Montag, 4. April 2022
Drei Kilometer vor dem "Teutoburgiensi saltu" tobte die Endschlacht im Wald "der nassen Wurzeln".
Varus hatte am dritten Marschtag das Nachtlager im Fahlenbruch verlassen, marschierte jetzt durch die germanischen Siedlungsgebiete und näherte sich dem Endschauplatz der Varusschlacht in den Waldgebieten bei Borlinghausen. Dabei werden ihn viele Augenpaare beobachtet haben. Man wird hinter ihm her gesehen, sich in ihn hinein versetzt haben, aber niemand wird ihn vor dem gewarnt haben was ihn noch erwarten sollte. Sowohl auf den maroden als auch den mentalen Zustand seiner Armee wurde im letzten Abschnitt eingegangen. Die Legionäre hatten unter den kräftezehrenden Kämpfen gelitten, so dass es einzelnen germanischen Gruppen zuzutrauen gewesen wäre, dass sie sich diese Schwäche zu nutzte machten und sich Varus am zweiten Kampftag auch schon vor dem Erreichen des Waldgebietes entgegen gestellt haben könnten. Die zusammen geschrumpfte Streitmacht hatte nur eine Chance zu entkommen. Sie musste solange wie möglich kompakt und geschlossen marschieren können. Angesichts des Feindes hatten sie keine Alternative. Ranghöhere und einfache Legionäre mussten zu einer Notgemeinschaft zusammen finden, waren aufeinander angewiesen und nur der Überlebenswille verband sie noch miteinander. Sich jetzt aufzulösen hätte zu ihrem frühen Ende geführt. Die Orientierung halten und sich auf den Saltus zu fixieren war das oberste Gebot. Die Germanen nutzten die Zeit sich auf die heran nahenden Soldaten vorzubereiten. Varus zog über den Oberen Bördenweg der heute ab Peckelsheim auf einem Teilstück den Namen Markweg trägt und hatte keine andere Wahl als die Gehölze zu durchqueren. Kämpfe im Wald werden mit List ausgetragen und begünstigen den der sie richtig anzuwenden weiß und es zwang die Römer den Marschkorridor zu verlassen. Die Germanen besaßen die Ortskenntnisse und wussten, wie man im Wald erfolgreich zu kämpfen hatte, nutzten Freiräume wie Lichtungen, umgingen versteckte Sumpfzonen und bezogen unterschiedlich dichten Baumbestand in die jeweilige Kampfstrategie ein. Was das Gelände zusätzlich tückisch machte bevor es zum Struckholz wieder ansteigt war eine etwa 200 Meter breite und lang gestreckte versumpfte Bachaue. Sie dehnte sich in Nordsüdrichtung aus und stellte ein weiteres natürliches Hindernis mit der Fließrichtung zur Helmerte dar, in dem sich heute mittig der Markhof befindet. Auch diese hätte Varus zu überwinden gehabt. Eine Senke die sich möglicherweise als fundreich erweisen könnte. Natur entwöhnten "Städtern" könnte der allseits bekannte "Sherwood Forest" in dieser Phase einen vorsichtigen Eindruck vermitteln. In Rudeln werden sie an zuvor bestimmten Wegeabschnitten aus dem Unterholz brechend von mehreren Seiten gleichzeitig angegriffen haben und zogen sich je nach Gegenwehr wieder zurück um die Attacke wenig später zu wiederholen. Und in Waldgebieten sind bekanntlich viele Formen und Methoden der Kriegsführung denkbar. So könnte man es sich vorstellen und möchte man sich in dieses Szenario tiefer hinein begeben, dann kommen uns dazu die eindrucksvollen Hinweise von Cassius Dio zugute an denen sich orientieren lässt. In der Textstelle 56.21 ( 2 ) geht er erstaunlich umfangreich darauf ein und man kann detailliert nach lesen wie der römische Marschzug im Wald zerfiel bis er auseinander brach. Genau so wie es aus Sicht der römischen Armee nie hätte passieren dürfen und so wirkt es auch auf unser Vorstellungsvermögen nicht überraschend, denn so finden Gefechte unter derartigen Bedingungen statt. Die Kämpfe tobten jetzt möglicherweise in den Waldgebieten um den Löwener - den Hodden - und dem Klusberg. Vielleicht wähnten sie sich noch angespornt von den stummen Seelen der in den zahlreichen Grabkammern und Hügelgräbern schlummernden Altvorderen setzten sich gerade hier mit gesteigerter Inbrunst zur Wehr. Eine Zeit in der man die Mythen noch pflegte, wo die Ruhestätten noch gut erkennbar waren und aus Gründen der Ehrfurcht auch noch von keinen Raubgräbern heim gesucht oder von Verfechter der neuen Glaubensrichtung eingeebnet waren. Cassius Dio ließ jedenfalls keinen Zweifel daran wie heftig und mörderisch sich die Kämpfe in den Waldgebieten zutrugen. Er schreibt sinngemäß, dass man sich unter schwersten Verlusten gegen die Germanen zur Wehr setzen musste zumal der dichte Wald sie einschnürte und sie zwang auf engstem Raum kämpfen zu müssen. Sie standen sich sprichwörtlich gegenseitig auf den Füßen und es war ihnen jeglicher Bewegungsraum genommen um in geschlossenen Formationen angreifen zu können. Alles engte sich zusätzlich ein, wenn die mit schweren Waffen ausgerüsteten Legionäre ihn noch mit der eigenen Reiterei teilen mussten. Eine Gemengelage wodurch ihnen der Gebrauch ihrer Waffen stark eingeschränkt war. Hier braucht man auch keine Spekulationen oder Phantasien mehr zu bemühen, denn Cassius Dio beschreibt es mit wenigen Worten drastisch, überzeugend und realitätsnah, so dass sich jeglicher Zweifel an der desolaten Lage der Armee erübrigt. So bietet er uns auch einen sehr verständlichen Abriss von den Zweikämpfen wie sie sich im Wald zutrugen. Eine der gängigen Übersetzungen seiner Zeilen liest sich wie folgt:

".......dann gerieten sie erneut in Waldgebiete, darin setzten sie sich zwar gegen die Germanen zur Wehr, hatten aber ihre größten Verluste dann, wenn die schwer bewaffneten Legionäre durch den engen Raum gezwungen waren dicht zusammen gerückt in geschlossener Formation gemeinsam mit der Reiterei gegen die Feinde vorgehen wollten. Dabei brachten sie sich im Gedränge gegenseitig zu Fall, oder glitten auf nassen Baumwurzeln aus".

