Freitag, 24. Dezember 2021
Angekommen in der Hölle der Varusschlacht - Unsere entrückten Vorstellungen vom "prima Vari castra".
Und den Grund dafür, dass uns alles um das damalige Varuslager so seltsam verklärt und befremdlich erscheint haben wir oft in der Ermangelung unseres Geschichtsbewusstseins zu suchen. Viele Theorien um diese eine Schlacht und viele römische Marschlager oder Kastelle in Westfalen, aber nur ein "prima Vari castra". Dafür wurde es aber zu einer schicksalhaften Station einer Armee auf dem Weg in den Untergang das zum deutschen Mythos wurde. Es sich plastisch vorzustellen verlangt viel von uns ab. Denn das Lager befand sich im Zentrum der "Clades Variana" und wohl genau da, wo die Mehrtagesschlacht am heißesten tobte, ihren Siedepunkt erreichte und wo es zur entscheidenden Wende kam - wenn man der Übersetzung von Cassius Dio folgt und es auch dem Florus Bericht so entnehmen möchte. Aber alles ist geprägt und lebt von dem Spärlichen, was uns Tacitus dazu berichtet hat. Oder was sich auf dieses in höchster Not errichtete Lager beziehen lässt, so wie es Cassius Dio hinterließ. Aber nur Tacitus vergab für das Lager das zum römischen Trauma wurde diesen bedeutsamen lateinischen Namen. Er persönlich hielt diese Bezeichnung wohl für zutreffend und nur er überlieferte sie uns und er dürfte sie auch in dieser Schreibweise nicht seinen Quellen entnommen haben. Er kreierte diesen Namen genauso wie er wohl auch die Bezeichnung "Teutoburgiensi saltu" erfand, nach dem ihm seine geographisch heraus ragende Bedeutung bewusst, vielleicht aber auch zugetragen wurde und er daraufhin diese Namensfindung für zutreffend hielt. Tacitus wollte seinen Lesern eine Vorstellung vermitteln wie man sich die germanische Landschaft vorzustellen hat, indem er versuchte den Örtlichkeiten Namen zu geben. So dürfte das "prima Vari castra" wohl nie über einen römischen Eigennamen verfügt haben, was übrigens auch für andere Marschlager gilt, warum auch. Für Tacitus selbst, vielleicht auch für Germanicus, auf den er sich bezog war es das "Prima", also das erste Lager oder das Hauptlager des Varus. Das Erste, weil er es mit seinen Männern erst aufbauen musste, weil es auf seinem Marsch an erster Stelle kam und auch weil es das wichtigste von allen seinen Lagern war. Denn die Lager die im Zuge seiner Odyssee noch folgen sollten waren nur noch unbedeutende Lagerplätze. Notdürftige Stätten die nur minimalen Schutz boten und für die er keine Zählfolge mehr herstellte, weil diese es nicht mehr rechtfertigten Castra genannt zu werden. Aber mit der besonderen Bezeichnung "Prima" hebt er es auch von allen anderen Lagern wie den möglichen in Brakel und Höxter, aber auch von Aliso und den übrigen ab. Denn ein "Prima" Lager kann immer nur am Anfang gestanden und wird nicht mehrfach existiert haben. Es gab zahlreiche römische Lager die schon vor seinem Marsch in den Untergang vorhanden waren, aber nur das "Prima" wurde erst während seines Marsches erbaut. Bemüht man sich es kompatibel zu machen, dann war es auch das erste Nachtlager das Cassius Dio beschrieb und mit diesem identisch gewesen sein dürfte. Das Lager, dass man wie Dio schrieb gezwungen war in einem unwirtlichen Waldgebirge errichten zu müssen und wo dies gerade noch so möglich war. Keine perfekte Örtlichkeit bot sich an diesem späten Nachmittag an und es war ein Bauplatz mitten in einem Wald gelegen wie man ihn sich unter friedlichen Bedingungen sicherlich nie ausgesucht hätte. Möchten wir über den Zustand des ersten römischen Nachtlagers mehr wissen, dann müssen wir versuchen es sich uns visuell zu erschließen, sollten es von allen Seiten betrachten und uns dabei in die prekäre Situation hinein denken in der sich die Legionäre damals befanden, als sie es für sich unter extremen Bedingungen errichten mussten. Es also nach Möglichkeit zu rekonstruieren und so bewerten wie es unter den gegebenen Umständen ausgesehen haben könnte. Die Leser dieses Internet Buches sind es gewohnt, dass es die Analyse dieser Schlacht einfordert die Verläufe und Gegebenheiten von vielen Seiten zu beleuchten um die zwei seltsamen Welten miteinander zu vernetzen. Denn es gilt die antike literarische nur auf Papier gebannte, mit der heute noch sichtbaren Landschaft zu verbinden. Darin müssen wir uns zurecht finden, wenn wir den unsichtbaren Marschzug hinter unserem inneren Auge zum Leben erwecken möchten. Beiden Spuren haben wir dann solange zu folgen bis sich beweiskräftige Fakten über seinen Verlauf vorlegen lassen. Ein Unterfangen, dass bereits in den Grundzügen gelang und schon erkennbare Früchte trug. Folglich die Welt der althistorischen Quellen die über den Marschzug berichteten vom Ausgangsort über seine einzelnen Stationen mit dem heute noch erkennbaren, also dem Realen in Einklang zu bringen. Auf den ersten Blick mögen die hier gebrachten Gegenüberstellungen und Vergleiche identisch wirken, aber sie folgen jeweils anderen, immer neuen Gedankenketten und sollen auch zum Mitdenken animieren. Möchte man sich mit der Seele des "prima Vari castra" auseinander setzen, dann sollte man das System anwenden wie man es im Zuge der Christianisierung für das Bekehren der Heiden entwickelte. Nämlich die alten Schriften zum Sprechen bringen in dem man sie in Bilderschriften umwandelte, so kann sich daraus ein jeder sein ureigenes Stimmungsbild erzeugen wie man es auch von der Bibelmalerei her kennt. Der Phantasie wird auf die Sprünge geholfen und alles wird lebhafter, farbiger und somit nachvollziehbarer. Hinter den Legionären müssen also unbeschreibliche Stunden gelegen haben als man im waldreichen Gebirge ankam. War es für sie zu Beginn noch ein Marsch wie jeder andere, so brachte für sie der Wetterwechsel die erste Herausforderung mit sich und das bekanntlich noch bevor die Germanen die Bildfläche betraten. Zeitgleich mit ihrem Erscheinen begannen die Gefechte die bis in die Abendstunden andauerten. Und wenn Cassius Dio schreibt, dass die Germanen immer in der Überzahl waren, so spricht allein dieser Satz Bände. Es muss ein ungleiches Gefecht gewesen sein, wenn man als Legionär ständig gegen mehrere Germanen gleichzeitig zu kämpfen hatte. So wird die Erschöpfung den Zeitpunkt bestimmt haben der ihr Ende bedeutete. Aufgrund der bedrohlichen Lage musste man zwangsläufig den Plan fallen das ursprünglich gesetzte Tagesziel anzusteuern und entschied sich den Marschzug vorzeitig zu stoppen bis Klarheit über die Lage herrschte. Eine trotz widriger Verhältnisse noch als angemessen betrachtete Lagerstätte und wohl nicht mehr als ein Haltepunkt fasste man ins Auge. Dort wollte man versuchen wieder die Übersicht zu gewinnen um sich einen Überblick über das weitere Vorgehen zu verschaffen. Der Generalstab an der Spitze hatte sich als er von den Kämpfen erfuhr nach dieser Theorie etwa gegen 14 : 30 Uhr darauf verständigt zu stoppen und aus dem Stopp entwickelte sich die Notwendigkeit den Gedanken an einen Weiterzug völlig fallen zu lassen und zunächst zu verharren. Die Ereignisse erzwangen es dem zuständigen Lagerpräfekten den Auftrag zu geben an dieser Stelle alle Vorbereitungen für ein Notlager zu treffen. Schützende Abgrenzungen zu schaffen hinter denen man gedachte alle Legionäre unterzubringen die am Morgen Brakel verlassen hatten. So markierte man den nötigen Raum, setzte die dafür erforderlichen Absteckungen und die ersten Bautrupps begannen mit dem Ausschanzen des Wallgrabens. Über die inzwischen eingetretenen Vorgänge im hinteren Abschnitt besaß man noch keine sicheren Erkenntnisse, aber was man wusste reichte aus um sich im Generalstab völlig umorientieren zu müssen. Aber solange ging der Lagerpräfekt noch davon aus für die Unterbringung eines Großteils der Armee Raum schaffen zu müssen. In dieser Phase wurde Varus schon zum Getriebenen sich überstürzender Vorgänge. Das viele Legionäre dieses Lager schon gar nicht mehr erreichen sollten, ließ sich im Zuge der ersten Absteckungs- und Schanzarbeiten noch nicht erahnen. Es sickerten zwar nach 14 Uhr erste beunruhigende Informationen zu ihnen durch, wonach es zu Störungen aufgrund rebellisch gewordener Germanenhorden kam man auch den Zug anhielt, aber das Ausmaß war zunächst unklar. Erste Meldereiter mögen es noch als beherrschbar dargestellt haben, aber letztlich führten doch die weiteren negativen Nachrichten aus dem hinteren und mittleren Teil des Zuges dazu den Marsch nicht nur zum Stillstand zu bringen, sondern im zweiten Schritt sogar das besagte vorzeitige Notlager zu errichten. Zwar überschlugen sich die Ereignisse, aber der diensthabende Lagerpräfekt durfte sich nicht beirren lassen und ging mit den ihm zur Verfügung stehenden Männern der Routine folgend daran die ersten groben Vermessungstätigkeiten zur Errichtung einer Zelt- und Palisadenstadt für die Unterbringung von etwa drei Legionen an. Dazu musste er zwangsläufig auf die mit Material beladenen Ochsenkarren und die Maultierkolonnen mit den Schanzpfählen und den anderen benötigen Holzbauteilen und Werkzeugen warten. Material was in der Regel nach und nach eintrifft aber an diesem Tag ausblieb. Aber man brauchte es um die nötige Dimension und Kapazität sicher zu stellen. Das dieses Marschlager keines mehr werden würde, in dem man ein oder auch zwei Nächte hätte verbringen können und worin sich am nächsten Tag vielleicht sogar noch eine Gerichtsversammlung durchführen ließe, wurde langsam allen bewusst. Diese vorbereitenden Tätigkeiten an der Grundstruktur des "prima Vari castra" gerieten massiv ins Stocken, als sich die bedrohlicher werdenden Nachrichten vom hinteren Zugteil nach vorne durchsprachen und verdichteten. Die Angriffe der Germanen hatten mitlerweile an Heftigkeit zugenommen und die Befehlshaber der letzten Kohorten erwarteten nun die Anweisungen des Generalstabes wie man weiter vor zu gehen hatte. In dieser Phase könnten, da man sich bei der Armeeführung der Lage noch nicht vollends bewusst war, die verhängnisvollen und im nachhinein verheerenden Befehle ausgegeben worden sein, wonach man sich gegen die germanischen Attacken nicht zur Wehr setzen durfte und es bei Verstoß sogar Strafandrohungen gab. Diese unsäglichen Befehle wurde aufgrund einer falschen Lageeinschätzung angeordnet, denn man wollte unter keinen Umständen bei den Germanen unnötige Provokationen auslösen, die das ganze Unternehmen hätten in Gefahr bringen können. So überschnitten sich die Dinge und die nötigen Entscheidungen litten zudem unter einer erschwerten Kommunikation, da so mancher Nachrichtenüberbringer des Stabes nicht mehr sein Ziel erreichte. Unterdessen harrte Varus sicherlich in angespannter Gefühlslage auf aktuelle Berichte zur Situation am Marschzug um zu einer besseren Gefahreneinschätzung zu gelangen. Er könnte zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht völlig ausgeschlossen haben, dass sich doch noch alles beruhigen würde und es zu den geplanten Schlichtungsgesprächen ohne Blutvergießen kommen könnte und die erhitzten Gemüter zur Ruhe kommen würden. Es war in diesen Stunden eine undefinierbare Gemengelage die zunehmend ins Chaos abdriftete, da die Kämpfe immer hitziger wurden. In dieser Phase erwartete Varus sehnlichst die Nachricht, dass Arminius mit seinen Männern die Bühne des Geschehens betreten würde von dem er sich erhoffte, dass er auf die aufgeladene Stimmung beruhigenden Einfluss ausüben konnte. Eine trügerische Hoffnung mit begrenzter Halbwertzeit wie man weiß, die man aber zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht des Feldherrn immer noch als realistisch bezeichnen darf. Dem Generalstab war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, dass hier nun stärkere Kräfte am Werk waren, die dabei waren ihm die Regie aus der Hand zu nehmen. Denn die Schlacht verlief schon längst nicht mehr nach den römischen Spielregeln. So dauerte es eine quälend lange Zeit bis man im Umfeld von Varus begriff, dass es hier nicht mehr nur galt kleine Nadelstiche ignorieren zu müssen oder sie behutsam abzuwehren, sondern sich eine Schlacht anbahnte die zur Katastrophe ausartete. Durch die starre Struktur eines Marschzuges in die militärische Defensive gebracht