Montag, 7. März 2022
Stand das Varusheer am Nordrand der Warburger Börde ? Cassius Dio wusste wo die Varusschlacht tobte - ohne es zu wissen.
Zugegeben die Überschrift klingt etwas kryptisch, aber im Verlauf dieses Kapitels wird deutlich was damit gemeint ist. Während sich der Schlachtort mithilfe des geflüchteten Legionärs samt Adler dank der Florus Überlieferung etwas eingrenzen lässt, wird Cassius Dio einen Hauch deutlicher. Er ist unser einziger Gewährsmann und das nicht nur über die kritische Phase als die geschundenen Reste der Varusarmee jene Örtlichkeit verließen, bei der es sich vermutlich um das "prima Vari castra" handelte. Denn nach ihm zu urteilen sollte der morgendliche Abzug noch mit diversen Besonderheiten aufwarten die unser Kombinationstalent heraus fordern. Betrachtet man vieles von dem was er hinterließ, so lässt sich daraus wieder einiges über seinen Stil und seine Methodik in Erfahrung bringen. Aber seine kurzen wie abgehackt wirkenden unklaren syntaktischen Strukturen, Interpunktionen als auch sein Satzaufbau stören durchgängig die Suche nach der nötigen Reihenfolge und erschweren eigene Vorstellungen darüber zu entwickeln was damals geschah, aber es kann gelingen. Es ist das uns hinreichend bekannte "Diotypische Dilemma", das unsere Analysefähigkeit eintrübt aber gleichzeitig anspornt. Aber innerhalb seiner Textstelle 56.21 (1) wird er dann für seine Verhältnisse erstaunlich "deutlich" und es liest sich wie folgt.
So berichtet er zunächst über das Verbrennen und Zurücklassen allen Überflüssigem, doch dann folgen der Reihenfolge nach drei interessante Passagen die mehr verraten als man im ersten Moment annehmen könnte.

:....sie konnten in etwas besserer Ordnung weiter ziehen.
:....sie erreichten dann sogar offenes Gelände.
:....sie erlitten auch bei ihrem Abzug Verluste.

Es sind knappe aber dennoch informative Botschaften mit ungewöhnlicher Aussagekraft. So lässt es die Interpretation der Zeilen in dieser Abfolge zu, dass es den Römern gelungen sein soll innerhalb eines diszipliniert aufgestellten Marschzuges weiter ziehen zu können. Es ist dies ein versteckter, aber doch klar zum Ausdruck gekommener Hinweis darauf wie planlos und ungeordnet es tags zuvor zugegangen sein muss. Nach den Darstellungen des ersten Kampftages, als die Legionäre gezwungen waren unter schwierigsten Bedingungen und nahezu chaotisch Einzug in ihr provisorisches Lager halten zu müssen, klingt diese Beschreibung so, als hätten es die Kämpfer wie eine Erlösung empfunden. Sich also wie befreit gefühlt endlich wieder die Initiative der Fortbewegung ergreifen zu können. Man kann sich vorstellen, dass sich am Morgen nach einer heiklen Nacht eine Armee auch zur Selbstbeherrschung zwingen musste um beim Gegner noch den Eindruck wehrhafter Geschlossenheit zu hinterlassen. Disziplin zu zeigen und damit Abschreckung zur Schau zu tragen war nun das Gebot der Stunde. Germanischerseits betrachtete man das Szenario zunächst wohl abwartend und aus sicherer Distanz und ließ die Legionäre in dieser Phase vermutlich noch unbehelligt. Warum auch sollten sie sich schon unmittelbar nach dem Abzug erneut ins Gefecht stürzen und sich ohne Not einem relativ ausgeruhten und frisch motivierten Feind in den Weg stellen der in der Nacht Zeit hatte, die letzten Reserven zu sammeln. Sie hatten noch den ganzen Tag Zeit um ihren Plan zu Ende zu bringen und konnten sich aussuchen, wo sie als Nächstes und für sich am Gefahrlosesten angreifen wollten. Ihnen also schon frühzeitig weitere Kämpfe aufzuzwingen war unnötig, denn die germanische Gesamtstrategie war auf Zermürbung ausgerichtet, was ihnen auch zum Sieg verhelfen sollte. Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass es zu vereinzelten kriegerischen Handlungen vielleicht übereifriger Germanen kam. Für Varus hingegen glich der Ausmarsch mehr einem Ausbruch. Mit dem Mut der Verzweiflung ging man es an diesem Morgen an und unbekannt ist, über wie viele kampffähige Männer Varus noch verfügte mit denen er sich den weiteren Kämpfen stellen konnte. Man kennt die Topographie um Schweckhausen, so dass man sich vorstellen kann, dass er als er am zweiten Kampftag aufbrach und den Fahlenbruch in aufgeräumter Marschdisziplin verließ von erhöhter Warte aus am südlichen Horizont den entfernten Desenberg Vulkan gesehen haben könnte. Blicken wir spekulativ ins germanische "Nähkästchen" dann könnte man sich auch vorstellen, dass Arminius unterdessen wohl seine Mühe hatte, die eigenen Kämpfer wieder zu einem neuen Bündnis zusammen zu schmieden, frisch zu motivieren und sie auf die weiteren Kämpfe einzuschwören. Wir wissen nicht wie willig das germanische Herz noch am Folgetag die Bereitschaft verspürte weiter zu kämpfen. Nach den Aussagen und Berichten der Händler und den in Germanien stationierten Streitkräften war Deutschland in jener Zeit für die antiken Historiker die es meist nicht mit eigenen Augen sahen ein Land der Sümpfe, Moore und Wälder und dazwischen je nach Bodenbeschaffenheit verstreut befanden sich die Siedlungsinseln der "Eingeborenen". Um so mehr muss vor diesem Hintergrund nun der seltsame Hinweis und zweite Passus von Cassius Dio aufhorchen lassen, wonach die Legionen am Morgen nach der ersten Nacht "offenes Gelände"" erreicht haben sollen. Was hat man sich nun unter einem "offenen Gelände" vorzustellen und wie ließe es sich definieren. Viele Geschichtsforscher die Cassius Dio strittig sehen mag diese Information verwundern, denn wann äußerste sich dieser oder wann taten es antike Historiker überhaupt mal, sich über die Geographie einer Region oder Landschaft innerhalb des Feindeslandes auszulassen. Aber der im Zuge dieser Theorie aufgedeckte Marschweg der Legionen hält dazu eine Antwort bereit. Denn da Varus auf den Höhen um Schweckhausen stand und er zwangsläufig nach Südwesten weiter ziehen musste, konnte sein Blick auch nur in die südlichen Richtungen und auf nichts anderes gefallen sein. Und was er da vor sich liegen sah waren die endlosen Weiten der Warburger Börde die man richtigerweise die Borgentreicher Bördelandschaft nennen sollte. Und wenn dann noch das Wetter die Weitsicht begünstigte, dann blickte Varus in die von den damaligen Völkern und Stämmen bewirtschafteten fruchtbaren Äcker und das mitten in der Erntezeit. Anbaugebiete in denen Bauern arbeiteten die man noch der "Vorrömischen Eisenzeit" zurechnen kann, denn die römische Eisenzeit hatte sich in Ostwestfalen in diesen Jahren noch nicht bemerkbar gemacht. Es befand sich dort eine Übergangsregion und es wird dort noch ein Menschenschlag gelebt haben, der sich in Teilen auch noch aus Bewohnern keltischer Abstammung zusammen gesetzt haben dürfte. Der Name Schweck wie er sich im Ortsnamen Schweckhausen noch erhalten hat trägt die sich verändernde Bodenbeschaffenheit möglicherweise noch im Namen. Denn es finden sich darin keine Hinweise mehr auf Wald, Moor oder Sumpf wie in anderen Ortsnamen der Region. Die erste Silbe "Schweck" begegnet uns im althochdeutschen Wort "sweiga" oder "sweig" und steht für Weideplatz, Rinderherde oder Viehhof also für Offenland und ein "Sweigari" war ein Viehzüchter und kein Waldbauer. Ein Hinweis der bereits für ein baumloses Gelände, was auch Siedlung mit beinhaltet und im weiteren Sinne auch für Kornkammer und Ackerbau steht. Für die an mehr Zivilisation gewohnten Südländer könnte es ein vertrauter und versöhnlicher Anblick gewesen sein, der sie etwas das Vergangene vom Vortag vergessen machte. Die Bördelandschaften sind wie auch die Flussauen hinsichtlich ihrer Bodenwerte das Beste was die Natur aus Sicht der Nahrungsmittelgewinnung zu bieten hat, hier war es der wertvolle von den Gletschern der Eiszeit hinterlassene Lössstaub der es begünstigte. Böden hervorragend geeignet um mit ihrer Hilfe auf leichtere Weise nicht nur Korn zum Wachsen zu bringen. Hier war die frühe Zivilisation zu Hause und hier entwickelte sie ihre erste Dynamik. Es war eine der Landschaften die zu den ersten Regionen gehörten in denen die Menschen der bäuerlichen Kultur im Frühneolithikum in Mitteleuropa sesshaft wurden. Auf Basis einer der höchsten Bodenwertkennzahlen Deutschlands wird dort schon seit über 7000 Jahren Ackerbau betrieben, also lange vor der Ankunft der ersten Römer in Ostwestfalen. So konnten linienbandkeramische Siedlungen auch am nordwestlichen Rand der Börde zwischen Hohenwepel und Peckelsheim nachgewiesen werden und Funde aus der jüngeren