Freitag, 22. Juli 2022
Die Knochen der Varusarmee - Ein Akt mit viel historischer Substanz
Dieses Kapitel besteht aus einem umfangreichen Text und es wird daher im Monat Juli auch kein zweiter Abschnitt erscheinen. Germanicus half im Jahre 15 + selbst mit die Knochen zu bestatten was ihm sein Kaiser übel nahm. Aber mit dieser Tat verriet er nicht nur, dass er sich in unmittelbarer Nähe zum "Teutoburgiensi saltu", dem Ort der Varusschlacht aufhielt, sondern auch welchen Weg er dahin nahm. Aber letztlich verdanken wir es nur Tacitus, dass wir überhaupt etwas von diesem mysteriösen Vorfall erfahren haben. Denn nur er hinterließ uns dazu in seinem Jahrbuch 1,60 (3) mit dem Namen "Teutoburgiensi saltu" einen recherchierbaren Anhaltspunkt um damit zu versuchen die Örtlichkeit des einstigen Geschehens wieder finden zu können. Ein Hinweis, der so oft abweichend vom Originaltext "Teutoburgiensis saltus" oder fälschlicherweise "Teutoburger Wald" genannt wird, was sich aber explizit nur auf die Wortwahl "Wald" bezieht. Aber es war nicht nur der Schauplatz wo es passierte, sondern vor allem war es nach dieser Theorie der entscheidende Name dafür wo einst die Varusschlacht endete. Und das sie dort endete sagt uns nicht nur der Hinweis, dass sich an dieser Stelle die nicht bestatteten Skelette der römischen Kämpfer befanden sondern auch, dass Varus sich dort tötete. Denn er tötete sich erst als er die Schlacht definitiv für verloren hielt, denn warum hätte er es schon vorher machen sollen, als er noch die Chance sah zu entkommen. Und während Tacitus den Namen kannte, sagte uns Cassius Dio, dass sich der Marsch in den Untergang über vier Tage hinzog. Und da wo sich der "Teutoburgiensi saltu" befand, sich Varus ins Schwert stürzte und die Schlacht zu Ende ging, da fand folgerichtig auch sechs Jahre später die Bestattung der sterblichen Überreste der Varusarmee statt. Da wo Germanicus die Gegenwart von Varus noch förmlich spüren konnte und wo auch sonst. Es ballte sich also damals alles vor den steilen Hängen der Egge zusammen, die den Legionen das Weiterkommen und damit die Flucht nicht nur erschwerten, sondern es vielen unmöglich machte zu entkommen die die Tücken der Egge nicht kannten. Und geschickt hatte Arminius oder schon sein Vater den Platz gewählt denn es war letztlich die Egge, die die Seele des Hinterhaltes darstellte. Aber nur 1000 Meter südwestlich von Borlinghausen liegt der seltene Fall vor, dass die Egge mal eine steile wenn auch immer noch mühsame, aber doch begeh - und befahrbare Passage zuließ. Viele Hinweise lassen es für realistisch erscheinen, dass es sich bei diesem verborgen liegenden und ansteigenden Bündel aus Hohlwegen um den "Teutoburgiensi saltu" handelt. Denn das lateinische Wort "saltu" steht in der ersten Übersetzungskategorie für Waldschlucht, Waldtal oder Engpass und das lateinische Wort "saltum" für passieren. Die Schriften in altlateinischer Sprache bieten eine Fülle von Worten und Wortverbindungen an, die sich auf diese Weise interpretieren lassen. Erwähnt sei hier nur der römische Pyrenäenpass der "saltus Pyrenaeus" genannte Gebirgsweg der die römischen Provinzen "Hispania Tarraconensis" und "Gallia Narbonensis" miteinander verband. Mithilfe der Zusatzbezeichnung "Teutoburgiensi" bot sich für Tacitus eine weitere Möglichkeit um die Gegend für den modernen Leser zwar nicht auffindbar oder fixierbar, so aber doch begreiflicher zu machen. Damit verlieh er dem Ort der Tragödie einen Namen und verhalf ihm zu einem unverwechselbaren Merkmal unter dem man ihn wieder erkennen kann. Mit seinem literarischen Hinweis gelang es Tacitus auch etwas das Vorstellungsvermögen jener Personen zu schärfen die sein Werk lasen und bot ihnen so noch ein Minimum an Bezugsmöglichkeit. Denn nur mit einer Namenskreation lässt sich in der Historie ein dauerhaftes Charakteristikum hinterlassen. Ein Name der hier zu einem allumfassenden Begriff wurde und der ganzen Varusschlacht zu ewiger Symbolkraft verhalf. Es waren die Worte mit denen es Tacitus gelang die unmittelbare Kampfzone des Desasters einzugrenzen, wo ohne ihn nur ein leeres Blatt geblieben wäre. Erst durch seine Festlegung bekam der Ort seine richtungsweisende Bedeutung und die Kombination aus beiden Worten wurde zum Credo für die ganze Schlacht. Ein Name unter dem man sich damals etwas vorstellen konnte und der sich mehr eignete fest gehalten zu werden, als eine x - beliebige Stelle im monotonen, weitläufigen und welligen Hügelland des Nethegau auszuwählen in dem sich zwar zahlreiche kleine, mittelhohe aber insgesamt namenlose, kaum definierbare Erhebungen und Senken befanden und auch heute noch befinden. Aber unter ihnen war keine Landschaftsform die es mit dem markanten Eggeanstieg, dem heute "Alter Burgweg" genannten Aufstieg bei Borlinghausen hätte aufnehmen können. Nicht allein weil er landschaftlich so prägnant hervor tritt, wenn man sich die dichte Bewaldung weg denkt, sondern weil er seit prähistorischen Zeiten immer schon eine bedeutsame Verkehrsverbindung darstellte und im Zuge der Schlacht für die Letzten zum rettenden Ausweg