Und wer zu solch dramatischen Detailschilderungen greift der will seinen Lesern auch die physischen Belastungen der Legionäre hautnah spüren lassen. Ein Geschehen, das sich nicht beschönigen lässt. Es fällt dabei aber auch die inhaltliche Beschreibung auf wie sie nur von den daran unmittelbar beteiligten Teilnehmern der Kämpfe weiter gegeben worden sein konnte, denen noch die Flucht gelang. Diese Darstellung bedarf keines verschärfendes Hinzutuns mehr und am Abend dieses Tages dürfte die Armee nur noch ein Schatten einstiger Wehrhaftigkeit gewesen sein. Es war die zweite Großschlacht innerhalb von zwei Tagen und während der erste Kampftag Varus noch unvorbereitet traf, sorgte der dichte und nasse Wald am zweiten Tag dafür, dass die Germanen ihren nächsten Trumpf ausspielen konnten. Man kann auch versuchen den Verlauf des Tages über eine Zeitschiene zu rekapitulieren. Demnach räumte Varus, nachdem man das überflüssige Material zurück ließ oder es verbrannte gegen Morgen das alte Nachtlager. Von da an bis in den rund 7 Kilometer Marschdistanz entfernten "Markwegsumpf" in dessen Umfeld es zur Entscheidungsschlacht kommen sollte eine Marschzeit in den Raum zu stellen ist eine Herausforderung. Aber auf dieser Basis lässt sich ermitteln, wann die Kämpfe begannen und wann sie endeten. Vom Zeitrahmen her betrachtet entsprach der Verlauf in etwa auch dem des ersten Kampftages, denn man darf auch hier um die Mittagszeit mit dem Ausbruch der Kämpfe rechnen. Varus näherte sich dem Kampfgebiet konnte aber dieses Mal davon ausgehen, dass man ihn früher oder später angreifen würde, was für ihn am ersten Kampftag nicht ersichtlich war da es für ihn überraschend kam. Natürlich wirkt es abstrakt, möchte man die längst vergangenen geschichtlichen Abläufe in einem auf den ersten Blick unverdächtigen Terrain spekulativ nachstellen in dessen Boden noch kein Zufallsfund gelang und in dem man noch nicht gesucht hat. Eine Region der nach 2000 Jahren nicht nur die Vegetation ein neues Gesicht verlieh. Es sind auch die Menschen die es heute besiedeln und nutzen, denen die alten Zeiten fremd geworden sind und für die es unvorstellbar ist, was sich einst unter ihren Füßen zugetragen haben könnte. Sich eine Vorstellung zu schaffen und dann die Meinung vertreten zu wollen schon die dazu passende Landschaft gefunden zu haben klingt bizarr. Möchte man der Vision aber das Groteske entziehen, dann kann es nur funktionieren, wenn man über eine Fülle von Argumenten verfügt, worauf basierend sich die gewünschte Überzeugungskraft einstellen kann. Kann man sie nicht liefern, fallen sie zu mager aus oder schlägt das Herz des Heimatforschers zu hoch, dann trübt sich der klare Blick, Blüten treiben am falschen Ort und das Wunsch- wird zum Zerrbild. Dem lässt sich nur entgegen wirken, wenn man mit einer Vielzahl plausibler Indizien aufwarten kann. Überträgt man diese auf das Weichbild der Nethegauregion, lassen sich aus einer Mischung von Realität und Imaginärem die letzten Stunden des römischen Feldherrn durchaus heraus arbeiten. Was dann verwundert ist die Erkenntnis, wie sich so manches was die heutige Topographie her gibt noch mit dem deckt, was uns die wenigen antiken Historiker hinterlassen haben und das auch obwohl sie die Landschaft etwas zu urgewaltig erscheinen ließen. Angereichert durch die schriftlichen Überlieferungen und die zahlreichen Fundhinweise vom Luftbild bis zur festen Materie nimmt das "Puzzlebild Varusschlacht" zunehmend Gestalt an. Mit diesem Wissen im Hintergrund ein dazu gehöriges bewegliches Bühnenbild entstehen zu lassen, wirkt dann schon fasst problemlos. Es gilt die Aspekte heraus zu arbeiten die die Logik stören könnten. Möchte man sich für die geschätzte Distanz von 7 Kilometern im Zuge der Rekonstruktion vom "prima Vari castra" in das besagte Waldgebiet auf eine Marschzeit festlegen so gilt es sich mit den spezifischen Marschbedingungen auseinander zusetzen. Denn es könnte der Eindruck entstehen das die Distanz, also die räumliche Nähe die sich zwischen dem zweiten Notlager, folglich dem "prima Vari castra" und dem dritten Notlager ergibt zu irritierenden Vorstellungen hinsichtlich des dafür benötigten Marschzeitbedarfs kommt. Dieser Marschtag der vorzeitig enden sollte, da die Germanen ihn stoppten erforderte trotz der relativ kurzen Entfernung von nur etwa 7 Kilometern eine nicht zu unterschätzende Anmarschzeit. So muss man sich in Erinnerung rufen, dass hier eine stark geschwächte Armee nicht mehr sehr flott auf den Beinen gewesen sein konnte, denen schon größtenteils keine Pferde und erst recht keine Zugtiere mehr zur Verfügung standen. Obwohl der Theorie nach die Hauptschlacht im Wald ausgetragen wurde, wie es auch Cassius Dio erwähnte und nicht im Offenland wissen wir, dass es bereits auf dem Hinweg zu Verlusten im Zuge vereinzelter Scharmützeln kam die das Fortkommen erschwerten, so dass man hinsichtlich der zurück gelegten Kilometer auch die Intensität dieses Kampfgeschehens mit einzubeziehen hat. Für den Marsch eine Zeitspanne von 3 - 4 Stunden anzusetzen könnte durchaus realistisch sein und man kann zu der Einschätzung gelangen, dass es den Legionen an diesem dritten Marschtag "sogar noch" gelang in dieser Zeit immerhin noch sieben Kilometer zurück legen zu können. Ähnliches galt auch für den ersten Kampftag, dem zweiten Marschtag von Brakel in den Fahlenbruch. Denn auch an diesem Tag schaffte man kampfbedingt "immerhin" noch rund 11 Luftkilometer. An beiden Tagen kam es zu zeitraubenden Marschgefechten und es herrschten keine "Schönwetterbedingungen". Damit möchte der Verfasser auf die zahlreichen abstrakten Hochrechnungen anspielen die in den seltensten Fällen auch nur annähernd die Marschbedingungen bei Feindeinwirkung wieder spiegeln können. So orientiert man sich gerne an den viel zitierten 25 Kilometern, der durchschnittlichen Tagesmarschleistung einer römischen Legion die häufig angesetzt wird, wenn es um deren Fortbewegung geht. Denn marschieren und gleichzeitig kämpfen zu müssen lässt sich schwerlich miteinander verbinden. Man verfängt sich, da sich unter diesen Bedingungen eine Marschdistanz nicht in eine Marschzeit umrechnen oder ausdrücken lässt. So können nicht nur, sondern müssen sogar Geländegewinne unter Gefechtsbedingungen schon mal sehr mager ausfallen, können sich zudem und das wenig zielführend auch seit- oder rückwärts entwickeln, bevor man wieder in eine Marschordnung und Richtung zurück findet. Denn ein Gefecht bleibt immer ein Gefecht, ob man es auf dem Marsch oder wo und wie auch immer austrägt. Allein der Hinweis von Cassius Dio, dass es schon nach dem Verlassen des Lagers zu Verlusten am dritten Marschtag kam, könnte den Zug schon um Stunden zurück geworfen haben, wodurch die Schlacht im Wald verspäteter ausbrach. Abhängig von Ausmarschzeitpunkt, Marschtempo und kampfbedingtem Zeitverlust ist es also denkbar, dass Varus erst im Laufe des Nachmittages das Waldgebiet zwischen Peckelsheim und Borlinghausen erreichte. Nun aber angekommen in dem Wald, in dem man sechs Jahre später auf die angenagelten Schädel der Legionäre traf, waren die Wurzeln entweder noch nass von den Vortagen oder neuer Regen hatte eingesetzt und sie glatt werden lassen. Die sich nun entwickelten Kampfbedingungen waren wie dargestellt für beide Seiten extrem und brachten die Legionäre ihrer Niederlage immer näher. Arminius wollte hier vermutlich die Entscheidung erzwingen was ihm aber nicht gelang, denn Cassius Dio erwähnt noch einen Marsch am vierten Tag. Der erste Marschtag war bekanntlich der angenehmste und er verlief von Höxter/Corvey aus ins 