steinzeitlichen Michelsberger Kultur ( 4.200 - 3.600 v. Chr.) traten nur 1.500 Meter südöstlich von Schweckhausen zutage. Spuren die für eine traditionell gute Ernährungsgrundlage sprechen, deren Böden man zum Anbau nutzte und auf denen man keine Bewaldung zuließ. Die offene Landschaft wie sie Cassius Dio bezeichnete entspricht dieser Region die im Westen nahe Peckelsheim und Löwen beginnt, einen Bogen nach Osten schlägt und sich über den südlichen Teil des Nethegau bis zur Diemel erstreckt. Den Begriff "Offenland" hat man heutzutage unmissverständlich umrissen, denn er wird für nicht überbautes Gelände angewendet und steht für eine Landschaft die nicht von Bäumen dominiert wird. Folglich umfasst es alle Biotoptypen die nicht zum Wald zählen. Setzen wir also mal voraus, dass Cassius Dio darunter das gleiche verstand wie wir heute. Und diese fruchtbaren Böden waren verlockend und auch die am Ende der Völkerwanderung nach Süden vordringenden Völker wussten schon um ihre Wertigkeit. Eine Region, die auch immer wieder Begehrlichkeiten weckte, was zu Grenzkonflikten führte. Die Bedeutung der Börde die später auch die Karolinger und danach die Konradiner zu schätzen wussten, als sie den sächsischen Hessengau wohl aus diesem Grund fränkischer Hoheit unterstellten. Und an der bewaldeten Börde - Nordgrenze die den Vegetationswechsel kennzeichnete, befand sich das "prima Vari castra" wie es im Abschnitt "Das prima Vari castra befand sich im Fahlenbruch" vom 01.02.22 näher dargestellt ist. Und ob es Varus bewusst war, dass fasst unmittelbar südlich an das Notlager dieses Offenland angrenzte wissen wir nicht. Eine angenehme Region die sich auch für ein "Gerichtslager" angeboten hätte, wozu es jedoch nicht kam. So lässt sich überraschenderweise aus diesem kurzen Hinweis von Cassius Dio eine weitere Verortung des Schlachtverlaufes ableiten. Eine überaus deutliche Textstelle auf eine sich verändernde Landschaft wie man es klarer nicht zum Ausdruck bringen kann. Es ist die Beschreibung einer Region genau dort wo sie dieser Theorie nach auch hin gehört und wie sie sich nahtlos in den Verlauf der Varusschlacht einfügt und eine der wenigen Anhaltspunkte wo Cassius Dio ins topographische Detail geht. Diese auffällige Erwähnung aus der hervor geht, dass die Legionen nach dem Verlassen des Lagers nun "sogar offenes Gelände" erreichten stärkt zudem die Verlässlichkeit der Cassius Dio Überlieferung. Es ist ein Fingerzeig dahingehend, dass sich hier für Varus die ihn umgebende Natur und das offenbar ganz plötzlich veränderte. Die bisherige Enge einer Waldlandschaft war gewichen und damit schien auch ihre Bedrücktheit etwas verflogen zu sein. Eine Bemerkung die nur in der Hinsicht verständlich wird, als dass man das zuvor von Cassius Dio erwähnte unwirtliche "Waldgebirge" hinter sich gelassen hat. So lässt sich daraus schließen, dass sie ein Gebiet verließen, dass sich nach anderem, aber nicht nach einer offenen Landschaft anhört. Cassius Dio kennzeichnet damit erstmals die Region in der sich die Varusschlacht ereignete ( er wusste es nur nicht ). Es lässt sich nach empfinden, dass man es auf römischer Seite wie eine unerwartete Wende aufgenommen haben könnte. Sogar Stimmen könnten laut geworden sein, wonach die Germanen ihre Angriffe nun nicht mehr fortsetzen würden, was sich aber als trügerisch erwies. Dieses Ereignis fügt sich in den Verlauf der hier vorgestellten Gesamttheorie auf das sich nur stoßen ließ, wenn man der grauen Theorie bis zu diesem Punkt gefolgt ist und das aufgegriffen und verinnerlicht hat, was die antike Literatur in seiner gesamten Breite her gibt. Ohne den Aufbau einer plausiblen Abfolge wäre es nicht möglich gewesen bis an diese interessante Schnittstelle vorzudringen. Eine Landschaft im Übergang die sich durch eine deutliche Geländeveränderung abzeichnet wie man sie, möchte man die tief liegende westfälische Bucht einmal ausklammern nur hier am Nordrand der Börde antrifft. Cassius Dio der selbst erst rund 160 Jahre nach der Schlacht zur Welt kam sorgte dafür, dass sich dieser Glücksmoment in die Chronik der Weltgeschichte einschlich, denn der Funken Hoffnung die hier aufkeimte sollte sich schon bald wieder zerschlagen. Aber eine gewisse Euphorie lässt sich hier aus seinen Worten heraus hören. Eine Positivnachricht nach all dem Schrecklichen. Die Überlebenden schienen es wohl später mit Freude berichtet zu haben und man entnimmt dem und spürt geradezu, wie unsäglich leidvoll sich zuvor der Kampf im dichten Wald vollzogen haben musste und so war es ihm eine Erwähnung wert. Ein kurzzeitiges Hochgefühl wie eine Momentaufnahme, das die überlebenden Soldaten mit nach Italien nahmen, das sich dort herum sprach und das auch nur wegen dieser Außergewöhnlichkeit Eingang in sein Werk finden konnte. War es für Tacitus wichtig mit dem Saltus durch die Egge einen Hinweis auf den Friedhof der nicht bestatteten Knochen zu hinterlassen, so lieferte uns Cassius Dio damit ein weiteres Erkennungsmerkmal . Ein zusätzlicher Meilenstein mit dem sich die Marschroute nicht nur auffinden, sondern auch bestätigen lässt. Und offenes Gelände birgt in sich den Hinweis, dass man nicht nur eine völlig andere Geographie betrat, sondern auch auf eine veränderte Vegetation stößt, die nicht mehr mit der vorherigen vergleichbar war in der dichter Wald vorherrschte und in dem man das Nachtlager errichtet hatte. Diese Darstellung hilft auch die Frage zu beantworten wie es den Germanen gelingen konnte die nötigen Kämpfer für die Schlacht gegen Varus zu gewinnen. So könnte man die germanische Kampfkraft auf die Bevölkerungsdichte zurück zu führen die letztlich durch die Fruchtbarkeit der Region begünstigt war. Dies könnte den wesentlichen Beitrag dazu geliefert haben, dass den Germanen hier und nur hier der Sieg über Varus gelingen konnte. Ein Ausschlag gebender Faktor um sich von dort aus den römischen Machtansprüchen kraftvoll zu widersetzen. So musste der mehr als deutliche "Offenland" Hinweis von Cassius Dio auch zwangsläufig an jenen Historikern vorbei gehen, die sich die Varusschlacht unter völlig anderen Vorzeichen und in anderen Regionen vorstellten. Denn hier lässt sich nur eine Verbindung zur Schlacht herstellen, wenn man alle Anhaltspunkte miteinander verknüpft. Und wo sonst konnten die Legionen in Ostwestfalen vor 2000 Jahren auf Offenland in Verbindung mit guter Fernsicht stoßen bzw. blicken wenn nicht da, wo sich großräumige germanische Siedlungsgebiete befanden, also auch da, wo der Boden ab Schweckhausen um Peckelsheim und Löwen am Nordwestrand der flachen Warburger Börde die besten Voraussetzungen dafür bot. Und nur eine Landschaft die ihre Bewohner satt machen kann bringt eine dichte Besiedelung hervor und stand für das nötige Potenzial um das Kräfteverhältnis zugunsten der Germanen zu verschieben. Ein Hinweis, dass es nur hier möglich gewesen sein konnte Varus zu stoppen. Nachdem die Legionäre den befreienden Augenblick genossen und neuen Mut geschöpft hatten schüttete Cassius Dio wieder Wasser auf die Mühlen der leidgeprüften Legionäre, denn er überlieferte wie selbstverständlich sozusagen in einem Atemzug auch noch etwas anderes und dies formulierte er so, als ob es etwas völlig Erwartungsgemäßes war. Denn er äußerte unmissverständlich, dass die Armee und das wohlweislich "nach dem Verlassen" des Nachtlagers in weitere Gefechte verwickelte wurde und wieder Verluste erlitt. Das die Kämpfe noch nicht zu Ende waren ist bekannt, aber wann sie genau wieder einsetzten wird in seinen Auslassungen nicht deutlich, denn die Darstellung "nach dem Verlassen" lässt den weiten Interpretationsspielraum zu, ob es unmittelbar oder später geschah. So schob er den Halbsatz, dass die Kämpfe "nach dem Verlassen" wieder neu entbrannten erst nach seinem Hinweis auf die vor ihnen liegende "offene Landschaft" ein. Zuerst stand also seine Aussage, dass man in passabler Ordnung los marschierte, sich dann vor ihnen eine offene Landschaft ausbreitete und dann erst folgte sein Hinweis, dass sie wieder angegriffen wurden. Da der "Offenland Anblick" und der Angriff der Germanen nicht gleichzeitig passiert sein dürfte darf man annehmen, dass dazwischen eine gewisse Zeit verstrich. Man verließ das Lager also zunächst in besserer Marschordnung, erlebte dann den belebenden Anblick einer freien Sicht und erst danach folgten die Angriffe. So würde es passen. Wäre es umgekehrt gewesen, dann hätten zuerst die verlustreichen