hätte werden können. Denn mit Ausnahme der Rabenklippen nahe der späteren Brunsburg bot die gesamte Geographie durch die sich die Marschschlacht ab Höxter hinzog keine so geformte Auffälligkeit wie der "Saltus". Und in Verbindung mit der dortigen Niederlage zeigte Tacitus mit dem "Saltus" an, dass sich hier ein kampfentscheidendes Hindernis auftat hinter dem sich die Egge verbarg. Damit stellte er das Dramatische unübersehbar heraus, denn hier ließen die Germanen Varus sprichwörtlich vor eine Wand laufen, die ihm den Weg nach Westen versperrte und was für eine durchdachte Strategie spricht. Den Namen "Saltu" kann man von der Übersetzung, Begrifflichkeit und Bedeutung her als entschlüsselt betrachten, aber es bliebe noch die interessante, wenn auch nicht zielführende Frage offen, ob Tacitus den Namen "Teutoburgiensi" selbst ersann, oder ob die Bezeichnung auf jene Legionäre zurück zu führen ist, die Germanicus den Weg dahin wiesen, denn irgend woher muss er ihn gehabt haben. Aber auch Germanicus selbst könnte den Namen kreiert und für sein Weitertragen gesorgt haben. Schaut man sich den Übersetzungstext von Tacitus an dann könnte man auch zu der Schlussfolgerung gelangen, dass der Name "Teutoburgiensi saltu" aus dem Hörensagen erwuchs, denn es ist die Rede davon, dass sich die Überreste eben dort noch befinden sollen, es sich also daraus keine deutliche Quelle entnehmen lässt. Tacitus wusste es, weil man es viel sagend "so sagte". So klingt es, als ob der Name des "Saltus" von den einst Betroffenen transportiert wurde und er in den Jahren ins Allgemeinwissen übergegangen ist, so dass Tacitus ihn nicht explizit einer schriftlichen Vorlage entnommen haben muss, er es also auch vom Volksmund abgeschaut haben könnte. So könnten ihn auch die Spatzen in Rom förmlich schon von den Dächern gepfiffen haben. Aber Volksburgen also Teutoburgen bauten die prähistorischen Völker nicht in ebener Lage wie etwa dem Nethegau, dafür nutzten sie die möglichst schroffen Höhenlagen. Vor 2000 Jahren konnten die Befestigungen nur jene Personen sehen, die auch an ihnen vorbei kamen andere wiederum kannten sie nur vom Hörensagen. Und an ihnen vorbei kamen im Jahre 9 + nur Überlebenden diejenigen denen damals wie die Überlieferung sagt, die Flucht durch den "Saltus" nach Aliso gelang aber auch diejenigen, die sechs Jahre später wieder den gleichen Weg genommen haben dürften, als sie von Aliso zwecks Bestattung zum "Saltus" ritten. Die Legionäre die in der Schlacht umkamen haben diese Volksburgen zwangsläufig nie vor Augen gehabt, wussten aber noch von der Existenz, denn den Namen "Teutoburgiensi saltu" könnten alle gekannt haben. "Teutoburgiensi", ein Name der übrigens immer noch auf eine klare etymologische Deutung wartet. Denn es könnte nicht nur das erste historisch belegbare Wort gewesen sein, wonach sich die lateinische Sprache am germanischen Wort "Burg" bedient hätte und es in ihren Wortschatz aufnahm. Es könnte sich darin auch noch ein weiteres Lehnwort entdecken lassen, dass die lateinische Sprache dem Germanischen entnahm. Folglich stellte der "Teutoburgiensi saltu" eine seltsame Wortkombination dar die im Zusammenwirken zweier Kulturen entstand und wofür es eine Erklärung geben sollte. Es ist die altsächsische Urform des Wortes "thioda" für Volk dem das Wort "teuto" zugeordnet werden kann. Tacitus, Germanicus oder die Überlebenden ersannen also kein römisches Wort um für den "Saltus" einen Eigennamen zu verwenden, sondern benutzten das Wort mit dem die Germanen den Schluchtweg bezeichneten oder ihn umschrieben haben könnten. Ein Wort aus ihrer Umgangssprache den jene benutzten, die diese speziellen Hohlweg zum Sintfeld nutzten. Für das Wort "saltu" hingegen verwendete man keinen germanischen sondern einen Namen lateinischen Ursprungs. Aber wie übertrug sich der "Teutoburgiensi Weg" in den taciteischen Sprachschatz und in welchem Zusammenhang erfuhr und hörte Varus und seine Armee diesen germanischen Namen für den sie selbst keinen besaßen oder benutzten wollten und hätten dem Passweg auch einen Namen geben wie beispielsweise "Barbare Castra saltu". Arminus könnte den Namen der Teutoburgen genannt und benutzt haben um dem Feldherrn Varus den Wegeverlauf zu beschreiben auf dem dieser nach Beendigung der gerichtlichen Auseinandersetzung wieder Anschluss an die westfälische Bucht finden konnte wodurch dieser sich in die römische Sprachwelt einschlich. Vielleicht eine plausible Erklärung die man demnach aus ostwestfälischen Gefilden nach Rom brachte, wo man sie verschriftete. Und als Germanicus 15 + möglicherweise von dem der Schlacht naheliegenden Fluchtlager "Castrum Aliso" aus zum Saltus aufbrach erwiesen sich die Kenntnisse der Überlebenden als nützlich. Man passierte die gewaltige vermutlich aus keltischen Zeiten stammenden Behmburg die man später unterwürfig in Karlsschanze umtaufte aber ebenso auch die "Alte Burg" oberhalb von Borlinghausen die vor 2000 Jahren noch umfangreicher gewesen sein könnte und eine militärische Anlage mit Wachtfunktion darstellte und möglicherweise noch andere heute nach zahlreichen