Samstag, 1. Februar 2020
Licht in die Nebel um Kalkriese - Fakten und Aspekte - Die Chasuarier und ihr Weltbild
Die Chasuaren, Hasuarier oder Chasuarier gehörten zu den eher unscheinbaren Germanenstämmen oder Kleinvölkern deren Existenz uns die antike Geschichtsschreibung fasst unterschlagen hätte, so gering sind unsere Informationen über sie. Tacitus erwähnt sie in Kapitel 32 – 34 seiner „Germania“ zusammen mit den Angrivarier, Chamaver und Dulgubnier, die in Norddeutschland nördlich oder nordöstlich von den Chasuarier siedelten. Und in diesem Abschnitt soll es auch nur um den Stamm der Chasuarier gehen von dem uns diese drei vorgenannten Schreibweisen überliefert sind. Die Chasuarier sollten aber nicht mit den ähnlich klingenden Hattuarier, Chattwarier, Kasuarier oder Attuarier verwechselt werden mit denen sie manche Forscher auf eine Stufe stellen möchten. Bei den Siedlungsgebieten dieser Stämme für die uns vier unterschiedliche Namensbezeichnungen bekannt geworden sind, sind sich die Historiker uneins, da sich ihre Zugbewegungen aus den ursprünglich chattischen Regionen Hessens heraus im dunklen Geschehen der Vergangenheit einer genauen Analyse entziehen. So unsicher, dass einige Forscher sogar das „hattuarische Hattingen“ oder Herbede an der mittleren Ruhr noch zu den Wohngebieten der nördlichen Chasuarier zählen möchten, um dann von dort aus eine Siedlungsbrücke ins alte Hasegau schlagen zu können. Auf dieser Theorie basierend ließe sich eine aber nur scheinbar plausible Verbindung herstellen und beide Stämme, also sowohl Chasuarier als auch Hattuarier könnte man somit zu einem einzigen Stamm verschmelzen lassen. Aber man übersah, dass zwischen Hattingen und dem Hasegau nicht nur über 130 Kilometer Luftlinie liegen und sich dazwischen die gesamte westfälische Bucht ausbreitet, sondern sich dort auch noch die Stammesgebiete anderer Germanenstämme wie etwa die der Brukterer befanden. Man sollte hier wohl von zwei getrennten Germanenvölkern ausgehen, denn ein Stammesgebiet von der Ruhr bis in die norddeutsche Tiefebene, also in dieser Dimension und Ausdehnung klingt äußerst unwahrscheinlich. Zumal sich das Stammesgebiet nicht nur in die Länge, sondern natürlich auch noch in die Breite hätte ziehen müssen. Zudem und sehr ungewöhnlich hätte dieser Stamm auch gleichermaßen sowohl Gebirgs- als auch Flachlandregionen mit inbegriffen. Der Zuzug durch die chattischen Hattuarier fand vermutlich erst ab der zweiten Hälfte des 1. Jhdt. statt, denn sie fanden in ihrer neuen Region an der mittleren Ruhr vorher keine Erwähnung. Ihr Siedlungsdruck führte anzunehmenderweise zu Verschiebungen und Überlagerungen innerhalb von Wohngebieten in denen bis dato auch andere Germanenstämme lebten. Völkerkundlich und etymologischen Recherchen und Hinweisen zufolge hatten sich die Chasuarier zwischen den zwei großen nordwestdeutschen Flüssen Weser und Ems nördlich der Mittelgebirge nieder gelassen. Wie alle bodenständig gewordenen Stämme der Zeit lebten sie in verstreut liegenden Bauernschaften und schlossen sich bei Gefahr zu wehrhaften Sippenverbänden auf Basis von Hundertschaften zusammen. Eine Kampfeinheit die eher unseren theoretischen Vorstellungen entsprungen sein dürfte und weniger der Realität entsprach, denn es setzt ein vollzähliges Vorhandensein voraus und suggeriert eine abgezählte Kämpferschar. Über ihre Siedlungsplätze entschied u.a. die Quantität und Qualität des bebaubaren Bodens, die Verteidigungsfähigkeit ihrer Scholle, die Verfügbarkeit von sauberen Trinkwasserschöpfstellen oder Quellen und natürlich, ob genügend Viehfutter also Weideland etc. zur Verfügung stand. Aber auch die Nähe zu dieser bedeutenden Ost - West Verkehrsader war attraktiv und es ging eine Anziehungskraft von ihr aus. Dies könnte auch dazu geführt haben, dass sich die Siedlungsaktivitäten der Chasuaren parallel bzw. im Nahbereich zu diesem Hellweg entwickelten, sich an ihm orientierten, sich um ihn bündelten bzw. an ihm konzentrierten. Sie aber auch im Umfeld der Trasse umfangreicher ausfielen. Ein Verkehrsweg für den der Name Landstraße schon zu kurz greift, denn die Struktur und Verlaufslinie hatte die Geologie schon vor Jahrtausenden im Schatten der Mittelgebirgskette und dem nördlichen Sumpf- und Moorland vorgegeben. Sie war und wurde