Sonntag, 16. Januar 2022
Das "prima Vari castra" - Nicht mehr als ein Biwak in höchster Not.
Aber zunächst noch mal zurück in die graue Theorie des Möglichen. Der zweite Marschtag an dem es dieser Grundannahme folgend auf der Höhe von Hampenhausen zum ersten Schlagabtausch kam erfordert eine besondere Betrachtung. Nicht nur, dass an diesem Tag die Kämpfe auch ihre ersten Höhepunkte erreichten, sondern auch das man sich am Abend dieses Tages nur noch in ein Notlager zurück ziehen konnte, das in die römisch/germanische Geschichtsforschung auf deutschem Boden einging und als "prima Vari castra" zu Berühmtheit gelangte. Für Tacitus war es das erste Lager, womit er es ins Plural setzte, also damit eine fortlaufende Reihenfolge im Sinne weiterer, also noch folgender Lager ausdrücken und vielleicht auch ankündigen wollte. Sollte Varus nur ein einziges Lager errichtet haben, dann hätte Tacitus wohl auf das Wort "prima" verzichtet und hätte zudem auch "castrum" anstatt "castra" geschrieben und wir sprächen nur vom "Vari castrum. Es sollte also nach einem gewissen Abstand zum "prima Vari castra" noch zu weiteren Lagerstätten kommen. Er verdeutlicht bzw. bekräftigt dies auch mit seinem Hinweis "dein semiruto vallo, humili fossa accisae iam reliquiae consedisse intellegebantur: "was mit" IN EINIGER ENTFERNUNG davon ein nur halb aufgeworfener Wall mit niederem Graben, sichtlich der Lagerplatz eines schon angeschlagenen Restes" übersetzt wird. Gleich wie sich die über die Jahrhunderte verblichenen Marschlager in der Topographie der heutigen Zeit noch als solche in der Landschaft abzeichnen und zu erkennen geben, auf dem Wege dieser Theorie ließen sie sich noch aufzuspüren da man sie jeweils nur unweit der Zugtrasse vermuten darf. Würde man auf das "prima Vari castra" stoßen, oder die anderen Notlager entdecken und ließen sich durch römische Militariafunde bestätigen, so wäre es in Anbetracht der wenigen römischen Funde dieser Zeit und in dieser Region ein starker Hinweis auf die Stimmigkeit dieser Theorie. Ein Lager, das die Überlebenden des ersten Tages gezwungen waren unter widrigsten Bedingungen errichten zu müssen. Ein Lager, das sich die Legionäre wohl anders gewünscht hätten, als sie das Standlager an der Weser und das Etappenlager in Brakel verlassen hatten. Es wurde daraus ein Lager, das alles andere war als eines, das der Ordnung und Bauweise eines Polybios entsprochen hätte, es also weit ab seiner Richtlinien und Vorgaben entstanden sein dürfte und auch so aussah. Eine Wunschvorstellung vielleicht in unseren Köpfen, die sich jedoch unter den gegebenen Umständen seinerzeit nicht mehr umsetzen ließ, als man der Not gehorchend es weder an einem geeigneten Ort errichten konnte, noch imstande war die Schanzarbeiten vorschriftsmäßig und im nötigen Umfang bis zum Ende durchführen zu können. Man darf also Gegebenheiten erwarten oder vorfinden an denen sich nur noch schwerlich römische Handwerkskunst ausmachen lässt. Aber zur Gesamtbetrachtung gehört auch noch ein anderer Blickwinkel. Denn da wo sich Germanicus 15 + befand da stand er bereits tief in Feindesland und die Gefahr wuchs in ein Gefecht verwickelt werden zu können. Er wusste, dass viele Augenpaare auf ihn gerichtet waren als er sich anschaute, was die Feinde Roms vor sechs Jahren anrichteten. Wir wissen nicht ob Germanicus um dem Wunsch der Überlebenden auf Bestattung nachzukommen mit seiner gesamten Streitmacht die Orte der Schmach aufsuchte oder auch größere Armeeteile im Ausgangslager zurück gelassen hatte wodurch diese, für ihn vermutlich etwas unfreiwillige Eskapade auch ein gewisses Risiko in sich barg. Denn sein Ziel bestand in diesem Moment nicht darin die Cherusker an einem strategisch ungünstigem Ort im vermeintlichen Fahlenbruch und im Randbereich ihres Machtgebietes am einstigen Schauplatz der Varusschlacht anzugreifen, sondern in deren Zentrum wo sie ihre Hauptmacht bildeten also hinter der Weser und nicht davor. Und hier im unübersichtlichen Bruchwald wo schon einmal eine Armee unterging, da wollte man sich sicherlich nicht unnötig lange aufhalten. Man könnte daher in Abrede stellen, dass Germanicus ein gesteigertes Interesse daran hatte alles im Detail zu inspizieren und es statt dessen nur zu einer oberflächlichen Bewertung des alten Varuslagers kam. Das man bei Tacitus Beschreibungen über umfängliche Wallanschüttungen oder sichtbare Grabenvertiefungen vergeblich sucht spricht für eine hastige Aktion in der gesamten Lagerkonzeption. Nachdem was beschrieben ist, könnte man auch sagen, Germanicus stand vor einem Nichts und das Gelände was vor ihm lag war eine nahezu leere abgeräumte Fläche zu der man die Meinung vertrat, das dort einmal volle drei Legionen genächtigt hatten, sich also dort ein Lager befand, dass einst von drei Legionen errichtet wurde. Aber was sagt die andere Überlieferung. Nach Cassius Dio zu urteilen wissen wir, dass sich die Legionen da niederließen, wo sich in dem Waldgebiet überhaupt noch ein geeigneter Platz finden ließ und das klingt deprimierend bis desolat. Man war also gezwungen eine völlig ungeeignete Fläche zu nutzen. Ein Platz der nicht vegetationsfrei war, wo Büsche standen, der auch nicht exponiert lag und nicht eben gewesen sein dürfte. In der auch noch vereinzelt Bäume standen und die über feuchte und trockene Zonen verfügte. Eine Fläche die sich demzufolge weder in erhöhter Lage befand noch die günstige Form einer Kuppe oder eines Plateaus aufwies, da es für die Suche nach solchen Standorten schon zu spät war. Es gälte also für die Forschung einen Lagerplatz in einer völlig unorthodox zu nennenden Örtlichkeit aufzuspüren zu müssen wenn man nach ihm suchen sollte. Die Vorauseinheit musste die Lage in den Nachmittags - und Abendstunden hektisch erkunden, durfte nicht mehr wählerisch sein und entschied sich für den besagten suboptimalen Standort. Und Germanicus betrachtete dann diesen Ort sechs Jahre später. In der Zwischenzeit können Bäume je nach Art bereits Wachstumshöhen von bis zu 2,5o Metern erreichen und die Germanen werden die Fläche innerhalb dieser Zeit auch nicht gepflegt oder bewuchsfrei gehalten haben. Man darf sich also fragen, was Germanicus im Sommer, also der Hauptvegetationszeit im zugewachsenen Gelände von der einstigen Lagerstätte überhaupt noch zwischen dem Laub der Bäume und den Sträuchern erkennen konnte. Dimensionen, Umfänge oder Absteckungen hatte die Natur kaschiert und wie wollte er dies alles da noch erkannt haben und wie war es um sein räumlichen Verständnis bestellt. Dann noch eine Vorstellung für drei seinerzeit bei der Arbeit befindliche Legionen zu entwickeln ist ambitioniert, aber einige der Umstehenden könnten ihm dabei mit Erklärungen ausgeholfen haben. Vergleicht man also die Überlieferung aus der Feder von Cassius Dio mit der von Tacitus, wonach auf dieser Freifläche noch drei Legionen gelebt, vielleicht auch noch gekämpft bzw. geschlafen haben sollen, dann darf man die zuletzt genannte Darstellung anzweifeln. Ein weiterer Aspekt nimmt Bezug auf die Gesamtstärke der Varusarmee noch bevor sie zu den Aufrührern zog. Auf dieser Basis kann man sich der Frage widmen wie es um die späteren Schlachtverluste der Varusarmee stand. Tiberius dezimierte die Varus Legionen schon 6 +, da er sie bereits vor dem Pannonien Krieg für den Markomannen Feldzug brauchte, Varus selbst sonderte noch weitere Truppenteile, die so genannten Abstellungen ab und es gab noch weitere Gründe dafür, dass er von der vollen Kampfstärke weit entfernt war, so wie es auch Marbod plausibel angedeutet hatte. Es ist ein Versuch wert die möglichen Verluste zu eruieren denn es hatte zwangsläufig Auswirkungen auf die Dimensionierung des "prima Vari castra". So kommt man im Zuge dieser Aufarbeitung nicht um die lästige Frage herum, wie es um die Anzahl der Soldaten stand, die am Abend des ersten Kampftages das "prima Vari castra" überhaupt noch lebend von innen sahen, sich also am Aufbau beteiligen konnten. Eine bereits im Zusammenhang mit der Schlacht aufgestellte Hochrechnung ergab, dass Varus zwar mit drei Legionen, aber mit nur etwa 11.000 Legionären am Morgen des ersten Kampftages das Lager Brakel verlassen haben könnte. So muss man sich nun der Überlegung widmen, wieviel Männer Varus bereits am 1. Kampftag verloren haben könnte. Traut man seiner eigenen Hochrechnung und bedenkt, dass am 2. Kampftag der Rest seiner Soldaten umkam und der dritte Tag im Gemetzel endete dem nur wenige entkamen, so darf man annehmen, dass es nach dem ersten Kampftag, als man bezeichnenderweise schon keinen Sinn mehr darin sah sich mit unnötigen Ballast zu umgeben und ihn verbrannte einen massiven Schwund an Kämpfern gegeben haben muss. Wagt man sich ihn abzuschätzen so könnte er, bezieht man die kampfunfähigen also verletzten Soldaten mit ein zwischen 4.000 und 5.000 Mann gelegen haben. Hält man die Zahl für plausibel so hätte das "prima Vari castra" auch nur noch 6.000 bis 7.000 Männern platz bieten brauchen. Tacitus war es der überlieferte, dass drei Legionen am "prima Vari castra" gearbeitet