waldbaulichen Aktivitäten nicht mehr erkennbare Erdverwerfungen auf dem Eggerand. Im weiteren Sinne könnte diese Darstellung auch dafür sprechen, dass sich Germanicus nur auf diesem Weg dem "Saltus" genähert hatte, weil er sich anhand der Teutoburgen identifizieren und besser finden ließ und sogar durch oder an der gewaltigen Behmburg vorbei kam, den "Saltus" aber nicht über den Brakel Umweg erreicht hätte. Aber auch die 21 Kilometer Luftlinie von der "Alte Burg" entfernt liegende Wallburg Gellinghausen könnte bei der Namensfindung noch von Bedeutung gewesen sein. Legionäre auf heilloser Flucht merkten sich nur weniges, aber Teutoburgen gehörten dazu und für sie könnte der "Saltus" zum rettenden Anker geworden sein, aber auch für die die kein Glück hatten wurde er zum Sinnbild einer unerfüllten Hoffnung und blieb für die meisten ein unerreichbares Fernziel. Die Erwähnung dieses denkwürdigen "Saltus" erlebte nur einen einmaligen schriftlichen Niederschlag in den römischen Quellen und das geschah im Zusammenhang mit der Begehung des Schlachtfeldes im Jahre 15 + durch Germanicus samt seinen Gefährten zwecks Knochenbestattung und auch aus dem Bericht von Cassius Dio geht er nicht hervor. Unter den Germanen hingegen versiegte das tiefe Wissen um das, was einst auch diese Gebirgspassage für eine Bedeutung hatte, aber für sie war der Ausgang der Schlacht wichtiger als der Weg durch die Egge. Man darf annehmen, dass der Begriff den Tacitus nur einstreute der aber damals für wenige Tage im Rampenlicht der Weltgeschichte stand für die Germanen keine Bedeutung hatte. Für die Schlacht auch wenn direkt kein germanischer Name überliefert ist und man sich die Frage stellt für wen auch und wie hätten sie sie auch nennen sollen, könnte es im größeren Zusammenhang betrachtet einen wenn auch strittigen Namen gegeben haben. Und auch auf die Gefahr hin, dass es einen erheblichen Aufschrei verursachen würde, es gab ihn. Aber das soll einem späteren Kapitel vorbehalten sein. So könnte sich auf dem Wege eines Tabubruches über die Jahrtausende ein Name erhalten haben und ohne das auffiel, dass er sich mit den Römerschlachten in Verbindung bringen lässt. Aber ein Name blieb garantiert erhalten und er überlebte im Gedächtnis der Menschen die Zeiten. Arminius. Anders verlief die Geschichte in Rom wo der Name "Clades Variana" wie für die Ewigkeit eingemeißelt schien. In der Welt der Naturvölker wird man für Derartiges keine nachhaltigen Begriffe geschaffen haben und über Umgangssprachliches oder Dialektik in damaliger Zeit wissen wir nichts. Aber dafür haben die versteckten Botschaften die Zeiten überdauert denen man im Zuge der Varusschlacht Nachbearbeitung mit dem nötigen Einfühlungsvermögen auf die Schliche kommen kann, denn sie sind zahlreicher als man annimmt und dazu gehört auch ein Name an den wohl die wenigsten denken. Der "Saltus" hatte für die Germanen als Wegstrecke eine große Bedeutung, aber nicht wegen der davor zu Ende gegangenen Schlacht. Dies will aber nicht sagen, dass man für ihn nicht doch in dem Wort "Volksburgenweg" einen Eigennamen gefunden haben könnte, der aber später verging als die Volksburgen an Bedeutung verloren. Für sie war es ein "Eselspad" wie andere auch, also zunächst nichts anderes als ein steiler Pfad der vom Nethegau zum Sintfeld führte. Nicht mehr und nicht weniger. Nach einer mundartlichen Bezeichnung werden wir daher wohl vergeblich suchen. Sich aufwärts zu bewegen ist im althochdeutschen und altsächsischen mit dem Wort "stigan" verbunden, dass sich erstmals im 8. Jhdt. findet. Auch in abgewandelter Form kam es für den Saltus nicht zur Anwendung, obwohl die Egge an dieser Stelle schon seit Jahrtausenden diesen natürlichen Anstieg bot. Im Abschnitt "Wo befindet sich der lang gesuchte Saltus ? Nichts leichter als das" vom 19.04.2018 wurde bereits näher darauf eingegangen. So verwundert es auch nicht, dass hier die Kraft der Vergänglichkeit mit voller Wucht zuschlug und man den Saltusaufstieg heute nur noch nach der einst dort befindlichen Kontrollstelle mit Wachfunktion schlicht den Burgweg nennt. Aber zurück zu Tacitus dem Namensspender, der den Saltus in seinen Annalen erwähnte.

Im Original schrieb er:

"Bructeros sua urentis expedita cum manu L. Stertinius missu Germanici fudit; interque caedem et praedam repperit undevicesimae legionis aquilam cum Varo amissam. ductum inde agmen ad ultimos Bructerorum, quantumque Amisiam et Lupiam amnis inter, vastatum, haud procul TEUTOBURGIENSI SALTU, in quo reliquiae Vari legionumque insepultae dicebantur".

Und übersetzt:

"Im Auftrag des Germanicus zerstreute Lucius Stertinius mit leichter Truppe die Brukterer, die ihre Wohngebiete abfackelten. Unter Morden und Beute machen fand er den Adler der neunzehnten Legion, der mit Varus verloren gegangen war. In einem Zug ging das Heer von da bis zu der entlegensten Grenze der Brukterer; alles Land zwischen Ems und Lippe wurde verwüstet, (MAN WAR NUN NICHT MEHR FERN) "haud procul" vom "Teutoburgiensi saltu", (IN DEM) "in quo", wie man sagte, die Überreste der Varus Legionen unbestattet lagen".

