Dienstag, 6. Februar 2024
Auf die Forschung folgte die Kartographie - Abraham Ortelius widmete sich der Varusschlacht.
Wenn man das Wissen um die Örtlichkeit der Varusschlacht nicht schon im 9. Jhdt. vertieft hatte, als die Corveyer Mönche eine Abschrift der Urhandschrift aus Fulda bekamen, so wissen wir doch dank der Vorarbeiten Otto von Freisings, dass man schon im 12. Jhdt. die Suche nach dem Varusschlachtfeld aufgenommen hatte, wenn man sie nicht sogar fortsetzte, das Thema also auch schon die Menschen im Mittelalter beschäftigte. Danach schien es lange Zeit so, als wäre das Interesse daran erloschen und auch der 1464 verstorbene Kartograph Nikolaus von Kues ein früher Humanist sparte das Thema Varusschlacht noch aus. Mit Beginn der Renaissance als man begann sich der Bedeutung von Kunst und Literatur bewusst zu werden, brach eine neue Zeit an und damit wuchs auch das Interesse am Besitz alter Schriften. Und als man die Bibliotheken Italiens gründlich untersucht hatte, warf man den Blick über die Alpen. Die näheren Umstände sind nicht bekannt, aber es war entweder 1507 oder 1508 als man in Corvey die Tacitus Annalen aus dem 9. Jhdt. einem päpstlichen Steuerbeamten aushändigte. Er trat als weltlicher Gelehrter auf und es dürfte sich bei ihm um Niccolo Niccoli  gehandelt haben, der sie wie man sagt gestohlen haben soll. Ein schwer nachvollziehbarer Vorgang und unklar bleibt, ob man es damals schon gegen die Zusage tat eine Kopie zurück zu bekommen, man in Corvey an den Annalen kein Interesse hatte, Geld geflossen ist oder man sie wie überliefert auf andere Weise aus dem Kloster „schleuste“. Aber was wäre passiert, hätte man im Kloster die Annalen dem freundlichen Herrn aus Italien nicht übergeben hätte. Wäre es nicht so gekommen, dann müsste man sich Gedanken darüber machen, ob man in Corvey die Annalen die nächsten Jahrhunderte so aufbewahrt hätte, wie wir es uns heute wünschen würden. Ob behütet für die Ewigkeit an einem sicheren und unzugänglichen Orte unter klimatisch besten Bedingungen, oder vernachlässigt in feuchten Kellern im Überschwemmungsbereich der Weser und einem steten Verrottungsprozess ausgesetzt. Sie hätten auch im Zuge kriegerischen Wirren zerstört werden oder auf alle erdenkliche Weise verschollen gehen können und wären somit möglicherweise nie an die Öffentlichkeit gelangt. Es sollten, wie etwa der Dreißigjährige Krieg noch viele Schlachten und Kämpfe und auch die Hexenverfolgung über Corvey hinweg fegen und auch brennende Bücher können Landsknechte oder napoleonische Soldaten im Winter warm halten. Und dann könnte man in diesem insgesamt negativ erscheinenden Zusammenhang zu dem Schluss kommen und sagen „um Himmels Willen“ wurden sie „Gott sei Dank“ noch rechtzeitig in ihr Ursprungsland zurück geholt. Im Zuge der „Mitnahme“ verbrachte man sie in den sonnigen trockenen und milden Süden wo das Mittelmeerklima für bessere Bedingungen sorgte als das Nebel verhangene Wesertal. Und in ihrem Heimatland Italien würdigte man die Annalen vermutlich auch mehr und maß ihnen die Bedeutung zu die ihnen zustand. So entgingen sie auch der Gefahr von einer willkürlichen Obrigkeit oder einem Mob der hinter Vielem ketzerisches Wirken vermutete, vernichtet zu werden. So müssen wir uns vielleicht posthum bei dem damals in Corvey vorstellig gewordenen Interessenten für seine Tat sogar noch bedanken. Man entwendete die Tacitus Annalen 1507/1508, also noch Jahre bevor die Bücher von Cassius Dio erstmals durch Henricus Stephanus (editio princeps) 1548 in Paris heraus gegeben wurden. Man könnte sagen, dass sich in dieser Zeit die Ereignisse überschlugen, denn nur 18 Jahre später entdeckte Beatus Rhenanus 1515 im Kloster Murbach ebenfalls einer Benediktinerabtei die Schriften von Paterculus. Sie gingen zwar im Original verloren, überlebten aber in einer Abschrift in Basel. Da die Werke von Florus bereits im Mittelalter bekannt waren und somit auch seine Überlieferungen zur Varusschlacht, standen den Gelehrten bis zur Mitte des 16. Jhdt. alle für die Bewertung der Varusschlacht bedeutsamen Schriften zur Verfügung. Die von Cyriacus Spangenberg 1572 verfasste Mansfelder Chronik bestätigt es, denn sie verdeutlicht den historischen Wissenstand der Zeit, da darin mit Plinius, Sueton, Tacitus, Dio, Paterculus, Florus und Strabo bereits jene antiken Berichterstatter die auch für die Varusforschung relevant sind zitiert werden und geht im Rahmen der Überlieferung auf sie ein und erwähnt zu dem auch den Teutoburgiensi saltu. Der Schlacht am Angrivarierdamm widmete er sich jedoch im besonderen Maße stützt sich dabei auf Quellen unbekannter Herkunft und bringt auf dieser Basis sogar seine Vorstellungen zur Örtlichkeit und zum Schlachtverlauf in die Chronik ein. Das er es nach dieser langen Zeit dem Volksmund entnommen haben könnte darf man ausschließen, so dass die Vermutung nahe liegt, dass ihm schriftliche Unterlagen in lateinischer Sprache vorgelegen haben könnten, wobei er als Theologe auch einen Zugang in die Klosterbibliotheken der Zeit gehabt haben könnte. Bezüge zur Örtlichkeit der Varusschlacht lassen sich bei ihm nicht entdecken aber die Möglichkeit, dass man sich im 16. Jhdt. zur Örtlichkeit der Schlacht am Angrivarierdamm schriftlich geäußert haben könnte weckt auch den Verdacht, dass es nähere Berichte zum Verlauf der Varusschlacht gegeben haben könnte.