konnte man diesen Angriffen nur schlecht ausweichen und ihnen wenig entgegen setzen. Nun mehr von allen Seiten attackiert entglitt dem Generalstab die militärische Lage und die Befehle der Legionskommandeure verfehlten ihren Sinn und Zweck. Anweisungen die selbst wenn man sie erteilt hätte, die im Kampf stehenden Legionäre schon gar nicht mehr erreichten, da sich jegliche Schlachtenordnung in der Auflösung befand und jeder die Flucht nach eigenem Gutdünken nach vorne antrat um den Germanen zu entkommen. Nach vorne bedeutete in diesem Fall unbedingt die Region erreichen zu wollen, ja zu müssen wo man sich sammeln konnte und wo man das Auffanglager zu errichten gedachte. Während sich der Marschzug in ein in die Länge gezogenes Schlachtfeld bestehend aus vielen Kampfnestern entwickelte, trat für die römische Armee die genauso unerwartete wie katastrophale Wende ein. Ein Schockmoment der sich für alle Legionäre wie ein moralischer Tiefschlag angefühlt haben musste. Die Übersetzung aus der griechischen Sprache zu Zeiten von Cassius Dio findet für dieses Ereignis nur etwas mehr als zehn Worte um das Schaurige dieses Augenblickes zu beschreiben. Aber es sind Worte die völlig ausreichten um die ganze Dramatik zum Ausdruck zu bringen. Sie fallen bei Cassius Dio in der Textstelle 56,19 (5) in der es heißt, dass die Germanen die man für Untertanen hielt nun plötzlich auf dem Kampfplatz als Feinde erschienen und furchtbares Unheil anrichteten. Aber was könnte in dem Moment passiert sein als es die Legionäre rekapitulierten. Darunter kann man sich nur zwei Szenarien vorstellen. Da Cassius Dio zuvor innerhalb der gleichen Textstelle berichtet, dass Arminius seine Männer alarmierte, er dann die Abstellungen nieder machte um dann Varus selbst anzugreifen geht man auch davon aus, dass er es selbst war, der plötzlich auf dem Schlachtfeld erschien. Weniger wahrscheinlich ist die Annahme, dass damit die untertänigen Germanen in ihrer Gesamtheit gemeint waren, etwa jene namenlosen die noch vorher gemeinsam Seite an Seite mit den Römern im Marschzug unterwegs waren um dann plötzlich ihre Pferde zu wenden, oder die Germanen die nun die Speere auf sie schleuderten. So war dies der bittere Augenblick als die Legionäre mit gezücktem Schwert in der Hand fassungslos feststellen mussten, dass es nicht nur jene Germanen waren die man in der Überlieferung vielsagend und abwertend als Untertanen betitelte, die nun ohne Vorankündigung ihre Waffen gegen Rom erhoben, sondern sich unter ihnen sozusagen auch noch der leibhaftige Arminius bemerkbar machte. Mit dem Frontenwechsel des Cheruskerstammes unter Arminius war zwar nicht unbedingt eine unmittelbare militärische Schwächung der römischen Varusarmee verbunden, aber feststellen zu müssen von einem für treu gehaltenen Vasallenstamm in höchster Not hintergangen zu werden war heftig. Die Historie zeigt, dass sich schon oft ein vermeintlich stärkeres Heer schwer tat sich in einem derartigen Überraschungsmoment moralisch zu behaupten, keine Schwäche zu zeigen, weiter zu kämpfen und nicht die heillose Flucht zu ergreifen. So dürfte die Stimmung als sie plötzlich Arminius auf Seiten der Germanen gegen sich kämpfen sahen in kürzester Zeit gekippt sein. Eine Momentaufnahme der Schwäche die bei den Germanen erwartungsgemäß in eine totale Kampfeseuphorie mündete. Mit Arminius wendete sich das Blatt zu ihren Gunsten und viele Römer dürften erkannt haben, dass man in diesen Minuten die Schlacht verloren haben könnte. Denn es war ihnen bekannt wie kämpferisch stark der militärisch hoch gerüstete handverlesene Armeeflügel von Arminius war den man sich einst zur Unterstützung gegen die Aufrührer versichert hatte. Als diese fatale Botschaft in das Befehlszentrum des Generalstabes platzte war die Hängepartie zu Ende und mögliche Hoffnungen wurden begraben, denn nun lagen die Fronten offen. Die Chronologie der Ereignisse richtig einzuordnen fällt schwer, denn zu wissen wo sich der leichenblasse Varus gerade aufhielt, als ihn diese folgenschwere Nachricht erreichte lässt Spekulationen zu. Sowohl die heftiger werdenden Angriffe der Germanen auf den Marschzug, als auch das plötzliche Erscheinen von Arminius auf dem Schlachtfeld dürften Varus dazu bewogen haben nun entscheiden zu müssen jetzt selbst im ungünstigen Terrain ein Notlager zu errichten, da man keine andere Wahl mehr hatte. Als die katastrophale Nachricht vom Kippen der Front eintraf, traten die gewohnten Aktivitäten zum Bau des Marschlagers nicht nur in den Hintergrund, sondern kamen völlig zum Stillstand. Denn nun hatte das Schlachtgeschehen auch die Marschspitze erreicht und das Schwert musste den Spaten ersetzen. Die Zeit der Ruhe und Ordnung war vorbei, denn nun tobte die Schlacht allerorten. Jetzt war nicht mehr nur der Marschzug umkämpft, sondern auch da wo man lagern wollte waren Gefechte im Gange. Es waren die chaotischen Momente in denen den Verteidigern die Übersicht verloren ging und sich Szenen abspielten die man in der Regel mit dem Wort unbeschreiblich zusammen fasst. In heftige Nahkämpfe verstrickt wurde eine Armee die immer noch einige tausend Krieger umfasste zurück gedrängt und gezwungen sich verbissen zur Wehr setzen zu müssen. Dies war auch die Stunde der Bewährung für den Lagerpräfekten der für den Schutz, die Organisation und die Logistik einer nun im Schlachtengetümmel versinkenden Armee zuständig war. Der Römer Eggius dem Paterculus eine hervorragende Moral bescheinigte könnte es gewesen sein, der in diesen Momenten in seiner Funktion als "Praefectus castrorum" selbst jetzt noch bemüht war die Übersicht zu behalten. Er war nun auch in der Zwangslage abschätzen zu müssen, wie groß die Lagerstätte für die verbliebenen Männer jetzt noch zu sein hatte. Er musste ermessen mit welchem Tross er noch rechnen konnte, denn auch ein Großteil der Wagen und Gespanne war auf der Strecke geblieben, Zug- Trag - oder Reittiere waren tot oder von den Germanen in Besitz genommen worden. Er musste erkennen wie viele Karren noch fahrfähig und beladen den Weg zum Lagerplatz fanden und wo man sie hin zu dirigieren hatte und er musste für den nötigen Platz zur Unterbringung der Tiere sorgen. Und auch die Anzahl der noch wehrfähigen römischen Legionäre einschließlich denjenigen denen es noch gelang sich im Verlauf der Nacht ins Lager zu retten was jedoch nicht bezifferbar war, war für die Planungen des Präfekten von Bedeutung. Aber die Ausfälle und Verluste des Tages dürften hoch gewesen sein. Marschlager waren im Regelfall gut strukturierte Machwerke die einem festen Grundriss folgten. Aber ein Notlager folgte keinen Prinzipien mehr und hat der Not zu gehorchen. Man hielt zwar die jeweilige Zuordnung bei, musste aber jetzt bei Ausdehnung und Volumen nach und nach Einschnitte vornehmen, es also der Lage angepasst reduzieren und alles musste kleiner dimensioniert werden. Den verzerrten Gesichtern der Legionäre und ihren Befehlshaber war am Abend anzusehen, wie tief der Schock über die plötzlichen Ereignisse des ersten Kampftages nach wirkte. Und was sie nach den Kämpfen für ein Schutzbollwerk für die Nacht errichteten verdiente auch nicht mehr den Namen Marschlager. Körperlich angeschlagene Legionäre mit blutenden Wunden, Verstauchungen bis zu offenen Brüchen werden sich noch bis ins Lagerzentrum geschleppt haben Wer jetzt nicht kämpfte musste sich sofern er noch konnte am Aufbau einer mittelmäßigen Palisaden- oder Wallumwehrung beteiligen, oder das wenige noch vorhandene Schanzwerkzeuge benutzen. Was an Palisadenpfählen noch zur Verfügung stand wurde verbaut aber vieles war nicht mehr erreichbar, denn es befand sich auf den Ochsenkarren, die nicht mehr bis zum Lagerplatz durchkamen. Man wird auf Holz, rohe Stämme und Balken ausgewichen sein, wo sich diese in der Umgebung finden ließen um das Lager wehrhafter zu gestalten. Im inneren der provisorischen Anlage wo man für die Nacht Schutz suchte wird man sich eher kreisförmig als wie üblich eckig orientiert, dafür aber dicht gedrängt eingefunden haben. Möchte man von archäologischer Seite noch fündig werden, so sollte man auch nicht unbedingt nach dem typischen "Spielkartenformat" a la Wilkenburg etc. Ausschau halten, denn es war an diesem Abend alles anders und für ein Notlager treffen alle Varianten und Formgebungen zu. Lassen wir uns auf etwas Poesie ein und denken uns in die Verhältnisse wie sie am Abend des ersten Kampftages im Notlager von Varus herrschten hinein, so bedarf es keines großen Vorstellungsvermögens um uns die verzweifelten Minen des römischen Generalstabes vorzustellen und wie man am Abend im "Vari castra" händeringend nach Lösungen für das weitere Vorgehen suchte. Nun war klar, dass Arminius und damit der gesamte Stamm der Cherusker die Fronten gewechselt hatte und auch weitere Germanenstämme zu ihm über gelaufen sind, Völker die bislang gegenüber Arminius eine abweichende Meinung vertraten oder neutral gesinnt waren. Inwieweit Varus die germanische Allianz einschätzen konnte ist unklar, dass er aber Marser und Sugambrer aufgrund ihrer Vorgeschichte gegen sich haben würde, dürfte ihm klar gewesen sein. Florus kannte vermutlich die Stämme als er schrieb, dass Varus ursprünglich die Absicht verfolgte bei den Aufrührern eine Versammlung einzuberufen. Unter Conventus wie es Florus ausdrückte verstand man mehr eine Konferenz aber weniger ein Straftribunal. Und eine Versammlung abzuhalten war auch der eigentliche Grund für Varus das Rebellengebiet aufzusuchen, denn er wollte Ruhe und Ordnung wieder herstellen vor allem aber dauerhaft hinterlassen. Nun wurde ihm bewusst, dass seine Pläne und Absichten gescheitert waren und es nur noch darum gehen konnte lebend dem Desaster zu entrinnen. Die Nacht vom ersten Kampftag, dem zweiten Marschtag auf den dritten Tag wird für die Krieger beider Seiten keinen ruhigen Verlauf genommen haben. Während dem die Germanen im näheren oder weiteren Umfeld des Lagers nächtigten auch ihre Verwundeten versorgten oder sie in Sicherheit brachten, könnten unablässig auch noch in der Nacht neue Kräfte aus anderen Stämmen hinzugestoßen sein. Die römischen Legionäre hingegen verbrachten ohne Kontakt nach außen und von jeglicher Versorgung abgeschnitten die Nacht. Eingepfercht und isoliert auf engstem Raum unter ständiger Angst angegriffen zu werden nächtigten sie gemeinsam mit ihren verletzten oder sterbenden Kameraden. Die Versorgungslage mit Lebensmittel und Wasser in dieser Nacht ist schwer nachvollziehbar. In der Regel siedelte man an Bachläufen die sich aber nur ungenügend in eine auf die Schnelle errichtete Verteidigungslinie integrieren ließen und wohl von Germanen besetzt waren. Denn zu jeder Kriegsführung gehörten immer schon alle denkbaren Mittel und Wege um den Gegner zu schwächen und dazu gehörte es auch ihnen den Zugang zum Wasser zu versperren. Humanität wird im Krieg klein geschrieben, war damals sicherlich verpönt und wurde als Zeichen der Schwäche gewertet und wer die Köpfe getöteter Legionäre an Bäume nagelt für den war Mitgefühl ein Fremdwort. Und auch die Psychologie wird nicht zu kurz gekommen sein, obwohl man es anders nannte. Denn während man sich je nach Notwendigkeit auf germanischer Seite für den nächsten Tag stimulierte und aufputschte, ringsum die Feuer lodern ließ und die Nacht zum Tage machte, so wird man das nächtliche Szenario auch noch zusätzlich durch eine angemessene Geräuschkulisse bereichert haben. Man brauchte den eingeschlossenen Römern die Übermacht nicht nur vorgaukeln, sie dürfte sich auch bis in die Morgenstunden eingestellt haben. Denn aus allen Richtungen werden neue Horden ihre Reihen verstärkt haben. Die Abordnungen anderer Stämme wurden mit Beifallsbekundungen in Empfang genommen und die Dunkelheit könnte vom Gejohle und Geheul durchdrungen gewesen sein. Keine guten Voraussetzungen für eine von Gegnern umringte und belagerte Armee in Feindesland und noch schlechtere Bedingungen um Schlaf zu finden und Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln. (24.12.2021)

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Samstag, 4. Dezember 2021
Entschied sich die Varusschlacht im Fahlenbruch ?