dadurch mit Abstand zur bedeutungsvollsten ostwestlich verlaufenden Fernverbindung die den Großraum der heutigen Niederlande mit dem südlichen Niedersachsen verband. Sie führte bis an die Mittelelbe und darüber hinaus und vernetzte sich knotenartig mit zahlreichen nachrangigen Querwegen und Pfaden. War aber auch eine zentralgermanische Route die an vielen Schnittpunkten die großen Wege der Völkerwanderungen kreuzte. Es war nicht nur für die Chasuaren eine wichtige Lebensader und damit Fluch und Segen zugleich, sondern auch für alle anderen Stämme die sie nutzten und von ihr abhängig oder betroffen waren. Stößt man also im Umfeld von Kalkriese auf germanische Siedlungsspuren aus der Epoche der römischen Kaiserzeit, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie es waren die dort einst Landwirtschaft und Viehzucht betrieben. An einer großen Verkehrsachse zu wohnen die eigenes Stammesgebiet durchschneidet bedeutete für sie zwangsläufig eine Mittelpunktlage inne gehabt zu haben und auch vermittelnde Funktionen übernehmen zu müssen. Denn auch in Germanien war in kritischen Zeiten ein schneller Informationsfluss vonnöten und der hatte trotz diverser Animositäten untereinander in Notzeiten stammesübergreifend zu funktionieren. Und alle Zugbewegungen auf diesem Weg der sich Hellweg „Unter dem Berge“ nannte erlebten die Chasuaren aus nächster Nähe mit und das mit allen Vor – und Nachteilen und mussten es im leidtragenden Sinne auch über sich ergehen lassen. Also ein Stamm der sowohl davon profitieren, der aber auch damit gestraft war. Der immer direkt oder indirekt in Mitleidenschaft gezogen wurde und der es oft schmählich zu erdulden hatte, dass die durchziehenden Truppen ihr Territorium gefragt oder ungefragt nutzten, weil sie es nutzen mussten, weil sie dort rasteten und sich nach Möglichkeit auch aus der Region verpflegen wollten. Chasuarische Wegeposten waren und mussten sich daher gezwungenermaßen ständig am Hellweg auf erhöhter Warte aufhalten, postieren und präsent sein und sie wussten immer was sich auf ihm tat. Es wird zudem die besagte Kommunikationskette existiert haben die schon von weit her funktionierte, damit ihnen bereits andere Sippen oder Stämme Warnungen zukommen lassen konnten bzw. Botschaften und Nachrichten übermittelten. Dieser Fahrweg war ein ständiger Unruheherd und es ging von ihm eine permanente Gefahrenlage aus, die immer auch einen schnellen Kontakt in die entfernteren Dörfer und Ansiedlungen der Gemeinschaft erforderlich machte. Bereiche in denen die Chasuaren ihre Nahrungsvorräte und wichtigen Güter horteten und wo auch die Schwächeren der Sippe ihr Zuhause hatten und u.a. die Tiere hüteten. Den Hellweg musste man daher seitwärts auf versteckten Pfaden und Bohlenwegen immer schnell und ungesehen erreichen und wieder verlassen können. Auf unliebsame Überraschungen vorbereitet und gefeit zu sein, traf sicherlich für alle Anwohner der großen Hellwege zu und das nicht nur zu jener Zeit. Die nördlich angrenzenden im Moor liegenden trockenen Siedlungsnischen oder gewachsenen warftähnlichen Erhöhungen waren für sie im Ernstfall ihre Überlebensgarantie und man wusste sich zu schützen. Ihr Stamm gehörte nicht zu den Einflussreichsten und sie mussten ihre begrenzten wehrfähigen Kräfte die auf etwa 3000 Krieger geschätzt werden zurückhaltend, bedacht und kontrolliert einsetzen. So war dieser vermutlich relativ kleine aber schlagfertige und ernst zu nehmende Stamm der Chasuarier oft zum tatenlosen Zuschauer des großen Geschehens der Zeit verdammt. Vornehmlich dann, wenn die gewaltigen römischen Legionszüge am rechten Emsufer etwa bei Rheine anlegten um nach Ostwestfalen oder an die Mittelweser aufzubrechen. Dann lagen sie mitten im Aufmarschgebiet, wo die Legionen einst ihre Logistik entfalteten um sich auf den Landweg vorzubereiten und sich konzentrierten bevor sie sich in Feindesnähe begaben. In eine Frontregion in der sie von stärkeren germanischen Kräften bereits erwartet wurden. Auf dem Rückweg zur Ems allerdings mussten sie wieder mehr oder weniger blessiert oder dezimiert die Siedlungsgebiete der Chasuarier passieren. Es war wohl ein frommer Wunsch jeweils im Vorfeld und rechtzeitig von römischer Seite aus in Kenntnis gesetzt zu werden, wenn diese die bedeutsame Verkehrsachse nutzen