hatten. Er hatte dies zum Ende des 1. Jahrhundert seinen Vorlagen entnommen die sich in Rom vom Besuch des Germanicus im Jahre 15 + erhalten hatten. Das Original dem er es entnahm liegt uns nicht vor, wir wissen auch nicht wer es verfasste und auch nicht wer seine Informanten waren. Wir müssen also glauben, dass Tacitus es nach rund 80 Jahren richtig wieder gegeben hat obwohl es zu Abweichungen und Fehlinterpretationen gekommen sein könnte. Es war definitiv kein Geheimnis, dass rund 50 Jahre vor seiner Geburt drei Legionen vernichtet wurden wann, wo und in welchem Zusammenhang dies geschah war ihm aber nicht bekannt, da er den Verlauf der Varusschlacht nicht kannte. Hätte aber Tacitus gewusst, dass Varus am Abend des erstes Kampftages nicht mehr über seine komplette Anzahl Krieger verfügte, dann hätte er die ihm vorliegende Überlieferung, Germancius habe auf das Werk von 3 Legionen geblickt anzweifeln müssen und hätte es nicht widerspruchslos oder unkommentiert übernehmen dürfen. Wer es aber hätte wissen müssen, dass das "prima Vari castra" nicht mehr von drei Legionen errichtet worden sein konnte war Germanicus, da er sich im Kreise der Überlebenden bewegte, die es ihm gesagt haben dürften. Sie waren schließlich dabei und konnten ihn noch nach sechs Jahren dort hin führen. Und hier war der Augenblick erreicht, wo sich die Vorstellung eingeschlichen haben könnte, das "prima Vari castra" wäre tatsächlich auch von drei Legionen, sozusagen von drei Geisterlegionen errichtet worden. Es liegt aber näher anzunehmen, dass am Tage der Anwesenheit von Germanicus am "prima Vari castra" im Zusammenhang mit dem Aufbau gar nicht mehr über die drei Varus Legionen gesprochen wurde, da es dafür keinen Grund gab. Jeder Anwesende kannte die näheren Umstände der Schlacht und wusste um die erheblichen Verluste die sie verursachte. So stellte man hier mit tiefer Betrübnis fest und drückte das Bedauern darüber aus, dass man sich nun in einem tristen Augenblick im Zentrum einer einstigen Schlacht befand, in der drei Legionen umkamen. Eine logische Erkenntnis die sich in die Geschichtsbücher der Zeit eingrub aus denen Tacitus schöpfte. Eine Feststellung die sich verselbstständigte und Tacitus dazu brachte zu schreiben, Germanicus habe selbst noch auf das Werk dieser drei Legionen blicken können. So als ob das "prima Vari castra" zum sichtbaren Vermächtnis und Symbol dieser Streitkräfte wurde, obwohl zu diesem Zeitpunkt nach Cassius Dio schon ein Großteil von ihnen den Germanen zum Opfer gefallen war. Im Jahre 15 + bestand jedenfalls keinerlei Interesse daran, den Verlauf der Varusschlacht chronologisch aufzuarbeiten oder rekonstruieren zu wollen, man blickte nur auf das Resultat. Wie und wo die drei Legionen umkamen wurde zur Nebensache. Zu bedenken ist, dass in den Köpfen der antiken Historiker ein Gehirn arbeitete, dass zwar strukturell mit dem unsrigen identisch ist, das sich aber einer anderen Realität verpflichtet sah und man daher auch eine andere Form der Darstellung suchte, die man auch nicht für verwerflich hielt, da man nichts dokumentieren brauchte. Zeitgenössische Übersetzer griffen es trotzdem so auf wie es geschrieben stand und erhoben die alten Texte zur unumstößlichen Wahrheit ohne zu berücksichtigen, dass sie auf fehlerhaften Interpretation und Grundfesten hätten beruhen könnten. Der starre Glaube an die vermeintlich wahren Fakten die jeder Übersetzer für sich meint hinter einem vermeintlichen Original aufspüren zu können, kann dann auch schnell in die Irre führen vor allem dann wenn das Tacitus Original nicht dem Urtext entsprach. Und den Originaltext kannte vielleicht noch nicht einmal Tacitus selbst. Befasst man sich mit dem Varusereignis dann lernt man schnell, dass sich der Weg zurück nicht buchstabengetreu aufspüren lässt. Unter dieser Brille betrachtet verschwimmen auch die historisch überlieferten Fakten aus der Feder von Tacitus und sein fehlender Wissenstand wurde zum Grundübel und brachte ihn vielleicht auch dazu seine eigene Einschätzung auf den Feldherrn Germanicus zu übertragen. Und dazu fällt einem eigentlich nur der kuriose und häufig zu hörende Satz aus der Welt des Films ein, der da lautet "Liebling, es ist nicht so wie es aussieht". Aber diese Interpretation erscheint schlüssiger als an der Frage zu deuteln, ob die Übersetzung daran gekrankt haben könnte man habe es eventuell unkorrekt übersetzt und das Lager wurde nicht "von" drei Legionen, sondern "für" drei Legionen errichtet, die es jedoch nie bezogen hatten. Es ist immer von Vorteil und nahezu unvermeidlich sich neben jedem Übersetzungstext auch den Verlauf der Schlacht plastisch zu vergegenwärtigen. Zugegeben eine schwierige Angelegenheit wenn man immer noch rätseln muss wo und wie sie sich ereignete. Aber zumindest dürfen wir die Variante "ob" streichen. Dieses Kapitel befasst sich nun mit einem derartigen Fall was zu dem Ergebnis führen kann, dass nicht nur Eggius das "prima Vari castra" verteidigte, sondern auch Cassius Dio dieses Lager des Cornelius Tacitus meinte, als er vom ersten Nachtlager sprach. Eine Schlussfolgerung womit sich die Indizienkette schließen lässt was wiederum der Aufhellung des Schlachtenverlaufs dient. Hält man sich also den gesamten Ablauf der Geschehnisse so vor Augen wie es Cassius Dio beschrieb, so verrät er wie sich die Ereignisse schon am ersten Kampftag massiv zuspitzten. Wir blicken auf ein Vorauskommando also die Marschspitze nämlich die Legion, die für den Aufbau des Marschlagers zuständig war, sehen unter Ihnen Varus wie er lamentierte und seine Generäle wie sie sich bemühten die Lage unter Kontrolle zu bringen und wir erkennen von erhöhter Warte aus, wie sich das Schlachtengetümmel langsam und unaufhaltsam von hinten nach vorne durch fraß, der Marschzug zunehmend auch von den Seiten attackiert wurde und die Kämpfe schließlich auch den Platz erreichten, wo man lagern wollte besser gesagt musste. Ab etwa 16 oder 17 Uhr verteidigte man sich möglicherweise aus einem Carré heraus. Ein Wort dass seine Wurzeln im Lateinischen "carrus" hat, das für die profane Karre, das englische Car, aber auch für Wagen steht und so verteidigte man sich vielleicht nur noch aus einer Art Wagenburg heraus, weil man über Wall und Graben nichts erfuhr. Und so sollte man sich wohl auch das erste Lager des Varus vorstellen, denn Brakel war es nicht, dass brauchte Varus nämlich nicht erst errichten, denn es existierte schon länger. Was uns nun unser persönliches Vorstellungsvermögen über das "prima Vari castra" verrät oder besser gesagt davon übrig lässt, nachdem sich recherchieren ließ unter welchen extremen Umständen man es damals errichten musste stimmt im Nachhinein mitleidig für die Besiegten. Danach könnte man es eigentlich nur noch demütigend und einer Großmacht unwürdig nennen und man war wohl weit davon entfernt, es als beeindruckend oder imposant zu bezeichnen, zumal Krieg nie etwas beschönigendes an sich hat. Es war ein Lager, das aufgrund der Rekonstruktion in weiten Teilen über keine Verteidigungskraft verfügte, also keine große Sicherheit mehr versprach, da viele Bauteile nicht mehr zur Verfügung standen, weil sie auf der Strecke blieben. Kein Lager, sondern ein besserer Sammelpunkt der den Überlebenden letztlich nur half weil es sich darin konzentrieren ließ, man sich wieder finden konnte und mit den Restkräften eine kompaktere Verteidigung erreichte. Dadurch gelang es ihnen noch sich gegen die germanischen Angreifer zu behaupten. Die herein brechende Dunkelheit kam ihnen letztlich zugute und schützte sie, die Nacht legte sich über alles und der Feind ließ von ihnen ab. Da Tacitus nur Umfang und Abmessung erwähnt ließ sich sechs Jahre nach der Schlacht nur noch feststellen, wo sich der Raum befand in dem man lagerte und um den bzw. in dem möglicherweise auch gekämpft wurde, wo er begann und wo er endete. Von Gebäuderesten, Wällen, Palisaden oder abgebrannten Holzkarren ist keine Rede, es breitete sich demnach lediglich ein unbebauter Freiplatz vor den Betrachtern des Jahres 15 + aus und nur darauf basierend lassen sich weitere Überlegungen aufbauen. Wie nicht anders zu erwarten stehen alle Vermessungsarbeiten und das den Prinzipien folgend "prinzipiell" immer am Anfang aller Lagerplanungen. Tacitus verwendet das Neutrum in seiner Präzisierung im Plural als "prinzipiis". "Prinzipiis" wie wir es vielleicht heute noch verwenden in dem wir feststellen, dass man etwas prinzipiell als solches erkennt, es sich also als solches erweist oder es sich im Grundsatz so annehmen lässt. Bezieht man es auf Örtlichkeiten wie in diesem Fall, dann steht es für "die Anfänge" denen Germanicus entnahm, dass es sich dabei um ein erst in der Entstehung begriffenes also unfertiges Vorhaben handelte. Er wollte also schon allein anhand des Umfanges erkannt haben, dass drei Legionen daran beteiligt waren, wo man also gedachte den Bau des Lagers zu Ende zu führen. "Prinzipiell" ein Ding der Unmöglichkeit. Wie weit es letztlich schon gediehen war kann dem nicht entnommen werden, aber zumindest