Sonntag, 22. September 2024
Die mysteriöse Funktion der Abstellungen.
Nachdem sich der Verlauf der Varusschlacht im Zuge der Recherche in seinen Konturen abzeichnen ließ, wird auch erst deutlich was sich hinter der von Cassius Dio insgesamt äußerst knapp gehaltenen Wortwahl verbirgt. So klingen die Anweisungen die Varus einst den abgestellten Legionären gegeben haben soll für unsere heutigen Ohren etwas widersprüchlich, da sie nicht in das Konzept einer sich anbahnenden Auseinandersetzung passen. Die darin verborgene Unlogik macht nachdenklich wie man es auffassen sollte und weckt Zweifel am überlieferten Grund dieses Befehls. Cassius Dio gab das Wissen ältester Quellen weiter und das oft ohne selbst zu verstehen, was die Schreiber 200 Jahre vor seiner Zeit damit zum Ausdruck bringen wollten. Er musste sich im Zuge der historischen Aufarbeitung in diese vor seiner Zeit liegende Epoche hinein versetzen und versuchen zu verstehen, was damals in Germanien vor sich ging um seinen Zeitgenossen gegenüber auf verständliche Weise erklären zu können, welchen Verlauf die Schlacht seinerzeit genommen hatte. Dabei stieß er bekanntlich auf Ungereimtheiten, aber auch auf den nebulösen Akt der „Abstellungen“. Vieles von dem was er las übernahm er ohne es zu verändern, während er einiges umdeutete in dem er es zu ordnen versuchte und es nach geschliffen haben könnte, wenn er davon überzeugt war, dass es so nicht gewesen sein konnte. So zumindest lassen sich seine Worte die er an anderer Stelle fallen ließ interpretieren. An welcher Stelle er eingriff und textuelle Veränderungen herbeiführte kann die heutige Forschung nicht mehr beantworten. An der Entsendung der Abstellungen nahm er jedoch keinen Anstoß, da der diesen Vorgang für stattgefunden hielt und daher auch den Grund nicht hinterfragte. Und während einige seiner Passagen auch heutzutage noch plausibel klingen und glaubhaft erscheinen lösen andere, wie etwa die Umstände im Zusammenhang mit den besagten Abstellungen Stirnrunzeln aus. Da sich grundsätzlich heraus stellte, dass sein Rapport mit dem Schlachtverlauf wie er dieser Theorie zugrunde liegt deckungsgleich ist, soll im weiteren Verlauf der Beweis erbracht werden, dass sich auch diese bislang rätselhaft erscheinenden Zeilen auf verständliche Weise erklärbar machen lassen. Wie man weiß, stand „waffenstarrendes“ römisches Militär nicht nur am Rhein, sondern auch mitten im Land und schon Florus berichtete über Wachtposten die bereits in vorchristlicher Zeit unter Drusus an Weser und Elbe errichtet wurden. Das Drusus zugeordnete Marschlager Hedemünden an der Werra bestätigte diese Überlieferung. Darüber hinaus berechtigt nicht nur das schon seit länger Zeit erforschte Hafenkastell Anreppen in Verbindung mit dem zwischenzeitlich entdeckten Marschlager in Paderborn, sowie die freigelegte Römerstadt Waldgirmes zu der Annahme, das sich auch schon am Weserknie nahe Höxter/Corvey stadtähnliche Vorgängerbauten befanden. Eine realistische Annahme die man gegenwärtig in Paderborn im Zuge einer Ausstellung unter dem Namen „Corvey und das Erbe der Antike“, zu besichtigen bis 26. Januar 2025, in Erinnerung ruft. Eine Präsentation die den Begriff „Erbe“ allerdings so auslegt, dass nicht der Verdacht aufkommen kann, in Corvey könne sich noch Baugeschichtliches befinden, das aus der Zeit der römischen Okkupation stammen könnte. Cassius Dio hingegen vermittelt uns vor diesem Hintergrund den Eindruck eines im Aufbau befindlichen und sich ruhig entwickelnden Zusammenlebens in einer neuen ländlichen Provinz im Stammesgebiet der Cherusker an der Weser und schwärmt dabei vom munteren Markttreiben und friedlichen Zusammentreffen. Gleichwohl wurde die Region wie man liest auch von Stämmen besiedelt die Rom nicht unterworfen hatte, Völker mit denen man sich anders, als es mit den Cheruskern gelang nicht vertraglich verbunden hatte. Aber allen war gemein, dass sie ihre alten vom Kampf bestimmten Traditionen noch nicht abgelegt hatten. So war es für Cassius Dio rückblickend keine Kunst auf diese Weise bereits auf die explosive Lage hinzuweisen und einzugehen und beschrieb daher auch schon die ersten Anzeichen drohender Gefahr. Mit dem Wissen zum Gesamtverlauf der Schlacht konnte er in seinem Bericht aber bereits eine Begebenheit an den Anfang setzen, die der Schlacht unmittelbar voraus ging, sich also zeitnah vor ihrem Ausbruch zutrug und daher auch am Beginn seiner Darstellung zu stehen hatte. Es ist die angesprochene Episode aus der die Problematik spricht, dass sich aufgrund mangelnder Logik ihre wahren Umstände nicht erkennen lassen. Carl von Clausewitz beschrieb derartige Phasen wie eine Grauzone in der die Wahrheit keinen Platz fand, da sich die Nebel der Schlacht noch nicht verzogen hatten. So öffnet sich ein Spielraum der auch eine andere Auslegung des Ereignisses zulässt als die, wie sie sich den Überlieferungen entnehmen lässt und gestattet uns, diesen Sachverhalt auch abweichend von der gängigen Interpretation bewerten zu können. So könnte es sich dabei um einen Vorgang gehandelt haben der in den Quellen einen anderen Widerhall finden musste, da er von Personen verfasst wurde, denen keine Zeitzeugen zur Verfügung gestanden hatten und für den sie daher nach eigenen Erklärungen suchen mussten. Der Einblick in die tatsächlichen Umstände blieb ihnen verwehrt und man erklärte sich auf eigene Weise, warum Varus sich zur Unzeit entschied seine Armee personell zu schwächen. Fragwürdige Deutungsversuche die nicht stimmig wirkten und daher die Nachwelt stutzig machen mussten. Cassius Dio übernahm es 200 Jahre später unverändert da sich auch ihm das Wissen um das wirklich Zugetragene entzog. Für diese Episode stellte sich eine plausible Begründung erst dann ein, als sich im Zuge der hier erarbeiteten Verlaufstheorie der Blickwinkel erweiterte. So wurde der Grund erkennbar der Varus bewog, den Abstellungen diesen irritierenden Befehl zu geben. Eine Order dessen Widersinn auch Cassius Dio auffiel und im folgenden Passus 56,19,1 darauf hinwies:
„Daher hielt er (Varus) seine Legionen nicht zusammen, wie es eigentlich in Feindesland angebracht gewesen wäre, sondern kommandierte zahlreiche Legionäre ab und entsendete sie denjenigen (Germanen) die darum baten, weil sie selbst zu schwach waren, um gewisse Landesteile zu schützen. Dazu gehörte die Ergreifung von Räubern, aber auch der Geleitschutz von Lebensmittelfuhren“.
Cassius Dio konnte die Region in der Varus agierte aus der Retrospektive gut als Feindesland bezeichnen und ihm daher seine Fehlentscheidung zum Vorwurf machen nicht alle Truppen zu den Aufständischen mitgenommen zu haben. Für Varus hingegen handelte es sich um das Siedlungsgebiet eines vertragsgebundenen Germanenstammes von dem er nichts zu befürchten hatte, sodass er dem Wunsch der Cherusker bedenkenlos folgen konnte und man daher auch kein Fehlverhalten von Varus erkennen kann. Die Begründung für die Abordnung ist allerdings bedenklich und daher hat dieser Absatz auch schon viel Anlass zu Spekulation geboten und die Historiker zu manchen Irritationen verleitet. Aber Cassius Dio hat ihn nicht ohne Grund an den Anfang seiner Ausführungen gesetzt. Denn im weiteren Verlauf erfahren wir von ihm, dass die Germanen diese Abstellungen bereits nieder machten, als die ersten Speere auf den Marschzug noch gar nicht geworfen waren. Die Interpretation erlaubt es nun festzustellen, dass sich hinter diesen Handlungen das, oder die ersten Gefechte verbargen, die eigentliche Varusschlacht folglich an ganz anderer Stelle und zu einem späteren Zeitpunkt seinen Anfang genommen hatte. Vor allem aber macht es deutlich, dass Varus von diesen Kämpfen keine Kenntnis besaß und vielleicht auch später nie etwas davon erfahren hatte. Es ist eine Auseinandersetzung die man einen Nebenkriegsschauplatz nennt und war eine militärische Entscheidung der sich große Vertrauensseligkeit und Abhängigkeit den Stämmen gegenüber entnehmen lässt und zur Unterbesetzung seiner Armee beitrug. Cassius Dio ging im Absatz 56,19 (5) auf das Geschehen ein, das den eigentlichen Auftakt der Mehrtagesschlacht darstellte. Das Ausschalten der Abstellungen fand folglich zu einem Zeitpunkt statt, an dem man ihn selbst noch nicht angegriffen hatte, er sich aber schon auf dem Marsch ins Gebiet der Aufrührer befand und erst das Erscheinen von Arminius auf dem Schlachtfeld auf Seiten der Germanen ließ ihn die neue Realität erkennen. In kritischer Weise kommt Cassius Dio auf die Situation zu sprechen in der Varus trotz der aufgeheizten Lage den unpassend klingenden Befehl erteilt haben soll ein vermutlich nicht unerhebliches Kontingent an Legionären abgestellt zu haben, damit diese den Germanen für Polizeiaufgaben zur Verfügung stehen konnten. Eine Entscheidung die man, wenn es denn so war aus Gründen der Hilfsbereitschaft vom Grundsatz her nur in völlig friedlichen Zeiten einem Vertragspartner zugesteht. Es in einem Moment getan zu haben, in dem er alle Männer gebraucht hätte um sich einer möglichen Auseinandersetzung mit den Aufrührern zu stellen kann demnach nicht der wahre Grund für das Entsenden gewesen sein. So dürfte eine tiefere Notwendigkeit darin gelegen haben die uns die Quellen jedoch nicht schlüssig machen konnten. Cassius Dio stellt es daher auch wie eine logisch anmutende Kritik an seinem Verhalten dar. Da Varus in dieser Phase das Ausmaß der Kämpfe noch nicht übersehen konnte musste er befürchten den Aufständischen nicht gewachsen zu sein und hatte sich daher der cheruskischen Reiterei versichert. So dürfte es bei Cassius Dio den Eindruck eines unnötigen und unbegreiflichen Befehls hinterlassen haben, dessen eigentlichen Grund er seinen Quellen nicht entnehmen konnte. Eine Erklärung die auf der Verkennung der damaligen Lage beruhte. Die Analyse dieses Vorfalles kommt zu dem Schluss, dass es in diesem Zusammenhang zwar zu einer Entsendung von Truppenteilen kam, es aber nicht geschah damit sie den Germanen für Hilfsdienste zur Verfügung stehen sollten. Es war vielmehr eine notwendige Maßnahme, denn die Legionäre hatten vereinfacht ausgedrückt schlicht die Aufgabe den zivilen Tross über die Egge nach Aliso zu führen. Es galt eine große Schar wehrloser Menschen samt ihrer beladenen Karren und diverser Wertgegenstände denen man den Marsch zu den Aufrührern ersparen wollte sicheres Geleit zu gewähren. Eine sinnvolle und im Kern nachvollziehbare Entscheidung die zum Standard gehörte, möglicherweise aber auch von Seiten der Cherusker angeregt wurde, denen daran lag dem Hauptheer Wehrkraft zu entziehen. Der Lesart nach soll es sich dabei um einen bedeutsamen Truppenteil gehandelt haben den Varus den Quellen nach zu urteilen auf kaum vorstellbare Weise im Lande der Germanen förmlich wahllos verstreut haben soll um „gewisse Landesteile vor Räubern zu schützen, oder Lebensmitteltransporte zu überwachen“. Cassius Dio entnahm diese Schilderung seinen Quellen und musste ihnen glauben, da er ihnen den eigentlichen Grund für die Entsendung nicht entnehmen konnte. Diese Überlieferung gibt den Blick auf ein Ereignis frei mit dem sich die Theorie des zivilen Marschzuges stützen und sich der Entscheidung Sinnhaftigkeit entnehmen lässt. Ein Vorfall, den Cassius Dio für genauso rätselhaft wie bedeutsam hielt, sonst hätte er dieser Episode schriftstellerisch keinen Raum gegeben. Der den Germanen in diesem Sinne unterstellte Grund Bedürftigkeit vorgeschoben zu haben wirkt wie an den Haaren herbei gezogen, klingt wenig plausibel und entsprach, wie sich rekonstruieren lässt auch nicht der Realität. Sie diente lediglich dazu für diesen, allen seltsam erscheinenden Befehl eine halbwegs brauchbare Begründung zu finden. Obwohl die Notwendigkeit Truppenteile absondern zu müssen gegeben war, ersann man letztlich eine schwache Erklärung, warum man diese Männer nicht mit zu den Aufrührern nahm. Argumente die Cassius Dio aufgriff die aber nur dazu angetan waren eine Lücke im Ablauf zu schließen, die sich als Erklärung für das Versagen von Varus zwar eignete sich dafür aber keine Plausibilität erzeugen ließ. In der Gesamtbetrachtung ist dies jedoch unerheblich, da die Germanen ihr Ziel erreicht hatten deren Absicht darin bestand seine Kampftruppen zu schwächen in dem man ein gutes Argument hatte sie abzutrennen, dadurch zu reduzieren um sie besser nieder machen zu können. Auch wenn das Vorhandensein eines zivilen abgetrennten Marschzuges an keiner Stelle erwähnt ist da Unwissenheit über diesem Teil der Varusschlacht schwebte, lässt sich dieser Vorgang mühelos in den Kontext setzen. Unter anderem wurde darauf im Kapitel „Wie konnte sich die Wahrheit nur solange verbergen. Fazit: Varus nahm definitiv keine Frauen und Kinder mit ins Rebellengebiet“ vom 19.8.2021 näher darauf eingegangen. So könnte man dahinter schon vor der eigentlichen Verschwörung eine gelungene Finte erkennen mit der die Germanen die Schlacht von langer Hand vorbereiteten. Sie wussten, dass es für Varus keine andere Option gab wenn er verhindern wollte, sich auf dem Marschzug mit Zivilpersonen und deren Hab und Gut zu belasten. Was sich in der Argumentation davon verfasst und formuliert von römischer Hand später in den Quellen wieder fand, lässt sich vor allem mit dem Wort Erklärungsnot bis zur Fadenscheinigkeit ausdrücken. Und da den Interpreten der Quellen die Problematik der Umtriebigkeit von Räuberbanden aus allen Regionen der italienischen Halbinsel bekannt ist und sich auch nachweisen lässt, klang es plausibel, dass es sich so auch in Germanien verhielt. Damit ließ sich auch ein Feldherr in Ostwestfalen überzeugen und der Leser konsumierte es in dem Glauben, dass es nur so gewesen sein konnte. Jene Abstellungen denen die Quellen erfreulicherweise nicht auch noch gleich den Namen „Erntehelfer“ mit gaben, denn er würde dem skurrilen Befehl Rechnung tragen. Handlanger für alles mögliche von denen die Quellen berichten, man habe sie großzügig über das Cheruskerland verteilt. Legionäre die jedoch das wichtige Geleit für den zivilen Marschzug darstellten und die die Aufgabe hatten für die Sicherheit u.a. jener Frauen und Kinder zu sorgen, denen man den direkten Weg nach Schwaney zugestanden hatte und die man üblicherweise nicht mit in ein Krisengebiet nahm. Für Cassius Dio mag es verdächtig geklungen haben, aber er erkannte nicht, dass es sich dabei um keinen Geleitschutz für Lebensmitteltransporte handelte, sondern um eine Maßnahme die möglicherweise sogar Arminius selbst aus bekanntem Grund empfohlen hatte, da er mit der mediterranen Welt vertraut war. Bis heute fragt sich die Forschung, was es mit diesen seltsamen Erklärungen auf sich gehabt haben könnte, fand aber bislang keine überzeugende Erklärung dafür. Eine Episode, die sich zwar mit der Mehrtagesschlacht in Einklang bringen, sich aber nie so richtig zuordnen lassen wollte. Ein Akt dessen Ursachen woanders lagen, der sich bislang nicht begründen ließ, der aber seine kriegsentscheidende Wirkung nicht verfehlte. In Unkenntnis darüber wie man die Quellen an dieser Stelle auszulegen hat, dass nämlich ihre eigentliche Funktion darin bestand den zivilen Marschzug zu begleiten setzte Cassius Dio es passenderweise an den Anfang des Debakels, also genau dahin wo es auch seinen Platz hatte. Insgesamt war es eine Episode die Florus unerwähnt ließ, da ihm dafür das Detailwissen fehlte. Aber es passte dafür gut ins Sortiment Varus`scher Fehlleistungen schon im Vorfeld seines herbstlichen Heimzuges, Männer für Nichtigkeiten freigestellt zu haben. Das er es aber in der gut gemeinten Absicht tat damit die zahlreichen Zivilpersonen zu unterstützen, ihnen etwa zu helfen, damit sie mit den beladenen Ochsenkarren den steilen Anstieg vom Oesetal über den Eggeosthang bewältigen konnten, oder um bei Achsenbruch zur Stelle zu sein, war den Senatsakten nicht zu entnehmen. Mit dem Vorwurf Cassius Dio zu unterstellen er habe selbst diese kühnen Erklärungen zusammen getragen um damit begründen zu wollen warum Varus nicht alle zur Verfügung stehenden Kräfte mit zu den Aufrührern nahm würde man zu weit gehen bzw. ihm Unrecht tun. Naheliegender ist, dass es genau so seine Quellen aussagten um die Handlungsweise von Varus in diesem Zusammenhang nicht aufwerten zu müssen. Darin, dass Varus seine Armee um diese „Polizeikräfte“ auf empfindliche Weise schwächte ließ sich ein weiteres, dieses Mal ein strategischer Makel erkennen, den man ihm trefflich anlasten konnte. Aber wer auch immer in Rom die Reichschroniken zusammen trug, verändert bzw. passend gemacht haben sollte hätte hier sein Meisterstück vollbracht, denn er konnte damit auch davon ablenken, dass Varus vorher unter anderem aus humanen Gründen den Ziviltross abgekoppelt hatte um Frauen, Kindern, den Alten und Verletzten sowie seinen Beamten den gefahrvollen Umweg samt seinem persönlichen Hab und Gut zu ersparen. Hinzu kommt noch der Aspekt, dass man in der Varus Entscheidung Truppenteile abzusondern auch einen Akt des Vertrauens gegenüber den Cheruskern sehen kann, wobei es in dieser frühen Phase keinen Grund für ihn gab misstrauisch zu sein, zumal sich die Segestes Warnungen als eigene Schutzbehauptungen entlarven ließen und Varus von Vertrags treuen Germanen ausgehen durfte. Was aus seiner damaligen Sicht heraus kein verwerflicher Akt war ließ sich ihm im Nachhinein gut als überzogene Vertrauensverhalten und militärische Fehlleistung im Feindesland unterstellen. Wie man es dreht und wendet, es sollte an Varus kein gutes Haar hängen bleiben und erst recht sollte nicht zum Ausdruck kommen, dass die hohe römische Politik in dieser Phase versagt hatte. Ihm diesen Befehl anzukreiden und zum Vorwurf zu machen konnte man nur aus Unwissenheit oder um ihn zu beschädigen. Aber in beiden Fällen suchte man nach einer Begründung für seine Entscheidung mit dazu beigetragen zu haben, dass ihm diese Truppen im Kampf später nicht mehr zur Verfügung standen. Wer ihm folglich aus seiner Abstellungsentscheidung einen Strick drehen wollte, der tat es aber in diesem Fall zu unrecht. Die frühe Nachwelt stocherte noch viel im Ungewissen und ersann sich einen Grund mit dem sich die Fakten in zeitgemäßer Weise entweder verdrehen oder einfach nur erklären ließen. Zeitzeugen der Episode sollten sie es überlebt haben gelang es nicht ihr Wissen bis in die Chroniken hinein zu tragen oder man unterschlug es und auch die damaligen Protagonisten um Varus dürften sich keiner Schuld bewusst gewesen sein. Um die Makel in der Argumentation deutlich zu machen sollte man noch bemerken, dass sich demnach selbst an dem Tag an dem die Legionen ihr Sommerlager verließen immer noch die besagten Abstellungen in den Siedlungen der Germanen befunden haben müssten und nicht nur das, denn selbst am Tag seines Ausmarsches ab dem vermeintlichen Brakel zu den Aufrührern, hätten sie sich verstreut noch immer im Cheruskerland aufgehalten haben müssen. Man möchte spontan sagen ein Unding derartiges in Anbetracht der kritischen Lage noch bis zum letzten Moment zugelassen zu haben. Noch offensichtlicher wird die Fehlinterpretation der kaiserlichen Scriptores in dem Moment wo Varus von den nennen wir sie noch mal „Erntehelfern“ erwartet haben sollte, dass diese sich nach Ablauf einer für diesen Sondereinsatz vorgesehenen Frist hätten wieder „pünktlich“ einfinden müssen, von wo aus sie dann gemeinsam mit Varus den Rückweg in Richtung Lippe, einschließlich des Umweges hätten antreten sollen, denn dort überwintern lassen, wollte er sie wohl nicht. Sie hätten schon am Abend des ersten Marschtages oder spätestens am nächsten Morgen im Etappenlager bei Brakel zu Varus Anschluss finden müssen. Dort wäre allerdings ihr Fernbleiben aufgefallen und nur ein einziger Überlebender der Varus gewarnt haben könnte, hätte in der Konsequenz zum Zusammenbruch der gesamten germanischen Offensive führen können. In der Folge dessen erkennt man darin deutlich eine gezielt angeordnete Maßnahme und erwartete daher auch nicht die Rückkehr der Abstellungen, vermisste sie nicht und erfuhr auch nichts von den Kämpfen am vermeintlichen Gradberg auf dem Weg nach Aliso. So brauchte auch Cassius Dio, der den Untergang der Abstellungen überlieferte nicht auf ihr Nichterscheinen einzugehen. Da es sich jedoch anders zutrug wohl wissend, dass die Zivilisten von den Abstellungen geschützt unterwegs waren, konnte Varus in voller Zuversicht zu den Aufrührern aufbrechen. Cassius Dio hingegen nahm an den kaiserlichen Auslegungen keinen Anstoß und gab sich mit der Erklärung zufrieden, dass man sie vor dem Beginn der Schlacht und wo auch immer nieder gemacht hatte. Davon, dass sich die Abstellungen innerhalb des zivilen Marschzuges bereits auf dem Weg nach Schwaney befanden, wo sie dann in der Tat den Germanen in einer Kommandoaktion zum Opfer fielen und von wo aus die Flüchtenden Aliso ansteuerten und daher auch nicht zu Varus aufschlossen, hatte er wie man so schön sagt keinen blassen Schimmer. Letztlich dürften alle nicht überlebt haben und konnten daher auch die Nachwelt nicht anderslautend informieren. Und an dieser mageren Ausganglage gab es nichts zu deuteln, denn diese Wahrheit kannten die Autoren der Senatsakten nicht, sodass auch Cassius Dio es so hinnehmen musste. Für den Fall das, sei in diesem Zusammenhang noch die Frage gestattet, ob bzw. warum die Germanen vor der römischen Okkupation ihre Lebensmitteltransporte überhaupt hätten schützen sollen oder müssen. War dies grundsätzlich und überhaupt nötig und welche Germanen taten es vor der römischen Besetzungszeit. Gab es zu Cheruskerzeiten eine germanische Ordnungsstruktur die man im Notfall hätte herbei rufen können und in welchem Umfang kam es überhaupt zu Lebensmitteltransporten die bei anderen etwa Nachbarstämmen hätten Begehrlichkeiten auslösen können. Was wurde unter den damaligen „Selbstversorgern“ wie weit, warum und wohin transportiert. Fragestellungen die ebenfalls die im Geschehen liegende Absurdität der römischen Erklärungen deutlich machen. Fragestellungen die sich nun erübrigen, da sich ein anderer Verlauf glaubhafter machen lässt. (22.09.2024)

