Dienstag, 2. August 2022
Das Ende der Varusschlacht - Neue Methoden können helfen die Schlachtorttheorie zu bestätigen.
Die Schlacht ist geschlagen und dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, wieviel belastbare Argumente seit 2017 angehäuft werden konnten mit denen sich der Marschkorridor rekonstruieren ließ. Und es werden noch einige dazu kommen, denn auch die Jahrhunderte danach schwiegen nicht und liefern uns weitere Impulse mit denen sich diese Theorie stabilisieren lässt. Es wird noch Überraschendes ans Licht kommen, da sich ältere Hinweise die man schon zu den Akten gelegt hatte auf unerwartete Weise neu deuten lassen. Und dazu ist nicht mehr nötig als nur den Blickwinkel etwas zu erweitern um ihn dann zu schärfen. Gewohnte Fahrspuren waren zu verlassen und es galt nach anderen Gedankenansätzen Ausschau zu halten um im bereits bekannten Übersehenes zu erkennen. Also das scheinbar Ausgeforschte noch mal unter die Lupe zu nehmen um daraus Schlüsse zu ziehen mit denen sich diese These untermauern lässt. Es gelang in vermeintlich fremden Themenfeldern fündig zu werden, die nur auf den ersten Blick betrachtet einen Bezug zur Schlacht missen lassen. So wurden Verbindungslinien sichtbar die sich der Wissenschaft entziehen konnten, da man sie im Zuge der Varusforschung außer acht ließ oder einfach nur vergaß. Sich in der Geschichtsforschung mit Vermutungen, Sagen und Unergründlichem zu beschäftigen bedeutet immer ein Wagnis hart an der Grenze zum Gesichtsverlust einzugehen, ist aber unvermeidbar, wenn es zum Ziel führt. Der Billiard Spieler weiß was gemeint ist denn so manche Kugel lässt sich nur über Bande treffen. Es wird ein Aufbruch sein in das was der Nethegau historisch zu bieten hat und was zu einem erfrischenden Erkenntnisgewinn führt. Unsere Möglichkeiten die dazu dienen die Örtlichkeiten der Mehrtagesschlacht und das nach zwei Jahrtausenden aufzuspüren haben sich also noch nicht gänzlich erschöpft, denn sie endeten nicht mit dem Tag, an dem die antiken Quellen aufhörten zu sprudeln. (01.08.2022))

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Freitag, 22. Juli 2022
Die Knochen der Varusarmee - Ein Akt mit viel historischer Substanz
Dieses Kapitel besteht aus einem umfangreichen Text und es wird daher im Monat Juli auch kein zweiter Abschnitt erscheinen. Germanicus half im Jahre 15 + selbst mit die Knochen zu bestatten was ihm sein Kaiser übel nahm. Aber mit dieser Tat verriet er nicht nur, dass er sich in unmittelbarer Nähe zum "Teutoburgiensi saltu", dem Ort der Varusschlacht aufhielt, sondern auch welchen Weg er dahin nahm. Aber letztlich verdanken wir es nur Tacitus, dass wir überhaupt etwas von diesem mysteriösen Vorfall erfahren haben. Denn nur er hinterließ uns dazu in seinem Jahrbuch 1,60 (3) mit dem Namen "Teutoburgiensi saltu" einen recherchierbaren Anhaltspunkt um damit zu versuchen die Örtlichkeit des einstigen Geschehens wieder finden zu können. Ein Hinweis, der so oft abweichend vom Originaltext "Teutoburgiensis saltus" oder fälschlicherweise "Teutoburger Wald" genannt wird, was sich aber explizit nur auf die Wortwahl "Wald" bezieht. Aber es war nicht nur der Schauplatz wo es passierte, sondern vor allem war es nach dieser Theorie der entscheidende Name dafür wo einst die Varusschlacht endete. Und das sie dort endete sagt uns nicht nur der Hinweis, dass sich an dieser Stelle die nicht bestatteten Skelette der römischen Kämpfer befanden sondern auch, dass Varus sich dort tötete. Denn er tötete sich erst als er die Schlacht definitiv für verloren hielt, denn warum hätte er es schon vorher machen sollen, als er noch die Chance sah zu entkommen. Und während Tacitus den Namen kannte, sagte uns Cassius Dio, dass sich der Marsch in den Untergang über vier Tage hinzog. Und da wo sich der "Teutoburgiensi saltu" befand, sich Varus ins Schwert stürzte und die Schlacht zu Ende ging, da fand folgerichtig auch sechs Jahre später die Bestattung der sterblichen Überreste der Varusarmee statt. Da wo Germanicus die Gegenwart von Varus noch förmlich spüren konnte und wo auch sonst. Es ballte sich also damals alles vor den steilen Hängen der Egge zusammen, die den Legionen das Weiterkommen und damit die Flucht nicht nur erschwerten, sondern es vielen unmöglich machte zu entkommen die die Tücken der Egge nicht kannten. Und geschickt hatte Arminius oder schon sein Vater den Platz gewählt denn es war letztlich die Egge, die die Seele des Hinterhaltes darstellte. Aber nur 1000 Meter südwestlich von Borlinghausen liegt der seltene Fall vor, dass die Egge mal eine steile wenn auch immer noch mühsame, aber doch begeh - und befahrbare Passage zuließ. Viele Hinweise lassen es für realistisch erscheinen, dass es sich bei diesem verborgen liegenden und ansteigenden Bündel aus Hohlwegen um den "Teutoburgiensi saltu" handelt. Denn das lateinische Wort "saltu" steht in der ersten Übersetzungskategorie für Waldschlucht, Waldtal oder Engpass und das lateinische Wort "saltum" für passieren. Die Schriften in altlateinischer Sprache bieten eine Fülle von Worten und Wortverbindungen an, die sich auf diese Weise interpretieren lassen. Erwähnt sei hier nur der römische Pyrenäenpass der "saltus Pyrenaeus" genannte Gebirgsweg der die römischen Provinzen "Hispania Tarraconensis" und "Gallia Narbonensis" miteinander verband. Mithilfe der Zusatzbezeichnung "Teutoburgiensi" bot sich für Tacitus eine weitere Möglichkeit um die Gegend für den modernen Leser zwar nicht auffindbar oder fixierbar, so aber doch begreiflicher zu machen. Damit verlieh er dem Ort der Tragödie einen Namen und verhalf ihm zu einem unverwechselbaren Merkmal unter dem man ihn wieder erkennen kann. Mit seinem literarischen Hinweis gelang es Tacitus auch etwas das Vorstellungsvermögen jener Personen zu schärfen die sein Werk lasen und bot ihnen so noch ein Minimum an Bezugsmöglichkeit. Denn nur mit einer Namenskreation lässt sich in der Historie ein dauerhaftes Charakteristikum hinterlassen. Ein Name der hier zu einem allumfassenden Begriff wurde und der ganzen Varusschlacht zu ewiger Symbolkraft verhalf. Es waren die Worte mit denen es Tacitus gelang die unmittelbare Kampfzone des Desasters einzugrenzen, wo ohne ihn nur ein leeres Blatt geblieben wäre. Erst durch seine Festlegung bekam der Ort seine richtungsweisende Bedeutung und die Kombination aus beiden Worten wurde zum Credo für die ganze Schlacht. Ein Name unter dem man sich damals etwas vorstellen konnte und der sich mehr eignete fest gehalten zu werden, als eine x - beliebige Stelle im monotonen, weitläufigen und welligen Hügelland des Nethegau auszuwählen in dem sich zwar zahlreiche kleine, mittelhohe aber insgesamt namenlose, kaum definierbare Erhebungen und Senken befanden und auch heute noch befinden. Aber unter ihnen war keine Landschaftsform die es mit dem markanten Eggeanstieg, dem heute "Alter Burgweg" genannten Aufstieg bei Borlinghausen hätte aufnehmen können. Nicht allein weil er landschaftlich so prägnant hervor tritt, wenn man sich die dichte Bewaldung weg denkt, sondern weil er seit prähistorischen Zeiten immer schon eine bedeutsame Verkehrsverbindung darstellte und im Zuge der Schlacht für die Letzten zum rettenden Ausweg hätte werden können. Denn mit Ausnahme der Rabenklippen nahe der späteren Brunsburg bot die gesamte Geographie durch die sich die Marschschlacht ab Höxter hinzog keine so geformte Auffälligkeit wie der "Saltus". Und in Verbindung mit der dortigen Niederlage zeigte Tacitus mit dem "Saltus" an, dass sich hier ein kampfentscheidendes Hindernis auftat hinter dem sich die Egge verbarg. Damit stellte er das Dramatische unübersehbar heraus, denn hier ließen die Germanen Varus sprichwörtlich vor eine Wand laufen, die ihm den Weg nach Westen versperrte und was für eine durchdachte Strategie spricht. Den Namen "Saltu" kann man von der Übersetzung, Begrifflichkeit und Bedeutung her als entschlüsselt betrachten, aber es bliebe noch die interessante, wenn auch nicht zielführende Frage offen, ob Tacitus den Namen "Teutoburgiensi" selbst ersann, oder ob die Bezeichnung auf jene Legionäre zurück zu führen ist, die Germanicus den Weg dahin wiesen, denn irgend woher muss er ihn gehabt haben. Aber auch Germanicus selbst könnte den