wollten. Sie hörten damals auch von den unglaublichen Geschichten eines entfernt kämpfenden Feldherrn namens Cäsar, der erstmals sogar eine Brücke über den Rhein gebaut haben soll. Für sie nahezu unvorstellbar, denn sie kannten den Rhein nur als einen sehr breiten Flachlandfluss. Erlebten dann, wie alles mit Drusus seinen unguten Anfang nahm, sich der Krieg unter Tiberius und Ahenobarbus im Immensum Bellum fortsetzte und gerieten wohl in Euphorie als sie vom Ausgang der Varusschlacht erfuhren. Ihre Schreckensjahre erlebten die Chasuaren im Verlauf der Germanicus Feldzüge als die Kämpfe gegen Rom ihren Höhepunkt erreichten. Und sie waren mit die Ersten die hörten, wie seine Schiffe 16 + in der rauen Nordsee zerschellten oder im Wattenmeer stecken blieben, was sie sicherlich nicht bedauerten. Große römische Heeresmassen die im Verbund mit germanischen Söldnern gegen andere Germanenstämme antraten und das Land verwüsteten sahen sie in diesen Zeiten an sich vorüber ziehen. Aber sie spielten immer nur die ohnmächtige Nebenrolle des passiven Betrachters der es nicht wagen durfte römische Machtpläne zu durchkreuzen. Aber nicht nur in der Fisse - Niewedder Senke mussten sie wie kein anderer germanischer Stamm jeden Quadratmeter und jede moorige Untiefe gekannt haben, schwarze Löcher in denen sie ihre Opfer für die Götter versenkten und in die sie nicht unversehens selbst hinein stürzen durften. Denn damals gab es in den Moorgebieten noch die versteckten tückischen mit Moos überdeckten Gefahrenstellen, wie sie heute nur in Märchenbüchern beschrieben werden. Das alles machte aus ihnen einen ernsthaften Anwärter, wenn es um die Frage geht, wer denn 17 + oder 18 + bei Kalkriese gekämpft haben könnte. Als Teilnehmerstamm an der Varusschlacht sucht man sie in den antiken Chroniken vergeblich was auch nicht verwundert, denn von Kalkriese bis ins Nethegau war es für sie kein Katzensprung. Und auch kein römischer Rachefeldzug gegen sie war nötig und wurde uns daher nicht überliefert. Aber in dem Jahr 18 + schlug möglicherweise letztmals auch ihre Stunde, auf die sie sich vielleicht schon lange vorbereitet, was sie aber insgeheim erhofft und erwartet hatten. Aber der stärkere Nachbarstamm der Angrivarier mit dem sie sicherlich auch vielfältig verwandschaftlich verbunden waren, hatte das Sagen und die Vorrechte und verfolgte seine elementaren Interessen. Zumal sie es waren, die nun über Nacht zum römischen Verbündeten avanciert waren. Auch ist es fraglich, ob die Angrivarier seinerzeit über eine geschlossene Führungs- bzw. Oberschicht verfügten in der sich alle über die Vorgehensweise im Zuge der Lösegeldübergabe einig waren. Denn ein Gefangenenaustausch dieser Dimension erforderte eine breite Zustimmung bei der jeder auf seine Kosten kommen wollte. Warum hätten sich also alle an die Vereinbarung halten sollen. Einzelne Sippen innerhalb des Großstammes mögen ausgeschert sein, da sie anderer Auffassung waren, kämpften auf eigene Rechnung verfolgten ihre Pläne und könnten sich selbst am Überfall auf den Wertetransport beteiligt haben um sich zu bereichern. Andere wiederum könnten sich verpflichtet gesehen haben, die Austauschvereinbarung auch ohne den Gebrauch von Waffen einzuhalten. Aufgrund der römischen Schandtaten der Vergangenheit, war der Gedanke an Vergeltung zwar immer noch bei allen stark verwurzelt, aber in diesem Moment könnte nicht nur der Inhalt der Truhen für die Germanen interessant gewesen sein. Denn in diesen Zeiten war es attraktiver weil lebenswichtiger gegenüber einem Feind über die besseren Waffen zu verfügen. Im Nahkampf als auch in der offenen Feldschlacht war die römische Ausstattung seinerzeit führend und unerreicht. Wurfspeer, Schwert, Dolch und die hochwertige Schutzausrüstung der römischen Legionäre stießen vermutlich auf ein weit aus größeres Interesse, als der Klimbim und der Plunder den man ihnen im Austausch gegen die Geisel überlassen wollte und der ihnen sowieso zugestanden hätte oder ein Lösegeld, das in einer Welt ohne Zahlungsverkehr mit Ausnahme des Eigenwertes nur geringen Stellenwert besaß. Da nicht zu erwarten war, dass man den Germanen diese Waffen freiwillig überließ, war auch dies ein denkbares Motiv, um sie sich mit Gewalt anzueignen. Wie die Schlachtentheorie zeigt, war man den Römern