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Montag, 19. August 2024
Die Crassusschlacht - Ein frühes Pendant zur Varusschlacht.
Paterculus wollte sich in einem separaten Werk ausführlich der Varusschlacht widmen. Entweder tat er es nicht, oder was er schrieb ist verschollen. Die Forschung bedauert daher, dass uns nichts dazu von ihm vorliegt. An Stelle dessen gibt es aber Anhaltspunkte die darauf hindeuten wo die Ursachen dafür gelegen haben könnten, dass es nur bei einer Ankündigung blieb und sein Werk nie Realität wurde. So umschrieb er die einzelnen Etappen der Schlacht wie im voraus gegangenen Kapitel dargestellt unter Zuhilfenahme römischer Kampfteilnehmer öffnete aber noch eine weitere Tür um unser Verständnis zu wecken in dem er in nahezu auffälliger Weise die Schlacht von Carrhae beschrieb. Damit könnte er seine Absicht verhüllt haben nicht unmittelbar auf die Varusschlacht eingehen zu müssen. Liest man seinen Bericht zur Crassusschlacht, dann können einem Bedenken kommen, ob es wirklich sein Bestreben war sich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal mit Varus beschäftigen zu wollen. Sein Weltbild war in allen Punkten nicht mit dem des Cassius Dio vergleichbar und nicht nur weil dieser rund zweihundert Jahre nach ihm schrieb. Es lag ein zeitlicher Abstand dazwischen etwa vergleichbar mit einem Historiker, der sich erst in unseren Tagen literarisch mit der Schlacht bei Waterloo im Jahre 1815 auseinander gesetzt hätte. Und während man sich sicher ist, dass die Schlacht von Waterloo Europa veränderte, wollte man der Varusschlacht diesen Stellenwert nie zugestehen. Interessant bleibt aber die Feststellung, dass es im Gegensatz zur zahlreichen englischen Literatur keinen zeitnahen Bericht über den Verlauf der Schlacht bei Waterloo von offizieller französischer Seite gibt, die auch den Namen des dortigen Gasthofes „Belle-Alliance“ trägt. Möchte man nach Parallelen suchen, so werden sie an diesem Beispiel deutlich, denn sowohl die zeitnahen Nachfahren der „Grande Armée“ als auch die der Legionen XVII, XVIII und XIX wollten wohl um des schmaches Willen keinen unnötigen Nährboden liefern und vermieden es daher sich mit der Aufarbeitung zu beschäftigen. Der Ausgang der Varusschlacht von dem Augustus auf mündlichem Wege am 6. Oktober 9 + erfuhr war für das Imperium ein Desaster. Obwohl die Niederlage in den Köpfen noch lange nach hallte macht es den Eindruck, dass man das Thema unterschwellig und abseits öffentlicher Diskussion behandeln wollte und es vermied sich damit auseinander zu setzen. In Ostwestfalen hingegen geriet die Varusschlacht nie in Vergessenheit, fand aber am einstigen Austragungsort ihre Bestätigung auf schriftlicher Ebene erst nach 747 bzw. 748, als sich Abt Sturmius im Kloster Monte Cassino aufhielt. Von Italien aus überführte er wie man vermuten darf die Tacitus Annalen nach Fulda um sie dort später für die Abtei Corvey zu kopieren wo man sie zu interpretieren wusste. Paterculus schrieb seinen Bericht nieder als sein einstiger Weggefährte Tiberius zu dem er in enger Verbindung stand schon römischer Kaiser war aber die politischen Verhältnisse noch unter dem Eindruck der Varusniederlage standen, was seine literarische Bewegungsfreiheit einschränkte. Tiberius hielt sich wie auch Paterculus zur Zeit der Varusschlacht nicht im ostwestfälischen Spannungsgebiet auf trug aber als Befehlshaber von Germanien für alles was dort geschah unterhalb der kaiserlichen Ebene die Verantwortung und vermutlich hatte er auch an der Entsendung von Varus an die römische Ostfront seinen Anteil getragen. Zudem war er da er ihm wegen des Markomannenfeldzuges und dem folgenden Pannonienkrieg erhebliche Kampfkraft entzogen hatte mehr als nur indirekt für seine Niederlage verantwortlich. Vermutlich aufgrund seiner besonderen Beziehungen zu Tiberius vermied Paterculus es ihm gegenüber eine richtende Rolle zu den Ereignissen des Jahres 9 + einzunehmen. Seine Methodik verrät, dass er nicht wie ein Kriegsberichterstatter vom Format eines Cassius Dio auftreten wollte, dessen Schriften sich ein chronologischer Ablauf entnehmen lässt. Er setzte andere Prioritäten und schlug einen Weg Abseits davon ein in dem er auf den anfänglichen Befehlsnotstand der Legionäre am ersten Kampftag einging und im Anschluss daran den Mensch in den Vordergrund seiner knappen und heroischen Darstellungen stellte. Eine Vorgehensweise mit der er wie bereits beschrieben auf indirekte Weise den Hergang schilderte. Das Heer des Varus ließ er ehrenvoll zugrunde gehen, vermittelte uns aber keine klare Abfolge der Geschehnisse, geschweige denn Hinweise denen sich eine Örtlichkeit entnehmen ließe. Seine Niederschrift war unverfänglich verfasst und enthielt die zeittypische Kritik an Varus und den Umständen. War vor allem aber im Sinne des Kaiserhauses loyal eingefärbt und stand damit ganz im Einklang mit seinem einstigen Vertrauten, der nun das kaiserliche Spitzenamt bekleidete und vor dem er literarisch betrachtet die schützende Hand ausbreitete. Hätte er sich deutlicher zum Schlachtverlauf positioniert wäre Tiberius möglicherweise noch zu Lebzeiten mit kritischen Nachfragen konfrontiert worden und seine und die eigene Person hätte Schaden nehmen können. Paterculus wurde dem gerecht in dem er sich auf die unterste Ebene der Schilderungen begab, da wo man kämpfte und starb aber nicht weiter oben, wo sich die Frage nach der Verantwortlichkeit gestellt hätte. Im Zusammenhang mit Paterculus darf man sich aber auch die Frage stellen, wie weit man gehen darf wenn man aus seinem Verhalten politisches Kalkül heraus lesen möchte. Paterculus sah sich der Korrektheit verpflichtet und so könnte es sowohl sein Bestreben als auch sein tieferer Beweggrund gewesen sein die Wahrheit über die Varusschlacht durch die Blume auszudrücken. Und vielleicht lässt sich dies neben der Darstellung menschlicher Schicksale auch am Beispiel der Crassusschlacht bei Carrhae darstellen auf die Paterculus in besonderem Maße einging. Möglicherweise sogar in derart deutlicher Weise, als dass er sich mit seinem Querverweis auf dieses Ereignis sogar verdächtig machte und damit das preis gab, was er bei der Varusschlacht vermeiden wollte. Er schrieb nicht ohne Grund, dass die Varusschlacht das furchtbarste Unglück nach der verlorenen Schlacht gegen die Parther im Jahre 53 - war stellte also beide Schlachten gegeneinander. Es war eine Schlacht die nahe dem heutigen Haran in der südöstlichen Türkei unmittelbar an der syrischen Grenze und und damit etwa 2800 km vom „Saltus“ entfernt stattfand. So stellte er auf diese Weise eine Verbindung über eine große Distanz her, wie er es auch schon mal an anderer Stelle tat, als er von einem „ad caput Juliae“ sprach, in dem die Forschung allerdings eine Quellenverderbtheit sehen möchte und statt „Juliae“ darin gerne „Lupiae“ lesen will da es dann besser zur Lippe gepasst hätte. Paterculus spielte jedoch damit schlicht und einfach auf den Julierpass an. Einen Stützpunkt an einer der wichtigsten Straßenverbindungen im römischen Reich, nämlich der ihm gut bekannten “Via Gemini” von Aquileia nach Emona dem heutigen Ljubljana. Eine Straße gut vergleichbar mit dem Helviusweg sozusagen die Via Helvius“ die bei Schwaney über die Egge führt und die wir heute deswegen vielleicht Hellweg nennen. Beides sind wie auch die “Via Gemini” bedeutende Passstraßen, wobei die “Via Gemini” schon unter Julius Cäsar begonnen, aber erst unter Augustus vollendet wurde. So dürfen wir bei Paterculus seine Tiefsinnigkeit nicht verkennen wenn er lateinische Namen wie den Julierpass erwähnt oder historische Begebenheiten miteinander vergleicht um damit der Varusschlacht ihren bedeutsamen Platz in der Geschichte zuzuweisen. So stellte er die letzten zwei großen Niederlagen des römischen Reiches auf eine Ebene und tat dies obwohl unter Crassus doppelt so viele römische Legionen als unter Varus aufmarschierten und auch der Verlust an Menschenleben in der vorderasiatischen Wüste höher gewesen sein dürfte. Es ist aber in diesem Zusammenhang angeraten auf die Person des Velleius Paterculus zu blicken. Denn noch vor allen anderen antiken Historikern war ihm daran gelegen, die ersten Quellen zur Crassusschlacht auszuwerten, wozu er offensichtlich bemächtigt war. Und dies tat er in einer seltsamen Ausführlichkeit wie wir sie uns im Falle der Varusschlacht von ihm gewünscht hätten. Paterculus stand der Crassus Schlacht zeitlich noch relativ nahe und brauchte nicht in Senatsakten stöbern wie man es bei Cassius Dio vermuten darf. Er war somit der römische Geschichtsschreiber schlechthin dem wir es verdanken auf gleich zwei antike Großschlachten eingegangen zu sein. Paterculus wurde etwa 33 Jahre nach der Schlacht von Carrhae geboren und soll sich auf Gaius Asinius Pollio ( 76 - bis 5 - ) gestützt haben, den er für seine Neutralität gelobt hatte. Diese Erwähnung ist um so beachtenswerter, als das sie zeigt wie wichtig es Paterculus war sich auf glaubhafte Personen zu beziehen, die sich der Neutralität verpflichtet sahen was auch die Glaubwürdigkeit und damit den Wert seiner Aussagen in Bezug auf die Varusschlacht steigert. Gaius Asinius Pollio der die Partherschlacht objektiv kommentierte, hatte keinen kaiserlichen Bannstrahl aus Rom zu befürchten, da Cäsar 53 - anders als Augustus bzw. Tiberius 9 + nicht in das Geschehen von Carrhae verstrickt waren und sich daher nicht zu Mitschuldigen gemacht hatten, während Paterculus der Staatsräson wegen sein Wissen über die Hintergründe der Varusschlacht zurück hielt. Crassus hingegen war damals mit Cäsar und Pompeius über das Triumvirat gleich gestellt und somit für seine Niederlage selbst verantwortlich. Unterschätzen wir also Paterculus nicht der wusste was er tat besser gesagt was er schrieb bzw. was er nicht schrieb. Es waren zwei Ereignisse die Paterculus zusammen führte und stellte dabei einen von ihm wohl durchdachten Bezug her. So wäre es auch zu kurz gegriffen würde man seine Bezugnahme auf die Crassusschlacht als einen bloßen und unbedarft gemeinten Vergleich abtun. Man würde einem Paterculus nicht gerecht werden und sollte ihn nicht unterbewerten, wenn er sich nur dieser Thematik gewidmet hätte um die triste Erinnerung an sie wieder aufleben zu lassen, oder um damit die rein informelle Botschaft zu verbinden, dass die Varusschlacht der Crassuschlacht in nichts nach stand. Paterculus stand in jungen Jahren sogar selbst am nur rund 76 km von Haran entfernten Euphrat und konnte sich einen Eindruck von der kargen Landschaft und den dortigen Schlachtengegebenheiten verschaffen, dürfte sich also ein umfassendes Bild zu den Geschehnissen von Carrhae gemacht haben und ließ sich den Verlauf bei dieser Gelegenheit vor Ort erklären. Auf dieses Wissen stützend avancierte er später zu einem Mitkommentator der Varusschlacht. In beiden Fällen erkannte er, dass die Ursachen für die Niederlage darin lagen, dass man sich jeweils zu tief in feindliche Abhängigkeiten begeben hatte. Crassus vertraute dem gegnerischen Verräter da ihm die Tücken der Halbwüsten fremd waren während Varus, da er in Unterzahl war auf die kriegerische Unterstützung der Cherusker angewiesen war. Beiden römischen Heerführer war gemein dass ihnen der Verrat nicht auffiel, sodass sie den Weg in den Untergang blind antraten. Die Schlacht die nahe Carrhae verloren ging war vor der Varusschlacht die letzte große Schlappe die das Imperium hinnehmen musste und das er diese Parallele ohne Hintergedanken gezogen haben soll möchte man ihm daher nicht abnehmen. Alle anderen verlustreichen Schlachten waren älter wie etwa die an der Allia gegen die Kelten, an der Trebia gegen die Punier, die Schlacht bei Cannae bei der Hannibal sechzehn römische Legionen vernichtete oder die verheerende Niederlage der Heerführer Mallius Maximus und Caepio gegen die Kimbern und Teutonen. Die Clades Lolliana unterdessen zog er nicht heran da sie ihm ungeeignet erschien um sie mit der Varusschlacht zu vergleichen. Aber die Schlacht bei Carrhae/Haran fügte sich vortrefflich in seine Vorstellungen zum Untergang der Varusarmee, als dass hinter seiner Erwähnung nicht mehr gesteckt hätte. Sein Vergleich verriet auf den ersten Blick nicht die darin liegende Brisanz, sodass man ihn in seiner Zeit nicht missverstehen konnte. Alle Befehlshaber auch in neuerer Zeit haben sich bis in die unteren Hierarchien mit der Aufarbeitung einstiger Niederlagen, vor allem aber mit den Verfehlungen der jeweiligen Anführer