Namen kreiert und für sein Weitertragen gesorgt haben. Schaut man sich den Übersetzungstext von Tacitus an dann könnte man auch zu der Schlussfolgerung gelangen, dass der Name "Teutoburgiensi saltu" aus dem Hörensagen erwuchs, denn es ist die Rede davon, dass sich die Überreste eben dort noch befinden sollen, es sich also daraus keine deutliche Quelle entnehmen lässt. Tacitus wusste es, weil man es viel sagend "so sagte". So klingt es, als ob der Name des "Saltus" von den einst Betroffenen transportiert wurde und er in den Jahren ins Allgemeinwissen übergegangen ist, so dass Tacitus ihn nicht explizit einer schriftlichen Vorlage entnommen haben muss, er es also auch vom Volksmund abgeschaut haben könnte. So könnten ihn auch die Spatzen in Rom förmlich schon von den Dächern gepfiffen haben. Aber Volksburgen also Teutoburgen bauten die prähistorischen Völker nicht in ebener Lage wie etwa dem Nethegau, dafür nutzten sie die möglichst schroffen Höhenlagen. Vor 2000 Jahren konnten die Befestigungen nur jene Personen sehen, die auch an ihnen vorbei kamen andere wiederum kannten sie nur vom Hörensagen. Und an ihnen vorbei kamen im Jahre 9 + nur Überlebenden diejenigen denen damals wie die Überlieferung sagt, die Flucht durch den "Saltus" nach Aliso gelang aber auch diejenigen, die sechs Jahre später wieder den gleichen Weg genommen haben dürften, als sie von Aliso zwecks Bestattung zum "Saltus" ritten. Die Legionäre die in der Schlacht umkamen haben diese Volksburgen zwangsläufig nie vor Augen gehabt, wussten aber noch von der Existenz, denn den Namen "Teutoburgiensi saltu" könnten alle gekannt haben. "Teutoburgiensi", ein Name der übrigens immer noch auf eine klare etymologische Deutung wartet. Denn es könnte nicht nur das erste historisch belegbare Wort gewesen sein, wonach sich die lateinische Sprache am germanischen Wort "Burg" bedient hätte und es in ihren Wortschatz aufnahm. Es könnte sich darin auch noch ein weiteres Lehnwort entdecken lassen, dass die lateinische Sprache dem Germanischen entnahm. Folglich stellte der "Teutoburgiensi saltu" eine seltsame Wortkombination dar die im Zusammenwirken zweier Kulturen entstand und wofür es eine Erklärung geben sollte. Es ist die altsächsische Urform des Wortes "thioda" für Volk dem das Wort "teuto" zugeordnet werden kann. Tacitus, Germanicus oder die Überlebenden ersannen also kein römisches Wort um für den "Saltus" einen Eigennamen zu verwenden, sondern benutzten das Wort mit dem die Germanen den Schluchtweg bezeichneten oder ihn umschrieben haben könnten. Ein Wort aus ihrer Umgangssprache den jene benutzten, die diese speziellen Hohlweg zum Sintfeld nutzten. Für das Wort "saltu" hingegen verwendete man keinen germanischen sondern einen Namen lateinischen Ursprungs. Aber wie übertrug sich der "Teutoburgiensi Weg" in den taciteischen Sprachschatz und in welchem Zusammenhang erfuhr und hörte Varus und seine Armee diesen germanischen Namen für den sie selbst keinen besaßen oder benutzten wollten und hätten dem Passweg auch einen Namen geben wie beispielsweise "Barbare Castra saltu". Arminus könnte den Namen der Teutoburgen genannt und benutzt haben um dem Feldherrn Varus den Wegeverlauf zu beschreiben auf dem dieser nach Beendigung der gerichtlichen Auseinandersetzung wieder Anschluss an die westfälische Bucht finden konnte wodurch dieser sich in die römische Sprachwelt einschlich. Vielleicht eine plausible Erklärung die man demnach aus ostwestfälischen Gefilden nach Rom brachte, wo man sie verschriftete. Und als Germanicus 15 + möglicherweise von dem der Schlacht naheliegenden Fluchtlager "Castrum Aliso" aus zum Saltus aufbrach erwiesen sich die Kenntnisse der Überlebenden als nützlich. Man passierte die gewaltige vermutlich aus keltischen Zeiten stammenden Behmburg die man später unterwürfig in Karlsschanze umtaufte aber ebenso auch die "Alte Burg" oberhalb von Borlinghausen die vor 2000 Jahren noch umfangreicher gewesen sein könnte und eine militärische Anlage mit Wachtfunktion darstellte und möglicherweise noch andere heute nach zahlreichen waldbaulichen Aktivitäten nicht mehr erkennbare Erdverwerfungen auf dem Eggerand. Im weiteren Sinne könnte diese Darstellung auch dafür sprechen, dass sich Germanicus nur auf diesem Weg dem "Saltus" genähert hatte, weil er sich anhand der Teutoburgen identifizieren und besser finden ließ und sogar durch oder an der gewaltigen Behmburg vorbei kam, den "Saltus" aber nicht über den Brakel Umweg erreicht hätte. Aber auch die 21 Kilometer Luftlinie von der "Alte Burg" entfernt liegende Wallburg Gellinghausen könnte bei der Namensfindung noch von Bedeutung gewesen sein. Legionäre auf heilloser Flucht merkten sich nur weniges, aber Teutoburgen gehörten dazu und für sie könnte der "Saltus" zum rettenden Anker geworden sein, aber auch für die die kein Glück hatten wurde er zum Sinnbild einer unerfüllten Hoffnung und blieb für die meisten ein unerreichbares Fernziel. Die Erwähnung dieses denkwürdigen "Saltus" erlebte nur einen einmaligen schriftlichen Niederschlag in den römischen Quellen und das geschah im Zusammenhang mit der Begehung des Schlachtfeldes im Jahre 15 + durch Germanicus samt seinen Gefährten zwecks Knochenbestattung und auch aus dem Bericht von Cassius Dio geht er nicht hervor. Unter den Germanen hingegen versiegte das tiefe Wissen um das, was einst auch diese Gebirgspassage für eine Bedeutung hatte, aber für sie war der Ausgang der Schlacht wichtiger als der Weg durch die Egge. Man darf annehmen, dass der Begriff den Tacitus nur einstreute der aber damals für wenige Tage im Rampenlicht der Weltgeschichte stand für die Germanen keine Bedeutung hatte. Für die Schlacht auch wenn direkt kein germanischer Name überliefert ist und man sich die Frage stellt für wen auch und wie hätten sie sie auch nennen sollen, könnte es im größeren Zusammenhang betrachtet einen wenn auch strittigen Namen gegeben haben. Und auch auf die Gefahr hin, dass es einen erheblichen Aufschrei verursachen würde, es gab ihn. Aber das soll einem späteren Kapitel vorbehalten sein. So könnte sich auf dem Wege eines Tabubruches über die Jahrtausende ein Name erhalten haben und ohne das auffiel, dass er sich mit den Römerschlachten in Verbindung bringen lässt. Aber ein Name blieb garantiert erhalten und er überlebte im Gedächtnis der Menschen die Zeiten. Arminius. Anders verlief die Geschichte in Rom wo der Name "Clades Variana" wie für die Ewigkeit eingemeißelt schien. In der Welt der Naturvölker wird man für Derartiges keine nachhaltigen Begriffe geschaffen haben und über Umgangssprachliches oder Dialektik in damaliger Zeit wissen wir nichts. Aber dafür haben die versteckten Botschaften die Zeiten überdauert denen man im Zuge der Varusschlacht Nachbearbeitung mit dem nötigen Einfühlungsvermögen auf die Schliche kommen kann, denn sie sind zahlreicher als man annimmt und dazu gehört auch ein Name an den wohl die wenigsten denken. Der "Saltus" hatte für die Germanen als Wegstrecke eine große Bedeutung, aber nicht wegen der davor zu Ende gegangenen Schlacht. Dies will aber nicht sagen, dass man für ihn nicht doch in dem Wort "Volksburgenweg" einen Eigennamen gefunden haben könnte, der aber später verging als die Volksburgen an Bedeutung verloren. Für sie war es ein "Eselspad" wie andere auch, also zunächst nichts anderes als ein steiler Pfad der vom Nethegau zum Sintfeld führte. Nicht mehr und nicht weniger. Nach einer mundartlichen Bezeichnung werden wir daher wohl vergeblich suchen. Sich aufwärts zu bewegen ist im althochdeutschen und altsächsischen mit dem Wort "stigan" verbunden, dass sich erstmals im 8. Jhdt. findet. Auch in abgewandelter Form kam es für den Saltus nicht zur Anwendung, obwohl die Egge an dieser Stelle schon seit Jahrtausenden diesen natürlichen Anstieg bot. Im Abschnitt "Wo befindet sich der lang gesuchte Saltus ? Nichts leichter als das" vom 19.04.2018 wurde bereits näher darauf eingegangen. So verwundert es auch nicht, dass hier die Kraft der Vergänglichkeit mit voller Wucht zuschlug und man den Saltusaufstieg heute nur noch nach der einst dort befindlichen Kontrollstelle mit Wachfunktion schlicht den Burgweg nennt. Aber zurück zu Tacitus dem Namensspender, der den Saltus in seinen Annalen erwähnte.