war immerhin schon mal der Anfang gemacht. Wie weit die Legionäre mit dem Aufbau des Lagers bis zum Einbruch der Nacht unter stetigen Kampfeinwirkungen kamen, wird also immer offen bleiben. Historiker schlossen aus den mageren Hinweisen von Tacitus, dass Varus über die Phase das Lager zunächst nur abstecken zu lassen nicht viel weiter hinaus kam. Demnach hätte es auch noch über keine bis wenig Schutzfunktion verfügt, was man sich angesichts der Tatsache, dass noch immer zahlreiche Legionäre lebten zwar kaum vorstellen kann, was sich aber mit den Kämpfen und der einsetzenden Dunkelheit erklären lässt. Anhaltspunkte, dass Anfänge erkennbar waren können aber darauf hindeuten, dass es bereits erste Annäherungshindernisse teilweise in Form von Gräben oder Wällen gegeben haben könnte. Man könnte aber auch annehmen, dass nichts geblieben war was der Beschreibung wert gewesen wäre. Hält man die triste Realität des Kampftages dagegen so verwundert dies auch nicht. Denn das "prima Vari castra" musste auf alle wie ein verwahrlostes Camp wirken von dem nichts übrig bleiben konnte, weil auch vorher nichts da war. Aber in diese prekäre Lage des ersten Kampftages wollten oder konnten sich viele Lateiner nicht hinein versetzen, so dass eine These wie diese bislang noch nicht in die Diskussion kam. Man übernahm die Übersetzung eins zu eins und die ließ keine dahin gehende Interpretation zu, weil sich so manchen Historikern das Gesamtverständnis nicht erschloss. Vergegenwärtigt man sich nun den Zustand des "prima Vari castra" am Abend nach der Schlacht, so darf man zwar annehmen, dass es den Legionen in dieser Phase nicht mehr möglich war ein Gebäude oder größere Verteidigungsanlagen zu errichten, dem man den Namen Hauptquartier hätte geben können, aber gewisse Schutzmaßnahmen und Vorkehrungen werden noch zur Umsetzung gekommen sein. Gegenständliches das möglicherweise von den Germanen in den Folgejahren abgeräumt wurde konnte man nach sechs Jahren nicht mehr erwähnen, da es nicht mehr existierte oder bis zur Unkenntlichkeit überwuchert war. Bodenverwerfungen wenn auch nur im geringen Umfang vorhanden, könnten die Jahrhunderte jedoch noch konserviert haben denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Und so stand Germanicus auch nicht vor den Trümmern eines Gerichtslagers, denn dieses Notlager war nicht das Gerichtslager. Man errichtete es gezwungenermaßen an einem anderen Platz, nämlich da wo es laut Cassius Dio das "Waldgebirge" zuließ. Diese Darstellung wirkt zweifellos desillusionierend auf alle, die sich unter dem "prima Vari castra" etwas Vorzeigbares vorgestellt haben. Aber die Wahrscheinlich dieses Notlager jemals zu entdecken schwindet wohl mit jedem neuen Bezug zur alten Realität und räumt mit unseren Hoffnungen auf, es doch noch aufspüren zu können. Eine unfertige und notdürftig hergerichtete Lagerfläche inmitten einer womöglich heutzutage landwirtschaftlich erschlossenen Region möglicherweise mit minimalen Wall- oder Grabenresten aufzufinden, die in den letzten Jahrzehnten zudem noch mit schwerem Gerät befahren worden sein könnten, dürfte fasst aussichtslos sein und selbst wenn man einen Anhaltspunkt haben sollte, käme es einem Glücksfall gleich. Zum anderen beweist es, dass dieses Lager keinem ernsthaften germanischen Angriff stand gehalten hätte und man deswegen vermutlich noch während der Bauphase darin gekämpft hatte. Und es bestätigt bzw. unterstreicht wie verlustreich schon der erste Kampftag endete. Aber völlig verwerfen sollte man es trotzdem nicht doch noch fündig werden zu können, denn der hier vorgestellte Zugkorridor wartet noch mit einer interessanten Bodenstruktur auf die sich mit dem "prima Vari castra" in Einklang bringen ließe. Aber warum ist es von Bedeutung festzuhalten, dass man schon im Jahre 15 + nicht mehr viel vom einstigen Marschlager vorfand. Letztlich ist es die Erkenntnis, dass es zwischen Cassius Dio und Cornelius Tacitus keine Abweichungen gab, denn beide berichteten wie sich argumentieren lässt über das gleiche "prima Vari castra". Historische Irritation löste sicherlich auch noch die Nähe des Wortes "pricipiis" zum Wort "Principia" aus das für ein Stabsgebäude steht. Aber ein derartiges Bauwerk wird man in diesem Marschlager wohl vergeblich suchen. Aber Kompatibel und plausibel werden die beiden historischen Überlieferungen von Dio und Tacitus in dem Moment, wo man sich mit dem Hergang der Varusschlacht bis ins mögliche Detail auseinander setzt. Hier am Abend des ersten Kampftages lebte Varus noch, da hatte man noch nicht die Endstation der "Linie Varus" nahe der Teutoburgiensi Waldschlucht erreicht die man westlich von Borlinghausen vermuten darf und hier befand sich dieser Theorie nach auch noch nicht der Ort wo man die bleichen Knochen begrub. Nun brach die lange Nacht im Cheruskerwald des Fahlenbruches an. Varus war bereits geschlagen, er wusste es nur noch nicht. Was diese Nacht den Legionen noch bescherte und ob es auch zu nächtlichen Gefechten um das "prima Vari castra" kam ist nicht überliefert. Man weiß auch wenig darüber, ob die Germanen Nachtangriffe im Repertoire hatten, aber es ist denkbar. Lediglich Tacitus erwähnte einen Stamm der sich darauf spezialisiert haben soll. Florus der uns den Überfall auf ein Gerichtslager überlieferte, bei dem es sich nach dieser Theorie um das "prima Vari castra" handelte, erwähnte keine Tageszeit. Aber allein schon die Tatsache, dass die Insassen damit rechnen mussten auch nachts angegriffen werden zu können, zwang sie geeignete Vorkehrungen zu ergreifen. In kleinen Gemeinschaften wird man sich eng umeinander gruppiert haben um sich schneller wach rütteln zu können wenn Gefahr droht. In den Randbereichen wird man Posten aufgestellt haben und man lagerte bevorzugt im Zentrum mit größtmöglichem Abstand zur Lagergrenze. Die Regenfälle könnten sich bis in die Nacht hinein erstreckt haben, alles war klamm und unerträglich, mit nassem Holz ließ sich kein Lagerfeuer entfachen und auch aus Sicherheitsgründen war ein wärmendes Feuer nicht ratsam. Abgekämpfte, verletzte und übermüdete Krieger dämmerten in den Schlaf und wer keine Ruhe fand, oder noch Kraft hatte, achtete auf irritierende Geräusche und darauf von woher sie kamen und wer schwerer verletzt war, hatte anderes im Sinn. Und knackte mal ein Stück Holz dann fragte sich jeder, ob es ein Wildtier oder der Germane war. Ob die Römer so organisiert waren wie spätere Armeen, wo es wechselseitige Nachtwachen gibt ist vorstellbar. Jeder schlief da ein, wo er sich gerade nieder gelegt hatte, voraus gesetzt die überdehnte Muskulatur ließ sie in den Schlaf finden. In dieser Nacht gelang es keinem Legionär die für den nächsten Tag nötigen Kräfte zu sammeln. Der Tag könnte den Überlieferungen nach Wolken verhangen bis regnerisch begonnen haben, aber Verfasser von Historienromanen können diese Stimmung sicherlich besser einfangen und die Szenerie anschaulicher vermitteln. Den übernächtigten, zermürbten und geschundenen Legionären war bewusst, was sie am nächsten Tag erwartete. So fieberten die Halbwachen durchnässt mit gemischten Gefühlen und unguten Vorahnungen dem Morgen entgegen und erwarteten sehnlichst die Helligkeit und die steigenden Temperaturen. Aber das Schlachten war noch nicht zu Ende. (16.01.2022)

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Samstag, 1. Januar 2022
Das "prima Vari castra" aber außer Absteckungen nichts gewesen. Was sah Germanicus wirklich ?
Selbst Cassius Dio hegte aufgrund der Herkunft mancher seiner Quellen Zweifel an deren Zuverlässigkeit und äußerte sich dazu auch innerhalb des von ihm zu Papier gebrachten historischen Gesamtwerkes. Es klingt an, dass er sich daher genötigt gesehen haben könnte, dass ihm Vorliegende seinen persönlichen Vorstellungen anzupassen aber auch es zu straffen und er tat es wohl auch. Und da wo ihm der Zusammenhang nicht plausibel und verständlich erschien hinterließ er Lücken die den Verlauf störten. Wir wissen nicht ob Tacitus einen ähnlich kritischen Blick auf seine Quellen warf, aber es ist denkbar, wenn nicht sogar nachweisbar. Trotzdem möchte man gerne annehmen, dass uns die antiken Überlieferungen beider Historiker in ihrer altlateinischen oder altgriechischen Substanz in einem unverfälschten Originalzustand erreicht haben und nicht schon vorher umfangreiche sinnentstellende Veränderungen erfuhren, was unser gesamtes Geschichtsbild ins Wanken bringen würde. Für die wesentliche Recherche dieses Kapitels steht uns nur Tacitus, Cassius Dio und mit Abstrichen Florus zur Verfügung. Und etwas aus den erhaltenen Bruchstücken ihrer antiken Texte über das Wesen, den Verlauf und die Zusammenhänge der Schlacht abzuleiten fällt schwer. Letztlich lieferte uns nur Cassius Dio einen groben Abriss der tagelangen Ereignisse während es Florus auf einen kurzen aber heftigen Überfall auf das vermeintliche "prima Vari castra" reduzierte. Aber im Gegensatz zu Cassius Dio lebten für Tacitus am Abend des ersten Kampftages noch alle Männer der drei Legionen, denn sie sollen ja alle erkennbar