Auf Basis der vorliegenden Informationen von Cassius Dio lässt sich erschließen, dass bereits am ersten Kampftag die Entscheidung über Sieg oder Niederlage der Varusarmee gefallen sein könnte. Denn nach allem was wir wissen müssen die Gefechte schon an diesem Tag so heftig und verlustreich und die Legionen danach in einem so desolaten Zustand gewesen sein, dass sich der Exodus bereits abzuzeichnen begann. Die Varusschlacht nachzustellen, sie zu rekonstruieren und ihren Verlauf zu entschlüsseln könnte man die Königsdisziplin dessen nennen, was uns die Geschichtsforschung in Deutschland an Nüssen zu knacken gegeben hat. Denn etwas ausformulieren zu wollen, das in weiten Teilen nur auf theoretischen Grundannahmen basiert ist nicht mehr steigerungsfähig. So gilt es immer wieder die überkommene antike Literatur, die uns im Betrachtungsraum bekannte Landschaft, aber auch die uns angeborene Fähigkeit das Menschenmögliche hinter allem zu erkennen zu nutzen. In uns unsere eigenen natürlichen Verhaltensweisen aufzuspüren und zu versuchen sie mit dem Geschehenen in Einklang zu bringen. Varus sah nach dieser Theorie keine Notwendigkeit den Tag der Entscheidung überhastet anzugehen. Er hatte in Brakel nach dem Sonnenaufgang ab 7 Uhr zum Morgenappell blasen lassen um den Aufbruch vorzubereiten. So könnte sich gegen 9 Uhr zunächst der zivile Marschzug in dem sich der unmilitärische Verwaltungsapparat sowie die Frauen und Kinder befanden ab Brakel im Schutze der für ihn abgestellten Truppen in Richtung Gradberg nach Schwaney in Bewegung gesetzt haben. Das Militär hingegen konnte es ruhiger angehen lassen, da es zu den Aufrührern einem anderen Zeitplan zu folgen hatte. Dieser ging von der Zielvorstellung aus, dass man an diesem Tag nur das Rebellengebiet aufsuchen wollte wo man lediglich ein Marschlager für die Nacht zu errichten hatte, in dem am Folgetag der Konvent statt finden sollte. Somit fiel die Marschzeit dieser Tagesetappe dem Vorhaben angemessen entsprechend kürzer aus. Dies nahm dem Tag die Hektik und so war keine Eile geboten. Die Anmarschroute definierte sich auf Basis des prähistorischen Hellweges und die bis zum Ziel erforderliche Anmarschzeit ließ sich von Varus gut abschätzen, da ihm die Distanz zuvor vermittelt wurde. Wie es bereits im Zuge der veröffentlichten Einzelkapitel ausführlich dargelegt wurde, hatten die Germanen dafür einen fiktiven Lockraum ersonnen. Eine Region im Südwesten des Nethegau die sich unweit der Wohnstätten jener Stämme befand und an sie grenzte wo sich damals das wohl explosivste germanische Völkergemisch der Zeit zusammen gefunden hatte. Nämlich das ultimativ Hass erfüllteste was Innergermanien gegen Rom aufzubieten hatte und was die Cherusker noch übertraf. Und dazu kennt man die Vorgeschichte und die Gräueltaten des Tiberius nur zu gut. Denn es waren jene Stämme, die von ihm 17 Jahre zuvor aus ihren Wohnsitzen in den Rheinregionen östlich von Köln zwischen Lippe und Sieg entweder vertrieben, mit Gewalt deportiert oder als domestiziertes Volk geduldet wurden. Es waren die Marser und Sugambrer, während sich die damals ebenfalls betroffenen Sueben in östlicheren Siedlungsgebieten nieder gelassen haben könnten, wo sie sich unter dem Namen Sueboi Angiler, Angeiloi oder Suevi Anglier möglicherweise auf älteren Kartenwerken vis a vis von Corvey auf dem anderen Weserufer verorten lassen. Mit den zuvor genannten zwei Stämmen ließ sich gut argumentieren und man konnte sie überzeugend als Feinde Roms ins Feld führen und auch Varus wusste was damals noch vor seiner Zeit in Germanien unter Tiberius passierte und auf was Arminius angespielt haben könnte. Es war ein von den Cheruskern auserkorenes Zielgebiet von dem aus Varus über den Eggerücken durch den "Teutoburgiensi Saltu" westlich von Borlinghausen wieder "bequem" zur Lippe zurück marschieren konnte, dann wenn er und die Legionen ihre Aufgabe erfüllt hatten. So sollte man dieser Theorie folgend auch das "prima Vari castra" und das zweite varianische Lager schwerpunktmäßig innerhalb dieses Marschkorridors suchen. Die Zugtrasse ab Brakel entsprach dem besagten Hellweg und dieser querte vor dem Erreichen des heutigen Schweckhausen ein Gebiet das seit Jahrhunderten bewaldet ist und den Namen Fahlenbruch trägt. Le Coq nannte oder kannte für dieses Gebiet noch keinen Namen, aber die preußische Uraufnahme die zwischen 1836 und 1850 erstellt wurde nennt es "Das faule Bruch". Die Neuaufnahme die man zwischen 1891 und 1912 erstellte verwendete dafür schon den heutigen Namen "Fahlenbruch". So war sich der Volksmund lange unschlüssig wie er das sumpfige Waldgebiet auf Dauer nennen wollte um den Kartenzeichnern eine Bezeichnung mit geben zu können. Ob nun fahler, fauler oder vielleicht auch Falenbruch, man wird sich immer an die Namen erinnert haben, die schon die Vorväter dafür nutzten. Unter friedlichen Bedingungen hätte man vermutlich einen Lagerplatz am nördlichen Rand der angenehmen Warburger Börde ins Auge gefasst nun aber war man durch den plötzlichen Ausbruch der Schlacht gezwungen sich für eine abweichende und minderwertige Unterkunft zu entscheiden, wo man das Nachtlager errichten wollte. Die Marschdistanz stand für Varus folglich fest, der Zeitaufwand dafür war kalkulierbar und der Weg ab Brakel bis zu den Siedlungsgebieten der Aufrührer war demzufolge kürzer als eine übliche Tagesmarschentfernung oder Leistung. Das diese aber aufgrund der einsetzenden Gefechte dann sogar noch kürzer ausfallen würde war für Varus nicht vorhersehbar. Unter normalen Bedingungen wäre pünktlich vor Einbruch der Nacht das Marschlager bezugsfertig gewesen, in das man anderntags die Aufrührer zitieren wollte. Florus nannte es "citaret", was allgemein mit rief oder berief übersetzt wird. Aber das heute noch gebräuchliche Wort "zitiert" dürfte es besser treffen, denn der Stärkere zitiert in der Regel den Schwächeren zum Termin. Nun lässt sich auch der Ablauf dieses Tages gut nachstellen und man könnte noch besser rekonstruieren, wann Varus das Lager Brakel verlassen haben müsste um am Ankunftsort noch imstande gewesen zu sein, das Lager noch bei Tageslicht vollenden zu können. Varus hatte seiner Ansicht nach an alles gedacht an was ein Feldherr in diesen Stunden zu denken hatte, dass sich aber schon ab den frühen Nachmittagsstunden, wie man annehmen darf im hinteren Zugabschnitt Kämpfe entwickeln würden überstieg seine Erwartungen und sein Vorstellungsvermögen. Auf den Heggehöhen rächte sich für Varus die Vertrauensseligkeit die er den Germanen um Arminius entgegen brachte. Die nun folgende Kampfzone etwa ab Hampenhausen glitt mit Erreichen der nördlichen Ausläufer des Fahlenbruches zunehmend ins Unwegsame ab und das Schlachtgeschehen strebte auf Basis dieser Theorie auch dort seinem Höhepunkt entgegen. Um es in der römischen Militärsprache auszudrücken hätte man wohl besser zur bewährten Methodik des "agmen expeditum" greifen, also in einen Marsch unter Gefechtsbedingungen übergehen sollen. Aber dafür war es zu spät und die Wegeführung und sein Zustand ließ es wohl gar nicht zu. Die exakte Zugstrecke des aus Brakel kommenden prähistorischen Hellweges der seinerzeit noch vor dem heutigen Hampenhausen nach Westen schwenkte und auf dem sich die Gefechte vollzogen ist bis zu der Stelle wo er auf die Niesener Straße westlich von Frohnhausen stößt oberflächlich heute nicht mehr erkennbar. Erst die Straße "Hegge" macht ihn kartentechnisch wieder sichtbar und darüber verläuft er auf seiner Urtrasse, wird aber nach wenigen hundert Metern schon wieder zum Feldweg und endet dann im waldigen Morast des Fahlenbruches. Es war der Weg über den sich die Varusarmee wie durch eine Schneise vorkämpfen musste. Und so ist es immer wieder eine Herausforderung die tragische Szenerie des Geschehens auszuleuchten, so weit es unser Denken zulässt. Und auch auf die Gefahr hin sich zu wiederholen sei es gestattet mehrfach den Versuch zu starten sich die Worte von Cassius Dio wie ein quirliges und lebendiges Treiben vorzustellen. Denn lange bevor der römische Heerwurm am nördlichen Horizont südlich von Brakel auftauchte hatten die Germanen am Zugweg schon die von der Vegetation und Geländestruktur vorgegebenen geeigneten Positionen aufgesucht von wo aus sie ihm aus guter Deckung heraus auflauerten. Sie wussten wo und wie er sich ins Stocken bringen ließ und sie trugen durch geeignete Maßnahmen dazu bei den Zug schon in Verwirrung zu bringen, bevor man ihn attackierte. Aber zur wesentlichen Strategie gehörte es auch der Varusarmee die Fluchtwege unbrauchbar zu machen. Entgegen kam ihnen, dass sich ein regennasser und aufgeweichter Fahrweg der zuvor von tausenden von Männern samt Karren und Pferden genutzt wurde auch schlecht als Rückweg eignet. Varus war auch aus diesem Grund gezwungen weiter marschieren lassen zu müssen, falls er derartige Überlegungen gehabt haben sollte. Da erfahrene Historienregisseure, authentisch handelnde Komparsen, zeitgemäß gekleidete Statisten und wissenschaftlich geschulte Berater für die Darstellung geschichtlicher Abläufe rar und teuer sind dürfte es zum Scheitern verurteilt sein, wollte man die Kämpfe zu rekonstruieren versuchen. Denn nun sollte man auch nicht mehr von einem in sich geschlossenen mehrere Kilometer langen einheitlichen Marschkörper und Legionären in weißer Kleidung, glänzender Rüstung und gebügelten Hemden ausgehen, nun stand man mitten im offenen Gefecht. So kam der Marschzug streckenweise zum Erliegen, das willkürliche Kampfgeschehen verwirbelte die Marschordnung, die Zuglänge schmolz mal in sich zusammen, zog sich aber auch in die Breite, wurde gleichzeitig zerstückelt und lückenhaft. Der Schlamm prägte die Szenerie und die blutigen Wunden das Erscheinungsbild der Kämpfer. Man focht im Schutz stecken gebliebener Karren, musste sich vor durch gegangenen Pferden schützen, hatte vielleicht im