beschäftigt um daraus ihre Lehren zu ziehen. Für Paterculus wäre es sicherlich angemessen ihn auf eine Leistungsstufe mit Vitruv oder Polybios zu stellen wodurch seine Lebensleistung mehr Gewicht bekäme. Als Militärexperte und Analytiker mit taktischem Denkvermögen wusste Paterculus sehr wohl um den Parallelverlauf beider Ereignisse und setzte weniger die Masse der bei Carrhae Umgekommenen in Vergleich zur Varusschlacht als vielmehr die Authentizität der Schlachtabläufe, vermied es aber den ihm nicht entgangenen nahezu identischen Verlauf beider Ereignisse zum Thema zu machen. Denn Crassus leistete sich damals in der Tat ein krasses frühes Gegenstück zur Varusschlacht. Carrhae war bis dato der Inbegriff römischer Schande so war es um so schlimmer, dass sich etwas derartiges nun unter Augustus wiederholen konnte. Vergleiche schienen beliebt zu sein, denn auch Florus bediente sich wie Paterculus daran, griff aber eine andere bittere römische Niederlage auf, in dem er auf die durch Hannibal verursachte römische Niederlage in der Schlacht von Cannae 216 - anspielte und nicht auf Carrhae in der der Parther Surenas die Oberhand behielt. Cannae hingegen war ein wesentlich älteres und unpassenderes Ereignis da es als eine klassische Kesselschlacht unter völlig anderen Voraussetzungen verlief als Carrhae 53 – und war daher auch nicht mit dem mehrtägigen Marschgefecht in Ostwestfalen vergleichbar. Florus war im Gegensatz zu Paterculus kein Militärexperte, sodass sich ihm der Zusammenhang zwischen der Varusschlacht und der Crassusschlacht nicht erschloss. Paterculus griff die Schmach von Carrhae auf die er wegen der gleichfalls hohen Verluste und ohne in Verdacht zu geraten auf eine Ebene mit der Varusschlacht stellen konnte die für ihn zum Inbegriff von Staatsversagen wurde. Den Verlauf der Crassusschlacht beschrieb er derart minutiös, dass er auf die Hergangsbeschreibung der Varusschlacht wegen der hohen Identizität verzichten konnte. So gelang es ihm unauffällig den Verlauf der Varusschlacht unter dem Deckmantel der Schlacht von Carrhae darzustellen. Wenn überhaupt, so wussten nur die wenigstens im militärischen Stab des Varus welche Fehler Crassus damals beging, als dieser man möchte fasst sagen ebenfalls die Ratschläge seiner Generäle ignorierte als es zum Schwenk kam. Auch Plutarch zog Parallelen zu Varus in dem er besonders die Gier des Crassus herausstellte, die man auch Varus nach sagte also in der Antike schon weit verbreitet war. Crassus pflegte ausgiebige Tischsitten und empfing ebenfalls bevorzugt die „Männer des Volkes“, eine Form der Kontaktpflege die auch von Varus überliefert ist ihm aber letztlich nicht half die Katastrophe abzuwenden. Im Gegenteil, seine Gegner erkannten dadurch erst seine Schwachstellen und wussten auch von seiner Vorgehensweise. Beide einte zudem rednerisches Talent und man nahm wohl ungern die Empfehlungen anderer entgegen. So werden auf diesem Weg dank Paterculus auch die Details zur Varusschlacht deutlich. Paterculus, der sich mit Schuldzuweisungen in Richtung Kaiserhaus zurück hielt hätte ungeachtet dessen auch keine Zensur zu befürchten gehabt. Ein Bannstrahl der aber andere hätte treffen können wenn diese deutliche Worte gefunden hätten. So wie es Cassius Dio indirekt den Kaisern Augustus oder Tiberius unterstellt hatte indem sie Einfluss genommen haben könnten. So konnte Paterculus schon wenige Jahre nach der Varusschlacht auf diese Weise ihren Hergang schildern ohne Ross und Reiter zu nennen. Wer sich schon mal mit dem Verlauf der Schlacht bei Carrhae beschäftigt hat, dem sind wie Paterculus auch die Parallelen zur Varusschlacht nicht entgangen. Paterculus brauchte daher auch keine Schilderung mehr über den Verlauf der Varusschlacht vermitteln, denn es reichte schon einzig das Wort „Carrhae“ fallen zu lassen und jeder der sich damit befasst hatte, wusste wie sich die Varusschlacht zugetragen haben dürfte da er beides miteinander verglichen hatte. Crassus führte ein weitaus größeres Heer bestehend aus etwa 40.000 Soldaten und diese zogen zunächst am Euphrat entlang und nicht an der Nethe. Dann vollzog Crassus den verhängnisvollen Schwenk wie es nach dieser Theorie auch Varus tat, als er den Hellweg im Raum Brakel verließ um nach Süden in das Gebiet der Aufständischen zu gelangen. Von einer einer Armee einen 90 Grad Kurswechsel vollziehen zu lassen ist immer mit logistischen Risiken und militärische Wagnissen verbunden, sodass es hinsichtlich dieses Manövers wie bei Carrhae auch zu Uneinigkeiten unter den römischen Offizieren gekommen sein dürfte. Aus dieser Richtungsänderung spricht cheruskische Strategie und auch der römische Feldherr Crassus ließ sich auf Anraten des armenischen Fürsten Abgaros von Osroëne dazu verleiten. Beide Feldherren verließen die ursprüngliche Route was in der Konsequenz in beiden Fällen im klassischen Hinterhalt endete. Und auch Crassus tat dies damals nach dem es ihm ein Mann nahe legte, der sich später wie der Cherusker als abtrünnig erweisen sollte. Daraus kann man schließen, dass es ähnliche Unstimmigkeiten über die Korrektur des Zugweges auch 9 + gegeben haben könnte, da es die Kommandanten der drei laut Marbod entleerten Legionen, ebenfalls kritischer sahen als Varus. So könnte an dieser Stelle im Text der Paterculus Überlieferung der Hinweis verborgen liegen, dass es auch im Jahre 9 + militärischen Sachverstand gab den Varus ignorierte, was auch nicht verwundern würde. Gegenteilige Auffassungen und Ansichten können Missstimmung auslösen was in Streit endet und sich auf einen Feldzug verheerend auswirken kann, da es die Disziplin untergräbt. Auch Abgaros gelang es damals Crassus davon zu überzeugen sich von anderslautenden Ratschlägen nicht umstimmen und verwirren zu lassen und ihm glauben zu schenken. In Germanien hingegen war es Arminius ein Stammeshäuptling der sich durchsetzen konnte und dazu riet aufgrund besserer Marschbedingunegn zunächst den Hauptweg zu nutzen diesen aber später zu verlassen. Im Nethegau gab es keine Wüste aber der Kurswechsel den Crassus vollzog führte ihn geradewegs in die Arme von Surenas, einem Feldherrn auf Seiten der Parther. Somit wird im Wissen um den Verlauf der Schlacht bei Carrhae deutlich, dass Arminius nicht allein die tragende Figur der Schlacht gewesen sein konnte und es leitende Germanen gab die Varus erwarteten. Arminius ritt am ersten Tag davon um seine Männer zu sammeln und erschien erst wieder mitten im Schlachtengetümmel, was sich auf die Moral der Legionäre niederschmetternd ausgewirkt haben dürfte. Da Arminius in dieser Phase der Schlacht nicht überall gleichzeitig sein konnte, dürfte war er demnach auch nicht der alleinige Drahtzieher und Regisseur im Geschehen gewesen sein. Es weist hingegen darauf hin, dass sich in dieser alles entscheidenden Phase andere erfahrene Häuptlinge auf das Herannahen von Varus vorbereiteten und der vermeintlich zuverlässige Arminius die Rolle des Chaos stiftenden einzunehmen hatte. Obwohl in der Historie seine Helfer namenlos blieben und man sie nur pauschal als die übrigen Häupter bzw. die Obersten bezeichnete und auch der Name Segimer nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Kämpfen fiel, wird viel über die Bedeutung seines Vater Segimer spekuliert der zwar aus römischer Sicht im Schatten seines Sohnes stand in dem man aber aus germanischer Sicht den eigentlichen Sieger sah da der Plan von ihm stammte und man ihn daher auch in der frühesten Sage, dem Beowulf unter dem Namen Sigemund zu würdigen wusste. Und während der junge Arminius mit dem Schwert in der Hand den Angriff anführte, könnte es der Vater gewesen sein, der die Legionen am zweiten Kampftag mit anderen Hundertschaften und Stammesfürsten vor dem „Teutoburgiensi saltu“ empfing und er den germanischen Surenas abgegeben haben könnte. Paterculus brauchte uns also gar nicht mehr zu sagen, wer damals auf germanischer Seite den römischen Feldherrn im Aufstandsgebiet empfing, da es auf der Hand lag. So darf man dem Hinweis entnehmen, dass es auch Varus 9 + mit zwei Gegenspielern zu tun hatte von denen der eine ste Präsenz zeugt und der andere verdeckt agierte. Arminius mit dem er in engem Kontakt stand, der ihn beriet und möglicherweise sein Vater der voraus geeilt war um die Kämpfe zu lenken bis Arminius seinen Part übernahm. Ein Zusammenspiel, das die bedeutende Rolle von Segimer hervor hebt, der nach dieser Theorie dem cheruskischen Fürstengeschlecht der Wälsungen entstammte. Dem weisen Vater, dem man damals in Germanien im Gegensatz zu Arminius auch die größere Aufmerksamkeit entgegen brachte. Der Mann der unter dem Namen Sigemund in die germanische Sagenwelt eingegangen ist und der Ururgroßvater von Odin war. So bildete die vor Carrhae eingefädelte Strategie der Parther das unfreiwillige Drehbuch für die Varusschlacht die auch bei Varus erfolgreich verlief. Hätten in der römischen Generalität Personen vom Verlauf von Carrhae gewusst, wären diese früher skeptisch geworden. Auch Surenas der Militärstratege der Parther wie möglicherweise auch Segimer soll sich gegenüber dem Römer Crassus bis zum entscheidenden Zeitpunkt geschickt im Verborgenen gehalten haben und hatte jedes Treffen mit ihm bewusst vermieden um nicht in Verdacht zu geraten. Ein Hinweis darauf, dass sich auch Segimer sprich Sigemund in der antiken Literatur so rar machte und so erfahren wir vielleicht erst wieder auf diesem Weg von Paterculus, dass es damals auch unter den Cheruskern eine oder mehrere Personen gab denen es gelang sich ebenfalls bis zuletzt vom Tisch des Varus fern zu halten. Noch am Vorabend soll Segestes Varus gegenüber die fragwürdige Angabe gemacht haben in dem er nur Arminius als den gefährlichsten Widersacher bezeichnete so, als ob es nur ihn gegeben hätte. Eine Anspielung darauf, da die Aussage von Segestes stammt eines Mannes, dem man es in seiner damals prekären Lage anlässlich seines Triumphzuges im römischen Exil als Schutzbehauptung auslegen kann, besser gesagt darf man es aus Gründen der Reputation auch als Notlüge bezeichnen. Dazu wurden bereits diverse Kapitel veröffentlicht die diese Annahme untermauern helfen. „Segestes, wie man ihn auch sehen kann - Es ist nie so wie es aussieht“ vom 11.10.2020 und „Germanen und Römer in Lauerstellung – Segestes wurde zum Souffleur der Geschichtsschreibung – seine und unsere Fehleinschätzungen“ vom 25.9.2020. Paterculus hatte von Arminius eine überaus gute Meinung und man scheint sich sicher, dass er ihn aus seiner gemeinsamen Zeit in Pannonien persönlich kannte, da er ihn als Kämpfer für Rom bezeichnete und ihn als Begleiter betitelte. Frühestens 7 + bzw. 8 + dürfte Arminius aus dem pannonischen Aufstand der 8 + endete in seine Heimat zurück gekehrt sein. Arminius könnte um diese Zeit etwa 25 oder 26 Jahre alt gewesen als er von seinem Vater in die Vorbereitungen zur Revolte eingeweiht wurde. Da Arminius nicht imstande gewesen wäre in der kurzen Zeit von seiner Ankunft bis zur Varusschlacht die Vorbereitungen zu stemmen, dürfte in der Konsequenz Segimer wie damals auch Surenas den wesentlichen Anteil am Ausgang der Schlacht gehabt haben. Wir wissen nicht in welchem Verhältnis Vater und Sohn zueinander standen, aber Paterculus nannte den Vater von Arminius „princeps gentis eius“ was mit „Erster seines Stammes“ übersetzt wird aber der Zeitpunkt dürfte damals für ihn gekommen sein, langsam die Zügel aus der Hand zu geben. So könnte auch Segimer dem es durch seine Überzeugungsarbeit gelang die anderen Sippenältesten und Stammesoberhäupter auf einen Kampf gegen Rom einzuschwören und zu mobilisieren der eigentliche Held der Varusschlacht gewesen sein, was sich auch wie angesprochen mit der germanischen Sagenwelt in Einklang bringen lässt. Arminius hätte dann die Rolle zugestanden die einst Abgaros bei Carrhae inne hatte, dem es gelang Crassus glaubhaft zu machen in Gänze auf seiner Seite zu stehen. Und wie Arminius so ritt auch Abgaros in dem Wissen davon, dass Falle und Betrug nicht offenkundig werden würden und beide sollten Recht behalten, denn sowohl Crassus als auch Varus hatten den falschen Ratgebern vertraut was ihren Gegnern zum Sieg verhalf und auch Arminius hatte, als er Varus am ersten Tag verließ bereits eine größere Anzahl seiner Krieger im Gefolge und die Geschichte kennt in beiden Fällen zwei Personen. Die die im Hintergrund wirkten und die die nach außen die List verschleierten. Folglich eine Arbeitsteilung ohne die es auch 9 + nicht funktioniert