Aber über allem stand der wie in Stein gemeißelte Satz des nach 122 + verstorbenen Historikers Sueton „Quintili Vare, legiones redde = Quintilius Varus, gib die Legionen zurück“ der ohne einen Bruch erlebt zu haben, die Zeiten überdauert hatte. Möglicherweise entdeckte man Teile der Textsammlung von Cassius Dio sogar nahezu zeitgleich mit den Tacitus Annalen, denn diese erschienen in einer italienischen Übersetzung von Nicolo Leoniceno bereits 1526, dürften also bereits davor existiert haben. Da Cassius Dio nur wenige und Florus oder Paterculus gar keine Hinweise hinterließen aus denen sich engere Bezüge zur Schlacht entnehmen lassen, traten diese im Gegensatz zu den Tacitus Annalen aus kartographischer Sicht in den Hintergrund. Das es ausgerechnet der in seiner Person umstrittene Papst Leo X war, der die Veröffentlichung der 1507/1508 entwendeten Tacitus Annalen veranlasste in dem er Filippo Beroaldo den Jüngeren in seiner Funktion als Präfekt der Vatikanischen Bibliothek beauftragte sie 1515 zu drucken, lässt sich schwer mit seinem Wirken und seiner Lebensführung in Einklang bringen. Vermutlich wegen der voraus gegangenen Illegalität schickte er aus Gewissensgründen ein frühes Faksimile nach Corvey zurück, deren Existenz 1517 als Franz von Ketteler noch Fürstabt von Corvey war bestätigt wurde. Während des 30 jährigen Krieges ging es verloren womit sich die geäußerten Befürchtungen bestätigten, was die sichere Einlagerung in Corvey anbetrifft. Aber dank der noch erhaltenen seinerzeit entwendeten Originalhandschrift die im Eigentum der Familie de Medici verblieb, kann sie heute noch in der Bibliotheka Laurenzia in Florenz eingesehen werden. Somit gelangte bereits eine Reproduktion in die Reichsabtei Corvey noch bevor bei Beatus Rhenanus 1519 die Tacitus Annalen in Druck gingen, die dann in der Renaissance große Verbreitung fanden. Was in diesem Zusammenhang verwundert ist, dass Ulrich von Hutten die 1507/1508 in Corvey entwendeten Tacitus Annalen bereits 1515 im Jahr des Druckauftrages in Rom einsehen konnte, also noch bevor sie Corvey erreichten und 1519 in Basel gedruckt wurden. Ob es ein Zufall war, dass Ulrich von Hutten auf sie stieß oder er sich explizit darum bemühte mag zweitrangig sein, deutlich wird jedoch wieder das überaus starke Interesse der deutschen Humanisten am Inhalt der Schrift. Vielleicht schlug in diesem „Huttenjahr“ 1515 auch die Stunde für die Erforschung der Varusschlacht samt Verlaufsgeschichte und Örtlichkeitssuche. Zu den Humanisten die sich in der Varusschlacht ein Forschungsgebiet erschlossen hatten gesellten sich auch die Kartographen die sich bemühten den Wissensstand der Zeit zu Papier zu bringen. Nach der Entdeckung der hinweisgebenden Tacitus Annalen rückte es in den Bereich des Möglichen den Ort der Varusschlacht, wenn nicht ausfindig zu machen, so aber doch einzugrenzen. Um auf der Höhe von Diskussion und Erkenntnis zu bleiben suchten die Kartographen den Kontakt zu jenen Personen die sich dieser Thematik verschrieben hatten, bis insbesondere einer von ihnen selbst zum Forscher wurde. So tastete man sich im Team nach vorne und es bahnte sich unter ihnen eine spannende Allianz an um dem Schlachtfeld auf die Spur zu kommen. Man wendete für die bildliche Darstellung bereits die neuen Technologien an wodurch sich auch die Lage der Räume sowie die Distanzen zueinander besser verdeutlichen ließen. Im Zuge der Publizierung der Annalen 1519 wurde die Thematik aus den unterschiedlichsten Beweggründen aufgegriffen, ihr Inhalt öffnete sich weiten Bevölkerungsschichten in Italien und Mitteleuropa und alle interessierten Kreise konnten sich nach Kräften an der Suche beteiligen. Man zögerte nicht lange und sollte annehmen, das das Zielgebiet der Varusschlacht, das den Corveyer Mönchen die den Ereignissen noch um ein vielfaches näher standen schon seit dem 9.Jhdt. bekannt gewesen sein dürfte und es sich nun rund 600 Jahre später im Groben abstecken ließ. Aber dem war nicht so, denn in der damaligen Forschungslandschaft herrschte trotz der den Annalen entnehmbaren Deutlichkeit hinsichtlich der Verortung Uneinigkeit, die sich auch auf die frühe Kartierung auswirkte. Denn obwohl sich die Tacitus Annalen aus Rom möglicherweise schon ab 1517 wieder in Corvey befanden und nach 1519 auch die Druckerzeugnisse aus Basel für die Interessierten einsehbar waren, vertrat der Historiker Georg Spalatin im Jahre 1535 immer noch die Auffassung die Varusschlacht habe sich aufgrund des Gleichklangs des Wortes Teutoburg in Duisburg zugetragen. Ein Hinweis darauf wie lange und wie schwer sich die Forschung trotz besseren Wissens dank neuester Erkenntnisse noch tat, die Varusschlacht da zu verorten wohin die Tacitus Annalen den Fingerzeig hin richteten. Was aber die Kunst der Kartenmalerei anbetraf so sprechen wir hier von keinem anderen als vom gebürtigen Antorffer Abraham Ortelius, dass sich heute Antwerpen nennt. Um die Mitte des 16. Jhdt. hatte er einen großen Kreis an Humanisten um sich geschart, bzw. man hatte seine Nähe gesucht, stand untereinander im regen Austausch und versorgte sich gegenseitig mit Informationen. In dieser Phase käme für Ortelius auch besagter Georg Spalatin als Zuträger und Diskutant infrage, der für ihn ebenfalls ein Ideengeber gewesen sein könnte, obwohl er eine andere Ansicht zum Schlachtverlauf vertrat und es mag noch viele andere sich widersprechende Überlegungen gegeben haben. So wird sich der wissenschaftliche Gedankenaustausch auf schriftlicher und persönlicher Ebene über viele Jahre hingezogen haben in der Ortelius auf die Unterstützung und Zuarbeit namhafter Gelehrter angewiesen war und er dürfte und musste sich um seine ehrgeizigen Ziele erreichen zu können auch in die Abhängigkeit einflussreicher Personen folglich Geldgeber begeben haben, sodass er auf deren Vorstellungen und Meinungen einzugehen hatte. Es war auch eine Zeit in der die Neuentdeckungen im Zusammenhang mit der Varusschlacht sprichwörtlich an Fahrt aufnahmen. Die Bedingungen hatten sich verbessert was durch eine verstärkte Reisetätigkeit innerhalb der Oberschicht zum Ausdruck kam. Das Thema faszinierte, das Interesse wuchs und man weckte den Bedarf. Aber damit nahmen auch Rivalität und Einflussnahme zu was zu Interessenskonflikten führte, denen sich die frühe Kartographie ausgesetzt sah. In dieser Epoche war der Kartograph Abraham Ortelius zwar eine unbestrittene Autorität und Koryphäe seines Faches weit über Flandern hinaus, musste aber auch diesen Gegebenheiten Rechnung tragen. Er wurde im April 1527 geboren, trat 1547 der Antwerpener Sint Lukasgilde bei, übte den Beruf eines Karten- und Buchhändlers aus und bildete sich zum Kartografen weiter. 