Gefecht schon seine Waffe verloren und war gezwungen trotz mehr oder minder schwerer Verletzungen irgendwie weiter kämpfen zu müssen. So wie es ist wenn es um Leben und Tod geht. Man kann sich zudem gut in die Verhaltensweisen der Legionäre hinein denken, wie sie sich nach anfänglich entfernt vernommenem Geheule und Gejohle plötzlich aus dem Nichts heraus und ohne Ankündigung in Zweikämpfe verwickelt sahen aus denen sich langsam ein schlachtartiges Gemenge entwickelte auf das man nicht oder nur ungenügend vorbereitet war. Es bildeten sich verstreute Gefechtsnester an denen mal mehr und mal weniger Kämpfer beteiligt waren, Cassius Dio aber schrieb, dass die Germanen immer in der Überzahl waren. In dieser Phase ging jedem Centurio die Übersicht verloren und inwieweit unter diesen Bedingungen überhaupt noch ein erkennbares Zuggeschehen in der Vorwärtsbewegung möglich war ist fraglich. Aber es galt für die Legionäre die von Signalhörnern geleitete und gekennzeichnete Richtung beizubehalten und ihr zu folgen. Fluchtartiges nach vorne stürzen um nicht den Anschluss zu verlieren schien oftmals ratsam zu sein um den Speeren auszuweichen. Aber ein Blick auf die Landkarte verrät, was den Legionen noch bevor stand. Denn das Tandem Segimer/Arminius hatte sich für den Höhepunkt des Schlachtgeschehens am ersten Kampftag die Kräfte möglicherweise für den tückischen günstig gelegenen Fahlenbruch aufgespart von dem wir nicht wissen, inwieweit er damals so bewaldet war wie heute. Aber sumpfig war er auch damals schon wie sich anhand der noch oberflächlich sichtbaren mittelalterlichen Ackerbaumethode der Wölb Äcker auch Längsstreifenflure genannt, nachweisen lässt. So war es früher möglich in diesen erhöhten und trocken gelegten klein parzellierten Zonen, die wohl auch von Wald umgeben waren Anbau zu betreiben. Der Fahlenbruch zwischen Brakel und Warburg in Tal - und leichter Hanglage gelegenen war aus strategischer Sicht ein willkommener Querriegel der den Hellweg dank Talbach und Topographie und das gleich in welchem Jahrhundert zur Falle machen konnte. Vielleicht mit ein Grund dafür, dass man dem Hellweg später entschärfte und ihm einen östlicheren Verlauf gab. Vorstellbar, dass der Fahlenbruch vor 2000 Jahren ein für kriegerische Zwecke geeignetes Stück wildgewachsener Natur war, den man vor rund 200 Jahren noch in ein mit Eichen und ein mit Buchen bestandenes Revier unterteilte. Und dieses an Heimtücke kaum zu überbietende Teilstück des gesamten Marschzuges von Brakel nach Borlinghausen hatte es in der Tat in sich. Denn das was sich hier vor Varus auftat war der schaurige Fahlenbruch von dem auch die Sage zu berichten wusste. Eine Bachsenke die durch die damals einsetzenden herbstlichen Regenfälle wie es überliefert ist noch zusätzlich gesättigt wurde. Eine Zone an der die Fruchtbarkeit der südlich gelegenen Börde längst endete und die wenn man sie an der breitesten Stelle quert sein ganzes gefahrvolles Potenzial ausspielt. Man kann es aus der Sicht des höher gelegenen Frohnhausen auch lyrisch ausdrücken in dem man sagt, "von nun an gings bergab". Und dies vollzog sich nicht nur im sprichwörtlichen Sinne, sondern auch im realen, denn die Legionen mussten ab der heutigen Niesener Straße in diese Sumpfsenke absteigen, wo sich vor ihnen der dunkle Bruch des Fahlen - Sundes ausbreitete. Und auch das Wort Sund lässt sich noch gut in seiner Bedeutung zurück verfolgen und in den Kontext der Varusschlacht einbeziehen. Denn es ist das Ortsnamengrundwort für die Möglichkeit nur an jenen Stellen etwas durchfahren oder durchgehen zu können, aber auch zu müssen. Denn es bedeutet in diesem Zusammenhang auch Untiefe und wird aus dem Altnordischen seiner Bedeutung von "Trennendem oder Getrennt" gerecht bzw. davon abgeleitet. Möglicherweise lässt sich davon auch das alte Wort "absunderlich" wie es bis ins 17. Jahrhundert und noch darüber hinaus in Gebrauch war ableiten. Ein Wort, das heute von sonderbar und verwunderlich abgelöst wurde und in dem auch etwas geheimnisvolles mitschwingt. Ein Name womit man ein Gelände bezeichnete, das auf den ersten Blick unverdächtig schien, dort aber aufgrund der vorherrschenden staunassen Böden vor allem für Sandalenträger und Ortsunkundige zum Verhängnis werden konnte. Aus der althochdeutschen Sprache sind in diesem Zusammenhang noch die Worte: Suntarig = abgeschieden, suntar = abgelegen, sunder oder suntar = abgesondert, sunder oder suntaringon = einsam und allein bzw. suntarbõro = sonderbar überliefert. Und vom Ort Frohnhausen dem alten Vrodenhusen vielleicht das einstige Dorf des Frode mit seinen Gräber aus dem 8. Jhdt. führt heute noch eine Straße die den Namen "Sundern" trägt in die Richtung des Fahlenbruches wo sich östlich des Hellweges noch ein älteres Forsthaus mit Namen "Sundern" befindet. Und das Gebiet wo die Germanen die Legionen nun durchschleusen und hinein zwingen wollten verfügte nur über einen einzigen solchen Sundweg, also eine Durchgangsmöglichkeit und die befand sich nur dort, wo auch der alte Hellweg hindurch führte. Alternativstrecken um ihn zu umgehen erforderten weite nach Osten ausgreifende Umwege. Wer diese Sundern Lücke kannte und von seiner verborgenen Lage wusste, hatte diesen Trumpf in der Hand, die Cherusker kannten ihren Fahlenbruch und hatten sich vorbereitet. Vor allem hatten sie dafür gesorgt, dass diese Passage blockiert war. Der Varuszug kam zum Stillstand die Männer stauten sich, strauchelten in ihn hinein und die Details kennen wir schon von Cassius Dio. Varus und sein Stab waren nun seit geraumer Zeit orientierungslos und irrten durch unbekanntes Terrain, da die germanischen Scouts längst das Weite gesucht hatten. Jetzt sprach auf römischer Seite niemand mehr von der Gefahr eines sich entfernt anbahnenden Aufruhrs den man zu schlichten oder zu bekämpfen hatte, denn jetzt befand man sich mitten in ihm. Arminius hatte mit seiner Warnung vor einem Unruheherd also letztlich recht behalten. Was er aber verschwieg war, dass er selbst zu den Rädelsführern und damit zu den Gegnern gehörte. Cassius Dio beschrieb diese Phase sehr anschaulich aber natürlich ohne zu sagen wo es passierte wie folgt: ".... und ihre Abteilungen waren zahlenmäßig immer geringer als die der Germanen und so erlitten sie große Verluste ohne den Feinden ernsthaft Schaden zufügen zu können". Und hier steckten die Legionen nun fest ohne zu ahnen, dass vor ihnen jetzt die größte Herausforderung im Zuge ihrer Truppenbewegung zur scheinbaren Rebellenhochburg lag. Und hier könnte sich nicht nur der Schauplatz der ersten größeren Tragödie befunden haben, hier befand sich möglicherweise auch schon der entscheidende Wendepunkt der gesamten Schlacht. Und hier am Ende des Marsches der Legionen wo der Heggehöhenrücken nach Süden in diesem Sumpfwald ausklingt gelang auch der germanischen Führung ihr Husarenstück. Denn im Zuge der Rekapitulation aller greifbaren Landschaftsmerkmale und historischen Hinweise deutet vieles darauf hin, dass hier vor, im und hinter diesem Waldgebiet mit Namen Fahlenbruch die Germanen die entscheidenden Weichen für ihren Sieg stellten. Denn hier hatte die Varusarmee schon am ersten Kampftag immense Verluste zu beklagen. Hier ließen die Germanen wie an kaum einer anderen Stelle die Natur für sich kämpfen und wenn man Ausschau halten möchte, wo man Rom in den sprichwörtlichen Hinterhalt lockte, so trifft dies auf kein Gebiet besser zu als auf den Fahlenbruch. Über den Fahlenbruch wird im Verlauf dieses Internet Buches noch an anderer Stelle, dann aber aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachtet, zu sprechen sein. So könnte der Sieg ausgerechnet an dieser denkwürdigen Stelle in den Folgejahren von einem mystischen Nimbus umgeben worden sein der lange nachhallte. Denn dieser Bruchwald indem die beteiligten Stämme eine kämpferische Höchstleistung vollbringen mussten und wo ihr Durchhaltevermögen vor eine Zerreißprobe gestellt wurde, wurde zum Synonym für Erfolg und zum Fanal ihrer wieder gewonnenen Freiheit. Hier wiederholte sich kein Arbalo, hier ging man geschickter vor, denn hier ließ sich der römische Heerwurm in Gänze einschnüren und zum Erliegen bringen. Zwischen den Bächen Ugge im Süden und Talbach im Norden wurde der Fahlenbruch für die Legionen zu einem aus Bäumen und Morast bestehenden Minenfeld, eine Falle die sie hier nicht erwartet hatten. Der Talbach durchfließt den Bruch von Ost nach West und stößt beim heutigen Gnadenhof Steinmeier auf die Taufnethe die wenige hundert Meter danach in die Nethe mündet. Der Talbach hat dieses versumpfte Waldgebiet heute und hatte es vielleicht auch schon früher breit ausgewaschen, geformt und perforiert, hinterließ Einkerbungen die wie kleine Schluchten erscheinen und mäandrierte im Unterlauf so unberechenbar das ein Überqueren zu einem Wagnis werden musste und er könnte damals wasserreicher gewesen sein. Und dieses Terrain im schweren Boden musste Varus der Theorie nach hinter sich bringen oder drin stecken bleiben. Dies würde auch bedeuten, dass Varus sich noch im Fahlenbruch für einen Lagerplatz für die Nacht hätte entscheiden müssen. In seiner bedenklichen Lage gab es keinen Weg zurück und wegen der Netheaue keinen Ausbruch nach Westen und erst recht keinen in die entgegen gesetzte Richtung nach Osten zur Weser. Ihm hätte nur der Weg besser gesagt die Flucht nach vorne in den Süden geholfen wo man möglicherweise wusste, dass sich dort die urbar gemachte Gehölz freie Warburger Börde auftat, das Waldgebiet enden würde und man sich mehr Sicherheit und Bewegungsfreiheit versprach. Ob es Varus allerdings noch am Abend des ersten Kampftages gelang diese Region zu erreichen ist fraglich. Möchte man mit behördlicher Genehmigung zerstörungsfrei nach römisch/germanischen Artefakten im Boden suchen wollen, so sollte dies unter fachlicher Begleitung innerhalb des Fahlenbruches