Montag, 30. August 2021
Die Ursachen für die Niederlage waren vielfältiger Natur - Wetterkapriolen, Varus und Arminius waren es nicht allein.
Der Schlacht lassen sich zahlreiche Sichtweisen abgewinnen und genauso viele Gründe lassen sich für die römische Niederlage finden. So kann man um die Örtlichkeiten aufzuspüren die geographische Draufsicht zum Hilfsmittel nehmen, könnte die bisherigen Forschungsergebnisse bewerten oder sich intensiv den antiken Historikern widmen, kann aber auch versuchen den Protagonisten über die Schulter zu schauen um über ihre Wesenszüge zu erfahren warum Varus verlor und Arminius gewann. Man kann sich aber auch in Theorien um das beiderseitige Kräfteverhältnis aufreiben um dann zu der nüchternen Feststellung zu gelangen, dass manche Sieger immer nur scheinbar die Besseren waren. Denn schaut man genauer hin so war sehr oft einfach nur der Gegner zu schwach. Mit dem Verlassen des Brakeler Lagers rückte die Schlacht näher und so bieten sich immer wieder neue Anhaltsspunkte mit denen es sich dem Schlachtverlauf näher kommen lässt. Es fängt schon mit der Zugrichtung an die von Brakel aus betrachtet nach Süden zeigte. Man darf annehmen, dass die Germanen von der unzugänglichen Nethetalseite also von Westen her angriffen, da die Römer in diese Richtung keine Verfolgung aufnehmen und ihnen dorthin nicht nachsetzen würden. Und natürlich kannten die Cherusker die uralte Schwerthandtaktik. So waren die Legionäre gezwungen mit ihrer rechten Hand, mit der sie ihr Schwert führten auf der falschen Seite zu marschieren, was den Germanen in die Hände spielte in dem sie in eine ungünstige Position gerieten. So betrachtet standen die Legionen in ihrer Gesamtheit auf dem sprichwörtlich falschen Fuß, als ihnen die ersten Speere von rechts entgegen flogen, denn das abwehrende Schild führten sie in der linken Hand. Sie mussten sich zum Feind drehen hatten sich aber gleichzeitig innerhalb der Marschkolonne fortzubewegen. Da die richtige Körperhaltung und Fußstellung im Nahkampf zwischen Leben und Tod entscheiden konnte, entfaltete auch dieser Umstand seine Wirkung. Und auch auf Varus könnte man dieses Sprichwort übertragen, denn dafür scheint er der richtige Kandidat gewesen zu sein. In seinem Todesjahr hätte man ihm vielleicht ein anderes Talent gewünscht, als sich nach all seinem erfolgreichen Wirken für das Reich nun im Norden auf dem falschen Fuß erwischen zu lassen. Und natürlich hätte ihm auch etwas mehr geistige Beweglichkeit gut gestanden. Denn nach der Beschreibung seiner Person zu urteilen, soll es da bei ihm nicht weit her gewesen sein, wobei ihm zudem die nötige militärische Führungsstärke auch nicht mit in die Wiege gelegt worden zu sein schien. So sind sich alle Historiker, ob sie zu Zeiten des Imperiums lebten oder später versucht haben sich einen unverstellten Blick in die Vergangenheit zu bewahren in diesem Punkt einig und das ist selten genug der Fall. So könnte etwas an den Beschreibungen dran gewesen sein, die uns über seine Person vorliegen und dazu geführt haben, dass es weltweit keine Feldherrnhalle gibt in der seine Büste ausgestellt ist. Milde geurteilt war Varus aber nicht nur ein Opfer besonderer Umstände, sondern ließ sich auch bequem und widerspruchslos und das für alle Zeiten zum Alleinschuldigen abstempeln. Und so wurde er durch sein Schicksal dazu bestimmt uns als Beispiel und zum ewigen Vorbild für menschliches und militärisches Unvermögen und Totalversagen zu dienen. Obwohl wir oftmals verkennen, dass auch Varus nur ein Kind seiner Zeit war und es noch viele andere ?Persönlichkeiten? und auch ?Peinlichkeiten? in der Geschichte Roms gab. Männer, die sich selbst und das römische Reich mehr disqualifizierten oder