sowohl auf die jungen aber auch die alten Kampfteilnehmer unter den Germanen richten. Die reiferen Kämpfer die mit römischen Waffen bereits im Zuge des gigantischen Flächenbrandes, dem Immensum Bellum unter Tiberius vertraut waren, besser gesagt leidige Bekanntschaft machen mussten und von denen einige vielleicht schon bei Arbalo gegen Drusus dabei waren. Aber auch jene Unerfahrenen, die sich wie man so sagt blutjung ins Kampfgetümmel stürzten. Sie, die sie sich in eine für sie ungewohnte Situation begaben, nämlich und das möglicherweise erstmals einen Feind mit den eigenen Händen töten zu müssen. In dieser bislang nie da gewesenen Schicksalsstunde werden die Germanen wohl keine Altersbegrenzung für ihre Kriegsteilnehmer gekannt haben, denn jetzt stand die Steigerung der Kampfkraft im Vordergrund und da sah man nicht mehr so genau hin. Genauso müssen wir uns auch von den heroischen Vorstellungen lösen, dass damals jeder Germane über die idealen Körpermaße eines Kriegers verfügte. Es wird zahlreiche schon von Geburt an schmächtige, vielleicht auch unterernährte, ängstliche und in teilen Behinderte gegeben haben, die aber trotzdem nicht zurück stehen und alles geben wollten um ihrem Volk zum Sieg zu verhelfen und der stattliche tapfer auftretende und heldenhafte Recke in ihren Reihen bildete wohl die Ausnahme oder er war ein guter Schauspieler. Schlussendlich können wir uns aber nur mit den Schilderungen auseinander setzen, die uns aus antiker Hand erhalten geblieben sind und was unser realistisches Vorstellungsvermögen dazu her gibt, denn die Germanen hinterließen in dieser Epoche nichts schriftliches, da sie des Schreibens nicht mächtig waren. Einzig was uns noch den kläglichen Rest in Form eines mentalen Einblickes ins traditionelle Wesen und Treiben der Bewohner am Eggerand, der Nethe und der Weser ermöglichen könnte ist die unverfälschte Lebensart, so wie sie heute noch schwach verbreitet ist und wie sie sich immer weniger wahr nehmen lässt. Letzte Relikte einer aussterbenden Individualität lassen sich noch im dörflichen Vereinsleben oder auf Heimatfesten aufspüren, da wo der Name Stammtisch nicht nur ein Name ist. Unsere Vorstellungen von bierseligen Männerrunden aus alten Zeiten bekommen aber eine andere Definition, wenn auch damals schon der Ernst der Lage den Gesprächsinhalt bestimmt. Sicherlich traf man sich vor Urzeiten in den kritischen Phasen nicht nur auf perfekt organisierten umfänglichen und früh einberufenen Thingversammlungen etwa an dicken Bäumen oder großen Steinen, so wie wir es uns heute phantasievoll ausmalen, denn allein schon die Distanzen werden es verhindert haben. Es könnte eine Vielzahl von Zusammentreffen gegeben haben in denen man nach westfälischer Manier palaverte oder einfach nur zuhörte und wo meist nur die Großen das Sagen und die Kleinen zu Schweigen hatten. Hier wurde über Für und Wider hitzig debattiert, hier stieg man in die Detailplanung ein und teilte man sich wohl auch die Frontabschnitte gegenseitig zu, entschied also darüber wo, wer, wann und wie zu kämpfen hatte. Am Morgen des zweiten Marschtages trennten sich aufgrund der Recherche beide Marschzüge und verließen zeitversetzt auf unterschiedlichen Wegen das Marschlager Brakel. Aber warum sollte man ausgerechnet in der alten Hansestadt Brakel ein römisches Rastlager vermuten oder suchen wollen. Brakel, dem die Benediktiner 836 den Namen "Villa brechal" gaben was für ein Landgut steht und was einen Hinweis auf Bruch oder Brache zulässt, besaß durch seine Lage an der prähistorischen Völkerstraße seit jeher eine zentrale Funktion. Für die römische Expansion war es von Bedeutung, da es gemeinsam mit Schwaney mittig zwischen den beiden schiffbaren Flüssen Lippe und Weser lag. Von Anreppen aus betrachtet wäre Brakel nach Schwaney das zweite Rastlager und das letzte vor dem Hauptlager an der Weser bei Höxter gewesen. Verkehrstechnisch war es als Etappenstation gut geeignet, da es wie Schwaney nicht nur innerhalb der zu leistenden Tagesmarschdistanz von rund 21 Kilometern von Lager zu Lager lag, sondern auch eine topographisch bedingte Brückenfunktion am Fuße der Egge liegend erfüllte. Seit Menschengedenken war es aufgrund seiner Anbindung an die Nethe von Bedeutung, denn es bestand kein Wassermangel und den Fluss könnte man damals ab Brakel möglicherweise schon mittels Schwellen für kleine Boote befahrbar und auch zum Treideln genutzt haben. Wo sich aber dieses Brakeler Rastlager im heutigen Stadtbild oder Umfeld verborgen haben könnte ist eine interessante Frage, der es sich nachzugehen lohnen würde. Dies bedarf allerdings zunächst einer Theorie wo der römische Hellweg verlief, dessen Trasse nicht unbedingt mit der alten Brakeler Königsstraße, also dem mittelalterlichen Hellweg identisch gewesen dürfte. Unbestätigten Hinweisen zufolge, stieß man im Bereich des Brakeler Güterbahnhof vor Jahrzehnten auf einen seinerzeit nicht näher erforschten tief liegenden Fahrweg, was hier allerdings nicht auf Basis weiterer Spekulationen vertieft werden soll. Aber auch der mittelalterliche Brakeler Marktplatz mit der leichten Anhöhe auf dem heute die "Drachentöterkirche" St. Michael steht, könnte möglicherweise auch damals schon der Ausgangspunkt jenes Varuszuges gewesen sein. Und die neuerlich gemachten römischen Funde mitten in Paderborn legen nahe, dass sich auch unter Brakel derartiges finden lassen könnte. Von Riesel kommend und in der Weiterführung nach Hembsen könnte man den römischen Hellweg auch nahe der Nethe südlich des heutigen Stadtzentrums von Brakel vermuten. Auf den ersten Blick fällt eine nach Süden vorgeschobene exponiert gelegene Geländeterrasse auf. So könnte sich das Lager da befunden haben, wo sich heute oberhalb der historischen Nethebrücke ein Baufachmarkt befindet. Und warum sollte Brakel sich nicht mit Höxter das gemeinsame historische Schicksal teilen, wonach beide Städte ihre alten Bodendenkmäler möglicherweise unter Gewerbegebieten vergruben. Brakel war der uralte Knotenpunkt vor und zur Egge. Und vom Norden in den Süden und vom Osten in den Westen lief in historischen Zeiten ohne Brakel nichts. Dafür sorgten auch die gezogenen Stammesgrenzen die sich den geographischen Verhältnissen der Landschaft anpassten, sich an die Weser oder den Eggekamm anlehnten oder sich daran orientierten. Auch Varus kam an der alten germanischen Siedlung Brakel nicht vorbei. Einer Stadt auf sicherer, weil erhöhter Lage inmitten einer von Sümpfen und Gewässern umgebenen Landschaft, da wo sie vom nahen Hellweg profitierte. Viele Namensbezüge sind es die sich dahin gehend deuten lassen und auch der Begriff Brackwasser und der Brucht Bach spiegelt es wider. Allesamt Bezüge die auf einen sehr alten Siedlungsplatz schließen lassen. Der zivile in Brakel abgekoppelte Zugteil mit dem großem Tross und den vielen Gegenständen die man bei den Aufrühreren nicht brauchte aber mitsamt des wertvollen Privatbesitzes den sich Varus angeeignet hatte, trennte sich hier von den Legionären die einem robustem Auftrag zu folgen hatten. Der erste Zug brach nun nach Westen in Richtung Riesel und Schwaney auf, während sich die kampfbereiten Kräfte mit einem angemessenen und kürzeren Tross begnügten und sich mit dem erforderlichen Schanzzeug für die Kurzzeitlager nach Süden aufmachten. Der Morgen in Brakel mag ähnlich verlaufen sein, wie der einen Tag zuvor im Hauptlager an der Weser. Man überprüfte nochmalig die allgemeine Versorgungslage, gab die Befehle aus und gesundheitlich angeschlagene Legionäre bekamen vielleicht noch die Gelegenheit in den zivilen Marschzug überwechseln zu dürfen. Danach brachen die Kolonnen in die unterschiedlichen Marschrichtungen auf. Arminius hatte die Nacht sicherlich schlaflos bei seinen Männern verbracht und seine Späher informierten ihn zeitnah über das Wesentliche was sich im Lager zutrug. Für ihn war in dieser Phase nur eines von Bedeutung nämlich die Zeitpunkte, wann die beiden Marschgruppen jeweils das Marschlager verließen. Davon hing ab, wann der Tross mit den Zivilisten die kritische von beiden seitig zu sperrende Engstelle am Gradberg erreicht haben würde. Je nach Aufbruchzeitpunkt zwischen 7 und 9 Uhr könnte dieser Marschzug das Oesetal nach rund 11 Kilometer Zugweg zwischen 11 und 13 Uhr erreicht