"IN DEM" sollte man wohl weniger wörtlich nehmen, aber die Nähe der toten Körper zur Saltuspassage kommt damit deutlich zum Ausdruck. Germanicus hatte sich also zum "Teutoburgiensi saltu" aufgemacht und nicht nur das, er hatte sich auch in der Region umgesehen und sich natürlich auch das "prima Vari castra" zeigen lassen bevor er anschließend den Toten in Form einer Hügelbestattung gedachte. Möchte man seine von Tacitus überlieferten Stationen bis an diesen denkwürdigen Ort durchspielen, dann stimmen seine Stationen auch mit denen überein, wie es Cassius Dio dargestellt hatte. Germanicus kam von Nordwest und ritt mit seiner Reitertruppe den Hohlweg durch den "Teutoburgiensi saltu" hinab bis zu seinem östlichen Einstieg, passierte dann das letzte Schlachtfeld der Legionen an ihrem 3 und 4. Marschtag nahe Borlinghausen und ritt zunächst weiter in den Fahlenbruch nahe Schweckhausen wo sich der Theorie nach das 1. Varuslager befand. Nach erfolgter Visite ritt er auf gleichem Wege zurück zum "Saltus" und kam dadurch erneut an den Knochen der Opfer vorbei, die sich auf der Ebene zwischen beiden Lagern befanden und die aus den Kämpfen herrührten die die Legionen nach dem Verlassen des "prima Vari castra" zu bestehen hatten. Cassius Dio berichtete es. Dann erreichte Germanicus wieder das Endschlachtfeld in der Nähe des letzten Lagers, dass Varus am Abend des 3. Marschtages errichtete und wo sich im Umfeld die Greultaten ereigneten die Germanicus von den Überlebenden geschildert wurden. Dann schritt er zur Knochenbestattung. Obwohl uns im Gegensatz zu Cassius Dio der Historiker Tacitus keine Erklärungen hinterließ wie die Legionäre die Kämpfe erlebten, so lässt sich doch seiner Zusammenfassung der von Cassius geschilderte Schlachtverlauf entnehmen. Gemeinsam betrachtet lassen sich Anhaltspunkte zur mehrere Tage andauernden Schlacht rekonstruieren, wo sie begann und wo sie endete. Aber der "saltu" wirkte auf die verzweifelten römischen Soldaten wie ein helles Licht am Ende eines mörderischen Schlachtentunnel und immer wieder werden sich die Legionäre mit diesem fernen Zielort Mut gemacht haben. Alle wussten, dass man durch ihn hindurch besser gesagt hinauf musste, wenn man eine Chance haben wollte den Niederungen des Nethegau zu entkommen. Und dort unten wurde auch der Grabhügel aufgetürmt, indem spätere Generationen immer noch annahmen auf Gold stoßen zu können, aber dazu später mehr. Und es war dort wo die letzten großen Kampfhandlungen der zweiten Großschlacht am dritten Marschtag statt fanden und in diesem Umfeld brauchte man auch nicht lange nach Knochen suchen, denn hier lagen die inzwischen zu Relikte gewordenen bleichen Skeletteile noch allgegenwärtig am Boden. Aber nicht nur unter dieser Prämisse betrachtet konnte es gelingen die Varusschlacht bis zu diesem Endpunkt nachzuspielen und zu begleiten, denn es standen außer dem "Saltus" auch noch eine Reihe anderer Ereignisse Pate mit denen es sich bestätigen lässt, dass der heutige Burgweg der zur "Alten Burg" führt identisch mit dem "Teutoburgiensi saltu" sein könnte. Aber das Aufarbeiten der Schlacht und die Suche nach den Örtlichkeiten erfordert es auch noch einen anderen Aspekt näher zu beleuchten nämlich auf welchen Wegen Germanicus 15 + ins alte Schlachtgebiet zwischen Borlinghausen und Schweckhausen vordrang bzw. wie er den Weg finden konnte. Was wir wissen ist, dass er dafür eine Route nutzte die Asprenas zuvor erst noch begehbar machen musste. Vermutlich stand hier weniger die Frage der Begehbarmachung, als das wieder Auffinden im Vordergrund. Was sich der antiken Literatur entnehmen lässt ist, dass er aus dem Bereich der Oberläufe des Ems/Lippe Raumes bzw. der Senne kam wo Stertinius die Verwüstungen bei den Brukterer hinterließ. Des Weiteren erfahren wir, dass er bis in die Randlagen ihrer Siedlungsgebiete vordrang bevor er danach das Gebiet anderer Stämme erreichte. Eine Region unter der man den östlichsten Teil der westfälischen Bucht verstehen kann, denn Germanicus wollte die an der Weser ab dem Nethegau siedelnden Cherusker angreifen Dieser Theorie folgend befand er sich zwischen Paderborn und dem Rand zur Egge in der Nähe zum Örtchen Schwaney, inmitten dessen oder seiner Randlage sich nach dieser Recherche das römische Kastell Aliso befand. So ist Germanicus zuzutrauen, dass er demonstrativ die "Arbalo Tradition" auflebend lassend auch wieder am Ellerbach Quartier bezog. Dort könnte er sechs Jahre nach Varus noch eine in Teilen vorhandene Bausubstanz oder ihre Grundzüge als Zwischenstation genutzt haben. Der Saltus war letztlich an diesem Tag sein Zielgebiet und er befand sich südlich davon und um ihn zu erreichen wird er sich an der Topographie orientiert haben. Um die Tallagen und Bachkerben von Alme und Sorat auszusparen wird, er die Vorläuferwege des späteren Eiser - und Eggeweges als geeignete Leitstruktur genutzt haben die nahe an der alten Behmburg vorbei führten. Hier dürfte also schon die Formgebung der Landschaft seine Anmarschroute verraten haben. Wir kennen zwar den Grund warum er sich zum Saltus begab, aber wir wissen nicht wie viele seiner Männer ihn zu diesem Abstecher begleiten