hätte. Arminius fehlte wie dargestellt nach seiner Rückkehr die Zeit alle Vorbereitungen zu treffen und er konnte nicht über die Schlachtfelder, die Marschrouten, oder zu seinen Kampfrotten geflogen sein um alles zu inspizieren, alle einzuschwören und hätte auch nicht in Windes Eile die wichtigen Stammesfürsten von seinen Plänen überzeugen können. Er konnte nicht gleichzeitig kontrollieren, lenken, steuern, Befehle erteilen, und zudem noch Varus Ruhe und Frieden vortäuschen und ihn in Sicherheit wiegen. Er mag talentiert gewesen sein, zaubern konnte er nicht und jeder germanische Dickschädel wollte auch damals schon überzeugt sein, bevor er die Waffe in die Hand nahm. Schließlich verließ Arminius noch mit Varus gemeinsam das Lager und ritt mit ihm auch noch gemeinsam eine größere Wegstrecke bevor er sich von ihm trennte um seine Männer zu sammeln. Kann dieser Hinweis von Paterculus nur ein bloßer Zufall gewesen sein in dem er diese Gelegenheit nutzte um an die gewaltige Niederlage von Carrhae zu erinnern oder geschah es mit Absicht und er machte die Generationen nach ihm bewusst auf diese augenscheinliche Duplizität der Ereignisse aufmerksam. Unterschätzen wir also bitte nicht die geistige Flexibilität jener Menschen und insbesondere nicht die jenes Mannes, auch wenn dieser schon 2000 Jahre vor uns die Welt verließ. Ging es Paterculus wie im voraus gegangenen Kapitel dargestellt als er detailliert auf die vier römischen Varusschlacht Teilnehmer einging möglicherweise gar nicht um diese, sondern mehr darum der Nachwelt auch auf diese Weise einen deutlichen Bezug zwischen diesen beiden verlorenen Schlachten herzustellen. Wollte er einfach nur zum Ausdruck bringen, „schaut auf Carrhae und ihr wisst genau welchen Fehler Varus beging in dem er keine Lehren daraus zog“. So reichte ihm auch nur dieser eine Hinweis und er brauchte keine weiteren Worte verlieren um auch den Verlauf der Varusschlacht darzustellen. Während Crassus hingegen in eine deckungslose Wüste geriet, stolperte Varus förmlich ins Gegenteil, nämlich in versumpfte germanische Niederungen und regennassen Urwald. Aber spätestens als berichtet wurde, dass Crassus nur „meerähnliche Wogen von unzähligen Wüstensandhaufen, die das Heer einhüllten“ sah, sollte er bemerkt haben, dass man ihn auf eine falsche Fährte gelockt hatte. Und nach den ersten Lanzenwürfen wird auch Varus erkannt haben, dass man ihn in einen Hinterhalt manövrierte hatte denn von einem Volk, das mit ihm einen Zwist am grünen Tisch eines Tribunals beilegen wollte war weit und breit nichts zu sehen. Bis auf den Vegetationsunterschied bzw. Breitengrad beider Schauplätze stimmte nahezu alles was uns Paterculus damit sagen wollte überein. Es war deutlich genug und bedurfte daher auch keines Gesamtwerkes über die Varusschlacht mehr aus seiner Feder. Den römischen Feldherr vor Carrhae hinderte keine Vegetation und er konnte gegenüber Varus auch in Kampfaufstellung übergehen was ihm aber letztlich nicht half, da die Parther ihn mit dem größten Teil ihrer Armee aus versteckter Position hinter gestreckten Sanddünen auflauerten. Zudem lockten sie einzelne römische Verbände vom Hauptheer weg um sie besser vernichten zu können. Varus wollte diesen Fehler vermeiden in dem er so wie Paterculus es beschrieb unter Gewaltandrohung seinen Legionären verbot schon zu Beginn der Kämpfe zum Gegenangriff über zu gehen. Was aber auffiel ist, dass sich Paterculus einen Hauch zu viel der Varus`schen Fehlentscheidung widmete. Wohl wissend, dass abgespaltete Kampfgruppen Gefahr laufen schnell überwältigt werden zu können. Und obwohl dies aus der Sicht von Varus der richtige Befehl war, ließ es Paterculus bei ihm nicht durch gehen. So verurteilte er Varus wider besseres Wissens dafür und setzte sein militärisches Ehrgefühl dagegen um kein gutes Haar an ihm lassen zu müssen. Crassus wurde während der Kämpfe schwer verletzt und ließ sich von einem Diener töten, was Varus wie man liest noch selbst übernahm. In der Nacht ließen auch die Parther vom Gegner ab und die Römer entschlossen sich in dieser verzweifelten Lage zur Flucht, ließen ihre Verwundeten zurück aber nur wenigen gelang ein Durchbruch nach Syrien. Auch im „Teutoburgiensi saltu“ gab es Einheiten, die die Lage erfassten und die Flucht dem Kampfe vorzogen und sich nicht um die Fußsoldaten scherten oder um die Verletzten kümmerten. Die Schande von Carrhae prägte daraufhin mehr als drei Jahrzehnte lang die Beziehungen zwischen Parthern und Römern und erst am 12. Mai 20 vor Christus, also 33 Jahre später soll es Augustus auf diplomatischem Weg gelungen sein, die Feldzeichen und die noch lebenden Gefangenen von Carrhae zurück zu bekommen. So musste er sich damals die verloren gegangenen Legionsadler bzw. Feldzeichen förmlich zurück erbetteln, was ihm erst nach langem Mühen und unter Preisgabe römischer Machtansprüche am Euphrat gelang, dann aber von ihm wie ein Sieg gefeiert wurde. Augustus war auf dieses Ergebnis trotzdem so stolz, dass er diesen Tag zum Staatsfeiertag erklären ließ und der Tag sogar noch bis ins vierte Jahrhundert in Erinnerung blieb und durch ein Fest mit Zirkusspielen gefeiert wurde. Ein Beispiel wie man auch schon in diesen Zeiten mit der ungeliebten Wahrheit und der unerbittlichen Realität sein Spiel trieb. Der abgeschlagene Kopf des Crassus wurde übrigens wie es so Sitte war dem König in diesem Fall dem der Parther übergeben und bei den Cheruskern wollte man wohl Marbod mit dem Kopf des Varus für eine germanische Allianz günstig stimmen. Aber die größte Ehrverletzung wurde den Römern von jenem Abgaros von Osroëne angetan, denn er täuschte die Römer in dem er, ganz so wie Arminius es auch vorgab auf ihrer Seite zu stehen. Ein Hinweis darauf, dass Ehrverletzung Treue- und Vertragsbruch auch bei Carrhae wie später bei den Cheruskern schwerer wog als Niederlagen und menschliche Schicksale. Obwohl alle es nutzten schien Verrat in Verbindung mit Betrug, was die einen heute Whistleblowing nennen in dem man sich auf verwerfliche Weise Vertrauen erschleicht, das Schändlichste zu sein, was die Klaviatur der Kriegsführung zu Tage bringen kann. So verwundert es nicht, dass auch an den Cherusker dieser Vorwurf lange haften blieb und sogar noch bis heute als Name ihres einstigen Volkes fest im Sprachgebrauch verankert ist. Auch Abgaros hatte sich wie Segimer, der sogar mit seinem späteren Gegner noch einen Vertrag geschlossen hatte, noch vor der Schlacht den Römern gegenüber noch zum Frieden verpflichtet und wechselte dann analog zu Arminius in der heißesten Phase des Gefechtes die Fronten und stellte sich plötzlich unvermittelt gegen Crassus. Abgaros von Osroëne hatte seinen Part erfüllt, alles vorbereitet, arrangiert und eingefädelt und stand während dessen immer in ständigem Kontakt mit Surenas. So wie es wohl auch Arminius mit seinem Vater hielt. Und so war es Abgaros von dem auch der Name Ariamnes überliefert ist, der die römischen Legionen in ihrer Achtlosigkeit nichts ahnend in die Arme von Surenas trieb. Übrigens ganz ähnlich, wie es auch die sächsische Armee im Zuge ihres Frontenwechsels in der Völkerschlacht bei Leipzig vollzog. Ein Akt der auch in dieser Schlacht mit all seinen Konsequenzen zu einer massiven Demoralisierung unter den napoleonischen Truppen führte Es lässt sich daher gut nachvollziehen, was auch die römischen Legionen im Nethegau verspürten als ihnen ein einstmals treuer Verbündeter mit seinen gut ausgebildeten Kämpfern und ausgestattet mit besten römischen Waffen unerwartet die Gefolgschaft verweigerte. Wie Abgaros hielt sich anfänglich auch Arminius geschickt zurück und wie Crassus übersah auch Varus die Anzahl der Feinde. Abgaros griff die Römer die sich in die entgegen gesetzte Richtung orientierten unvermittelt an ihrer entblößten Rückseite an und die folgende Verwirrung und Orientierunglosigkeit erleichterten dem Feind das Abschlachten der Römer, so dass einige in ihre eigenen Schwerter fielen und sogar irrtümlich von ihren eigenen Kameraden getötet worden sein sollen. Als die römischen Legionäre von den Parthern fortwährend von allen Seiten gleichzeitig angegriffen wurden und ihre Schilder sie behinderten waren sie so eng eingeschlossen, dass ihnen der Bewegungsraum genommen war. Aufgrund der Anzahl der Leichen konnten sie keinen sicheren Fuß mehr fassen und fielen immer wieder über sie. So ist es eine Darstellung die der des Cassius Dio gleicht als man sich sich auch dort beim letzten Gefecht gegenseitig im Weg stand. Der Wald in Germanien war in dieser Zeit umfänglicher und schwer zu durchdringen und auch im Nethegau wussten die Römer nicht wo der Feind sie erwartete. Wege existierten nicht aber ständig taten sich ihnen weitere Hindernisse auf denn hinter jedem gestürzten Baum konnte Gefahr lauern und auch ihnen war der Einsatz von Waffen nicht mehr möglich. In Germanien war es ein Kampf im durch die Nässe glatt gewordenen Unterholz während es bei Carrhae die Hitze, der Durst und der aufgewühlte Staub waren, zumal die Schlacht Anfang Juni statt fand. Und so erzählten es auch die Überlebenden von Carrhae später, dass dies mit die Ursache dafür war, dass viele liegen blieben, obwohl sie eigentlich unverwundet waren. Cassius Dio greift gleichbedeutend die Unbillen des Wetters auf, dass sich gegen Rom verschworen hatte. Mit Einbruch der Nacht wichen bei Carrhae die Parther aus Sicherheitsgründen zurück, da sie keine Verschanzungen nutzten was sich auch mit dem Verhalten der Germanen deckt. Man kann also den Eindruck gewinnen, als ob Paterculus mit seiner Andeutung zwar die Schlacht bei Carrhae heran zog, dabei aber die Kämpfe zwischen Brakel und Borlinghausen im Auge hatte. So glich die Schlacht bei Carrhae was das Legen und Einfädeln des Hinterhaltes anbelangt der Varusschlacht nahezu bis ins Detail und die einstigen Vorgänge hätten auch dem in Syrien stationierten Varus nicht fremd gewesen sein dürfen. Ob Augustus es allein zu verantworten hatte oder es Tiberius war, der sich für Varus als Statthalter verwendet hatte bleibt unklar. Beiden wurde jedoch die Personalentscheidung schmerzlich bewusst und man musste sich eingestehen, dass es ein zweites Carrhae Trauma nun auch unter ihrer Herrschaft gab. Paterculus schrieb es in einer Zeit als in Tiberius ein Mitverantwortlicher für das damalige Desaster das höchste Amt bekleidete. So bestand immer noch die Gefahr, dass man in der Varusniederlage auch sein Versagen sehen konnte was Paterculus vermeiden musste. Als sich nach Paterculus mit Tacitus erstmals wieder ein römischer Historiker den Ereignissen zuwandte. Obwohl auch ihm mehr bekannt gewesen sein dürfte, verlor auch er kein Wort über den Hergang der Schlacht und ging in seinen Annalen nur auf das ein, was sechs Jahre danach am Ort der Niederlage passierte. Offensichtlich wollte man das alte Tabu des Mitverschuldens bis in seine Zeit hinein immer noch noch nicht brechen. Später oder fasst parallel zu Tacitus griff auch Florus das Thema auf. Seine Darstellungen waren politisch nicht mehr relevant zumal man ihm dem Dichter im damaligen kaiserlichen Hause keine historische Bedeutung mehr zuschrieb und in den Jahren auch das Interesse an der Varusschlacht abgenommen hatte. Er  entwarf aufgrund noch vorhandener Aufzeichnungen, die Detailkenntnis verrieten aber auch Erklärungslücken offenbarten angereichert durch seine Vorstellungskraft eine dem Volk von Rom leicht vermittelbare Schlachtenabfolge und stellte ein Lager in den Vordergrund in dem man zu Gericht sitzen wollte, da dieses schließlich der Hauptgrund für das Verlassen der Ursprungsroute war. Als dann nach großem zeitlichen Abstand Cassius Dio sich der Dinge annahm, gehörten die einstigen Vorsichtsmaßnahmen und Befindlichkeiten längst der Vergangenheit an. Er fragte nicht mehr nach Verantwortlichkeiten und berichtete ungezwungen über das was er für korrekt hielt und was ihm an seinen Vorlagen unglaubwürdig erschien veränderte er eigenhändig wie er selbst sagte. So konnte er zeitversetzt und ungestraft über 200 Jahre nach der Schlacht den wohl tatsächlichen Verlauf wieder geben und einen übersichtlichen Kontext herstellen der der Wahrheit am Nächsten kam. Auch daran hat sich bis in unsere Tage nichts geändert, denn auch heute noch bleiben politisch brisante Sachverhalte oft solange verschlossen bis die ehemaligen Protagonisten und verantwortlichen Drahtzieher keine Rede und Antwort mehr stehen können, da sie sich nicht mehr zur Verantwortung ziehen lasen. (19.08.2024)