an diesem Tag zahlenmäßig überlegen bzw. man hatte sich in geeigneter Weise auf ein mögliches Gefecht vorbereitet. Beste Voraussetzungen um Fakten zu schaffen bzw. die Beuteanteile zu erhöhen. So konnte man sich zusätzlich bereichern und der Verteilungsschlüssel ließ sich enorm zu ihren Gunsten verschieben. Die Gefangenen konnte man irgendwo frei lassen, somit ließe sich der Vertrag sogar in Teilen erfüllen. Für den Angriff auf die römische Karawane ließen sich im Nachhinein auch andere Stämme verantwortlich machen und man konnte sich in geschickten Schuldzuweisungen üben. Und wer damals das Talent hatte Hinterhalte legen zu können um sogar drei wenn auch nicht in Sollstärke befindliche römische Legionen zu vernichten, der konnte auch am Kalkrieser Berg die Falle gestellt haben. Große Teile der Beute gelangten damals sicherlich nicht an die vorgesehenen Adressaten oder an ihre eigentlichen Bestimmungsorte. Ob es letztlich den Germanen gleichgültig war, dass die Schiffbrüchigen oder Gefangenen je wieder römischen Boden betreten würden oder nicht würde schon wieder zu weit ins Spekulative und Konspirative eingreifen. Vielleicht hatte man einige von ihnen auch schon längst als Sklaven weiter verkauft und sie waren schon gar nicht mehr in ihrem Besitz, als es zum Austausch kam. Es musste aber eine gewisse Glaubwürdigkeit und Garantie im Geschäft gesteckt haben, denn auch Römer wollten keine Katze im Sack kaufen und sie wollten vorher wissen, welche Männer man ihnen übergeben würde, welche sie also frei gekauft hatten. Und damit war auch der neuralgische Moment der gesamten Aktion gekommen. Der kritische Augenblick der alles in eine Eskalation führen konnte und letztlich ein Gefecht ausgelöst haben könnte. Letztlich wird es für uns aber genauso unbekannt bleiben, ob dies alles der Grund für die Kämpfe bei Kalkriese war genau so wie die Frage unbeantwortet bleibt, ob die aufregenden Geschichten der heimgekehrten römischen Legionäre „vom Ende der Welt“, so wie es uns Tacitus indirekt mitteilte, nur aus den Mündern jener Legionäre stammten, die aus Britannien zurück kamen und nicht auch von jenen, die in Germanien auf ihren Freikauf warten mussten bzw. wie auch immer von dort frei kamen. Denn kein antiker Historiker verriet uns, ob der Freikauf aller entwurzelten Römer auch ein erfolgreiches Ende nahm und hätten wir nicht Tacitus, wir wüssten nichts von alledem. Denn nur er berichtete uns über einen Rückkauf von Verschollenen unter Mitwirkung der Angrivarier. Und natürlich war es damals ein offenes Geheimnis, welche Zugrichtung der römische Tross samt Geleitschutz und Werten nehmen musste, denn die Regionen waren damals arm an ausgebauten raumgreifenden Wegeverbindungen und die Zustände sicherlich marode und unsäglich und das auch in der besseren Jahreszeit. Wollte man vor 2000 Jahren vom Niederrhein etwa aus Xanten kommend in den Norden bzw. Nordosten gelangen, gab es also nicht viele Alternativen um zu den Angrivariern zu gelangen oder gar weiter zur Weser und oft musste man dazu einheimische Wegeführer verdingen. Wie hätte man also die vereinbarte Geldsumme zu den germanischen Stämmen ins Hinterland schaffen sollen, wenn nicht auf den ebenen begehbaren Wegen nördlich des Wiehen - Gebirgsrückens an dem man sich gut orientieren konnte, da man ihn schon „van wiehen“ aus sehen konnte. Man käme also nicht umhin dafür die Strecke von etwa 140 km Luftlinie von Xanten aus über Coesfeld nach Bramsche einzuschlagen. Sollte man also den Landweg bevorzugt haben, so könnte der Marschzug über Emsdetten verlaufen sein. Hätte man sich für den Wasserweg entschieden, wäre Rheine die Anlegestelle gewesen um die Ems zu verlassen. Von entscheidender Bedeutung bei dieser Theorie bleibt aber die hypothetische Frage, welche Art von Vermittlungsfunktion die Angrivarier in diesem Geschäft eingenommen hatten. Lag ihre Aufgabe lediglich darin den Kontakt zu den Legionen am Rhein herzustellen, etwa mit der Botschaft, dass da noch Soldaten auf die Heimholung warteten. Das man der römischen Administration sagte, wo sich diese befanden und das die Hinterlandstämme dem Austausch nur bei vorheriger Lösegeldzahlung für die befristete „Kost und Logis“ zustimmen würden. Sicherlich hatten die Angrivarier in diesem Zusammenhang ebenfalls Forderungen