mussten. Schwer vorstellbar, dass er für diesen kurzen Exkurs seine komplette Streitmacht von mehreren Legionen antreten ließ. Denn dieser Feldzug diente einzig der Rache an den Cheruskern und war nicht für Landausflüge vorgesehen. Zudem wollte man die Cherusker anlässlich dieses Begräbnisses auch nicht im Randgebiet ihres Herrschaftsgebietes im südlichen Nethegau bei Borlinghausen heraus fordern, sondern in ihren zentralen Wohnsitzen an der Mittelweser. Germanicus hatte eine gigantische Armee aufgeboten. Caecina befehligte 20.000 Mann, er selbst 30.000, Pedo führte die Kavallerie mit unbekannter Größe heran und die Chauken hatten Hilfsvolk gestellt. Arminius kannte die Kampfstärke von Germanicus überließ ihm den taktisch unbedeutend gewordenen Nethegau links der Weser und wich in den Raum auf die rechte Weserseite aus. Nach dieser Theorie konzentrierte Germanicus seine Hauptarmee zunächst im Raum Aliso/Schwaney von wo aus er über Brakel ins Cheruskerland einfallen wollte. Werfen wir im Betrachtungsgebiet einen Blick auf die Egge und ihr östliches Vorland also den Nethegau und versetzen uns in die Lage der Überlebenden die Germanicus zur Stätte der Trauer führen sollten, dann stellt sich zunächst die Frage über welche Orientierungsmöglichkeiten sie noch verfügten zumal sie sechs Jahre nicht mehr da waren. Ihr Erinnerungsvermögen war dem entsprechend eingetrübt und die Wachstumszyklen hatten in der Zwischenzeit keine Pause gemacht. Grundsätzlich konnten sie nur über zwei Routen imstande gewesen sein zum anvisierten Ort am "Teutoburgiensi saltu" zu gelangen bzw. ihn wieder zu finden, da die damals an der Varusschlacht beteiligten Legionäre nur diese zwei Wege kannten. Dazu gehörte zweifellos der einstige Anmarschweg ab Brakel wo sie noch ahnungslos ihr letztes Ruhequartier vor dem Marsch in die Schlacht bezogen hatten, als man aus Richtung Höxter/Corvey anrückte. Und zum anderen war es der Fluchtweg über den sie einst dem Inferno entkamen, nach dem sie die Eggekante erklommen hatten und nach Aliso/Schwaney gelangten. was für viele zum Auffanglager wurde. Es war der Weg den jene die ihn damals benutzt hatten nun gemeinsam mit Germanicus in entgegen gesetzter Richtung einschlugen. Ein dritter eher unwahrscheinlicher Weg wäre noch längst des Eggeosthanges denkbar gewesen. Dazu hätte Germanicus den vermutlich wegelosen Bereich über Heerse und Willebadessen nutzen müssen. Man darf aber annehmen, dass es dort aufgrund dichter Bewaldung sowie der zahlreichen Quellaustritte kein Durchkommen gab geschweige denn, dass die Überlebenden einen derartigen Weg gekannt hätten. Das die Überlebenden Germanicus nicht über die einstige Kampftrasse von Brakel und Schweckhausen aus nach Borlinghausen führten dürfte auch aufgrund der ungleich längeren Wegeführung naheliegend sein. Denn erst von Schwaney bis Brakel zu reiten um dann von dort aus den Weg zum Saltus einzuschlagen dürfte sich dank des praktikablen Eggehöhenweges erübrigt haben. Hätte er sich wider erwartend doch für die Route über Brakel entschieden wäre es möglicherweise zu einer denkbaren, wenn auch relativ unwahrscheinlichen vorzeitigen Konfrontation mit den Cheruskern gekommen die sich ihm frühestens im Raum Brakel hätten entgegen stellen können. So dürfte der Weg über die Eggehöhen immer möglichst nahe zur Hangkante der wahrscheinlichere gewesen sein. Diese Route bot sich als die schnellste Verbindung von Aliso/Schwaney nach Borlinghausen/Saltus an und einen anderen Weg dürften die Überlebenden Germanicus auch nicht empfohlen haben schließlich agierte man nahe am Feind. Betrachtet man das von gewaltigen Militärbewegungen geprägte Feldzugjahr 15 + mit einem enormen Aufgebot an römischen Soldaten, dann hatte darin dieser Ritt zum "Saltus" nur den Stellenwert eines relativ unerheblichen und nicht Schlachten entscheidenden Nebenereignisses und glich eher einer Randnotiz die aber viel Aufmerksamkeit erregte, da die Berichte aus jener Zeit so dünn sind. Denn in diesem Jahr kam es zu weitaus gravierenderen und erwähnenswerteren Geschehnissen zwischen zwischen Rom und den Stämmen, als auf dieses für einen Auguren frevelhafte tun mit Leichenteilen hantiert zu haben so detailliert einzugehen. Warum es dennoch für Tacitus wichtig war die Knochenbestattung zu erwähnen bleibt sein Geheimnis, sicherlich lassen sich dafür diverse Erklärungen finden sie aber alle spekulativ nachzustellen würde diesen Rahmen sprengen. Jedoch darf man etwas schürfen, denn auch diese Episode könnte wieder mehr verraten, als sich auf den ersten Blick erschließen lässt.

Es ist der wie folgt übersetzte Text, der auf diese Begebenheit eingeht:

"Daher ergriff den Caesar (Germanicus ist gemeint) der Wunsch, den Soldaten und dem Führer die letzte Ehre zu erweisen; das gesamte anwesende Heer befiel eine elende Stimmung wegen der Verwandten, Freunde, schließlich der Wechselfälle der Kriege und des Schicksals der Menschen. Man sandte Caecina voraus, um die verborgenen Waldschluchten zu erforschen und Brücken und Dämme über die feuchten Sümpfe und trügerischen Ebenen anzulegen; dann betraten sie die traurigen Stätten, schmachvoll für den Anblick und die Erinnerungen".