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Freitag, 26. Juli 2024
Paterculus verriet den Verlauf der Varusschlacht.
Militaristen können schwer aus ihrer Haut und widmen sich daher bevorzugt jenen Themen die die militärischen Umstände zum Inhalt haben. Obwohl Paterculus da keine Ausnahme bildete, vermisst man bei ihm aber einen, wenn auch nur grob verfassten Bericht über den Verlauf der Varusschlacht. Er stand noch unter dem Einfluss der Kämpfe in Pannonien als er über das Desaster schrieb, das vor diesem Hintergrund zur Unzeit passierte. Wäre er darauf eingegangen hätte sich für ihn, der großen Wert auf glaubwürdige Recherche legte, schnell die Frage nach den, man würde heute sagen politisch Verantwortlichen gestellt. Unter diesem Einfluss stehend hatte er bei seiner Themenauswahl zu selektieren. So hielt er sich was die Tiefe seiner Kommentierung anbelangt zurück und beschränkte sich nur auf einzelne Episoden. Somit vermied er es, das gesamte Debakel strukturiert darzustellen wie es später Cassius Dio tat. Was er preis geben wollte vermittelte er auf drei unterschiedlichen Wegen. Erstaunlich ausgiebig ging er zunächst auf den aus seiner Sicht ergangenen strittigen Varusbefehl ein, schilderte dann die Schicksale einzelner Legionäre und bringt auch die Schlacht bei Carrhae ins Spiel die 62 Jahre vor der Varusschlacht geschlagen wurde. Er erkannte die Parallelität beider Schlachten und verdeutlicht damit die Fehlentscheidungen die auch der Varusschlacht zugrunde lagen. Durch diesen Vergleich vermittelt er auch einen aufschlussreichen Einblick in die Vorgeschichte die in die Varusschlacht mündete und teilweise auch in ihren Verlauf. Auf diese Weise umschiffte er es möglicherweise sich auf die Dramatik der diversen Episoden der Varusschlacht einlassen zu müssen und gab damit den berühmten Wink mit dem Zaunpfahl. Eine Analyse zu diesem Vergleich folgt der Umfänglichkeit wegen im nächsten Abschnitt. Im diesem Kapitel werden die einzelne Passagen untersucht in denen er unmittelbar auf die „Arminiusschlacht“ eingeht. Dabei stellte sich heraus, dass sich seine Hinweise bezogen auf unser von Cassius Dio stammendes Wissen auf den Tag genau den einzelnen Phasen des Geschehens zuweisen lassen und damit die Schauplätze fixierbar werden. Offiziere wie Paterculus interessieren sich weniger für die Phasen in denen die Waffen schweigen, sodass er auch nicht auf den ersten kampflosen Marschtag, der im Raum Höxter seinen Anfang nahm einging. Der Tag der einen ruhigen Verlauf nahm und an dem Varus ein Rastlager ansteuerte, dass sich möglicherweise bei Brakel befand, wo exakt auch die erste für Legionäre typische Tagesetappe von 25 Kilometern erreicht war. So setzen seine Überlieferungen auch erst mit dem zweiten Tag ein an dem die Kämpfe ausbrachen. Varus verließ dieser Theorie nach an diesem Tag sein erstes Nachtlager, wo er am Morgen den zivilen Tross trennte und mit dem militärischen Teil Kurs auf die Aufrührer nahm.