schlechter repräsentierten als er und die sich genauso ungeniert bereicherten und ihre persönlichen Interessen verfolgten. So wurde er in allen Geschichtsbüchern als der Versager schlechthin gegeißelt, was ihm zu zweifelhafter Unsterblichkeit verhalf. Varus blieb am Ende erfolglos und das war sein eigentlicher Makel, der ihm in Rom nachgetragen wurde. Hohe Verluste an ?Menschenmaterial? ob römischer oder anderer Herkunft und vieles mehr hätte man ihm gerne verziehen, wenn nur am Ende bei allem für das Imperium ein schwarze Null heraus gekommen wäre. Das Maß der Dinge war immer schon der Erfolg und der heiligt bis in unsere Tage leider zu oft die Mittel. Ihm blieb er versagt. Drusus hätte es 11 - bei Arbalo ebenso treffen können, denn er konnte sich aus einem von den Germanen bereits gebildeten Hinterhalt, in dem man ihn schon eingeschlossen hatte noch mit viel Glück befreien. Dann wären beide zu Brüdern im Schicksal geworden und es wäre ihm auch keine ?Trophae Drusus? mehr vergönnt gewesen. Ein Gedenkaltar wie man ihn in antiker Zeit vermutlich an einem für alle gut sichtbaren und häufig frequentierten Drehkreuz errichtete aber nicht fernab in der Wildnis Germaniens, wo er nicht aufgefallen wäre. Wenn auch auf unterschiedliche Weise, so endeten doch beide vor der Ironie der Geschichte als Pechvögel. Aber auf Varus waren alle Augen gerichtet, mehr noch als man denkt. Wie würde er es wohl angehen mit seinen Beratern und Advokaten einem ungebändigten Land eine bürokratische Struktur zu geben. Es in ein Korsett zu zwängen aus dem jedes Naturvolk versuchen würde sich schnell wieder heraus zu winden, da es seine Traditionen nicht aufgeben wollte. Zumal ein Volk mit einer gewachsenen rauen Geschichte, deren Weiber sogar sich und ihre Kinder noch gar nicht lange zuvor in barbarischer Weise im Zuge der Kimbern - und Teutonenschlachten gegenseitig bestialisch umbrachten um mit allen Mitteln ihren Männer auch noch die letzten Kraftreserven abzutrotzen. Die Germanen wurden beschrieben als ein Volk, dass noch urtümlicher und angsteinflößender gewesen sein soll als es die Kelten waren und das nicht viel Menschenähnliches an sich gehabt haben soll außer der Gestalt. Und wer weiß was damals noch alles römischer Feder über sie entsprang, wenn man von diesen Halbwilden sprach, die ihnen gerade noch gut genug dafür waren in den Kampfarenen oder den Steinbrüchen des Imperiums zu sterben. Und Varus sollte im Auftrag des Kaisers diesem Land nun auf ewig den Stachel des Widerstandes ziehen. Aber es kam anders und das Reich sollte noch hunderte Jahre später erleben mit welch menschlichen Urgewalten sie es damals aufnehmen wollten, als immer wieder neue unbekannte Barbarenvölker an ihren Außengrenzen erschienen und diese letztlich überrannten. Varus übernahm die Verantwortung und eine schwere Aufgabe und stand unter der Beobachtung all jener, die schon ihre leidigen Erfahrungen mit den Germanen gemacht hatten, was deren Zuverlässigkeit und Mentalität anbetraf. Varus ging mit Vorschusslorbeeren und höchsten Weihen nach Ostwestfalen um zu helfen die Schatulle eines stets auf finanzielle Mittel angewiesenen klammen Kaisers zu füllen. Augustus der ihm vertraute und es ihm zutraute und der seine fiskalischen Qualitäten und Eintreibermethoden schätzte, ließ sich sicher über sein Wirken Bericht erstatten. Aber Tiberius der Germanenkenner und noch viele andere Kommandanten der Rheinkastelle werden skeptisch gewesen sein. Aber speziell Velleius Paterculus dürfte seine Vorgehensweisen und seine Entscheidungen schon früh mit Argwohn begleitet haben. Sein Ruf und seine stoische Zielsetzung zu vieles vom Tribunal aus regeln zu wollen mag ihm voraus geeilt sein. Seine Kritiker wussten das in