haben. Dieser Marschweg verlief zunächst über den Rieseler Mühlenberg dann über flache Anhöhen auf den heutigen Ort Schmechten zu, den man um 890 Smathi nannte, war unproblematisch und querte keine störenden Bachtäler. Es war der römische Hellweg auf dem ein zügiges Fortkommen möglich gewesen sein dürfte. Westlich von Schmechten erreichte man nach kurzer Zeit den Gradbergeinstieg. Die gesamte Trasse besaß vermutlich schon da wo es nötig war einen Unterbau dem stärkere Regenfälle weniger anhaben konnten. Eine wichtige Marschroute, die zudem von den germanischen Anwohner offen und hindernisfrei gehalten wurde. Bei guten Bedingungen und früherem Ausmarschzeitpunkt könnte die Kolonne den Gradberg theoretisch auch schon vor der Mittagszeit erreicht haben. Den Hangbereich erreichte man über den heutigen Schmechtener Weg in einer Zeit als an die heutige Paderborner Straße durch das Oesetal noch lange nicht zu denken war. Zwischen dem Helleberg und dem parallel verlaufenden Hellebach wird sich das germanische Kontingent postiert haben, dass den Ausbruch nach hinten zu verhindern hatte während andere den Zug vorne und seitlich erwarteten. Cassius Dio schrieb ohne die Details zu kennen zwar, dass die Abstellungen nieder gemacht wurden, sodass man davon ausgehen könnte, dass es zu einem Gemetzel kam und sich kein Römer ergab ohne vorher gekämpft zu haben. Aber wahrscheinlicher klingt ein unblutiger Überfall mit Handstreichcharakter. Über auch in diesem Zusammenhang in die Sklaverei gelangte römische Legionäre ist nur soviel bekannt, alsdass letzte Überlebende fast 40 Jahre später befreit werden konnten, und auch Geiselhaft ist überliefert. Allemal wird es nach der Eroberung des Trosses eine logistische Herausforderung gewesen sein ihn umzuleiten, die Beute zu sichern, die Gefangenen zu entwaffnen, sie abzuführen und Frauen und Kinder aufzuteilen. Maßnahmen die nach dem militärischen Akt die Bewohner der umliegenden Stämme übernommen haben könnten, so dass der Kern der kämpfenden germanischen Einheiten frei für den Angriff auf Varus wurden. Segimer könnte um diese Zeit noch gelebt und diesen Angriff geleitet haben und auch der Rest ist Spekulation. Wann der Coup gelang, wie er sich gestaltete und wie lange er dauerte, ob Arminius die ganze Zeit anwesend war oder nicht, was mit der Beute geschah und wann Arminius die Region am Gradberg verließ um zu Varus aufzuschließen muss kompatibel mit der Überlieferung von Cassius Dio gesehen werden. Es war ein Aufeinandertreffen und eine mäßige Auseinandersetzung von möglicherweise kurzer Dauer aber mit einem für die Germanen erfolgreichen Ausgang. Denn das Konzept des Beutemachens dürfte hier voll aufgegangen sein. Und so begann denn die Varusschlacht, wenn man es so sehen möchte bereits irgendwo östlich der Suffelmühle nahe der Oese wo man sich erstmals feindlich gegenüber stand. Wechseln wir nun den Schauplatz und widmen uns dem was man hinlänglich unter der Varusschlacht versteht, da das Gradbergereignis nur auf logischen Schlussfolgerungen basiert. Nämlich die Kämpfe an denen Varus selbst beteiligt war. Und da bekanntlich Geschichte vergeht, sich aber die Grundstrukturen der Landschaften über die Zeiten retten, ist eine Betrachtung jener Wegstrecke von Bedeutung auf der die Legionen einst nach dem Verlassen des Brakeler Lagers nach Süden zogen. Und über die Zugstrecke die sie nutzen mussten entschied auch wieder das Gelände, also der Naturraum aber in erster Linie die Germanen die es so eingefädelt hatten. Denn sie hatten Varus davon überzeugt, dass es nur diesen einen Weg geben würde, um ins Rebellengebiet zu gelangen. Die vereinzelten am Wegesrand liegenden germanischen Gehöfte oder Siedlungen werden miteinander über Fuß- oder Karrenwege verbunden gewesen sein, denn die Region war nicht menschenleer, dürfte aber über keine weitreichend übergreifenden und ausgebauten Trassen für Fahrzeuge mit römischen Radabständen verfügt haben. So mussten die Legionen nach dem Verlassen des Lagers zunächst die Nethe überqueren um sich dann zwangsläufig auf den Höhenweg in Richtung Diemel zu begeben. Denn im Gegensatz zu der moorigen und versumpften Landschaft beiderseits der Nethe die von Süden her auf Brakel zufließt, ist dies die bessere Alternative. Vor allem aber war es der einzige Weg der vor 2000 Jahren von Brakel aus in den Süden führte, denn es existierte keine andere taugliche und benutzbare parallele Wegeverbindung die das Nethetal zugelassen hätte. Dieser südliche Abzweiger knüpft in Brakel an die Hauptzugroute von West nach Ost an und er führt später zu den diversen von Tacitus beschriebenen Schauplätze der Marschgefechte bzw. der vorgefundenen Lagerreste im Großraum Peckelsheim, so wie sie Germanicus sechs Jahre später antraf. Nutzt man diese Wegeverbindung, dann ist im Westen schon schwach das dunkle Band der Egge zu erkennen und in der Geländefalte dazwischen verbirgt sich der Verlauf der Nethe der sich nur erahnen lässt. Sie fließt gespeist durch die Taufnethe und zahlreiche Nebenbäche aus einer westlichen Krümmung heraus ab Sidessen vom Süden in den Norden. Auf insgesamt etwa 10 Kilometern begleitet der nun in nördliche Richtung fließende kleine Fluss im Abstand von etwa 2,5 Kilometer die Zugtrasse der Legionen entgegen gesetzt, fließt dann über Rheder auf Brakel zu und mündet später in die Weser. Dies ist für die Lagebeurteilung von Bedeutung, da ein Ausbruch oder eventuelle Fluchtabsichten der römischen Soldaten im Zuge des Kampfgeschehens nach Westen durch den Netheverlauf erheblich erschwert und aufgrund der nachfolgende Eggesteilkante in Gestalt einer Gebirgsbarriere völlig zunichte gemacht worden wären. Als Zwischenfazit lässt sich darauf basierend sagen, dass man sich hier einst für ein Schlachtgebiet entschied, dass nichts zu wünschen offen ließ und dem keine Stammtischlaune zugrunde lag, sondern eine von langer Hand vorbereitete Strategie. Ein Plan der wohl schon erste Züge annahm und heran reifte, als Arminius noch für Rom in Pannonien kämpfte. Daran lässt sich erkennen, dass hier sein Vater Segimer schon früh seine Hände im Spiel gehabt könnte, die ersten Konzepte entwickelte und stammesübergreifende Kontakte herstellte nachdem Varus Ostwestfalen betrat und mit den Cheruskern den Knebelvertrag schloss. Das der Name Kneblinghausen daher rührte wird wohl ein Gerücht sein. (10.09.21)

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Mittwoch, 8. September 2021
Arminius und der Heimvorteil - Nicht nur in der Natur verbarg sich sein 11. Mann
Sich freiwillig und ohne monetäre Interessen oder Zwänge ausgiebig der alten Geschichte zu widmen ist von allen Antriebsfedern das angenehmste Motiv. Und ein Beweggrund diesen uralten Hergang noch einmal aufzugreifen liegt darin, dass der Verfasser sich nicht damit zufrieden geben möchte und seinen Beitrag dazu leisten will, dass dieses Weichen stellende aufeinander Prallen zweier Welten der medialen Verwässerung und Bagatellisierung überlassen bleibt. Es wurde schon viel und zu lange Unsägliches, oft Lächerliches und in der Sache Abträgliches über diese bedeutsame Schlacht verbreitet, dass man nun erwachsen genug sein sollte, auch den aus der Verängstigung gewachsenen Ballast abzuwerfen. So verwundert es nicht, dass es breite Bevölkerungsschichten kaum noch wie ein reales Geschehen wahr nehmen, sondern es für ein banales Stück abgedroschener Science Fiction halten. Und das man im Kinderlexika Produkt Klexikon.de, der Wikipedia für Kinder lesen muss, dass die Varusschlacht einst im Norden Europas stattfand, statt den Kleinen zu sagen, dass sie sich nicht in Skandinavien, sondern mitten in Deutschland ereignete, spricht für sich und macht deutlich wie unwirklich man inzwischen diesen Geschichtsstoff behandelt. Und es war auch nicht das Ziel des Verfassers etwas Selbstgerechtes zu präsentieren und für eigene Positionen und Ansichten zu werben und vehement für die neue Wahrhaftigkeit zu streiten. Trotzdem rekonstruiert man sich von Kapitel zu Kapitel schlauer und bislang unentdeckt gebliebene Zusammenhänge lassen sich bei dieser Methode wie beiläufig aufdecken. Aber es sollen noch weitere folgen. So könnte auch eine darin liegende spürbar werdende Überzeugungskraft gefruchtet haben und ein Funke von "wahrscheinlicher