Kämpfe eingesetzt und danach hätte man sich über den schönen freien Ausblick gefreut und zu einer passablen Marschordnung gefunden, was schwerlich vorstellbar ist. Denn das man sich mit den Germanen nach dem Ausmarsch direkt heftige Nahkämpfe lieferte, dann nach den Kämpfen die angenehmen Marschbedingungen hervor hebt um sich dann noch im positiven Sinne über das Erreichen einer offenen Landschaft auszulassen klingt nicht sehr plausibel. Und so hält sich unser Erstaunen auch in Grenzen, wenn wir eine neuerliche Bestätigung dafür finden, dass sich hier das offene Land befand in das Varus sah und Cassius Dio es für die Nachwelt konservierte. Denn die Offenheit ist auch heute noch ein Markenzeichen und Alleinstellungsmerkmal für die Menschen am Börderand. Und die Kämpfe, hatten sie denn erst einmal wieder eingesetzt, so hätten die Germanen sie am zweiten Kampftag vielleicht auch solange fortgesetzt bis die Schlacht gewonnen gewesen wäre und es hätte keine Unterbrechungen mehr gegeben die den Römern die Möglichkeit gegeben hätten, die freie Sicht zu genießen. So macht die Reihenfolge Sinn. Man verließ zunächst gesittet das Lager, dann war man hoch erfreut über die schöne Aussicht und wurde dann doch wieder angegriffen. Es liegt eine wichtige Erkenntnis darin, dass es sich in eine nachvollziehbare Reihenfolge setzen lässt, denn erst auf diese Weise kann man auch den weiteren Marsch transparent machen. Es wird ein Schema erkennbar, mit dem sich der gesamte Schlachtverlauf samt den dazwischen liegenden Nächten und Kampfpausen aufspüren lässt. Möchte man das bisherige Rekapitulieren und an Eckpunkten festmachen, dann liegt zunächst der sumpfige Fahlenbruch mit seinem möglichen "prima Vari castra" vor uns. Es folgte dann der Eintritt der Varusarmee ins Offenland der Börde. Danach nähert sie sich dem "Teutoburgiensi saltu" und in Haaren lassen sich die Geschehnisse mit dem Fund des römischen Legionsadler verbinden. (07.03.2022)

... link


Sonntag, 6. März 2022
Der 3. Marschtag wurde zum 2. Kampftag. Varus verließ das Notlager im Fahlenbruch. Auch dank Florus kennen wir seine Marschrichtung.
Das sich das "prima Vari castra" möglicherweise im Fahlenbruch nahe Schweckhausen befand beruht auf einer dort noch erkennbaren Wallstruktur und der hier zuletzt vorgestellte Animation hinsichtlich seiner rätselhaften Beschaffenheit. Und solange nicht die Sparte der einschlägigen Forschung das Schüppchen in die Hand genommen hat, darf es als plausible These im Raum stehen bleiben. Da dieser Verdacht aber nur ein Faktor von mehreren ist, hebelt selbst ein Gegenbeweis die Gesamtschlüssigkeit, die dieser Hypothese zugrunde liegt nicht aus. Über den Morgen danach als die Überlebenden des Vortages das Lager der rauchenden Trümmer verließen darf man sich seine Gedanken darüber machen wie es für Varus weiter gegangen sein könnte. Nach dieser Theorie war es das Lager, dass Tacitus mit "prima Vari castra" betitelte und in das Florus in Unkenntnis der damaligen Sachlage hinein interpretierte, Varus habe darin Recht sprechen wollen. Möchte man den Tag nach der Nacht rekonstruieren, dann kann uns kein anderer antiker Historiker weiter helfen als nur Cassius Dio. Aber wie gewohnt fällt das zu sichtende Material spärlich aus, so dass es wieder gilt nicht nur jedem Hinweis nach zu gehen, sondern sich auch in die Plausibilität der Geschehnisse hinein zu denken. Das hier der Fahlenbruch zum Bezugs- und Wendepunkt wird und sich hinter dem Borlinghauser Pass der "Teutoburgiensi saltu" verbergen könnte vereinfacht die Suche nach seiner weiteren Marschrichtung und verleiht ihr Struktur. Ein Blick auf die frühen Kartenwerke und den Verlauf der schroffen Egge was die Passagemöglichkeiten anbetrifft die dadurch erheblich eingeschränkt sind verrät, welche Möglichkeit Varus noch blieb um von hier aus den Stämmen auf schnellstem Wege zu entkommen. Bis zum Saltus "Querfeldein" zu marschieren wäre für ihn wegen der Unpassierbarkeit dazwischen liegender Bereiche nicht ratsam gewesen. So wurde für ihn eine prähistorische, also vermutlich schon zu Bronzezeiten genutzte Altstraße zum Marsch - , in seinem Fall aber zum Fluchtweg. War es am Vortag noch die alte Trasse des einstigen Hellweges der von Brakel nach Warburg führte die er als Hinweg zu den Aufrührern nutzte, so musste er nun aufgrund der ihm aufgezwungenen Kämpfe eine Planänderung vollziehen und auf den "Oberen Bördenweg" einschwenken, der später auf dem Sintfeld in den Herßweg überging. Und dafür, dass diese Trasse nicht nur die grobe Richtung vorgab, sondern vielleicht auch exakt der Weg war, den die Legionen am zweiten Kampftag einschlugen ja sogar dazu gezwungen waren, könnte es auch einen schriftlichen Hinweis aus antiken Zeiten geben. Denn Florus beschreibt einen Legionär der dem Inferno zunächst entgehen konnte. Ein Mann, der bevor er die Flucht ergriff selbst noch unter diesen widrigen Bedingungen versuchte eines der bedeutsamsten Prestigesymbole der römische Armee in Sicherheit bringen zu wollen. Er könnte ein aufrechter und gewissenhafter und der Ehre verpflichteter Kämpfer im Dienste seiner Legion gewesen sein denn wie anders sollte man es sich erklären, dass es diesem Mann sogar noch in einer äußerst prekären Lebenslage so wichtig war sich die Flucht noch zusätzlich zu erschweren und sich zudem noch angreifbar zu machen. Es war ein Gegenstand von besonderer Wertigkeit den er sicherlich nicht an sich nahm, um sich in dieser Situation damit persönlich bereichern zu wollen, eher darf man ihm noch unterstellen sich damit frei kaufen zu wollen falls er in die Hände des Feindes geraten sollte. Florus überlieferte uns diese Episode der Übersetzung nach mit den Worten. "Noch heute besitzen die Barbaren Feldzeichen und zwei Adler, den dritten riss der Bannerträger los, bevor er in die Hände der Feinde fiel, trug ihn verborgen unter seinem Wehrgehenk und versank damit in dem blutigen Sumpf". Und im Originaltext lautet es "Signa et aquilas duas adhuc barbari possident, tertiam signifer, prius quam in manus hostium ueniret, euolsit mersamque intra baltei sui latebras gerens in cruenta palude sie latuit". So gelang ihm mit dem dritten Legionsadler die Flucht nach Westen anzutreten. Das Teil wird unhandlich gewesen und sein Gewicht gehabt haben und wenn er dem Endschauplatz nahe Borlinghausen entkam, so dürfte es ihm schon beim Aufstieg durch die Egge erhebliche Mühe bereitet haben, aber es gelang ihm noch. Machen wir nun einen Sprung und beziehen den interessanten Fund aus dem Jahre 1706 in diese Überlieferung mit ein und bewerten es im Rahmen dieser Theorie dann kam der Legionär nicht weit, denn in diesem Jahr wurde etwa 21 Kilometer westlich von Borlinghausen in Haaren auf dem Sintfeld ein Gegenstand geborgen, auf den die Florus Überlieferung zutreffen könnte. Ein gewisser Henrikus Hugt der als Schweinehirt bezeichnet wird hatte das Glück auf dem heute wieder so genannten Salmes Feld zwischen Buchen - und Kastanienweg in Haaren, unweit der "Via regia" der "Frankfurter Straße" auf das Objekt zu stoßen. Wie so vieles was man über die Zeiten an "Römischem" aus dem Boden holte, so gelangte auch dieses Teil in die Hände jener, die daraus Kirchengold anfertigten. Eine schöne Zusammenfassung dieser alten Geschichte findet sich im Internet unter der Bezeichnung "Der Goldadlerfund von Haaren". Das Salmes Feld konnte später von Historikern im frühen 18. Jahrhundert als Fundstelle identifiziert werden und darauf basierend wurde eine Straße benannt. Der Ort befindet sich bezeichnenderweise etwa 2 Kilometer nördlich des prähistorischen Herßweges. Da man in ihm damals einen römischen Legionsadler erkannt haben wollte, könnte es sich der Überlieferung nach um einen der Adler der drei untergangenen Legionen gehandelt haben. Denn einmal seinem Trägergestell entrissene Legionsadler lassen sich nicht mehr ansehen zu welcher Legion sie einst gehörten da an römischen Legionsadlern keine Legionsnummer angebracht oder eingraviert waren. Abbildungen und Vorlagen lässt sich entnehmen, dass die Kennzeichnung auf einem zum Gestell gehörigen Querholz stand. Diese trug vermutlich aber nur den Namen der Legion und weniger die römische Zahl XVII, XVIII oder XIX der einst von Kaiser Augustus ausgehobenen Legionen. Drei Legionen für die erstaunlicherweise keine Eigennamen überliefert sind, obwohl sie zu den Besten des Reiches gehört haben sollen. Vergleichsweise Namen wie etwa Ulpia