Im Original schrieb er:

"Bructeros sua urentis expedita cum manu L. Stertinius missu Germanici fudit; interque caedem et praedam repperit undevicesimae legionis aquilam cum Varo amissam. ductum inde agmen ad ultimos Bructerorum, quantumque Amisiam et Lupiam amnis inter, vastatum, haud procul TEUTOBURGIENSI SALTU, in quo reliquiae Vari legionumque insepultae dicebantur".

Und übersetzt:

"Im Auftrag des Germanicus zerstreute Lucius Stertinius mit leichter Truppe die Brukterer, die ihre Wohngebiete abfackelten. Unter Morden und Beute machen fand er den Adler der neunzehnten Legion, der mit Varus verloren gegangen war. In einem Zug ging das Heer von da bis zu der entlegensten Grenze der Brukterer; alles Land zwischen Ems und Lippe wurde verwüstet, (MAN WAR NUN NICHT MEHR FERN) "haud procul" vom "Teutoburgiensi saltu", (IN DEM) "in quo", wie man sagte, die Überreste der Varus Legionen unbestattet lagen".

"IN DEM" sollte man wohl weniger wörtlich nehmen, aber die Nähe der toten Körper zur Saltuspassage kommt damit deutlich zum Ausdruck. Germanicus hatte sich also zum "Teutoburgiensi saltu" aufgemacht und nicht nur das, er hatte sich auch in der Region umgesehen und sich natürlich auch das "prima Vari castra" zeigen lassen bevor er anschließend den Toten in Form einer Hügelbestattung gedachte. Möchte man seine von Tacitus überlieferten Stationen bis an diesen denkwürdigen Ort durchspielen, dann stimmen seine Stationen auch mit denen überein, wie es Cassius Dio dargestellt hatte. Germanicus kam von Nordwest und ritt mit seiner Reitertruppe den Hohlweg durch den "Teutoburgiensi saltu" hinab bis zu seinem östlichen Einstieg, passierte dann das letzte Schlachtfeld der Legionen an ihrem 3 und 4. Marschtag nahe Borlinghausen und ritt zunächst weiter in den Fahlenbruch nahe Schweckhausen wo sich der Theorie nach das 1. Varuslager befand. Nach erfolgter Visite ritt er auf gleichem Wege zurück zum "Saltus" und kam dadurch erneut an den Knochen der Opfer vorbei, die sich auf der Ebene zwischen beiden Lagern befanden und die aus den Kämpfen herrührten die die Legionen nach dem Verlassen des "prima Vari castra" zu bestehen hatten. Cassius Dio berichtete es. Dann erreichte Germanicus wieder das Endschlachtfeld in der Nähe des letzten Lagers, dass Varus am Abend des 3. Marschtages errichtete und wo sich im Umfeld die Greultaten ereigneten die Germanicus von den Überlebenden geschildert wurden. Dann schritt er zur Knochenbestattung. Obwohl uns im Gegensatz zu Cassius Dio der Historiker Tacitus keine Erklärungen hinterließ wie die Legionäre die Kämpfe erlebten, so lässt sich doch seiner Zusammenfassung der von Cassius geschilderte Schlachtverlauf entnehmen. Gemeinsam betrachtet lassen sich Anhaltspunkte zur mehrere Tage andauernden Schlacht rekonstruieren, wo sie begann und wo sie endete. Aber der "saltu" wirkte auf die verzweifelten römischen Soldaten wie ein helles Licht am Ende eines mörderischen Schlachtentunnel und immer wieder werden sich die Legionäre mit diesem fernen Zielort Mut gemacht haben. Alle wussten, dass man durch ihn hindurch besser gesagt hinauf musste, wenn man eine Chance haben wollte den Niederungen des Nethegau zu entkommen. Und dort unten wurde auch der Grabhügel aufgetürmt, indem spätere Generationen immer noch annahmen auf Gold stoßen zu können, aber dazu später mehr. Und es war dort wo die letzten großen Kampfhandlungen der zweiten Großschlacht am dritten Marschtag statt fanden und in diesem Umfeld brauchte man auch nicht lange nach Knochen suchen, denn hier lagen die inzwischen zu Relikte gewordenen bleichen Skeletteile noch allgegenwärtig am Boden. Aber nicht nur unter dieser Prämisse betrachtet konnte es gelingen die Varusschlacht bis zu diesem Endpunkt nachzuspielen und zu begleiten, denn es standen außer dem "Saltus" auch noch eine Reihe anderer Ereignisse Pate mit denen es sich bestätigen lässt, dass der heutige Burgweg der zur "Alten Burg" führt identisch mit dem "Teutoburgiensi saltu" sein könnte. Aber das Aufarbeiten der Schlacht und die Suche nach den Örtlichkeiten erfordert es auch noch einen anderen Aspekt näher zu beleuchten nämlich auf welchen Wegen Germanicus 15 + ins alte Schlachtgebiet zwischen Borlinghausen und Schweckhausen vordrang bzw. wie er den Weg finden konnte. Was wir wissen ist, dass er dafür eine Route nutzte die Asprenas zuvor erst noch begehbar machen musste. Vermutlich stand hier weniger die Frage der Begehbarmachung, als das wieder Auffinden im Vordergrund. Was sich der antiken Literatur entnehmen lässt ist, dass er aus dem Bereich der Oberläufe des Ems/Lippe Raumes bzw. der Senne kam wo Stertinius die Verwüstungen bei den Brukterer hinterließ. Des Weiteren erfahren wir, dass er bis in die Randlagen ihrer Siedlungsgebiete vordrang bevor er danach das Gebiet anderer Stämme erreichte. Eine Region unter der man den östlichsten Teil der westfälischen Bucht verstehen kann, denn Germanicus wollte die an der Weser ab dem Nethegau siedelnden Cherusker angreifen Dieser Theorie folgend befand er sich zwischen Paderborn und dem Rand zur Egge in der Nähe zum Örtchen Schwaney, inmitten dessen oder seiner Randlage sich nach dieser Recherche das römische Kastell Aliso befand. So ist Germanicus zuzutrauen, dass er demonstrativ die "Arbalo Tradition" auflebend lassend auch wieder am Ellerbach Quartier bezog. Dort könnte er sechs Jahre nach Varus noch eine in Teilen vorhandene Bausubstanz oder ihre Grundzüge als Zwischenstation genutzt haben. Der Saltus war letztlich an diesem Tag sein Zielgebiet und er befand sich südlich davon und um ihn zu erreichen wird er sich an der Topographie orientiert haben. Um die Tallagen und Bachkerben von Alme und Sorat auszusparen wird, er die Vorläuferwege des späteren Eiser - und Eggeweges als geeignete Leitstruktur genutzt haben die nahe an der alten Behmburg vorbei führten. Hier dürfte also schon die Formgebung der Landschaft seine Anmarschroute verraten haben. Wir kennen zwar den Grund warum er sich zum Saltus begab, aber wir wissen nicht wie viele seiner Männer ihn zu diesem Abstecher begleiten mussten. Schwer vorstellbar, dass er für diesen kurzen Exkurs seine komplette Streitmacht von mehreren Legionen antreten ließ. Denn dieser Feldzug diente einzig der Rache an den Cheruskern und war nicht für Landausflüge vorgesehen. Zudem wollte man die Cherusker anlässlich dieses Begräbnisses auch nicht im Randgebiet ihres Herrschaftsgebietes im südlichen Nethegau bei Borlinghausen heraus fordern, sondern in ihren zentralen Wohnsitzen an der Mittelweser. Germanicus hatte eine gigantische Armee aufgeboten. Caecina befehligte 20.000 Mann, er selbst 30.000, Pedo führte die Kavallerie mit unbekannter Größe heran und die Chauken hatten Hilfsvolk gestellt. Arminius kannte die Kampfstärke von Germanicus überließ ihm den taktisch unbedeutend gewordenen Nethegau links der Weser und wich in den Raum auf die rechte Weserseite aus. Nach dieser Theorie konzentrierte Germanicus seine Hauptarmee zunächst im Raum Aliso/Schwaney von wo aus er über Brakel ins Cheruskerland einfallen wollte. Werfen wir im Betrachtungsgebiet einen Blick auf die Egge und ihr östliches Vorland also den Nethegau und versetzen uns in die Lage der Überlebenden die Germanicus zur Stätte der Trauer führen sollten, dann stellt sich zunächst die Frage über welche Orientierungsmöglichkeiten sie noch verfügten zumal sie sechs Jahre nicht mehr da waren. Ihr Erinnerungsvermögen war dem entsprechend eingetrübt und die Wachstumszyklen hatten in der Zwischenzeit keine Pause gemacht. Grundsätzlich konnten sie nur über zwei Routen imstande gewesen sein zum anvisierten Ort am "Teutoburgiensi saltu" zu gelangen bzw. ihn wieder zu finden, da die damals an der Varusschlacht beteiligten Legionäre nur diese zwei Wege kannten. Dazu gehörte zweifellos der einstige Anmarschweg ab Brakel wo sie noch ahnungslos ihr letztes Ruhequartier vor dem Marsch in die Schlacht bezogen hatten, als man aus Richtung Höxter/Corvey anrückte. Und zum anderen war es der Fluchtweg über den sie einst dem Inferno entkamen, nach dem sie die Eggekante erklommen hatten und nach Aliso/Schwaney gelangten. was für viele zum Auffanglager wurde. Es war der Weg den jene die ihn damals benutzt hatten nun gemeinsam mit Germanicus in entgegen gesetzter Richtung einschlugen. Ein dritter eher unwahrscheinlicher Weg wäre noch längst des Eggeosthanges denkbar gewesen. Dazu hätte Germanicus den vermutlich wegelosen Bereich über Heerse und Willebadessen nutzen müssen. Man darf aber annehmen, dass es dort aufgrund dichter Bewaldung sowie der zahlreichen Quellaustritte kein Durchkommen gab geschweige denn, dass die Überlebenden einen derartigen Weg gekannt hätten. Das die Überlebenden Germanicus nicht über die einstige Kampftrasse von Brakel und Schweckhausen aus nach Borlinghausen führten dürfte auch aufgrund der ungleich längeren Wegeführung naheliegend sein. Denn erst von Schwaney bis Brakel zu reiten um dann von dort aus den Weg zum Saltus einzuschlagen dürfte sich dank des praktikablen Eggehöhenweges erübrigt haben. Hätte er sich wider erwartend doch für die Route über Brakel entschieden wäre es möglicherweise zu einer denkbaren, wenn auch relativ unwahrscheinlichen vorzeitigen Konfrontation mit den Cheruskern gekommen die sich ihm frühestens im Raum Brakel hätten entgegen stellen können. So dürfte der Weg über die Eggehöhen immer möglichst nahe zur Hangkante der wahrscheinlichere gewesen sein. Diese Route bot sich als die schnellste Verbindung von Aliso/Schwaney nach Borlinghausen/Saltus an und einen anderen Weg dürften die Überlebenden Germanicus auch nicht empfohlen haben schließlich agierte man nahe am Feind. Betrachtet man das von gewaltigen Militärbewegungen geprägte Feldzugjahr 15 + mit einem enormen Aufgebot an römischen Soldaten, dann hatte darin dieser Ritt zum "Saltus" nur den Stellenwert eines relativ unerheblichen und nicht Schlachten entscheidenden Nebenereignisses und glich eher einer Randnotiz die aber viel Aufmerksamkeit erregte, da die Berichte aus jener Zeit so dünn sind. Denn in diesem Jahr kam es zu weitaus gravierenderen und erwähnenswerteren Geschehnissen zwischen zwischen Rom und den Stämmen, als auf dieses für einen Auguren frevelhafte tun mit Leichenteilen hantiert zu haben so detailliert einzugehen. Warum es dennoch für Tacitus wichtig war die Knochenbestattung zu erwähnen bleibt sein Geheimnis, sicherlich lassen sich dafür diverse Erklärungen finden sie aber alle spekulativ nachzustellen würde diesen Rahmen sprengen. Jedoch darf man etwas schürfen, denn auch diese Episode könnte wieder mehr verraten, als sich auf den ersten Blick erschließen lässt.

Es ist der wie folgt übersetzte Text, der auf diese Begebenheit eingeht:

"Daher ergriff den Caesar (Germanicus ist gemeint) der Wunsch, den Soldaten und dem Führer die letzte Ehre zu erweisen; das gesamte anwesende Heer befiel eine elende Stimmung wegen der Verwandten, Freunde, schließlich der Wechselfälle der Kriege und des Schicksals der Menschen. Man sandte Caecina voraus, um die verborgenen Waldschluchten zu erforschen und Brücken und Dämme über die feuchten Sümpfe und trügerischen Ebenen anzulegen; dann betraten sie die traurigen Stätten, schmachvoll für den Anblick und die Erinnerungen".