Möglichkeit" übergesprungen sein. Denn es steht hiermit seit längerer Zeit wieder eine neue Theorie im Raum die den Charme der Glaubwürdigkeit in sich trägt. Den Leser könnte mehr als nur das Gefühl erschleichen, dass das Niedergeschriebene plausibel und stimmig klingt da er registriert, dass sich das einstige Geschehen so und nicht anders vollzogen haben könnte. Da es sich wie ein ungewohntes und gewöhnungsbedürftiges Szenario abzeichnet, darf es naturgemäß eine gesunde Skepsis hervorrufen. Auf Basis einer akribischen, übergeordneten und strukturellen Herangehensweise kristallisierte sich eine neuartige und unerwartete Abfolge des Geschehens heraus, die sich auch von unterschiedlichen Seiten beleuchtet als solide erwies. Aber der erlösende Wunsch der Bestätigung geht letztlich nicht in Erfüllung, was aber nicht im Frust enden sollte. Denn auch die nachfolgenden Generationen möchten sich noch am Glanz dieses Themas abarbeiten. So sollte es ein ungelöstes Rätsel der Geschichte bleiben, bei dem Spielverderber eigentlich unerwünscht sind. Doch das nach vorne Tasten war in gewisser Weise zielführend, denn es ließen sich eine Fülle sowohl theoretischer als auch handfester Indizien zu Tage fördern, sodass man sich wünschen würde endlich auch mal am Streckenabschnitt quer durch den Nethegau auf etwas "römisches" im Boden zu stoßen. Aber was nicht ist, dass kann noch werden zumal diese Zugtrassentheorie erst wenige Jahre alt ist. Möchte man sich in den Verlauf der Varusschlacht hautnah hinein denken und sich ihn plastisch vor Augen halten bleibt alles graue Theorie, da uns die lebendigen Farben dazu zu fehlen scheinen. In unserem Vorstellungsvermögen sind die alten Ereignisse oftmals nur im Schwarzweißformat abgespeichert was unserer Phantasie abträglich ist. Dabei war auch schon vor 2000 Jahren ein Blatt grün bis herbstwelk, ein nasser Baumstamm morschbraun und die Gesichtszüge der Legionäre aschfahl. Anthropogen weitgehend unbeeinflusst gaben die Landschaft und die Vegetation in der man kämpfte das Bild eines urwüchsigen Flickenteppichs ab. Die Urbarmachung war auf ein Mindestmaß beschränkt, Wildwuchs trennte die dünn besiedelten Landstriche samt ihrer Behausungen voneinander ab, Unland mied man und das Wohnumfeld verließ man nur in Notlagen. Viele Regionen waren damals noch weitaus unberührter als Zonen die man heute unter Prozessschutz stellen würde. Überleben prägte den Alltag, Wegenetze wurden nur notdürftig unterhalten, Worte wie Begradigung oder Flurbereinigung waren den Menschen fremd und alles unterlag dem Zwang den nächsten Winter überstehen zu wollen. Zeit hatte eine andere Bedeutung, die Wölb - Äcker Methode für die Nahrungsgewinnung mag sich noch in einer Frühphase befunden haben, ebenso wie die Tierhaltung befand sich beides noch näher im Umfeld der Hütten, da Bären und Wölfe noch allgegenwärtig und die Zeiten rau waren. Was bewaldet war oder sich als schroffe Höhenrücken oder als Geländehindernis zeigte, wurde wegen der beschwerlichen Passierbarkeit zum Niemandsland oder führte ein Dasein als Grenzgebiet, was aber im Verteidigungsfall als Fluchtort schnell wieder an Bedeutung gewann. Kein Italiker dürfte in dieser grünmonoton tristen Waldlandschaft heimatliche Gefühle entwickelt haben. Kam es zu Begegnungen beider Völker außerhalb gesicherter römischer Lager, so dürften diese wortkarg verlaufen sein. Stießen berittene Legionäre auf germanische Reitergruppen könnte dies etwas Gespenstisches an sich gehabt haben. So konnten die Besatzer keinem Germanen ansehen welchem Stamm oder Volk er angehörte. Schweigend und scheinbar ohne Ziel werden sich ihre Wege gekreuzt haben. Und kein Römer konnte der ausdruckslosen Mimik dieser in Leder und Leinen Gekleideten ihre Gesinnung entnehmen. Und auch ihre Sprache war ihnen fremd und half nicht dabei im Gegenüber Freund oder Feind zu erkennen. Aber hinter diesen unauffälligen Äußerlichkeiten verbergen sich die Feinheiten und die wahre Seele der Schlacht und nur hier blickt man in den Schlund einer urtümlichen Epoche zurück und kann sich ein Verständnis für das innere Wesen dieses Zeitalters erschließen. Darauf sollte der Historiker achten und es mit einbeziehen, möchte er versuchen die Wurzeln unserer Vorzeit zu berühren. Nur auf diesem Weg lässt sich Verständnis wecken und es lassen sich die Szenarien authentisch nachstellen. Und der Gradberg der steil zur Oese abfällt, bot den Cheruskern diese willkommenen Strukturen und sie nutzten sie. Zwar nicht um sich darin vor Feinden zu schützen, sondern um sie im umgekehrten Sinne dort anzugreifen. Denn hier bilden Oesetal und Gradbergrücken eine riegelartige Engstelle die seit Menschen gedenken immer nur Platz für einen schmalen Hangweg ließ. Der Durchbruch der Oese hinterließ dort über die Jahrtausende betrachtet dieses natürliche Geländehindernis. Und nur hier verbarg sich die einzige Stelle zwischen Brakel und Schwaney an der alle Reisenden die den Hellweg passierten besondere Vorsicht walten lassen mussten. Von Brakel aus in westliche Richtung bis zum Gradberg gesehen und von Schwaney von östlicher Seite aus, auch wenn dort ein Hohlwegbündel den Marsch erschwerte, war die Landschaft noch passabel begehbar. Kam man aber von Brakel dann ging es ab dieser Talsohle bis Schwaney nur noch bergauf. Die Suffelmühle mitsamt der Antoniusquelle an der Oese auf etwa 272 Meter gelegen bildete den Tiefpunkt und auf dem Netheberg nahe dem römischen Hellweg bewegte man sich schon auf 387 Höhenmetern. Möchte man den Beginn der Varusschlacht bestimmen dann begann sie an jenem fiktiven 25.9.0009 mit wenigen Stunden Abstand an zwei unterschiedlichen Orten. Bewusst etwas listig und doppelsinnig formuliert schlug die Stunde Null am Tag X also zwei Mal. Dieser Varusschlacht Hypothese folgend geschah es am zweiten Marschtag zunächst am Gradberg wo die Germanen erstmals zuschlugen und wo sie sich des zivilen Trosses bemächtigten. Von alledem ahnte Varus nichts, denn er selbst geriet erst später in Bedrängnis. Man ist sich darin einig, dass alle bislang im Hinblick auf die Suche nach dem Varusschlachtfeld angestellten Überlegungen unabhängig davon von wem sie stammen, auf Theorien gestützten Annahmen basieren. Diesen wiederum liegen in erster Linie die Überlieferungen der antiken Verfasser zugrunde. Dann folgen die geographischen Hinweise und zahlreiche andere Anhaltspunkte. Aber hinter jeder neuen Theorie lebt im sich auf die Suche begebenden Geschichtsfreund sicherlich die ureigene Vision und Überzeugung die antike Literatur richtig interpretiert zu haben. Aber schnell ist auch Wunschgedanken daran beteiligt, individuelle Vorstellungen und somit auch fehl gedeutetes Einfühlungsvermögen, deren Wahrheitsgehalt sich zwangsläufig der Überprüfbarkeit entzieht. Aber keine der vielen bereits diskutierten Varianten kommt ohne ein schlüssiges und flüssiges Gesamtkonzept aus. Also ein überzeugendes Drehbuch, woran bislang alle aufgestellten Theorien zur Varusschlacht zu kranken schienen und was daher schmerzlich vermisst wird. Denn alles muss auch zueinander passen, nahtlos ineinander greifen, sich in die vorhandene Landschaft einfügen und sich ihr unterordnen. Und dieses Gedankengebäude weicht davon einmal auf erfrischend neuartige Weise ab, denn diese Theorie lässt nur verschwindend wenige Fragen offen. So darf es nicht im Widerspruch bezogen auf unser Wissen über die Distanzen, die damaligen Marschleistungen, die Versorgungsmöglichkeiten oder die wenigen antiken Anhaltspunkte stehen. Aber nicht nur die im Osten liegenden historisch überlieferten Flussnamen wie Albis (Elbe) und Visurgis (Weser) machen es uns schwer den Schlachtenhorizont in der Rhein nahen Geographie zu suchen, so tendiert man seit jeher auch bevorzugt ins Ostwestfälische, wenn man Ausschau nach dem Schlachtgebiet hält. Es sind die unveränderlichen Abstände zwischen den auch heute immer noch existenten Fließgewässern, die unverkennbaren Gebirgspassagen die auch noch nach Jahrhunderten an alter Stelle anzutreffen sind und die Knotenpunkte der frei gelegten römischen Kastelle mitsamt ihrer zivilen Ansiedlungen die sich heran ziehen lassen, die sich wie ein Netzwerk über Ostwestfalen legen lassen und die ebenfalls eine Basis für diese Theorie bilden. Alle bislang bekannten Visionen