Vitrix, Rapax oder Primigenia gehen aus den alten Textstellen für die drei Varuslegionen nicht hervor. So ließen sich die später aufgefundenen Adler zwar als römische Legionsadler identifizieren aber es war nicht ersichtlich vor welcher Legion sie einst vorweg getragen wurden. Da die Umstände unter denen Gambinus Secundus 41 + ein Legionsadler bei den Chauken in die Hände fiel fragwürdig sind, darf man die These wagen, ob es sich bei diesem Adler nicht vielmehr um den Adler aus der Niederlage des Lollius 17 ? oder 16 ? handelte, statt um den letzten der drei Varusadler. So könnte es sich bei dem von Henrikus Hugt in Haaren gefundenen Adler auch um den noch fehlenden Adler von einer der drei Varuslegionen gehandelt haben. Träfe es also zu, dass es sich hier um den von Florus erwähnten Adler handelte, der übrigens damals Henrikus Hugt zum reichen Mann gemacht haben soll, dann deutet dies darauf hin, dass auch andere überlebende Legionäre als Fluchtroute eben jenen Korridor über Haaren nutzten, der über Büren nach Soest führte. So darf man auch vermuten, das dieser Legionär nicht der einzige gewesen ist, der diese Fluchtroute einschlug, so dass man sich der Lage damals durchaus bewusst gewesen sein könnte, dass man sich den Umweg über die entfernten Lager am oberen Lippelauf sparen konnte, da sie bereits in der Hand der Germanen waren. Der unglückliche Legionär konnte offensichtlich seinen germanischen Verfolger entkommen, denn diese hätten das Prunkstück andernfalls an sich genommen. Der Florus Darstellung lässt sich entnehmen, dass der Mann schwer verletzt war bevor er im Sumpf unterging. Aber Florus hätte dies nicht schreiben können, wäre das Geschehen nicht beobachtet worden. So gab es offensichtlich Augenzeugen, folglich andere Kämpfer, die mit ihm flüchteten, die das rettende Rheinufer auch erreichten und die darüber berichten konnten. Dieser Fund irritierte seit jeher die Fachwelt und stellte sich bislang immer so dar, als könne er nicht in den Kontext der Varusschlacht passen. So fand ein Adlerfund an dieser Stelle nur wenige Befürworter, Florus der ohnehin nicht als der Glaubhafteste galt und eine Varusschlacht an diesem Orte konnte nach Ansicht vieler erst recht nicht statt gefunden haben. Wie heraus gerissen oder abgetrennt wirkte daher immer diese 300 Jahre alte Überlieferung auf die Varusforschung, veranlasste aber trotzdem einige Historiker anzunehmen die Schlacht müsse sich nun auch dort auf dem Sintfeld zugetragen haben, da sich der Fund nur so in den Zusammenhang einbauen ließ. Den Fund mit einem Fluchtweg zu verbinden war der Wissenschaft mangels eines theoretischen Unterbaus nicht möglich und da sich die Region nahe Borlinghausen nie als Szenario einer Schlacht anbot entging der Forschung zwangsläufig auch der Gedanke an eine Verkettung zum unweit gelegenen und hier zur Diskussion gestellten Kampfgeschehen. So gestaltet sich der Verlauf völlig anders, wenn man diese Theorie mit einbezieht, denn auf dieser Basis lässt sich der vermeintliche Adlerfund aufgrund der relativ geringen Nähe auch dem Schlachtgebiet östlich des Saltus zuordnen. Aber zurück zum Morgen des zweiten Kampftages als es für den römischen Generalstab um die Frage ging wie es für alle weiter gehen sollte. Moralisch ermuntert von den Durchhalteparolen der Offiziere suchte man nachdem man das Lager hinter sich gelassen hatte im für sie unübersichtlichen und unbekannten Terrain nach einer begehbaren Ost/Westpassage die sie zum Saltus im übertragenden Sinne also zum "Ausgang" aus dem Dilemma im Nethegau führen sollte. Es war ihnen bekannt, dass es diesen Weg gab, man musste ihn nur finden. Aber Varus sollte in Arminius eine ungebetene Hilfe finden. Arminius durchlief als römischer Ritter und Sohn die Kaderschmiede für angehende Stammesfürsten und sie servierte den Germanen das militärische Talent, dass sie jetzt brauchten. So dürfte auch Arminius persönlich beim Rückzug der Legionen die Führung übernommen haben, denn er kannte die Landschaft und die Wege bestens und das vermutlich schon von Kindesbeinen an. Es klingt etwas überzogen anzunehmen, man könnte es Varus leicht gemacht haben und ließ ihn diese Zuwegung zum Saltus aus eigenem Antrieb entdecken damit er sie einschlagen sollte. Vielleicht hat man für ihn diese einzige Trasse auch in der Absicht offen gehalten, um ihn auf diesem Weg besser in seinen Untergang lotsen zu können. Viele bedeutungsvolle prähistorische Altstraßen gab es in der Region nicht, aber die wenigen legten sich wie ein Netz über das Land. Wege die die wandernden Völker seit Jahrtausenden nutzten orientierten sich an den großen Flusslandschaften und Meerengen, zogen sich durch Gebirgspässe und man verband über sie auch die an Mineralien reichen Erzregionen, die Salzabbaugebiete bis zu den Abnehmern oder die wichtigen Routen von der Ostsee zum Mittelmeer. Die Giganten unter den Fernverbindungen standen für den Sklaven- oder Bernsteinhandel. Aber vielerorts gab es die kleinen Abzweigungen, Zuwegungen und Anknüpfpunkte die wieder alle und alles miteinander verbanden. Es waren zwar Wege und Straßen untergeordneter Bedeutung aber nicht für die ländliche und ortsansässige Bevölkerung. Für sie waren es die Lebensadern der Nahversorgung über die sie wiederum Zugang zu den großen Fernverbindungen hatten. In Westfalen waren es die Hell- und Bördenwege, der Heiden-, Herß -, oder Haarweg. Aber allesamt waren dies Wege die die Weser mit dem Rhein verbanden und keine Nord/Süd Verbindungen. Diese waren im Rheinland östlich des Flusses u.a. der bekannte Mauspad oder in Ostwestfalen die Altstraße die man später den Frankfurter Weg nannte, der den Herßweg auf dem Sintfeld nahe Haaren kreuzte. Aber es gab auch die vielen unscheinbaren und kaum erkennbaren Wege die obwohl geringer eingestuft und weniger beansprucht trotzdem eine wichtige Funktion für den Handel und in Kriegszeiten ihre Bedeutung für die Menschen in der Region hatten. Überland- und Zubringerwege deren Verlauf für die Germanen kein Geheimnis war, die aber den römischen Besatzern unkenntlich und unsichtbar erschienen, da sie auf den ersten Blick keiner klaren Richtung folgten. Sie umgingen versumpftes Gelände und ihre Streckenführung war den Legionen fremd, die nur die Gradlinigkeit ihrer Militärstraßen gewohnt waren. Die Cherusker kannten die versteckten Pfade. Vor allem den Oberen Bördenweg der aus Richtung Höxter und Borgholz kommend die einzige Verbindung zum Saltus darstellte, wenn man ungünstiges Terrain meiden wollte. Ein Weg der in unübersichtlichen Windungen nach Westen führte und der später im Herß- und Haarweg aufging. Dieser, man könnte sich ihn unter den damaligen Bedingungen wie einen mit schmalen Karren befahrbaren und je nach den Bodenverhältnissen sandigen Trampelpfad vorstellen, nutzte in etwa eine Linienführung zwischen Natzungen und Peckelsheim und er verlief im Betrachtungsgebiet vermutlich auf dem Königsweg zwischen Willegassen und Schweckhausen in etwa nahe und parallel zur heutigen L 837. Wo Varus aufbrach befand sich nach dieser Theorie im nahen Fahlenbruch das "prima Vari Notlager". Es war zweifellos nicht das ursprünglich angestrebte Lager in das Varus beabsichtigte die Aufrührer zum Convent zu zitieren, wie es Florus schien. Dafür hatte Arminius dem Feldherrn im Vorfeld sicherlich einen repräsentativeren Ort vorgeschlagen. Etwa da, wo sich das persönliche Erscheinen des großen Statthalters besser zur Geltung bringen ließ und man dem würdigen Anlass mehr Bedeutung hätte verleihen können. Vermutlich überzeugte man Varus es an einem zentralen, jedoch im Nebulösen gehaltenen traditionellen Versammlungsplatz der ortsansässigen Aufrührer durchzuführen. Varus hätte von diesem günstigen Ort aus einen zügigen Rückweg durch das begeh- als auch befahrbare Hohlwegsbündel westlich von Borlinghausen zur Lippe antreten können. Möchte man diesen angedachten Platz in der Örtlichkeit definieren, so sollte man auch ihn in der Nähe des Oberen Bördenweges suchen. So tasteten sich die Legionäre am Morgen des zweiten Kampftages vielleicht geschickt flankiert von den Cheruskern die sich nach Bedarf zu tarnen wussten, zunächst in die Richtung dieses Weges auf dem man sie zum Saltus leiten wollte. Aus germanischer Sicht überließ man das Weitere nicht dem Zufall, denn für diesen Weg hatten sie bereits ihre militärischen also partisanenartigen Vorbereitungen getroffen. Und da lässt die Phantasie viele Spielräume