Germanicus selbst kannte also nicht die Orte der Schmach, aber Überlebende der Schlacht wussten sie noch und sie befanden sich in seiner Armee. Ohne sie hätte es das Kapitel "Knochenbestattung" wohl nicht geben können. So könnten es auch nur diese Soldaten gewesen sein, die ihn überhaupt erst darauf aufmerksam machten und ihn in die moralische Pflicht nahmen, sich dieser sakralen Aufgabe anzunehmen. Und ihr Druck auf Germanicus gepaart mit ihrem eigenen Verlangen passt in die Szenerie derer die damals die Hölle miterlebten und ihr entkamen. Germanicus war zunächst Feldherr und er wollte vermutlich nach dem Stertinius die Siedlungsgebiete der Brukterer verwüstete direkt durch marschieren um sich die Cherusker zu greifen, statt einem aus seiner Sicht vielleicht unnötigen Zeitverlust zuzustimmen. Sollte er es halbherzig angegangen sein, dann war ihm daran gelegen es zeitlich nicht ausarten zu lassen, denn er hatte Größeres im Sinn als Knochen aufzuschichten. Im Heer des Germanicus konnte zunächst niemand gewusst haben, dass die Knochen der verstorbenen Varuskämpfer immer noch unbestattet also sichtbar in den Wäldern umher liegen würden aerb man ahnte es wohl, da es dem Zeitgeist entsprach. Der Ortssinn der Überlebenden dürfte gelitten haben und Germanicus wollte für die Suche keine Zeit verlieren. Caecina sein Mann für alle Fälle hatte dem vorzubeugen und bekam den Auftrag sich von den Überlebenden den Weg zunächst zeigen zu lassen um sicher zu gehen, dass sie ihn überhaupt wieder fanden. Natürlich war für Caecina der Weg mit Komplikationen verbunden, daran dürfte es nichts zu deuteln geben, aber durch seine Voraberkundung war nun sichergestellt, dass Germanicus den Schlachtort auch schnell und zielsicher erreichen und wieder verlassen konnte. Ob dazu erst noch der Bau von Brückenbauwerken nötig war mag dahin gestellt sein, denn es gibt keine Fließ - oder Stillgewässer am Eggerand und zudem war man wohl flexibel, da man auf Pferden unterwegs war. Das man das ehemalige Schlachtfeld zwei Mal aufsuchte, zunächst Caecina vorschickte und dann noch mal Germanicus, könnte schon für eine relative Nähe zwischen dem "Saltus" und seinem Befehlszentrum sprechen. So spräche einiges dafür, dass es für Germanicus nicht mehr war, als nur eine schnelle Kavallerieaktion. Denn der von Tacitus abgefasste "Besuchsbericht" fiel relativ mager aus. Das "prima Vari castra" striff man vermutlich aus Zeitgründen nur oberflächlich, überflog es förmlich nur mit Blicken und machte daher nur die wenigen Angaben zum Umfang insofern aus denen man dann kurzerhand schloss, dass es sich dabei nur um die Aktivitäten der drei Legionen gehandelt haben konnte. Auf weitere Details ging die Überlieferung nicht ein. Dann erwähnte Tacitus halbfertige Wälle und Graben und berichtete von Gebeinen, tierischen Gerippen und Waffenresten als auch Schädeln die man an Bäume genagelt hatte und von germanischen Altären. Während man sich zunächst im Bereich des "prima Vari castra" bewegte wo die Schlacht am 2. Marschtag ausbrach begab man sich danach in die Region wo die Schlacht am 4. Marschtag endete, wo Varus sich tötete und sich die Gräultaten zutrugen. So ist es naheliegend, dass sich Tacitus bei der Beschreibung der Schädel und Altäre bereits auf die Gegend bezog, wo Germanicus die Knochen bestattete und das war schon nahe dem "Teutoburgiensi saltu" und nicht mehr im östlich davon liegenden "prima Vari castra" etwa neun Kilometer östlich vom "Saltus" entfernt. So schien das Abreiten des Schlachtfeldes hin zum Fahlenbruch und wieder zurück zum "Saltus" mehr einem zügigen Vorbeiritt geglichen zu haben, als dass man sich einer detaillierten Inaugenscheinnahme gewidmet hätte. Wieder am Endschauplatz vor dem "Saltus" angelangt wird man etwas länger verweilt haben und verließ dort auch die Sättel um sich von den Überlebenden die einzelnen Episoden erläutern zu lassen, denn schließlich starb hier der Feldherr. Man darf auch vermuten, dass die Bestattung der Knochen nicht den Umfang annahm wie es die Überlieferung suggeriert. Man befand sich unzweifelhaft mitten in Feindesland und so überwog mehr das Symbolische der Tat und weniger der Gedanke etwas dauerhaft Langlebiges als Gedenkstätte für die Nachwelt hinterlassen zu wollen. Aber zu einem Hügel dürfte es gereicht haben, den man in der Landschaft hinterließ. Und auch in der Antike sah man darin immer schon stärker den sakralen Akt, während sich für das Volumen und die Dimension eher die moderne Forschung interessierte, geleitet von der Hoffnung davon die Örtlichkeiten abzuleiten oder sogar noch Überreste finden zu können. Für Germanicus könnte es möglicherweise auch nur eine lästige oder gar überflüssige Eskapade gewesen sein um die er sich nicht drücken konnte und so sollte alles möglichst kurzfristig vonstatten gehen. Aber war es wirklich nun das schmerzliche Mitgefühl, das sich über das gesamte Heer gelegt hatte, das ihn letztlich bewog den Legionären nachzugeben, hatte Germanicus nicht vielleicht auch ein persönliches Bedürfnis oder steckte eventuell sogar mehr dahinter. Empfand er Pflicht und Schuldigkeit und hatte das echte Verlangen den verblichenen menschlichen Überresten der einstigen Varuslegionen die letzte Ehre erweisen zu wollen oder sah er sich hier mehr in der Person des Befehlshaber. Denn das alte Varusschlachtfeld zu besuchen bot ihm auch die Möglichkeit die strategische Vorgehensweise seines baldigen Gegners zu erforschen. Und selbst Feldherr, wollte er sich vielleicht ein Bild davon machen um beurteilen zu können woran Varus scheiterte und das gelingt am Besten dort wo dieser seine Niederlage erlitt. Letztlich muss man den Feind studieren, den man bekämpfen möchte und dazu gehörte es auch etwas über seine Taktik zu erfahren. Und hier stand ihm ein relativ aktuelles Anschauungsobjekt zur Verfügung, obwohl es nicht sehr hilfreich für ihn war da die Umstände im Jahre 9 + wie er bald erfahren sollte anders lagen, als im Jahre 15 +. Oder hatte es ganz profane Gründe, da er sich nur gerade in der Nähe aufhielt und er dadurch dem Ansinnen der Überlebenden nach gab. Natürlich handelt ein Feldherr wie Germanicus nicht aus dem Bauchgefühl heraus, wenn man wenig später gegen den größten Gegner des Imperiums jener Zeit zu Felde ziehen will. Für ihn standen Rache und möglicherweise die Wiederherstellung einstiger Machtverhältnisse im Vordergrund und da war kein Platz für Sentimentalitäten. Außerdem gab es da noch einen Segestes der sich erhoffte im Falle eines Sieges die Nachfolge von Arminius antreten zu können oder zu dürfen, zumal seine Chancen mit dem "Thronfolger" Thumelicus im Rücken nicht schlecht standen. Möglicherweise lässt sich dahinter sogar eine Antriebsfeder für die Entführung seiner Tochter erkennen, es ihm also nicht um die Tochter, sondern um den Enkel ging. Das römische Feldherren nicht dazu neigen sich im Krieg an Orte der Schmach zu begeben um dort ihre Trauer öffentlich zum Ausdruck zu bringen oder gar Gefühle zu zeigen, legt den Verdacht nahe, dass Tacitus diesen Vorgang über gewichtet hat. Ob Germanicus die Absicht verfolgte damit unter seinen Soldaten Siegeswillen zu wecken, deren Zorn zu steigern und sie für die kommenden Gefechte anzuspornen wäre denkbar, hätte aber auch das Gegenteil bewirken können indem er damit die Kampfmoral unnötig geschwächt hätte. In dieser Situation am Vorabend einer Schlacht dürfte dies nicht der Grund für den Ritt zum "Saltus" gewesen sein. Aber welche überzeugende Absicht hätte dahinter gestanden haben können, dass er sich dort hin begab und was leitete oder verleitete Tacitus es zu erwähnen. Warum Germanicus den Saltus aufsuchte wird letztlich im Dunklen bleiben, aber der Grund den Tacitus hatte es zu überliefern könnte sich finden lassen. Denn nur Tacitus schilderte die Knochenbestattung, nur er wies darauf hin dass Auguren nicht mit Leichen in Berührung kommen dürfen und nur er bewertete auch den späteren Angriff auf die Cherusker in der Form, als dass man sich ohne Entscheidung trennte. Eine vorsichtige Umschreibung für einen äußerst unbefriedigenden Ausgang. Ein Gefecht, dass nicht nur vielleicht, sondern auch real einer Niederlage gleich gekommen sein dürfte. Erinnert man sich aber an die kolossale Streitmacht mit der Germanicus den Sommerfeldzug aus drei Stoßrichtungen voran trieb muss man dabei nachdenklich werden. Es war ein Feldzug der seinen Anfang mit den Stertinius Verwüstungen nahm, dem die Knochenbestattung folgte und der den Anschein erweckte, als ob man ihn vorzeitig abgebrochen hatte. So darf man annehmen, dass Tacitus die Begebenheit der Knochenbestattung bewusst mit dem Ausgang des Gefechts in Verbindung gebracht haben könnte um damit die unrühmliche gar klägliche bis peinliche Flucht gegen Arminius trotz seiner großen Übermacht zu begründen. Die Moral der Episode wäre demnach die gewesen, dass der der sich die Götter zum Feind gemacht hat auch nicht mehr auf ihre Unterstützung hoffen durfte. Aber die Bestattung war allemal ein Ereignis, dass für die Forschung zum Segen wurde. Vermutlich von Schwaney/Aliso aus anrückend bevorzugte man sowohl übersichtliches Terrain, wo sich zudem besser gallopieren ließ, als auch eine direkt verlaufende und umwegfreie Trasse. So dürfte es ein zügiger Ritt und kein aufwendiger Marschzug zum Saltus gewesen sein wie man unter den gegebenen Umständen annehmen darf und so bevorzugte er es die Stätte der Erniedrigung nicht "per pedes", sondern mit seinen Männern auf dem Pferderücken anzugehen, was in Kriegszeiten allemal ratsamer war. Tacitus der von uns mit Worten wie "dein" oder "medio campi" schon viel abverlangte war noch steigerungsfähig. Denn wir kennen von ihm auch noch die Worte "haud procul", die jeder Freund der Varusforschung verinnerlicht hat. Sie stehen für "unweit" und mit ihnen umschrieb Tacitus eine spezielle Entfernung für die man als Ausgangsort Schwaney annehmen darf. Hier verlief in Form der Egge eine natürliche geologische Abbruchzone mit Barrierewirkung wodurch sich die Region stammesstrategisch gedacht gut von den Cheruskern abgrenzen ließ, während Schwaney auf der Paderborner Hochfläche noch Brukterland war. In gebirgigen Lagen wo sich nach meditteraner Denkweise die Quellgebiete von Flüssen befinden entsprang nach deren Auffassung im Karstgebiet um Schwaney auch die Lippe die sich heute Ellerbach, also Schwarzerlenbach nennt. Der Name der die lateinischen Worte "Aliso negro" für die Schwarzerle im Namen führt und wo sich nach dieser Theorie das Römerlager "Aliso" befand. Dieses Kastell einst vor der Stirn der Feinde errichtet thronte über der Eggekante und bildete den Ausgangspunkt für die Distanzangabe "haud procul" zum "Teutoburgiensi saltu". Dafür, dass Germanicus dafür Pferde zu hilfe nahm spricht eine schon ältere Analyse die wir der beeindruckenden Fleißarbeit von Hermann Neubourg verdanken. Obwohl er im 19. Jhdt. die Varusschlacht im Lippischen Wald vermutete und er seine Recherche darauf abgestimmt hatte kann sie auch für die Suche nach der Varusschlacht andernorts dienlich sein. So unterzog er sich der Mühe diverse Tacitus Textstellen auf die Bedeutung der Worte "haud procul" hin zu untersuchen. Was beinhaltet also "haud procul" bzw. was hat man sich unter dem vergleichbaren Wort "unweit" vorzustellen. Allen erreichbaren Angaben ging er akribisch nach und gelangte immer wieder zu der Auffassung, dass man darunter eine Marschzeit von maximal 3 - 4 Stunden verstehen kann, oft aber auch darunter liegend. So entdeckte er dazu die folgenden neun Hinweise und veröffentlichte sie mit Quellenangabe in der Berliner Philologischen Wochenzeitschrift 1888 im Jahr 1889.

- Haud procul pagayda flumine (Ann. 3.20)
- Haud procul theatro marcelli (Ann. 3.20)
- Haud procul novesia (Historien 4.36)
- Haud procul cremona (Historien 2.23)
- Haud procul castris (Historien 4.22)
- Haud procul tentorio eius barbarus (Ann. 14.24)
- Haud procul astabant (Ann. 14.5)
- Haud procul (Ann. 4.47)
- Haud procul apulis litoribus (Ann. 4.71)