Germanien andere Gesetzmäßigkeiten herrschten und könnten schon bei der Nennung seines Namens abfällig gestikuliert haben. So könnten sie ihm auch nur geringe Chancen gegeben haben und setzten keine Erwartungen in ihn. Aber erst recht gönnten sie ihm keine Erfolge. Varus wurde entsandt nicht weil er ein guter Feldherr gewesen wäre und die römischen Legionen gut befehligen konnte, sondern weil man von ihm in Rom erwartete gemeinsam mit den Germanen im Sinne des Imperiums in ein neues römisch geprägtes Zeitalter analog zu Gallien aufbrechen zu können und vielleicht glaubte er sogar selbst, dass es gelingen könnte. So war er als strenger Verwaltungsbeamter sicherlich auch kein Mann der die Auseinandersetzung bewusst suchte oder sie herauf beschwören wollte. Mit der Ausnahme, dass man von ihm keine militärischen Glanztaten und Entscheidungen abverlangen durfte, wird er dem Papier nach auch der richtige Mann für diese Aufgabe gewesen sein. Nur von der Kraft der römischen Gesetzgebung auf Basis von Justitia wollte er das Schwert schwingen und nur im äußersten Notfall sollte es der römische Legionär in die Hand nehmen dürfen. Und selbst noch am ersten Tag der Schlacht handelte er danach. Denn es wurden in der ersten Konfliktphase die Legionäre von ihren Befehlshabern genötigt zurück haltend und besonnen zu agieren um das Erreichte nicht zu gefährden. Sollten sich nicht provozieren lassen und durften keinen unnötigen Groll schüren. Und das zu einem Zeitpunkt, als die Legionäre schon die ersten Wunden am Körper trugen. Für Varus war der Richterstuhl das Symbol von Gerechtigkeit und Befriedung, so wollte er alle Konflikte angehen und lösen und so beschrieb es auch Paterculus. Aber den Befehl an seine Legionäre passiv bleiben zu müssen mochte Paterculus ihm nicht verzeihen, obwohl man ihn in seinen Absichten nachvollziehen kann. Nach Paterculus zu urteilen glaubte Varus er spräche auf dem Forum Recht wie ein Stadtprätor und verhielt sich nicht so wie der Kommandant einer Armee mitten in Germanien. Varus war sicherlich nicht zum Kriegsheld geboren und im Führungsstab früherer Einsätze war er wohl eher der Mitläufer. Aber in Germanien besaß er von der ersten Stunde an die Entscheidungsgewalt die ihm alle Macht auch über Leben und Tod verlieh. Im Waffeneinsatz sah er sicherlich ein probates Mittel und erkannte auch die Notwendigkeiten, aber er setzte es wohl erst im letzten Moment zur Durchsetzung römischer Interessen ein. Germanien sollte er nach der Zähmung in ruhiges Fahrwasser überführen und richtete daher den Schwerpunkt seiner Arbeit darauf aus die Dinge auf dem Wege von Schlichtung und Einigung oder letztlich per Richterspruch aus der Welt zu schaffen und dann erst als letztes Mittel Gewalt einzusetzen. Aber dieses letzte Mittel setzte er im Zuge seiner Urteile zuletzt möglicherweise zu häufig ein weil er spürte, dass ihm die Lage entglitt. Varus war Legat und auf dieser Basis befehligte er auch seine Offiziere und forderte von ihnen die Umsetzung seiner Befehle. Spannungen könnten nicht ausgeblieben sein und ein Generalstab der nicht hinter den Entscheidungen des Feldherrn stand schwächte immer schon die Moral. Sollte Tiberius weitere auch persönliche Ambitionen in Ostwestfalen verfolgt haben, so gab er sie letztlich für den Feldzug gegen Marbod auf. Die folgenden Konflikte in Pannonien und Dalmatien und der Blick auf den alternden Augustus werden seine Überlegungen und Entscheidungen beeinflusst haben. Die militärische Lage machte es Tiberius zudem nicht möglich für Varus bessere militärische Voraussetzungen und Bedingungen für seine Mission zu hinterlassen. Im taktischen Friedensschluss von Tiberius mit dem Markomannenkönig im Jahre 6 + sah man unter den