zu. Kleinräumig war den Legionen die Region fremd aber einigen Legionären die dort als Kundschafter unterwegs waren, könnte sie noch schwach in Erinnerung gewesen sein und man übte sich auf dem Parkett der Pfadfindung. Das Lager das vermutlich auch Paterculus erwähnte, als er berichtete wie hartnäckig, aufopfernd und tapfer es vom Lagerpräfekten Eggius verteidigt wurde hatte man nun hinter sich gelassen. Und dies war nicht das Gerichtslager, das die Germanen wie es Florus beschrieb überfallen hatten, denn dieses Notlager war nie mit dem Gerichtslager wie es sich Florus vorstellte identisch und sollte nicht mit ihm verwechselt werden. Denn zu Gericht laden wollte Varus an einem eindrucksvollen Ort in ansprechender Umgebung und nicht in einem provisorischen Behelfslager im verregneten Waldgebirge. Die Legionäre hatten nach der unsäglichen Nacht die nun überzählig gewordenen Waffen der toten Kameraden vielleicht noch vorher unbrauchbar gemacht, um sie nicht in die Hände der Germanen fallen zu lassen, später ließ es sich nicht mehr vermeiden, dass sie noch viele scharfe Klingen erbeuteten. Im Verlauf der Nacht hatten die Germanen vermutlich noch Zulauf bekommen und ihre Kampfmoral sollte ungebrochen gewesen sein und während sie in der Region personelle Unterstützung und Ration fanden, mussten viele Legionäre nun zu Fuß den Marsch in den Untergang fort setzen denn die Pferde vom Vortag waren entweder tot oder hatten ihre Besitzer gewechselt. Dies bremste ihr Marschtempo und machte sie anfälliger. Die Germanen sahen auf einen geschwächten Gegner was sie zusätzlich motivierte, so dass im Verlauf des zweiten Kampftages weitere ausgeruhte bislang zaghafte gebliebene Krieger dazu gestoßen sein dürften. Eine wohl Schlachten entscheidende Phase, während Varus auf diesen Zuwachs nicht zurück greifen konnte und im Verlauf des Marsches zudem noch weitere Kämpfer eingebüßt haben dürfte, die verletzungsbedingt marschunfähig wurden oder kleineren Scharmützeln zum Opfer fielen. Auf germanischer Seite nahm es einen anderen Verlauf. Denn aufgrund der sich nun auch auf einen zweiten Tag erstreckenden Kämpfe darf man nicht unbedingt davon ausgehen, dass am Morgen dieses Tages auch noch all jene Germanen dabei waren, die schon am Vortag gekämpft hatten. Man muss es sich wohl wie eine stete Fluktuation sowohl ins Kampfgebiet als auch zurück in die Wohnstätten vorstellen, sozusagen ein kommen und gehen, denn Kriege und Schlachten führte man in Germanien nicht so wie man es sich heute gerne vorstellt und schon gar nicht eine Schlacht in dieser Dimension, die sich über mehrere Tage und viele Kilometer hinzog. Hier sollte man sich bei dem Versuch sich militärstrategisch zu betätigen von völlig anderen Bedingungen und Zusammenhängen leiten lassen. Es sind realitätsnahe Geschehnisse nachzustellen, wie sie sich nicht mit unserer Gedankenwelt eines kompakten Schlachtengeschehens verbinden lassen. So war es vielleicht an diesem Morgen sogar schon die zweite oder gar die dritte "Kämpfer Generation" die auf germanischer Seite die Waffen schwang. So kämpfte möglicherweise jeder Germane immer nur solange, wie seine Kräfte reichten oder Verletzungen ihn nicht hinderten und einige könnten schon nach wenigen Stunden wieder gegangen sein. Viele von ihnen verließen die Kampforte, da sie sich ihre Beute gesichert hatten, oder einfach nur deswegen, weil sie des Kampfes müde waren, kein weiteres Risiko eingehen, oder zu ihrer Familie zurück kehren wollten, wo die Landwirtschaft oder anderes Notwendige auf sie wartete. Denn die Varusschlacht war zunächst ein Volkskrieg der Bauern, also der Landbevölkerung durchsetzt mit jungen wagemutigen Kriegern und vermischt und geführt von einer kämpfenden Elite wie sie Arminius aus Pannonien heran geführt hatte. Jeder beteiligte sich nach eigenem Ermessen und was man damals unter Disziplin verstand entzieht sich auf ganzer Breite unserem Wissenstand. Strafen wegen Feigheit vor dem Feind oder Fahnenflucht wurden damals noch nicht ausgesprochen oder geahndet und die "Herisliz" ist erst für das Jahr 788 überliefert. Ehre hieß das hehre Wort und der Verfall der Würde wog schlimmer. Aber letztlich legte es jeder für sich persönlich aus. Arminius und Segimer kannten ihre "Helden" und spornten sie an, köderten und motivierten sie wo sie nur konnten um den Endsieg nicht zu gefährden. Jetzt nur nicht wieder in die alten typisch germanischen Fehler verfallen. Etwa den Feind nicht energisch genug attackieren oder voreilige und nicht durchdachte Vorstöße zu wagen. Den Mut auskühlen lassen und auf die richtige Gelegenheit warten. Auf keinem Fall einem schon fasst besiegt geglaubten Feind eine Gelegenheit zur Flucht eröffnen, denn er konnte schnell wieder zurück kommen, nur weil man uneins war oder falsche strategische Schlüsse zog. Arminius hatte viele Stämme in die Abwehrschlacht eingebunden, Kampfgruppen unterschiedlichster Herkunft, Gesinnung und Interessenslage werden es gewesen sein die er zusammen gezogen und für die Heeresfolge hatte gewinnen können. Und dazu gehörte es auch den Stammesfrieden untereinander herzustellen, was ihm wohl gelang. Aber es wollte aufrecht erhalten werden, denn da gab es auch noch die nie verstummen wollenden stammestypischen Rivalitäten wer denn den größten Anteil am Erfolg hatte, den Sieg für sich verbuchen konnte und wollte, wem er gebührte und wem ein Legionsadler zustand. Aber die stolzen Trophäen, Banner und Standarten hatte Varus nicht zurück gelassen, sie wollten erst noch erobert sein. Und sie führten die Legionen solange mit sich wie es ihnen nur möglich war. Bemüht man die Vorstellungskraft, dann musste der Germanenfürst im verlassenen Lager vielleicht sogar mit energischen Worten dem Treiben ein Ende setzen und die Kämpfer auf die nächsten Gefechte einstimmen. Da aber wie man weiß noch andere Stämme an der Schlacht beteiligt waren, könnte hier für viele auch schon die Schlacht zu Ende gewesen sein und nun übernahmen andere Völker wie etwa Marser, Chatten, Brukterer oder Sugambrer die Last der folgenden Kämpfe und lauerten den Legionen an der Marschroute auf, da sich diese nun ihren Stammesgebieten näherten. Während man im Lager noch damit beschäftigt war dem einen oder anderen Legionär die Ketten anzulegen, nutzten andere noch die Gelegenheit um sich die schwarzen Aschereste der schmorenden Karren ins Gesicht zu reiben, damit den eigenen Kampfeswillen und den der Mitkämpfer zu steigern und um bedrohlicher zu wirken. Es war eine nicht sehr weit hergeholte Szenerie wie man sie am Morgen nach dem Abzug der Römer im Lager erwarten darf. Grundsätzlich lag allem der Plan zugrunde die Trümpfe der Landschaft auszuspielen um es mit den wenigsten Verlusten verbunden zu Ende zu führen. Was nun hinter den Varuslegionen geschah dürfte plausibel sein. Denn unmittelbar nachdem Varus sein Lager verlassen hatte, werden es die Germanen in Besitz genommen, besser gesagt zerwühlt haben und sie ließen "keinen Stein mehr auf dem anderen". Es war zu erwarten, dass es sich die Germanen nicht nehmen ließen dies in ausführlichster Weise anzugehen. Man darf sich in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, wie die Germanen mit dem an der Weser verorteten römischen Hauptlager nach dem Verlassen der Varusarmee umgingen. Letztlich wird dies aber unerheblich gewesen sein und hinter dem Ansinnen zurück gestanden haben, zunächst die Präsenz von Varus und seinen Legionen in Ostwestfalen zu beenden. Im "prima Vari castra" war jetzt die klassische Plünderungsphase angebrochen aber es trat in diesem Zusammenhang auch noch ein beklemmender Faktor hinzu, denn im Lager befanden sich wohl auch noch zahlreiche zurück gelassene da verwundete Legionäre. Hierzu fällt einem der Satz des Gallierkönigs Brennus "vae victis - wehe den Besiegten" ein. Beteiligt an dieser Übernahme waren die Germanen der ersten Stunden und all jene die sich einfanden und es wird seine Zeit in Anspruch genommen haben. Man wird die Wertgegenstände und das waffentechnisch Brauchbare an sich genommen und den Rest den Bewohnern der Region überlassen haben, die sich später von der Neugier getrieben von selbst einstellten. Varus wird die Zeit genutzt haben sich von den Germanen abzusetzen. Viel half es ihm nicht, denn es sollten noch schwere Kämpfe auf ihn zukommen. (06.03.2022)

... link


Donnerstag, 17. Februar 2022
Warum ließ Varus vor dem Verlassen des "prima castra" die Ochsenkarren verbrennen ?