22 Jahre später im Alter von 43 Jahren publizierte er am 20. Mai 1570 in Gestalt des ersten je in Europa erschienenen Atlanten im Sinne zeitgemäßer Auffassung auch gleichzeitig sein erstes Eigenwerk auf Grundlage einer umfänglichen Sammlung von Karten die er dafür zusammen getragen hatte. Eine Leistung die nach Tacitus nicht nur einen weiteren Meilenstein im Sinne der Varusschlachtforschung setzte, sondern auch deutlich machte welchen Weg die Entwicklung nahm und wie sie voran schritt nachdem 1519 die Annalen in Umlauf kamen und die Theorien begannen aus dem Boden zu schießen. Ortelius war vielseitig, schrieb nicht nur Werke zur alten Geschichte und Numismatik, sondern war auch der erste der die Kontinentalverschiebung entdeckte. Man nennt ihn auch den Erfinder des Atlasses, eine Bezeichnung die zu seiner Zeit noch den Namen Theatrum trug. Mit zahlreichen heimischen und auswärtigen Gelehrten stand er im regen Austausch, konnte den Kenntnisstand der Zeit nutzen und abwägen und auch vieles Ungeschriebene und uns heute Unbekannte aufgreifen und verarbeiten. Besucher sollen sich bei ihm wie in einem Museum gefühlt haben. So verfügte er zwangsläufig über Quellen von denen heute nicht klar ist ist wo er sie auftat, von wem sie stammten und wo sie abgeblieben sind, verblüffte mit seinem Wissen die Fachwelt bis in unsere Zeit und ließ sie über einige seiner Verortungen rätseln. Mit dem Einstieg in die verbesserte Methodik der Kartographie und dem neu gewonnenen geographischen Wissensstand stieg die Präzision der Darstellung und man näherte sich dem an, was heute die Höhendraufsicht, also die Luftaufnahme leistet. Aber was tat Abraham Ortelius bzw. wie floss das Wissen nach dem Fund der Annalen in sein Kartenwerk ein. Vergleichbar mit dem Spürsinn den uns Tacitus abverlangt hat um seine lateinischen Wortfindungen richtig deuten zu können, haben wir uns nun in die Vorgehensweise von Ortelius einzuarbeiten, der sich erstaunliches entnehmen lässt, was sich in zwei Schritten vollzog aber letztlich zusätzliche Indizien für das Varusschlachtfeld liefert. Mit dem ebenfalls aus Flandern stammenden 1512 geborenen und 1594 verstorbenen Gerhard Kremer der sich später Gerardus Mercator nannte und der 1569 auf Basis des neuen Wissensstandes die kugelförmige Erde auf die Ebene projizierte, stand Ortelius in enger Verbindung. Seine Schlussfolgerungen dürfte er mit Ortelius geteilt haben. Und obwohl Mercator mit ihm und seinem Werk in kritischen Dialog stand würdigte er es. So äußerste er auch Kritik an seiner Vermischung von Wahrheit und Unwahrheit, wodurch die tatsächlichen Realitäten verwischt worden sein sollen. Es wird jedoch nicht deutlich, ob damit auch Verortungen gemeint sind die sich auf Begriffe beziehen die er dem antiken Vokabular der Tacitus Annalen entnommen hatte. Was an seiner Kartographie faszinierte und wie bahnbrechend wirkt ist die Tatsache, dass er es sich sogar zutraute sie zu positionieren. Dadurch wird deutlich, dass Ortelius mit Historikern in Verbindung stand von deren Ansichten er sich leiten ließ. Atlanten sind immer Objekte die der Forschung dienen, wie es besonders in der Geographike Hyphegesis des Ptolemäus zum Ausdruck kommt und die auch wie in diesem Fall bei der Aufhellung historischer Ereignisse helfen können. Ortelius leistete Basisarbeit und schuf ein umfängliches Kompendium sah sich selbst aber in erster Linie als Sammler seiner Zunft. Er nahm in alle erreichbaren Bibliographien der Zeit Einblick, kannte die meisten, legte dann die für ihn geeigneten seinen Kartenwerken zugrunde und reicherte sie mit dem Wissen der Zeit an. Sein Hauptwerk bestand aus 53 Kartenblättern und er veröffentlichte es unter dem Namen „Theatrum Orbis Terrarum“. Im Jahr 1584 ergänzte er es mit dem Nebenwerk Karte 6 „Belgii veteris typus“ und 1587 bzw. nach Meurer 1590 erschien die 19. Karte „Germania veteris typus“. Karten die die Varusforschung bis heute stark inspirieren und die Türen für diverse Spekulationen geöffnet haben. Damit gelang ihm der Durchbruch in eine neue Ära der Kartographie und er erfuhr Würdigung in höchsten Kreisen. In den Jahrzehnten danach ergänzte er sein Werk mit zahlreichen Einzelkarten und Nachträgen. So erfuhr auch die Karte „Belgii Veteris typus“ 1595 noch einen Neustich, aber ohne das eine inhaltliche Abweichung zum letzten Ausgabejahr 1590 erkennbar war. Er prüfte jeweils seine Vorlagen, optimierte sie nötigenfalls und legte auf die Deutlichkeit der Darstellung großen Wert, veränderte dabei aber gelegentlich auch die Schreibweisen lateinischer Namen. Großräumige Landkarten konnten in dieser Zeit die Details und Feinheiten der Landschaft und ihrer von der Natur geprägten Ausgestaltung noch nicht abbilden. So bestanden sie zu seinen Lebzeiten noch vielfach aus Phantasie und Spekulation, zeichnerisch gestaltete zeitgemäße Elemente die miteinander verschmolzen, aber nicht dem Wahrheitsgehalt dienten. Für die Varusforschung begann es interessant zu werden als Ortelius 1584 die Karte „Belgii veteris typus“ veröffentlichte und mit keinem anderen Kartenwerk gelang es die Varusforschung mehr zu irritieren als mit dieser einschließlich seiner Nachträge, sowie der später erschienenen Karte „Germaniae veteris typus“. Er verortete darin die Siedlungsgebiete germanischer und keltischer Stämme, Flussverläufe, Gebirge, Waldgebiete und platzierte dazu die antiken Namen so wie sie sich zu seiner Zeit recherchieren ließen und Tacitus sie in seinen Annalen erwähnt hatte. Insbesondere sind es die magischen Worte „Teutoburgiensis saltus“, „Aliso“ und „Aliso Fluss“ die er in sein Kartenwerk übertrug. Was im Wesentlichen erstaunt ist die Feststellung, dass er die Namen auf die Ostseite des Niederrheins ins westliche Münsterland rückt kurz bevor dieser die heutige niederländische Grenze passiert und somit auch die Geschehnisse um die Varusschlacht dort spielen lässt, obwohl er es schon hätte besser wissen müssen. Dort trug er u.a. die Siedlungsgebiete der Usipeter, Tubanten und Amsivarier und das auch nach heutigem Wissenstand relativ korrekt ein. Unklar bleibt jedoch, dass er völlig auf die Nennung der Cherusker verzichtete die im Zusammenhang mit der Varusschlacht eine heraus ragende Rolle gespielt haben. Es scheint als ob die Cherusker seine Theorie von einer Varusschlacht in relativer Nähe zum Rhein ins Wanken gebracht hätte da die antiken Historiker sie deutlich mit der Weser in Verbindung brachten. Das von ihm verwendete Wort „Teutoburgium“ wird zu einem weiteren Rätsel, da uns Tacitus diese Worte nur in der Schreibweise „Teutoburgiensi saltu“ hinterlassen hat, aber an keiner Stelle als einen einzelnen Ortsnamen. Aber nicht nur das, Ortelius lokalisiert es sogar und verortete es in etwa da, wo sich heute der niederländische Ort Doesburg an der Jssel befindet was auf Spalatin hindeuten könnten der in der jeweiligen Erstsilbe eine Identität erkannte. Der Ort wo die Jssel vermutlich zu Römerzeiten in den Drususgraben