Germanicus selbst kannte also nicht die Orte der Schmach, aber Überlebende der Schlacht wussten sie noch und sie befanden sich in seiner Armee. Ohne sie hätte es das Kapitel "Knochenbestattung" wohl nicht geben können. So könnten es auch nur diese Soldaten gewesen sein, die ihn überhaupt erst darauf aufmerksam machten und ihn in die moralische Pflicht nahmen, sich dieser sakralen Aufgabe anzunehmen. Und ihr Druck auf Germanicus gepaart mit ihrem eigenen Verlangen passt in die Szenerie derer die damals die Hölle miterlebten und ihr entkamen. Germanicus war zunächst Feldherr und er wollte vermutlich nach dem Stertinius die Siedlungsgebiete der Brukterer verwüstete direkt durch marschieren um sich die Cherusker zu greifen, statt einem aus seiner Sicht vielleicht unnötigen Zeitverlust zuzustimmen. Sollte er es halbherzig angegangen sein, dann war ihm daran gelegen es zeitlich nicht ausarten zu lassen, denn er hatte Größeres im Sinn als Knochen aufzuschichten. Im Heer des Germanicus konnte zunächst niemand gewusst haben, dass die Knochen der verstorbenen Varuskämpfer immer noch unbestattet also sichtbar in den Wäldern umher liegen würden aerb man ahnte es wohl, da es dem Zeitgeist entsprach. Der Ortssinn der Überlebenden dürfte gelitten haben und Germanicus wollte für die Suche keine Zeit verlieren. Caecina sein Mann für alle Fälle hatte dem vorzubeugen und bekam den Auftrag sich von den Überlebenden den Weg zunächst zeigen zu lassen um sicher zu gehen, dass sie ihn überhaupt wieder fanden. Natürlich war für Caecina der Weg mit Komplikationen verbunden, daran dürfte es nichts zu deuteln geben, aber durch seine Voraberkundung war nun sichergestellt, dass Germanicus den Schlachtort auch schnell und zielsicher erreichen und wieder verlassen konnte. Ob dazu erst noch der Bau von Brückenbauwerken nötig war mag dahin gestellt sein, denn es gibt keine Fließ - oder Stillgewässer am Eggerand und zudem war man wohl flexibel, da man auf Pferden unterwegs war. Das man das ehemalige Schlachtfeld zwei Mal aufsuchte, zunächst Caecina vorschickte und dann noch mal Germanicus, könnte schon für eine relative Nähe zwischen dem "Saltus" und seinem Befehlszentrum sprechen. So spräche einiges dafür, dass es für Germanicus nicht mehr war, als nur eine schnelle Kavallerieaktion. Denn der von Tacitus abgefasste "Besuchsbericht" fiel relativ mager aus. Das "prima Vari castra" striff man vermutlich aus Zeitgründen nur oberflächlich, überflog es förmlich nur mit Blicken und machte daher nur die wenigen Angaben zum Umfang insofern aus denen man dann kurzerhand schloss, dass es sich dabei nur um die Aktivitäten der drei Legionen gehandelt haben konnte. Auf weitere Details ging die Überlieferung nicht ein. Dann erwähnte Tacitus halbfertige Wälle und Graben und berichtete von Gebeinen, tierischen Gerippen und Waffenresten als auch Schädeln die man an Bäume genagelt hatte und von germanischen Altären. Während man sich zunächst im Bereich des "prima Vari castra" bewegte wo die Schlacht am 2. Marschtag ausbrach begab man sich danach in die Region wo die Schlacht am 4. Marschtag endete, wo Varus sich tötete und sich die Gräultaten zutrugen. So ist es naheliegend, dass sich Tacitus bei der Beschreibung der Schädel und Altäre bereits auf die Gegend bezog, wo Germanicus die Knochen bestattete und das war schon nahe dem "Teutoburgiensi saltu" und nicht mehr im östlich davon liegenden "prima Vari castra" etwa neun Kilometer östlich vom "Saltus" entfernt. So schien das Abreiten des Schlachtfeldes hin zum Fahlenbruch und wieder zurück zum "Saltus" mehr einem zügigen Vorbeiritt geglichen zu haben, als dass man sich einer detaillierten Inaugenscheinnahme gewidmet hätte. Wieder am Endschauplatz vor dem "Saltus" angelangt wird man etwas länger verweilt haben und verließ dort auch die Sättel um sich von den Überlebenden die einzelnen Episoden erläutern zu lassen, denn schließlich starb hier der Feldherr. Man darf auch vermuten, dass die Bestattung der Knochen nicht den Umfang annahm wie es die Überlieferung suggeriert. Man befand sich unzweifelhaft mitten in Feindesland und so überwog mehr das Symbolische der Tat und weniger der Gedanke etwas dauerhaft Langlebiges als Gedenkstätte für die Nachwelt hinterlassen zu wollen. Aber zu einem Hügel dürfte es gereicht haben, den man in der Landschaft hinterließ. Und auch in der Antike sah man darin immer schon stärker den sakralen Akt, während sich für das Volumen und die Dimension eher die moderne Forschung interessierte, geleitet von der Hoffnung davon die Örtlichkeiten abzuleiten oder sogar noch Überreste finden zu können. Für Germanicus könnte es möglicherweise auch nur eine lästige oder gar überflüssige Eskapade gewesen sein um die er sich nicht drücken konnte und so sollte alles möglichst kurzfristig vonstatten gehen. Aber war es wirklich nun das schmerzliche Mitgefühl, das sich über das gesamte Heer gelegt hatte, das ihn letztlich bewog den Legionären nachzugeben, hatte Germanicus nicht vielleicht auch ein persönliches Bedürfnis oder steckte eventuell sogar mehr dahinter. Empfand er Pflicht und Schuldigkeit und hatte das echte Verlangen den verblichenen menschlichen Überresten der einstigen Varuslegionen die letzte Ehre erweisen zu wollen oder sah er sich hier mehr in der Person des Befehlshaber. Denn das alte Varusschlachtfeld zu besuchen bot ihm auch die Möglichkeit die strategische Vorgehensweise seines baldigen Gegners zu erforschen. Und selbst Feldherr, wollte er sich vielleicht ein Bild davon machen um beurteilen zu können woran Varus scheiterte und das gelingt am Besten dort wo dieser seine Niederlage erlitt. Letztlich muss man den Feind studieren, den man bekämpfen möchte und dazu gehörte es auch etwas über seine Taktik zu erfahren. Und hier stand ihm ein relativ aktuelles Anschauungsobjekt zur