zeigten Schwachstellen hinsichtlich ihrer jeweiligen Schlüssigkeit und Überzeugungskraft, wurden oft verworfen und in Frage gestellt, dann wieder aufgegriffen und optimiert um dann je nach Gesichtspunkt doch wieder fallen gelassen zu werden. Und allen bisherigen Theorien gelang es immer nur einzelne Episoden aus dem großen Verlauf zusammenhanglos heraus zu brechen und war nicht imstande sie plausibel miteinander zu verbinden. Erst mithilfe dieser Theorie lässt sich über den Schlachtenablauf ein erhellendes und auch einleuchtendes Gerüst legen. Es sind die Schnittmengen wo es anzusetzen gilt, möchte man sich mit einer neuen Variante anfreunden, sich mit ihr Gehör verschaffen und damit vorstellig werden. Komplex ist das gesteckte Ziel die Örtlichkeiten zu identifizieren allemal und es wird erschwert und beeinflusst durch die latente Gefahr, besser gesagt die Verlockung das historisch Überlieferte den jeweiligen Theorien angleichen zu wollen, statt wie es sich gehört den umgekehrten Weg einzuschlagen, nämlich den antiken Überlieferungen zu folgen. Das Örtlichkeiten mit dem Namen "Aliso" oder "Teutoburg" in alten Schriften und Landkarten und das sogar europaweit mannigfach vertreten sind erhöht auf den ersten Blick den Schwierigkeitsgrad Bezüge nach Ostwestfalen herzustellen, aber für ihr verbreitetes Vorkommen gibt es gute Gründe ohne das dadurch diese Theorie beeinflusst wird, worauf aber noch einzugehen sein wird. Hat man aber mal den Königsweg enträtselt fällt vieles leichter. Wir wissen alle wo die Favoriten zum Austragungsort der Varusschlacht schlummern und wünschen uns den großen Fingerzeig von oben der uns versagt bleibt aber die umfangreiche Sammlung an theoretischen Fakten macht Mut. Während die alten lateinischen Worte für viel Verwirrung sorgen, was zum Beispiel die antike geographische Vorstellung zur Lage der Lippequelle anbelangt, so scheinen sich doch alle Forscher darin einig zu sein, dass unter der Visurgis, wie von Cassius Dio erwähnt wird nur die Weser gemeint gewesen sein konnte. Da das große Römerlager nahe Xanten und die dort in den Rhein mündende Lippe als gesetzt gelten, bedarf es vom Grundsatz her nur der Verlängerung des Lippelauf über den Beginn der Schiffbarkeit hinaus um die Zielrichtung deutlich werden zu lassen. Zieht man eine gestreckte Linie von Xanten in Richtung Osten über das Stadtzentrum von Paderborn hinaus, so stößt man unweigerlich auf die Weser bei Höxter. Und diese erdachte Linienziehung verläuft nicht nur unwesentlich nördlich der Paderquellen, sondern berührt auch unmittelbar die ostwestfälische Stadt Brakel womit wir uns bereits mitten im Nethegau befinden. Also sowohl im Osten von Westfalen, als auch im Westen von Ostfalen, aber dieses merkwürdige historische Denkspiel ist einem anderen Kapitel vorbehalten. Die große überregionale Verbindungslinie rechtfertigt bereits in Teilen die strategische Vorgehensweise den Suchraum der Schlacht auf diese Region begrenzen zu dürfen. Weitere Fakten mit denen es sich begründen lässt wurden bereits im Verlauf dieser Niederschrift hinreichend dargelegt. Aber das allein genügt nicht. Denn um darin den Schlachtenraum fixieren zu können ist mehr nötig, als nur das grobe Eingrenzen möglicher historisch geometrischer Operationsgebiete. Man muss es enger fassen will man es genau wissen und dazu gehört es schon nahezu jedes Stöckchen einzeln herum drehen zu müssen. Man muss der Frage nach der germanischen Kampfstrategie auf den Grund gehen. Denn unsere Vorfahren ließen wie es aus antiken historischen Hinweisen hervor geht, eben jene Natur, die so viele Möglichkeiten bot um sie sich im Ernstfall zu nutze zu machen, für sich kämpfen. Sie war noch viel mehr wert, als der oft zitierte 11. Mann, wie man die heimischen Zuschauer eines Fußballspiels nennt. Dichtes Laubwerk, spätsommerlich hohe Bodenvegetation, Eichen die sich bis in die Kronen besteigen ließen, überdeckte und unkenntlich gemachte Senken und Gruben, knöcheltiefer Sumpf, Bohlenpfade die oft zitierten Holzwege, deren Verlauf und dessen Ende nur die Einheimischen kannten, schroffe Steilhänge die nur der Unkundige für unbezwingbar hielt oder unauffällige Nahrungs- und Waffendepots, aus alledem setzt sich die Kriegsführung eines Naturvolkes zusammen. Und dies sind auch keine hohlen Phrasen im verzweifelten Ringen nach Erklärungen und Gründen für die römische Niederlage, sondern die unverblümte Beschreibung einer Landschaft wie es sie sich heute nur noch in Relikten aufspüren lässt. Denn es ist aus den antiken Quellen hinreichend bekannt wie garstig die Natur in Germanien dem Imperium mit gespielt hat. Und damit ist nicht allein das scheußliche Wetter oder der unerfreuliche Wegezustand gemeint, was den Legionen an den Kampftagen zu schaffen machte, sondern das gesamte Milieu in dem die Germanen ihr Leben verbrachten. Und da wären noch die anderen Hinweise. Das im Jahre 15 + der Weg zum alten Varusschlachtfeld wegen seiner Unbegehbarkeit erst aufwändig herzurichten war und das auf dem östlichen Weserufer im gleichen Jahr ein Angriff von Germanicus von den Cherusker ebenfalls an einem Sumpfgebiet scheiterte. Und natürlich noch die Schlacht an den "Pontes Longi". Einem größeren von Bächen durchzogenen Moor- und Sumpfgebiet vermutlich im Lippetal gelegen. Auch dort geriet man wiederum in einen Hinterhalt aus Untiefen. Es summierte sich. Der missglückte Angriff über die Weser, das beinahe Desaster von Arbalo, die Einkesselung im grundlosen Morast bei den langen Brücken, natürlich die Varusschlacht, aber auch der versumpfte Marschkorridor am Kalkrieser Berg, oder die Panne mit der plötzlich einsetzenden Flut im Wattenmeer. Germanien war ein unwilliges und unbeugsames Land für imperiale Gebietsansprüche. So könnte man auch annehmen, dass sich Rom zudem noch extrem ungeschickt bei der Eroberung Germanien anstellte vor allem wenn man rechts des Rheins kämpfen wollte. Es waren wohl alle Gallier Kelten, jedoch nicht alle Kelten waren Gallier. Und östlich des Rheins hatte man es nun mit germanischen Kelten zu tun. Ein Völkergemisch gewaschen auch mit Weserwasser und was deren Mentalität und Wesen anbelangt so war und blieb es Rom fremd und unberechenbar. Der Lebensraum entscheidet mit über Temperament und Charakter seiner Bewohner und auch darin liegt auch ein Teil der Lösung verborgen, denn man kann sich nicht nahe genug mit den Menschen im Nethe- Tilithi- oder Wetigau, und ihrer Biogeographie befassen möchte man erahnen wie sie damals die Fremdherrschaft über sich ertrugen. Und wahrlich, die Cherusker werden ihr Stammesgebiet bis ins letzte Detail gekannt haben. Nur sie wussten wo die begehbaren Wege verliefen wo und wie sie endeten, kannten je nach Jahreszeit ihren Zustand und wann es besser war zum Weitermarsch auf ein steiniges begehbares Bachbett auszuweichen statt den Landweg zu nutzen. Sie wussten wo abgefallenes Unterholz kein Durchkommen ermöglichte, kannten die Tücken aber auch die für sie wichtigen Qualitäten der Landschaft vom Eggegrat aus über die feuchte Talaue der Nethe, die Hegge bis zur breiten Weseraue und dem angrenzenden Flussufer. Aus ihrer mediterranen Heimat waren für die Legionäre auch die Sumpflandschaften ein gewohnter Anblick. Die darin vor 2000 Jahren vorherrschende Vegetation brachte im Süden jedoch eine andere Tierwelt bestehend aus Giftschlangen, Skorpionen und aggressiven Insekten hervor und begünstigte die Malaria. Welcher Römer wusste damals, dass diese Tierarten bis auf die Kreuzotter in Ostwestfalen nicht verbreitet waren und wer wollte da den Germanen mit dem gezückten Schwert ins Abwegige folgen. Aber gehört es noch zur Dramaturgie sich eine Schlachtenversion vorstellen zu müssen, wonach die römischen Legionäre in Germanien so zaghaft agierten, dass man ihnen dieses Verhalten zutrauen könnte. Waren sie so wenig robust das sie sich in diesen Momenten aufgrund eines subjektives Angstempfindens blockiert fühlten. Auf Basis der Überlieferungen könnte man es annehmen, denn immer wenn es galt in trügerisches Gelände vorzudringen, dann versagte offensichtlich die römische Kampfdisziplin, ihre Pferde fassten keinen tritt mehr, ihre Waffen ließen sich nicht mehr erfolgreich nutzen und es brach Verwirrung aus. Ist von Brandschatzungen also dem Auslösen