Germanen an der Weser sowohl ein Zeichen römischer als auch markomannischer Schwäche. Alle Völker erkannten nach dem Ausbruch des Pannonienaufstandes die unerwartete Schwäche des Imperiums. Deutlich wurde sie indem man Marbod ungeschoren lassen musste. So konnte auch damals schon Politik sein und Marbod fand sich plötzlich in einer ungewohnt komfortablen Position wieder. Dafür sah er sich sicherlich dem Spott jener Germanen ausgesetzt die ihm vorwarfen, er wäre ja nur noch mal mit Glück davon gekommen und der endgültigen Vernichtung dank des Pannonien Aufstandes entgangen. Wohl gekränkt wartete er auf eine Gelegenheit der beschämenden Erniedrigung etwas entgegen setzen zu können. In den Zeiten des ?Immensum Bellum? der über Germanien Tod und Verwüstung brachte wurden unter Tiberius auf dem Höhepunkt des Erfolges die Weichen für die Provinzialisierung Germaniens gestellt. Der Feldzug gegen Marbod und sein vorzeitiger Abbruch änderten daran nichts und man hielt an dem Plan fest. Das Risiko, dass man dadurch möglicherweise gar mit dem Feuer spielte erkannte man nicht oder man ging es ein. Das von Varus nach Ostwestfalen mitgeführte Militär sollte zuvorderst Pionier- und Aufbauarbeiten verrichten, aber parallel dazu seine abschreckende Wirkung entfalten. Einschüchterung zu betreiben war immer angebracht, nicht jeder Germane hatte in diesen Tagen schon ein römisches Kastell von außen oder gar von innen gesehen aber die römische Bewaffnung hatte sich herum gesprochen. Und der angestrebten Partnerschaft lag die Prämisse zugrunde, dass es sie nur unter römischer Oberhoheit geben konnte. Ungeachtet dessen bestand die Devise wohl darin das Klirren des Metalls der Waffen nicht über Gebühr zu strapazieren. Römische Sommerfeldzüge insbesondere im Jahre 9 + sollte man nicht unbedingt als Kampfhandlungen begreifen. Sie dienten der Präsenz und dem Gehabe einer Großmacht. Varus der amtierende Provinzgouverneur nutzte sie um sich zu zeigen und auch in entlegenen Regionen die Pax Romana zu verbreiten. Da wo es sich anbot Überlegenheit zu zeigen, Eindruck zu hinterlassen und die Heranwachsenden vielleicht schon mal die römischen Waffen berühren lassen tat man es. So passte es und ist auch überliefert, dass Varus den Sommerfeldzug ausgerechnet in jenem kritischen Jahre 9 + ausließ, ihn verpasste oder ihn nicht anordnete weil er es in dieser Zeit für gebotener hielt, in einem festen Lager von einem herrschaftlichen Tribunal aus mehr oder minder schwere Streitfälle unter den Germanen zu schlichten. Man sieht darin bereits einen Teil der germanischen Strategie, in dem man ihn bis in den Herbst an sein Sommerlager band und ihn dort beschäftigte. Die Germanen mussten um diese Zeit bereits tief in die Vorbereitung ihres Unternehmens verstrickt gewesen sein. Denn im Zuge eines Feldzuges, vielleicht besser gesagt einer Sightseeing Tour im Jahr seiner Niederlage hätte Varus auch in Regionen gelangen können, aus denen man ihn fern halten wollte um bei ihm keine Ortskenntnis entstehen zu lassen bzw. keinen Argwohn zu wecken. Er hätte Dinge erfahren können mit denen die Germanen Gefahr liefen sich verdächtig zu machen. Im Sommer 9 + war das Thema Aufruhr noch nicht präsent niemand sprach davon und unnötige Unruhe sollte vermieden werden. Dies könnte ihm entgegen gekommen sein und würde auch zu einem Feldherrn passen, der es vorzog den Hochsommer an der Weser zu verbringen statt in einem ungemütlichen Gefährt oder zu Pferde durch die holprigen Wohngebiete der Germanen zu ziehen. Seine Aufgabe bestand, oder es sah sie darin nach den langen Kämpfen des ?Immensum bellum? den Frieden nach Germanien zu bringen, denn nur in Friedenszeiten lässt sich aus einem Land wirtschaftlicher Nutzen