Die Krieger beider Seiten waren keine Kampfmaschinen und so dürften die Gefechte des ersten Kampftages, obwohl Cassius Dio sie äußerst drastisch dargestellt hatte mit Einbruch der regenfeuchten Dämmerung abgeflaut sein. Man wird das Nachtlager notdürftig befestigt haben, ist in Ruhestellung gegangen, hat sich gegenseitig die Wunden versorgt, entlud die Karren die man noch hat ins Lager holen können und bereitete sich auf die Nacht vor. Man kann nun rätseln bzw. die gängige Übersetzung nach eigenem Gutdünken interpretieren, ob man die Karren schon am gleichen Abend nach den Kämpfen verbrannte oder erst am nächsten Morgen vor dem Abzug, da es die nachfolgende Überlieferung nicht klar zum Ausdruck bringt.
Cassius Dio, 21. (1) 
Daher schlugen sie dort ihr Lager auf, wo sie einen geeigneten Platz fanden, soweit dies in dem Waldgebirge überhaupt möglich war; NACHDEM sie dann zahlreiche Wagen und sonstige Gegenstände, die nicht unbedingt erforderlich waren, verbrannt oder zurückgelassen hatten, zogen sie am anderen Morgen... ". Dies kann sowohl beinhalten, dass man die Wagen schon unmittelbar nachdem man einen Lagerplatz fand verbrannte, dies noch im Laufe des abends tat als auch, dass man sie erst am anderen Morgen vor dem Abzug abgebrannt haben könnte. Man darf hingegen aufgrund der desaströsen Lage annehmen, dass man die Karren nicht schon am gleichen Abend nach den Kämpfen verbrannte. Man könnte sie zudem auch gebraucht haben, um sich dahinter zu verschanzen, da man sie wie sich recherchieren lässt für die Nacht noch als Barriere nötig hatte. Die Kämpfe kosteten zudem Kraft und das Entzünden der regennassen Holzwagen war unter den denkbaren Umständen im Halbdunklen ein vermeidbarer Aufwand. Und natürlich kann auch die Frage gestellt werden, warum man dies überhaupt noch am gleichen Abend hätte tun sollen, denn die Nacht zwischen rauchenden Trümmern zu verbringen ergibt keinen Sinn. Daraus resultierend spricht vieles dafür, dass man es erst am frühen Morgen vor dem Aufbruch tat. So erwachte im Morgennebel eine schon dezimierte und blessierte fasst geschlagene Armee, man entnahm den Karren wie überliefert das Unverzichtbare und bereitete sich auf den Ausmarsch vor. Waffen, Nahrung, Kleidung trug man am Körper und das Weitere wie etwa zeltartigen Regenschutz packte man auf die Pferderücken oder andere Tragtiere. Den Gesundheitszustand von Varus kennen wir nicht und ob er noch ein Pferd besteigen konnte, da ihn erste Verletzungen daran gehindert haben könnten oder für ihn ein Zweispänner zur Verfügung stand, ist nicht bekannt. Das Szenario nach dem Verlassen des Lagers der rauchenden Trümmer dürfte etwas Unwirkliches und nahezu Apokalyptisches an sich gehabt haben. Wir wissen auch nicht wie man es in diesen kritischen Stunden vor dem Verlassen des Camps mit den nicht mehr transportfähigen, weil zu stark verletzten Legionären hielt. Orientierte man sich an Carrhae dann überließ man sie der Willkür des Feindes in diesem Fall also der Germanen. Wir wissen aus den Beschreibungen über die Schlacht in der heutigen Türkei die 62 Jahre vor der Varusschlacht unter ähnlichen Umständen ausgetragen wurde, dass man damals nicht lange fackelte und sie den Schwertern der Feinde auslieferte. Alle 4000 zurück gelassenen Verwundeten wurden damals von den Parthern getötet. Eine Vorstellung wie man sie bislang nicht mit der Varusschlacht in Verbindung brachte, weil wir uns vielleicht nicht damit konfrontieren möchten, dass unsere Vorfahren zu derartigem Tun imstande gewesen sein könnten. Aber die taciteischen Überlieferungen nähren den Verdacht, dass es auch in Ostwestfalen so gewesen sein könnte. Im Zusammenhang mit dem Abzug aus dem "prima Vari castra" stoßen wir auch auf den Dissens der Tacitus und Cassius Dio Darstellung. Während Cassius Dio den Aufbruch schildert schreibt Tacitus von Martergruben und dem Ort wo Varus sich tötete. Während also Varus bei Cassius Dio nach dem Verlassen des Lagers noch lebte, war er bei Tacitus schon tot. Ein Hinweis darauf, dass Tacitus die Situation beschrieb wie sie sich erst am vierten Marschtag zutrug und nicht im "prima Vari castra" am Morgen des dritten Marschtages. Auf der gegnerischen also germanischen Seite wurden die Kämpfer in den frühen Morgenstunden vielleicht vom beißenden Rauch des brennenden nassen Holzes geweckt. So erkannten auch die nächtlich unterkühlten Germanen aus sicherer Entfernung hinter den Nebelschwaden, dass die Römer dabei waren sich von ihren Transportwagen und für sie unnötigen Dingen zu trennen. Die Entscheidung es den Flammen zu übergeben reifte vermutlich in den Stunden vor dem Abzug im Kreise des Feldherrn als man erkannte, dass sich die Realität der zu erwartenden Marscherschwernis nicht mehr verdrängen ließ, man die letzten Illusionen auf eine friedliche Lösung begraben musste und jetzt auf Schnelligkeit setzen musste. Das Schwergewichtige für den Marsch war jetzt nur noch hinderlich und hätte das fluchtartige Absetzen erschwert. Brennbar ist nur Vergängliches und ihre letzten Wertsachen trugen die Römer jetzt am Körper. Ob ihr Verhalten taktisch klug war die durchnässten aus Holz bestehenden Karren samt Inhalt zum Raub der Flammen werden zu lassen statt sie einfach stehen zu lassen, sei dahin gestellt. Sie erreichten durch die Vernichtung zwar, dass den Germanen nützliches Gebrauchsmaterial nicht in die Hände fallen konnte, aber sie begingen damit aus falscher Überlegung heraus vielleicht einen ungleich größeren Fehler. Aber um dies besser verstehen zu können, sollte man sich ins alte Germanien zurück versetzen. Eine Zeit ohne Schilder und Wegweiser. Da gab es auf der einen Seite die bekannten weithin gut sicht- und hörbaren Naturgewalten wie Blitz und Donner, die schon mal heftige Ausmaße annehmen können und andererseits die von Menschen verursachten Zerstörungen. Aber Brände kamen in den Vorstellungen der alten Welt den Boten des Unheils recht nahe. Waldbrände nach Blitzeinschlag, oder Brände wegen Rodung kamen vor. Aber dieser Geruch erinnerte sie alle an die mutwilligen Brandschatzungen ganzer Ansiedlungen nach feindlichen Angriffen wie es die römischen Legionäre im Krieg zu tun pflegten, sie lösten Fluchtbewegungen und Todesahnungen aus. Aber das Abbrennen nassen Holzes vermeidete man für gewöhnlich, denn es erfordert große Hitze und macht wenig Sinn. Dafür besaß es aber eine ungeahnte Nebenwirkung, denn der damit verbundene weit tragende ätzende Brandgeruch verfehlte seine Wirkung nicht, war überall zu riechen und brannte in den Augen. Aber hier kam noch die Farbe des Rauches hinzu. Sie war weiß und sie entsteht nur in Verbindung mit feuchtem Holz durch die Bildung von Wasserdampf. Und diese zwischen den Bäumen aus dem Wald hoch aufsteigenden Schwaden lagen nun seit den Morgenstunden über dem gesamten Nachtlager und man sah sie schon von weit her bis zu den Höhen der Egge und zum Weserufer. Besser ließ sich der Himmel nicht zum sprechen bringen. Denn spätestens jetzt wusste jeder Germane was die Stunde geschlagen hatte, denn dieses Zeichen bedeutete den Niedergang und verkündete den Wendepunkt. Es weckte in den Seelen der einfachen Menschen ihre Ur - Ängste die sie instinktiv zu schnellem Handeln zwangen. Aber an diesem seltsamen Morgen lagen die Dinge anders denn dieses Zeichen fasste man als eine willkommene Botschaft auf. Hier drückte der weiße Qualm am Himmel das Gegenteil von Gefahr aus, denn er verhieß ihnen ein Siegesgefühl. Durch die ungenügende Verbrennung färbte sich der Rauch auch zeitweise schwarz und so zogen bei Westwind über die Weserlandschaft die langen schwarzen Rußfahnen der Vergänglichkeit. Opferrituale und Totenbestattung waren mit Verbrennung verbunden aber hier verschmolz sich alles mit dem Untergang einer Armee und wurde zum Fanal. Das Rauch auch immer der leise Bruder des Todes ist, stand an diesem Tag unter anderen Vorzeichen, denn allen war bekannt, dass die Germanen auf dem Schlachtfeld über nichts Brennbares verfügten und so ließ sich die Ursache nur auf die römischen Streitkräfte zurück führen und sich nur mit