von Flächenbränden die Rede könnte der Grund dafür vielmehr darin gelegen haben, den Germanen die Deckung zu rauben, als ihre Felder zu verwüsten. Aber die Germanen wussten "von Natur aus", wo sie anzugreifen hatten, weil sie erfolgreich sein mussten. Sie wussten, wann man die untergehende Sonne im Rücken haben würde und wann sie ein Umweg schneller zum Ziel führte als der direkte Weg. Wissen über den Umgang mit der widrigen Natur das sich der "zivilisierte" Mensch abgewöhnen durfte. Und wie alle Naturvölker der Welt kannten sie Mittel und Wege und wussten was zu tun war, wenn man den Feind in einen Hinterhalt locken wollte. Wie die Gestirne in der Nacht zeigte ihnen die Vegetation und die Topographie am Tage was zu tun war. Und genauso verhielt es sich auch im Triangel zwischen Höxter, Schwaney und Borlinghausen in dem sich die Schlacht vollzog und wo alle westlichen Niederschläge aus dem Eggegebirge früher oder später in die Nethe entwässerten. Das Tandem Segimer und Arminius brauchte nur die bestimmenden Faktoren des Raumes und die anderen auf Rache sinnenden einst vertriebenen Stämme der Sugambrer und Marser für ihre Strategie gewinnen und die ersten Eckpfeiler des Erfolges waren gesetzt. Das Arminius den römischen Feldherrn in den Süden in Richtung Diemel locken musste und nicht in den Norden liegt auf der Hand, denn man konnte auf diese Weise die Legionen parallel zur Egge an den einzigen bei Borlinghausen befindlichen begehbaren Saltus heran führen. Den Weg den man Varus vorher als einen geeigneten Rückweg zum Rhein beschrieben hatte. Man konnte sich die Fließrichtung der Nethe und ihre Feuchtgebiete zunutze machen und die Legionen unter diesem Vorwand zunächst auf die trockenen Hegge Höhen dirigieren. So war die von den Einheimischen ausgewählte Region ein Paradebeispiel für antike Schlachtenplanung von Partisanenhand und geradezu prädestiniert und geschaffen für ein Marschzuggefecht gegen einen stärkeren Gegner. Aus diesen grob geschilderten Gründen heraus betrachtet, war es das klassische Kampfgebiet weil schon die Natur dafür die Regeln vorgab, die Weichen gestellt hatte und den Germanen eine Steilvorlage servierte. Und keine andere Region zwischen Weser und Lippe konnte hier mithalten, befand sich so abseitig und lag doch gleichzeitig so nahe am hellwegigen Hauptzugkorridor. wenn man in der "Visurgis" den Ausgangspunkt und in "ad Ripam" den Zielpunkt erkannt hat. Die lukrativen Erzminen aber auch die fruchtbaren Tallagen der Mittelgebirge, ihre Siedlungskammern und Salzstätten zwischen Harz und Elbe waren für Rom attraktiv und natürlich der Grund Ihrer Stoßrichtung sowohl in den Nordosten, die Bernsteinstraße die über Magdeburg und Burg an die Ostsee führte als auch zum Oberlauf der Elbe. Während hingegen die wenig ergiebigen dafür aber endlosen Moor - und Sumpflandschaften der Norddeutschen Bucht auf sie keinerlei wirtschaftliches Interesse ausübten. Und nur über Höxter aber nicht über Hameln erreichte man auch auf dem besten Weg jene Zielregionen an der Mittelelbe. Jenem Fluss der in Verbindung mit dem bayrischen Wald einmal die neue Ostgrenze des Imperiums darstellen sollte. (08.09.2021)

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Montag, 30. August 2021
Die Ursachen für die Niederlage waren vielfältiger Natur - Wetterkapriolen, Varus und Arminius waren es nicht allein.
Der Schlacht lassen sich zahlreiche Sichtweisen abgewinnen und genauso viele Gründe lassen sich für die römische Niederlage finden. So kann man um die Örtlichkeiten aufzuspüren die geographische Draufsicht zum Hilfsmittel nehmen, könnte die bisherigen Forschungsergebnisse bewerten oder sich intensiv den antiken Historikern widmen, kann aber auch versuchen den Protagonisten über die Schulter zu schauen um über ihre Wesenszüge zu erfahren warum Varus verlor und Arminius gewann. Man kann sich aber auch in Theorien um das beiderseitige Kräfteverhältnis aufreiben um dann zu der nüchternen Feststellung zu gelangen, dass manche Sieger immer nur scheinbar die Besseren waren. Denn schaut man genauer hin so war sehr oft einfach nur der Gegner zu schwach. Mit dem Verlassen des Brakeler Lagers rückte die Schlacht näher und so bieten sich immer wieder neue Anhaltsspunkte mit denen es sich dem Schlachtverlauf näher kommen lässt. Es fängt schon mit der Zugrichtung an die von Brakel aus betrachtet nach Süden zeigte. Man darf annehmen, dass die Germanen von der unzugänglichen Nethetalseite also von Westen her angriffen, da die Römer in diese Richtung keine Verfolgung aufnehmen und ihnen dorthin nicht nachsetzen würden. Und natürlich kannten die Cherusker die uralte Schwerthandtaktik. So waren die Legionäre gezwungen mit ihrer rechten Hand, mit der sie ihr Schwert führten auf der falschen Seite zu marschieren, was den Germanen in die Hände spielte in dem sie in eine ungünstige Position gerieten. So betrachtet standen die Legionen in ihrer Gesamtheit auf dem sprichwörtlich falschen Fuß, als ihnen die ersten Speere von rechts entgegen flogen, denn das abwehrende Schild führten sie in der linken Hand. Sie mussten sich zum Feind drehen hatten sich aber gleichzeitig innerhalb der Marschkolonne fortzubewegen. Da die richtige Körperhaltung und Fußstellung im Nahkampf zwischen Leben und Tod entscheiden konnte, entfaltete auch dieser Umstand seine Wirkung. Und auch auf Varus könnte man dieses Sprichwort übertragen, denn dafür scheint er der richtige Kandidat gewesen zu sein. In seinem Todesjahr hätte man ihm vielleicht ein anderes Talent gewünscht, als sich nach all seinem erfolgreichen Wirken für das Reich nun im Norden auf dem falschen Fuß erwischen zu lassen. Und natürlich hätte ihm auch etwas mehr geistige Beweglichkeit gut gestanden. Denn nach der Beschreibung seiner Person zu urteilen, soll es da bei ihm nicht weit her gewesen sein, wobei ihm zudem die nötige militärische Führungsstärke auch nicht mit in die Wiege gelegt worden zu sein schien. So sind sich alle Historiker, ob sie zu Zeiten des Imperiums lebten oder später versucht haben sich einen unverstellten Blick in die Vergangenheit zu bewahren in diesem Punkt einig und das ist selten genug der Fall. So könnte etwas an den Beschreibungen dran gewesen sein, die uns über seine Person vorliegen und dazu geführt haben, dass es weltweit keine Feldherrnhalle gibt in der seine Büste ausgestellt ist. Milde geurteilt war Varus aber nicht nur ein Opfer besonderer Umstände, sondern ließ sich auch bequem und widerspruchslos und das für alle Zeiten zum Alleinschuldigen abstempeln. Und so wurde er durch sein Schicksal dazu bestimmt uns als Beispiel und zum ewigen Vorbild für menschliches und militärisches Unvermögen und Totalversagen zu dienen. Obwohl wir oftmals verkennen, dass auch Varus nur ein Kind seiner Zeit war und es noch viele andere ?Persönlichkeiten? und auch ?Peinlichkeiten? in der Geschichte Roms gab. Männer, die sich selbst und das römische Reich mehr disqualifizierten oder schlechter repräsentierten als er und die sich genauso ungeniert bereicherten und ihre persönlichen Interessen verfolgten. So wurde er in allen Geschichtsbüchern als der Versager schlechthin gegeißelt, was ihm zu zweifelhafter Unsterblichkeit verhalf. Varus blieb am Ende erfolglos und das war sein eigentlicher Makel, der ihm in Rom nachgetragen wurde. Hohe Verluste an ?Menschenmaterial? ob römischer oder anderer Herkunft und vieles mehr hätte man ihm gerne verziehen, wenn nur am Ende bei allem für das Imperium ein schwarze Null heraus gekommen wäre. Das Maß der Dinge war immer schon der Erfolg und der heiligt bis in unsere Tage leider zu oft die Mittel. Ihm blieb er versagt. Drusus hätte es 11 - bei Arbalo ebenso treffen können, denn er konnte sich aus einem von den Germanen bereits gebildeten Hinterhalt, in dem man ihn schon eingeschlossen hatte noch mit viel Glück befreien. Dann wären beide zu Brüdern im Schicksal geworden und es wäre ihm auch keine ?Trophae Drusus? mehr vergönnt gewesen. Ein Gedenkaltar wie man ihn in antiker Zeit vermutlich an einem für alle gut sichtbaren und häufig frequentierten Drehkreuz errichtete aber nicht fernab in der Wildnis Germaniens, wo er nicht aufgefallen wäre. Wenn auch auf unterschiedliche Weise, so endeten doch beide vor der Ironie der Geschichte als Pechvögel. Aber