Hätte sich Germanicus also zu Fuß auf den Weg gemacht, dann wäre er von Aliso/Schwaney aus betrachtet maximal 4 Stunden bis zum "Saltus" unterwegs gewesen. Er hätte es mit den Überlebenden dann allerdings aus tageszeitlichen Gründen nur bis dahin geschafft. Hätte dort die Knochen aufgetürmt und wäre dann wieder max. 4 Stunden zum Ausgangsquartier zurück marschiert um nicht übernachten zu müssen. In diesem Falle hätte auch das "prima Vari castra" nahe Borlinghausen liegen müssen, denn darin hatte man sich dann auch noch umgeschaut. Eine Rechnung die man dann allerdings hätte ohne Cassius Dio aufmachen müssen, denn unter Berücksichtigung seiner Darstellung wonach der Marsch vier Tage dauerte wäre sie nicht aufgegangen. Denn dann hätte die ganze Varusschlacht nur nahe Borlinghausen statt gefunden und an den Tagen davor hätte es nicht die Gefechte gegeben die Cassius Dio beschrieb. Man hätte also den neun Kilometer entfernten Fahlenbruch an einem einzigen Tag zu Fuß nicht mehr erreichen können und eine sicherlich ungewollte Übernachtung wäre fällig gewesen. Ein Fußmarsch dürfte daher unwahrscheinlich gewesen sein, so dass man davon ausgehen darf, dass man dafür eine umfängliche Kavallerieeinheit aufgestellt hatte und nur so imstande war die einzelnen Ziele zu erreichen. Einen normalen Tagesritt setzt man mit max. 60 Kilometern an, so dass man bei flottem Galopp und natürlich ohne Pferdewechsel für diese Distanz bei Hin - und Rückritt von Aliso durch die Saltusschlucht bis zum "prima Vari castra" im Fahlenbruch und zurück nur etwa einen Tag benötigt hätte und wäre dann auch ohne Nachtlager ausgekommen. Man unterbrach den Ritt etwa um die Dimensionen des "prima Vari castra" zu inspizieren, um sich im Wald der angenagelten Schädel umzusehen und um den obligatorischen oder mehr symbolischen Knochenhügel aufzustapeln. Abläufe die sich an einem Tag umsetzen lassen der im September aus rund 12 hellen Stunden bestand und man so auch noch das Ausgangslager "Aliso"vor Einbruch der Dunkelheit wieder bequem hätte erreichen können. So war nach dieser Theorie das erste Ziel auch nicht die Stätte wo sich Varus das Leben nahm, denn daran ritt man zunächst nur vorbei um zum "prima Vari castra"nahe Schweckhausen zu gelangen, wo sich das erste Schlachtfeld befand. Nach dieser Überlegung ließ er das letzte Lager nahe Borlinghausen zunächst aus. Im Fahlenbruch sah Germanicus bis auf die einstigen Ausmaße und die unvollendeten Wall - und Grabenanlagen nichts erwähnenswertes und ritt erst im Anschluss daran zurück zum Lager nahe dem "Wald der nassen Wurzeln", das man auch "secundus Vari castra" nennen könnte. Es befand sich demnach nahe Borlinghausen, etwa 9 Kilometer westlich des 1. Varuslagers. Und es war eine Distanz die sich zu Pferde gut überbrücken ließ und bei der man dann unterwegs auch auf weitere Knochen und Relikte der Schlacht rechts und links des "Oberen Bördenweges" stieß. Während man sich am "prima Vari castra" vielleicht auch wegen der Nähe zum Feind nicht lange aufhalten wollte, inspizierte man den Endschauplatz der Mehrtagesschlacht etwas genauer und auch die Örtlichkeit wo sich Varus tötete. Der Überlieferung nach konnten die Überlebenden erstaunlicherweise noch genaue Angaben darüber machen, wo sich Varus und seine Offiziere töteten, wo Arminius seine Rede hielt und wo man in den Bodenlöchern die Gefangenen aufbewahrte. Sollte man sich darunter mit der Hand gegrabene Vertiefungen vorstellen liegt man sicherlich falsch, denn für derartiges war keine Zeit und man dürfte Senken und Gruben natürlichen Ursprungs genutzt haben. Es musste sich bei allem also um exponierte Orte mit gewissen Wiederentdeckungsqualitäten gehandelt haben was in der Region verwundert und nicht für ein waldartiges und einen schwer zu durch dringenden Biotop, sondern eher für eine vegetationsfreie Landschaft spricht. Man wird das letzte Notlager zweifellos nicht inmitten eines schwer zu verteidigenden Waldes errichtet, sondern sich für eine offene Lage entschieden haben in dessen Umgebung die Überlebenden auf die Stationen der letzten Stunden hinwiesen. Gleicht man den Bericht von Cassius Dio mit der Landschaft ab, dann ereigneten sich auf dem Hinweg ab Hampenhausen und um das "prima Vari castra" im Fahlenbruch die heftigsten Kämpfe der gesamten Mehrtagesschlacht, was sich insbesondere aus der Verbrennung des unnötigen Ballastes erschließen lässt und zur zweiten entscheidenden Schlacht kam es dieser Theorie nach auf den bewaldeten Höhenrücken zwischen Löwen, Peckelsheim und Borlinghausen. Im Umkreis des letzten Notlagers wo sich die zweite Großschlacht zutrug konnten die Männer um Germanicus auch noch umfänglich vorhandene Knochensubstanz bergen, da man sie dort noch konzentriert vorfand und sie leichter erreichbar war. Man bestattete sie sicherlich in Fundnähe, wo man sie auftürmte und trug die noch auffindbaren, teilweise schon bemoosten Knochen nicht über größere Distanzen bis zu einer Art "Ossuaire". Zur Begründung warum man sie noch nach sechs Jahren unbestattet und oberirdisch finden konnte, folgt zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Erklärung bezogen auf die örtliche Kraft der Mystik aus vergangenen Zeiten. Aber mit dieser theoretischen Aufbearbeitung lässt sich ein weiterer Bausteinen einfügen. So rückt der Großraum der Varusschlacht immer näher zusammen und fokussiert sich auf ein trapezförmiges Muster mit den vier Eckstationen Sommerlager in Höxter/Corvey, "prima Vari castra" im Fahlenbruch/Schweckhausen, "Teutoburgiensi saltu" nahe Borlinghausen und Aliso in oder um Schwaney. (22.07.2022)

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Dienstag, 28. Juni 2022
Am vierten Tag endete die Varusschlacht
Die Varusschlacht hatte sicherlich eine längere Vorgeschichte. Denn in so manchen Köpfen der Cherusker dürfte sie schon begonnen haben, als Varus mit dem Fürstenhaus den Knebelvertrag geschlossen hatte. Im Imperium verfuhr man mit niederen Zivilisationen perfide. Denn letztlich brauchte man nur ihr Siedlungsgebiet um einen dauerhaften Durchzugskorridor für die weiteren Eroberungszüge an die Elbe und zu den Erzregionen herzustellen und Arbalo sollte sich nicht wiederholen. Hinzu kam, das man nach gallischem Vorbild, und das vermutlich an der Weser eine neue Provinzhauptstadt gründen wollte. Es war die Zeit als Arminius noch in Pannonien kämpfte und es für sie noch ein weiter Weg war bis man sich untereinander verständigt und geeinigt hatte um die richtige Taktik für die Schlacht zu finden. Und dazu gehörte nicht nur die Genieleistung des Tandems Segimer/Arminius sondern auch ein Maximum an Geheimhaltung. Wochenlange Anspannung und Diskretion werden dem Ereignis voraus gegangen sein und niemand konnte den Ausgang prophezeien, geschweige den Erfolg garantieren. Erst das Erscheinen von Arminius in Ostwestfalen und sein für alle erkennbarer Frontenwechsel dürfte unter den Germanen die Verkrampfung gelöst und wird ihre Kräfte frei gesetzt haben. Solange lastete auf allen ein Druck gepaart aus Unsicherheit und der Angst vor der eigenen Courage. Als der Zeitpunkt zum Losschlagen gekommen war kam es zu den zwei von Cassius Dio beschriebenen Großschlachten am 2. und 3. Marschtag in dessen Verlauf am ersten Kampftag auch um das "prima Vari castra" gekämpft wurde, das als der Lagerüberfall des Florus in die Geschichte einging, die Kämpfe nach dem Verlassen des "prima Vari castra", sowie die zahlreichen Zweikämpfe bis Arminius die letzten Römer am vierten Marschtag, dem dritten Kampftag vor dem "Teutoburgiensi saltu" zusammen gepfercht hatte. Aber erst ein Blick auf die topographischen Formen die die Kräfte der Natur in der Region hinterließen verrät, wie Durchdacht und nahezu teuflisch der Plan war, mit dem die Germanen Varus in diese Gebirgsfalle gelockt hatten. War für die Nachwelt der Kniff mit dem Aufruhr und die Illoyalität der Cherusker bereits der klassische Hinterhalt, dann war das gelungene Manöver die Legionen vor die Egge zu dirigieren der ultimative Komplott. Um die im Saltusbereich weniger schroff ausgeprägte Egge zu überwinden bei der man beim direkten Einstieg in den "Saltus" am Beginn des Hohlwegebündels bis zur Alten Burg auf einer Steigungsstrecke von 500 Meter aber immer noch etwa 70 Meter Höhenunterschied zu bewältigen hat, setzt eine gute physische Konstitution voraus die vielen Legionären nicht mehr gegeben war. Und darin bestand auch die germanische Rückversicherung für den Fall, dass die Schlacht einen anderen Verlauf genommen hätte als gewünscht und so könnte man sich auch auf andere Szenarien vorbereitet haben. Denn man muss sich auch der Frage eines "was wäre wenn" stellen. Die Germanen konnten in der Vorbereitungsphase zwar abschätzen mit wie vielen Gegnern sie es zu tun bekommen würden da sie in ihrem Sommerlager aus und ein gingen, aber ihr Nachteil bestand darin, dass sie den Hergang der Schlacht weder voraus sagen noch einschätzen konnten und anfänglich auch nicht wussten wie viele Männer, die so genannten Abstellungen Varus für den zivilen Tross über den Gradberg zur Lippe frei gab. Wäre ihnen dieser Überraschungsangriff misslungen, hätte sich möglicherweise eine ungünstige Dynamik eingestellt. Varus hätte die Oberhand behalten und es hätte ihm gelingen können sich mit einem wehrfähigen Großteil seiner Männer relativ unbeschadet nach Westen absetzen zu können. Wäre es dazu gekommen, dann hätte sich die Varusschlacht vermutlich doch noch im "Teutoburgiensi saltu" entschieden und nicht schon auf dem Weg dahin. Dann hätte Varus die Richtung ab Schweckhausen beibehalten, wäre dann aber möglicherweise vor oder im "Saltus" auf ein größeres germanisches Aufgebot gestoßen, dass den Übergang über die Egge kontrollierte und ihn dort erwartet hätte. Arminius musste diesen Überlegungen Raum geben und da war dieser den Germanen nicht unbekannte steil ansteigende Gebirgskamm zweifelsfrei von strategischem Nutzen. Eine Frage die natürlich nur von hypothetischer Bedeutung ist, denn dazu kam es nicht. Will man sich in den Gemütszustand der Germanen am letzten Kampftag hinein versetzen und möchte das dann Kommende besser verstehen, dann sollte man sich die Entwicklung bis zu diesem Zeitpunkt in Erinnerung rufen. In Anknüpfung an das Kapitel "Drei Kilometer vor dem Teutoburgiensi saltu tobte die Endschlacht im Wald der nassen Wurzeln" vom 4. April 2022 konnte man sich vorstellen, dass am Abend des zweiten Kampftages dem dritten Marschtag den Legionären die Aussichtslosigkeit ihrer Lage bewusst geworden war. Obwohl es schon als historisch ungesichert dargestellt wurde, geht man in der neueren Forschung aus Gründen des plausiblen Kontextes doch davon aus, dass das was uns Cassius Dio überlieferte für die Existenz eines vierten Kampftages spricht und so wird es auch von der Wissenschaft kommuniziert. Die Grundaussage lautet demzufolge, zwei Sichtweisen, zwei antike Historiker, aber nur ein mehrere Tage andauerndes Schlachtgeschehen. Eine Odyssee für die die Forschung einige Namen kreiert hat weil man sich in allen Zeiten eine Vision zurecht legen wollte. So nannte man es schon ein Verlaufs -, Defilee oder Passiergefecht, einen Gefechtsmarsch oder gar einen Verfolgungskampf. Aber alle Begriffe meinen dasselbe und Cassius Dio lieferte dazu Vorlage und Drehbuch zugleich. Seine Texte liegen dem zugrunde und viele Geschichtsfreunde wünschen sich, dass alles einst am Kalkrieser Berg endete. In diesem Kapitel soll versucht werden die Schlussphase transparenter zu gestalten um nach Möglichkeit einen Einblick zu gewinnen und zu erkunden wie weit sich unser Kenntnisstand der sich auf die Quellen der antiken Historiker stützt mit unserem Vorstellungsvermögen kombinieren lässt. Auf dem Grad auf dem es zu balancieren gilt, lässt sich am Besten das logische Gleichgewicht einhalten, wenn man zuvor noch mal einen Blick auf die drei Tage davor wirft und was sich über sie rekonstruieren ließ. Denn als Verfasser weiß man nur zu gut wie schnell man den Pfad des plausiblen Aufbaus verlassen kann und sollte ihn sich daher von Zeit zu Zeit in Erinnerung rufen. Auch auf die Gefahr sich zu wiederholen hier noch mal ein kurzer Abriss.