mündete. Vielleicht hatte Mercator in diesem Fall mit seinem Vorwurf recht. Als „Teutoburgium“ ist es uns nur eine Bezeichnung aus ptolemäischer Feder bekannt und ließ sich als ein Kastell „Teutoburgium“ an der Donau aufspüren. Ortelius nutzte also in diesem Fall für sein Kartenwerk nicht nur das Grundwissen von Tacitus, sondern auch das von Ptolemäus. Aber Ortelius verwendete wie man am Beispiel der Cherusker erkennt nicht alles von dem was Tacitus inhaltlich hinterließ, denn auf den engen Zusammenhang der geographischen Bezugspunkte der von ihm genannten Flussnamen Lippe, Ems und Weser ging er ebenfalls an keiner Stelle in seiner Karte „Belgii veteris typus“ ein, wodurch er zu anderen Schlussfolgerungen hätte gelangen müssen. So legte Ortelius „Aliso“ das die neuzeitliche Forschung aufgrund der taciteischen Hinweise nahe den Oberläufen von Ems und Lippe ansiedelt zwischen Doetinchem und Isselburg und den „Teutoburgiensi saltu“ der sich nach Tacitus unweit der Oberläufe dieser beiden Flüsse befunden haben soll, verschob Ortelius ins Quellgebiet der Berkel nahe Billerbeck, die sich damals Berckela nannte. Es will nicht zu Ortelius passen, der sich um ein gewissenhaftes Quellenstudium bemühte und so darf man sich die Frage stellen, wovon er sich leiten besser gesagt verleiten ließ und was ihn bewogen haben könnte als er sich entschied Teile der Annalen von Tacitus in dieser Hinsicht zu ignorieren. Folglich ist Hintergrundrecherche zu seinen Motiven angesagt die ihn dazu gebracht haben könnten die Varusschlacht von der Wesernähe ins westliche Münsterland zu rücken. Die nicht bestatteten Knochen der Legionäre befanden sich nach Tacitus vor ihrer Bestattung in der Nähe einer Örtlichkeit mit Namen „Teutoburgiensi saltu“ die sich großräumig zwischen den Oberläufen von Ems und Lippe und Weser befand, den aber Ortelius nahe Billerbeck eintrug. Tacitus schrieb des Weiteren, dass man nach der Varusschlacht das Gebiet zwischen dem Kastell „Aliso“, das Ortelius zwischen Doetinchem und Isselburg einzeichnete und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschlossen und gesichert hat. Aber von Isselburg wo Ortelius „Aliso“ verortete bis Rees am Rhein liegen nur magere 10 Kilometer. So erschließt sich weder der Sinn, warum Rom dort neue Heerstraßen und Dammwege hätte erschließen und sichern sollen, als das sich auch wieder die Frage stellt, warum es für Ortelius hier nur zu einem halbherzigen Quellestudium reichte. Ein weiterer Blick auf die Landschaft zwischen Berkel und Issel verrät, dass diese rheinnahe Region zum zentralen Aufmarschgebiet der Xantener Legionen zählte, in der sie nach Belieben agieren und ihre von Gewalt bestimmte Siedlungspolitik ausüben konnten. Billerbeck befindet sich nur 28 Kilometer nördlich des großen römischen Lagerplatzkomplexes von Haltern von wo aus die Distanz zum römischen Rheinkastell Xanten 67 Kilometer beträgt. Sich hier im ebenen Münsterland eine siegreiche und zudem von den entfernt lebenden Cheruskern eingefädelte Hinterhaltstrategie vorzustellen fällt ebenso schwer wie die abwegige Vorstellung die Schlacht könne sich östlich von Bramsche nahe Kalkriese zugetragen haben. Hinzu kommt der fehlende Kontext in Bezug auf die späteren Germanicus Rachefeldzügen sowie der Standort der zwei Asprenas Legionen die zwischen dem Schlachtgebiet und Xanten operiert haben sollen, die Varus nicht zu Hilfe kommen konnten oder wollten und sich statt dessen in das römische Kastell Xanten zurück zogen und die Rheinbrücke hinter sich abbrachen um sich vor möglichen germanischen Einfällen zu schützen. Die „Schwemme“ an antiken Schriften von Tacitus, Dio und Paterculus in der ersten Hälfte des 16. Jhdt. mag seinerzeit die Geschichtsfreunde und mit ihnen die Kartographen überrascht wenn nicht sogar überfordert haben. Aber kopierte Exemplare werden auch nicht über Nacht für alle verfügbar gewesen sein, sodass die Auswertung noch weitere Jahre in Anspruch genommen haben dürfte. Ein Grund dafür, dass es um die Mitte des 16. Jhdt. was Bezüge zur Varusschlacht anbelangt ruhig bestellt war und sich die Kartographie erst später an den neuen Erkenntnissen bedienen konnte. Aber nicht nur was die Verortungstheorien hinsichtlich der markanten "Varusschlagworte" anging überschlugen sich möglicherweise in der zweiten Hälfte des 16. Jhdt. die Dinge. Der junge Ortelius mag sich anfänglich auch unschlüssig gewesen sein und musste vorsichtig sein welchen Historikern er sich, was seine Karte „Belgii veteris typus“ anbetrifft zuwenden wollte. Aber ungeachtet dieser Theorie veröffentlichte er seine Karte „Belgii veteris typus“ 1584 noch mit den Hinweisen die man ihm gegenüber bis zur Veröffentlichung gegen Ende des 16. Jhdt. gegeben hatte wonach die Flüsse Issel und Berkel im Zentrum der Varusschlacht gelegen haben sollen. Aber Fortschritt und Zeitgeist entschieden schnell und schon nach kurzer Zeit, vielleicht sogar schon während die Karte in Druck ging dürfte sie überholt gewesen sein. Trotzdem stößt jeder der sich mit Ortelius und der Varusschlacht näher beschäftigt zunächst auf seine Karte „Belgii veteris typus“ so wie es auch die freie Enzyklopädie vorschlägt. Das es aber von Ortelius noch eine weitere und weitaus zielführendere Karte gibt, in der er sich erneut mit dem Thema Varusschlacht beschäftigt hatte, stieß in der Forschung auf weniger Gehör. Da sich der Wissenstand auch damals stetig verbessert haben dürfte, schien auch die damalige Annahme das Varusereignis habe sich nahe Issel und Berkel zugetragen nicht von Dauer gewesen zu sein. Wie sich die neuen Ansichten verbreiteten entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen, es könnte aber eine Person die Wege von Ortelius gekreuzt haben die ihn mit neuen Informationen versorgt hat und ihn damit überzeugen konnte. In Verdacht gerät dabei ein Mann, mit dem er vermutlich auch beruflich in Verbindung gestanden haben könnte. Dieser Kontakt könnte ihn dazu bewogen haben, dass er wie sich noch zeigen wird in vorsichtigen Schritten von seinen früheren „Issel/Berkel“ Ansichten abrückte und jetzt eine andere Region ins Auge fasste. So warf er seine bisherigen Überzeugungen über Bord und folgte der neuen Denkweise. Die Annalen hatten ihre Wirkung nicht verfehlt und er griff die sich daraus ergebenden Erkenntnisse auf, so dass er sich und das relativ kurzfristig genötigt sah zu reagieren. Die Mehrheit der Humanisten hatte sich dem bereits angeschlossen und er entschied sich dies bei seiner nächsten Drucklegung mit einfließen zu lassen. Eine auf Tacitus basierende These die zu dem Ergebnis führte, die Varusschlacht nahe der Egge im Nethegau suchen zu müssen.(06.02.2024)

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Sonntag, 21. Januar 2024
Wo suchte die Renaissance die Varusschlacht - Die Humanisten waren auf dem richtigen Weg.