25 Kilometer entfernte Brakel, wo ein schon bezugsfertiges Nachtlager auf sie wartete. Der zweite Marschtag von Brakel zum Fahlenbruch wurde zum ersten Kampftag und endete im dort vermuteten "prima Vari castra". Am dritten Marschtag verließ man dieses Notlager, genoss die weite Aussicht und geriet zunächst in kleinere Gefechte und dann westlich von Peckelsheim in die nächste Schlacht. Wo die Überlebenden am Ende des zweiten Kampftages nächtigten verriet uns Cassius Dio noch nicht einmal ansatzweise. Denn seine Überlieferung zu diesem dritten Marschtag riss unmittelbar ab, nachdem er die kritischen Kampfbedingungen im Wald geschildert hatte. Dafür verfügen wir aber noch über eine andere Quelle die über die Ereignisse wie sie Cassius Dio darstellte berichtet hat. Es war Tacitus der über die gleiche Episode schrieb, allerdings so wie sie sechs Jahre später von den Überlebenden dargestellt wurde und wie Germanicus es noch mit eigenen Augen den Örtlichkeiten entnehmen konnte. Cassius Dio hingegen konnte nur das weiter geben, was in den Quellen seiner Zeit stand und da las er bekanntlich nichts von dem was Germanicus sah und Tacitus später verfasste. Hier offenbart sich das bekannte Rätsel und die ewige Frage warum Cassius Dio nicht auf die Schriften von Tacitus zurück griff. Vielleicht kannte er sie gar nicht, oder er wollte sie nicht nutzen. So berichten zwar Dio und Tacitus über das gleiche Ereignis, aber auf den ersten Blick lässt es sich nicht kompatibel machen. Es waren wie es nicht anders sein kann die überlebenden Schlachtenteilnehmer die Germanicus 15 + den Weg zu den Schauplätzen zeigen konnten. Aber den Schilderungen von Cassius Dio ist zu entnehmen, dass auch er rund 200 Jahre später für seine Abhandlungen auf Augenzeugenberichte zurück greifen konnte. So konnten beide das alte Wissen verarbeiten, aber sie stellten es aus unterschiedlichen Sichtwinkeln dar und wichen folglich voneinander ab. Die Überlebenden die Germanicus zum Schlachtfeld führen konnten und worüber Tacitus berichtete, erzählten nichts davon, wie sie am zweiten Kampftag auf engstem Raum im Wald auf glatten Wurzeln ausrutschten und von Pferden behindert unter widrigsten Bedingungen kämpfen mussten und die Überlebenden auf deren Berichte sich Cassius Dio stützte hinterließen nichts darüber wie es im nächsten Nachtlager aussah, wie sein Zustand war und welchen Eindruck es machte, was darin vorging oder wo die Legaten fielen. Das wiederum wussten nur die Legionäre die sechs Jahre nach der Schlacht mit Germanicus die Schlachtorte aufsuchten als in ihnen die bittere Erinnerung wieder hoch kam. Folglich zwei historische Stückwerke die es mit einander zu verbinden gilt. Aber dafür blickten die überlebenden Legionäre gemeinsam mit Germanicus an der Marschstrecke vom "prima Vari castra" zum letzten Varus Nachtlager auf die dort immer noch verstreut liegenden bleichen Gebeine der getöteten Legionäre und erkannten auch die zerstörten Reste der einst benutzten Waffen und sie sahen auf die Gerippe der Pferde. Sie stießen möglicherweise auf die Knochenreste jener Römer und ihrer Pferde die dort nach dem Verlassen des Nachtlagers ihr Ende fanden, so wie es Cassius Dio hinterließ als er jene Verlusten erwähnte. Germanicus, Cäcina und die Überlebenden waren hier im Fahlenbruch schon weit in Feindesland vorgedrungen und müssten bei ihrem Ritt zurück vom "prima Vari castra" zum Notlager auch die Skelettteile gesehen haben, die noch verstreut in jenem Wald lagen, wo nach Cassius Dio nicht nur die nassen Wurzeln die Bemühungen der Legionäre zunichte machten. So waren es im ersten Varuslager offensichtlich nur die Dimensionen und die Absteckungen die den Betrachtern um Germanicus in der Kürze der Zeit ins Auge fielen, während sie von den verbrannten Ochsenkarren nach sechs Jahren nichts mehr erkennen konnten oder nicht darüber berichteten. Dio und Tacitus konnten uns auch über den Standort des zweiten Nachtlagers nichts sagen, was auch nicht verwundert. Denn wie hätte man dem katastrophalen provisorischen Zustand dieses Lagers bestehend aus halb zerfallenen Wällen und einem flachen Graben davor auch noch einen örtlichen Bezug geben sollen. Zumal sich selbst das Hauptlager möglicherweise im Fahlenbruch als kaum erkennbar zeigt. Aber die Überlebenden wussten auch 15 + noch wo sich das einstige Notlager befand. Es musste für sie noch Hinweise gegeben haben um es nach sechs Jahren auffinden und Germanicus führen zu können. Versteckt mitten im Wald wäre es für sie wohl schwierig geworden, aber in exponierter Lage ließ es sich nach sechs Jahren noch entdecken. Das Lager, das die stark dezimierten Reste der einstigem Legionen zur Nacht nutzten. Beträchtlich geschrumpft bringt deutlich zum Ausdruck, dass die Schlacht am zweiten Kampftag äußerst verlustreich war, sagt aber nichts über die Anzahl derer aus, die trotzdem diese heftigen Kämpfe noch überlebt hatten und sich in diesem Notlager verschanzen konnten. Der Wall wurde von den Männern im Jahre 15 + als halb zerstört beschrieben. Ob dies im Zuge der Kämpfe geschah oder ob er nur den Eindruck einer Zerstörung machte, weil man ihn gar nicht mehr zu Ende schaufeln konnte oder das er in den vergangenen sechs Jahren nach der Schlacht aus anderen Gründen beschädigt bzw. eingerissen wurde bleibt offen. Gleiches könnte auch für den Graben gelten, den man als zu flach ausgehoben beschrieb, da man die Arbeiten nicht weiter ausführen konnte. Das die Begleiter von Germanicus einen Hinweis geben konnten, wohinter oder worin sich die dezimierte Kampftruppe verschanzte, die sich nach der Waldschlacht in eben dieses Notlager retten konnte erstaunt, denn den Äußerungen von Cassius Dio lässt sich nichts dergleichen entnehmen. Ein interessanter Hinweis, der zwar keinen Anhaltspunkt über deren personelle Stärke erlaubt aber doch verdeutlicht, dass die Marschschlacht an diesem zweiten Kampftages noch nicht zu Ende war und noch ein vierter Marschtag anstand an dem weiter gekämpft wurde. Die Legionäre die es bis hierhin geschafft hatten mussten am Rande ihrer Erschöpfung gewesen sein und man darf wohl davon ausgehen, dass auch dieser Kampftag erst mit dem Einbruch der Dunkelheit endete. Möchte man es gipfeln lassen, dann wollten die Germanen auch noch andere Kämpfer, Sippen und Stämme daran teilhaben lassen und man ließ schon vor der Zeit von den Legionären ab, da man sie in der sprichwörtlichen Falle hatte. Und wieder konnten sich die Germanen Zeit lassen, hatten es nicht nötig eine Entscheidung zu erzwingen und konnten geduldig und gefahrlos den nächsten Tag erwarten. Ob es den Legionären noch gelang nach den Kämpfen einen längeren Marsch durchzuhalten darf bestritten werden, so dürfte man sich unweit des Kampfgebietes nieder gelassen und dort das Notlager errichtet haben. Da den Überlebenden am Abend des zweiten Kampftages ihr Schicksal bewusst wurde, dürfte sich jeder zur Flucht Entschlossene seinen eigenen Plan auf eigene Faust geschmiedet haben. In der Gruppe zu bleiben barg möglicherweise das größere Risiko in sich. Natürlich ist es mit viel Glück möglich auch noch dieses zweite Notlager in der Landschaft aufzufinden, was sich aber als weitaus schwieriger gestalten dürfte, als es bei dem umfänglicheren ersten Nachtlager im Fahlenbruch gelungen sein könnte. Da es sich dieser Theorie zufolge aber in der Region befunden haben sollte ist es nicht völlig aussichtslos es zumindest räumlich zu verorten. Dabei kommt uns vielleicht das Ereignis aus dem Jahre 772 zu Hilfe, denn der Lagerort könnte mit dem Standort der "Arminiussul" deckungsgleich gewesen sein. (04.04.2022)