am Aufbau des "prima Vari castra" mitgewirkt haben. Alle Schriftstücke seien sie nun von Tacitus, Florus oder Dio kann man zweifellos auch als Original oder Urtext bezeichnen. Aber der wahre Urtext kann letztlich immer nur aus der Feder desjenigen stammen, der auch mit den damaligen Zeitzeugen im näheren Kontakt stand und der dann die ersten Zeilen verfasste und hinterließ. Davon ist jedoch nichts übrig geblieben. Möchte man aber schon diese unmittelbaren Zeitzeugen oder die Berichterstatter der Varusschlacht die mit den Geflüchteten oder Überlebenden sprachen der Falschaussage bezichtigen, dann möchte man der Geschichtsforschung nur noch "Gute Nacht" zurufen. Die großen unbekannten Geschichtsschreiber der ersten Stunden oder Wochen nach der Schlacht die uns alle namentlich nicht bekannt sind schufen demnach die eigentlichen Originale über die Geschehnisse des Jahres 9 + und übergaben sie danach dem freien Spiel der Interpretationen. So gingen diese Texte bis zu jenen uns namentlich bekannt gewordenen antiken Geschichtsschreibern wie etwa Tacitus oder Dio noch durch so manch andere Hände. Auf Basis dieser Tatsache nun Übersetzungsversuche anzustrengen und darin nach Sinnhaftigkeit zu suchen ist so als stünde einem nur der Gipfel eines Eisberges zur Verfügung um damit nach den Tiefen der Varusschlacht zu gründen. Paterculus bildete eine Ausnahme, er war zwar zum Zeitpunkt des Desasters in Ostwestfalen nicht dabei, war aber doch ein Zeuge der Zeit. Noch vor und schon kurz nach dem Jahre 9 + hielt er sich in Westfalen auf und somit war er der einzige antike Mensch der noch den Atem der Schlacht spürte und davon berichtete. Aber auch seine Schrift könnte Umdeutungen und Veränderungen erfahren haben. Er erwähnte das heldenhafte Verhalten des Lagerpräfekten Eggius woraus man schließen könnte, dass dieser Mann herausragendes geleistet haben muss. Er fiel durch sein tapferes Verhalten auf stellte sich wohl mit den anderen Römern den anstürmenden Germanen entgegen und leistete möglicherweise seinen Beitrag daran, dass das "prima Vari castra" überhaupt zustande kam, die Nacht über hielt und nicht schon in der Aufbauphase überrannt wurde. Aber über die Jahrhunderte betrachtet kam es auf Basis der antiken Literatur zu einem immer noch andauernden blütentreibenden Wettstreit von Ansichten, Abwägungen, Ideologien und Methoden innerhalb der Geschichtsforschung. Und natürlich ist es auch nicht originär die Aufgabe der Sprachwissenschaft den alten Texten auch das Feingefühl oder Gespür für die damalige Lage zu entlocken, was eher der Unterhaltungsliteratur zusteht. Aber bezogen auf das "prima Vari castra" irritieren uns doch diese zwei historischen Passagen, da sie in ihrer Kernaussage im konträren Verhältnis zueinander zu stehen scheinen. Es ist die von Cassius Dio wonach am ersten Tag der Schlacht zahlreiche Römer Opfer der Kämpfe wurden und die von Tacitus wonach am Abend dieses Tages noch drei Legionen imstande gewesen sein sollen ein Nachtlager zu errichten. Wie konnten also nach einem wie von Dio geschildert derart heftig geführten ersten Kampftag noch drei Legionen fähig gewesen sein ein Lager zu erbauen, so wie es Tacitus hinterließ. Demzufolge kann nur eine von beiden Überlieferungen die Richtige sein oder es gäbe eine schlüssige Erklärung für die Abweichung. Aber mit einer gesunden Portion Logik ließ sich schon so manches erschließen und das Glaubhafte weil Nachvollziehbare konnte vom Unglaubwürdigen weil Unvorstellbaren getrennt werden. So schildert also Cassius Dio für den ersten Tag der Schlacht die aufgrund seiner Beschreibungen unter widrigsten Bedingungen statt fand, dass es zu verheerenden Kämpfen Mann gegen Mann kam, was zu erheblichen Verlusten auf beiden Seiten, aber explizit unter den römischen Streitkräften gekommen sein soll. Denn für diese kam alles völlig unvorbereitet und unerwartet. Zunächst behinderten sie sich gegenseitig durch die eng aufgeschlossene Formation, marschierten dann unter berstenden Baumkronen, hatten aufgeweichten Boden unter ihren Füßen, trugen schwere Rüstungen und Waffen und durften sich anfänglich noch nicht einmal der germanischen Angreifer erwehren, da sie von ihren Vorgesetzten davon per Befehlsgewalt abgehalten wurden. Das also eine schwer bestimmbare Anzahl römischer Soldaten gegen diese wendig auftretenden Germanen im Nachteil war und daher auch viele von ihnen diesen Tag nicht überlebten dürfte unstrittig sein. Und Legionäre die in großer Zahl auf dem Schlachtfeld verstarben konnten sich naturgemäß am Abend auch nicht mehr am Aufbau des Nachtlagers beteiligen. So der Verlauf nach Cassius Dio der konträr zu dem von Tacitus hinterlassenen Text steht. Schwenkt man zu Dio so ist festzuhalten, dass solange keine Klarheit darüber bestand für wie viele Legionäre man Raum für Schutz und Übernachtung zu schaffen hatte, sich auch ein Lager in seiner endgültigen und bedarfsorientierten Dimensionierung nicht umsetzen ließ. Man musste sehen wie sich die Lage entwickelte, denn das Errichten eines Lagers bestehend aus Wällen, Gräben oder Palisaden hängt von der tatsächlichen Anzahl der darin Unterzubringenden ab. Ohne genaue Kenntnis darüber zu besitzen war der Lagerkommandant unter strategischen Gesichtspunkten betrachtet in einer äußerst misslichen Lage, denn ein zu groß erbautes Lager, das sich deswegen später nicht mehr auffüllen ließ, schwächte die Verteidigungsfähigkeit da man Leerräume nicht verteidigen braucht, während sich bei einem zu klein geratenen Lager die Kämpfer gegenseitig behinderten. Sich unter den damaligen Umständen ein solches Lager heute vorzustellen ist kaum möglich. Folgen wir der Dio Überlieferung, so musste es bitter für den Kommandanten gewesen sein, wenn er es unter optimistischen Voraussetzungen begann aber dann zur Kenntnis nehmen musste, dass sich die Außenmaße nicht halten ließen, weil die erhofften Legionäre nicht mehr eintrafen und sich seine Planung als unrealistisch erwies. So war er noch während der Bauphase gezwungen dem Rechnung zu tragen und musste die ursprünglichen Festlegungen zurück nehmen. So wird man Einschränkungen beim Ausbau vorgenommen und die Maße eingezogen haben. Aber nun zu Tacitus dem im Gegensatz zu Cassius Dio der Verlauf der Varusschlacht in seinem ganzen Ausmaß völlig unbekannt gewesen zu sein schien. Tacitus wusste nur zu berichten, dass Rom die Schlacht mit Schimpf und Schande verloren hatte und sah in Varus den Übeltäter. Er wusste aber offenbar nichts darüber was sich an diesen Tagen damals in Ostwestfalen im Detail zutrug. Hätte er irgendwelche Kenntnis besessen, dann wäre er wohl auch darauf eingegangen, aber wir erfahren von ihm kein einziges Wort und dürfen daher auch annehmen, dass er nichts wusste. Das Tacitus, der rund 50 Jahre nach der Schlacht geboren wurde über sie nichts wusste lässt Raum für viele Spekulationen. Eine mögliche besteht darin, dass der Verlauf der Schlacht zu seiner Zeit noch ein gut behütetes Staatsgeheimnis war, dass man noch nicht lüften wollte, weil Kaisergrößen wie Augustus und Tiberius aufgrund ihrer (Fehl) Entscheidungen unmittelbar und nicht sehr rühmlich in die Geschehnisse verwickelt waren. Augustus musste sich vorwerfen lassen in Varus den falschen Mann nach Ostwestfalen geschickt zu haben und Tiberius hatte Varus für seine Feldzüge die Kampfkraft geraubt, woran Augustus ihn nicht gehindert hatte. Nur der im ganzen Reich beliebte Feldherr Germancius konnte es damals wagen sechs Jahre nach dem Ende der Schlacht die Schauplätze aufzusuchen über die man in Rom schnell das Gras wachsen lassen wollte und hinterließ eine kurze Darstellung dessen was er vorfand und was später von Tacitus aufgegriffen wurde. Ein Verhalten, dass von Augustus aus fadenscheinigen Gründen erwartungsgemäß auch gerügt wurde, denn es passte nicht zum Bild seiner Unfehlbarkeit. Das was Germanicus und die Überlebenden 15 + in Augenschein nahmen veröffentlichte Tacitus in seinen Annalen unter der Textstelle 1,61 (2) und es existieren wie man es schon gewohnt ist für den von ihm formulierten Urtext gleich mehrere Übersetzungsvarianten:

Im Original lautet er:
"prima Vari castra lato ambitu et dimensis pricipiis trium legionum manus ostentabant...."

wortgleich rekonstruiert:
"das erste Varus Lager wies umfänglich und dimensionsmäßig auf die Arbeiten dreier Legionen Hände hin....."

offizielle Übersetzung 1.)
Das erste Lager des Varus LIESS an seinem weiten Umfang und der Absteckung des Hauptplatzes die Arbeit von drei Legionen ERKENNEN.

Offizielle Übersetzung 2.)
Das erste Lager des Varus, sowie der weite Umfang und die Raumverhältnisse des Feldherrnplatzes DEUTETEN auf den tatkräftigen Einsatz dreier Legionen hin.

Offizielle Übersetzung 3.)
Das erste Lager des Varus ERWIES sich dem weiten Umfang und den Ausmaßen des Hauptquartiers nach als das Werk dreier Legionen.

Offizielle Übersetzung 4.)
Varus's first camp with its wide circumference (Umfang) and the measurements (Abmessungen) of its central space (Zentraler Raum) CLEARLY INDICATED the handiwork of three legions.