Ohne Otto von Freising der uns in der ersten Hälfte des 12. Jhdt. eines besseren belehrte hätte man den Eindruck gewinnen können, als ob das Mittelalter eine Epoche war in der man der Varusschlacht keine Bedeutung beimaß. Das so genannte Mittelalter ist eine im Grundsatz zeitlich nicht definierbare Zeitspanne weswegen man ihr Ende auch an geschichtlichen Großereignissen wie etwa der Entdeckung Amerikas 1492 oder dem Tod von Kaiser Maximilian 1519 festmachte, interessierte sich demnach nicht nur für unterhaltsame Drachentöter Geschichten, sondern auch für die realen Dinge der Vergangenheit. Aber nach Otto verging viel Zeit bis man sich wieder mit der Varusschlacht beschäftigen wollte. Genau 204 Jahre mussten zwischen seinem Tod im Jahr 1158 und dem im Jahre 1362 geborenen und aus dem 32 km östlich von Corvey gelegenen Einbeck stammenden Lateinlehrer Dietrich Engelhus vergehen bis uns dank seiner schriftlichen Aufzeichnungen wieder Informationen zur Schlacht vorliegen die etwas Licht auf die alte Großtat warfen. Durch seinen Tod im Jahre 1434 verpasste er den Wiederfund der Tacitus Annalen im Jahre 1507/1508 und so konnte er sich nicht an den Auswertungen beteiligen. Dadurch entgingen ihm zwangsläufig auch die darin enthaltenen geographischen Hinweise zum Austragungsort und gelangte zu der abweichenden Schlussfolgerung ihn in Mainz zu suchen. Was aber hier mehr überwog war weniger seine Theorie die sich später als unzutreffend erwies, als unsere Verwunderung darüber was auch bei ihm den Ausschlag gegeben haben könnte dieses aus seiner Sicht über 1300 Jahre zurück liegende Ereignis wieder aufzugreifen, mit dem auch wir uns über 2000 Jahre nach der Schlacht immer noch beschäftigen. Allerdings ohne geographische Hinweise zu hinterlassen so wie es Tacitus tat, beschäftigten sich auch andere antike Historiker mit dem Thema Varusschlacht, sodass es seit jeher durch die Jahrhunderte geisterte. Auf diesen Wegen dürfte das spärliche Wissen auch bis zu Engelhus durchgedrungen sein, der es in seiner zwischen 1419 und 1429 erschienen „Chronica nova“ verarbeitete und es mit Mainz verband. Der Gedanke an die Schlacht war nicht tot zu kriegen und es ging von ihr immer noch eine unerwartete Strahlkraft aus, so dass sich Ereignis in der Geisteswelt des ausgehenden Mittelalters immer noch einer hohen Beliebtheit erfreute. Resümierend lässt sich sagen, dass auch in einer Zeit als die Deutschen Ordensritter noch in Ostpreußen kämpften und die Annalen des Tacitus in Corvey irgendwo unter Verschluss lagen oder in verstaubten Regalen standen, die gebildeten Bevölkerungsschichten die antiken Schriften nicht aus der Hand gelegt hatten. In der Zeit nach dem 9. Jhdt. als die Corveyer Tacitus Annalen in Vergessenheit geraten waren ist festzustellen, dass es neben anderen uns unbekannten Überlieferungen vor allem die Schriften von Sueton und Florus waren, die das Interesse an die Schlacht wach hielten. Sie waren offensichtlich nördlich der Alpen weit verbreitet, sodass sich aus ihrem Inhalt der nichts an seiner Attraktivität verloren hatte schöpfen ließ. Daraus, dass sich selbst ein Einbecker Lateinlehrer wie Engelhus von diesem Thema angesprochen fühlte lässt sich schließen, dass das alte Ereignis wenn auch sicherlich nicht überall, so doch mit zum Lehrstoff in manchen Stadtschulen seiner Zeit gezählt hatte. Man kann zudem daraus schließen, dass man sich ungebrochen, also auch in den zwei Jahrhunderten die davor lagen mit der Schlacht auseinander gesetzt hatte. Wenn auch nebulös und durchsetzt mit viel Unkenntnis hatte sich das Wissen über diese Schlacht erhalten können und bewegte die Gemüter zu allen Zeiten auf eigenartige Weise. Man möchte das neu entstandene Interesse an ihr gerne mit dem in der Renaissance erwachten germanophilen Zeitgeist begründen, hätte es da nicht schon im zwölften Jahrhundert einen Otto von Freising gegeben. Wissen das sich verbreitet hatte, lange bevor den Humanisten der große Sprung nach vorne gelang und man zusätzlich zu Tacitus auch noch die Schriften von Cassius Dio und Paterculus entdeckte, sie intensiv studierte vor allem aber miteinander verglich und auswertete. Nach Engelhus betraten weitere „erbarmungslos“ fortschrittliche Humanisten der Renaissance die Bühne des Zeitgeschehens. Sie kannten kein Pardon, rüttelten am Althergebrachten vor allem aber besannen sich wieder der Antike. Dazu gehörte, dass sie sich auch an das scheinbar sorgsam gehütete Tabuthema wie jene Verbindung zwischen Arminius und der vermutlich später zu seinen Ehren errichteten Säule heran wagten. Am Vorabend der Reformation war es eine gewagte Zeit historische Forschungen unter Wahrung religiöser Überzeugungen zu betreiben. Ungeachtet dessen tastete sich im 16. Jhdt. eine mutige und wissensdurstige Schar Humanisten, die sich trotz anfänglicher Fehltritte kaum beirren ließ langsam wieder an die einstigen Geschehnisse auf der Suche nach den Örtlichkeiten heran. Etwa Georg Spalatin, ein Sammler römischer Quellen der mit Lucas Cranach dem Älteren, Philipp Melanchthon und Erasmus von Rotterdam in Verbindung stand. Ihm wird nachgesagt, er habe die Rettung von Martin Luther organisiert und auch mit ihm widmete sich nach Engelhus wieder ein Theologe der „Clades Variana“. Aber bis zur Varusschlacht im Nethegau sollte es noch ein weiter Weg sein. Spalatin wird der Satz nachgesagt Arminius „von hertzen lib“ zu haben und war wie man heute sagen würde der Medienberater von Martin Luther. Und obwohl Spalatin einer derjenigen gewesen sein sollte ja sogar müsste, der die 1507/8 in Corvey wieder entdeckten Tacitus Annalen las oder ihren Inhalt gekannt haben sollte, da sie 1517 in gedruckter Form wieder zurück nach Corvey gelangten und aus denen die geographischen Hinweise zu Ems, Lippe und Weser hervor gingen war er der letzte Humanist, der immer noch die Auffassung vertrat, der Ort der Schlacht habe sich am Rhein bei Duisburg, statt in Ostwestfalen befunden. Erst der 1485 in Lippstadt geborene Priester und Humanist Johannes Cicinnius der auch Johannes Kruyshaer genannt wurde und dem Benediktinerkloster Essen – Werden nahe stand war es der, man möchte fasst sagen endlich als erster die „geographische Wende“ in der Varusforschung einleitete. Ihm ist 1539 nachweislich der deutliche Zusammenhang zwischen den Informationen aus den Tacitus Annalen und dem Osning aufgefallen was voraus setzt, dass er sie gekannt also gelesen haben musste. Unter dem Titel: „VAn der niderlage drijer Legionen vn[d] meren Römische[n] krijgßfolcks/ mit jrem Capitaneo Quintilio Varo/ by tyden der gebort Christi/ vnd Julio Cesare/ vnd Octauiano Augusto/ gescheit in Westphalen/ tuschen den wateren der Emesen vnd der Lippen/ by den Retborge vnd jn der Delbruggen“ veröffentlichte er in diesem Jahr eine historische Abhandlung. Dem pflichtete auch der 1559 geborene Philipp Melanchthon bei während Martin Luther noch zum Harz tendierte. In dem man sich nun von Süddeutschland distanziert hatte und und vom Rhein abgerückt ist, hatte sich der Suchhorizont nur rund 20 Jahre nach der Rückführung der