Verfügung, obwohl es nicht sehr hilfreich für ihn war da die Umstände im Jahre 9 + wie er bald erfahren sollte anders lagen, als im Jahre 15 +. Oder hatte es ganz profane Gründe, da er sich nur gerade in der Nähe aufhielt und er dadurch dem Ansinnen der Überlebenden nach gab. Natürlich handelt ein Feldherr wie Germanicus nicht aus dem Bauchgefühl heraus, wenn man wenig später gegen den größten Gegner des Imperiums jener Zeit zu Felde ziehen will. Für ihn standen Rache und möglicherweise die Wiederherstellung einstiger Machtverhältnisse im Vordergrund und da war kein Platz für Sentimentalitäten. Außerdem gab es da noch einen Segestes der sich erhoffte im Falle eines Sieges die Nachfolge von Arminius antreten zu können oder zu dürfen, zumal seine Chancen mit dem "Thronfolger" Thumelicus im Rücken nicht schlecht standen. Möglicherweise lässt sich dahinter sogar eine Antriebsfeder für die Entführung seiner Tochter erkennen, es ihm also nicht um die Tochter, sondern um den Enkel ging. Das römische Feldherren nicht dazu neigen sich im Krieg an Orte der Schmach zu begeben um dort ihre Trauer öffentlich zum Ausdruck zu bringen oder gar Gefühle zu zeigen, legt den Verdacht nahe, dass Tacitus diesen Vorgang über gewichtet hat. Ob Germanicus die Absicht verfolgte damit unter seinen Soldaten Siegeswillen zu wecken, deren Zorn zu steigern und sie für die kommenden Gefechte anzuspornen wäre denkbar, hätte aber auch das Gegenteil bewirken können indem er damit die Kampfmoral unnötig geschwächt hätte. In dieser Situation am Vorabend einer Schlacht dürfte dies nicht der Grund für den Ritt zum "Saltus" gewesen sein. Aber welche überzeugende Absicht hätte dahinter gestanden haben können, dass er sich dort hin begab und was leitete oder verleitete Tacitus es zu erwähnen. Warum Germanicus den Saltus aufsuchte wird letztlich im Dunklen bleiben, aber der Grund den Tacitus hatte es zu überliefern könnte sich finden lassen. Denn nur Tacitus schilderte die Knochenbestattung, nur er wies darauf hin dass Auguren nicht mit Leichen in Berührung kommen dürfen und nur er bewertete auch den späteren Angriff auf die Cherusker in der Form, als dass man sich ohne Entscheidung trennte. Eine vorsichtige Umschreibung für einen äußerst unbefriedigenden Ausgang. Ein Gefecht, dass nicht nur vielleicht, sondern auch real einer Niederlage gleich gekommen sein dürfte. Erinnert man sich aber an die kolossale Streitmacht mit der Germanicus den Sommerfeldzug aus drei Stoßrichtungen voran trieb muss man dabei nachdenklich werden. Es war ein Feldzug der seinen Anfang mit den Stertinius Verwüstungen nahm, dem die Knochenbestattung folgte und der den Anschein erweckte, als ob man ihn vorzeitig abgebrochen hatte. So darf man annehmen, dass Tacitus die Begebenheit der Knochenbestattung bewusst mit dem Ausgang des Gefechts in Verbindung gebracht haben könnte um damit die unrühmliche gar klägliche bis peinliche Flucht gegen Arminius trotz seiner großen Übermacht zu begründen. Die Moral der Episode wäre demnach die gewesen, dass der der sich die Götter zum Feind gemacht hat auch nicht mehr auf ihre Unterstützung hoffen durfte. Aber die Bestattung war allemal ein Ereignis, dass für die Forschung zum Segen wurde. Vermutlich von Schwaney/Aliso aus anrückend bevorzugte man sowohl übersichtliches Terrain, wo sich zudem besser gallopieren ließ, als auch eine direkt verlaufende und umwegfreie Trasse. So dürfte es ein zügiger Ritt und kein aufwendiger Marschzug zum Saltus gewesen sein wie man unter den gegebenen Umständen annehmen darf und so bevorzugte er es die Stätte der Erniedrigung nicht "per pedes", sondern mit seinen Männern auf dem Pferderücken anzugehen, was in Kriegszeiten allemal ratsamer war. Tacitus der von uns mit Worten wie "dein" oder "medio campi" schon viel abverlangte war noch steigerungsfähig. Denn wir kennen von ihm auch noch die Worte "haud procul", die jeder Freund der Varusforschung verinnerlicht hat. Sie stehen für "unweit" und mit ihnen umschrieb Tacitus eine spezielle Entfernung für die man als Ausgangsort Schwaney annehmen darf. Hier verlief in Form der Egge eine natürliche geologische Abbruchzone mit Barrierewirkung wodurch sich die Region stammesstrategisch gedacht gut von den Cheruskern abgrenzen ließ, während Schwaney auf der Paderborner Hochfläche noch Brukterland war. In gebirgigen Lagen wo sich nach meditteraner Denkweise die Quellgebiete von Flüssen befinden entsprang nach deren Auffassung im Karstgebiet um Schwaney auch die Lippe die sich heute Ellerbach, also Schwarzerlenbach nennt. Der Name der die lateinischen Worte "Aliso negro" für die Schwarzerle im Namen führt und wo sich nach dieser Theorie das Römerlager "Aliso" befand. Dieses Kastell einst vor der Stirn der Feinde errichtet thronte über der Eggekante und bildete den Ausgangspunkt für die Distanzangabe "haud procul" zum "Teutoburgiensi saltu". Dafür, dass Germanicus dafür Pferde zu hilfe nahm spricht eine schon ältere Analyse die wir der beeindruckenden Fleißarbeit von Hermann Neubourg verdanken. Obwohl er im 19. Jhdt. die Varusschlacht im Lippischen Wald vermutete und er seine Recherche darauf abgestimmt hatte kann sie auch für die Suche nach der Varusschlacht andernorts dienlich sein. So unterzog er sich der Mühe diverse Tacitus Textstellen auf die Bedeutung der Worte "haud procul" hin zu untersuchen. Was beinhaltet also "haud procul" bzw. was hat man sich unter dem vergleichbaren Wort "unweit" vorzustellen. Allen erreichbaren Angaben ging er akribisch nach und gelangte immer wieder zu der Auffassung, dass man darunter eine Marschzeit von maximal 3 - 4 Stunden verstehen kann, oft aber auch darunter liegend. So entdeckte er dazu die folgenden neun Hinweise und veröffentlichte sie mit Quellenangabe in der Berliner Philologischen Wochenzeitschrift 1888 im Jahr 1889.