und längst der Sundpassage noch die besten Möglichkeiten eröffnen um fündig zu werden. Varus steckte nun in diesem Bruch fest, der heute umrahmt ist von den Ortschaften Frohnhausen im Norden, Niesen im Westen, Schweckhausen im Süden, sowie Willegassen und Drankhausen daran anschließend. Am östlichen Ende des Fahlenbruchs neben der Flurbezeichnung "Im Sundern" gibt die zwischen 1836 und 1850 entstandene Urkarte einer Parzelle den rätselhaften Namen "Totas" aus dem man in späteren Jahren, vermutlich weil es sich für ein Waldgebiet zutreffender anhörte, das Wort "Totast" formulierte. Totas ist lateinischen Ursprungs und wurde von Einhard im Jahre 810 in seinen Annalen im Zusammenhang mit "totas insula" verwendet bzw. in der "Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum" im Zuge der Ernennung von Adam von Bremen im 11. Jahrhundert in Verbindung mit "a quo totas olim Galliarum et Germaniae". Cäsar nutzte es als "tota" im Adjektiv Femininum für "ganz" vielleicht auch für groß oder umfänglich. Diese Erkenntnis lässt sich zwar in keinen Zusammenhang mit den alten Ereignissen bringen, führt aber zu der Frage wie sich ein lateinischen Wort in den Fahlenbruch verirren konnte. Nordwestlich von Schweckhausen trägt eine Parzelle den Namen "Burgfeld", mit dem sich die ortskundige Heimatforschung wohl schon beschäftigt hat und Erklärungen bereit hält. Drankhausen ließe sich zweierlei deuten. Es lag an der alten karolingischen Königsstraße nach Herstelle, aber auch nahe dem Oberen Bördenweg der nach Höxter führte und könnte einst eine Raststation gewesen sein. Nachrangig ließe es sich über das altsächsische Wort Mandränke, wie man die "grote" Marcellussturmflut 1219 auch nannte, mit einer Katastrophe in Verbindung bringen. Aber die römischen Soldaten verließen nun den Kamm der Hegge und stiegen nicht nur hinab in den Fahlenbruch, sondern wurden durch die nachrückenden Germanen in dieses Bruchwaldgebiet gedrückt. Das "prima Vari castra" lässt sich dieser Theorie nach am Hellweg oder in seiner Nähe verorten wo die dem Desaster entkommenen Legionären es notdürftig errichten mussten. Und dieses Lager hatte für Varus nun nicht mehr die Funktion eines beeindruckenden und repräsentativen Castra zu erfüllen, sondern wurde zum Auffanglager und Zufluchtsort derer, die sich noch bis dahin retten oder schleppen konnten. Cassius Dio berichtete über die Phase etwas ausführlicher als wir es sonst von ihm gewohnt sind. Unter 56,21 (1) schreibt er, dass sich die Überlebenden nach den Kämpfen für einen Lagerplatz entscheiden mussten, der den Geschehnissen und den Verhältnissen Rechnung trug. So war es nun nicht mehr ein wohl geordnetes und durchdacht geplantes Marschlager am Ende eines ruhig verlaufenden Marschtages, sondern ein unter extremen Bedingungen auf die Schnelle errichtetes Behelfslager, das der Not gehorchend so zu konzipieren war, dass es auch noch imstande war vor germanischen Nachtangriffen etwas Sicherheit zu bieten. Und es war bei weitem nicht mehr vergleichbar mit einem Lager wie man es üblicherweise unter friedlichen Bedingungen errichtet hätte. Nach Cassius Dio schaute man sich daher auch mehr gezwungenermaßen nach einem geeigneten Platz dafür um, soweit dies in einem Waldgebirge überhaupt möglich war. Er verwendete dafür ein altgriechisches Wort, dass man mit "Waldgebirge" übersetzte, dass man aber abmildernd werten darf, da Waldgebirge in dieser Region nicht existieren. Man darf es aber nicht mit einem Lager vergleichen in dem man mit den rebellischen Aufrührern die Lage sondieren und in dem Varus gerichtlich über das weitere Vorgehen entscheiden wollte. Für ein solches Lager hätte man sich einen geeigneteren Ort gesucht aber keinen Platz in einem vor Nässe triefenden Sumpfwald über dessen Umgebung Florus schrieb, dass nichts blutiger war, als jenes Gemetzel in Sümpfen und Wäldern. Aber jetzt herrschte Krieg zwischen Germanen und Römern und der erste Kampftag hatte für die Germanen auch eine psychologische Bedeutung, denn plötzlich waren sie die Erfolgreichen da ihr Plan begann aufzugehen, was beflügelt. Aber die Chronologie der Abläufe fordert noch ihren Tribut und so ist ein Blick auf den möglichen zeitlichen Verlauf unabdingbar. Varus fuhr oder ritt also vermutlich in der Spitzengruppe des Heereszuges und diese These geht davon aus, dass die Marschierenden bei ungestörtem Verlauf imstande waren pro Stunde etwa 3 Kilometer zurück legen zu können. Eine Annahme die auch voraus setzt, dass es zu keinen größeren Störungen kam. Für diesen Tag standen wie dargestellt noch keine Gespräche mit den Aufrührern an, so dass man sich Zeit mit dem Ausmarsch gelassen haben könnte. Der gesamte römische Marschzug hatte ausgangs Brakel auf Basis einer in einem voraus gegangenen Kapitel erfolgten Untersuchung eine Truppenstärke von etwa 11.000 Mann und eine Gesamtlänge von etwa 6 Kilometern. Um sich den Verlauf dieses Tages besser vergegenwärtigen zu können, ist ein Blick auf die mögliche tageszeitliche Zonierung nötig. Varus lassen wir nach dieser Überlegung gegen 10 Uhr das Brakeler Rastlager verlassen. Etwa gegen 12 Uhr, also nach zwei Stunden Marschzeit erreichte Varus an der Spitze befindlich den Punkt nahe Hampenhausen, wo es zwei Stunden später gegen 14 Uhr zu den ersten Angriffen auf den Zug kommen sollte. Es war gegen 14 Uhr, weil um diese Uhrzeit die letzten Wagen des Marschzuges gerade dabei waren diesen Punkt zu passieren. Bis Hampenhausen hatte Varus demnach etwa sechs Kilometer zurück gelegt wofür er die besagten zirka zwei Stunden benötigt hatte. Somit hatte Varus noch 6 Kilometer vor sich, um nach insgesamt 12 Kilometern gegen 14 Uhr den Ort zu erreichen, wo man eigentlich beabsichtigte das erste Nachtlager zu errichten. Resümee: Varus hätte demnach den anvisierten und von Arminius empfohlenen Freiplatz, da wo man das Gerichtslager errichten wollte nach etwa vier Stunden Marschzeit ab Brakel gegen 14 Uhr erreicht haben können. So wäre auch immer noch genügend Zeit vorhanden gewesen um mit dem Aufbau zu beginnen und rechtzeitig vor der Dunkelheit fertig zu werden. Nach Hampenhausen verschlechterte sich der allgemeine Wegezustand und es verlängerte sich dadurch zwangsläufig auch die Marschzeit, so dass sein Zeitplan gegen 14 Uhr am angedachten Lagerplatz einzutreffen nicht mehr eingehalten werden konnte. Und auf diesem kritischen Marschabschnitt, den die Germanen durch geeignete Barrieren vermutlich noch zusätzlich beschwerlich gestaltet hatten, sahen sich nun ab 14 Uhr die Legionen einem stetig wachsenden germanischen Aufgebot gegenüber gesetzt, denn auf dieser Strecke fiel die Vorentscheidung darüber, wer die Varusschlacht für sich entscheiden sollte. Karren die im hinteren Teil unterwegs waren und auch schon jene im mittleren blieben stecken und erreichten den vorgesehenen Lagerplatz nicht mehr zum ursprünglich angedachten Zeitpunkt 16 Uhr. Der Marschzuges wies jetzt nicht mehr die alte Länge auf. Er schob sich ineinander, könnte sich auf 4 Kilometer verkürzt haben, war dafür aber breiter geworden. Er kam im vorderen Teil zum Stillstand, die Wagen und Mannschaften schlossen dichter auf und es kam zu Knäuelbildungen. Somit befand er sich gegen 14 Uhr erst in der Senke die dem Falenbruch nördlich vorgelagert ist, wo Varus gegen 14 : 30 Uhr die ersten kritischen Nachrichten aus dem hinteren Zugteil erreichten. Es mag irritieren, wenn man das Geschehen so minutiös, wie man in Westfalen sagt aufdröselt, aber auf diese Weise gelingt es besser sich den Verlauf zu verinnerlichen. Dieser Theorie zufolge begannen die Angriffe zunächst auf die hinteren vorbei ziehenden letzten Zugabschnitte, also erst nachdem auch der letzte Legionär und der letzte Karren diese neuralgische Landmarke vor Hampenhausen gegen 14 Uhr passiert hatte. Und erst im Verlauf der Schlacht begannen die Germanen damit weitere Teile des Marschzuges von hinten aufzurollen und ihn an unterschiedlichen Stellen ins Visier zu nehmen bis sie zu Varus vorgedrungen waren. Um also dem Konstrukt ein chronologisches Korsett zu verleihen könnte man zu der Auffassung gelangen, dass erst mit zunehmendem Voranschreiten der Schlacht die Kämpfe auch die Zugspitze erreichten. Varus selbst hätten die Germanen an seiner Spitze frühestens gegen 15 Uhr im Fahlenbruch angegriffen haben können. Bei dieser Annahme hätte auch ihn das Schlachtgeschehen, dass gegen 14 Uhr vor Hampenhausen ausbrach etwa eine knappe Stunde später ebenfalls erreicht haben können. Eine Zeitspanne in der sich die Befehlskette zwischen Varus und dem hinteren Trossende begann heiß zu laufen und die Kommandos des Generalstabes die Legionäre verwirrten die man zunächst zur Passivität zwang bevor man die tatsächliche Lage begriff. Während sich nun langsam auch die römische Marschspitze im trügerischen Fahlenbruch den ersten Angriffen ausgesetzt sah und dort gegen 15 Uhr endgültig zum Stillstand kam, schlugen sich die Germanen mit den Legionären bereits seit einer Stunde an den unterschiedlichsten Stellen auf der Strecke zwischen dem Sieksbach bei Hampenhausen und dem Fahlenbruch. Das Aufgebot, das die Germanen an diesem ersten Tag in den Kampf schicken konnten bedarf allerdings noch der näheren Betrachtung. Möchte man die Lage in schaudernde Worte kleiden, so sind dazu keine großen Phantasien und Vorstellungskräfte zu bemühen. Man könnte die heutige Bezeichnung Fahlenbruch in der Gestalt deuten, als ob der Bruch seinen Namen jenen Pfählen verdankt, die hier seinerzeit errichtet wurden, um an ihnen die ersten römischen Gefangenen hinzurichten, denn ab hier begann für Varus die Endzeituhr zu ticken. Der Name Fahlenbruch kann aber neben der falen Farbe des morschen Holzes auch noch eine andere Bedeutung gehabt haben auf die aber noch einzugehen ist. Man befand sich nun an einem wesentlichen Scheidepunkt des Schlachtgeschehens. Weit entfernt vom Sommerlager