ziehen. Im Herbst 9 + hatte das Lagerleben ein Ende. Sich aber nach einem relativ friedvollen Zusammenleben mit den Germanen noch mal der dunklen Seite der Macht stellen zu müssen gehörte zur leidigen Pflicht einer Söldnerarmee. Man hätte es wohl gerne vermieden nochmal den Waffengurt enger zu schnüren. Aber gerade vor dem Wintereinbruch und einer längeren Abwesenheit galt es für Ruhe zu sorgen und Ordnung zu hinterlassen und schwelende Konfliktherde waren Gift für die Strategie. Alles war sorgsam abzuwägen und die Cherusker die man als Partner aufbauen wollte, bekamen die Gelegenheit ihre Loyalität zu beweisen. Als es dann zum offenen Gewaltausbruch kam wähnte sich eine ganze Armee urplötzlich auf dem falschen Fuß. Als man dieser dann noch von höchster Stelle verbot sich zur Wehr setzen zu dürfen war die Irritation komplett, denn der einfache Legionär konnte nicht nicht Absicht erkennen, die dahinter stand. Ein Hinweis auf eine desaströs verfahrene Lage die an dieser Stelle das ganze Dilemma der Schlacht wie kaum eine andere Überlieferung verdeutlicht. Verwundungen sollte man offenbar widerstandslos über sich ergehen lassen und hatte stoisch am Weitermarsch festzuhalten und wer wollte da zum bösen Spiel noch eine gute Miene machen. Eine schier undenkbare Gemengelage sich in einer Situation zu sehen in der man Gefahrenabwehr betreiben sollte ohne sich zu wehren und keine Gegenreaktion zeigen durfte. Aber in diesen kritischen Minuten bevor man sich sehenden Auges einen Speer in den Leib schleudern lässt, werden Befehle die man für unsinnig hält naturgemäß ignoriert. So ergriffen unter Schmerzen zornig gewordene Legionäre zwangsläufig die Inituative und zogen ihr Schwert. Man versetze sich in die Phase einer beginnenden Schlacht. Alles fängt beim Nahkampf an und es entwickelt sich die hitzige Eigendynamik. Und plötzlich wird man vom befehlshabenden Centurionen zurück gepfiffen. Und dieser handelte auch nicht eigenmächtig, sondern musste ebenfalls dem Befehl seiner Vorgesetzten aus den Manipel und Kohorten folgen und ihn umsetzen. Das der Befehl an die Legionäre passiv bleiben zu müssen nur von höchster Stelle ausgegangen sein konnte dürfte unstrittig sein. Also von Varus und seinem Generalstab die in ihren Köpfen noch eine völlig andere Vorstellung von der Lage vor Ort im hinteren Teil hatten. Ein Beleg und eine Bestätigung dafür wie unübersichtlich sich das Geschehen bereits vollzogen hatte, als es Paterculus ins Geschehen einfügte. Vermutlich erreichten den Führungsstab auf dem Wege der Befehlskette nur Nachrichten von kleinen feindlichen Störversuchen, anfänglichem Säbelrasseln bis zu leichten Provokationen, aber von Speerwürfen war noch keine Rede. Varus gab verständlicherweise die Direktive sich ruhig zu verhalten, sich nicht provozieren zu lassen und selbst auch nicht zu provozieren. Eine aus seiner Sicht nicht unkluge Entscheidung, da ihm und seinen Kommandeuren an der Marschspitze zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß noch nicht bewusst war. Als aber der Befehl das Marschende erreichte, hatte sich die Situation bereits bereits dramatisch verändert und die Wut unter den verwundeten Legionären wird verständlich. Und mitten in dieses Handgemenge platzte von ihren eigenen Vorgesetzten der Befehl zurück zu weichen und sie wurden sogar mit Gewalt an der Gegenwehr gehindert. Velleius Paterculus schreibt dazu, dass einige dieser Legionäre für ihr wehrhaftes Handeln sogar bestraft wurden was es verdeutlicht. Man ging also nicht zimperlich mit jenen Legionären um die nun als Befehlsverweigerer galten und schreckte wohl auch nicht davor zurück die Peitsche gegen die eigenen Männer einzusetzen um die nötige Disziplin im Marschzug wieder