- Haud procul pagayda flumine (Ann. 3.20)
- Haud procul theatro marcelli (Ann. 3.20)
- Haud procul novesia (Historien 4.36)
- Haud procul cremona (Historien 2.23)
- Haud procul castris (Historien 4.22)
- Haud procul tentorio eius barbarus (Ann. 14.24)
- Haud procul astabant (Ann. 14.5)
- Haud procul (Ann. 4.47)
- Haud procul apulis litoribus (Ann. 4.71)

Hätte sich Germanicus also zu Fuß auf den Weg gemacht, dann wäre er von Aliso/Schwaney aus betrachtet maximal 4 Stunden bis zum "Saltus" unterwegs gewesen. Er hätte es mit den Überlebenden dann allerdings aus tageszeitlichen Gründen nur bis dahin geschafft. Hätte dort die Knochen aufgetürmt und wäre dann wieder max. 4 Stunden zum Ausgangsquartier zurück marschiert um nicht übernachten zu müssen. In diesem Falle hätte auch das "prima Vari castra" nahe Borlinghausen liegen müssen, denn darin hatte man sich dann auch noch umgeschaut. Eine Rechnung die man dann allerdings hätte ohne Cassius Dio aufmachen müssen, denn unter Berücksichtigung seiner Darstellung wonach der Marsch vier Tage dauerte wäre sie nicht aufgegangen. Denn dann hätte die ganze Varusschlacht nur nahe Borlinghausen statt gefunden und an den Tagen davor hätte es nicht die Gefechte gegeben die Cassius Dio beschrieb. Man hätte also den neun Kilometer entfernten Fahlenbruch an einem einzigen Tag zu Fuß nicht mehr erreichen können und eine sicherlich ungewollte Übernachtung wäre fällig gewesen. Ein Fußmarsch dürfte daher unwahrscheinlich gewesen sein, so dass man davon ausgehen darf, dass man dafür eine umfängliche Kavallerieeinheit aufgestellt hatte und nur so imstande war die einzelnen Ziele zu erreichen. Einen normalen Tagesritt setzt man mit max. 60 Kilometern an, so dass man bei flottem Galopp und natürlich ohne Pferdewechsel für diese Distanz bei Hin - und Rückritt von Aliso durch die Saltusschlucht bis zum "prima Vari castra" im Fahlenbruch und zurück nur etwa einen Tag benötigt hätte und wäre dann auch ohne Nachtlager ausgekommen. Man unterbrach den Ritt etwa um die Dimensionen des "prima Vari castra" zu inspizieren, um sich im Wald der angenagelten Schädel umzusehen und um den obligatorischen oder mehr symbolischen Knochenhügel aufzustapeln. Abläufe die sich an einem Tag umsetzen lassen der im September aus rund 12 hellen Stunden bestand und man so auch noch das Ausgangslager "Aliso"vor Einbruch der Dunkelheit wieder bequem hätte erreichen können. So war nach dieser Theorie das erste Ziel auch nicht die Stätte wo sich Varus das Leben nahm, denn daran ritt man zunächst nur vorbei um zum "prima Vari castra"nahe Schweckhausen zu gelangen, wo sich das erste Schlachtfeld befand. Nach dieser Überlegung ließ er das letzte Lager nahe Borlinghausen zunächst aus. Im Fahlenbruch sah Germanicus bis auf die einstigen Ausmaße und die unvollendeten Wall - und Grabenanlagen nichts erwähnenswertes und ritt erst im Anschluss daran zurück zum Lager nahe dem "Wald der nassen Wurzeln", das man auch "secundus Vari castra" nennen könnte. Es befand sich demnach nahe Borlinghausen, etwa 9 Kilometer westlich des 1. Varuslagers. Und es war eine Distanz die sich zu Pferde gut überbrücken ließ und bei der man dann unterwegs auch auf weitere Knochen und Relikte der Schlacht rechts und links des "Oberen Bördenweges" stieß. Während man sich am "prima Vari castra" vielleicht auch wegen der Nähe zum Feind nicht lange aufhalten wollte, inspizierte man den Endschauplatz der Mehrtagesschlacht etwas genauer und auch die Örtlichkeit wo sich Varus tötete. Der Überlieferung nach konnten die Überlebenden erstaunlicherweise noch genaue Angaben darüber machen, wo sich Varus und seine Offiziere töteten, wo Arminius seine Rede hielt und wo man in den Bodenlöchern die Gefangenen aufbewahrte. Sollte man sich darunter mit der Hand gegrabene Vertiefungen vorstellen liegt man sicherlich falsch, denn für derartiges war keine Zeit und man dürfte Senken und Gruben natürlichen Ursprungs genutzt haben. Es musste sich bei allem also um exponierte Orte mit gewissen Wiederentdeckungsqualitäten gehandelt haben was in der Region verwundert und nicht für ein waldartiges und einen schwer zu durch dringenden Biotop, sondern eher für eine vegetationsfreie Landschaft spricht. Man wird das letzte Notlager zweifellos nicht inmitten eines schwer zu verteidigenden Waldes errichtet, sondern sich für eine offene Lage entschieden haben in dessen Umgebung die Überlebenden auf die Stationen der letzten Stunden hinwiesen. Gleicht man den Bericht von Cassius Dio mit der Landschaft ab, dann ereigneten sich auf dem Hinweg ab Hampenhausen und um das "prima Vari castra" im Fahlenbruch die heftigsten Kämpfe der gesamten Mehrtagesschlacht, was sich insbesondere aus der Verbrennung des unnötigen Ballastes erschließen lässt und zur zweiten entscheidenden Schlacht kam es dieser Theorie nach auf den bewaldeten Höhenrücken zwischen Löwen, Peckelsheim und Borlinghausen. Im Umkreis des letzten Notlagers wo sich die zweite Großschlacht zutrug konnten die Männer um Germanicus auch noch umfänglich vorhandene Knochensubstanz bergen, da man sie dort noch konzentriert vorfand und sie leichter erreichbar war. Man bestattete sie sicherlich in Fundnähe, wo man sie auftürmte und trug die noch auffindbaren, teilweise schon bemoosten Knochen nicht über größere Distanzen bis zu einer Art "Ossuaire". Zur Begründung warum man sie noch nach sechs Jahren unbestattet und oberirdisch finden konnte, folgt zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Erklärung bezogen auf die örtliche Kraft der Mystik aus vergangenen Zeiten. Aber mit dieser theoretischen Aufbearbeitung lässt sich ein weiterer Bausteinen einfügen. So rückt der Großraum der Varusschlacht immer näher zusammen und fokussiert sich auf ein trapezförmiges Muster mit den vier Eckstationen Sommerlager in Höxter/Corvey, "prima Vari castra" im Fahlenbruch/Schweckhausen, "Teutoburgiensi saltu" nahe Borlinghausen und Aliso in oder um Schwaney. (22.07.2022)