... link


Freitag, 1. April 2022
Das Geschehen am 3. Marschtag - Dem 2. Kampftag - Versuch einer Rekonstruktion
Auch die Nacht im Notlager I., dem möglichen "prima Vari castra" fand mal ein Ende und die noch verbliebenen kampffähigen Legionäre verließen es irgendwann in den Morgenstunden. Ihre Konstitution entsprach den Umständen, ihre Zuversicht vom Vortag war dahin und ihr Selbstvertrauen angeschlagen. Aus den einst souverän auftretenden Offizieren wurden Gejagte im fremden Land. Einstige Unbefangenheit und Gutgläubigkeit hatte sich als Trugschluss erwiesen, der Generalstab hatte seinen Irrtum zu spät erkannt und der eigentliche Grund für den Marsch einen Aufruhrs zu beenden hatte in Gänze an Bedeutung verloren. Die einstige Überlegenheit war innerhalb von 24 Stunden verflogen, Verzweiflung stand ihnen ins Gesicht geschrieben, ihr Weitermarsch wurde zur Flucht und der Feind schien jetzt allgegenwärtig. So in etwa darf man ohne Übertreibung den Zustand der Armee beschreiben, nach dem was uns Cassius Dio verraten hatte. Anknüpfend an den letzten Abschnitt bewegte sich der angeschlagene römische Kriegszug dieser Theorie nach am zweiten Kampftag auf dem "Oberen Bördenweg" aus Richtung Fahlenbruch/Schweckhausen kommend nach Westen auf das heutige Peckelsheim zu. An der Nordwestflanke der Börde etwa am Oberlauf der Taufnethe angekommen trennten ihn jetzt noch etwa 8 Kilometer Luftlinie vom Einstieg in den Saltus. Bis in die Umgebung der Ortschaft Löwen marschierten sie vermutlich durch das besagte Offenland der Börde. Ein Gelände das für verdeckte germanische Angriffe nur begrenzt geeignet war. So sollte man annehmen, dass sie bis dorthin weitgehend unbehelligt blieben, worüber aber Cassius Dio andere Informationen vorlagen. Denn er berichtete auch über römische Verluste in der Phase des Abzuges. Der Ort Löwen nutzt übrigens seine exponierte Lage an der Bördekante als touristisches Aushängeschild und wirbt mit dem Slogan "Ein Dorf mit Weitblick"!. Dem hätte wohl Varus auch nichts entgegen zu setzen gehabt. Denn er empfand es vermutlich so wie es auch Cassius Dio hinterließ indem dieser am Morgen nach dem Verlassen des Lagers offenes Land erreichte. Germanien war damals durchgängig von Wald - Sumpf und Moorland überzogen und die Siedlungen der Bewohner lagen je nach Bodenqualität darin verstreut. Im Betrachtungsraum hatte es den Charakter einer Mittelgebirgsregion und war zudem geprägt von Fluss- und Bachauen samt ihren Niederungen. Mit Ausnahme der Börde dürften die unwirtlichen Böden einer auskömmlichen Landwirtschaft in weiten Bereichen entgegen gestanden haben. Da man unter Offenland aber zunächst ackerbaulich nutzbare Gegenden verstand, Kornkammer dürfte zu hoch gegriffen sein, darf man sich trotzdem die Frage stellen, wo man im Großraum vor rund 2000 Jahren eine derart begünstigte Region noch hätte antreffen können als hier, wo sich Börde als geschlossenes Anbaugebiet zeigte und eine heraus ragende Bedeutung besaß. Unzugängliche, schlecht nutzbare und zudem lang überflutete Flusslandschaften mit hohem Wasserstand zwang die Menschen Anhöhen zu nutzen und sicherlich half man auch damals schon nach in dem man sich zusätzliche Trockenzonen schuf um dem Boden bei Bedarf mehr Nahrung abgewinnen zu können. Viele der in Ostwestfalen diskutierten Varusschlachtfelder lassen sich nur mit Abstrichen mit der hier deutlich zum Ausdruck gekommenen Beschreibung "Offenland" in Verbindung bringen und die antiken Historiker erwähnten die darin liegenden Siedlungsinseln nur wenn sie im Zuge römischer Rachefeldzüge partiell verwüstet wurden. Aber hier vermutlich südlich von Schweckhausen wurden die Legionen und das vielleicht sogar unerwartet mit einer ungewöhnlich reichhaltigen Agrarlandschaft konfrontiert. Aus den Worten von Cassius Dio spricht somit auch Tröstliches und Positives und es lässt sich bei ihm ein leicht euphorischer Unterton heraus hören. Wie ein Blick in die teilweise Jahrhunderte alte Literatur zur Varusschlacht zeigt, hat man sich bislang nicht mit der nötigen Sorgfalt auf den Gesamtablauf der Varusschlacht konzentriert und näherte sich ihr bzw. beleuchtete meist nur Teilaspekte daraus. Griff mal diese oder jene Textstelle heraus bezog aber nie alle möglichen Aspekte mit ein.
Sinnvoller wäre es immer schon gewesen, ein alles umfassendes, belastbares und disziplinübergreifendes Fundament zu entwerfen in das man die zahlreichen Hinweise hätte einfügen können. So verwundert es auch nicht das noch kein Historiker die Örtlichkeiten zwischen Brakel, Schweck- und Borlinghausen näher in Betracht gezogen hat, zumal die Region nicht nur einen Saltus vorweisen kann, sondern sich auch mit dem Standort der "Arminiussäule" in Verbindung bringen lässt, einer weiteren besonderen Auffälligkeit gleich einem Alleinstellungsmerkmal. Gerät die Laienforschung in Erklärungsnöte bemüht sie gerne den Zufall. Aber war es auch ein Zufall, dass man Varus möglicherweise mithilfe des "sugambrischen Marsergespenstes" in den südlichen Nethegau lockte und lehrt nicht die vielerorts sichtbar gewordene weil durchdachte Herangehensweise des Arminius, dass dieser Mann wenig dem Zufall überließ ? Dann war es auch kein Zufall, dass er Varus genau dorthin lotste, wo er die größten Siegeschancen sah und sich genügend Kämpfer gegen Varus mobilisieren ließen. Soweit die Theorie in der Theorie. Schaut man sich die zahlreichen und oftmals akrobatischen Rechenspiele mancher in historischen Dimensionen denkenden Geschichtsfreunde an, so scheitern selbst plausible Überlegungen oftmals schnell am Vorstellungsvermögen über die Anzahl der Germanen die damals zur Verfügung standen um gegen Varus kämpfen zu können. Fielen die Prognosen, Schätzungen und Annahmen zu niedrig aus, dann stellte man schlicht und einfach fest, dass die Varusschlacht nur ein mindergroßes und maßlos übertrieben dargestelltes, gar aufgebauschtes Ereignis deutscher Geschichte gewesen sein musste. Lag der Fall umgekehrt, dann hatten da wohl doch noch ein paar mehr Germanen in der Region gelebt als allgemein angenommen. Strotzten dann die Hochrechnungen also nur so vor Massen an germanischen Kämpfern, dann war dies schlichtweg unmöglich, da Ostwestfalen damals soviel Mäuler gar nicht stopfen konnte. Verwirrung löste dann allerdings wieder Paterculus aus, der von gewaltigen drei untergegangenen Legionen et cetera sprach, oder Florus der dann diese in ihrer Gesamtheit nahe oder innerhalb eines einzigen Lagers untergehen sah, was dann wiederum die Rechenkünste beflügelte und hoch gesteckte Kalkulationen nach sich zog, die für eine erhebliche germanische Überlegenheit gesprochen hätten. Die Antwort liegt wie sich im Zuge der vielen Kapitel heraus arbeiten ließ in der Mitte. Die Germanen hatten sich nach Lage der Dinge um das Jahr 9 + keiner unbesiegbaren römischen Übermacht entgegen zu stellen. Das Unternehmen war von Anfang an nicht aussichtslos und ihren Sieg begünstigte nicht nur der Heimvorteil, sondern auch noch zahlreiche andere Faktoren. Im Zuge dieser Analyse bietet sich zusätzlich die Hypothese an, dass die geschwächte Armee, da in sich ausgehöhlt und entleert, frei nach Marbod nur noch aus einer Hülle einstiger Kampfkraft bestehend sich nun einer stabilen, gesunden und gut genährten germanischen Landbevölkerung gegenüber sah, die zudem von einem exzellenten Germanenfürsten angeführt wurde. Und da lebten sie nun, empfingen Varus quasi vor ihrer Haustür und die Distanzen die die "Bördegermanen" von dort aus zum Schlachtgebiet zurück zu legen hatten waren überschaubar und alles hilft die Frage zu beantworten wie relativ einfach es doch gewesen sein könnte, die Reste der Varusarmee am zweiten Kampftag nieder zu kämpfen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich auf Basis einer Mehrtagesschlacht der Marschzug schon am ersten noch kampflosen Tag über einen Anmarschweg von Höxter nach Brakel über 25 Km erstreckte und an vielen germanischen Höfen und Siedlungen vorbei führte. Man durchquerte bewohntes Gebiet wo Sippschaften lebten unter denen sich wiederum viele Familienangehörige befanden, die Waffen führen konnten und wollten und bewegte sich beileibe nicht durch menschenleeres Ödland. Und vermutlich erst ab Hampenhausen begannen die Gefechte wo man in den Schlachtenkorridor eintrat. So lässt sich betonen, dass die Germanen definitiv keinen Mangel an Kämpfern gehabt haben dürften. Sorgen machen musste sich Arminius wohl eher um deren Ausdauer. Aber nochmal zurück zum Schauplatz bzw. zu jenem Morgen als die Varusarmee ihr, nennen wir es Basislager I. und nicht "prima Vari castra" (Tacitus) oder "Waldgebirge Lager" (Cassius Dio) oder "Gerichtslager" (Florus) bzw. "Eggius Lager" (Paterculus) verließ. Cassius Dio berichtete, dass die Römer "nach dem Verlassen" erneut Verluste zu beklagen hatten. Aber er drückt dies nicht in der drastischen Weise aus mit der er die Kämpfe beschrieb, die noch am gleichen Tag zu späterer Stunde im dichten Wald folgen sollten. Er zieht alles in einen knappen Kontext und benötigt dazu nur einen Satz der da lautet.

"Am nächsten Tag rückten sie in etwas besserer Ordnung vor, erreichten sogar offenes Land, kamen aber nicht ohne Verluste davon".