angezündeten Karren in Verbindung bringen lassen. Ob sie nun von den siegreichen Germanen oder den schon unterlegenen Römern in Brand gesetzt wurden war für die entfernt Lebenden weder ersichtlich noch unbedingt relevant. Und das sich römische Ochsengespanne bei Regenwetter nicht von selbst in Brand setzen können bedarf keiner Erwähnung. Und selbst am Morgen des zweiten Kampftages rückten natürlich immer noch germanische Trupps aus weiteren Entfernungen an um sich am Kampf zu beteiligen und auf sie wirkten die langen Rußschleppen wie elektrisierend. Es beschleunigte ihre Schritte, löste in ihnen ein Rauschgefühl aus und setzte nach den langen Fußmärschen ungeahnte neue Kräfte frei. Jetzt bloß keine Zeit mehr verlieren und auf keinen Fall zu spät kommen, jetzt gilt es, denn Arminius brauchte jeden Mann um zu siegen und sicherlich wollte man auch noch etwas vom lukrativen Kuchen abhaben. Die Verbrennung, vielleicht auch eine aus der Not geborene Verzweiflungstat entfaltete nun die beschriebene verheerende Wirkung auf alle Teilnehmer des Schlachtgeschehens, sowohl unter den Germanen als auch unter den Römern, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Es war der bekannte Geruch der für den Tod und das Sterben steht und hatte für alle schon den Beigeschmack einer vorweg genommenen Kapitulation. Aber soweit war es noch nicht. Die Trossverbrennung muss nach dem Erscheinen von Arminius auf dem Schlachtfeld wie eine weitere demoralisierende Keule auf die Legionäre gewirkt haben und ihre Moral näherte sich dem Nullpunkt. Es war für sich genommen bereits verheerend und löste unter vielen schon den Ruf nach dem "Rette sich wer kann", aus. Es könnte der Moment gewesen sein in dem sich jene Kämpfer vom Schlachtfeld entfernten, die nicht ganz freiwillig am Krieg teilnahmen. Wir wissen nicht, ob sich unter ihnen kleinere Gruppen bestehend aus germanischen oder keltischen Hilfskräften befanden, die noch im Marschzug ausgeharrt hatten. Sie dürften spätestens jetzt die erste sich bietende Gelegenheit zur Flucht genutzt haben. Aber was konnte für die kampfesmutigen Germanen im Großraum hilfreicher gewesen sein, als eine hoch am Himmel stehende und weithin sichtbare Rauchsäule. Nun erkannte auch der letzte Germane den schnellsten und direktesten Weg zur Wallstatt, denn man ahnte sie jetzt schon aus großen Entfernungen. Unnötige Umwege konnten jetzt vermieden werden, man war schneller am Ort der Tragödie und brauchte nicht mehr viel zu fragen, wo es denn zur Front geht. Aber das Feuerzeichen alarmierte auch noch die Zögernden und Unentschlossenen und vielleicht auch die Ängstlichen unter ihnen um doch noch in den Kampf einzugreifen. Besser ließ sich kein Zeichen mehr setzen, als so wie es die Römer hier in ihrer Notlage taten, aber sie hatten auch allen Grund dazu. Damit fiel ein weiterer Dominostein was ihren Weg in den Untergang beschleunigte. Warum man sich die Mühe machte das Trossmaterial zu verbrennen, statt es stehen zu lassen bleibt bei oberflächlicher Betrachtung unklar. Was wollte man damit erreichen besser gesagt, was steckte in den Karren, dass man den Germanen auf keinen Fall überlassen wollte oder durfte. Brennbar musste es sein, aber warum sollte man uninteressantes Bauholz verbrennen. Werte wie Münzen, Edelmetalle oder sakral Symbolisches hatte man der Recherche zufolge gar nicht erst zu den Aufrührern mit genommen. Essgeschirr, Kleidung, Prunkobjekte, Ärztebestecke etc. könnte man noch als Ballast abgeworfen haben, aber es brannte nicht und warum sollte man es vorher beschädigen oder vernichten, man hätte es auch für die Germanen liegen lassen können um sie zu ködern oder aufzuhalten. Was blieb da also noch was die Germanen nicht besitzen sollten. Die Antwort kann eigentlich nur lauten, es müssen brennbare Gegenstände darunter gewesen sein die man unter keinen Umständen den Germanen überlassen wollte. Möglicherweise befanden sich zusätzliche Waffen darunter die sich noch zum Kämpfen eigneten und die man nicht in den Händen der Germanen sehen wollte. Weitere Holzschilde, Bögen, Pfeile, Köcher, Speere, aber auch die Holzgriffe von Äxten und Schanzwerkzeugen ließen sich auf diese Weise beschädigen, während man Dolche oder Kurzschwerter an sich nahm. Weitaus gefährlicher könnten jedoch andere schwere militärische Ausrüstungsgegenstände gewesen sein, die man in jedem Fall vor dem Ausrücken unbrauchbar machen musste. Und nicht nur das, es galt auch die dazugehörige Munition zu vernichten. Die Rede ist von schweren Ballisten etwa der Scorpio bzw. den Katapulten also den handgeführten Torsionsgeschützen. Die High Tech Waffensysteme der Antike mit denen sich Schlachten führen und gewinnen ließen, wenn man sie besitzen würde und zu verwenden wusste. Seit man im Jahre 2000 in einer Kiesgrube bei Xanten die metallenen Reste einer römischen Torsionsarmbrust fand die aus der Zeit um das Jahr Null stammte darf man davon ausgehen, dass derartige Waffen auch von Varus mitgeführt sein könnten. Nach dem Verlassen des "prima Vari castra" erwiesen sich diese komplexen Distanzwaffen jedoch aufgrund der neuen Lage als ungeeignet, denn Strategie, Gewicht und Terrain ließen ihre Nutzung nicht mehr zu. Mit diesen Gerätschaften kurzen Prozess zu machen ist die einzige Überlegung mit der sich begründen ließe, warum man die Wagen samt Inhalt in Brand setzte, obwohl es zeitraubend war, man dadurch viel Aufsehen erregte, das Risiko also bewusst einging. Es war von großer Tragweite und muss auch eine schwere Entscheidung gewesen sein, wenn es denn so war fortan auf diese Dinge verzichten zu wollen. Denn wer dies als notwendig erachtet, der hat sich schon nahezu aufgegeben und es lässt sich dem entnehmen wie gravierend und verlustreich schon der erste Kampftag verlief und zu Ende ging. Unschwer verdeutlicht es, in welch aussichtsloser Lage sich die Legionen schon am Morgen danach sahen. So roch der aufsteigende Rauch der Verbrennung für alle Kriegsteilnehmer schon mehr nach Kapitulation und weniger nach Optimismus und wirkte wie das Signal eines bevorstehenden Untergangs. Die schwarzen Wolken wurden zum Symbol dafür, dass der germanische Plan dabei war aufzugehen. Ob Varus vielleicht damit auch erreichen wollte, dass man es wie ein letztes Zeichen sehen sollte, gleichbedeutend mit einem Hilferuf an alle römischen Einheiten in der Region das Gefahr in Verzug war und man zu Hilfe kommen sollte scheint abwegig, denn wer sollte noch kommen. Vielleicht dachte man entfernt noch an die Abstellungen wusste aber nicht, dass sie sich samt des zivilen Trosses längst in den Händen der Germanen befanden. Von dort war also keine Unterstützung mehr zu erwarten. Varus könnte auch gehofft haben, dass Asprenas seine Nachricht erhalten würde, der irgendwo im Lipperaum sondierte, wo er mit unbekanntem Ziel operierte oder möglicherweise von dannen schlich. So wartete man auch auf ihn vergebens. Und wer schon nach dem ersten Kampftag vieles zurück ließ, dem fehlt auch vieles um ein zweites Lager zu errichten und man kann sich vorstellen wie die Folgenacht oder die Folgenächte verliefen. Man war sich also der Tatsache früh bewusst, dass das nächstes Nachtquartier kein geschütztes, sondern ein offenes und kaum verteidigungsfähiges Feldlager werden würde. Die Legionäre wussten wie es um sie stand und sie richteten mit der Verbrennung auch eine Botschaft an die Germanen die da lautete, wir setzen jetzt alles auf eine Karte und wir werden uns mit Waffengewalt, dem Mut der Verzweiflung und ohne unnötige Last einen Weg bis zur Lippe frei schlagen. Eine wund geschlagene und zu allem bereite Armee die um ihr nacktes Leben kämpfte bereitete sich am Morgen des zweiten Kamptages auf den Gegner vor. Man wollte also den schnellen und zügigen Durchbruch bis zu einem Schutz bietenden Lippelager erzwingen. Das Standlager Aliso "ad caput juliae" an der Lippequelle aus diesem südlichen Raum zu erreichen war aussichtslos und unnötig, denn sich nach Aliso zu begeben bedeutete einen Umweg einzugehen. So bot sich den Germanen im Dunst des Morgens ein dämonisches