in Gestalt einer „Aufwandsentschädigung“ geltend gemacht. Aber die unmittelbaren Modalitäten der Gefangenenübergabe auszuhandeln könnte sich wie zuvor dargestellt in der Tat als die Crux erwiesen haben. Denn Rom musste ihnen zwangsläufig auf dem bekannten „halben Weg“ entgegen kommen. Und die Freisetzung von Gefangenen erfolgt in der Regel im Niemandsland bzw. in Grenzgebieten und da boten sich nur die Wohngebiete eines weiteren relativ neutralen Germanenstammes nämlich dem der Chasuarier kurz vor dem Erreichen des von Angrivariern besiedelten Gebietes östlich der Hunte an. Es ist also äußerst schwerlich vorstellbar wie das Prozedere abgelaufen sein könnte. War die Senke vor dem Kalkrieser Berg bereits der vereinbarte Übergabeplatz oder wollten, sollten bzw. mussten die Römer noch weiter nach Osten ziehen. Hatten die Stämme die in ihrem Besitz befindlichen Legionäre schon selbstständig bis dahin geführt, um sie dort zu übergeben und den Gegenwert in Empfang zu nehmen. Oder zeichneten die Angrivarier für den kompletten Austausch verantwortlich in dem sie es waren die das Geld in Empfang nehmen sollten. Um damit dann den weiteren Weg über die Weser nach Norden oder Osten einzuschlagen hatten, um das Lösegeld weiter zu reichen. Oder erst um von dort die Gefangenen zu holen und sie bis zur römischen Grenzzone zu geleiten. Oder was schlecht vorstellbar ist, gestattete man es gar den Römern selbst die Hinterlandstämme aufzusuchen. Dies wäre zweifellos eine sehr mutige Aktion mit begrenzter Rückkehrgarantie gewesen. Denn so kurz nach den Germanicus Feldzügen im ehemaligen Kampfgebiet zu agieren war sicherlich nicht ratsam. Ich plädiere bei der Betrachtung der Alternativen daher für die erste Version. Nämlich die Variante, die eine Übergabe von Geld und Gefangenen unter Beteiligung und Abordnung aller betroffenen Stämme im Grenzgebiet östlich von Bramsche vor sah. Denn hier wurde der Kuchen verteilt und hier wollte jeder sein Stück abhaben. Die alt bekannte und sicherlich auch berüchtigte Heerweg Engstelle am Kalkrieser Berg war allen bekannt und von allen Seiten betrachtet eine Pforte sowohl in die Norddeutsche Tiefebene als auch in Richtung Niederrhein. Weiter ins Inland hätten sich Römer in diesen Zeiten nicht mehr vor gewagt und näher hätte man sie vermutlich auch nicht heran kommen lassen. Aber viel näher als Kalkriese war in diesem Fall auch weder vorgesehen noch nötig. Ab Kalkriese hätte dem auch das seinerzeit weitaus umfangreichere Venner Moor entgegen gestanden und ein Schwenk wieder nach Süden auf Minden zu wäre die falsche Richtung gewesen und hätte keinem Erfordernis entsprochen. Aber die Maultierkarren samt Truhen und Lösegeld konnte Rom auch nicht völlig unbewacht an die äußersten östlichen Hemisphären des Imperiums ins alte Hasegau schicken. Folglich hatte und musste man dem Transport auch begrenzte militärische Kräfte beistellen. Die für 3000 bis 4000 Legionäre Platz bietende später erst entdeckte umwallte römische Anlage die einige hundert Meter westlich vom „Varusschlacht Museum“ ergraben wurde könnte einer Teilstreitmacht der „I Legio Germanica“ gedient haben, der dort ein verlustig gegangenes Mundblech zugeschrieben wird. Dieses Metallteil mit dem eingeritzten Hinweis LPA, das als L(egio) P(rima) A(ugusta) gelesen und der Legio I Germanica zugeschrieben wird spricht dafür, dass diese Legion für die Geleitaktion Männer abgestellt haben könnte, die den Schutz des Konvoi zu übernehmen hatten. Andererseits hätte das Mundblech auch aus einer Schenkung unter Legionären stammen können, denn auch das Gewichten derartiger Theorien gebietet die neutrale Herangehensweise. Zumal Soldaten von Varus als auch von Asprenas also beider Legionen einst gemischt am Rhein stationiert waren. Letztlich war es aber ein römisches Anerbitten um einen Gefangenenaustausch und folglich befand man sich von römischer Seite aus gesehen daher auch in der ungünstigeren Verhandlungsposition. Denn Rom konnte in der Festlegung der Übergabelokalitäten nicht frei gewesen sein und konnte daher auch nur wenig Einfluss auf den Zeitpunkt ausüben, geschweige denn ihn den Angrivariern vorgeschrieben haben. Die Germanen hätten also genügend Zeit gehabt um den Übergabeplatz zu bestimmen. Es dürfte lediglich eine robuste römische