gedruckten Tacitus Annalen unübersehbar nach Ostwestfalen genau genommen zum Osning verschoben. Die gewachsene Erkenntnis beeinflusste den Forschergeist aber nicht nur hinsichtlich der Tatsache die Schlacht jetzt in Ostwestfalen suchen zu müssen. Bekanntlich spielt ein weiteres historisches Großereignis in die Varusschlacht Forschung hinein, dass auch die Humanisten beschäftigte. Es war jener seltsame Vorfall der Irminsul Zerstörung im Jahre 772 den man augenscheinlich mit in Betracht ziehen sollte, wenn man nach der Örtlichkeit der Varusschlacht Ausschau hält. In diesem Zusammenhang führt die Spur zu Georg Spalatin der die Schlacht noch auf Duisburg bezogen hatte, aber nach unserem Wissenstand der erste war dem der namentliche Zusammenhang auffiel. Er erkannte den Gleichklang von Irminsul und Arminius und kannte demnach auch den Inhalt der fränkischen Reichsannalen die maßgeblich von Einhard beeinflusst waren und in denen von der Irminsul die Rede ist die Karl unweit von Marsberg zerstört hatte. Er tat es in seiner Schrift „Von den thewern - Deudschen Fürsten Arminio“ (Wittemberg 1535), wobei man das Wort “thewern“ in einen Zusammenhang mit „teuren und hochgeschätzten“ sehen kann. Man kann Spalatin der statt dem Osning die Region Duisburg favorisierte daher nicht unterstellen neben den nahezu identischen Worten Irmin und Armin auch schon die beiden Schauplätze miteinander in Verbindung bringen zu wollen. So kann er nicht in Verdacht geraten die Stätte der Varusschlacht da suchen zu wollen wo einst die Irminsul stand, die zwischen Marsberg und Willebadessen gelegen haben soll und die sich nach dieser Theorie auf halber Höhe unweit von Borlinghausen befand. Hätte sich Spalatin den Inhalt der Tacitus Annalen zunutze gemacht der bereits zu seiner Zeit bekannt war, dann hätte dies dazu führen können, dass auch er von seiner Duisburg Theorie abgewichen wäre und sich den Meinungen der anderen Humanisten angeschlossen hätte die zum Osning tendierten. In diesem Fall wäre ihm dann auch die geographische Nähe zwischen dem Osning und der Irminsul Stätte nicht entgangen und hätte als früher Forscher der erstmals hier aufgestellten Theorie Pate gestanden. Er wäre dann der erste gewesen, dem die Verbindungslinie zwischen den beiden Austragungsstätten Varusschlacht am Osning und Irminsul am Osning schon vor 5oo Jahren aufgefallen wäre. Möchte man davon absehen, dass schon die Corveyer Mönche den Zusammenhang im 9. Jhdt. erkannten, dann wäre es auch Georg Spalatin gewesen, der sich in einer langen Reihe von Forschern aus vielen Disziplinen die auf ihn folgten schon der Frage gewidmet haben könnte, ob die Irminsul nicht ein Denkmal für Arminius gewesen sein könnte. Hätte Spalatin gar gewusst, dass die Sachsen unter denen sich auch Falen aus dem Nethegau befanden, die Vortigern im 5. Jhdt. in die einst Römische Provinz Britannia rief, die sich inmitten des heutigen London ansiedelt hatten die ihre Traditionen mitnahmen und u.a. „verantwortlich“ für den dortigen Straßennamen "Ermine Street" waren, dann hätte Spalatin dies mit für seine Theorie nutzen können. Vielen im Mittelalter und der folgenden Renaissance wirkenden Historikern war es nicht vergönnt sich bis unsere Zeit Gehör zu verschaffen oder blieben namenlos da sie nichts schriftliches hinterließen. Aber in gemeinsamer Anstrengung gelang es dann doch noch dank des Wegweisers Cicinnius den Austragungsort von Augsburg, Mainz oder Duisburg nach Ostwestfalen zu verlegen, wo er ihn sich zwar im Osning vorstellen konnte, aber dennoch die Region um die heutigen Städte Rietberg und Delbrück favorisierte wo er vermutlich annahm, das sich dort das Varuslager befunden haben könnte. Damit pirschte man sich langsam an den vermeintlichen „Teutoburgiensi saltu“ nahe Borlinghausen heran, während es in den letzten Stunden der Renaissance und kurz vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges der Historiker Johannes Gigas war, der noch 1616 die Legionen bei Oelde - Stromberg marschieren sah. Daran, dass nun die Mehrzahl der Humanisten die Auffassung vertrat die Schlacht habe sich an jenem Gebirgszug zugetragen der sich sichelförmig östlich um die Städte Rietberg, Delbrück oder Oelde wölbte lässt sich erkennen, dass man den Fächer zwischen Bielefeld und Scherfede im Visier hatte woran sich bis heute nichts geändert hat. Das die frühe Kartographie dem folgte und den neuen Wissensstand zum Anlass nahm nachzuziehen war zu erwarten. (21.01.2024)

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Samstag, 6. Januar 2024
Schon im Mittelalter erwachte das Interesse an der Varusschlacht - Eine Belastung für den neuen Glauben.
Obwohl sich schon Otto von Freising im 12. Jhdt. mit der Frage des Varusschlachtfeldes beschäftigt hatte, nahm die Debatte um sie doch erst richtig Fahrt auf, als sich ab dem 16. Jhdt. der Inhalt der „wieder entdeckten“ Tacitus Annalen herum sprach, der vorher nur Lückenhaft verbreitet war. Vergleichbar mit einem seismischen Prozess erschütterte im Jahre 9 + die Varusschlacht Mitteleuropa und die Nachwirkungen reichen bis in unsere Zeit. Sie wurde zur Sternstunde deutscher Geschichte aber pikant wurde es erst, als man auch wissen wollte wo sie einst statt fand, jene Schlacht unserer „First Nation“ gegen die Invasoren aus dem Süden. Otto von Freising trug sich als erster in die Liste der Suchenden ein und es war der Beginn einer scheinbar nie enden wollenden Suche die in eine Auseinandersetzung unterschiedlichster Theorien aber auch Wunschvorstellungen mündete. Ein Phänomen, das Eigendynamik entwickelte die schon fasst die eigentliche Bedeutung der Schlacht überdeckt hat, denn keinem in Deutschland statt gefundenen antiken Ereignis wurde über einen solch langen Zeitraum soviel Aufmerksamkeit geschenkt wie der Suche nach den Varusschauplätzen. Den Austragungsort zu entdecken wurde zum Allgemeingut historisch interessierter Bevölkerungskreise um nicht zu sagen zum Gesellschaftsspiel erhoben und es gibt kaum jemand im Staate der nichts von diesem Erinnerungsschatz weiß. Schon früh erkannte man zunächst in Detmold später in Bramsche, dass sich mit diesem Ereignis auch Geld verdienen lässt und die Suche entwickelte sich zum Vermächtnis von Generationen, dass in ihrer Tragweite das Forschen nach dem berühmten Bernsteinzimmer bei weitem übertrifft. Leider verweigert man diesem komplexen und vergeistigten Thema unserer römisch/germanischen Vergangenheit die ihm zustehende Aufmerksamkeit, denn nach einer diesbezüglichen Eintragung in dem aus 144 Positionen bestehenden deutschen immateriellen Kulturerbeverzeichnis sucht man es vergeblich. Der seit Jahrhunderten andauernde Prozess dieser außergewöhnlichen Forschungsgeschichte die sich wie eine verselbstständigende Geschichte in der Geschichte eingenistet hat. So als ob uns die Historie mit dem Aufspüren eine Pflicht für die Ewigkeit aufgebürdet hätte, übersah unser Zeitgeist das Einzigartige darin, sodass man es als Vorschlag bei der Deutschen Unesco Kommission einreichen sollte. In der Hoffnung im Fall Varus und seiner untergegangenen