Höxter/Corvey, rund 10 Kilometer südlich von Brakel, bis Aliso/Schwaney waren es durch die Luft gemessen etwa 20 Kilometer und nach Anreppen noch ein weiter Weg. Hier wartete Varus sehnlichst auf die Nachricht, dass Arminius nun endlich mit seinen Männern auf Seiten Roms in die Kämpfe eingreifen würde. Die Nachrichten die Varus am zweiten Marschtag dem ersten Kampftag erreichten überschlugen sich und anhand der Ausmaße des Angriffs wurde ihm bewusst in welchen Hinterhalt er geraten war. Seine Legionäre erwarteten im Kampfgeschehen die Befehle der Obrigkeit, aber es kamen keine mehr durch da die Nachrichtenkette zu oft unterbrochen und jede Kampfeinheit und jeder Einzelne jetzt auf sich gestellt war. Stattdessen erreichte Varus die katastrophale Information, dass einige seiner Männer Arminius zwar gesehen haben wollten, dieser sich jedoch zur völligen Verwunderung und Bestürzung aller Reitergefechte mit der eigenen römischen Kavallerie lieferte. Die Katastrophenmeldung wurde zum Lauffeuer und totale Resignation war die Folge, da man alle Hoffnungen und Erwartungen in sein Erscheinen gesetzt hatte. Aber nun stand für alle eindeutig fest, dass Arminius die Fronten gewechselt hatte und in diesem Moment wird Varus und auch jedem anderen bewusst geworden sein, in welche Gefahr und Abhängigkeit man sich begeben hatte. Und mehr noch, denn es wurde Varus klar, dass es auf den Wegen auf denen er kam nun auch kein zurück mehr geben würde. Varus spürte, dass sich alles gegen ihn gewendet und verschworen hatte, denn auch die Wetterbedingungen kippten und nahmen nun wie überliefert ist schlimme Ausmaße an. Das Erscheinen von Arminius mit seinen gut ausgerüsteten und kampferprobten Männern setzte unter den Germanen neue Kräfte frei. Sie glaubten zwar an die Zusage seiner Ankunft, aber nun sah man ihn. Er wurde zum wichtigen Motivationsschub, da bis zu dem Zeitpunkt keiner der gegen Varus kämpfenden Germanen wusste, wie die Kämpfe am Gradberg gegen den zivilen Marschzug verliefen. Denn es war keine ausgemachte Sache, dass sich dort alles wie geplant zugetragen hatte. Die Eigendynamik die nicht nur jedes Fußballspiel erfasst trifft auch für Schlachten zu unterliegt unbekannten und nicht vorhersehbaren Einflüssen. Wir wissen nichts über die Anzahl und darüber welche germanischen Stämme an den Kämpfen des ersten Tages beteiligt waren, aber Varus stand nun abgeschnitten und isoliert mitten in Germanien und wartete auf Hilfe die nicht mehr kam. Dafür war man aber jenem verhängnisvollen Bergsattel schon ein gutes Stück näher gekommen den Tacitus beim Namen nannte. Denn es lagen jetzt nur noch etwa 11 Kilometer Luftlinie zwischen dem umkämpften Fahlenbruch und diesem Saltus, an dem oder vor dem die Schlacht ihr Ende finden sollte. Eine Distanz zu lang um sie unter den herrschenden Bedingungen in einem Nachtmarsch bewältigen zu können aber kurz genug um die Hoffnung auf Rettung nicht aufzugeben. Die römische Armee musste sich die letzten etwa 5 Kilometer vom ersten Angriffspunkt westlich von Hampenhausen unter widrigsten Wetter- und Kampfbedingungen durch ein Spalier germanischer Attacken bis in den Fahlenbruch durch kämpfen. Die Zeit schritt voran und spätestens jetzt erkannte man bei der römischen Heeresführung, dass es Zeit war an die nächtliche Unterbringung zu denken. So begann man sofern möglich die ersten Arbeiten für ein Nachtlager anzugehen. Sollte die Schlacht auf Basis dieser Hypothese gegen 14 Uhr begonnen haben, dann waren auch die germanischen Krieger nach einigen Stunden des Kampfes müde und ausgebrannt und es war kaum zu erwarten, dass sich unablässig frische Angreifer in die Schlacht warfen. So liegt es nahe, dass nach einigen Stunden Kraft und Eifer nachließ und man sich die Restkraft für den nächsten Tag aufsparen musste. Mit Einbruch der Dämmerung könnten sie vom Feind abgelassen haben und Varus konnte sich verstärkter auf den Aufbau eines provisorisches Nachtlager konzentrieren. Arminius könnte nun auch die Taktik für den ersten Kampftag für aufgegangen gehalten und seine Männer zurück gezogen haben, nachdem sich die Legionen in den Fahlenbruch zurück gezogen und verschanzt hatten. Er hatte Varus nun da wo er ihn hin haben wollte, abgeschnürt auf engstem Raum und reduziert auf den unbedingt nötigen Bereich in dem sich Varus nun für die Nacht einrichten musste. Ein Lagerplatz für den man anfänglich noch eine größere Unterbringungskapazität plante, was man aber aufgeben musste und dessen Fassungsvermögen man dann wegen weiter fortschreitender Verluste und der fehlenden Helligkeit erneut reduzieren musste. Es kam nur noch zu einem auf die Schnelle errichteten Notlager, dass nicht mehr dazu vorgesehen war darin Ochsen samt Karren unterbringen zu können. Es hatte nur noch den einen Zweck zu erfüllen, nämlich den Überlebenden ein Minimum an Schutz vor möglichen weiteren Angriffen zu bieten. Auf kleinstem Raum verbrachte man vor und hinter den notdürftig geschaffenen Wällen, Schutz bietenden Baumstämmen, Holzkarren oder Bachschluchten die Nacht, da die hellen Stunden des Vorabends und die Umstände keine umfangreichen Schanzarbeiten mehr ermöglichten. Folgen wir den literarischen Hinweisen von Cassius Dio, da uns nichts anderes vorliegt, denn Tacitus verlor über den Schlachtverlauf keine Silbe, dann konnte dieser Tag nur unter derartigen Bedingungen geendet haben. Einzelne Kämpfe gegen versprengte Römer dürften sich noch bis zum Einbruch der Dunkelheit und vielleicht sogar bis in die Nacht hingezogen haben. Den Legionären wird es in jedem Fall schwer gefallen, wenn nicht sogar unmöglich gewesen sein unter diesen Bedingungen überhaupt noch ein sicheres Nachtlager zu errichten, denn vielen Legionären gelang es nicht mehr das noch mühsam im Bau befindliche Lager zu erreichen um sich noch mit am Aufbau beteiligen zu können. Cassius Dio hinterließ die denkwürdigen und eindeutig zu interpretierenden Sätze, dass es an diesem Tag zu den heftigsten Kämpfen kam und sie am nächsten Tag erneut aufflammten. Auf Basis dieser Grundannahme bekommt die Theorie Nahrung, dass die Kernschlacht zwischen dem zweiten Marschtag ab etwa 14 Uhr und am folgenden Tag nach dem Abzug aus dem Nachtlager stattfand. Es war die Phase in der nun die Germanen den Schlachtverlauf bestimmten, der sie zum Sieg führte. Auf der Suche nach den Spuren der Schlacht stoßen wir immer wieder auf die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft. Ob wir nach begehbaren Marschwegen Ausschau halten oder die römischen Lager bevorzugt an Bachtälern oder auf Anhöhen suchen, es sind immer wieder die gleichen topographischen Schemata und Besonderheiten die uns dabei helfen können und die sich auch schon mal in Ortsnamen bis heute erhalten haben könnten. Nicht nur die Germanen und ihre Anführer wussten um die Schwachstellen einer ziehenden Armee und sie kannten jeden Winkel der ihnen vertrauten Heimat bestehend aus zahlreichen kalkreichen Niedermoorregionen und wussten um die Geographie auch ohne das sie diesen einen Namen gaben. In den Ortsnamen Natingen früher Nathge oder Natzungen auch Natesingen steckt die mittelhochdeutsche Silbe "nat" für "nass". In Drenke oder Drankhausen könnten sich Bezüge zu einer Landschaft erkennen lassen, die auch stark vom Grundwasserstand geprägt war. Allerdings ist größte Vorsicht geboten von Ortsnamen oder Flurbezeichnungen Rückschlüsse bis hin zum Wunschdenken zu vollziehen, denn dann käme man bei einer alten Flurbezeichnung östlich von Natzungen die sich "Im Schlacht Feld" nennt, schnell auf andere Gedanken. Auch der Ortsname Löwen südlich von Peckelsheim Richtung Borlinghausen gelegen, der auf den Worten Loh für Wald und Venn für Morast beruhen soll und einen Moorwald bezeichnet, weist ebenfalls auf eine sumpfige, moorige und nährstoffarme Gegend am Rande der Börde hin. Allesamt Hinweise die dafür sprechen, dass die gesamte Region in früheren Zeiten mit Ausnahme der Höhenwege aufgrund zahlreicher Quellaustritte aus derartigen Bodenverhältnissen bestand. Ein typischer Lebensraum wie er auch von der daran angepassten Tierwelt bewohnt wurde und wie ihn unsere heimischen Schlangen aus der Familie der Nattern bevorzugen. Und das auch Schlangen in der Varusschlacht eine kleine Rolle gespielt haben erfuhren wir von Florus (II, 30, 29ff). Denn einem bei ihm nach zu lesenden Satz der da lautet, "Endlich hast du Schlange aufgehört zu zischen", lässt es sich unschwer entnehmen. Im weiteren Verlauf fällt dem ersten Notlager eine besondere Aufmerksamkeit zu. Es ist das Lager, dass Florus mangels besserer Kenntnis vermutlich fälschlicherweise für das überfallene Gerichtslager hielt, das bei Tacitus den Namen "prima Vari castra" trug, von dem er meinte drei Legionen hätten es noch errichten können und das Cassius Dio das Notlager im Waldgebirge nannte. Ein Lager für das noch Chancen bestehen es zu verorten um es auffinden zu können. (04.12.2021)

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Dienstag, 23. November 2021
Cassius Dio und der nebulöse Stamm der Aufrührer