Was man sich unter der kurzen Darstellung "kamen nicht ohne Verluste davon" vorzustellen hat ist für die Verlaufsforschung der Varusschlacht nicht unbedingt relevant, aber dennoch nicht uninteressant. Denn man kann den Eindruck gewinnen, dass die Germanen der römischen Armee nach dem Verlassen des Lagers keine Verschnaufpause mehr gönnten. Genauso kann es sich aber auch nur um ein einzelnes Gefecht gehandelt haben, dass sich unmittelbar nach dem Verlassen des Lagers oder im Verlauf des Vormittages entspannte. Da wie bereits dargestellt die Germanen am längeren Hebel saßen und in dieser Phase keinen erhöhten Druck aufbauen brauchten könnte man diesen Hinweis auch als ein kurzzeitiges Geplänkel oder Scharmützel begreifen. Glaubt man Cassius Dio, was uns wohl nicht anderes übrig bleibt, dann hatte Varus dort zweifellos Verluste zu beklagen. Der Lesart zufolge nahmen sie aber keine die Mehrtagesschlacht betreffend wesentlichen Ausmaße an und tangierten den Weiterzug auch nicht in seiner Grundausrichtung. Es klingt eher nach einem weiteren Aderlass, den Varus erneut über sich und seine Armee ergehen lassen musste zumal im Offenland zu kämpfen für die Germanen aus taktischen Gründen nicht unbedingt ratsam war. Es war aber auch ein Hinweis darauf wie leidvoll und zermürbend Varus sich, ständig Angriffe befürchten zu müssen, vielleicht schon fasst apathisch wirkend und nahezu schicksalsergebend fortzubewegen schien. Andererseits sollte man die Varus noch verbliebene Schlagkraft, die erst in der Waldschlacht gebrochen wurde während des Marschgeschehens noch nicht unterschätzen. So hatte er also das im Zuge des Abzuges zur Plünderung frei gegebene Nachtlager verlassen, blickte zu Beginn und auch während des Marsches in die lichte Weite der Bördelandschaft wurde attackiert und zog weiter nach Westen in Richtung Saltus wofür er den einzig vorhandenen Weg nutzte. Irgendwann hatten die Germanen vom Nachtlager abgelassen, suchten auf parallelen Pfaden Anschluss an die römischen Verbände oder ritten ihnen einfach nur nach. Als dann die, nennen wir sie mal "plündernde Horde" den Anschlus an Varus gefunden hatte kam es möglicherweise zu dem besagten mit Verlusten verbundenen Aufeinandertreffen, dass aber kein Vergleich mit dem war, was Varus noch bevor stand. Soweit das Geschehen im rückwärtigen Bereich des römischen Marschzuges. Denn andere Germanen könnten unterdessen schon damit beschäftigt gewesen sein, sich dort zu positionieren wo Varus im Verlauf seines Marschzuges vorbei kommen musste, anders ausgedrückt sie bezogen ihre Stellungen von wo aus sie die weiteren Gefechte aufnehmen wollten. Varus rückte weiter vor und hatte jetzt westlich von Peckelsheim die Börde verlassen. Hier stieg nun das Gelände an und das bisherige Offenland ging in das ungute Waldland über. Was dann geschah verrät ein Blick in die Übersetzung der Cassius Dio Textstelle 56.21 (2) der unseren Wissenstand unter Verwendung aktueller Wortwahl verdeutlicht.

"Von dort aus (damit ist das letzte Lager gemeint) gelangten sie wieder in Waldgebiete in denen sie sich gegen ihre Angreifer zur Wehr setzten. Da sich Kavallerie und Infanterie zwischen den Bäumen auf engstem Raum fortbewegen mussten, behinderten sie sich im Kampfe gegenseitig und erlitten dadurch schwerste Verluste".

Ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass man nun das baumlose Offenland verlassen hatte. Nach den Kämpfen vor und im Fahlenbruch und den Verlusten im Verlauf des Vormittags nach dem Verlassen des Nachtlagers scheinen die Kämpfe im Wald die endgültige Niederlage eingeleitet und nahezu besiegelt haben.

"Und nun wurde der Zug des Varus der zudem von heftigen Regengüssen und Wind begleitet war, erneut angegriffen. Die Legionäre kamen nur schwer voran konnten keinen Tritt fassen und die Wetterverhältnisse hinderten sie am Gebrauch ihrer Waffen. Denn sie konnten weder mit ihren Bögen noch mit ihren Wurfspeeren, noch mit ihren Schilden erfolgreich agieren, da diese völlig durchnässt waren und immer schwerer wurden. Ihre germanischen Gegner hingegen litten weniger darunter, da sie leicht ausgerüstet waren, sich ungehindert annähern und nach belieben wieder zurückziehen konnten. Darüber hinaus hatten die feindlichen Streitkräfte stark zugenommen, da viele von ihnen, die zunächst wankten, sich aber nun in der Erwartung plündern zu können ihnen anschlossen. So konnten sie die Römer leichter einkreisen und nieder schlagen, deren Reihen jetzt ausgedünnt waren, da in den früheren Kämpfen schon viele umgekommen waren". 