Armee sachdienliches zur Auffindung des Schlachtfeldes beitragen zu können beteiligten sich über die Jahrhunderte viele Historiker mal mehr und mal weniger erfolgreich mit der Suche. Anstelle belastbarer Beweise ließen sich immerhin gute Indizien präsentieren die für die Zukunft hoffen lassen. Aber selbst das wenige wäre nicht denkbar hätte es den einen antiken Historiker nicht gegeben dem es vergönnt war das Ereignis nahezu von Anbeginn und dann über die Jahrhunderte hinweg im Bewusstsein der Generationen wach zu halten. Es war der besonderen Hingabe und Vielseitigkeit seiner Themenauswahl und Methodik zu verdanken, dass seine Werke über die Zeiten zu Bestsellern wurden und es ihm gelang seine Leserschaft zu inspirieren. Und natürlich ist von Gaius Suetonius Tranquillus die Rede der nach 122 + verstarb und somit zeitgleich mit Tacitus lebte. Und obwohl er einen anderen literarischen Stil pflegte und von ihm abweichende Schwerpunkte setzte, zählte er zu den großen Geschichtsschreibern der Antike. Während die Nordgermanen die ersten waren, die im frühen Mittelalter begannen im trüben Milieu des Sagenhaften nach den einstigen Wahrheiten zu stochern, trug Sueton dazu bei der Varusschlacht ein reales Gesicht zu geben. Am deutlichsten gelang es ihm, in dem er den Aufschrei von Kaiser Augustus nach der Niederlage „seiner“ Legionen in Germanien uns allen auf ewig ins Gedächtnis schrieb. Ein Satz der die Zeiten nicht nur überdauerte, sondern vor allem die Menschen neugierig gemacht hat. Und selbst im Mittelalter in dem man annehmen sollte, dass man andere Sorgen hatte und die Varusschlacht noch bei Augsburg vermutete, setzte man die Suche nach dem Austragungsort fort. Und auch Otto von Freising kannte von Sueton den verzweifelten Ruf des Kaisers, wusste aber auch vom Detail der Knochenbestattung im Jahre 15 +, das uns aber bezeichnenderweise nur von Tacitus überliefert ist. Es könnte ihm aber auch die schon im Altertum viel gelesene Epitoma bzw. die Bambergensis von Florus vom Anfang des 9. Jhdts. vorgelegen haben, sodass ihm die Varusschlacht aus unterschiedlichen Quellen ein Begriff war. Von Otto von Freising ist zudem bekannt, dass er auch über Wissen von Paulus Orosius verfügte der bereits 418 + verstarb, so dass Otto auch bei ihm etwas über die Knochenbestattung gelesen haben könnte. Und selbst die an Opfern reichen Kreuzzüge konnten die Faszination die von dieser Schlacht ausging nicht zum Erliegen bringen. Es muss also im 12. Jahrhundert immer noch ein seltsames Phänomen gewesen sein, dass es da mal eine Schlacht gab die vor langer Zeit die heimischen Völker gegenüber einer hoch gerüsteten Armee für sich entschieden hatten, von deren Existenz und Hergang man aber keine genauen Vorstellungen mehr besaß. Da in der Reichsabtei Corvey seit dem 9. Jhdt. eine in lateinischer Sprache abgefasste aussagefähige Abschrift der Tacitus Annalen vorlag darf aufgrund der darin gefallenen geographischen Bezüge spekuliert werden, inwieweit man sich darauf basierend auch damals schon Vorstellungen zur Lokalisierung der Schlacht gemacht hatte. Da schon den Mönchen in Corvey die Ähnlichkeit der Worte Arminius und Irmin nicht entgangen sein dürfte darf man vermuten, dass auch sie nach einem plausiblen Bezug zwischen der Schlacht und der Errichtung der Irminsul gesucht hat oder versucht haben könnte ihn herzustellen. Wissen, dass man möglicherweise in Corvey zurück hielt und das man vielleicht aus Gründen klösterlicher Räson und Zurückhaltung weltlichen Dingen gegenüber schon seit den Tagen Rudolfs von Fulda nur diskret bewahrte. Was sich an Kenntnissen um die Irminsul erhalten hatte entstammte schon für die Corveyer Mönche die dort ab dem 9. Jhdt. wirkten einer nebulös religiösen Vorzeit. Es waren Geschehnisse die am Selbstverständnis des wahren Glaubens kratzten die man aber aus dem spirituellen Alltag fern halten wollte, da sie nicht mehr in eine Zeit passten in der man glaubte die blutigen Taten der Sachsenkriege hinter sich gelassen zu haben und nur noch für Frieden, Eintracht und christliche Nächstenliebe eintreten wollte. Hinzu kommt, dass man in den Vorbereitungen steckte um Karl dem Großen 1166 für sein „glorreiches“ Wirken und nicht zuletzt für die Zerstörung der Irminsul heilig zu sprechen. Otto von Freising der acht Jahre zuvor verstarb lebte in dieser Zeit und seine Vorarbeiten bestätigen, dass die Varusschlacht ihre Attraktivität nie verloren hatte und an vielen Orten immer noch auf unterschwellige Weise ein eigenartiges Schattendasein führte. Möchte man eine Verschwörungstheorie vermeiden, dann könnte man sich auch auf die reale Suche nach einem möglichen Komplott begeben. Etwa die Überlegung aufgreifen, dass man in Corvey das Wissen um die einstigen Örtlichkeiten der Schlacht und den daraus später erwachsenen Irminkult auch bewusst unter Verschluss halten wollte, da sich die heidnischen Stätten und Geschichten die vom Widerstandswillen der Vorväter zeugten nicht unbedingt für geeignet hielt, um sie mit der christlichen Lehre in Einklang bringen zu können. So wird man ab dem Bekanntwerden über das gesamte Mittelalter versucht haben diesen Vorgang zu kaschieren um dem verwerflichen Tun infolge der Sachsenkriege keine neue Nahrung zu liefern. So tat man alles um das noch vorhandene Wissen, dass die Menschen nicht vergessen wollten zu unterdrücken. Es war ihre Pflicht, die von ihren Glaubensbrüdern begangenen unmoralische Taten auf religiöse Weise sorgsam zu verbergen und auf einen einst aus vorchristlicher Zeit stammenden Nationalhelden namens Arminius durfte kein neuer sächsischer, der eigentlich der alte war mit Namen „Irminius“ folgen. So ließen sich zu keiner Zeit die taciteischen Quellen wie es auch bei Otto von Freising deutlich wird aus der Welt schaffen, sich leugnen oder verbergen. Der Klerus entlarvte sich schon damals im Zuge der Zerstörung der Irminsulstätte in dem er mangels besseren Wissens die in die Irre führenden Namen „Fanum“ oder „Idolum“ gebar, da man in ihr keine göttliche Sinngebung erkennen konnte und bemühte sich um halbherzige Erklärungen. Die Verbindung beider Ereignisse und die frappante Namensähnlichkeit die in Corvey erstmals auf fiel, ließ sich in Ostwestfalen auch im Mittelalter nicht mehr zum Schweigen bringen und so wirkte auch der varianische Schlachtenmythos immer noch nach, spukte im Untergrund und als Drachentöter im höfischen Lebens weiter und hatte das Potenzial die junge religiöse Ideologie wenn nicht zu gefährden, so doch zu stören. Da las man also allein oder im vertrauten Kreise in den Tacitus „Geschichtsbüchern“ von massiven Schlachten die an der Weser ihren Ursprung hatten, aber für die einfachen Menschen des Mittelalters und selbst die Mönche war es kaum vorstellbar, dass es sich dabei so hoch im Norden und fernab von Italien um die gescheiterten Okkupationsanstrengungen eines antiken Weltreiches gehandelt haben soll. Ein Imperium, das sich 1100 Jahre vor ihrer Zeit vergeblich bemüht hatte seine Außengrenzen mit Gewalt zu erweitern. Es fehlte ihnen vielleicht auch der Spürsinn sich