Rekonstruiert nach Cassius Dio, Kapitel 19 ( 1 - 5 )

Der 1. Marschtag verlief unauffällig ohne Kampfaktivitäten von der Weser nach Brakel
wo man nach 20 km Marschzeit in einem dort bereits vorhandenen älteren Etappenlager übernachtete.

Rekonstruiert nach Cassius Dio, Kapitel 20 ( 1 - 5 )

Am anderen Morgen brachen in Brakel die Truppen auf die anlässlich der Gerichtsverhandlung für das nötige Drohszenario zuständig waren und nötigenfalls für Sicherheit sorgen sollten, während der zivile Zug Brakel in Richtung Schmechten verließ. Erst dieser 2. Marschtag der sich zum 1. Kampftag entwickeln sollte endete nach den Gefechten dieses Tages im 2. Nachtlager dem "prima Vari castra".

Übersetzung von Cassius Dio Kapitel 21. ( 1 ) 

"schlugen sie ihr Lager da auf, wo sie einen geeigneten Platz fanden, soweit dies in dem Waldgebirge überhaupt möglich war". (das prima Vari castra).
Am anderen Morgen dem 3. Marschtag der zum 2. Kampftag werden sollte verließen sie diese Lagerstätte (das "prima Vari castra").

Übersetzung von Cassius Dio Kapitel 21. (1)

"nachdem sie zahlreiche Wagen und sonstige Gegenstände, die nicht unbedingt erforderlich waren, verbrannt oder zurückgelassen hatten, zogen in etwas besserer Ordnung weiter, so dass sie sogar offenes Gelände ( die Warburger Börde ? ) erreichen konnten; freilich erlitten sie auch bei ihrem Abzug Verluste".

Übersetzung von Cassius Dio, Kapitel 21 (2)

"Als sie (am 3. Marschtag) von dem zuletzt genannten Standort (also dem prima Vari castra) aufgebrochen waren, gerieten sie (zwischen Peckelsheim und Borlinghausen) erneut in Waldgebiete. Sie setzten sich zwar gegen die Angreifer zur Wehr, hatten aber gerade hier schwere Verluste, denn wenn sie auf engem Raum dicht zusammenrückten um in geschlossener Formation zugleich mit der Reiterei (Numonius Vala war vermutlich noch nicht geflüchtet) und den schwerbewaffneten Legionssoldaten die Feinde anzugreifen, brachten sie sich in dem Gedränge vielfach gegenseitig zu Fall oder glitten auf den Baumwurzeln aus".

Fazit:
Am Abend nach den Gefechten an diesem 3. Marschtag, dem 2. Kampftag bezogen sie das 3. Nachtlager, das "secunda Vari castra".

Übersetzung von Cassius Dio Kapitel 21 (3 - 5)

"So brach der vierte Tag (der 3. Kampftag) ihres Marsches an, und sie gerieten erneut in einen strömenden Regen mit heftigem Sturm, der sie nicht nur daran hinderte, vorzurücken oder einen festen Stand zu gewinnen, sondern auch den Gebrauch der Waffen nahezu unmöglich machte, denn sie konnten weder ihre Bogen noch ihre Wurfspeere oder auch nur ihre Schilde richtig verwenden, da diese Waffen völlig durchnässt waren. Für die Feinde hingegen war die Nässe kaum ein Hindernis, da sie ja größtenteils leichtbewaffnet waren und so die Möglichkeit hatten, ohne Gefahr anzugreifen oder sich zurückzuziehen. Zudem hatte die Zahl der Feinde noch erheblich zugenommen, denn auch viele andere Barbaren, die vorher noch abgewartet hatten, waren jetzt eingetroffen, um vor allem Beute zu machen, aber auch aus anderen Gründen; die Reihen der Römer hatten sich (hingegen) schon gelichtet, da viele in den vorausgehenden Kämpfen gefallen waren; so umzingelten die Germanen ohne große Mühe die Römer und streckten sie nieder, so dass Varus und die anderen hohen Offiziere aus Furcht, entweder in Gefangenschaft zu geraten oder bei ihren schlimmsten Feinden den Tod zu erleiden".