Das fatale und extrem verlustreiche wird in dieser Phase deutlich und Cassius Dio eröffnet damit den Schlussakt. Soweit auszugsweise die Interpretation der Textstelle 56.21. Und wieder ist es nur ein einziges scheinbar unauffälliges Wort, das uns hier weiter hilft. Es lautet der Übersetzung nach schlicht und einfach "wieder" kann aber auch mit "erneut" übersetzt werden. So bedeutet es, dass man aus dem Wald des letzten Nachtlagers heraus kam, vorübergehend in der offenen Landschaft unterwegs war, während dessen auch Verluste erlitt, dann aber "wieder" in tückische Waldgebiete eintauchte. Ein Blick auf die Landkarte und der Verlauf der Strecke zeigt es an. Denn daran lässt sich ablesen, wo es sich in etwa zugetragen haben könnte. Sie kamen von Schweckhausen, ihr Zugkorridor war durch den Oberen Bördenweg vorgegeben und der Saltus sollte den Endpunkt markieren. Man hielt sich demnach westlich von Peckelsheim auf und ab dort veränderte sich zusehend wieder die Landschaft zu dem aus römischer Sicht betrachteten Nachteil, da man hier den Nordwestwinkel der Warburger Börde verlassen musste. Das heutige Löwen befand sich südwestlich von Varus und im Westen lagen vor dem Saltus jetzt nur noch zwei bewaldete leichte Höhenrücken die aber den Blick auf die dahinter liegende Egge noch etwas versperrten. Aber die Unvergänglichkeit der Geographie hält sich auch heute noch an die Beschreibung die uns Cassius Dio hinterließ. Denn die Legionen hatten auf dem Weg bis zum Saltus nachdem sie die offene Börde verlassen hatten in der Tat "wieder bzw. erneut" Waldgebiete zu passieren und diese befinden sich auch heute noch unverrückbar da, wo sie sich auch schon damals ausdehnten, nämlich zwischen Peckelsheim und Borlinghausen und zu Varuszeiten dürfte sie noch nahtlos in die Ausläufer und Hangwälder der Egge übergegangen sein. Diese Waldgebiete könnte Cassius Dio erwähnt haben. Sie erstreckten sich über die zwei Höhen rund sieben Marschkilometer westlich des vermeintlichen Nachtlagers im Fahlenbruch. Und sie befanden sich da, wo es hinter Peckelsheim für den Ackerbau begann uninteressant zu werden. Die römischen Legionäre mussten nun in ihrer desolaten Verfassung zu jeder Zeit mit dem Gegner rechnen, der sie sogar schon auf freiem Feld attackiert hatte und erwarteten in den vor ihnen liegenden Waldgebieten nun den entscheidenden Schlagabtausch. Das Arminius schon im deckungslosen Offenland angriff könnte auch für seine Überlegenheit gesprochen haben und nicht nur für den Übermut seiner Cherusker, denn unnötige Opfer auf seiner Seite wird er vermieden haben und über waghalsige Unternehmungen anderer Stammesführer schweigen die Quellen. Man hatte am Vortag die Grundlage für den Sieg geschaffen. Varus war noch immer stark aber auch deutlich geschwächt, stand jetzt isoliert und auf sich allein gestellt mitten in Germanien und hatte immer noch einige Kilometer bis zur Egge vor sich was den Germanen genügend Raum bot, die Schlacht in ihrem Sinne zu Ende zu führen. Im von Cassius Dio überlieferten Waldgebiet errichtete Arminius nach dem Fahlenbruch die zweite Front. Aber hier erwartete Varus keinen Überraschungsangriff und hier tat sich auch kein plötzlicher Hinterhalt auf und hier konnten demzufolge auch die Germanen diesen Vorteil kein zweites Mal mehr für sich verbuchen. Denn während auf die Gefechte am Vortag noch der Name Marschgefecht zutrifft, fand das nun folgende Schlachtgeschehen unter völlig anderen Voraussetzungen statt, denn hier vollzog sich ein Gefecht mit Ansage, was aber für Arminius mit keinem Nachteil mehr verbunden war. Hier musste Varus mit einem Angriff rechnen und hier bündelte Arminius daher auch seine Kräfte und erzwang die Entscheidung. Ältere Karten zeigen, dass der alte Bördenweg von Borlinghausen vorbei an der stattlichen Eiche bis Peckelsheim durch Wald verlief. Dieser Theorie nach kämpften die Cherusker im eigenen Stammesgebiet und infolgedessen ruhte auch auf ihnen die Hauptlast und Verantwortung für das Gelingen der gesamten Schlacht. Aber im Zuge des Marschgeschehens am zweiten Kampftag ist auch noch ein Blick auf die germanischen Siegerstämme fällig. Unser Wissenstand über die Völker, die den Cheruskern damals beistanden beruht auf recherchierbaren Grenzziehungen zu den infrage kommenden und sie unterstützenden Anrainerstämmen. Es waren die in der Nähe zu ihnen siedelnden Brukterer, Marser/Sugambrer und Chatten, während die weiter nördlich siedelnden späteren Bündnispartner wie Angrivarier, Dulgubiner möglicherweise auch Suevi nicht in Betracht kamen und auch in den Quellen im Zuge der Varusschlacht keine Erwähnung fanden. Da solch eine Großtat ein einzelnes Naturvolk trotz günstiger Voraussetzungen wie es etwa die Börde- und Waldlandschaften boten überfordert hätte, tat das cheruskische Fürstenhaus gut daran die in der Region lebenden Stämme in die Allianz einzubinden. Aufgrund der Lage des Schlachtfeldes im mittleren Nethegau, das sich im weiteren Verlauf in den Südwestwinkel des Stammesgebietes verlagerte brauchte Arminius zunächst nur jene Völker in die Allianz einbeziehen, die in diesem Umfeld an der Diemel, auf dem Sintfeld oder dem Sorat sesshaft waren. Kämpfer auch aus größeren Entfernungen sind natürlich nicht auszuschließen. Man darf annehmen Arminius habe die römische Resttruppe aus taktischen Gründen auf ihrem Zug in den "Wald der nassen Wurzeln" in relativer Sicherheit gewogen bevor er die Entscheidungsschlacht suchte. Und hier auf den bewaldeten Höhenrücken wollte er sie statt finden lassen. Vielleicht war es auch kein Zufall, dass man sich der Tradition verpflichtend dafür entschieden hatte. Ein Waldgebiet übersät mit Relikten und Ritualplätzen der Altvorderen. Stein- und Hügelgräber, die selbst aus cheruskischer Sicht schon prähistorischen Charakter besaßen. Hier kam die römische Armee nach dem Marsch den sie nach dem Verlassen des Fahlenbruch Lagers zurück gelegt hatten bereits geschwächt an, hatte an Dynamik eingebüßt und wurde gestoppt. Ihr Marsch war mit erheblichen Verlusten verbunden, ihre Kräfte dürften aufgebraucht gewesen sein und die Strapazen hatten ihnen die Widerstandskraft genommen. Die Germanen verschanzten sich in den Waldgebieten die die Legionen durchqueren mussten um zum Eggeaufstieg zu gelangen. Aufgrund der erhöhten Lage konnten die germanischen Späher Varus und sein Heer kommen sehen. Aus welchen Richtungen die Germanen in dieses Waldgebiet vorstießen lässt sich aus ihrer jeweiligen Stammeszugehörigkeit und ihren Siedlungsgebieten zurück verfolgen. Abordnungen umliegender Stämme bis weit über eine Tagesmarschdistanz hinaus werden den Saltus abgestiegen sein, kamen aus Richtung Bonenburg und Ikenhausen oder zogen längst der Egge heran. Schlägt man dazu nur einen 20 Kilometer Kreis der seinen Mittelpunkt an der Peckelsheimer Feldwegkreuzung Mark/Grundweg hat, dann lässt sich der Einzugsbereich aufgrund der Marschleistung schnell ermitteln. Es hatte sich herum gesprochen, dass Varus schon ein Großteil seiner Männer verloren hatte und es um seine Schlagkraft und Moral nicht mehr zum Besten stand und alle hatten von den Bränden im letzten Nachtlager erfahren oder die Rauchwolken gesehen. Wollte man in die Schlacht eingreifen, so war ihnen bewusst, dass sich auch ihr Risiko jetzt erheblich reduziert hatte. Aber es werden sich auch Germanen an der Endschlacht beteiligt haben die an den Kämpfen des Vortages gar nicht teilgenommen, die noch nie Kontakt zur Varusarmee, geschweige denn überhaupt jemals einen römischen Soldaten von Nahem gesehen hatten. Die bewaldeten Höhen zwischen Peckelsheim und Borlinghausen trennten die Börde von der Egge, bildeten den letzten Riegel vor dem Saltus und waren wie geschaffen um darin die Schlacht auszutragen. Ein gut gewähltes Kampfgebiet und wer schon mal zu Pferde durch einen Wald ritt kann nachvollziehen wie es der römischen Kavallerie erging. Hier musste die Varusarmee ihre Geschlossenheit aufgeben und verlor im Unterholz den Kontakt zueinander. Die Region lag im Schwerpunkt der sich damals zur Wehr setzenden germanischen Stämme und wo man sich unmittelbar bedroht fühlt oder man sich Beute verspricht, da entwickelt man auch den nötigen Kampfgeist. Also schwer vorstellbar, dass auch die Festlegung auf diese Örtlichkeiten dem puren Zufall entsprungen sein soll, oder möchten wir wieder in überwunden geglaubte Gedankenwelten zurück verfallen und unseren Altvorderen das nötige Talent und die Fähigkeit absprechen durchdachte Strategien entwickeln zu können. Und da sich die Herangehensweisen nicht nur von in Notlagen geratenen Naturvölkern gleichen und bis in unsere Tage unverändert geblieben sind, lassen sich auch viele überholt geglaubte Methoden übertragen und immer noch anwenden, wenn sich der Mensch den Schlachten entscheidenden Wildwuchs der Natur zunutze machen muss. Sollte sich in der Zukunft im Lichte neuer Erkenntnisse herausstellen, dass sich die Kämpfe auf parallelen Trassen vollzogen, so lassen sich die hier gewonnenen Prinzipien auch als Basis, Richtschnur oder Stütze nutzen und können auch bei abweichenden Theorien zum Leitgedanken werden. (01.04.2022)

... link


Montag, 7. März 2022
Stand das Varusheer am Nordrand der Warburger Börde ? Cassius Dio wusste wo die Varusschlacht tobte - ohne es zu wissen.
Zugegeben die Überschrift klingt etwas kryptisch, aber im Verlauf dieses Kapitels wird deutlich was damit gemeint ist. Während sich der Schlachtort mithilfe des geflüchteten Legionärs samt Adler dank der Florus Überlieferung etwas eingrenzen lässt, wird Cassius Dio einen Hauch deutlicher. Er ist unser einziger Gewährsmann und das nicht nur über die kritische Phase als die geschundenen Reste der Varusarmee jene Örtlichkeit verließen, bei der es sich vermutlich um das "prima Vari castra" handelte. Denn nach ihm zu urteilen sollte der morgendliche Abzug noch mit diversen Besonderheiten aufwarten die unser Kombinationstalent heraus fordern. Betrachtet man vieles von dem was er hinterließ, so lässt sich daraus wieder einiges über seinen Stil und seine Methodik in Erfahrung bringen. Aber seine kurzen wie abgehackt wirkenden unklaren syntaktischen Strukturen, Interpunktionen als auch sein Satzaufbau stören durchgängig die Suche nach der nötigen Reihenfolge und erschweren eigene Vorstellungen darüber zu entwickeln was damals geschah, aber es kann gelingen. Es ist das uns hinreichend bekannte "Diotypische Dilemma", das unsere Analysefähigkeit eintrübt aber gleichzeitig anspornt. Aber innerhalb seiner Textstelle 56.21 (1) wird er dann für seine Verhältnisse erstaunlich "deutlich" und es liest sich wie folgt.
So berichtet er zunächst über das Verbrennen und Zurücklassen allen Überflüssigem, doch dann folgen der Reihenfolge nach drei interessante Passagen die mehr verraten als man im ersten Moment annehmen könnte.

:....sie konnten in etwas besserer Ordnung weiter ziehen.
:....sie erreichten dann sogar offenes Gelände.
:....sie erlitten auch bei ihrem Abzug Verluste.