Bild. Eine immer noch aus vielen Kämpfern bestehende Streitmacht raufte sich nochmal zusammen. Varus hatte begriffen, dass er in diesem Lager keine aufrührerischen Stämme mehr befrieden brauchte, die sich nicht befrieden lassen wollten. Seine Erkenntnis kam zu spät, denn hier wollte sich auch niemand mehr seine Richtersprüche anhören und sich ihnen erst recht nicht beugen müssen. Varus brauchte sich in dieser prekären Lage auch nicht den Vorwurf machen, nicht auf Segestes gehört zu haben, denn auf Basis von Logik und Recherche ließ sich rekonstruieren, dass Varus von Segestes nie gewarnt wurde. Am Morgen vor dem Aufbruch und noch vor Sonnenaufgang wird man sich im Umkreis von Varus beraten und die weitere Vorgehensweise festgelegt haben. Die Lage war so klar wie ausweglos und welcher Römer wusste überhaupt über welche Wege man marschieren oder besser gesagt über welche flüchten sollte oder noch konnte, denn der germanische Feind kannte alle ihre Fluchtwege und nur die Himmelsrichtung wurde für sie zum Leitfaden und so konnte man sich auch nur nach Westen hin orientieren und sich für einen Weg entscheiden der in diese Richtung führte. Da die Germanen den Verlauf kannten, könnten sie ihn gezielt für die Flüchtenden wie zum Schein offen gehalten haben. Aus dem Hinweg auch den Rückweg zu machen, also auf dem gleichen Weg zurück nach Brakel zu marschieren schied aus und dürfte für sie keine Option mehr gewesen sein zumal die Cherusker durch ihre deutlich sichtbare Präsenz signalisierten, dass man ihn ultimativ versperrt hat. In den Nachtstunden wird Varus mit seinen Kommandeuren die Lage beraten und auch versucht haben, sich in die germanischen Überlegungen hinein zu denken. Aber gleich welchen Gedanken man verfolgte, man wusste, dass sich ihnen am nächsten Morgen erneut früher oder später die Germanen entgegen stellen würden. Im Zelt von Varus wird man alle Fluchtvarianten durchgespielt haben und nachdem was die Römer bisher erfahren mussten, konnten sie davon ausgehen, dass die Germanen bereits das Lager Aliso oder andere Lager und vielleicht sogar schon Anreppen in ihre Gewalt gebracht hatten. Würde es ihnen gelingen könnten sie nach dem Erklimmen des Saltus Anreppen umgehen und direkt auf Lippstadt zu marschieren womit die Hoffnung verbunden wäre noch auf Asprenas zu stoßen. Entsatzkräfte anderer Kastelle kurzfristig heranzuführen war aufgrund der Entfernungen und Bedingungen nahezu aussichtslos und wer begab sich schon freiwillig in die Hitze und die Hölle einer Schlacht die sich bereits durch schwarze Wolken Kilometer weit erkennbar machte. Varus hätte Meldereiter aussenden können, die jedoch nicht weit gekommen und vermutlich abgefangen worden wären. Und wohin hätte man sie auch schicken sollen, bzw. wohin hätte man überhaupt mögliche Hilfskräfte lenken und leiten sollen um auf sie irgendwo im weiten Land zu stoßen. Hilfe die am Ende ins offene Messer der Germanen geritten wäre. Varus war auf sich allein gestellt, war abgeschnürt und massiv geschwächt. Hilfe musste also entweder jetzt kommen oder das Schicksal seiner Armee hing am dünnen Faden, denn jede weitere Stunde würde bald zu neuen Verlusten führen. Folglich blieb den Römern schon am morgen des zweiten Kampftages nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera bzw. die berühmten Streichhölzer zu ziehen, welche Strecke die besseren Überlebenschancen bot. Man kann an dieser Stelle vielen Spekulationen und Gedankenspielen Raum geben, was Varus und seinem Stab in jener Nacht durch den Kopf gegangen sein könnte, aber lassen wir es dabei bewenden. Nach Lage der Dinge konnte Arminius auf Basis dieser Theorie nur zu einer Entscheidung gekommen sein, ein Plan den auch Varus durchschaut haben dürfte. Denn es blieb Varus letztlich nur ein Weg und bei diesem handelte es sich um den prähistorischen "Oberen Bördenweg", der aus Höxter kommend leicht gekrümmt auf den Saltus zuführt und nur über ihn konnte er versuchen zu entkommen. Aber auch dafür hatte Arminius Vorkehrungen getroffen und ihn in seinem Sinne präpariert, denn dieser einzige gangbare Weg war fester Bestandteil seiner Strategie und spielte ihm in die Hände und so ist nicht auszuschließen, dass dieser Fluchtweg von Beginn an in seiner Planung eine wesentliche Rolle eingenommen hatte, da es der Weg war der direkt auf den Sattel zwischen den germanischen Volksburgen zulief. Dieser Weg wurde für Varus zur zweiten Falle im Zuge der Mehrtagesschlacht, auf ihm sollte der Rest seiner Streitkräfte aufgerieben werden, denn Arminius war sich im Klaren darüber, dass sich diese Armee nicht an einem einzigen Kampftag bezwingen ließ. Was dieses Lager am Morgen nach dem ersten Angriffstag verließ war der klägliche Abglanz einer einst selbstbewussten Armee und diesen desolaten und maroden Lagerplatz wollte sicherlich keiner mehr eines rückwärts gerichteten Blickes würdigen. Der beißende Rauch der Verbrennung lag noch über dem Kampfplatz als die Kommandeure zum Aufbruch riefen. Zu diesem Zeitpunkt konnte man im Lager und seinem Umfeld noch gut die Spuren der Schlacht erkennen. Keine Bewegung entging den Germanen und sie sahen wie stark die römische Streitmacht jetzt noch war, sie überblickten ihren Zustand und schätzten die Zahl jener die man zurück ließ, da sie zu verletzt waren um zu marschieren. Derartiges zu beschreiben gehört in der Regel nicht mehr zum Aufgabengebiet von Wissenschaft und Forschung und noch weniger zum Arbeitsfeld der Archäologie da es zu viele Unabwägbarkeiten und zu wenig Belastbares enthält. Aber man muss es nach stellen und durch spielen, will man mit Hilfe der Überlieferungen von Tacitus und Dio eine Chronologie aufbauen die passt und bei der man die menschlichen Verhaltensweisen nicht unter den Tisch fallen lassen sollte. Das Verlassen des "prima Vari castra" dürfte an dem Morgen zögerlich eingesetzt haben, denn es galt rechtzeitig nach allen Richtungen zu sondieren und man erwartete möglicherweise schon früh oder unmittelbar nach dem Aufbruch auf einen germanischen Belagerungsring zu stoßen. Und so war es auch für Cassius Dio 56. 21 (1) gut nachvollziehbar als er schrieb, dass die Römer auch nach ihrem Abzug Verluste erlitten. Er beschreibt sie zwar als nicht so umfangreich wie jene vom Vortag hielt sie aber dennoch für bedeutsam und erwähnte es folglich. In welcher Phase es zu diesen Verlusten kam wird nicht deutlich, aber im Zusammenspiel mit seinen weiteren Äußerungen wird es plausibler. Für den römischen Generalstab war jetzt guter Rat teuer. Man verließ ein erbärmliches Nachtlager und keiner hatte eine rechte Vorstellung davon für welche Marschrichtung man sich nun entscheiden sollte. Aber gezwungenermaßen mangels alternativen entschied man sich dafür auf den "Oberen Bördenweg" einzuschwenken. Dort wo sie sich befanden vermutlich im Raum Schweckhausen östlich Peckelsheim kannte man die Lage der Egge, obwohl man sie nur schemenhaft wahrnehmen konnte, wenn die Wolkendecke riss. Aber man wusste, dass mit ihr irgendwo im Westen zu rechnen war. Eine schroffe geologische Barriere wartete in der Ferne auf sie und sie galt es überwinden zu müssen, wenn man wieder in die westfälische Bucht absteigen wollte, wo die ihnen bekannte Lippe floss. Da sich der Weg den sie kamen zurück nach Norden als Rückweg definitiv ausschließen lässt und ebenso auch alle Süd - und Ostrichtungen, blieb den Überlebenden nur der Weg in Richtung Borlinghausen, wo der Saltus steil zum Sintfeld anstieg, da die Egge im weiten Umkreis unpassierbar war. Oben am östlichen Sintfeldrand angekommen gab es für sie nur zwei Fluchtwege, da Aliso keine Alternative war. Der Weg zur Lippe etwa zum heutigen Lippstadt, oder die verborgene Waldvariante über den Haarweg zu wählen blieb als Alternative um zum Rhein zu entkommen. Aber die Frage welche der beiden Varianten die bessere war brauchten sie sich nicht mehr zu stellen. So gleitet es etwas ins Hypothetische ab, über welche Wege die wenigen Überlebenden letztlich den Rhein erreichten und erst recht die Frage wie lange sie dafür brauchten. (17.02.2022)

... link