Das eigentliche Zielgebiet der Varuslegionen, also die Siedlungsgebiete dieser fiktiven Spitzbuben zu kennen ist eine der zentralen Schlüsselfragen um die Örtlichkeiten der Schlacht aufzuspüren und ist ein wesentlicher Anhaltspunkt dafür, wo Varus seinen Marschzug einst begann, ihn hin lenkte bzw. wo man ihn hin lenkte. Dahinter den einst vertriebenen Stamm der Marser zu sehen, der sich 8 - im Verbund mit den Sugambrern der Gewalt des Tiberius entziehen musste und sich daher vom östlichen Rheinufer nach Osten abgesetzt hatte, klingt naheliegend. Da die Forschung ihre Wohngebiete in den letzten Jahren kontinuierlich weiter nach Osten verschoben hat und sie nun an der Diemel bis zum Eggerand verortet werden, scheint es nicht unlogisch gewesen zu sein, dass Arminius mit ihnen argumentierte. Aber zur Einstimmung in diese Recherche sei noch einmal festzuhalten, dass allen Geschichtsinteressierten die die Übersetzung von Cassius Dio kennen hinreichend bekannt ist, dass sich die Germanen um Arminius den Aufruhr nur ausgedacht hatten um Varus in eine abwegige Region zu locken, wo er sich auf dem Weg dorthin besser bekämpfen ließ. Denn Cassius Dio entnahm seinen Quellen eindeutig, dass dieser Aufstand nur das Produkt einer geschickten Täuschung war. Anders ausgedrückt, dass es den Aufstand so wie man ihn einst Varus gegenüber darstellte letztlich nicht gab und es sich in Wahrheit nur um eine in geheimer Absprache eingefädelte abgekartete Operation handelte. Eine Finte die man zwar dem römischen Machthaber als eine Empörung vorgaukelte, die es aber in dieser Form letztlich nicht gab. Ein geschickter Schachzug hinter dem aber wie sich später heraus stellen sollte, weit mehr steckte als nur das was Arminius preis zu geben bereit war. Aber um das Theoriegerüst zu vervollständigen galt es ungeachtet dessen für dieses Aufrührerzentrum das Varus ansteuern sollte doch eine Örtlichkeit zu definieren. Varus nahm letztlich die Herausforderung an und man möchte nun auch wissen in welche Region man ihn lockte. Also auch dann, wenn der Aufruhr der nur in den Köpfen der findigen Germanen existierte später mit der Varusschlacht verschmolz. Es sei denn man meldet an den Überlieferungen von Cassius Dio grundsätzlichen Zweifel an, was hier aber nicht der Fall sein soll. Außer dem Saltus, der sich dieser Theorie nach nahe Borlinghausen befand, verfügen wir um die Lage ausfindig zu machen nur über das schwache Verb "entfernt" wie es uns Cassius Dio hinterließ. So stellte er innerhalb des Kapitels 56,19,3 klar, dass man diese Varus gegenüber nur vorgetäuschten Unruhen gezielt in eine "entfernte" Region verlegt hatte, wo man den Aufruhr nur künstlich zum Ausbruch kommen ließ. So war Varus genötigt statt den direkten Weg zum Rhein zu nutzen einen Umweg artigen Bogen von mehreren Kilometern zu schlagen der ihn in den Süden des Nethegau verschlug. Cassius Dio irrte natürlich wie alle anderen antiken Historiker auch denn das was man Varus gegenüber anfänglich nur als Aufruhr beschrieb war keine Narretei, sondern führte zur römischen Niederlage und nahm unerwartete Ausmaße an um dann als Varusschlacht in die Geschichte einzugehen. Die Aussage innerhalb dieser Textstelle birgt aber bei näherer Betrachtung weiteren Informationsgehalt. So darf man sich zunächst einmal die Frage stellen, was Cassius Dio unter "entfernt" verstand und das erinnert schon fatal an das taciteische haud procul = unweit, dass uns ebenso über die Distanz rätseln lässt. Denn was bedeutete vor rund 2000 Jahren "unweit" und was hatte man sich unter "entfernt" dem lateinischen "procul = in der Ferne" vorzustellen. Die Begriffe Entfernung oder Distanz besitzen für sich allein genommen keine Aussagekraft, wenn sich ihnen keine Fixpunkte oder zeitlichen Bezüge zuordnen lassen. Tacitus half uns indem er den "Teutoburgiensi saltu" erwähnte und Cassius Dio indem er uns Hinweise auf die Marschtage und damit auf die Etappenlänge lieferte. Man darf nun zugrunde legen, dass Cassius Dio den Standort des Varuslagers an der Weser zum Fix- und Ausgangspunkt machte als er den Begriff "entfernt" anwendete. Natürlich sagte Cassius Dio uns nicht wieviel Kilometer die Varusarmee am ersten dem noch friedlich verlaufenden Marschtag zurück legte. Da sich aber rekonstruieren ließ, dass sich das historisch hinterlassene umfängliche Programm das Arminius zu bewältigen hatte gar nicht an einem Tag leisten ließ, konnte ja musste die Schlacht über Varus auch erst am zweiten Marschtag herein gebrochen sein. Und genauso verriet uns Cassius Dio nicht wieviel Kilometer Varus noch am Kampftag marschierte bevor ihn das germanische Grauen überkam. Dieser Theorie nach schaffte Varus am ersten Marschtag ohne Feindeinwirkung bequem die übliche Tagesleistung von etwa 25 Kilometer, also die Distanz die zwischen dem Weserlager und Brakel lag. Der zweite Marschtag hingegen versank und endete im Chaos und es lassen sich nur wenig Rückschlüsse auf die an diesem Tag zurück gelegte Entfernung machen. So konnte uns auch Cassius Dio nicht verraten in welche Region man den vorgetäuschten Aufruhr geschickterweise platziert hatte, der dann allerdings bereits auf dem Hinweg zum Ausbruch kam. Von Dio erfahren wir lediglich, dass die Germanen den Marschzug zunächst mit ihren Speeren angriffen und dies dürfte wie sich rekonstruieren lässt daher erst am zweiten Marschtag erfolgt sein und sicherlich nicht sofort, sondern auch erst einige Stunden nach dem sie das Brakeler Lager verlassen hatten. Man darf daher nicht den Denkfehler machen den Streckenabschnitt wo das Gefecht begann mit dem ursprünglich anvisierten Zielgebiet, nämlich den Siedlungsgebieten der Pseudo Aufrührer zu verwechseln, der Region wo sich nach Arminius Darstellung die "sorgenvollen" Unruhen ereignet haben sollen. Als die Legionen Brakel verließen ging Varus davon aus, dass man bis zum Kerngebiet der Aufrührer noch eine gewisse Wegstrecke zu zurück zu legen hatte, aber man erwartete nicht, dass man schon irgendwo vor dem Erreichen des Zielgebietes angegriffen werden könnte. Geht man auch für den zweiten Marschtag von einer vollen Tagesetappenleistung von 25 Kilometern aus, dann hätte Varus an diesem Tag von Brakel aus theoretisch sogar schon die Diemel bei Warburg erreichen können. Da aber der "Teutoburgiensi saltu" bei Borlinghausen als Bezugspunkt in der Landschaft fixiert ist, Varus also weit aus weniger Kilometer zurück zu legen und er vorher auch noch ein Nachtlager zu errichten hatte, dass man bei herbstlichem Sonnenstand früh anzugehen hatte, reduziert sich auch die Tagesmarschdistanz erheblich. Varus konnte es sich demnach leisten später aufzubrechen und trotzdem noch früh genug an dem Ort einzutreffen, wo er das erste Marschlager errichten wollte, dass ihm am Folgetag auch als Gerichtslager dienen sollte. Aufgrund der recherchierten Zugtrasse die über den bei Trockenheit gut begehbaren prähistorischen Heggehöhenrücken führte, schlug Varus wohl auch diesen von der Topographie begünstigten Weg ein und folgte zunächst seinem Verlauf. Um zum Saltus zu gelangen ließ sich jedoch ein Winkelschlag nicht vermeiden, ein Wendepunkt der sich da befand wo sich der Fahlenbruch ausdehnte. Varus nahm nun das vorgegebene Zielgebiet des Aufrührerstammes ins Visier wo er den Bau des Gerichtslagers plante. Betrachtet man die Distanz von Brakel aus gesehen über den Fahlenbruch und dann zum Saltus westlich von Borlinghausen, so ergibt sich daraus eine Luftlinien Entfernung von insgesamt rund 22 Kilometer. 10 Kilometer bis in den Fahlenbruch und weitere 12 Kilometer von dort bis zur Eggeschlucht. Somit entsprach die Marschleistung am 1. Kampftag rund 12 Kilometer wenn man der Luftlinie noch eine um 2 Kilometer längere Wegeführung zuschlägt. Es wäre demnach die Hälfte einer normalen Tagesetappe gewesen so wie sie für die Zeit hinterlegt ist. Der Rekonstruktion nach marschierte Varus also am ersten Tag die Strecke von 25 Kilometer von Höxter bis Brakel und am Folgetag waren es etwa 6 - 8 Kilometer bis zu jenem Punkt südlich von Brakel nahe Hampenhausen, wo die Germanen die Schlacht zunächst mit zaghaft vorgetragenen Speerwürfen auf den hinteren Teil eröffneten. Das Gebiet des vorgetäuschten Aufruhrs von dem Varus gar nicht genau wusste gegen wen auch immer er sich richtete, denn mit einem Feind Roms setzt man sich nicht noch vorher an den Richtertisch sondern bekämpft ihn, befand sich zweifellos NICHT da, wo man ihn angriff. So könnte das Rebellengebiet wo Varus erwartete in das Aufrührergebiet einzumarschieren mittig zwischen der Angriffszone am Sieksbach nahe Hampenhausen und dem Saltus gelegen haben. Eine Region in der gute Böden vorherrschen was eine dichte Besiedelung annehmen lässt, wo sich also eine vielköpfige Bevölkerung ernähren kann und was wiederum für zahlreiche Kämpfer spricht. Hier befand sich zwar nicht das Siedlungsgebiet der Marser, aber hier ließe sich allemal das Pulverfass eines Aufruhrs vermuten zu dem es letztlich, allerdings unter dem Namen Varusschlacht auch kam. So käme die Region um Peckelsheim am Nordrand der fruchtbaren Börde auf halber Strecke gelegen für eine in dieser Hinsicht aufsässig gewordene Bevölkerung auch gut infrage. Damit wäre im Groben auch die Landschaft umrissen, die Cassius Dio unter "entfernt" verstand, eine Region 25 Km (Luftlinie) südwestlich von Höxter. Der Übersetzung nach schrieb Cassius Dio aber auch noch, dass sich zunächst, also zuerst nur die entfernter Wohnenden empörten. Seine Wortwahl "zuerst" verdeutlicht aber auch, dass sich dieser ersten Empörung noch weitere Unruhen oder gar Gewaltausbrüche anschlossen. So musste Cassius Dio vermutlich eine Erklärung dafür finden, warum die Schlacht nicht erst im Siedlungsgebiet der Aufrührer ausbrach, sondern schon auf dem Weg dahin. Und er fand sie in dem er nach der für ihn schlüssigen Erklärung griff und zu der Schlussfolgerung gelangte, dass der Aufruhr zwar weiter entfernt seinen Anfang nahm also ausbrach, sich aber zusehends ausbreitete und Varus letztlich entgegen brannte, er also in ihn hinein marschierte. So war der Aufruhr wie es Cassius Dio darstellte plötzlich nicht mehr nur die Finte eines cleveren Arminius der Varus nur locken wollte, sondern wurde zu einem konkreten Szenario was letztlich die antike Geschichtsschreibung und was auch verständlich ist, in ihre literarische Verwirrung stürzte. Denn ein Aufruhr in dem die alten Historiker zunächst nur ein Lockmittel sahen, dass sich dann jedoch zur Varusschlacht auftürmte der Nachwelt verständlich zu machen konnte die Historie schon in Erklärungsnöte bringen. Ein Arminius der mit der Gefahr also nicht nur gezündelt, sondern sie Varus gegenüber sogar richtig dargestellt hatte