Einige Formen der Übersetzung wackeln was die präzisen Festlegungen bezogen auf die Arbeit dreier Legionen anbetrifft. "LIESS ERKENNEN" - "DEUTETEN DARAUF HIN" - ERWIESEN SICH ALS". Während es die Angloamerikaner mit "CLEARLY INDICATED" als eindeutig hinstellen machen die anderen die diffuse Übersetzungslage deutlich. Dem Lager wie es Germanicus 15 + vorfand und wie es Tacitus darauf basierend beschrieb ließen sich unterm Strich betrachtet nur die frühen Erstarbeiten in Form eines abgesteckten Raumes entnehmen und dieses noch in den Anfängen befindliche Lager deutete lediglich auf die Arbeit von drei Legionen hin. Aber worin genau die Arbeit dieser drei Legionen bestanden haben soll kommt im Originaltext nicht zum Ausdruck. Denn aus Dimensionen wie Umfang und Raum lässt sich nichts über die Arbeitsleistung von tausenden von Männer entnehmen. Wie soll man aus den bloßen Abmaßen für ein zentrales Hauptquartier, einem Hauptplatz oder sogar einem Feldherrnplatz auf die dafür nötige Arbeitsleistung schließen können. So erweckt die Beschreibung den Eindruck, als ob Germanicus vor sich nur eine leere große Fläche sah, die sich lediglich anhand von Bodenkennzeichnungen und Eckfahnen was auch mit Absteckungen übersetzt wird als ein einstiger Lagerplatz zu erkennen gab. Aber was sind Absteckungen. Absteckungen standen am Anfang eines jeden Lagers und auch Hanibal sandte bei Killa nur einige wenige Leute voraus, die die Grundzüge des späteren Lagers festzulegen hatten und keine drei Legionen. Absteckungen waren von wenigen Vermessern zu leisten, dürften aber nach sechs Jahren kaum mehr sichtbar gewesen sein.  Die Markussäule in Rom zeigt Soldaten die mit Meßstäben hantierten. Man vermutet, dass schon eine kleine Gruppe ausreichte um ein Marschlager abzustecken. Aber bei Varus blieben schon selbst diese Maßnahmen in den Anfängen stecken und Germanicus erkannte daher auch nur noch wenige Randmarkierungen. So darf man sich die Frage stellen, was er da überhaupt für eine Form und Art an Kennzeichnungen vor sich hatte. Erkannte er nur die letzten Fetzen einstiger farbiger Stoffteile, so wird auch verständlich, dass immer nur von Umfang und Abmessung die Rede ist und kein Wort über den inneren Aufbau fällt. Und sieht dann so ein Marschlager aus an dem drei Legionen gearbeitet haben sollen ? So berichtet Tacitus über Germanicus im Zuge der Schlachtvorbereitung vor Idistaviso, dass dieser während er noch im Begriff war ein Lager abstecken zu lassen die Nachricht bekam, dass die Angrivarier im Rücken des Heeres abgefallen seien. Germanicus war damals also gerade damit beschäftigt ein Lager zu errichten, wurde aber von der Botschaft überrascht, brach die Basisarbeiten ab und übrig blieben wohl auch hier nur die randlichen Absteckungen. Statt nur Umfang, Raum oder ein mögliches Fassungsvermögen als Argument für die Arbeit von drei Legionen anzuführen, hätte man erwartet der Überlieferung auch Hinweise zu baulichen Arbeiten entnehmen zu können. Aber darüber darüber schwiegen die Quellen. Das darin letztlich nie drei Legionen eingezogen sind, dürfte allen damals Anwesenden klar gewesen sein, denn es sollte ihnen leicht satirisch gesehen nicht entgangen sein, dass in dieser Schlacht zuvor schon viele Legionäre umkamen. Man nahm also zunächst mal schlicht an, dass hier noch drei Legionen am Werk gewesen sein könnten. Caecina und seine Männer deuteten es so und so vermutete man nach Inaugenscheinnahme auch lediglich nur, dass die Abmaße zu drei Legionen passen würden und diese vom Volumen her hätten aufnehmen können. Stünde Caecina mit der Redewendung "Vermutung" vor einem Gericht, so wäre ein Prozess um ein ja oder nein von drei Legionen schnell geplatzt. Aber warum sagten Caecina die Überlebenden, die ihn erst zu den Schauplätzen führen konnten nicht, dass es sich hier definitiv nur um ein "für" drei Legionen bestimmtes und nicht um ein "von" drei Legionen errichtetes Lager handelte ? Sie sollten es doch als damalige Augenzeugen am Besten wissen. Vielleicht waren sie sogar daran noch selbst beteiligt. Dann hätte man auch 15 + nicht groß rätseln brauchen, ob es denn mal von oder für drei Legionen errichtet wurde oder nicht. Vielleicht wussten die wenigen Überlebenden selbst schon gar nicht mehr, was sie da vor sich hatten und wollten sich keine Blöße geben und mit Ahnungslosigkeit glänzen. Am Ende hätte man ihnen noch unliebsame Fragen gestellt. Offensichtlich gab es aber damals keine übereinstimmende Klarheit darüber, wie die Schlachtfeldbegutachter um Germanicus das Geschehene beurteilen sollten. Sie sahen Absteckungen verteilt über eine Fläche von möglicherweise 30.000 Quadratmeter und sie sahen tote Gerippe. Vielleicht auch von Pferden, die die Legionäre schlachten mussten um zu überleben. Auch der Bologneser Marcus Caelius könnte hier den Tod gefunden haben, denn er starb in der Schlacht oder besser gesagt im varianischen Krieg, dem Bello Variano für einen Soldaten schon ziemlich hoch betagt mit 53 2/3 Jahren. Denn nach der Inschrift im Kenotaph zu urteilen wird die mehrtägige Schlacht schon zum Krieg aufgewertet. Und führt man denn unter den damaligen heiklen Bedingungen des Jahres 15 + also unweit eines lauernden Feindes, der sie fest im Auge hatte überhaupt noch eine genaue Schlachtortbegutachung und Größenbestimmung durch, will man da im "Waldgebirge" noch die Außenmaße abschreiten oder umreiten. Sicherlich hatte Germanicus kein großes Interesse daran alles nochmal minutiös zu dokumentieren, denn er hatte so weit an den Außengrenzen des Reiches als Feldherr andere Sorgen. Vermutungen bzw. Deutungen oder Auslegungen lassen viele Spielräume zu. So natürlich auch die Frage, ob Überlebende dabei waren, die am Aufbau des nebulösen "Dreilegionenlagers" gar nicht beteiligt waren, weil sie zur Besatzung von Aliso zählten oder es vielleicht auch Überlebende gab, die es nie zu Gesicht bekamen, weil sie zu den Abstellungen gehörten denen die Flucht vom Gradberg gelang. Diese hätten dann beim Aufbau gefehlt und sie hätten zwangsläufig auch nicht gewusst, welche Legionen oder wie viel Legionäre noch am Aufbau beteiligt waren bzw. überhaupt den ersten Kampftag überlebten. Wer waren also diese Überlebenden die noch den Weg zum Castra wussten. Im Innenbereich des Lagers wird es aber bis auf eine den Umständen entsprechend angepasste bessere Unterbringung für den Generalstab lediglich einfache Schlafstätten, vielleicht mit niedrigem Regenschutz gegeben haben, wovon nach sechs Jahren auch nichts Beschreibungsfähiges mehr vorhanden war. Was man also in der Überlieferung vermisst ist die Erwähnung von Erdverwerfungen in Form von Wallaufschüttungen und Palisadenhölzern auf der Wallkrone, sowie vorgelagerte Gräben oder Annäherungshindernisse. Aus der Hand von drei Legionen wie Tacitus schreibt, hätten diese umfangreicher ausfallen müssen und wäre allemal erwähnenswert gewesen. Schwer vorstellbar, dass man möglicherweise unter Umfang und Ausmaß auch Wallanlagen verstand und daher darauf verzichtete es zu erwähnen. Es ist aufgrund der prekären Lage so wie sie Cassius Dio schilderte naheliegend, dass Germanicus im Umfeld des Lagers die wenigen vielleicht nur durch flache Senken und Erhöhungen angedeuteten Schutzanlagen auch nicht auffielen und er sich lediglich auf die Dimensionen stützte die ihm das Gelände optisch vermittelte. Es sah demnach ein Gelände, dass als Nachtlager diente, dass zwar von der Ausdehnung her für die Unterbringung von drei Legionen geeignet schien, aber von ihnen nicht fertig gebaut und von drei Legionen auch nicht bezogen wurde. Ein Lager, dass nur "für" drei Legionen abgesteckt war und nur den Umriss zeigte. Es ist zweifellos eine Frage der Interpretation dessen was Germanicus 15 + sah oder auch vermutete bzw. dem was Tacitus daraus formulierte und der minimale Auslegungsspielraum zwischen "von" oder "für" drei Legionen kann für das gesamte Schlachtgeschehen von wesentlicher Bedeutung sein, denn es spricht gegen einen Lagerüberfall aber für vieles andere. An diesem Abend standen keine vollzähligen Legionen mehr für den Aufbau zur Verfügung, sondern nur noch aufgezehrte und ausgezehrte Kämpfer, so darf man rätseln wie es zu dieser Divergenz gekommen und wo und wie sich diese fehlende Übereinstimmung zwischen Tacitus und Cassius Dio eingeschlichen haben könnte und begründen ließe. Vereinfacht ausgedrückt darf man fragen wer der Verantwortliche für die Irritation war. Hatte Cassius Dio die Schlacht maßlos übertrieben und nahezu alle Legionäre überstanden den ersten Kampftag unbeschadet. Dann war es für diese gewaltige Streitmacht von drei Legionen auch kein Problem mehr am Nachmittag und Abend in ihrer vollen Zahl ein stattliches Bollwerk nach allen Regeln der Marschlagerkonzeption zu errichten, dass am folgenden Tag wie Florus schreibt von den Germanen überrannt wurde, während Varus zu Gericht saß. Und es dürfte dann kein Lager gewesen sein, von dem man nach sechs Jahren nicht mehr als nur noch die Absteckungen wieder fand. So muss man sich in diesem Fall auch die Frage stellen, warum unter diesen günstigen Umständen die Schlacht am Ende von Varus verloren wurde. Man darf daraus schlussfolgern, dass Cassius Dio gegenüber Tacitus wohl der war, der recht gehabt hatte, denn Varus verlor so viele seiner Männer und das schon am ersten Kampftag und danach auch die Schlacht, so dass es am ersten Abend auch kein Lager mehr aus den Händen von drei Legionen gegeben haben konnte. Tacitus lässt sich vielleicht nur auf den ersten Blick kein Vorwurf machen, denn er schrieb "hoffentlich" nur das nieder, was die Überlebenden und Germanicus 15 + auch wirklich gesehen hatten. Aber dieser Beschreibung nach konnte es nicht auf drei Legionen zugetroffen haben. Aber für den dubiosen und zwiespältigen Eindruck den Germanicus und seine Begleiter vom "prima Vari castra" sechs Jahre nach der Schlacht hatten, kann es Erklärungen geben. Grundsätzlich war es sowohl Tacitus, als auch Germanicus und den Überlebenden klar, dass Varus die Schlacht verloren hatte. Es klingt kurios, aber man muss es an den Anfang stellen. Denn wann sollten diese drei Legionen umgekommen sein, wenn sie alle noch imstande gewesen sein sollen sich am Bau des ersten Nachtlagers beteiligen zu können. Zumal man nicht annehmen kann, dass die