Sein erster Hinweis.

Bevor Paterculus auf die Schicksale der vier Schlachtenteilnehmer eingeht befasste er sich mit den Ereignissen wie sie sich in den ersten Stunden der Defilee Schlacht zutrugen. Ein Verlauf wie ihn auch Cassius Dio hinterließ als er sich auf die ersten Geplänkel artig begonnenen Kämpfe bezog die von den Germanen am zweiten Marschtag zunächst noch aus der Distanz vorsichtig vorgetragen wurden, womit man provozieren und antasten wollte. In dieser Situation wurde den Legionen der aus seiner Sicht nicht nachvollziehbare Befehl erteilt, sich gegen diese anfänglichen Attacken nicht zur Wehr setzen zu dürfen. Eine Darstellung die von Seiten der Forschung immer schon für sehr merkwürdig gehalten wurde, daher rätselhaft blieb und auf Unverständnis stieß. Denn es so auszudrücken, als dass man dem „Tüchtigsten aller Heere und dem ersten unter den römischen Soldaten nicht die Freiheit gelassen haben soll ungehindert vorrücken und kämpfen zu dürfen, wie sie es selbst gewollt hatten und das einige von ihnen dafür sogar empfindlich bestraft wurden, weil sie es trotzdem taten“, klingt in diesem Zusammenhang in der Tat befremdlich, ist aber bei genauer Betrachtung nachvollziehbar. Die Varuslegionen erscheinen bei ihm wie das Optimum, also die Superlative dessen, was das römische Imperium in jener Zeit militärisch aufzubieten hatte. Eine Bemerkung die die Verwirrung noch vergrößerte. Aber vor allem waren sie gedrillt, hatten sich befehlshörig und fügsam zu verhalten, durften sich Anweisungen nicht widersetzen und mussten, obwohl es sie das Leben hätte kosten können, den Anordnungen ihrer Feldherrn folgen. Aber das was Paterculus kritisierte war ein Befehl den kein Feldherr ohne einen triftigen Grund ausgibt und der eine Ursache gehabt haben musste. So erscheint es zunächst auch wie ein Dissens und klingt so unglaublich, dass sich ein breites Spekulationsfeld vor uns öffnet. Bei Feindberührung in einem derartigen Moment harte Disziplinmaßnahmen nicht nur auszusprechen, sondern sie auch umzusetzen und die Legionäre sogar zu schlagen, muss eine Ursache gehabt haben. Es war die Entscheidung der damaligen Generalität und es sollte versucht werden der Frage nach zu gehen, was sie zu einem solchen Schritt veranlasst haben könnte. Zunächst einmal klingen die Lobeshymnen die Paterculus über die Armee ausschüttete überzogen und daher trügerisch, obwohl sie ins Vokabular der Zeit gepasst haben könnten. In dieser kritischen Situation in übertriebener Form Lob und Anerkennung zum Ausdruck zu bringen wirkt verdächtig und somit auch unglaubwürdig. Aber Paterculus unterließ es den Befehl so aufzufassen und ihn so zu interpretieren wie er der kritischen Lage zweifellos angebracht war und vermied es ihn in den realistischen Kontext dessen zu setzen, was noch folgen sollte. Es lag ihm vermutlich nichts daran Varus zu rehabilitieren und so bot sich ihm die Gelegenheit Varus erneut als Versager darzustellen und es erübrigte darauf eingehen zu müssen, dass er auch eine Armee anführte die unterbesetzt, daher schwach und auf germanische Unterstützung angewiesen war und die sich keine unnötigen Geplänkel leisten konnte. Obwohl es wie man annehmen darf nicht die von ihm heroisierten Legionen waren, sondern Einheiten um deren Disziplin es nicht zum besten gestanden hatte hob er sie doch im besonderen Maße hervor um den Kontrast zum späteren Debakel zu verstärken. Eine Armee die in der Realität jedem motivierten Feind gegenüber unterlegen gewesen war, die nicht voreilig handeln und und die kein Risiko eingehen durfte. Die Varusschlacht entlud sich bekanntlich nicht in Form eines plötzlichen und gewaltigen germanischen Ansturms, so ist es schwer vorstellbar, dass diese näheren Zusammenhänge Paterculus gegenüber verschwiegen worden sein sollen und sich ihm daher der Kontext in dem Varus seine Entscheidung traf bewusst gewesen sein musste. Mit seiner Bemerkung ging er indirekt auch auf die Truppenmoral ein, die in diesem Moment auf eine harte Probe gestellt wurde und ebenso die Sorge der Generalität, dass sich die Legionäre nicht an die Anweisung hätten halten können. Vor diesem Hintergrund ist ein Blick auf ein fünf Jahre späteres Ereignis in Neuß zu werfen. Im Jahre 14 + rebellierten die dort stationierten Legionäre und Germanicus musste sich ihnen mit Gewalt entgegen stellen. Es aber einer Truppe die sich innerlich schon auf die geruhsamen Monate im Winterlager eingestellt hatte der man nun einen unerwarteten Schwenk, zusätzliche Strapazen eine verlängerte Rückzugsstrecke und möglicherweise auch Kämpfe zumutete ist weder der Loyalität noch der Moral förderlich. So könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Generalstab auch schon 9 + ähnliche Probleme befürchtete und daher von Beginn an hart durchgreifen musste. Dazu passt auch die Überlieferung, wonach sich die Asprenas Legionäre offensichtlich zu vorschnell, um das Wort räuberisch zu vermeiden an den Habseligkeiten der in der Schlacht Umgekommenen vergriffen hatten. Ein Verhalten, das ebenfalls auf eine schlechte Disziplin in der Truppe hinweist und Zügellosigkeit erkennen lässt. Sollte also schon am ersten Tag der Varusschlacht der frühe Funke eines aufkommenden Ungehorsams aufgeglimmt sein, dann musste man dem entschieden entgegen treten und auch Mittel von Gewalt einsetzen. Eine Vorstellung die in das Gesamtszenario passen würde. Am ersten Kampftag, dem zweiten Marschtag waren die Legionen zunächst irritiert, denn die Germanen hatten ihren Plan nicht mit Hörnerschall angekündigt. Für den fußkranken Varus der sich aus diesem Grund vermutlich in einem bequemen Kampfwagen im vorderen Teil der Kolonne aufhielt, erschien die Lage unübersichtlich, als er sich entschied den Befehl an die Truppe zu geben unter Strafandrohung Zurückhaltung üben zu müssen. Nach der Darstellung von Cassius Dio entbrannte die Schlacht nicht wie aus dem Nichts heraus und die Marschzugtrasse verwandelte sich auch nicht in kürzester Zeit in ein gigantisches Schlachtfeld auf dem zwei Heere aufeinander prallten. Das Geschehen am ersten Kampftag schaukelte sich langsam hoch was dazu führte, dass die herauf ziehende Gefahr von Seiten der Legionskommandeure zu lange unterschätzt wurde und die angemessenen Entscheidungen ausblieben. Eine Gemengelage die ursächlich für die Fehlentscheidung war, es den Legionären zu verbieten die Attacken mit Gewalt abwehren zu dürfen. Es war in der Tat eine kritische Phase die sich hier für die römischen Befehlshaber unbemerkt vollzog. Es könnte sogar der sensibelste Moment der gesamten Schlacht gewesen sein, als es im hinteren Bereich des Marschzuges zunächst noch aus verdeckter Position über schmale Pfade zu den ersten noch zaghaft vorgetragenen Angriffen der Germanen kam und man die Zuspitzung verkannte. Der römischen Heeresspitze wurde die Problematik auf dem Weg der Befehlskette zeitversetzt zugetragen und statt sich dem entschlossen entgegen zu stellen verschätzte man sich in der Tragweite und es erging der deplatzierte Befehl die Angriffe ignorieren zu müssen, sodass sich in dieser Phase das Schicksal möglicherweise noch hätte wenden lassen. So sollte es anders kommen. Varus wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen, stufte es als harmloses Geplänkel impulsiver und übermütiger junger Krieger ein und die Generalität setzte auf das Eintreffen von Arminius der die Lage wieder unter Kontrolle bringen würde. Man war in diesem Moment nach dem Verlassen des letzten Nachtlagers am Hellweg erst wenige Kilometer unterwegs und befand sich noch nicht in der Nähe der Aufrührer, folglich in einer Region in der man derartige Angriffsversuche nicht erwartet hatte. Die Quellenanalyse spricht dafür, dass Arminius zu diesem frühen Zeitpunkt die Kampfstätte noch nicht betreten hatte und die Theorie besagt, dass es seine Zeit brauchte, bis er vom Schauplatz am Gradberg wo man sich des zivilen Zuges bemächtigte zu Varus aufschließen konnte. So vollzog sich der Frontenwechsel von Arminius erst auf dem Höhepunkt der Schlacht, was dann zur erheblichen Verwirrung unter den Legionären führte. Aus Sicht der Legionäre, denen bereits Wunden beigefügt wurden, war der Befehl weniger amüsant und unter ihnen waren auch jene die es für unbegreiflich hielten sich nicht zur Wehr setzen zu dürfen. Auch mit ihren Aussagen ließ sich seine negative Einschätzung über Varus rechtfertigten und so fand es Eingang in die Geschichtsschreibung. Aber für Varus war es eine verständliche Entscheidung wenn man aus einer scheinbar überlegenen Position heraus eine frühe Eskalation vermeiden will. Aufgrund seines späteren Wissens, dass dies der Beginn der Mehrtagesschlacht hätte Paterculus den Sachverhalt angemessener und gerechter kommentieren müssen. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Clades Variana und erst im Nachhinein ließ sich im Varusbefehl der fatale Irrtum erkennen, den Paterculus dem Generalstab unter bewusster Verkennung der Realität ankreidete. Für die Chronologie von Bedeutung ist es aber festzuhalten, dass es Paterculus sehr wichtig war diesen Umstand zu Papier zu bringen, markierte damit unmissverständlich den ersten Kampftag und drückte damit aus rückwärtiger Sicht betrachtet den Startknopf zur Varusschlacht.