auf Varus waren alle Augen gerichtet, mehr noch als man denkt. Wie würde er es wohl angehen mit seinen Beratern und Advokaten einem ungebändigten Land eine bürokratische Struktur zu geben. Es in ein Korsett zu zwängen aus dem jedes Naturvolk versuchen würde sich schnell wieder heraus zu winden, da es seine Traditionen nicht aufgeben wollte. Zumal ein Volk mit einer gewachsenen rauen Geschichte, deren Weiber sogar sich und ihre Kinder noch gar nicht lange zuvor in barbarischer Weise im Zuge der Kimbern - und Teutonenschlachten gegenseitig bestialisch umbrachten um mit allen Mitteln ihren Männer auch noch die letzten Kraftreserven abzutrotzen. Die Germanen wurden beschrieben als ein Volk, dass noch urtümlicher und angsteinflößender gewesen sein soll als es die Kelten waren und das nicht viel Menschenähnliches an sich gehabt haben soll außer der Gestalt. Und wer weiß was damals noch alles römischer Feder über sie entsprang, wenn man von diesen Halbwilden sprach, die ihnen gerade noch gut genug dafür waren in den Kampfarenen oder den Steinbrüchen des Imperiums zu sterben. Und Varus sollte im Auftrag des Kaisers diesem Land nun auf ewig den Stachel des Widerstandes ziehen. Aber es kam anders und das Reich sollte noch hunderte Jahre später erleben mit welch menschlichen Urgewalten sie es damals aufnehmen wollten, als immer wieder neue unbekannte Barbarenvölker an ihren Außengrenzen erschienen und diese letztlich überrannten. Varus übernahm die Verantwortung und eine schwere Aufgabe und stand unter der Beobachtung all jener, die schon ihre leidigen Erfahrungen mit den Germanen gemacht hatten, was deren Zuverlässigkeit und Mentalität anbetraf. Varus ging mit Vorschusslorbeeren und höchsten Weihen nach Ostwestfalen um zu helfen die Schatulle eines stets auf finanzielle Mittel angewiesenen klammen Kaisers zu füllen. Augustus der ihm vertraute und es ihm zutraute und der seine fiskalischen Qualitäten und Eintreibermethoden schätzte, ließ sich sicher über sein Wirken Bericht erstatten. Aber Tiberius der Germanenkenner und noch viele andere Kommandanten der Rheinkastelle werden skeptisch gewesen sein. Aber speziell Velleius Paterculus dürfte seine Vorgehensweisen und seine Entscheidungen schon früh mit Argwohn begleitet haben. Sein Ruf und seine stoische Zielsetzung zu vieles vom Tribunal aus regeln zu wollen mag ihm voraus geeilt sein. Seine Kritiker wussten das in Germanien andere Gesetzmäßigkeiten herrschten und könnten schon bei der Nennung seines Namens abfällig gestikuliert haben. So könnten sie ihm auch nur geringe Chancen gegeben haben und setzten keine Erwartungen in ihn. Aber erst recht gönnten sie ihm keine Erfolge. Varus wurde entsandt nicht weil er ein guter Feldherr gewesen wäre und die römischen Legionen gut befehligen konnte, sondern weil man von ihm in Rom erwartete gemeinsam mit den Germanen im Sinne des Imperiums in ein neues römisch geprägtes Zeitalter analog zu Gallien aufbrechen zu können und vielleicht glaubte er sogar selbst, dass es gelingen könnte. So war er als strenger Verwaltungsbeamter sicherlich auch kein Mann der die Auseinandersetzung bewusst suchte oder sie herauf beschwören wollte. Mit der Ausnahme, dass man von ihm keine militärischen Glanztaten und Entscheidungen abverlangen durfte, wird er dem Papier nach auch der richtige Mann für diese Aufgabe gewesen sein. Nur von der Kraft der römischen Gesetzgebung auf Basis von Justitia wollte er das Schwert schwingen und nur im äußersten Notfall sollte es der römische Legionär in die Hand nehmen dürfen. Und selbst noch am ersten Tag der Schlacht handelte er danach. Denn es wurden in der ersten Konfliktphase die Legionäre von ihren Befehlshabern genötigt zurück haltend und besonnen zu agieren um das Erreichte nicht zu gefährden. Sollten sich nicht provozieren lassen und durften keinen unnötigen Groll schüren. Und das zu einem Zeitpunkt, als die Legionäre schon die ersten Wunden am Körper trugen. Für Varus war der Richterstuhl das Symbol von Gerechtigkeit und Befriedung, so wollte er alle Konflikte angehen und lösen und so beschrieb es auch Paterculus. Aber den Befehl an seine Legionäre passiv bleiben zu müssen mochte Paterculus ihm nicht verzeihen, obwohl man ihn in seinen Absichten nachvollziehen kann. Nach Paterculus zu urteilen glaubte Varus er spräche auf dem Forum Recht wie ein Stadtprätor und verhielt sich nicht so wie der Kommandant einer Armee mitten in Germanien. Varus war sicherlich nicht zum Kriegsheld geboren und im Führungsstab früherer Einsätze war er wohl eher der Mitläufer. Aber in Germanien besaß er von der ersten Stunde an die Entscheidungsgewalt die ihm alle Macht auch über Leben und Tod verlieh. Im Waffeneinsatz sah er sicherlich ein probates Mittel und erkannte auch die Notwendigkeiten, aber er setzte es wohl erst im letzten Moment zur Durchsetzung römischer Interessen ein. Germanien sollte er nach der Zähmung in ruhiges Fahrwasser überführen und richtete daher den Schwerpunkt seiner Arbeit darauf aus die Dinge auf dem Wege von Schlichtung und Einigung oder letztlich per Richterspruch aus der Welt zu schaffen und dann erst als letztes Mittel Gewalt einzusetzen. Aber dieses letzte Mittel setzte er im Zuge seiner Urteile zuletzt möglicherweise zu häufig ein weil er spürte, dass ihm die Lage entglitt. Varus war Legat und auf dieser Basis befehligte er auch seine Offiziere und forderte von ihnen die Umsetzung seiner Befehle. Spannungen könnten nicht ausgeblieben sein und ein Generalstab der nicht hinter den Entscheidungen des Feldherrn stand schwächte immer schon die Moral. Sollte Tiberius weitere auch persönliche Ambitionen in Ostwestfalen verfolgt haben, so gab er sie letztlich für den Feldzug gegen Marbod auf. Die folgenden Konflikte in Pannonien und Dalmatien und der Blick auf den alternden Augustus werden seine Überlegungen und Entscheidungen beeinflusst haben. Die militärische Lage machte es Tiberius zudem nicht möglich für Varus bessere militärische Voraussetzungen und Bedingungen für seine Mission zu hinterlassen. Im taktischen Friedensschluss von Tiberius mit dem Markomannenkönig im Jahre 6 + sah man unter den Germanen an der Weser sowohl ein Zeichen römischer als auch markomannischer Schwäche. Alle Völker erkannten nach dem Ausbruch des Pannonienaufstandes die unerwartete Schwäche des Imperiums. Deutlich wurde sie indem man Marbod ungeschoren lassen musste. So konnte auch damals schon Politik sein und Marbod fand sich plötzlich in einer ungewohnt komfortablen Position wieder. Dafür sah er sich sicherlich dem Spott jener Germanen ausgesetzt die ihm vorwarfen, er wäre ja nur noch mal mit Glück davon gekommen und der endgültigen Vernichtung dank des Pannonien Aufstandes entgangen. Wohl gekränkt wartete er auf eine Gelegenheit der beschämenden Erniedrigung etwas entgegen setzen zu können. In den Zeiten des ?Immensum Bellum? der über Germanien Tod und Verwüstung brachte wurden unter Tiberius auf dem Höhepunkt des Erfolges die Weichen für die Provinzialisierung Germaniens gestellt. Der Feldzug gegen Marbod und sein vorzeitiger Abbruch änderten daran nichts und man hielt an dem Plan fest. Das Risiko, dass man dadurch möglicherweise gar mit dem Feuer spielte erkannte man nicht oder man ging es ein. Das von Varus nach Ostwestfalen mitgeführte Militär sollte zuvorderst Pionier- und Aufbauarbeiten verrichten, aber parallel dazu seine abschreckende Wirkung entfalten. Einschüchterung zu betreiben war immer angebracht, nicht jeder Germane hatte in diesen Tagen schon ein römisches Kastell von außen oder gar von innen gesehen aber die römische Bewaffnung hatte sich herum gesprochen. Und der angestrebten Partnerschaft lag die Prämisse zugrunde, dass es sie nur unter römischer Oberhoheit geben konnte. Ungeachtet dessen bestand die Devise wohl darin das Klirren des Metalls der Waffen nicht über Gebühr zu strapazieren. Römische Sommerfeldzüge insbesondere im Jahre 9 + sollte man nicht unbedingt als Kampfhandlungen begreifen. Sie dienten der Präsenz und dem Gehabe einer Großmacht. Varus der amtierende Provinzgouverneur nutzte sie um sich zu zeigen und auch in entlegenen Regionen die Pax Romana zu verbreiten. Da wo es sich anbot Überlegenheit zu zeigen, Eindruck zu hinterlassen und die Heranwachsenden vielleicht schon mal die