Unterhändlerdelegation gewesen sein, die da unterwegs war und man forderte sicherlich, dass Rom mit keinem umfänglichen und bedrohlich auftretenden Heer bestehend aus diversen Legionen anrücken würde, denn das wäre einer neuerlichen Kriegserklärung gleich gekommen und hätte auch gegen die kaiserliche Anordnung verstoßen. Dann wäre dieser Austausch vermutlich geplatzt und weitere wären nie zustande gekommen. Es sollte und durfte daraus also keine Militäroperation und erst recht keine Parade römischer Überlegenheit werden, sondern als Minimalkonsenz lediglich der besagte Gefangenenaustausch und das im kleinen Rahmen. Man musste also eine reduzierte Anzahl sprich eine weniger schlagkräftige Abteilung bzw. Vexillation dafür abordnen, was erklären würde, dass man in Kalkkriese auch auf keine größeren Skelettfunde mehr stieß. Die Germanen ließen möglicherweise sogar viele Legionäre bewusst flüchten bzw. entkommen, um keinen neuen Kriegsgrund zu entfachen, da es den Germanen in erster Linie um die begehrten Güter und Ausrüstungen vielleicht auch um die Pferde ging und man an einem Großkampf kein Interesse zeigte. Leicht und ohne große Anstrengungen sollte es möglicherweise ablaufen. Ungeachtet dessen bleibt ein Gefangenenaustausch mit ehemaligen Kriegsgegnern immer ein gefährliches Unterfangen, auch wenn man in den Angrivariern den möglichen Wolf im Schafspelz als Vermittler gewinnen konnte und man sie in die Verhandlungen eingebunden hatte. Denn mit der Zuverlässigkeit bei der Einhaltung von Verträgen hatte man bekanntlich im Imperium mit den Germanen leidige Erfahrungen gesammelt. Dem Transport den Anstrich einer friedlichen Mission zu geben musste also das Gebot der Stunde sein. Und dafür galt es eine geeignete Strategie zu entwickeln um den Austausch in geordneten Bahnen abzuwickeln und ihn nicht scheitern zu lassen. Ein Hinweis dafür könnte sich unter den bei Kalkriese gefundenen Teilen finden lassen. In den Angrivariern fand man offensichtlich einen brauchbaren oder auch den einzigen Vermittler und neuerdings auch einen Partner des Vertrauens. Trotzdem blieb es eine prekäre Mission, zu der man nach Germanien aufgebrochen war. Es galt beschwichtigend aufzutreten und an das Ehrgefühl der Germanen zu appellieren, sofern es etwas derartiges in den damaligen Zeiten noch oder schon wieder gab und man zog vermutlich vorher alle Register um sich des gegenseitigen Vertrauens zu versichern. So war es ein probates Mittel und es könnte ratsam gewesen sein, alles unter dem heiligen Siegel einer humanitären Maßnahme ablaufen zu lassen. Denn man hatte schon auf dem Hinweg nach Kalkriese bedenkliches Gelände zu durchqueren und befand sich am angedachten Übergabeplatz bereits in Feindesland. Weiße Fahnen schwenkte man damals noch nicht, aber einen derartigen Marschzug mit den nötigen höheren Weihen auszustatten, könnte dazu geführt haben, dass man ihm auch eine äußerlich sichtbare Symbolik verleihen wollte. Der Marschkolonne eine übergebührlich hohe Anzahl frommer Kultpriester aus der Kaste der Auguren beizustellen um damit die Germanen zu beeindrucken und den besonders religiösen Charakter heraus zu stellen, könnte ein probates Mittel gewesen sein, ihn für alle deutlich als unantastbar auszuweisen. Auch Karl der Große nutzte ein derartiges Respekt einflößendes äußeres Erscheinungsbild um später die Sachsen mit einer stattlichen Anzahl von Kirchenmännern schon rein optisch zu beeinflussen. So verlieh man auch dem römischen Marschzug Würde aber auch Fairness, machte ihn zu einer imposanten Demonstration und gab ihm damit die Bedeutung übergeordneter Interessen. In vorchristlicher Zeit hatten noch die Götter bei Weihe, Zeremonien und großen Prozeduren das letzte Wort und so wollte man versuchen das ganze Geschehen dem Schutz der göttlichen Mächte zu überantworten. Man musste alle Germanen davon überzeugen den Zug ungestört passieren zu lassen und alles zu tun, damit sie ihn nicht ausplünderten. Und das Wort „ausplündern“ könnte es getroffen haben, denn für die Germanen waren die zum Freikauf gedachten Mittel auch nichts anderes als römischer „Plunder“. Um alles zu einem würdigen Akt hoch zu stilisieren ließ man zahlreiche Lituiträger oder Priester mit marschieren. Auch ein jüngst ausgegrabenes Schloss weist auf den Transport von Truhen