herzustellen. Es war die Pflicht und Aufgabe der Kolonnenführer und wir wissen wie andere Legionäre sechs Jahre später am Rhein Germanicus ihre Wunden zeigten die ihnen einst die eigenen Centurionen schlugen. Paterculus der die Abläufe und Details vor Ort gekannt haben dürfte, musste erschüttert darüber gewesen sein, als er erfuhr, dass in der Phase, in der es noch möglich gewesen wäre die Schlacht zu wenden die eigenen Leute vom Waffeneinsatz abgehalten wurden. Und so musste für ihn diese Lagebeschreibung, einem versierten Militärtribun völlig irrational, unverständlich, schier unerträglich und schmerzlich erschienen sein. Wie konnte Varus nur derart widersinnige Befehle erteilen. Zweifellos unterschätzte auch Paterculus und das vielleicht sogar mit Absicht die Probleme die eine lückige Befehlskette samt Zeitverlust mit sich brachte, wenn diese auf einem Marschzug nicht reibungslos funktionierte, da sie möglicherweise schon mehrfach unterbrochen war. Marbod schlug später seine Kerbe an einer anderen Stelle ein. Denn seine Kritik setzte nicht bei Varus ein, sondern er griff die römische Strategie in Gänze an, da sie den Germanen einen leichten Sieg beschert hat. Indem er Rom die zahlenmäßige Schwäche der Varus Armee vorwarf schmälerte er auch gleichzeitig den Sieg der Wesergermanen mit denen er in keinem guten Verhältnis stand. Arminius nicht zum Erfolg zu belobigen aber in gleichem Atemzug Rom Versagen und militärische Fehleinschätzung vorzuwerfen war das taktische Verhalten eines Stammesführers der der Szenerie des Jahres 9 + aus sicherer Distanz beiwohnte und der es sich erlauben konnte. Die Geringschätzigkeit die aus seiner überheblichen Bemerkung spricht wird die politische Lage zwischen Cheruskern und Markomannen verschärft haben. So wird man Marbod im Gegenzug Feigheit vorgeworfen haben als der 6 + die Gelegenheit verstreichen ließ, sich nach dem abrupten Abbruch des Tiberius Feldzuges nicht den abziehenden Römern in den Rücken geworfen zu haben. In Marbod werden die Wesergermanen daraufhin jedenfalls keinen gewachsenen Bündnispartner gesehen haben. Und mit der Weiterreichung des halbverbrannten Varus Kopfes an Marbod im Jahre 9 + war auch nicht das viel zitierte Angebot auf Zusammenarbeit zu verstehen, sondern es war als ein provokatives Zeichen des Sieges zu werten, dass man an der Weser im Gegensatz zur Elbe zu entschlossenem Handeln fähig war. Es war die klare Botschaft mit der Arminius gegenüber Marbod seinen Triumph zum Ausdruck brachte den Marbod seinerzeit verspielte, da er auf den Angriff auf Tiberius verzichtete. So lag darin eher der versteckte Vorwurf Marbod Mutlosigkeit zu unterstellen, woraufhin Marbod Arminius zwangsläufig den nötigen Respekt für seinen Sieg über Varus verweigerte. Vollendet und gesteigert wurde die Schmach der Wesergermanen über Marbod, in dem sie ihm für den Friedensvertrag besser gesagt das gegenseitige Stillhalteabkommen im Sinne eines beiderseitigen Nichtangriffspaktes kritisierten, da ihm dieser von Tiberius wie einem Unterlegenen aufdiktiert wurde. Und ein Passus darin könnte der gewesen sein, dass Marbod die römischen Interessen in Ostwestfalen nicht stören, sich also nicht hinter seinem Rücken auf die Seite der Wesergermanen schlagen durfte. Für Marbod und Rom erwuchs daraus vorübergehend die berühmte ?win win Situation?. Rom bekam Ruhe an der germanischen Nordostgrenze und Marbod blieb an der Macht wurde aber gleichzeitig für die Wesergermanen zu einer ständigen Bedrohung. Eine Situation wie man sie in Rom liebte, bis Arminius sie eines anderen belehrte. Für die Wesergermanen war Marbod zum Römling mutiert, aber in der Unbeliebtheit seiner Person lag man wohl in Germanien als auch in Rom gleichauf. Drei