römischen Waffen berühren lassen tat man es. So passte es und ist auch überliefert, dass Varus den Sommerfeldzug ausgerechnet in jenem kritischen Jahre 9 + ausließ, ihn verpasste oder ihn nicht anordnete weil er es in dieser Zeit für gebotener hielt, in einem festen Lager von einem herrschaftlichen Tribunal aus mehr oder minder schwere Streitfälle unter den Germanen zu schlichten. Man sieht darin bereits einen Teil der germanischen Strategie, in dem man ihn bis in den Herbst an sein Sommerlager band und ihn dort beschäftigte. Die Germanen mussten um diese Zeit bereits tief in die Vorbereitung ihres Unternehmens verstrickt gewesen sein. Denn im Zuge eines Feldzuges, vielleicht besser gesagt einer Sightseeing Tour im Jahr seiner Niederlage hätte Varus auch in Regionen gelangen können, aus denen man ihn fern halten wollte um bei ihm keine Ortskenntnis entstehen zu lassen bzw. keinen Argwohn zu wecken. Er hätte Dinge erfahren können mit denen die Germanen Gefahr liefen sich verdächtig zu machen. Im Sommer 9 + war das Thema Aufruhr noch nicht präsent niemand sprach davon und unnötige Unruhe sollte vermieden werden. Dies könnte ihm entgegen gekommen sein und würde auch zu einem Feldherrn passen, der es vorzog den Hochsommer an der Weser zu verbringen statt in einem ungemütlichen Gefährt oder zu Pferde durch die holprigen Wohngebiete der Germanen zu ziehen. Seine Aufgabe bestand, oder es sah sie darin nach den langen Kämpfen des ?Immensum bellum? den Frieden nach Germanien zu bringen, denn nur in Friedenszeiten lässt sich aus einem Land wirtschaftlicher Nutzen ziehen. Im Herbst 9 + hatte das Lagerleben ein Ende. Sich aber nach einem relativ friedvollen Zusammenleben mit den Germanen noch mal der dunklen Seite der Macht stellen zu müssen gehörte zur leidigen Pflicht einer Söldnerarmee. Man hätte es wohl gerne vermieden nochmal den Waffengurt enger zu schnüren. Aber gerade vor dem Wintereinbruch und einer längeren Abwesenheit galt es für Ruhe zu sorgen und Ordnung zu hinterlassen und schwelende Konfliktherde waren Gift für die Strategie. Alles war sorgsam abzuwägen und die Cherusker die man als Partner aufbauen wollte, bekamen die Gelegenheit ihre Loyalität zu beweisen. Als es dann zum offenen Gewaltausbruch kam wähnte sich eine ganze Armee urplötzlich auf dem falschen Fuß. Als man dieser dann noch von höchster Stelle verbot sich zur Wehr setzen zu dürfen war die Irritation komplett, denn der einfache Legionär konnte nicht nicht Absicht erkennen, die dahinter stand. Ein Hinweis auf eine desaströs verfahrene Lage die an dieser Stelle das ganze Dilemma der Schlacht wie kaum eine andere Überlieferung verdeutlicht. Verwundungen sollte man offenbar widerstandslos über sich ergehen lassen und hatte stoisch am Weitermarsch festzuhalten und wer wollte da zum bösen Spiel noch eine gute Miene machen. Eine schier undenkbare Gemengelage sich in einer Situation zu sehen in der man Gefahrenabwehr betreiben sollte ohne sich zu wehren und keine Gegenreaktion zeigen durfte. Aber in diesen kritischen Minuten bevor man sich sehenden Auges einen Speer in den Leib schleudern lässt, werden Befehle die man für unsinnig hält naturgemäß ignoriert. So ergriffen unter Schmerzen zornig gewordene Legionäre zwangsläufig die Inituative und zogen ihr Schwert. Man versetze sich in die Phase einer beginnenden Schlacht. Alles fängt beim Nahkampf an und es entwickelt sich die hitzige Eigendynamik. Und plötzlich wird man vom befehlshabenden Centurionen zurück gepfiffen. Und dieser handelte auch nicht eigenmächtig, sondern musste ebenfalls dem Befehl seiner Vorgesetzten aus den Manipel und Kohorten folgen und ihn umsetzen. Das der Befehl an die Legionäre passiv bleiben zu müssen nur von höchster Stelle ausgegangen sein konnte dürfte unstrittig sein. Also von Varus und seinem Generalstab die in ihren Köpfen noch eine völlig andere Vorstellung von der Lage vor Ort im hinteren Teil hatten. Ein Beleg und eine Bestätigung dafür wie unübersichtlich sich das Geschehen bereits vollzogen hatte, als es Paterculus ins Geschehen einfügte. Vermutlich erreichten den Führungsstab auf dem Wege der Befehlskette nur Nachrichten von kleinen feindlichen Störversuchen, anfänglichem Säbelrasseln bis zu leichten Provokationen, aber von Speerwürfen war noch keine Rede. Varus gab verständlicherweise die Direktive sich ruhig zu verhalten, sich nicht provozieren zu lassen und selbst auch nicht zu provozieren. Eine aus seiner Sicht nicht unkluge Entscheidung, da ihm und seinen Kommandeuren an der Marschspitze zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß noch nicht bewusst war. Als aber der Befehl das Marschende erreichte, hatte sich die Situation bereits bereits dramatisch verändert und die Wut unter den verwundeten Legionären wird verständlich. Und mitten in dieses Handgemenge platzte von ihren eigenen Vorgesetzten der Befehl zurück zu weichen und sie wurden sogar mit Gewalt an der Gegenwehr gehindert. Velleius Paterculus schreibt dazu, dass einige dieser Legionäre für ihr wehrhaftes Handeln sogar bestraft wurden was es verdeutlicht. Man ging also nicht zimperlich mit jenen Legionären um die nun als Befehlsverweigerer galten und schreckte wohl auch nicht davor zurück die Peitsche gegen die eigenen Männer einzusetzen um die nötige Disziplin im Marschzug wieder herzustellen. Es war die Pflicht und Aufgabe der Kolonnenführer und wir wissen wie andere Legionäre sechs Jahre später am Rhein Germanicus ihre Wunden zeigten die ihnen einst die eigenen Centurionen schlugen. Paterculus der die Abläufe und Details vor Ort gekannt haben dürfte, musste erschüttert darüber gewesen sein, als er erfuhr, dass in der Phase, in der es noch möglich gewesen wäre die Schlacht zu wenden die eigenen Leute vom Waffeneinsatz abgehalten wurden. Und so musste für ihn diese Lagebeschreibung, einem versierten Militärtribun völlig irrational, unverständlich, schier unerträglich und schmerzlich erschienen sein. Wie konnte Varus nur derart widersinnige Befehle erteilen. Zweifellos unterschätzte auch Paterculus und das vielleicht sogar mit Absicht die Probleme die eine lückige Befehlskette samt Zeitverlust mit sich brachte, wenn diese auf einem Marschzug nicht reibungslos funktionierte, da sie möglicherweise schon mehrfach unterbrochen war. Marbod schlug später seine Kerbe an einer anderen Stelle ein. Denn seine Kritik setzte nicht bei Varus ein, sondern er griff die römische Strategie in Gänze an, da sie den Germanen einen leichten Sieg beschert hat. Indem er Rom die zahlenmäßige Schwäche der Varus Armee vorwarf schmälerte er auch gleichzeitig den Sieg der Wesergermanen mit denen er in keinem guten Verhältnis stand. Arminius nicht zum Erfolg zu belobigen aber in gleichem Atemzug Rom Versagen und militärische Fehleinschätzung vorzuwerfen war das taktische Verhalten eines Stammesführers der der Szenerie des Jahres 9 + aus sicherer Distanz beiwohnte und der es sich erlauben konnte. Die Geringschätzigkeit die aus seiner überheblichen Bemerkung spricht wird die politische Lage zwischen Cheruskern und Markomannen verschärft haben. So wird man Marbod im Gegenzug Feigheit vorgeworfen haben als der 6 + die Gelegenheit verstreichen ließ, sich nach dem abrupten Abbruch des Tiberius Feldzuges nicht den abziehenden Römern in den Rücken geworfen zu haben. In Marbod werden die Wesergermanen daraufhin jedenfalls keinen gewachsenen Bündnispartner gesehen haben. Und mit der Weiterreichung des halbverbrannten Varus Kopfes an Marbod im Jahre 9 + war auch nicht das viel zitierte Angebot auf Zusammenarbeit zu verstehen, sondern es war als ein provokatives Zeichen des Sieges zu werten, dass man an der Weser im Gegensatz zur Elbe zu entschlossenem Handeln fähig war. Es war die klare Botschaft mit der Arminius gegenüber Marbod seinen Triumph zum Ausdruck brachte den Marbod seinerzeit verspielte, da er auf den Angriff auf Tiberius verzichtete. So lag darin eher der versteckte Vorwurf Marbod Mutlosigkeit zu unterstellen, woraufhin Marbod Arminius zwangsläufig den nötigen Respekt für seinen Sieg über Varus verweigerte. Vollendet und gesteigert wurde die Schmach der Wesergermanen über Marbod, in dem sie ihm für den Friedensvertrag besser gesagt das gegenseitige Stillhalteabkommen im Sinne eines beiderseitigen Nichtangriffspaktes