Sein zweiter Hinweis.

trifft ebenfalls auf den ersten Kampftag des zweiten Marschtages zu, bezieht sich aber auf die späten Stunden dieses Tages. Denn erst am Abend offenbarte sich das verheerende Ausmaß des Desasters, das mit einem Überraschungsangriff seinen Anfang nahm. Ausgelöst durch den unerwarteten Seitenwechsel von Arminius ins germanische Lager hatte sich das Kräfteverhältnis zugunsten der Germanen in kürzester Zeit verschoben. Es folgten danach die dramatischen Stunden in denen die allgemeine Verwirrung jede militärische Ordnung überlagerte. Eine Gemengelage in der die für den Aufbau des Nachtlagers zuständige Legion die die Vorhut bildete zunehmend ins Kampfgeschehen verwickelt wurde. Cassius Dio schrieb dazu, dass man das Lager an einem geeigneten Platz errichtete, soweit sich dieser überhaupt finden ließ. In der Forschung übersetzte man den dafür von ihm gewählten Namen mit der viel diskutierten Bezeichnung „Waldgebirge“. Tacitus nannte das Lager „prima Vari castra“ und es sollte sein erstes und einziges bleiben, da sein Lager am nächsten Abend vor der endgültigen Niederlage namenlos blieb. Die Zweikämpfe im Lagerinnern zogen sich hin wie es die Lichtverhältnisse zu ließen und behinderten zwangsläufig die nötigen Schanzarbeiten. Da zudem Ochsenwagen samt Materialien wie Palisaden oder Werkzeugen auf der Strecke geblieben war, erreichten diese nicht mehr die Baustelle wodurch sich das Chaos verstärkte.
Der erste Kampftag läutete bereits den ultimativen Niedergang ein was anhand der folgenden Verbrennung allen überflüssigen Materials deutlich wird und auf eine Flucht „Hals über Kopf“ hinweist. Sechs Jahre später beschrieben die Überlebenden den unfertigen Zustand in trefflicher Weise, denn außer den Pflöcken bzw. Kennzeichnungen mit denen man 9 + ein Terrain abgesteckt hatte auf dem man annahm einmal drei Legionen unterbringen zu müssen, war nicht viel übrig geblieben. In dieser überhitzten Phase herrschten Zustände auf die Paterculus einging in dem er auf den für den Aufbau zuständigen Lagerpräfekten einging. Der Mann dem die Aufgabe zufiel unter diesen heillosen Bedingungen den Überblick behalten zu müssen, der die Arbeiten bestmöglich zu organisieren hatte, während sich in seinem Umfeld seine Männer gezwungen sahen sich bereits verteidigen zu müssen. Es war der nicht beneidenswerte L. (Lucius) Eggius der diese Funktion inne hatte. Die entscheidende Schlüsselfigur in diesen schweren Stunden, dem Paterculus seine Hochachtung zollte und der an diesem Abend übermenschliches zu leisten hatte.

Sein dritter Hinweis.

betraf den Morgen des zweiten Kampftages am dritten Marschtag. Denn noch bevor sie das Lager verließen entschieden sich die stark dezimierten und blessierten Legionäre für den Weitermarsch, der einer Flucht glich, alles hinderliche und unnütz gewordene verbrennen zu müssen. Es war dies aber nicht nur das Entzünden nassen Holzes und der damit verbundene schwarze Rauch der am Himmel über Ostwestfalen stand und für alle das Fiasko sichtbar werden ließ, sondern auch ein demoralisierender Moment für die Legionäre die den ersten Kampftag überlebt hatten. Überliefert ist, dass sie noch während ihres Ausmarsches in neue Gefechte verwickelt wurden. Die Zeit arbeitete für Arminius der ihren weiteren Marschweg kannte, sodass sich das Ausmaß der Kämpfe in Grenzen hielt. So konnten die Reste der Varusarmee wie sich Cassius Dio entnehmen lässt in der Hoffnung ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen einen frohlockenden Blick ins offene Land werfen was kurzzeitig ihre Stimmung hob. Darauf, dass sich südlich an den Lagerplatz angrenzend der Nordrand der von der Eiszeit hinterlassenen Warburger Börde auftat die man wegen der Landwirtschaft baumlos hielt, wurde bereits eingegangen. Hinter ihnen lag eine unbeschreibliche Nacht. Sie verging hungrig, schlaf – und kraftlos und am anderen Morgen stellten sie fest, dass ihre Waffen durch die Nässe unbrauchbar geworden waren. Sie wurden sich der Aussichtslosigkeit ihrer Lage bewusst und nur ihr Überlebenswille trieb sie weiter. Die Germanen hatten am Vortag die Entscheidung herbei geführt und begleiteten ab diesem Morgen nur noch eine im Zerfall befindliche und dahinsiechende Armee ohne Disziplin über die sie die volle Kontrolle hatten. Der Theorie nach standen sie gegen Mittag im Großraum Peckelsheim am Oberlauf der Nethe, hatten die Barriere des Eggegebirges noch vor sich und unter allen war der Gedanke an Flucht naheliegend. Kämpfer aus den Reihen der Hilfstruppen könnten sich je nach Gesinnung den Germanen angeschlossen haben, aber kein antiker Historiker ging auf sie ein und auch wenn ihnen vielleicht die Pferde fehlten, so werden sie Wege gefunden haben um sich abzusetzen. Nach den Worten von Cassius Dio gerieten die Legionen noch am gleichen Tag erneut in ein Waldgebiet. Auch hier liefert die Geographie einen Hinweis darauf, wo sie sich befunden haben könnten, denn bei westlicher Zugrichtung verließen sie wieder den Börderand und drangen in die bewaldeten Ausläufer des Eggegebirges vor. Wie Dio schrieb brachten sie sich durch das Gewicht ihrer durchnässten Waffen auf den glatten Wurzeln gegenseitig zu Fall und die Reiterei nahm ihnen auf engstem Raum noch zusätzlich die Bewegungsfreiheit. Dem lässt sich entnehmen, dass sich die Reiterei noch im Marschzug befand. Hinter diesen Zeilen von Dio könnte sich der Hinweis verbergen, dass hier nicht nur die letzte ernsthafte Auseinandersetzung sprich der Endkampf vollzog, sondern das aufgrund dieser Verhältnisse Numonius Vala die Chancenlosigkeit erkannte und sich entschied mit seinen Schwadronen fahnenflüchtig zu werden. Ein Akt den jede Reiterei erst dann vollzieht, wenn die Lage festgefahren ist. Paterculus beschreibt hier für seine Verhältnisse relativ detailliert sein widerwärtiges Verhalten, dass aus dem Munde eines Militärangehörigen überzeugt und deftig ausfällt. Auch dieser Hinweis lässt sich unmissverständlich dieser Kampfphase zuweisen. Aber auch in diesem Fall blendet Paterculus wieder die Realität der Situation aus. Ein Verhalten, dass man aus der Sicht von Vala für nachvollziehbar halten könnte während Paterculus von ihm indirekt erwartete, dass er mit den Fußlegionären in den Tod oder die Gefangenschaft zu gehen hat.

Sein vierter Hinweis.

galt den Aktivitäten die spätestens am Abend des zweiten Kampftages dem dritten Marschtag statt fanden, als die Varusschlacht endgültig zu Gunsten der Germanen gekippt war. Die Waffen waren nicht mehr zu gebrauchen, die Fußlegionäre waren ungeschützt und auf sich gestellt und die Überlebenden bereiteten sich auf die nächste Nacht unter noch widrigeren Bedingungen vor. Man schuf sich ein letztes Notbehelf, hinter dem sich wie Tacitus es beschreibt ein Provisorium aus flachen Gräben und halbhohen Wällen verbarg und hinter Verhauen zurück gezogen erwartete man zu jederzeit den Feind. Trotzdem versuchten die Reste der Legionen am anderen Morgen den Marsch fortzusetzen aber ihre Bemühungen waren wie Cassius Dio es beschrieb nicht nur wegen des aufragenden Eggegebirges zum Scheitern verurteilt. Umlagert und von den Germanen zur Aufgabe genötigt breitete sich Hoffnungslosigkeit aus und den Unterlegenen blieb nur die Wahl, bis zuletzt zu kämpfen, zu flüchten oder zu kapitulieren, was aber letztlich jeder für sich entschied. In der Position des hier zuständigen Präfekten also des Lagerkommandanten war Ceionius der letzte Oberbefehlshaber der Legionen und er entschied sich aus Sicht von Paterculus für das vom militärischen Standpunkt aus betrachtet Verwerflichste, nämlich die Kapitulation. Das letzte Mittel wenn man annimmt so dem Tod entgehen zu können. Und wieder stellt Paterculus die Ehre vor den Überlebenswillen und verkennt bewusst die Umstände. Wie schon zuvor rekapituliert stellt sich auch hier wieder die Frage mit wem der Militarist Paterculus Kontakt hatte, als er sich die letzten Stunden auf dem Varusschlachtfeld beschreiben ließ und inwieweit er sich dem Faktischen entziehen wollte um tadeln zu können. Legionäre die sich zu Flucht entschieden hatten und den rettenden Rhein erreichten erläuterten später ihre Sicht und sie hatten noch miterlebt wie Ceionius umgeben von zahlreichen verwundeten und ausgezehrten Legionären das Niederlegen der Waffen anbot. In dieser Situation nicht mehr weiter kämpfen zu wollen ist genauso verständlich, wie das Verhalten der Überlebenden, die die Flucht ergriffen. Ein Verhalten auf das Paterculus nicht einging und es nicht kritisierte, obwohl man auch darunter Fahnenflucht verstehen kann. Es einem Kommandanten zum Vorwurf zu machen der sich für die Kapitulation entschied ist war für Paterculus unverzeihlich und er machte ihm sein Verhalten zum Vorwurf, was erkennen lässt, dass er die Entscheidung des Präfekten als Feigheit auslegte. Von einem Befehlshaber der letztlich nichts anderes tat als die Übergabe anzubieten nachdem bereits große Teile des Heeres umgekommen waren verlangte Paterculus den Heldentod was nach Durchhalteparole klingt und in der Geschichtsschreibung den Höhepunkt der Heldentat ausmacht. So hoffte er vielleicht auf diese Weise noch einige Leben retten zu können, obwohl er sich hinsichtlich seines persönlichen Schicksals keine Illusionen gemacht haben dürfte. Es lässt sich auch darin eine sich der Chronologie anpassende Darstellung erkennen. Ein Vorgang der sich vermutlich am Vormittag des letzten und damit des vierten Tages zutrug.