Jahre nach dem Vertragsabschluss des Jahres 6 + war auch Varus nur noch Geschichte. Für Marbod wuchsen die Probleme erst wieder, als sich die Cheruskerkoalition nach Germanicus gegen Marbod wendete. Wie Paterculus, der die Strenge der Befehle zu einem Zeitpunkt kritisierte, als Varus besser zum Angriff geblasen hätte mischte sich also auch Marbod in die damalige Diskussion mit ein. Marbod stand nach der Varusschlacht immer noch in taktischer Treue zu Rom und leitete daher auch Gehorsam das Haupt des Varus wie eine heiße Kartoffel an Kaiser Augustus weiter. Da er vielleicht immer noch einen Angriff des Imperiums auf ihn befürchtete wollte er keinesfalls in den Verdacht geraten mit den Wesergermanen zu paktieren. Augustus wird es als ein Zeichen seiner Vertragstreue verstanden haben. Aber Marbod taktierte geschickt, denn er übertrieb es auch nicht mit seiner Unterwürfigkeit. Augustus in Sorge zu lassen, dass sich die Machtverhältnisse in Germanien doch wieder verschieben könnten gehörte zum Machtpoker. So kritisierte Marbod geschickterweise weder Varus, noch lobte er Arminius, sondern stellte lediglich fest, dass sich die Legionen nicht mit voller Kampfkraft den Germanen entgegen warfen, was deren Sieg erleichterte bzw. begünstigte. Ein deutlicher Affront gegen die Militärmacht Rom und seinen damaligen Oberkommandierenden Tiberius. Ansonsten verging sich Marbod in den zeitgemäßen Schmähreden. Es sind uns aber die wesentlichen Aussagen aus seinem Munde überliefert. So soll Marbod der doppeldeutig blieb gesagt haben, dass der wahnsinnige und unerfahrene Arminius sich fremden Ruhm angemaßt habe, weil er drei ?vacuas Legiones? und ihrem vertrauensseligen Führer treulos hintergangen habe. Marbod sagt, dass Arminius hinterrücks, wahnsinnig und unerfahren war und bringt zum Ausdruck, dass sich Arminius selbst den Sieg an die Brust geheftet haben soll, obwohl der Ruhm den man wohl zweifellos einstrich, eher anderen zugestanden hätte. Hier findet sich eine Spur bzw. ein Hinweis dahin, dass auch andere Germanenstämme beteiligt waren und auch sein Vater Segimer aufgrund der Unerfahrenheit von Arminius einen maßgeblichen Einfluss auf die Vorbereitungen und den Verlauf der Varusschlacht hatte. Segimer der vermutlich in der Schlacht umkam, wodurch erst Arminius an seine Stelle trat. An der Tacitus Überlieferung II. 46 von Marbod, nämlich ?tres vacuas legiones? scheiden sich seit jeher die Geister. Tacitus und Marbod waren keine Zeitgenossen. Marbod starb schon etwa 21 Jahre vor der Geburt von Tacitus. Aber Marbod lieferte uns eine der wenigen zeitgenössischen Begründungen für den Sieg von Arminius und zwar aus einem anderen wichtigen, nämlich aus dem germanischen Blickwinkel betrachtet. Denn er hebt ab auf die zahlenmäßige Unterlegenheit der drei Legionen, die man für den Feldzug dezimiert hatte. So wird gerade er es auch am Besten gewusst haben, warum Varus nicht genügend Kämpfer zur Verfügung gestanden hatten. Wie aber hinterließ uns Marbod seine Einschätzung zum Ausgang der Varusschlacht hinsichtlich der fehlenden Kampfkraft. Gab er sie mündlich weiter und wer schrieb sie auf. Bis sie Tacitus aufgriff muss sie durch mindestens eine Hand gegangen sein. Für Tacitus war Arminius ein strahlender Kämpfer für die Freiheit, während er in Marbod eine beim Volk verhasste Person erkennt, die er wie eine Verkörperung der Willkürherrschaft gegenüber Arminius darstellt. Moralisch wähnte sich Tacitus auf der Seite von Arminius übernahm aber den ihm zugänglichen Unterlagen eine Version, die sich nicht mit diesem Selbstverständnis vertrug. Denn während Arminius bei Tacitus einen hohen Stellenwert genoß, sah Marbod wie Tacitus berichtete in Arminius nur einen unerfahrenen Wahnsinnigen