kritisierten, da ihm dieser von Tiberius wie einem Unterlegenen aufdiktiert wurde. Und ein Passus darin könnte der gewesen sein, dass Marbod die römischen Interessen in Ostwestfalen nicht stören, sich also nicht hinter seinem Rücken auf die Seite der Wesergermanen schlagen durfte. Für Marbod und Rom erwuchs daraus vorübergehend die berühmte ?win win Situation?. Rom bekam Ruhe an der germanischen Nordostgrenze und Marbod blieb an der Macht wurde aber gleichzeitig für die Wesergermanen zu einer ständigen Bedrohung. Eine Situation wie man sie in Rom liebte, bis Arminius sie eines anderen belehrte. Für die Wesergermanen war Marbod zum Römling mutiert, aber in der Unbeliebtheit seiner Person lag man wohl in Germanien als auch in Rom gleichauf. Drei Jahre nach dem Vertragsabschluss des Jahres 6 + war auch Varus nur noch Geschichte. Für Marbod wuchsen die Probleme erst wieder, als sich die Cheruskerkoalition nach Germanicus gegen Marbod wendete. Wie Paterculus, der die Strenge der Befehle zu einem Zeitpunkt kritisierte, als Varus besser zum Angriff geblasen hätte mischte sich also auch Marbod in die damalige Diskussion mit ein. Marbod stand nach der Varusschlacht immer noch in taktischer Treue zu Rom und leitete daher auch Gehorsam das Haupt des Varus wie eine heiße Kartoffel an Kaiser Augustus weiter. Da er vielleicht immer noch einen Angriff des Imperiums auf ihn befürchtete wollte er keinesfalls in den Verdacht geraten mit den Wesergermanen zu paktieren. Augustus wird es als ein Zeichen seiner Vertragstreue verstanden haben. Aber Marbod taktierte geschickt, denn er übertrieb es auch nicht mit seiner Unterwürfigkeit. Augustus in Sorge zu lassen, dass sich die Machtverhältnisse in Germanien doch wieder verschieben könnten gehörte zum Machtpoker. So kritisierte Marbod geschickterweise weder Varus, noch lobte er Arminius, sondern stellte lediglich fest, dass sich die Legionen nicht mit voller Kampfkraft den Germanen entgegen warfen, was deren Sieg erleichterte bzw. begünstigte. Ein deutlicher Affront gegen die Militärmacht Rom und seinen damaligen Oberkommandierenden Tiberius. Ansonsten verging sich Marbod in den zeitgemäßen Schmähreden. Es sind uns aber die wesentlichen Aussagen aus seinem Munde überliefert. So soll Marbod der doppeldeutig blieb gesagt haben, dass der wahnsinnige und unerfahrene Arminius sich fremden Ruhm angemaßt habe, weil er drei ?vacuas Legiones? und ihrem vertrauensseligen Führer treulos hintergangen habe. Marbod sagt, dass Arminius hinterrücks, wahnsinnig und unerfahren war und bringt zum Ausdruck, dass sich Arminius selbst den Sieg an die Brust geheftet haben soll, obwohl der Ruhm den man wohl zweifellos einstrich, eher anderen zugestanden hätte. Hier findet sich eine Spur bzw. ein Hinweis dahin, dass auch andere Germanenstämme beteiligt waren und auch sein Vater Segimer aufgrund der Unerfahrenheit von Arminius einen maßgeblichen Einfluss auf die Vorbereitungen und den Verlauf der Varusschlacht hatte. Segimer der vermutlich in der Schlacht umkam, wodurch erst Arminius an seine Stelle trat. An der Tacitus Überlieferung II. 46 von Marbod, nämlich ?tres vacuas legiones? scheiden sich seit jeher die Geister. Tacitus und Marbod waren keine Zeitgenossen. Marbod starb schon etwa 21 Jahre vor der Geburt von Tacitus. Aber Marbod lieferte uns eine der wenigen zeitgenössischen Begründungen für den Sieg von Arminius und zwar aus einem anderen wichtigen, nämlich aus dem germanischen Blickwinkel betrachtet. Denn er hebt ab auf die zahlenmäßige Unterlegenheit der drei Legionen, die man für den Feldzug dezimiert hatte. So wird gerade er es auch am Besten gewusst haben, warum Varus nicht genügend Kämpfer zur Verfügung gestanden hatten. Wie aber hinterließ uns Marbod seine Einschätzung zum Ausgang der Varusschlacht hinsichtlich der fehlenden Kampfkraft. Gab er sie mündlich weiter und wer schrieb sie auf. Bis sie Tacitus aufgriff muss sie durch mindestens eine Hand gegangen sein. Für Tacitus war Arminius ein strahlender Kämpfer für die Freiheit, während er in Marbod eine beim Volk verhasste Person erkennt, die er wie eine Verkörperung der Willkürherrschaft gegenüber Arminius darstellt. Moralisch wähnte sich Tacitus auf der Seite von Arminius übernahm aber den ihm zugänglichen Unterlagen eine Version, die sich nicht mit diesem Selbstverständnis vertrug. Denn während Arminius bei Tacitus einen hohen Stellenwert genoß, sah Marbod wie Tacitus berichtete in Arminius nur einen unerfahrenen Wahnsinnigen dem ein hinterlistiger Sieg gelang. Trotzdem schloß sich Tacitus der Auffassung von Marbod an, dass Aminius gegen eine personell ausgedünnte Armee antrat und wohl nur deswegen siegen konnte. Vor diesem Hintergrund wäre es daher interessant zu wissen, ob das Wort ?vacuas? aus der Feder von Tacitus und wie es Marbod über die Lippen gekommen sein soll schon Veränderungen erfuhr oder ausgesetzt war, bevor Tacitus es aufgriff oder es anders verwendete. Aus der Sympathie die er Arminius indirekt entgegen bringt aber trotzdem die Herabwürdigung seiner Person durch Marbod thematisiert zeichnet sich Tacitus jedenfalls als ein authentischer also glaubhafter Historiker aus. Den ganzen Schlachtverlauf und zudem noch den Ausgang der Varusschlacht an dem einzigen Wort ?vacuas? festzumachen fügt sich erst ins Gesamtbild wenn man davon ausgeht, dass Tiberius die Varuslegionen dezimieren also entleeren musste um damit sein Truppenaufgebot gegen Marbod aufstocken zu können. Aber die Worte ?vacuae? bzw. ?vacuas? von Marbod lassen sich auch in den Vorstellungen von Paterculus finden. Auch er erkannte sowohl die Schwachstellen der Legionen, als auch die Führungsschwäche des Generalstabes vermied aber vermutlich aus Unkenntnis über den Schlachtverlauf späte Ratschläge darüber, was Varus im Gefecht hätte besser machen sollen. Das Zeitfenster, das Varus zur Verfügung stand um das Ruder noch herum reißen zu können war schmal und bestand nur aus wenigen Stunden. Daraus ergibt sich vielleicht die interessante Fragestellung was Varus in dieser Zeit hätte unternehmen können, um die Schlacht noch abwenden zu können. Etwa der sofortige Befehl zum Rückzug, das aber zu einem Zeitpunkt als er noch auf die Verstärkung durch Arminius wartete ? Schwer vorstellbar. Aber Paterculus hatte es bemerkt, als er die befehlstechnisch aufgezwungene lange Phase der Passivität indirekt als eine Ursache für die Niederlage bezeichnete. Doch was steckt genau hinter dem Wort ?vacuas? aus dem Munde von Marbod. In erster Linie natürlich leer wie entleert und inhaltslos, hohl wie ausgehölt. In der Militärsprache ausgedrückt, zahlenmäßig unterlegen, schwach, aber auch frei, unbesetzt, unbeschützt oder entblößt. Ähnliche Worte verändern auch die Bedeutung. So steht Vacuos für ermüdend, Vacuorum für geschunden oder Vacue = mit leeren Händen. Vacuus = ungerüstet, müßig sorglos und unbefangen. Aber überliefert ist das Wort ?vacuas? dem sich noch eine weitere Übersetzungsmöglichkeit zuordnen lässt, nämlich das Wort ?ausgezehrt?. Das Wort passt noch zur tieferen Begrifflichkeit des Wortes ?vacuas? und bedeutet ausgelaugt, kraftlos und möglicherweise auch noch demoralisiert. Attribute die für eine am zweiten Marschtag erholt ausgerückte Armee ab Brakel nicht zutreffen sollten. Marbod könnte damit zum Ausdruck gebracht haben, das die Legionen auch schlecht geführt oder vorbereitet wurden. Mit der Beschreibung und dem einzigen Wort ?vacuas? könnte Marbod aber genau den richtigen Ton getroffen haben, denn auch er konnte und wollte bei den Legionären kein Fehlverhalten erkennen und könnte wie sein Zeitgenosse Paterculus letztlich auch im Feldherrn Varus zumindest indirekt den Schuldigen erkannt haben, allerdings ohne ihn explizit zu erwähnen, denn etwas Zurückhaltung Gebot ihm der nötige Respekt vor dem Imperium. Arminius gelang es also drei Legionen zu vernichten. Nicht weil sie aus schwachen Kriegern bestanden, sondern weil man sie auch ihrer Möglichkeiten und ihrer Kampfkraft beraubt hatte. Eben aus vielerlei Gründen, die alle an diesem einen Tag im September zusammen fielen und sich gegen Varus verschworen hatten. Aber wieder wird ersichtlich wie schwer es fällt alle Schuld auf Varus zu schieben. (30.08.2021)

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