germanische Walze ein Toplager samt drei Legionen und dem tapferen Eggius in den Tod gerissen haben konnte. Aber alle die im Umfeld der Schlacht wirkten wie etwa Asprenas dürften gewusst haben, dass Varus aus geopolitischen Gründen nicht in Sollstärke zu den Aufrührern ausgerückt war, auch Teile für andere Aufgaben zurück gelassen hatte und sich voll auf die Unterstützung der Cherusker verließ. Und auch Germanicus sollte und musste gewusst haben, dass Varus bereits am ersten Kampftag erhebliche Verluste zu beklagen hatte über die Tacitus schwieg. Vor allem aber wussten es die Überlebenden denn sie überlebten wie der Name sagt die Schlacht und sahen wie ihre Gefährten am ersten Kampftag neben ihnen starben. Und trotzdem sollen sie alle 15 + der Auffassung gewesen sein, zumindest wurde es so von Tacitus berichtet, dass sich am Aufbau des "prima Vari castra" drei Legionen beteiligt haben sollen. Hier stimmte also definitiv etwas nicht überein, aber was und wem sollen wir glauben. Versetzen wir uns also in die Lage von Nero Claudius Germanicus wie sein ganzer Name lautete. Da stand er nun vor den überwucherten Resten einst rauchender und dann verschwelter und verkohlter Trümmer zahlreicher Holzkarren und auch einige zerborstene Waffenreste wird er gesehen haben. Da dieses Lager aber nach Paterculus bzw. Eggius zu urteilen noch gut verteidigt werden konnte, wird man damals im unmittelbaren Lagerbereich auch nur auf wenige Skelettteile von Mensch und Tier gestoßen sein, da die Germanen am Ende des Tages ihre Angriffe einstellten. Als sich Varus mit seinen Soldaten in dieses Lagerprovisorium zurück gezogen hatte neigte sich der erste Kampftag dem Ende zu, die Dunkelheit brach herein und es konzentrierte sich darin die gesamte römische Reststreitmacht. Jetzt wäre es unklug gewesen, die Germanen hätten gegen diese zusammen geballte Rumpftruppe in dem Römer neben Römer stand anrennen wollen. Dann beschrieb es Germanicus, oder waren es die Überlebenden, oder war es gar nur Tacitus, welchen Eindruck das Lager hinterließ und wie es auf sie wirkte. Und so blickte man laut Tacitus auf Spurloses wie etwa auf die baulichen Anfänge nackter Abmaße und Umfänge, also nur auf Räumliches und Abständliches, aber nicht auf Vollendetes oder Gegenständliches. Man übersetzte es auch mit dem Wort Absteckungen woran man nun das Werk dreier Legionen erkannt zu haben glaubte. Sozusagen Volumen und nichts als Volumen und mögliches Fassungsvermögen. Aber wie hätte es auch anders aussehen sollen nachdem man beide Überlieferungen analysiert hat und wie hätte man es beschreiben müssen, wenn wirklich drei Legionen daran gearbeitet hätten. Es müsste also ein mächtiges Zeugnis römischer Militärbaukunst hinterlassen worden sein, dass sich auch noch nach sechs Jahren imposant abgezeichnet hätte und das nicht nur aus Absteckungen bestand. So hätten unter friedlichen Bedingungen betrachtet der Praefectus Castrorum, also der Lagerpräfekt der auf dem Marsch an der Spitze ritt am frühen Abend mit seinen Nebenleuten in aller Ruhe einen geeigneten Ort zur Errichtung eines Marschlagers suchen können. Aber an diesem späten Nachmittag war alles anders nachdem auch die Marschzugspitze die für den Aufbau zuständig gewesen wäre vom Schlachtgeschehen eingeholt wurde. Apropos Marschzugspitze. War es denn nicht so, dass immer nur die erste Legion den ungeliebten Aufbau zu übernehmen hatte und alle weiteren Legionen das Lager später nur beziehen brauchten. Nach Tacitus zu urteilen sollen aber drei Legionen Hand angelegt haben und nicht nur eine. Es wäre ein weiteres Argument, das dafür spricht, dass es gar nicht "von" drei Legionen , sondern nur "für" drei Legionen errichtet wurde und nicht eimal das, denn man steckte es letztlich nur für drei Legionen ab. Die Disziplin war am Abend jedenfalls dahin, die üblichen Regeln traten außer Kraft und den Agrimensoren gelang es mithilfe ihrer Groma nur in größter Eile die ersten Orientierungsstäbe reißbrettartig für die Abstände und Räume zu setzen, da der Feind bereits allgegenwärtig war.  Das es der römischen Vorhut angesichts der sich ausbreitenden Kämpfe gelungen sein könnte, dass komplette Reglement und Prozedere der einstudierten Vermaßungsroutine einzuhalten ist daher nur schwerlich vorstellbar und es passt auch zudem was Germanicus sah. So blieb an diesem Tag alles in den Anfängen stecken, die hellen Stunden wurden langsam knapp, die Lage spitzte sich dramatisch zu und das Anbringen von Kennzeichnungen für den Sammelplatz, die Mannschaftsunterkünfte, das Befehlszelt oder die Wälle samt Palisade konnte im Zuge der Kämpfe nicht mehr zu Ende gebracht werden. Denn dazu gehörten eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen die in der Summe und der Eile nicht mehr zu leisten waren. Es dürfte damals wie heute auch illusorisch sein anzunehmen, dass Germanicus im unübersichtlichen Gelände noch etwas von den hastig gezogenen Hauptlagerachsen, etwa dem Cardo maximus und oder dem Decumanus maximus erkennen konnte. Einmessungen die dann auf die vier Lagertore zugelaufen wären und das Lager in Länge und Breite zerschnitten hätten. Und es dürfte auch aussichtslos gewesen sein, dass die Vermesser im Lager noch die länglichen (strigae) und breitrechteckigen (scamna) Felder einzuteilen imstande gewesen wären. Unter normalen Bedingungen hätte man das Dienstgebäude mit Fahnen und die Kasernen mit Speeren markiert, aber aufgrund der Schilderungen zum ersten Kampftag konnten alle diese Aufbauarbeiten wenn überhaupt nicht weit gediehen gewesen sein. So wie es auch Tacitus beschrieb, als ihm dazu das Wort "prinzipiis" einfiel. Hier herrschte keine Seelenruhe mehr, hier war Not an Mann und auf viele Legionäre, Geisterlegionen gleich wird man am Abend vergeblich gewartet haben. Die Signalhörner wiesen den Legionären die Richtung zum Notlager, nach und nach erschienen die Angeschlagenen und Versprengten und Varus konnte seine letzten Kräfte zusammen ziehen mit denen sich mit dem Mut der Verzweiflung noch eine abschreckende Wirkung erzielen ließ. So sind Zweifel erlaubt, ob Germanicus auf einen optimalen Ausbauzustand geblickt haben sollte und nicht vielmehr nur deren kläglichen Reste erkannte. Diese realitätsnahe Darstellung bildet im Abgleich die Zerrissenheit der beiden Überlieferungen von Cassius Dio und Tacitus ab, untermauert die Tatsache, dass schon viele Legionäre vor dem Erreichen des Lagerplatzes den Tod fanden, deren Arbeit natürlich nicht mehr erkennbar sein konnte und liefert ein denkbares Szenario wie die Schlacht am Ende des erstes Kampftags zu Ende gegangen sein könnte. (01.01.2022)

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Freitag, 24. Dezember 2021
Angekommen in der Hölle der Varusschlacht - Unsere entrückten Vorstellungen vom "prima Vari castra".
Und den Grund dafür, dass uns alles um das damalige Varuslager so seltsam verklärt und befremdlich erscheint haben wir oft in der Ermangelung unseres Geschichtsbewusstseins zu suchen. Viele Theorien um diese eine Schlacht und viele römische Marschlager oder Kastelle in Westfalen, aber nur ein "prima Vari castra". Dafür wurde es aber zu einer schicksalhaften Station einer Armee auf dem Weg in den Untergang das zum deutschen Mythos wurde. Es sich plastisch vorzustellen verlangt viel von uns ab. Denn das Lager befand sich im Zentrum der "Clades Variana" und wohl genau da, wo die Mehrtagesschlacht am heißesten tobte, ihren Siedepunkt erreichte und wo es zur entscheidenden Wende kam - wenn man der Übersetzung von Cassius Dio folgt und es auch dem Florus Bericht so entnehmen möchte. Aber alles ist geprägt und lebt von dem Spärlichen, was uns Tacitus dazu berichtet hat. Oder was sich auf dieses in höchster Not errichtete Lager beziehen lässt, so wie es Cassius Dio hinterließ. Aber nur Tacitus vergab für das Lager das zum römischen Trauma wurde diesen bedeutsamen lateinischen Namen. Er persönlich hielt diese Bezeichnung wohl für zutreffend und nur er überlieferte sie uns und er dürfte sie auch in dieser Schreibweise nicht seinen Quellen entnommen haben. Er kreierte diesen Namen genauso wie er wohl auch die Bezeichnung "Teutoburgiensi saltu" erfand, nach dem ihm seine geographisch heraus ragende Bedeutung bewusst, vielleicht aber auch zugetragen wurde und er daraufhin diese Namensfindung für zutreffend hielt. Tacitus wollte seinen Lesern eine Vorstellung vermitteln wie man sich die germanische Landschaft vorzustellen hat, indem er versuchte den Örtlichkeiten Namen zu geben. So dürfte das "prima Vari castra" wohl nie über einen römischen Eigennamen verfügt haben, was übrigens auch für andere Marschlager gilt, warum auch. Für Tacitus selbst, vielleicht auch für Germanicus, auf den er sich bezog war es das "Prima", also das erste Lager oder das Hauptlager des Varus. Das Erste, weil er es mit seinen Männern erst aufbauen musste, weil es auf seinem Marsch an erster Stelle kam und auch weil es das wichtigste von allen seinen Lagern war. Denn die Lager die im Zuge seiner Odyssee noch folgen sollten waren nur noch unbedeutende Lagerplätze. Notdürftige Stätten die nur minimalen Schutz boten und für die er keine Zählfolge mehr herstellte, weil diese es nicht mehr rechtfertigten Castra genannt zu werden. Aber mit der besonderen Bezeichnung "Prima" hebt er es auch von allen anderen Lagern wie den möglichen in Brakel und Höxter, aber auch von Aliso und den übrigen ab. Denn ein "Prima" Lager kann immer nur am Anfang gestanden und wird nicht mehrfach existiert haben. Es gab zahlreiche römische Lager die schon vor seinem Marsch in den Untergang vorhanden waren, aber nur das "Prima" wurde erst während seines Marsches erbaut. Bemüht man sich es kompatibel zu machen, dann war es auch das erste Nachtlager das Cassius Dio beschrieb und mit diesem identisch gewesen sein dürfte. Das Lager, dass man wie Dio schrieb gezwungen war in einem unwirtlichen Waldgebirge errichten zu müssen und wo dies gerade noch so möglich war. Keine perfekte Örtlichkeit bot sich an diesem späten Nachmittag an und es war ein Bauplatz mitten in einem Wald gelegen wie man ihn sich unter friedlichen Bedingungen sicherlich nie ausgesucht hätte. Möchten wir über den Zustand des ersten römischen Nachtlagers mehr wissen, dann müssen wir versuchen es sich uns visuell zu erschließen, sollten es