Es sind knappe aber dennoch informative Botschaften mit ungewöhnlicher Aussagekraft. So lässt es die Interpretation der Zeilen in dieser Abfolge zu, dass es den Römern gelungen sein soll innerhalb eines diszipliniert aufgestellten Marschzuges weiter ziehen zu können. Es ist dies ein versteckter, aber doch klar zum Ausdruck gekommener Hinweis darauf wie planlos und ungeordnet es tags zuvor zugegangen sein muss. Nach den Darstellungen des ersten Kampftages, als die Legionäre gezwungen waren unter schwierigsten Bedingungen und nahezu chaotisch Einzug in ihr provisorisches Lager halten zu müssen, klingt diese Beschreibung so, als hätten es die Kämpfer wie eine Erlösung empfunden. Sich also wie befreit gefühlt endlich wieder die Initiative der Fortbewegung ergreifen zu können. Man kann sich vorstellen, dass sich am Morgen nach einer heiklen Nacht eine Armee auch zur Selbstbeherrschung zwingen musste um beim Gegner noch den Eindruck wehrhafter Geschlossenheit zu hinterlassen. Disziplin zu zeigen und damit Abschreckung zur Schau zu tragen war nun das Gebot der Stunde. Germanischerseits betrachtete man das Szenario zunächst wohl abwartend und aus sicherer Distanz und ließ die Legionäre in dieser Phase vermutlich noch unbehelligt. Warum auch sollten sie sich schon unmittelbar nach dem Abzug erneut ins Gefecht stürzen und sich ohne Not einem relativ ausgeruhten und frisch motivierten Feind in den Weg stellen der in der Nacht Zeit hatte, die letzten Reserven zu sammeln. Sie hatten noch den ganzen Tag Zeit um ihren Plan zu Ende zu bringen und konnten sich aussuchen, wo sie als Nächstes und für sich am Gefahrlosesten angreifen wollten. Ihnen also schon frühzeitig weitere Kämpfe aufzuzwingen war unnötig, denn die germanische Gesamtstrategie war auf Zermürbung ausgerichtet, was ihnen auch zum Sieg verhelfen sollte. Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass es zu vereinzelten kriegerischen Handlungen vielleicht übereifriger Germanen kam. Für Varus hingegen glich der Ausmarsch mehr einem Ausbruch. Mit dem Mut der Verzweiflung ging man es an diesem Morgen an und unbekannt ist, über wie viele kampffähige Männer Varus noch verfügte mit denen er sich den weiteren Kämpfen stellen konnte. Man kennt die Topographie um Schweckhausen, so dass man sich vorstellen kann, dass er als er am zweiten Kampftag aufbrach und den Fahlenbruch in aufgeräumter Marschdisziplin verließ von erhöhter Warte aus am südlichen Horizont den entfernten Desenberg Vulkan gesehen haben könnte. Blicken wir spekulativ ins germanische "Nähkästchen" dann könnte man sich auch vorstellen, dass Arminius unterdessen wohl seine Mühe hatte, die eigenen Kämpfer wieder zu einem neuen Bündnis zusammen zu schmieden, frisch zu motivieren und sie auf die weiteren Kämpfe einzuschwören. Wir wissen nicht wie willig das germanische Herz noch am Folgetag die Bereitschaft verspürte weiter zu kämpfen. Nach den Aussagen und Berichten der Händler und den in Germanien stationierten Streitkräften war Deutschland in jener Zeit für die antiken Historiker die es meist nicht mit eigenen Augen sahen ein Land der Sümpfe, Moore und Wälder und dazwischen je nach Bodenbeschaffenheit verstreut befanden sich die Siedlungsinseln der "Eingeborenen". Um so mehr muss vor diesem Hintergrund nun der seltsame Hinweis und zweite Passus von Cassius Dio aufhorchen lassen, wonach die Legionen am Morgen nach der ersten Nacht "offenes Gelände"" erreicht haben sollen. Was hat man sich nun unter einem "offenen Gelände" vorzustellen und wie ließe es sich definieren. Viele Geschichtsforscher die Cassius Dio strittig sehen mag diese Information verwundern, denn wann äußerste sich dieser oder wann taten es antike Historiker überhaupt mal, sich über die Geographie einer Region oder Landschaft innerhalb des Feindeslandes auszulassen. Aber der im Zuge dieser Theorie aufgedeckte Marschweg der Legionen hält dazu eine Antwort bereit. Denn da Varus auf den Höhen um Schweckhausen stand und er zwangsläufig nach Südwesten weiter ziehen musste, konnte sein Blick auch nur in die südlichen Richtungen und auf nichts anderes gefallen sein. Und was er da vor sich liegen sah waren die endlosen Weiten der Warburger Börde die man richtigerweise die Borgentreicher Bördelandschaft nennen sollte. Und wenn dann noch das Wetter die Weitsicht begünstigte, dann blickte Varus in die von den damaligen Völkern und Stämmen bewirtschafteten fruchtbaren Äcker und das mitten in der Erntezeit. Anbaugebiete in denen Bauern arbeiteten die man noch der "Vorrömischen Eisenzeit" zurechnen kann, denn die römische Eisenzeit hatte sich in Ostwestfalen in diesen Jahren noch nicht bemerkbar gemacht. Es befand sich dort eine Übergangsregion und es wird dort noch ein Menschenschlag gelebt haben, der sich in Teilen auch noch aus Bewohnern keltischer Abstammung zusammen gesetzt haben dürfte. Der Name Schweck wie er sich im Ortsnamen Schweckhausen noch erhalten hat trägt die sich verändernde Bodenbeschaffenheit möglicherweise noch im Namen. Denn es finden sich darin keine Hinweise mehr auf Wald, Moor oder Sumpf wie in anderen Ortsnamen der Region. Die erste Silbe "Schweck" begegnet uns im althochdeutschen Wort "sweiga" oder "sweig" und steht für Weideplatz, Rinderherde oder Viehhof also für Offenland und ein "Sweigari" war ein Viehzüchter und kein Waldbauer. Ein Hinweis der bereits für ein baumloses Gelände, was auch Siedlung mit beinhaltet und im weiteren Sinne auch für Kornkammer und Ackerbau steht. Für die an mehr Zivilisation gewohnten Südländer könnte es ein vertrauter und versöhnlicher Anblick gewesen sein, der sie etwas das Vergangene vom Vortag vergessen machte. Die Bördelandschaften sind wie auch die Flussauen hinsichtlich ihrer Bodenwerte das Beste was die Natur aus Sicht der Nahrungsmittelgewinnung zu bieten hat, hier war es der wertvolle von den Gletschern der Eiszeit hinterlassene Lössstaub der es begünstigte. Böden hervorragend geeignet um mit ihrer Hilfe auf leichtere Weise nicht nur Korn zum Wachsen zu bringen. Hier war die frühe Zivilisation zu Hause und hier entwickelte sie ihre erste Dynamik. Es war eine der Landschaften die zu den ersten Regionen gehörten in denen die Menschen der bäuerlichen Kultur im Frühneolithikum in Mitteleuropa sesshaft wurden. Auf Basis einer der höchsten Bodenwertkennzahlen Deutschlands wird dort schon seit über 7000 Jahren Ackerbau betrieben, also lange vor der Ankunft der ersten Römer in Ostwestfalen. So konnten linienbandkeramische Siedlungen auch am nordwestlichen Rand der Börde zwischen Hohenwepel und Peckelsheim nachgewiesen werden und Funde aus der jüngeren steinzeitlichen Michelsberger Kultur ( 4.200 - 3.600 v. Chr.) traten nur 1.500 Meter südöstlich von Schweckhausen zutage. Spuren die für eine traditionell gute Ernährungsgrundlage sprechen, deren Böden man zum Anbau nutzte und auf denen man keine Bewaldung zuließ. Die offene Landschaft wie sie Cassius Dio bezeichnete entspricht dieser Region die im Westen nahe Peckelsheim und Löwen beginnt, einen Bogen nach Osten schlägt und sich über den südlichen Teil des Nethegau bis zur Diemel erstreckt. Den Begriff "Offenland" hat man heutzutage unmissverständlich umrissen, denn er wird für nicht überbautes Gelände angewendet und steht für eine Landschaft die nicht von Bäumen dominiert wird. Folglich umfasst es alle Biotoptypen die nicht zum Wald zählen. Setzen wir also mal voraus, dass Cassius Dio darunter das gleiche verstand wie wir heute. Und diese fruchtbaren Böden waren verlockend und auch die am Ende der Völkerwanderung nach Süden vordringenden Völker wussten schon um ihre Wertigkeit. Eine Region, die auch immer wieder Begehrlichkeiten weckte, was zu Grenzkonflikten führte. Die Bedeutung der Börde die später auch die Karolinger und danach die Konradiner zu schätzen wussten, als sie den sächsischen Hessengau wohl aus diesem Grund fränkischer Hoheit unterstellten. Und an der bewaldeten Börde - Nordgrenze die den Vegetationswechsel kennzeichnete, befand sich das "prima Vari castra" wie es im Abschnitt "Das prima Vari castra befand sich im Fahlenbruch" vom 01.02.22 näher dargestellt ist. Und ob es Varus bewusst war, dass fasst unmittelbar südlich an das Notlager dieses Offenland angrenzte wissen wir nicht. Eine angenehme Region die sich auch für ein "Gerichtslager" angeboten hätte, wozu es jedoch nicht kam. So lässt sich überraschenderweise aus diesem kurzen Hinweis von Cassius Dio eine weitere Verortung des Schlachtverlaufes ableiten. Eine überaus deutliche Textstelle auf