Mit dieser leicht kommentierten Einführung im Rücken lässt es sich besser an den Verlauf des 4. Marschtages heran tasten um sich mit dem Schlussakt vertrauter zu machen. Schon am Abend des dritten Marschtages nach der zweiten Großschlacht am zweiten Kampftag war das Ende der Armee de facto besiegelt. An diesem Abend war sie geschlagen und ihr letztes Lager wurde für sie zur Stätte der bitteren Erkenntnis. Aber die Faszination die von diesem letzten Nachtlager ausgeht da sich darin oder in seiner Umgebung Varus tötete könnte auch die ungeklärte Frage nach der möglichen Örtlichkeit lösen. Und zu wissen wo es sich befand wäre in der Tat eine schöne Abrundung dieser Verlaufstheorie. Was Cassius Dio noch über den 4. Kampftag zu Papier brachte glich stark den Worten die er schon zum ersten und zweiten Kampftag fand. Es schien immer das gleiche Bewegungsmuster samt Dramaturgie gewesen zu sein, dem sich Varus zu stellen hatte. Danach war der germanische Gegner immer allgegenwärtig, immer wieder der geschickt ins Unterholz ausweichende Feind. Der, der sich immer in der besseren Kampfposition befand und dem die Legionäre immer wieder ein leichtes Ziel boten. Im Wesentlichen waren es seine wieder kehrenden Hinweise auf die aus römischer Sicht katastrophalen Wetterverhältnisse die den Germanen zusätzlich in die Hände spielten. An sich die gewohnt klimatischen Bedingungen wie man sie in unseren Regionen als jahreszeitlich typisch und das nicht nur für das Bergland an der Egge bezeichnen kann, die sich aber immer dann besonders dramatisch auswirken, wenn man tagelang auf den Beinen war, einen leeren Magen und nachts kein Dach über dem Kopf hat und dabei noch tagsüber kämpfen musste. Schon ab dem ersten Kampftag, dem zweiten Marschtag bescheinigt uns Cassius Dio Regen und nochmal Regen, als auch Sturm und berstende Baumkronen. Am zweiten Kampftag glitten die Legionäre dann beim Kämpfen auf den nassen Wurzeln aus und der dritte Kampftag, also der 4. Marschtag begann, wie kann es auch anders sein so wie der letzte Tag aufhörte, nämlich wieder mit strömenden Regen und heftigen Sturm. Bis auf wenige Auflockerungen vielleicht am Morgen des dritten Marschtages als man ins offene Land blicken konnte, hatte sich die ganzen Tage über das Wetter gegen sie verschworen und auch noch am letzten dem 4. Tag blieb es sich im negativen Sinne treu. Und der Morgen des 4. Tages dürfte trüb begonnen haben oder wie man im Westgermanischen sagte "truobi". Aber die Nacht vom dritten auf den vierten Tag dürfte für sie fürchterlich verlaufen sein. Die Germanen waren sich ihrer Sache sicher und es ist zu vermuten, dass sie die Römer auch in dieser Nacht nicht haben zur Ruhe kommen lassen.  Ihren nächtlichen Lagerplatz wird man eingeschnürt und Wachtposten positioniert haben die dafür sorgten, dass es keinem Legionär mehr gelingen konnte auszubrechen. Irritierende Scheinangriffe begleitet von einer infernalischen Geräuschkulisse und mit lodernden Feuern begleitet die man in Lagernähe entfachte wird man ihnen die Nacht zum Tage gemacht haben, sodass kein Römer in den Schlaf finden konnte. Dazu gehörten Aktionen deren Ziel es war, etwa ihre Pferde zu entwenden, Material zu erbeuten oder nur um ihnen die letzten Reserven zu nehmen, sie zu schwächen, oder zu berauben. All dem waren sie in der Nacht hoffnungslos ausgeliefert und so könnte es sich vom 3. auf den 4. Tag zugetragen haben. Aber kein antiker Historiker beschrieb es oder ging darauf ein, obwohl es in die Zeit passte und so kann nur auf literarischem Weg der Bezug zur Realität hergestellt werden. Hier im fremden und unwirtlichen Umland, ohne ihre gewohnten Bollwerke oder uneinnehmbaren Marschlager samt schützenden Palisaden und Flankenschutz bestimmten die Germanen die Regel und "Pontes Longi" lehrte, dass schon aufgescheuchte oder ausbrechende Pferde reichten um römische Legionäre zu verängstigen. Und selbst nach dieser Nacht hatte am Morgen des 4. Tages noch eine unbekannte Zahl römischer Soldaten gelebt. Aber ihre Lage war desolat, sie waren sowohl ihrer Kampfkraft als auch ihrer Moral beraubt. Viele dämmerten im nassen Unterholz ihrem Untergang entgegen und das Menetekel der Niederlage schwebte über ihnen. Die Germanen waren wieder die Herren in ihrem Land und sie werden sich während der letzten Stunden bevorzugt diejenigen ausgesucht haben in deren Waffenbesitz sie kommen wollten. Varus war angezählt und das er und seine Männer für sie kein Gegner mehr darstellte dürfte unstrittig gewesen sein. Dezent formuliert dürften am Morgen des vierten Tages die Überlebenden betrüblich in die Runde geschaut, dabei auf die verbliebene Kopfzahl ihrer Kampfgefährten geblickt und sich vor den ersten Angriffen der Germanen zum letzten Mal gesammelt haben. Es war die Phase in der sich jene Römer ihrer letzten Kräfte besannen, die noch ihr Heil in der Flucht suchen wollten. Die sich die etwa vier Stunden Marschzeit wie Neubourg es errechnet hatte zutrauten um vermutlich Aliso zu erreichen. Einige von ihnen könnten sich für andere Fluchtwege entschieden haben und Soldaten die man an diesem Morgen schon für tot hielt, könnten sich schon am Vortag von der Truppe abgesetzt oder die Nacht genutzt haben um sich allein oder in kleinen Gruppen nach Westen durchzuschlagen. Wie sich dieser klägliche Haufen einer einstmals stolzen Armee morgens aufgemacht haben könnte um in die Egge einzudringen bleibt der Phantasie überlassen. Vor sich im Blick die dunklen und bedrohlichen Osthänge wo sich irgendwo im Dickicht verborgen der alte Bördenpad bzw. der Burgweg durch einen Hohlweg zum Sintfeld bzw. Sorat wand aus dem die Regenfälle bis heute ein ganzes Bündel davon auswuschen. Cassius Dio schreibt, dass sie am 4. Tag nicht nur erneut ein unübersichtliches Waldgebiet durchdringen mussten, sie mussten auch noch mit dem strömenden Regen und dem heftigen Sturm fertig werden. Es könnten damit jene gemeint gewesen sein, die sich auch am 4. Tag noch nicht aufgegeben hatten, den Einstieg in die Egge wagten und nicht zu jenen gehören wollten, die die Germanen kampflos nieder streckten. Für die Fluchtwilligen galt es nun die vor ihnen liegenden Steilhänge der Egge angehen zu müssen und zu versuchen geeignete Abschnitte zu finden um sie zu erklimmen. Der antike römische Historiker Strabon beschrieb uns das Umfeld recht anschaulich in dem er uns überlieferte, dass die Barbaren die unzugänglichen Sümpfe, Wälder und Einöden für sich kämpfen ließen. Dieser Hinweis sagt alles zur Taktik der Germanen, die sich die Natur zunutze machten. Etwa wie der 11. Mann, den beim Fußballspiel die Zuschauer bilden. Strabon umschreibt es mit den Worten, dass das eigentlich Naheliegende für den Unkundigen fern zu liegen scheint und das dürfte sich auch auf das germanische Wegenetz beziehen lassen. Denn so wie der Verdurstende in der Wüste den Tod findet, weil er die Quelle nur wegen einer dazwischen liegenden Düne verfehlt, so wird auch im dichten Wald ein Pfad schon nach wenigen Metern unsichtbar. Und der Eggewald war vor 2000 Jahren nicht mit dem heutigen gelichteten Wirtschaftswald vergleichbar. Wobei die Legionäre den "Saltus" für den Aufstieg tunlichst meiden mussten, denn ihn werden die Germanen im Auge gehabt haben. Die sich vor ihnen auftürmende Struktur wirkte auf sie wie eine grüne Hölle, teils versumpft und der Boden dicht mit Laub und Totholz angefüllt, aber nicht unüberwindbar. Oben angekommen hätte es der eine oder andere auch schaffen können unerkannt über die Ebenen des Sintfeldes zu entkommen. Der Florus`sche Bannerträger schaffte es immerhin noch bis Haaren wo ihn die Kräfte verließen oder er verletzt samt Adler im Sumpf versank, denn sein Adler gelangte nicht in die Hände der germanischen Verfolger. Aber einige konnten schon den frischen Westwind der westfälischen Bucht spüren und sich glücklich schätzen es bis hierhin geschafft zu haben. Nach langen Tagen und Nächten mag es auch einigen gelungen sein erschöpft und ausgehungert an der Lippe auf andere Römer zu stoßen und mit etwas Phantasie konnten sie vor ihrem inneren Auge schon fasst das silberne Band des Rhein am Horizont erkennen. Das dies unter widrigsten Bedingungen geschah und sich viele aus Gewichtsgründen von Teilen ihrer Waffen trennen mussten, die zudem wegen der Nässe unbrauchbar waren klingt plausibel. Aber es gab am Morgen auch noch die, die sich am letzten Tag der Ehre wegen beherzt zur Wehr setzen wollten und die nicht den Vortag, die Nacht oder den Morgen zur Flucht genutzt hatten. Sie bekamen es mit der beschriebenen leichtfüßigen Kampfesweise der Germanen zu tun die sich auskannten. Es war der beklagenswerte Rest der einstigen Großmacht die sich am Morgen des vierten Tages dem Unvermeidlichen stellte und sie wurde wohl von den germanischen Kämpfern argwöhnisch bis höhnisch beäugt und kein Germane ging jetzt noch ein unnötiges Kampfesrisiko ein. Ein Szenario das schwach an die letzten Ferse aus dem Nibelungenlied am Hofe von König Etzel erinnert. Zweikämpfe wurden zur Ausnahme und der Germane entschied über das Schicksal des vor ihm liegenden wehrlosen Legionärs. Und so wie es Cassius Dio auch überlieferte nahm der Druck der Feinde erwartungsgemäß zu. Aus den unterschiedlichsten Motiven und Richtungen erschienen sie auf der Wallstatt und stießen in die schon gelichteten Reihen der Römer vor. Ihre Übermacht und Überlegenheit nahm zu war demzufolge erdrückend und auch alle Germanen die wie er schrieb, vorher noch abgewartet hatten zögerten nun auch nicht mehr und griffen mit ein. Es war der Tag an dem sie triumphierten durften und sie nahmen ihre Art der Rache auf zeitgemäße Weise. Ein seit Menschengedenken tief sitzendes inneres Bedürfnis einem Beben gleich bei dem es schwer fällt dem ein gewisses Verständnis zu verweigern. Denn das ungebändigte Entladen von Wut, Schmerz und Überreizung führte in allen Zeiten zu kaum beherrschbaren Zornesausbrüchen und den Preis zahlte der nun wehrlos Gewordene der zuvor die Macht besaß. Das Resultat kann man in den antiken Quellen nach lesen und es verwundert nicht. Und wie sich den selbstmörderischen Reaktionen der Offiziere einschließlich des Feldherrn auch entnehmen lässt, setzte in dieser Phase kein Römer mehr auf eine diplomatische Lösung und erwartete auch keine Gnade. Der Hass den sie in den Jahren ihrer Anwesenheit auf sich gezogen hatten musste beträchtlich gewesen sein und richtete sich jetzt gegen sie. Und die Entschlossenheit mit der sie von den Germanen die letzten Tage bekämpft wurden machte unter ihnen jegliche Illusionen auf Schonung zunichte. Wie man damals einen derartigen Sieg beging entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen aber sicherlich konnte man auch damals schon in Ostwestfalen feste feiern. Jetzt entlud sich auf germanischer Seite die aufgestaute Anspannung und mündete in die überlieferten Ritualmorde und Gewaltexzesse. Man rechnete mit Varus und vielen seiner Begleiter schonungslos ab, denen die Flucht nicht mehr gelang. Cassius Dio ging näher darauf ein als er schrieb, dass sich die Römer in den letzten Stunden widerstandslos töten ließen. Und damals gab es offensichtlich noch genügend römische Soldaten, die dies mit erlebten, folglich überlebten und mit ansehen konnten, welche Offiziere sich für den Selbstmord entschieden, wer den Germanen zum Opfer fiel und wer als Geisel taugte. Germanicus gegenüber berichteten sie sechs Jahre später auf ihre Weise wie sich das grauenvolle Spektakel vollzog, was Tacitus etwa hundert Jahre später verschriftete. Sowohl Tacitus, Florus, Paterculus als auch Cassius Dio gingen auf dieses grauenvolle Treiben ein und beschrieben die Szenerie am Ende der Schlacht am vierten Marschtag. Und alle taten es perspektivisch unabhängig voneinander je nach ihrem Wissenstand wodurch sich ihre Darstellungen glaubwürdig ergänzten und man wohl daran insgesamt wenig Zweifel haben braucht. Es waren die zermürbenden Tage und Stunden die an beiden Parteien nicht spurlos vorüber gingen, aber für die Legionen verliefen die drei Marschtage Kräfte zehrender und sie waren die Ausgelaugteren. Es wird auf sie erhebliche Auswirkungen auf Leib und Leben gehabt haben, alle Formen von Verletzungen werden sie davon getragen haben und ebenso hatte ihre moralische Konstitution gelitten, sodass sie auf ernsthafte Gegenwehr verzichtet haben dürften. Im Mix waren es folglich keine guten Voraussetzungen falls man sich an diesem 4. Tag doch noch zur Wehr hätte setzen wollen. Die Waffen der Todgeweihten wenn sie sie noch trugen, waren bis zur Unbrauchbarkeit verschlissen, ihre Sandalen zerfetzt und die mentale Verfassung der Krieger war gedrückt. Man hatte die Cherusker heraus gefordert und so war ihnen alles erlaubt was die damalige Stammesethik noch durch gehen lässt um die Schwächen des Gegners auszunutzen. Es wird anhand dieser Darstellung deutlich wie sich die letzten Stunden der Varusarmee in die Erinnerungen der wenigen Überlebenden eingegraben haben mussten und welchen Eindruck der imposante "Teutoburgiensi saltu" bei ihnen hinterließ. In den schrecklichsten Stunden ihres Lebens in denen sie sich im Überlebenskampf durchsetzen mussten gab es immer nur diesen einen Schluchtenweg. Und auch nur der Legionär, der es bis an den Rand der Egge schaffte und zuvor das Schlachten überlebt hatte, konnte seine Erinnerungen daran weiter geben. Und dies war auch nur seine ureigene Sichtweise und Schilderung vom Untergang der Legionen. So nahm jeder Überlebende