dem ein hinterlistiger Sieg gelang. Trotzdem schloß sich Tacitus der Auffassung von Marbod an, dass Aminius gegen eine personell ausgedünnte Armee antrat und wohl nur deswegen siegen konnte. Vor diesem Hintergrund wäre es daher interessant zu wissen, ob das Wort ?vacuas? aus der Feder von Tacitus und wie es Marbod über die Lippen gekommen sein soll schon Veränderungen erfuhr oder ausgesetzt war, bevor Tacitus es aufgriff oder es anders verwendete. Aus der Sympathie die er Arminius indirekt entgegen bringt aber trotzdem die Herabwürdigung seiner Person durch Marbod thematisiert zeichnet sich Tacitus jedenfalls als ein authentischer also glaubhafter Historiker aus. Den ganzen Schlachtverlauf und zudem noch den Ausgang der Varusschlacht an dem einzigen Wort ?vacuas? festzumachen fügt sich erst ins Gesamtbild wenn man davon ausgeht, dass Tiberius die Varuslegionen dezimieren also entleeren musste um damit sein Truppenaufgebot gegen Marbod aufstocken zu können. Aber die Worte ?vacuae? bzw. ?vacuas? von Marbod lassen sich auch in den Vorstellungen von Paterculus finden. Auch er erkannte sowohl die Schwachstellen der Legionen, als auch die Führungsschwäche des Generalstabes vermied aber vermutlich aus Unkenntnis über den Schlachtverlauf späte Ratschläge darüber, was Varus im Gefecht hätte besser machen sollen. Das Zeitfenster, das Varus zur Verfügung stand um das Ruder noch herum reißen zu können war schmal und bestand nur aus wenigen Stunden. Daraus ergibt sich vielleicht die interessante Fragestellung was Varus in dieser Zeit hätte unternehmen können, um die Schlacht noch abwenden zu können. Etwa der sofortige Befehl zum Rückzug, das aber zu einem Zeitpunkt als er noch auf die Verstärkung durch Arminius wartete ? Schwer vorstellbar. Aber Paterculus hatte es bemerkt, als er die befehlstechnisch aufgezwungene lange Phase der Passivität indirekt als eine Ursache für die Niederlage bezeichnete. Doch was steckt genau hinter dem Wort ?vacuas? aus dem Munde von Marbod. In erster Linie natürlich leer wie entleert und inhaltslos, hohl wie ausgehölt. In der Militärsprache ausgedrückt, zahlenmäßig unterlegen, schwach, aber auch frei, unbesetzt, unbeschützt oder entblößt. Ähnliche Worte verändern auch die Bedeutung. So steht Vacuos für ermüdend, Vacuorum für geschunden oder Vacue = mit leeren Händen. Vacuus = ungerüstet, müßig sorglos und unbefangen. Aber überliefert ist das Wort ?vacuas? dem sich noch eine weitere Übersetzungsmöglichkeit zuordnen lässt, nämlich das Wort ?ausgezehrt?. Das Wort passt noch zur tieferen Begrifflichkeit des Wortes ?vacuas? und bedeutet ausgelaugt, kraftlos und möglicherweise auch noch demoralisiert. Attribute die für eine am zweiten Marschtag erholt ausgerückte Armee ab Brakel nicht zutreffen sollten. Marbod könnte damit zum Ausdruck gebracht haben, das die Legionen auch schlecht geführt oder vorbereitet wurden. Mit der Beschreibung und dem einzigen Wort ?vacuas? könnte Marbod aber genau den richtigen Ton getroffen haben, denn auch er konnte und wollte bei den Legionären kein Fehlverhalten erkennen und könnte wie sein Zeitgenosse Paterculus letztlich auch im Feldherrn Varus zumindest indirekt den Schuldigen erkannt haben, allerdings ohne ihn explizit zu erwähnen, denn etwas Zurückhaltung Gebot ihm der nötige Respekt vor dem Imperium. Arminius gelang es also drei Legionen zu vernichten. Nicht weil sie aus schwachen Kriegern bestanden, sondern weil man sie auch ihrer Möglichkeiten und ihrer Kampfkraft beraubt hatte. Eben aus vielerlei Gründen, die alle an diesem einen Tag im September zusammen fielen und sich gegen Varus verschworen hatten. Aber wieder wird ersichtlich wie schwer es fällt alle Schuld auf Varus zu schieben. (30.08.2021)