hin, die durch die Engstelle am Kalkrieser Berg bzw. bis dahin transportiert wurden und Schatullen und ähnliches sprechen ebenfalls für einen wertvollen Inhalt. Die gewählte Örtlichkeit war wie man heute noch gut nachvollziehen kann, wie geschaffen für einen Hinterhalt. Aber eine Falle der man es ansehen kann, dass sie eine ist, ist bekanntlich keine. Römer die sich in eine derartige Übergangszone zwischen Sumpf und Hanglage begeben um dort den Austausch durchzuführen, sollten sich der geographisch heiklen Lage bewusst gewesen sein. Inmitten dieser Engstelle hatten sie ein Marschlager, dass bereits vor dem vermeintlichen Gefangenenaustausch vorhanden gewesen sein könnte und man in den Kontext der Germanicus Feldzüge einordnen könnte, dessen Truppen diese Route genutzt hatten. So wurde diese beiden Völkern bestens bekannte Örtlichkeit auch ausgewählt um dort den Gefangenenaustausch statt finden zu lassen und das Lösegeld zu übergeben. Ein Gefangenenaustausch ist wie der Name schon sagt keine Einbahnstraße sondern ein Tausch, denn man darf annehmen, dass in Kalkriese Gefangene aus beiden Lagern übergeben wurden. Ein normaler Akt und somit ein übliches Prozedere wie man es im Vorfeld ausgehandelt hatte. Während die Angrivarier jene Legionäre übergaben die den Schiffbruch überlebten, befanden sich auf Seiten der Römer germanische Kriegsgefangene, darunter möglicherweise auch höher gestellte Fürstensöhne resultierend aus den Gefechten der Germanicus Schlachten. Männer die auf diese Weise das Glück hatten, wieder in ihre germanischen Wohnstätten zurück kehren zu können. Im Zuge des durch das außer Kontrolle geratene Zusammentreffen entstandene Gefecht, konnten diese Germanen von ihren Landsleuten befreit werden. Germanen die einen Wert darstellten und denen man von römischer Seite auf dem Weg zur vereinbarten Begegnungsstätte Fesseln und ähnliches angelegt hatte um ihre Flucht auf dem Marschzug zu verhindern. Ein Beweisstück dieses Verfahrens fand sich jüngst auf dem Schlachtfeld nahe dem Kalkrieser Berg, denn es konnte ein Fixiereisen ausgegraben werden. Es lag vermutlich noch neben den vergangenen sterblichen Überresten seines Aufsehers eines römischen Legionärs von dem die Schildpanzerelemente übrig blieben. Ein einmaliger Fund, den man allerdings in einen umgekehrten Kontext setzte in dem man annimmt die Germanen hätten einem römischen Legionär eine Halsgeige umgelegt um sich ihn für eine spätere Opferung aufzubewahren. So scheint es denkbar, dass man das ringförmige Eisenteil dem einstigen Bewacher nach seiner Ermordung auch hinter her geworfen haben könnte. Man darf nicht außer acht lassen, dass immer noch nach Argumenten Ausschau gehalten wird, um damit bei Kalkriese den Austragungsort der Varusschlacht begründen zu können. Aber was verrät uns unsere Phantasie noch zum Hergang des Gefechts. Möglicherweise war es anfänglich noch eine friedliche Begegnung oder sollte es sein. Ein Austausch den man einvernehmlich gestalten wollte. In dem sich vielleicht schon der Charakter eines bilateralen Neubeginns abzeichnen sollte. Denn ein Gefangenenaustausch war immer das deutliche sichtbare Zeichen für eine Beruhigung der Lage und eine wenn auch langsame Rückkehr zur Normalität. Römischerseits hatte man die Germania Magna aufgegeben, bzw. überließ sie sich selbst und der Handel trat nun stärker in den Vordergrund. Wir kennen noch nicht den einstigen baulichen Zustand des ergrabenen römischen Lagers, aber es kam vermutlich nicht von ungefähr, dass es sich genau dort befand, wo später das Gefecht tobte. Möglicherweise bot es sich an um darin den Abschluss eines gelungenen Geschäftes zu begehen oder gar zu feiern. Römischer Sitte und Gepflogenheit entsprach es derartige Gelegenheiten zu nutzen um ihre kulturellen Errungenschaft und ihre Überlegenheit in jeder Hinsicht zu zeigen. Eine repräsentative und gepflegte Tischsitte gehörte allemal dazu und alles sollte wie es auch die mitgeführten Millefiori Gefäße zeigen, die in Form von Scherben nachweisbar sind, gebührend ausgestaltet und geschmückt sein. Auch das in Kalkriese gefundene Relikt eines Weinsiebes und diverse Porzellanscherben belegen den Charakter einer besonderen Veranstaltung. Alles war Bestandteil einer kultivierten Tradition die man aber auch zur Schau