nur seinen persönlichen Eindruck mit und gab ihn später weiter. Während der eine von ihnen noch wusste, wo sich Varus damals tötete, erinnerte sich der andere vielleicht noch daran wo Arminius seine Spottrede hielt und jene die mit ansahen wie man einigen Römern die Augen ausstach waren nicht dabei, als Varus sich tötete und hörten auch nicht die Worte von Arminius, da sie sich an anderer Stelle aufhielten. Es ist sicherlich schwer vorstellbar, aber alles dürfte sich auch über einen größeren Raum verteilt haben. Wie die Überlebenden letztlich den Schauplatz der Tragödie erreichten war unerheblich und die einstigen Anmarschwege wurden zur Nebensache, sie berichteten nur über den letzten Kampftag. Dieser war in ihrem Bewusstsein haften geblieben und wurde durch den Besuch an Ort und Stelle wieder leidvoll aufgefrischt. Aber wie war das mit den Stämmen und gegen wen kämpften die Legionäre am letzten Tag überhaupt, oder von wem bekam sie den letzten Todesstoß. Es hilft zwar nicht unmittelbar bei der Suche nach dem Ort des Geschehens, sollte aber bei der Betrachtung auch nicht fehlen, denn es könnte in den folgenden Kapiteln noch an Bedeutung gewinnen, wenn sich die Frage nach den einstigen Stammesgrenzen stellt. Denn der Weg der aus dem "Saltus" hervor trat wurde zur östlichen Verlängerung des Haar- Börden - und natürlich des Herßweges des alten Heeresweg. Er führte weiter zur Weser und verlief am Nordrand der fruchtbaren Warburger Börde entlang. Ein Siedlungsraum der vor 2000 Jahren vermutlich schon von den keltisch geprägten Chatten beansprucht wurde, deren Wohnsitze sich hier mit der Harpstedt-Nienburger Gruppe schnitten, zu denen die Cherusker gerechnet werden könnten. So ließe sich schlussfolgern, dass auch die Erbauer der Behmburg nach dem Stand der Forschung "Latènemenschen", also Kelten gewesen sein könnten, zumal es in die Zeit der germanischen Südexpansion passen würde. Und nicht zu vergessen, beim Triumphzug des Germanicus 17 + führte man auch einen gefangenen Priester mit. Dieser hieß Libes und er war Chatte, sodass sich hier vor dem Saltus ein Schwerpunkt der Stammesgebiete heraus gebildet haben dürfte. Eine Stammesabgrenzung die ebenfalls für die unstrittige Beteiligung der Chatten an der Varusschlacht spricht. So darf man annehmen, dass es sich bei der Bemerkung von Cassius Dio wonach sich am letzten Kampftag auch verstärkt jene in die Schlacht einbrachten die vorher noch nicht beteiligt waren um Chatten gehandelt haben könnte. Das Marser/Sugambrer mitkämpften wird in der Regel damit begründet, dass bei ihnen Germanicus 14 + einen Legionsadler der Varusarmee zurück holen konnte und er an ihnen böse Rache nahm. Und die Brukterer die die römische Gewalt am stärksten über sich ergehen lassen mussten galten ebenfalls für die Varusschlacht als gesetzt. Aber für alle Stämme stellte der etwa 500 Meter lange "Teutoburgiensi saltu" Pass einen gemeinsamen Grenzabschnitt dar. Und insbesondere bei den Chatten und Marsern deren Stammesgebiet oberhalb des "Saltus" seinen Anfang genommen haben dürfte wird es sich um frische Kräfte gehandelt haben, die sich erst hier mit in die Kämpfe einbrachten, wobei vor allem die Letztgenannten dafür Sorge trugen, dass der "Saltus" in Richtung Westen für die flüchtenden Römer versperrt war. Man sollte aber auch nicht unterschlagen, dass am vierten Kampftag auch die Kräfte jener Germanen erlahmten, die schon von Beginn an die Last des Kampfes trugen und sich daher von den Kämpfen zurück gezogen hatten. Aber die aus der Trossverbrennung her rührenden unvermeidbaren "Rauchzeichen" vom Vortag konnten bis weit in Land gesehen werden, so dass sich auch noch verspätete, zögerliche und vermutlich sogar auch noch "sehr" verspätete Horden zum Kampfgebiet durch geschlagen haben könnten. Viele von ihnen erreichten das Schlachtfeld im "Saltus" vielleicht sogar erst zu einem Zeitpunkt, als sich der Vorhang des Schicksals schon längst über die Legionen gesenkt hatte und es für sie schon nicht mehr viel zu holen gab. Cassius Dio beschrieb die letzten Stunden der Varusarmee vor ihrem endgültigen Untergang nach der zweiten Großschlacht auf drastische Weise. Der hinterlassene Stoff der antiken Historiker bietet genügend Phantasmen in denen sich genussvoll suhlen ließe, möchte man sich in die Haut der Vorfahren begeben. Unübersehbar hatten sie dargestellt wie die Germanen ihren Sieg genossen und auskosteten, wie eine Orgie ließen sie es erscheinen und trieben es auf die literarische Spitze um in den Seelen der Nachwelt das Schaurige zum Beben zu bringen. Beginnen wir damit wie man nach Tacitus dem Feldherrn Germanicus noch die an die Bäume genagelten Schädel und die Altäre der Barbaren zeigen konnte, wobei man zweifellos an große Opfersteine mit Ausnehmungen zum Auffangen von Blut denkt wie man sie auch heute noch im "Saltus" entdecken kann und stellt sich vor wie germanische Priester vom Schlage eines Libes ihren Teil dazu beitrugen. Dort wo man Tribunen und Centurionen tötete und die Überlebenden sogar noch sechs Jahre danach imstande waren den Ort zu finden, wo die Legaten fielen, die Legionsadler geraubt wurden, Varus verletzt wurde, wo er sich dann selbst tötete und wo Arminius seine Spottrede hielt klingt schon seltsam, aber so war es wohl. So als ob es gestern erst geschehen wäre, aber es war authentisch, da es alle vier Historiker zum Thema machten. Wechseln wir dann zu Cassius Dio der es ergänzte und berichten konnte wie demoralisierend sich der Selbstmord von Varus auf alle Umstehenden auswirkte. Denn fortan verzichtete man auf jegliche Formen von Verteidigung oder Gegenwehr, tötete sich selbst, warf die Waffen weg und ließ sich vom nächst besten Feind nieder machen. Die Flucht war ihnen versperrt und jeder Mann und sogar jedes Pferd soll nieder gemetzelt worden sein. Das auch Pferde getötet wurden könnte darauf hinweisen, dass diese Darstellung auch ihre Schwachstellen hatte, denn Pferde waren in Germanien hoch gehandelte Wertgegenstände. Auf sie wollte man nicht verzichten und ließ sie leben, es sei denn sie waren zu Tode verletzt. Zu dieser Endphase am 4. Tag liegt uns von Florus keine unmittelbare Überlieferung vor was den Erkenntnissen nach auch passt, da sich für ihn der Kern der Varusschlacht im Kampf um das vermeintliche und nie zustande gekommene "Gerichtslager" verbarg, die er für die Endschlacht hielt. Aber seine Hinweise auf das Geschehen lassen sich ungeachtet dessen auch auf einen 4. Tag übertragen. Florus erwähnte nicht den Selbstmord von Varus bzw. nahm es nicht so genau, denn er verglich seinen Tod mit Lucius Aemilius Paullus, der allerdings in der Schlacht von Cannae getötet wurde und keinen Selbstmord beging. Des Weiteren schilderte auch er die Kämpfe in den Sümpfen und Wäldern als blutig und damit drastisch. Auch dem Spott der Germanen widmete er sich und sah besonders die römischen Advokaten, also die höheren Führungsstäbe des römischen Adels darunter leiden. Wie er zu dem detaillierten Wissen gelangte, wonach man manchen Römern die Augen ausgestochen haben soll erstaunt und auch das man einigen den Mund zu nähte lässt Zweifel an seinen Darstellungen zu, da es schwer vorstellbar ist. Das man Römern die Hände ab und auch die Zuge heraus schnitt mit der dann ein Germane spielte und ihr zurief, dass "Du Natter endlich aufgehört habest zu zischen" klingt glaubhaft, denn menschliche Grausamkeiten kennen keine Grenzen und derartige Taten sind auch für den 30 Jährigen Krieg dokumentiert der 1639 Jahre später endete. Es verblüfft allerdings sein Wissenstand, dass römische Legionäre noch versucht haben sollen seinen Leichnam zu vergraben, was jedoch nicht gelang, da die Germanen ihn wieder ausgruben. Der Selbstmord des Feldherrn und der Versuch seinen Leichnam zu begraben lässt sich schlecht in die hektische Phase des von Florus beschriebenen Lagerüberfall einbetten, den er als kurz und heftig schilderte, sodass sich auch diese Tat dem 4. Marschtag zuordnen lässt. Auch Tacitus zählte die Gräueltaten auf, aber er erwähnte keinen vierten Marschtag. Er erkannte allerdings beim Studium der archivierten Schriften aus dem Jahre 15 + aufgrund der Tatsache, dass es Überlebende gab, dass die Schlacht im "prima Vari castra" noch nicht zu Ende gewesen sein konnte. Das also weiter marschiert und gekämpft wurde und das dies in der Konsequenz auch noch am Abend zur Errichtung eines weiteren Lagers geführt haben könnte, dürfte ihm klar geworden sein, auch ohne das er es zu Papier brachte. So hätte es theoretisch auch aus seiner Sicht zu einem vierten Tag kommen können. Paterculus fand ebenfalls einige Worte für das Dramatische zum Ende der Schlacht als er schrieb, dass die Legionen eingeschlossen von Wäldern und Sümpfen von den Germanen völlig aufgerieben und wie Vieh dahin geschlachtet wurden. Eine Bestätigung des Zeitzeugen Paterculus für die wohl tatsächlich statt gefundenen Gräueltaten und sein klarer Hinweis auf den Selbstmord des Feldherrn, wie man ihn bei Florus vermisst. Dafür aber die Bestätigung, dass die Germanen den Leichnam den man offensichtlich auch noch verbrennen wollte wieder ausgruben um ihm den Kopf abzutrennen. Und dies kann definitiv nur am letzten Tag der Schlacht passiert sein. Ob sich dies alles in einem gesitteten und von Priestern überwachten Rahmen vollzog darf man bezweifeln und es dürfte in Raserei ausgeartet sein. Aber wo gelang es Varus im September des Jahres 9 + noch am Abend des dritten Marschtages und nach den intensiven Kämpfen eine nächtliche Ruhestätte zu errichten. Die Antwort wird sein, dass es zu keinem Nachtlager im herkömmlichen Sinne mehr kam, dass unseren Vorstellungen entsprechen würde. Es mag sich noch um eine schwache Wallanschüttung verstärkt mit etwas Holzverhau gehandelt haben, wozu die erschöpften Männer noch imstande waren, denn rund 36 Stunden feindlicher Angriffe und Nahkämpfe lagen hinter ihnen. Aber geben wir uns aber keinen Illusionen hin, denn auch dieses zweite varianische Marschlager dürfte sich kaum finden lassen und selbst wenn man es fände, ließe es sich nicht mehr als das ersehnte letzte Nachtlager des Varus identifizieren, es sei denn der Zufall erweist uns einen Dienst. Denn auch in diesem Lager lag schon nach kurzer Zeit kein Scheidt mehr auf dem anderen und es war weit davon entfernt in einigen mittelhohen Erdaufwerfungen ein wichtiges strategisches Ziel einstiger germanischen Eroberung zu sehen. Im Zuge der Verlaufsanalyse ließen sich die Marschstationen, in der Folge die Etappen, und letztlich die Örtlichkeiten des Schlachtgeschehens eingrenzen. Diese in der Landschaft aufzufinden, sie der Geographie förmlich abzulesen, also wieder zu erkennen und sie in unsere umgeformte Zivilisationstopographie einzuordnen ist Ziel dieser Internet Veröffentlichung. Aber auch bei noch so viel Tragik wie sie sich in den letzten Stunden über die Varusarmee ergoss und wie es sich den antiken Quellen entnehmen lässt, lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf jenen Ort ziehen wo sich diese Dramen ereigneten, sich das letzte Nachtlager befand, die Altäre standen, oder Varus sich tötete. Aber es ließen sich schon und es werden sich auch noch weitere Anhaltspunkte ausfindig machen, wodurch sich der Aktionsraum weiter einschränken wird und sich in der Theorie vielleicht sogar der Ort der Tat finden lässt. Von der Kopfzahl jener Legionäre und deren Gesundheitszustand die am Abend des zweiten Kampftages noch lebten hängt auch die Qualität, also der Zustand des Nachtlagers ab. Den Überlieferungen nach, dürfte deren Größenordnung stark zusammen geschmolzen sein, sodass man keine umfangreiche Leistung erwarten kann. Spekulationen fallen schwer und müssten dann auch die Stärke der Germanen mit einbeziehen von denen diese letztlich bezwungen wurden. Cassius Dio schreibt gemäß der Übersetzung dazu, dass sich die Reihen der Römer schon gelichtet hatten da viele von ihnen in den voraus gegangenen Kämpfen schon gefallen waren. "Gefallen" das allseits angewendete schmeichelhafte Wort für den, der seinen Tod im Krieg fand. Möchte man versuchen den Schlachtort anhand dieser Hypothese zu verorten, könnte man ein Halbkreis - Winkelmesser auf die Landkarte legen und die flache Seite an die Egge lehnen. Borlinghausen bildet den zentralen Mittelpunkt und der Markhof unmittelbar am "Oberen Bördenweg" etwa 2.600 Meter östlich von Borlinghausen gelegen, läge auf 90 Grad und würde somit den weitesten Abstand zu Borlinghausen darstellen, bevor sich das Messgerät nach Norden und Süden einwölbt. Diese Fläche gälte es zu untersuchen, wollte man sowohl den Kampfplatz, als auch das letzte varianische Lager, den Ort seines Suizid und möglicherweise zudem auch noch den Knochenhügel aufspüren. Was ließe sich nun nach so langer Zeit noch historisch über diese Region heraus finden, was man noch mit der Varusschlacht in Verbindung bringen könnte. Was geschah dort noch alles nahe dem "Oberen Bördenweg" in den späteren Jahrhunderten. Das Ende des Imperium Romanum wehte darüber hinweg, die wandernden Völker kamen und gingen und alle nutzten den "Teutoburgiensi saltu". Sie zogen ihn hinauf oder hinab ob sie nun zum Rhein oder zur Weser wollten. Und nicht nur Franken und Sachsen begegneten sich dort später auf unheilige Weise, aber da war die Varusschlacht schon lange vorbei. Dafür wird uns aber das Jahr 772 mit einigen neuen Querverbindungen überraschen. (28.06.2022)

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