ihn aber geschickt zwang sie zu unterschätzen forderte einiges von den antiken Historikern ab. Wie auch sollte sich Cassius Dio diesen Verlauf noch nach rund 200 Jahren vorstellen. Und so konnte er auch nur berichten, dass sich der Aufruhr zum Zeitpunkt des Anrückens der Varusarmee bereits weit in den Norden also in seine Richtung verselbstständigt hatte, die Rebellen also den Legionen schon entgegen gezogen waren. So war es für ihn auch stimmig und plausibel, wenn er zunächst, also zuerst nur über einen entfernten Aufruhr schreibt, dann aber zum Ausdruck bringt, dass sich der anfänglich entfernte Aufruhr nun nicht mehr nur in weiter Ferne vollzog, sondern sich bereits auf dem Hinmarsch bemerkbar machte. So lässt sich dieser Textstelle entnehmen, dass Cassius Dio damit den Beginn eines Flächenbrandes andeutete der nach dem ersten Aufruhr, über den Arminius pflichtgemäß Varus in Kenntnis gesetzt hatte um sich griff und dann Varus voll entgegen schlug. Aber nicht nur das. Cassius Dio deutete damit auch an, dass der Aufruhr noch auf Aliso und viele römische Lager übergriff und nach 200 Jahren wusste er auch, dass sein Beben bis ans Rheinufer reichte. Somit lässt Cassius Dio die ersten Unruhen nahtlos in die Varusschlacht und alle weiteren Gefechte übergehen und zieht keinen Trennstrich mehr zwischen einem Aufruhr den er anfänglich für fingiert hielt, der es aber letztlich nicht war. So war es für Cassius Dio auch nicht einfach das Geschehene so zu formulieren, dass jeder Leser seiner Schriften verstand was wirklich damals vor sich ging. Und bei alledem musste er noch vermeiden Varus von seiner historischen Schuld am Ende noch frei zu sprechen. Denn das wäre der Bruch mit einer einst verordneten Staatszensur die alles überwog und die unerschütterlich, wie eingemeißelt die Zeiten überdauert hatte. Nun verschmolz bei Hampenhausen eine anfänglich nur trickreich ins Spiel gebrachte Empörung mit der Realität, wuchs sich aus zu einem bedrohlichen Angriff auf die römischen Legionen und beides ließ sich nicht mehr voneinander trennen. Arminius hatte recht behalten es gab den Aufruhr, aber er hatte es gegenüber Varus maßlos untertrieben dargestellt um ihn in Sicherheit zu wiegen. Die neue Lagebeschreibung machte nun aus einem weit entfernten Aufruhr für Varus den Ernstfall aber nicht nur das. In dem Arminius den Aufruhr angekündigte der sich zur Schlacht hoch schaukelte hatte Arminius dem Imperium in diesem Moment bereits hintergründig den Germanenkrieg erklärt. Um uns ungeachtet dessen in die Lage und die Entscheidungsprozesse von Varus hinein versetzen zu können, müssen wir uns diese Kriegsfinte jedoch wie ein reales Ereignis vorstellen. Arminius informierte also Varus, dass es zu einem Aufruhr gekommen wäre und diese offensichtlich glaubhaft vorgebrachten Schilderungen reichten dann auch aus um Varus dazu zu bewegen den besagten renitenten Stamm aufzusuchen. Das man bei der Übersetzung aus dem Original von Cassius Dio das Adjektiv "entfernt" verwendete offenbart, dass die Rebellion nicht im unmittelbaren Umfeld der Niederlassung vermutlich an der Weser ausbrach, also da wo Varus residierte. Es war also ein längerer Anmarsch unvermeidlich um dieses Gebiet zu erreichen. So wird man von Seiten der Cherusker aus strategischen Gründen auch kein Wort darüber verloren haben, dass Varus bereits auf dem Hinmarsch angegriffen werden könnte, denn Varus sollte es für ein lokales Ereignis halten. Wenn es also überhaupt zu römischem Waffeneinsatz kommen sollte, so konnte Varus erwarten, dass sich dies auch erst dann ergeben könnte, wenn er bei den Rebellen angekommen wäre. Er brauchte also mit Feindseligkeiten bereits auf dem Weg dahin in keiner Weise rechnen. Ob sich der Ärger der Aufrührer gegen andere Germanenstämme richtete, Zwistigkeiten im eigenen Stamm die Ursache waren, oder es sich alles aus anderen Gründen entzündete, geht aus den alten Schriften nicht hervor. Wie sollte es auch, wenn alles bis dato nur das Produkt einer Inszenierung war. Es kann und sollte daher auch nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass der nur künstlich von Arminius aufgebauschte Zorn unter den, dem Grundsatz nach nicht existenten Aufrührern etwas mit der römischen Zwangsherrschaft zu tun gehabt haben musste, obwohl es gerne so interpretiert wird, da es naheliegend scheint. Varus konnte also den Marsch zu ihnen auch in dem Bewusstsein und dem beruhigenden Gefühl angetreten haben unter den germanischen Stämmen nur etwas zur Schlichtung beitragen zu müssen. So könnten die genauen Beweggründe für ihn eher diffuse gewesen sein, er kannte sie vielleicht gar nicht im Detail, denn wir erfahren darüber an keiner Stelle etwas aus dem Munde von Arminius. Was für eine wohlweislich nur vorgetäuschte innergermanische Auseinandersetzung spricht und weniger für den Ärger über die römische Besatzung, kann den diversen Hinweisen entnommen werden. Denn es lief wie mehrfach überliefert auf ein Tribunal hinaus, es stand also ein Gerichtstermin an und es war bei Florus auch von einem Überfall auf ein Gerichtslager die Rede. Schließlich trifft man sich vor einer Schlacht nicht mehr vor Gericht zumal dann wenn die Gegenseite den Richter stellt. So darf man sogar annehmen, dass Varus sich und seine Armee völlig unbedroht sah und das weder auf dem Marsch zu den Aufrührern als auch später bei den Aufrührern selbst. Und das war auch beabsichtigt, denn nur so konnte der Plan aufgehen. So beruhte seine Einschätzung vielleicht auch darauf, dass man in ihm die oberste Instanz sah und ihn deswegen als Richter hinzuziehen wollte. Argumente die berechtigterweise auch für seine völlige Sorglosigkeit sprechen und sein Verhalten bestätigen, denn danach zu urteilen durfte er sich auch wie im tiefsten Frieden gefühlt haben und es lässt sich dem auch nichts anderes entgegen halten. Wenn in der Weltgeschichte von großen Schlachten die Rede ist, so sind damit in der Regel Feldschlachten mit längerer Ankündigung also Vorbereitungs - und Vorlauflaufzeit gemeint. Schlachten die sich anbahnten und bei denen sich die feindlich gesinnten Mächte für gewöhnlich zuerst umschleichen um dann den ihrer Meinung nach besten Zeit- und Angriffspunkt zum Losschlagen zu finden. Die Varusschlacht war kein Ereignis in diesem Sinne, sie geschah für Rom aus dem Nichts heraus ohne Ankündigung oder Kriegserklärung und man könnte für sie auch nach einer anderen Bezeichnung suchen. Man wird danach suchen müssen, wo es in antiken Zeiten schon mal der Fall war, dass es einem Naturvolk gelang die überlegene Armee einer Weltmacht in dieser Dimension zu bezwingen. So ist zumindest dem Verfasser aus der Geschichtsschreibung kein solches Ereignis bewusst, wonach ein Berufsheer auf dem Marsch völlig unvorbereitet nicht nur in eine Schlacht hinein gezogen, sondern auch völlig vernichtet wurde. Eine immer noch kampfstarke und aus mehreren Legionen zusammen gesetzte Streitmacht auch wenn ihre Kopfzahl im unteren Bereich lag hätte immer noch in der Lage sein müssen geeignete Vorkehrungen zu treffen. Hier konnte man es sich offensichtlich aus nachvollziehbaren Gründen erlauben es zu unterlassen. Wäre auch nur der geringste Verdacht aufgekommen es könne gefährlich werden, wäre das taktisch geschulte römische Militär definitiv anders vorgegangen. Denn wie bereits ausführlich dargestellt gab es auch keine Vorwarnung durch einen Germanen mit Namen Segestes. Das sich die Gefechte über mehr als zwei Tage hinzogen belegt, dass man hier eine Armee zum Ausbluten bringen musste, da sie sich andernfalls nicht hätte besiegen lassen. Ein Verlauf der sich in seiner Gesamtheit nur anhand der Fakten erklären lässt und die sich im Zuge dieser Betrachtung zusammen tragen ließen. Beginnend mit vorsichtigem Geplänkel sich hoch schaukelnd in ein Schlachtengetümmel und Ausklingend in nachsetzenden Manövern und Verfolgungen bis zur bitteren Niederlage eines angeschlagenen Gegners. So klingt es in der Zusammenfassung und die Sage machte daraus einen dahin siechenden Wurm der am Ende enthauptet wurde als er vor Erschöpfung zum Wasser kroch. Man ließ die Legionen ab Brakel erst einen genügenden Abstand hinter sich bringen, bevor man am frühen Nachmittag des zweiten Marschtages dieses angedachten 25.09.0009, neuerliche kalendarisch historische Untersuchungen bevorzugen den 24.09.0009 den Kampf gegen sie aufnahm. Er zog sich bis in die Dämmerung hin und endete vor Einbruch der Dunkelheit. Das verlustreiche Marschzuggefecht dürfte sich quälend hin gezogen haben, möglicherweise gegen Abend eskalierte es und fand seinen Höhepunkt. Nach dem sich die Überlebenden auf einer Freifläche um ihre jeweiligen Kommandanten konzentrierten wuchs ihre Verteidigungskraft und die Kämpfe schwollen ab. Man scharte sich zusammen und der römischen Armee gelang es sich etwas zu konsolidieren und zu ordnen. Hier bildete sich ein Kampfzentrum wo es den Legionären gelang die restlichen Kräfte zu bündeln und einen Abwehrkampf zu organisieren bis die Germanen mit dem Hereinbrechen der Nacht von ihnen abließen. Wie man annehmen sollte dürfte sich der Lagerplatz auf einem erhöht liegenden Plateau befunden haben von wo aus es sich besser verteidigen ließ, auf dem man sich verschanzte und wo man die Dunkelheit herbei sehnte. Es lässt sich nachvollziehen, dass dieses Nachtlager wo die Kämpfe dieses Tages ihr fanden und in dem die Wundärzte ihr Möglichstes taten, nur einen notdürftigen Bauzustand erreichte. Dieser 25.09.0009, um dem Kind ein Datum zu geben könnte der verlustreichste Tag der gesamten Mehrtagesschlacht gewesen sein. Die wieder aufflammenden Abzugsgefechte am Morgen des 26.09.0009 nach dem Verlassen des ersten Varuslager waren erneut erheblich, dürften aber die Verluste vom Vortag aufgrund des Überraschungseffektes nicht erreicht haben. (23.11.2021)

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