von allen Seiten betrachten und uns dabei in die prekäre Situation hinein denken in der sich die Legionäre damals befanden, als sie es für sich unter extremen Bedingungen errichten mussten. Es also nach Möglichkeit zu rekonstruieren und so bewerten wie es unter den gegebenen Umständen ausgesehen haben könnte. Die Leser dieses Internet Buches sind es gewohnt, dass es die Analyse dieser Schlacht einfordert die Verläufe und Gegebenheiten von vielen Seiten zu beleuchten um die zwei seltsamen Welten miteinander zu vernetzen. Denn es gilt die antike literarische nur auf Papier gebannte, mit der heute noch sichtbaren Landschaft zu verbinden. Darin müssen wir uns zurecht finden, wenn wir den unsichtbaren Marschzug hinter unserem inneren Auge zum Leben erwecken möchten. Beiden Spuren haben wir dann solange zu folgen bis sich beweiskräftige Fakten über seinen Verlauf vorlegen lassen. Ein Unterfangen, dass bereits in den Grundzügen gelang und schon erkennbare Früchte trug. Folglich die Welt der althistorischen Quellen die über den Marschzug berichteten vom Ausgangsort über seine einzelnen Stationen mit dem heute noch erkennbaren, also dem Realen in Einklang zu bringen. Auf den ersten Blick mögen die hier gebrachten Gegenüberstellungen und Vergleiche identisch wirken, aber sie folgen jeweils anderen, immer neuen Gedankenketten und sollen auch zum Mitdenken animieren. Möchte man sich mit der Seele des "prima Vari castra" auseinander setzen, dann sollte man das System anwenden wie man es im Zuge der Christianisierung für das Bekehren der Heiden entwickelte. Nämlich die alten Schriften zum Sprechen bringen in dem man sie in Bilderschriften umwandelte, so kann sich daraus ein jeder sein ureigenes Stimmungsbild erzeugen wie man es auch von der Bibelmalerei her kennt. Der Phantasie wird auf die Sprünge geholfen und alles wird lebhafter, farbiger und somit nachvollziehbarer. Hinter den Legionären müssen also unbeschreibliche Stunden gelegen haben als man im waldreichen Gebirge ankam. War es für sie zu Beginn noch ein Marsch wie jeder andere, so brachte für sie der Wetterwechsel die erste Herausforderung mit sich und das bekanntlich noch bevor die Germanen die Bildfläche betraten. Zeitgleich mit ihrem Erscheinen begannen die Gefechte die bis in die Abendstunden andauerten. Und wenn Cassius Dio schreibt, dass die Germanen immer in der Überzahl waren, so spricht allein dieser Satz Bände. Es muss ein ungleiches Gefecht gewesen sein, wenn man als Legionär ständig gegen mehrere Germanen gleichzeitig zu kämpfen hatte. So wird die Erschöpfung den Zeitpunkt bestimmt haben der ihr Ende bedeutete. Aufgrund der bedrohlichen Lage musste man zwangsläufig den Plan fallen das ursprünglich gesetzte Tagesziel anzusteuern und entschied sich den Marschzug vorzeitig zu stoppen bis Klarheit über die Lage herrschte. Eine trotz widriger Verhältnisse noch als angemessen betrachtete Lagerstätte und wohl nicht mehr als ein Haltepunkt fasste man ins Auge. Dort wollte man versuchen wieder die Übersicht zu gewinnen um sich einen Überblick über das weitere Vorgehen zu verschaffen. Der Generalstab an der Spitze hatte sich als er von den Kämpfen erfuhr nach dieser Theorie etwa gegen 14 : 30 Uhr darauf verständigt zu stoppen und aus dem Stopp entwickelte sich die Notwendigkeit den Gedanken an einen Weiterzug völlig fallen zu lassen und zunächst zu verharren. Die Ereignisse erzwangen es dem zuständigen Lagerpräfekten den Auftrag zu geben an dieser Stelle alle Vorbereitungen für ein Notlager zu treffen. Schützende Abgrenzungen zu schaffen hinter denen man gedachte alle Legionäre unterzubringen die am Morgen Brakel verlassen hatten. So markierte man den nötigen Raum, setzte die dafür erforderlichen Absteckungen und die ersten Bautrupps begannen mit dem Ausschanzen des Wallgrabens. Über die inzwischen eingetretenen Vorgänge im hinteren Abschnitt besaß man noch keine sicheren Erkenntnisse, aber was man wusste reichte aus um sich im Generalstab völlig umorientieren zu müssen. Aber solange ging der Lagerpräfekt noch davon aus für die Unterbringung eines Großteils der Armee Raum schaffen zu müssen. In dieser Phase wurde Varus schon zum Getriebenen sich überstürzender Vorgänge. Das viele Legionäre dieses Lager schon gar nicht mehr erreichen sollten, ließ sich im Zuge der ersten Absteckungs- und Schanzarbeiten noch nicht erahnen. Es sickerten zwar nach 14 Uhr erste beunruhigende Informationen zu ihnen durch, wonach es zu Störungen aufgrund rebellisch gewordener Germanenhorden kam man auch den Zug anhielt, aber das Ausmaß war zunächst unklar. Erste Meldereiter mögen es noch als beherrschbar dargestellt haben, aber letztlich führten doch die weiteren negativen Nachrichten aus dem hinteren und mittleren Teil des Zuges dazu den Marsch nicht nur zum Stillstand zu bringen, sondern im zweiten Schritt sogar das besagte vorzeitige Notlager zu errichten. Zwar überschlugen sich die Ereignisse, aber der diensthabende Lagerpräfekt durfte sich nicht beirren lassen und ging mit den ihm zur Verfügung stehenden Männern der Routine folgend daran die ersten groben Vermessungstätigkeiten zur Errichtung einer Zelt- und Palisadenstadt für die Unterbringung von etwa drei Legionen an. Dazu musste er zwangsläufig auf die mit Material beladenen Ochsenkarren und die Maultierkolonnen mit den Schanzpfählen und den anderen benötigen Holzbauteilen und Werkzeugen warten. Material was in der Regel nach und nach eintrifft aber an diesem Tag ausblieb. Aber man brauchte es um die nötige Dimension und Kapazität sicher zu stellen. Das dieses Marschlager keines mehr werden würde, in dem man ein oder auch zwei Nächte hätte verbringen können und worin sich am nächsten Tag vielleicht sogar noch eine Gerichtsversammlung durchführen ließe, wurde langsam allen bewusst. Diese vorbereitenden Tätigkeiten an der Grundstruktur des "prima Vari castra" gerieten massiv ins Stocken, als sich die bedrohlicher werdenden Nachrichten vom hinteren Zugteil nach vorne durchsprachen und verdichteten. Die Angriffe der Germanen hatten mitlerweile an Heftigkeit zugenommen und die Befehlshaber der letzten Kohorten erwarteten nun die Anweisungen des Generalstabes wie man weiter vor zu gehen hatte. In dieser Phase könnten, da man sich bei der Armeeführung der Lage noch nicht vollends bewusst war, die verhängnisvollen und im nachhinein verheerenden Befehle ausgegeben worden sein, wonach man sich gegen die germanischen Attacken nicht zur Wehr setzen durfte und es bei Verstoß sogar Strafandrohungen gab. Diese unsäglichen Befehle wurde aufgrund einer falschen Lageeinschätzung angeordnet, denn man wollte unter keinen Umständen bei den Germanen unnötige Provokationen auslösen, die das ganze Unternehmen hätten in Gefahr bringen können. So überschnitten sich die Dinge und die nötigen Entscheidungen litten zudem unter einer erschwerten Kommunikation, da so mancher Nachrichtenüberbringer des Stabes nicht mehr sein Ziel erreichte. Unterdessen harrte Varus sicherlich in angespannter Gefühlslage auf aktuelle Berichte zur Situation am Marschzug um zu einer besseren Gefahreneinschätzung zu gelangen. Er könnte zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht völlig ausgeschlossen haben, dass sich doch noch alles beruhigen würde und es zu den geplanten Schlichtungsgesprächen ohne Blutvergießen kommen könnte und die erhitzten Gemüter zur Ruhe kommen würden. Es war in diesen Stunden eine undefinierbare Gemengelage die zunehmend ins Chaos abdriftete, da die Kämpfe immer hitziger wurden. In dieser Phase erwartete Varus sehnlichst die Nachricht, dass Arminius mit seinen Männern die Bühne des Geschehens betreten würde von dem er sich erhoffte, dass er auf die aufgeladene Stimmung beruhigenden Einfluss ausüben konnte. Eine trügerische Hoffnung mit begrenzter Halbwertzeit wie man weiß, die man aber zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht des Feldherrn immer noch als realistisch bezeichnen darf. Dem Generalstab war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, dass hier nun stärkere Kräfte am Werk waren, die dabei waren ihm die Regie aus der Hand zu nehmen. Denn die Schlacht verlief schon längst nicht mehr nach den römischen Spielregeln. So dauerte es eine quälend lange Zeit bis man im Umfeld von Varus begriff, dass es hier nicht mehr nur galt kleine Nadelstiche ignorieren zu müssen oder sie behutsam abzuwehren, sondern sich eine Schlacht anbahnte die zur Katastrophe ausartete. Durch die starre Struktur eines Marschzuges in die militärische Defensive gebracht konnte man diesen Angriffen nur schlecht ausweichen und ihnen wenig entgegen setzen. Nun mehr von allen Seiten attackiert entglitt dem Generalstab die militärische Lage und die Befehle der Legionskommandeure verfehlten ihren Sinn und Zweck. Anweisungen die selbst wenn man sie erteilt hätte, die im Kampf stehenden Legionäre schon gar nicht mehr erreichten, da sich jegliche Schlachtenordnung in der Auflösung befand und jeder die Flucht nach eigenem Gutdünken nach vorne antrat um den Germanen zu entkommen. Nach vorne bedeutete in diesem Fall unbedingt die Region erreichen zu wollen, ja zu müssen wo man sich sammeln konnte und wo man das Auffanglager zu errichten gedachte. Während sich der Marschzug in ein in die Länge gezogenes Schlachtfeld bestehend aus vielen Kampfnestern entwickelte, trat für die römische Armee die genauso unerwartete wie katastrophale Wende ein. Ein Schockmoment der sich für alle Legionäre wie ein moralischer Tiefschlag angefühlt haben musste. Die Übersetzung aus der griechischen Sprache zu Zeiten von Cassius Dio findet für dieses Ereignis nur etwas mehr als zehn Worte um das Schaurige dieses Augenblickes zu beschreiben. Aber es sind Worte die völlig ausreichten um die ganze Dramatik zum Ausdruck zu bringen. Sie fallen bei Cassius Dio in der Textstelle 56,19 (5) in der es heißt, dass die Germanen die man für Untertanen hielt nun plötzlich auf dem Kampfplatz als Feinde erschienen und furchtbares Unheil anrichteten. Aber was könnte in dem Moment passiert sein als es die Legionäre rekapitulierten. Darunter kann man sich nur zwei Szenarien vorstellen. Da Cassius Dio zuvor innerhalb der gleichen Textstelle berichtet, dass Arminius seine Männer alarmierte, er dann die Abstellungen nieder machte um dann Varus selbst anzugreifen