eine sich verändernde Landschaft wie man es klarer nicht zum Ausdruck bringen kann. Es ist die Beschreibung einer Region genau dort wo sie dieser Theorie nach auch hin gehört und wie sie sich nahtlos in den Verlauf der Varusschlacht einfügt und eine der wenigen Anhaltspunkte wo Cassius Dio ins topographische Detail geht. Diese auffällige Erwähnung aus der hervor geht, dass die Legionen nach dem Verlassen des Lagers nun "sogar offenes Gelände" erreichten stärkt zudem die Verlässlichkeit der Cassius Dio Überlieferung. Es ist ein Fingerzeig dahingehend, dass sich hier für Varus die ihn umgebende Natur und das offenbar ganz plötzlich veränderte. Die bisherige Enge einer Waldlandschaft war gewichen und damit schien auch ihre Bedrücktheit etwas verflogen zu sein. Eine Bemerkung die nur in der Hinsicht verständlich wird, als dass man das zuvor von Cassius Dio erwähnte unwirtliche "Waldgebirge" hinter sich gelassen hat. So lässt sich daraus schließen, dass sie ein Gebiet verließen, dass sich nach anderem, aber nicht nach einer offenen Landschaft anhört. Cassius Dio kennzeichnet damit erstmals die Region in der sich die Varusschlacht ereignete ( er wusste es nur nicht ). Es lässt sich nach empfinden, dass man es auf römischer Seite wie eine unerwartete Wende aufgenommen haben könnte. Sogar Stimmen könnten laut geworden sein, wonach die Germanen ihre Angriffe nun nicht mehr fortsetzen würden, was sich aber als trügerisch erwies. Dieses Ereignis fügt sich in den Verlauf der hier vorgestellten Gesamttheorie auf das sich nur stoßen ließ, wenn man der grauen Theorie bis zu diesem Punkt gefolgt ist und das aufgegriffen und verinnerlicht hat, was die antike Literatur in seiner gesamten Breite her gibt. Ohne den Aufbau einer plausiblen Abfolge wäre es nicht möglich gewesen bis an diese interessante Schnittstelle vorzudringen. Eine Landschaft im Übergang die sich durch eine deutliche Geländeveränderung abzeichnet wie man sie, möchte man die tief liegende westfälische Bucht einmal ausklammern nur hier am Nordrand der Börde antrifft. Cassius Dio der selbst erst rund 160 Jahre nach der Schlacht zur Welt kam sorgte dafür, dass sich dieser Glücksmoment in die Chronik der Weltgeschichte einschlich, denn der Funken Hoffnung die hier aufkeimte sollte sich schon bald wieder zerschlagen. Aber eine gewisse Euphorie lässt sich hier aus seinen Worten heraus hören. Eine Positivnachricht nach all dem Schrecklichen. Die Überlebenden schienen es wohl später mit Freude berichtet zu haben und man entnimmt dem und spürt geradezu, wie unsäglich leidvoll sich zuvor der Kampf im dichten Wald vollzogen haben musste und so war es ihm eine Erwähnung wert. Ein kurzzeitiges Hochgefühl wie eine Momentaufnahme, das die überlebenden Soldaten mit nach Italien nahmen, das sich dort herum sprach und das auch nur wegen dieser Außergewöhnlichkeit Eingang in sein Werk finden konnte. War es für Tacitus wichtig mit dem Saltus durch die Egge einen Hinweis auf den Friedhof der nicht bestatteten Knochen zu hinterlassen, so lieferte uns Cassius Dio damit ein weiteres Erkennungsmerkmal . Ein zusätzlicher Meilenstein mit dem sich die Marschroute nicht nur auffinden, sondern auch bestätigen lässt. Und offenes Gelände birgt in sich den Hinweis, dass man nicht nur eine völlig andere Geographie betrat, sondern auch auf eine veränderte Vegetation stößt, die nicht mehr mit der vorherigen vergleichbar war in der dichter Wald vorherrschte und in dem man das Nachtlager errichtet hatte. Diese Darstellung hilft auch die Frage zu beantworten wie es den Germanen gelingen konnte die nötigen Kämpfer für die Schlacht gegen Varus zu gewinnen. So könnte man die germanische Kampfkraft auf die Bevölkerungsdichte zurück zu führen die letztlich durch die Fruchtbarkeit der Region begünstigt war. Dies könnte den wesentlichen Beitrag dazu geliefert haben, dass den Germanen hier und nur hier der Sieg über Varus gelingen konnte. Ein Ausschlag gebender Faktor um sich von dort aus den römischen Machtansprüchen kraftvoll zu widersetzen. So musste der mehr als deutliche "Offenland" Hinweis von Cassius Dio auch zwangsläufig an jenen Historikern vorbei gehen, die sich die Varusschlacht unter völlig anderen Vorzeichen und in anderen Regionen vorstellten. Denn hier lässt sich nur eine Verbindung zur Schlacht herstellen, wenn man alle Anhaltspunkte miteinander verknüpft. Und wo sonst konnten die Legionen in Ostwestfalen vor 2000 Jahren auf Offenland in Verbindung mit guter Fernsicht stoßen bzw. blicken wenn nicht da, wo sich großräumige germanische Siedlungsgebiete befanden, also auch da, wo der Boden ab Schweckhausen um Peckelsheim und Löwen am Nordwestrand der flachen Warburger Börde die besten Voraussetzungen dafür bot. Und nur eine Landschaft die ihre Bewohner satt machen kann bringt eine dichte Besiedelung hervor und stand für das nötige Potenzial um das Kräfteverhältnis zugunsten der Germanen zu verschieben. Ein Hinweis, dass es nur hier möglich gewesen sein konnte Varus zu stoppen. Nachdem die Legionäre den befreienden Augenblick genossen und neuen Mut geschöpft hatten schüttete Cassius Dio wieder Wasser auf die Mühlen der leidgeprüften Legionäre, denn er überlieferte wie selbstverständlich sozusagen in einem Atemzug auch noch etwas anderes und dies formulierte er so, als ob es etwas völlig Erwartungsgemäßes war. Denn er äußerte unmissverständlich, dass die Armee und das wohlweislich "nach dem Verlassen" des Nachtlagers in weitere Gefechte verwickelte wurde und wieder Verluste erlitt. Das die Kämpfe noch nicht zu Ende waren ist bekannt, aber wann sie genau wieder einsetzten wird in seinen Auslassungen nicht deutlich, denn die Darstellung "nach dem Verlassen" lässt den weiten Interpretationsspielraum zu, ob es unmittelbar oder später geschah. So schob er den Halbsatz, dass die Kämpfe "nach dem Verlassen" wieder neu entbrannten erst nach seinem Hinweis auf die vor ihnen liegende "offene Landschaft" ein. Zuerst stand also seine Aussage, dass man in passabler Ordnung los marschierte, sich dann vor ihnen eine offene Landschaft ausbreitete und dann erst folgte sein Hinweis, dass sie wieder angegriffen wurden. Da der "Offenland Anblick" und der Angriff der Germanen nicht gleichzeitig passiert sein dürfte darf man annehmen, dass dazwischen eine gewisse Zeit verstrich. Man verließ das Lager also zunächst in besserer Marschordnung, erlebte dann den belebenden Anblick einer freien Sicht und erst danach folgten die Angriffe. So würde es passen. Wäre es umgekehrt gewesen, dann hätten zuerst die verlustreichen Kämpfe eingesetzt und danach hätte man sich über den schönen freien Ausblick gefreut und zu einer passablen Marschordnung gefunden, was schwerlich vorstellbar ist. Denn das man sich mit den Germanen nach dem Ausmarsch direkt heftige Nahkämpfe lieferte, dann nach den Kämpfen die angenehmen Marschbedingungen hervor hebt um sich dann noch im positiven Sinne über das Erreichen einer offenen Landschaft auszulassen klingt nicht sehr plausibel. Und so hält sich unser Erstaunen auch in Grenzen, wenn wir eine neuerliche Bestätigung dafür finden, dass sich hier das offene Land befand in das Varus sah und Cassius Dio es für die Nachwelt konservierte. Denn die Offenheit ist auch heute noch ein Markenzeichen und Alleinstellungsmerkmal für die Menschen am Börderand. Und die Kämpfe, hatten sie denn erst einmal wieder eingesetzt, so hätten die Germanen sie am zweiten Kampftag vielleicht auch solange fortgesetzt bis die Schlacht gewonnen gewesen wäre und es hätte keine Unterbrechungen mehr gegeben die den Römern die Möglichkeit gegeben hätten, die freie Sicht zu genießen. So macht die Reihenfolge Sinn. Man verließ zunächst gesittet das Lager, dann war man hoch erfreut über die schöne Aussicht und wurde dann doch wieder angegriffen. Es liegt eine wichtige Erkenntnis darin, dass es sich in eine nachvollziehbare Reihenfolge setzen lässt, denn erst auf diese Weise kann man auch den weiteren Marsch transparent machen. Es wird ein Schema erkennbar, mit dem sich der gesamte Schlachtverlauf samt den dazwischen liegenden Nächten und Kampfpausen aufspüren lässt. Möchte man das bisherige Rekapitulieren und an Eckpunkten festmachen, dann liegt zunächst der sumpfige Fahlenbruch mit seinem möglichen "prima Vari castra" vor uns. Es folgte dann der Eintritt der Varusarmee ins Offenland der Börde. Danach nähert sie sich dem "Teutoburgiensi saltu" und in Haaren lassen sich die Geschehnisse mit dem Fund des römischen Legionsadler verbinden. (07.03.2022)

... link