Sein fünfter Hinweis.

beleuchtet das Ende des Debakels und wir erfahren von Paterculus wie es mit dem Legionär Caelius Caldus zu Ende ging. Ein Akt wie er sich zweifellos nur am vierten Tag zugetragen haben kann als die Varusarmee geschlagen am Boden lag. Sein Tod so wie er ihn schilderte muss ihm besonders nahe gegangen sein, da er in diesem Fall die näheren Umstände die ihn zum Selbstmord zwangen nicht nur kannte, sondern auch überlieferte. Aber er stellt es, obwohl in der Konsequenz in beiden Handlungen kein Unterschied zu erkennen ist die Tat im Gegensatz zu Varus als heldenhaft dar. Was also ein Caelius Caldus darf, dass durfte aus seiner Sicht ein Varus noch lange nicht. Ein erneuter Hinweis darauf wie Paterulus bewusst Varus verunglimpfte obwohl es im römischen Militär nicht unüblich war, dass sich der Feldherr selbst tötete. Und im gleichen Kontext in dem er von der tapferen Tat des jungen Caelius Caldus spricht, erwähnt er auch den Mut des Lagerpräfekten von Aliso Lucius Caedicius, eine Position die man auch mit Generalquartiermeister übersetzen könnte. Damit erwies Paterculus der Forschung einen großen Dienst, denn er setzte den letzten Tag der Varusschlacht in eine enge Verbindung zum Fluchtlager Aliso, was wieder für die räumliche Nähe spricht, was auf die Fußläufigkeit beider Orte hindeutet und sich auch in der Theorie als stimmig erweist. Um doch noch eine gewisse Ausgewogenheit herzustellen unterstellt er Varus in diesem Zusammenhang sogar noch beste Absichten gehabt zu haben. Damit versucht er Sachlichkeit und Neutralität zu zeigen macht aber auch deutlich wie unschlüssig er in der Bewertung des Feldherrn ist, dem er an anderer Stelle völliges Versagen zum Vorwurf macht. Ein klarer Hinweis darauf, dass sich ihm das Verhalten und die Entscheidungen von Varus nicht in Gänze erschlossen, erklärte ihn aber im Zweifelsfall zum Schuldigen. Er warf ihm Unvermögen vor die Armee richtig geführt zu haben, wagte sich aber nicht den damaligen Kaiser Augustus oder den neuen Kaiser Tiberius zu kritisieren denen Varus letztlich seine Position verdankte. Aber Paterculus könnte nach allem was er für Rom in Germanien geleistet hatte mit der Entscheidung von Tiberius den Krieg 16 + zu beenden gehadert haben. Bezogen auf Caelius Caldus lastet allerdings auf Paterculus der Verdacht, dass er kein Wort über ihn verloren hätte, wäre er nicht der Spross einer angesehenen römischen Familie gewesen. Möchte man es noch skeptischer bewerten, dann könnte er es nur der Ehre des Hauses Caldus wegen so formuliert haben. Aber auch dieser Episode lässt sich kein Hinweis zur Lage der Schauplätze der Schlacht entnehmen, denn wir erfahren nicht wann, wo oder bei welcher Gelegenheit sich Caelius Caldus umbrachte können den Vorfall aber wieder dem Kontext zuordnen. Unstrittig stand sein Freitod mit der Varusschlacht in Verbindung, denn Paterculus rühmt ihn als einen Kämpfer aus den Reihen seiner Legionen und führt ihn als einen Beweis für die Couragiertheit römischer Legionäre an. Wann sich Caldus zum Freitod entschied wird explizit nicht deutlich, aber er dürfte sich ereignet haben, als man nach dem Tod des Feldherrn aufgrund der Kapitulation von Ceionius die Waffen nieder legte. Aber auch dieser Fall wird eine Vorgeschichte gehabt haben, denn es gab viele Legionäre die überlebten, da sie seinem Beispiel nicht folgten oder flüchteten. Unter diesen befanden sich auch die Zeugen seiner Kurzschlussreaktion, denn sonst hätte Paterculus davon nichts erfahren. Der Übersetzung nach schrieb Paterculus dazu die folgenden Zeilen: “ Caelius Caldus, Nachfahre einer berühmten Familie fiel durch eine mutige Tat auf. Als sich die Germanen auf die Gefangenen stürzten, schlug er sich das Ende der Kette, mit der man ihn gefesselt hatte so stark gegen seinen eigenen Kopf, dass er dieser Verletzung erlag“. Aber gleich woher die Germanen diese Ketten hatten, oder wie sie an sie kamen, ob sie sie selbst geschmiedet hatten, sie von ihren eigenen zuvor angeketteten Landsleuten stammten, oder ob sie sie den römischen Trosswagen entnommen hatten, sie standen ihnen als sie sie brauchten zur Verfügung. In Erwartung ihres Sieges hatten sie dafür gesorgt, dass diese gewichtigen metallenen Handfesseln bereit lagen. Ketten, die die germanischen Krieger nicht im Gefecht bei sich führten, da sie sie behindert hätten. Ein Hinweis der die Schlussfolgerung zulässt, dass man auf Seiten der Germanen die Schlacht durchdacht anging und man sich davon entfernen sollte anzunehmen, dass hier eine undisziplinierte Horde gegen Varus antrat. Wir lesen, dass die Germanen die entwaffneten Gefangenen zusammen getrieben und ihnen Ketten angelegt hatten. Sie saßen wohl auf dem Boden, während man sie bewachte und über die weitere Vorgehensweise beratschlagte. Auch Caelius Caldus war unter ihnen somit wehrlos sprich kampfunfähig, sodass von ihm keine Gefahr mehr ausging. Noch lebte er und er erwartete seine Hinrichtung so wie es auch Cassius Dio übermittelte, da die Germanen erbarmungslos jedes Pferd und jeden Mann getötet haben sollen. Der aus dem Ruder gelaufenen Lage unmittelbar nach der Schlacht lässt sich mit rationalen Argumenten nicht beikommen, die Stimmung war emotional geladen, es herrschte Verwirrung, Entscheidungen wurden zeitgemäß und somit willkürlich getroffen und offen bleibt auch nach welchen Kriterien man in dieser Phase über das Schicksal der Gefangenen entschied. Nicht alle gefangenen Römer werden wie Caelius Caldus freiwillig aus dem Leben geschieden sein und auch nicht alle starben den Rachetod, denn es gab wie überliefert gegen Lösegeld zurück gekaufte sowie höher Gestellte und Sklaven die noch lange unter den Germanen lebten bevor Rom sie befreien konnte. Vorstellbar ist auch, dass es später zu freundschaftlichen Beziehungen zwischen gefangenen und versklavten Römern und duldsamen Germanen kam und man ihnen Freiraum ließ den sie zur Rückkehr nutzten bzw. nutzen durften. Da Tacitus berichtete, dass man nur die Tribunen und Centurionen ersten Ranges an den Altären geschlachtet hatte, dürfte Caelius Caldus einer von ihnen gewesen sein und ein derartiges Schicksal erwartet haben, sodass er keinen anderen Ausweg sah den Altären der Germanen zu entgehen und Suizid für ihn die logische Konsequenz war. Tacitus verglich es mit der brachialen Vorgehensweise zu der Rom im Zusammenhang mit dem Abschlachten der Marser im Jahre 14 + fähig war als er notierte, dass „kein Geschlecht und kein Alter auf Schonung hoffen durfte. Ob Menschen gehörend oder den Göttern geweiht, alles wurde dem Erdboden gleich gemacht. Unsere Soldaten blieben ohne Verluste, da sie es ja nur mit Halbschlafenden, Unbewaffneten oder einzeln Umherirrenden zu tun gehabt hatten“ womit er indirekt das Verhalten der Germanen begründete und sogar rechtfertigte auf ähnliche Weise mit den Legionären umgehen zu dürfen. Tacitus überlieferte des Weiteren, dass es den Germanen nicht erlaubt sei, einen der ihrigen Hinzurichten, ihn auszupeitschen oder ihm Fesseln anzulegen. Dies war einzig das Recht der germanischen Schamanen. Varus aber tat es und er war kein Priester. Das nach Cassius Dio alle Gefangenen getötet worden sein sollen widerspricht der Überlieferung von Tacitus, denn es waren die Überlebenden der unteren Ränge die sechs Jahre später Germanicus zu den Schauplätzen führten. Im Falle des aus gutem Hause stammenden vermutlich besonders mutigen bis wagemutigen Caelius Caldus könnte man annehmen, dass er kraft seiner Herkunft eine entsprechende Karriere vor sich hatte. Spekulation bereichert eine Szenerie wenn Wissen es nicht ersetzen kann und so kann man das Thema „Selbstmord aus Tapferkeit“ auch anders bewerten. Er diente nicht als einfacher Legionär stand auf der Karriereleiter schon etwas höher und zählte wohl zu jenen, die im Umkreis von Varus kämpften und halfen ihn bis zuletzt zu schützen. Er wusste was man den Germanen über die Zeiten angetan hatte und wie sie auch unter Varus gedemütigt wurden und erwartete ein Schicksal, das sich nicht auf dem Weg der Auslösung bereinigen ließ. Möglicherweise war auch Caldus selbst an diesen Gräueltaten beteiligt. So könnte es auch der Moment gewesen sein, als man ihn wieder erkannte und er wusste, dass ihm der sichere Tod drohen würde. Anhand der antiken Überlieferungen sowie dem Rekonstruktionsversuch des Schlachtgeschehens unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes der Überlebenden, der Distanz zum Rhein und den dazwischen liegenden Gefahren lässt sich darstellen, dass es nicht viele Römer gegeben haben dürfte, die nach der Schlacht auch ohne die Zwischenstation Aliso den Rhein erreichen konnten. Hinzu kommt, dass man versklavte Römer auch tiefer in den Osten geschafft haben könnte, was ihren Fluchtweg noch zusätzlich verlängert hätte. Aber auch einigen Teilnehmern des abgetrennten zivilen Marschzuges dürfte die Flucht ins näher liegende Aliso noch gelungen sein. Frauen und Kinder sowie Trossknechte, vermutlich auch Advokaten, Vermesser, Baufachleute, ebenso Sklaven, Verwaltungspersonal und natürlich Ältere und Kranke die aber nicht unmittelbar über die Schlacht berichten konnten, da sie nicht dabei waren. Auch sperriges und gewichtiges Material, das man auf Ochsenkarren verladen hatte und was man nicht über den Winter an der Weser lagern wollte, befand sich im abgekoppelten nicht militärischen Teil, da es in abwegigen Regionen zu Ballast geworden wäre. Diese Tonnage Kilometer weit auf Umwegen über Land mitzuführen wäre überflüssig und beschwerlich und daher keine Option gewesen. Anders als es beim Unverzichtbaren wie Palisadenpfosten oder Schanzwerkzeug war, so galt es diese Güter auf dem schnellsten Weg zum nächsten Lippehafen zu transportieren. Die Örtlichkeiten der Hinrichtungen zwischen dem Sintfeld und dem Sorat im Raum östlich oder südlich von Kleinenberg zu suchen weil dort einige Stätten den Namen Opferplatz tragen klingt zwar verführerisch hätte aber einen überflüssigen Eggeanstieg erforderlich gemacht und auch in der Hanglage des Saltus wird man sie vergeblich suchen. Auch weisen diverse Großsteine mit Blutrinne und Becken westlich Borlinghausen auf derartige Rituale hin aber Favorit bleibt der „Tuistowald“ östlich von Borlinghausen mit seinen zahlreichen noch vorhandenen oder bereits eingeebneten Hügelgräbern und dies sowohl als Austragungsstätte der Endschlacht, als auch als späterer Richtplatz, wo Caldus sein Ende fand.
Fünf Hinweise mit denen Paterculus eine Richtschnur zum Schlachtverlauf vorgibt, die sich vom ersten Lanzenwurf eines Germanen vermutlich nahe Hampenhausen bis zum letzten Atemzug einer Armee nahe Borlinghausen ziehen lässt. Er benennt auf seine Art die wesentlichen Höhepunkte und suchte sich mit Ausnahme des Punktes 1.) dazu jeweils die passende Person um daran den Verlauf der Schlacht fest machen zu können.

Hinweis 1.)

Zum ersten Kampftag berichtet er über eine Armee die sich nicht verteidigen durfte.

Hinweis 2.)

Zum ersten Kampftag über den Lagerpräfekten Eggius der über sich hinaus wuchs.

Hinweis 3.)

Zum zweiten Kampftag an dem Numonius Vala die Aussichtslosigkeit erkannte.

Hinweis 4.)

Zum zweiten Kampftag als auf Ceionius die Entscheidung zur Kapitulation lastete.

Hinweis 5.)

Zum zweiten Kampftag als nach Varus auch Caldus den Freitod suchte.

Alles nur Zufall oder steckte dahinter eine Botschaft mit der sich der Schlacht neue Facetten abgewinnen lassen ?

(26.07.2024)

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