ein gigantisches Schlachtengewitter vorzustellen, das „nur“ 30 Jahre andauerte und so schnell wie es begann auch wieder zu Ende war, obwohl die römischen Relikte in ihrer Zeit noch unübersehbar waren. Eine verschwommene und bizarre Vergangenheit die sich seit dem auf spiritistische Weise in den germanischen Hütten wach halten konnte und der Sagen - und Legendenbildung Auftrieb gab und Vorschub leistete. So bekam es die neue christliche Weltordnung mit zwei Sichtweisen und Strömungen zu tun denen sie was entgegen halten musste. Zum einen waren es die schriftlichen Darstellungen wie sie eine gedemütigte und bis dato an Siege gewohnte Großmacht hinterließ und zum anderen das, was man in Germanien daraus machte. Zwei sich in ihrer Lebensweise mental und gegensätzlich voneinander unterscheidende Zivilisationen was in unterschiedliche Betrachtungsweisen münden musste. War es aus römischer Sicht die Schmach der Niederlage, das Versagen des Feldherrn und die Erklärungsversuche wie es dazu kommen konnte, so rückten die germanischen Gegner ihren bedingungslosen Kampfeswillen in den Vordergrund und befassten sich nicht mit der strategischen Auswertung der Schlacht die für Rom zum Desaster wurde. Für die Germanen lag der Erfolg darin, dass es ihnen, einer untergerüsteten Schar Waffen tragender Bauern und Pferdezüchter aus einem Sammelbecken unterschiedlichster Stämme gelang diese Schlacht triumphal für sich zu entscheiden, aber über das wie und warum schwieg sich die Sagenwelt aus weil ihr in tausend Jahren das Hintergrundwissen verloren ging. Man hatte Mut gezeigt und Zusammenarbeit bewiesen und sich nicht davor gescheut sich gegen die stärkste Macht der Zeit zu stellen, wobei der namenlose einzelne Kämpfer verblasste und später nur der Name des germanischen Anführers die Zeiten überlebte. Ihm allein schrieb man letztlich die Glanztat zu, sodass er alles überstrahlte und in den Erinnerungen die Jahrhunderte überdauern konnte. Aber was tat die fortschrittliche fromme Lehre die auf den überholten paganen Götterglauben folgte und wie ging sie damit um. Mit der historischen Wahrheit verhielt es sich eher unproblematisch da man nur die Türen der Klosterbibliotheken schließen musste und sich danach die schlafenden Hunde die Otto von Freising geweckt hatte schnell wieder schlafen legten. Anders verhielt es sich mit der Sagenkomponente und ausgerechnet war es wieder ein Mönch dem es gelang die heile Christenwelt in Verwirrung zu stürzen, denn sein Reisebericht konnte sich sogar bis in unsere Zeit erhalten. Es war der aus Island stammende Gelehrte Nikulas Bergsson, Abt von Munkathvera der mit einer unscheinbaren Randbemerkung aufhorchen ließ. Er erwähnte nach dem er Paderborn verlassen hatte einen Drachen der, wie es Drachen so an sich haben sein Unwesen trieb und wobei strittig ist, ob es sich auf die Region Ostwestfalen bezieht. Es gibt jedoch eine schlüssige Theorie mit der es sich bestätigen läßt. Das in Island schon zu Bergssons Zeiten Drachensagen kursierten ist naheliegend, denn nur 20 Jahre nach seinem Tod wurde der Eddaverfasser Snorri Sturluson geboren der sich damit beschäftigt hatte und für den Nikulas Bergsson kein Fremder gewesen sein dürfte. Möglicherweise ließ sich Snorri auch von seinen Berichten inspirieren die nach dem Tod von Bergsson in Island bekannt wurden und er ergänzte damit sein Wissen über die Sagenwelt der Germanen. Was Nikulas Bergsson auf seiner Reise erfuhr war in der Gegend in der man ihn darauf hinwies ein offenen Geheimnis, sodass auch der damalige Paderborner Bischofs Bernhards von Oesede Kenntnis davon hatte. Wenn die Argumentation zutrifft wonach die im 5.Jhdt. aus dem Nethegau nach Südengland gerufenen Söldner die Vision eines „trahho“ auf der Insel einführten, der sich wohl eher auf Rädern fort bewegte statt mithilfe von Flügeln, so deutet der Nikulasverweis darauf hin, dass sich diese Vorstellung verbreitet hatte und sich mit Erinnerungen an den alten „Drachenkampf“ in Ostwestfalen verband. Hinzu kam der im Volk schwelende mit Zorn verbundene und tief verwurzelte Hass auf die fränkischen Gewalttaten sowie das nebulöse Halbwissen, dass sich um die Person eines Irmin drehte und kultartige Formen annehmen könnte. So galt es zu verhindern, dass das Wiederaufflammen allen Heidnischen für die Geistlichkeit oberste Priorität hatte. Und dazu gehörte es auch die noch im Volksglauben schlummernde Vorstellung einst existenter Drachengestalten zu verbannen die sich über die Sagenschiene immer noch wach hielten. Die Botschafter des Christentums waren nicht zu beneiden und hatte ihre liebe Not darauf zu achten, dass im Volk nicht wieder Unglaube und Ungedanken Fuß fassen konnten. So war der Klerus stets bemüht es mithilfe des kaum verständlichen Latein in die gottgewollten Bahnen zu lenken, kam aber nicht umhin auftretenden Erklärungsnotständen eigene Ansichten entgegen zu halten. Ein seltsames Beispiel für die Nachhaltigkeit ältester Ereignisse lieferten die massiven Zerwürfnisse zu Beginn der 30 er Jahre des 20. Jahrhunderts als der preußische Landtag entschied Teile des sächsischen Westfalens dem fränkischen Rheinland anzugliedern wodurch verkrustete Wunden über Nacht wieder aufbrachen, es zu Gewalttaten kam und vergessen Geglaubtes wieder hervor gespült wurden. Ein Kapitel worauf noch separat eingegangen wird. Einst ausgelöst durch ein urgewaltiges Schlachtenspektakel konnten sich die römerzeitlichen Ereignisse neben der Literatur auf unterschiedlichen Ebenen auch im Volksmund erhalten und verstreuten sich in Mittel- und Nordeuropa. Man kann darin eine Unterstützung dieser Theorie aus unerwarteter Richtung sehen oder eine wundersame Fügung ausgelöst durch heidnischen Unglauben nennen, aber im Mittelalter musste die kirchliche Obrigkeit auf die Geschichten aus der nordischen Sagenwelt reagieren. Nordeuropa war inzwischen nicht nur durch die intensive Missionstätigkeit näher gerückt und was nun bewirkte, dass die Welt der germanischen Götter auf unerwarteten Pfaden und leisen Sohlen wieder nach Ostwestfalen zurück kehrte, wo man doch meinte sie gerade erst erfolgreich eliminiert zu haben. Im Nikulasverweis kommt es zum Ausdruck wie die fabelhaften Geschichten von kaum bezwingbaren schier übermächtigen Gegnern, von Drachentötungen und viel Heldenmut langsam in einen nun lateinisch geprägten christlichen Süden einsickerten. Die Unwissenheit über den historischen Kern und seinen Wahrheitsgehalt vermischte sich mit der naiven Volksseele und die hohen Würdenträger sahen sich genötigt neue Theorien über die alten Geschehnisse zu stülpen. So setzte man dem eine eigene Heilslegende entgegen und entschied sich wie bereits ausgeführt für den heiligen Sankt Michael den Drachentöter. Und auch hier bekommt der abgewandelte Satz von Heinrich Heine seine eigene Bedeutung, wonach nicht alles tot ist, was begraben ist Aber den Humanisten fiel nicht nur die Aufgabe zu die Suche erst richtig zu befeuern, ihnen gelang es auch den Schlachtenhorizont zu lokalisieren.. (06.01.2024)

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