geht man auch davon aus, dass er es selbst war, der plötzlich auf dem Schlachtfeld erschien. Weniger wahrscheinlich ist die Annahme, dass damit die untertänigen Germanen in ihrer Gesamtheit gemeint waren, etwa jene namenlosen die noch vorher gemeinsam Seite an Seite mit den Römern im Marschzug unterwegs waren um dann plötzlich ihre Pferde zu wenden, oder die Germanen die nun die Speere auf sie schleuderten. So war dies der bittere Augenblick als die Legionäre mit gezücktem Schwert in der Hand fassungslos feststellen mussten, dass es nicht nur jene Germanen waren die man in der Überlieferung vielsagend und abwertend als Untertanen betitelte, die nun ohne Vorankündigung ihre Waffen gegen Rom erhoben, sondern sich unter ihnen sozusagen auch noch der leibhaftige Arminius bemerkbar machte. Mit dem Frontenwechsel des Cheruskerstammes unter Arminius war zwar nicht unbedingt eine unmittelbare militärische Schwächung der römischen Varusarmee verbunden, aber feststellen zu müssen von einem für treu gehaltenen Vasallenstamm in höchster Not hintergangen zu werden war heftig. Die Historie zeigt, dass sich schon oft ein vermeintlich stärkeres Heer schwer tat sich in einem derartigen Überraschungsmoment moralisch zu behaupten, keine Schwäche zu zeigen, weiter zu kämpfen und nicht die heillose Flucht zu ergreifen. So dürfte die Stimmung als sie plötzlich Arminius auf Seiten der Germanen gegen sich kämpfen sahen in kürzester Zeit gekippt sein. Eine Momentaufnahme der Schwäche die bei den Germanen erwartungsgemäß in eine totale Kampfeseuphorie mündete. Mit Arminius wendete sich das Blatt zu ihren Gunsten und viele Römer dürften erkannt haben, dass man in diesen Minuten die Schlacht verloren haben könnte. Denn es war ihnen bekannt wie kämpferisch stark der militärisch hoch gerüstete handverlesene Armeeflügel von Arminius war den man sich einst zur Unterstützung gegen die Aufrührer versichert hatte. Als diese fatale Botschaft in das Befehlszentrum des Generalstabes platzte war die Hängepartie zu Ende und mögliche Hoffnungen wurden begraben, denn nun lagen die Fronten offen. Die Chronologie der Ereignisse richtig einzuordnen fällt schwer, denn zu wissen wo sich der leichenblasse Varus gerade aufhielt, als ihn diese folgenschwere Nachricht erreichte lässt Spekulationen zu. Sowohl die heftiger werdenden Angriffe der Germanen auf den Marschzug, als auch das plötzliche Erscheinen von Arminius auf dem Schlachtfeld dürften Varus dazu bewogen haben nun entscheiden zu müssen jetzt selbst im ungünstigen Terrain ein Notlager zu errichten, da man keine andere Wahl mehr hatte. Als die katastrophale Nachricht vom Kippen der Front eintraf, traten die gewohnten Aktivitäten zum Bau des Marschlagers nicht nur in den Hintergrund, sondern kamen völlig zum Stillstand. Denn nun hatte das Schlachtgeschehen auch die Marschspitze erreicht und das Schwert musste den Spaten ersetzen. Die Zeit der Ruhe und Ordnung war vorbei, denn nun tobte die Schlacht allerorten. Jetzt war nicht mehr nur der Marschzug umkämpft, sondern auch da wo man lagern wollte waren Gefechte im Gange. Es waren die chaotischen Momente in denen den Verteidigern die Übersicht verloren ging und sich Szenen abspielten die man in der Regel mit dem Wort unbeschreiblich zusammen fasst. In heftige Nahkämpfe verstrickt wurde eine Armee die immer noch einige tausend Krieger umfasste zurück gedrängt und gezwungen sich verbissen zur Wehr setzen zu müssen. Dies war auch die Stunde der Bewährung für den Lagerpräfekten der für den Schutz, die Organisation und die Logistik einer nun im Schlachtengetümmel versinkenden Armee zuständig war. Der Römer Eggius dem Paterculus eine hervorragende Moral bescheinigte könnte es gewesen sein, der in diesen Momenten in seiner Funktion als "Praefectus castrorum" selbst jetzt noch bemüht war die Übersicht zu behalten. Er war nun auch in der Zwangslage abschätzen zu müssen, wie groß die Lagerstätte für die verbliebenen Männer jetzt noch zu sein hatte. Er musste ermessen mit welchem Tross er noch rechnen konnte, denn auch ein Großteil der Wagen und Gespanne war auf der Strecke geblieben, Zug- Trag - oder Reittiere waren tot oder von den Germanen in Besitz genommen worden. Er musste erkennen wie viele Karren noch fahrfähig und beladen den Weg zum Lagerplatz fanden und wo man sie hin zu dirigieren hatte und er musste für den nötigen Platz zur Unterbringung der Tiere sorgen. Und auch die Anzahl der noch wehrfähigen römischen Legionäre einschließlich denjenigen denen es noch gelang sich im Verlauf der Nacht ins Lager zu retten was jedoch nicht bezifferbar war, war für die Planungen des Präfekten von Bedeutung. Aber die Ausfälle und Verluste des Tages dürften hoch gewesen sein. Marschlager waren im Regelfall gut strukturierte Machwerke die einem festen Grundriss folgten. Aber ein Notlager folgte keinen Prinzipien mehr und hat der Not zu gehorchen. Man hielt zwar die jeweilige Zuordnung bei, musste aber jetzt bei Ausdehnung und Volumen nach und nach Einschnitte vornehmen, es also der Lage angepasst reduzieren und alles musste kleiner dimensioniert werden. Den verzerrten Gesichtern der Legionäre und ihren Befehlshaber war am Abend anzusehen, wie tief der Schock über die plötzlichen Ereignisse des ersten Kampftages nach wirkte. Und was sie nach den Kämpfen für ein Schutzbollwerk für die Nacht errichteten verdiente auch nicht mehr den Namen Marschlager. Körperlich angeschlagene Legionäre mit blutenden Wunden, Verstauchungen bis zu offenen Brüchen werden sich noch bis ins Lagerzentrum geschleppt haben Wer jetzt nicht kämpfte musste sich sofern er noch konnte am Aufbau einer mittelmäßigen Palisaden- oder Wallumwehrung beteiligen, oder das wenige noch vorhandene Schanzwerkzeuge benutzen. Was an Palisadenpfählen noch zur Verfügung stand wurde verbaut aber vieles war nicht mehr erreichbar, denn es befand sich auf den Ochsenkarren, die nicht mehr bis zum Lagerplatz durchkamen. Man wird auf Holz, rohe Stämme und Balken ausgewichen sein, wo sich diese in der Umgebung finden ließen um das Lager wehrhafter zu gestalten. Im inneren der provisorischen Anlage wo man für die Nacht Schutz suchte wird man sich eher kreisförmig als wie üblich eckig orientiert, dafür aber dicht gedrängt eingefunden haben. Möchte man von archäologischer Seite noch fündig werden, so sollte man auch nicht unbedingt nach dem typischen "Spielkartenformat" a la Wilkenburg etc. Ausschau halten, denn es war an diesem Abend alles anders und für ein Notlager treffen alle Varianten und Formgebungen zu. Lassen wir uns auf etwas Poesie ein und denken uns in die Verhältnisse wie sie am Abend des ersten Kampftages im Notlager von Varus herrschten hinein, so bedarf es keines großen Vorstellungsvermögens um uns die verzweifelten Minen des römischen Generalstabes vorzustellen und wie man am Abend im "Vari castra" händeringend nach Lösungen für das weitere Vorgehen suchte. Nun war klar, dass Arminius und damit der gesamte Stamm der Cherusker die Fronten gewechselt hatte und auch weitere Germanenstämme zu ihm über gelaufen sind, Völker die bislang gegenüber Arminius eine abweichende Meinung vertraten oder neutral gesinnt waren. Inwieweit Varus die germanische Allianz einschätzen konnte ist unklar, dass er aber Marser und Sugambrer aufgrund ihrer Vorgeschichte gegen sich haben würde, dürfte ihm klar gewesen sein. Florus kannte vermutlich die Stämme als er schrieb, dass Varus ursprünglich die Absicht verfolgte bei den Aufrührern eine Versammlung einzuberufen. Unter Conventus wie es Florus ausdrückte verstand man mehr eine Konferenz aber weniger ein Straftribunal. Und eine Versammlung abzuhalten war auch der eigentliche Grund für Varus das Rebellengebiet aufzusuchen, denn er wollte Ruhe und Ordnung wieder herstellen vor allem aber dauerhaft hinterlassen. Nun wurde ihm bewusst, dass seine Pläne und Absichten gescheitert waren und es nur noch darum gehen konnte lebend dem Desaster zu entrinnen. Die Nacht vom ersten Kampftag, dem zweiten Marschtag auf den dritten Tag wird für die Krieger beider Seiten keinen ruhigen Verlauf genommen haben. Während dem die Germanen im näheren oder weiteren Umfeld des Lagers nächtigten auch ihre Verwundeten versorgten oder sie in Sicherheit brachten, könnten unablässig auch noch in der Nacht neue Kräfte aus anderen Stämmen hinzugestoßen sein. Die römischen Legionäre hingegen verbrachten ohne Kontakt nach außen und von jeglicher Versorgung abgeschnitten die Nacht. Eingepfercht und isoliert auf engstem Raum unter ständiger Angst angegriffen zu werden nächtigten sie gemeinsam mit ihren verletzten oder sterbenden Kameraden. Die Versorgungslage mit Lebensmittel und Wasser in dieser Nacht ist schwer nachvollziehbar. In der Regel siedelte man an Bachläufen die sich aber nur ungenügend in eine auf die Schnelle errichtete Verteidigungslinie integrieren ließen und wohl von Germanen besetzt waren. Denn zu jeder Kriegsführung gehörten immer schon alle denkbaren Mittel und Wege um den Gegner zu schwächen und dazu gehörte es auch ihnen den Zugang zum Wasser zu versperren. Humanität wird im Krieg klein geschrieben, war damals sicherlich verpönt und wurde als Zeichen der Schwäche gewertet und wer die Köpfe getöteter Legionäre an Bäume nagelt für den war Mitgefühl ein Fremdwort. Und auch die Psychologie wird nicht zu kurz gekommen sein, obwohl man es anders nannte. Denn während man sich je nach Notwendigkeit auf germanischer Seite für den nächsten Tag stimulierte und aufputschte, ringsum die Feuer lodern ließ und die Nacht zum Tage machte, so wird man das nächtliche Szenario auch noch zusätzlich durch eine angemessene Geräuschkulisse bereichert haben. Man brauchte den eingeschlossenen Römern die Übermacht nicht nur vorgaukeln, sie dürfte sich auch bis in die Morgenstunden eingestellt haben. Denn aus allen Richtungen werden neue Horden ihre Reihen verstärkt haben. Die Abordnungen anderer Stämme wurden mit Beifallsbekundungen in Empfang genommen und die Dunkelheit könnte vom Gejohle und Geheul durchdrungen gewesen sein. Keine guten Voraussetzungen für eine von Gegnern umringte und belagerte Armee in Feindesland und noch schlechtere Bedingungen um Schlaf zu finden und Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln. (24.12.2021)

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