stellen wollte um zu beeindrucken. Das alles nicht in der gewünschten Weise verlief war nicht Teil des Planes und nicht zu erwarten gewesen. Möglicherweise konnte man sich nicht einig werden und es waren zu viele germanische Stämme mit unterschiedlichen Vorstellungen am Geschäft beteiligt die unter sich uneins waren was plötzlich alles in Gewalt umschlagen ließ. War das Lager vorher schon von Chasuariern, Angrivariern und möglicherweise auch von Arminius umstellt worden, als die römische Delegation eintraf und dort in einen Kessel lief. Geriet alles außer Kontrolle und endete dann für die Legionäre in einer heillosen Flucht. Stammten etwa die vielen Münzfunde in der Region schon gar nicht mehr von flüchtenden Römern, sondern von Germanen, die sie gegen andere Germanen verteidigten und dabei verloren hatten. War es gar schon fasst ein Kampfgeschehen von Germanen untereinander. Aber im Zentrum befand sich ein Kleinlager, das von den römischen Legionären als Übergabetreffpunkt genutzt wurde, sich dann aber auch zum letzten Zufluchtsort entwickelt haben könnte, wie die Einsturzstellen belegen. Wurde es dann auf Basis dieser Überlegung während des germanischen Überfalls komplett verwüstet. Dieses im Boden nach gewiesene römische Etappenlager, das im Zuge der Kämpfe seine einst vorhandene Schutzfunktion gänzlich verloren hatte, könnte von den Legionären die den Transport mit dem Lösegeld begleiteten noch am Vortag auch als Übernachtungs- bzw. Rastlager genutzt worden sein. So könnte man den Wertetross in diese Engstelle geködert haben, ihnen auch germanisches Geleit zugesichert, aber sich nicht daran gehalten haben und über anders gesinnte Germanen will man gar nicht erst spekulieren. So wollten sich die örtlichen Germanen vom Stamm der Chasuarier diese günstige Gelegenheit auch nicht entgehen lassen und konnten nun Rache nehmen an den schmachvollen und erniedrigenden Begebenheiten und Begegnungen der Vergangenheit, denn da gab es sicherlich einiges, dass es noch abzurechnen galt. So konnte man sich auch in den Besitz der kostbaren Fracht bringen, bevor diese in die Hände anderer Stämme gelangte. Es ist also vieles denkbar, denn Lösegeldübergaben hatten immer eine lange Vorgeschichte und entwickelten, siehe der Fall des „Richard the Lionheart“  immer schon ihre eigene Dynamik und schrieben selbst Geschichte. Wir stünden also womöglich in Kalkriese am Schauplatz eines missglückten Freikaufgeschehens, dass der antiken Geschichtsschreibung nicht viele Zeilen wert war. Es könnte aber wie angedeutet später auch noch zu einem Gefecht unter rivalisierenden germanischen Stämmen um den Beuteanteil gekommen sein, ein Szenario, das sich dem Überfall anschloss und schon würden erneut einige andere Theorien ins Wanken geraten. Möglicherweise war dies die letzte Tat die Arminius einfädelte und ausführte bevor er sich zurück zog und selbst in die Geschichte ein ging. Denn in der Bemerkung von Strabo schwingt auch noch etwas von Wehmut bei gleichzeitiger Achtung für diesen Mann mit, die man dem großen germanischen Feldherrn Arminius der “noch jetzt“ neun Jahre nach der Varusschlacht kämpfte entgegen brachte. Arminius ein Supertalent und eine Ausnahmegestalt gleichermaßen, dem es gelang seit den Pannonienschlachten des Jahres 8 + bis etwa ins Jahr 18 + mit klarem Kopf und offensichtlich körperlich unversehrt militärisch zu wirken. Er musste über eine übermäßige sich von den anderen Germanenoberhäuptern abgehobene Natur verfügt haben die auf auf exzellente Gene schließen lässt. Ein Mensch wie eine Lichtgestalt bei dem es uns nicht verwundern sollte, wenn ihn seine Stammesgenossen später auf ein höheren übernatürliches Podest stellen wollten. Kalkriese war der Grund dafür, dass Strabo nach dem Jahr 17 + noch einmal fest halten wollte, dass Arminius „immer noch“ kämpfte. Ich spielte zwar bereits mit dem Gedanken, dass Strabo in der Summe betrachtet, alle germanischen Kämpfe gegen Rom in dieser Zeit als Taten unter dem Kommando eines Arminius sah, obwohl dieser schon gar nicht mehr unbedingt selbst daran teil genommen haben musste. Aber er gibt uns doch den wichtigen Hinweis, dass in Germanien auch nach 16 + wo auch immer noch gegen Rom gekämpft wurde. Ich möchte diese denkbare Variante als eine weitere Erklärung für die Schlacht am Kalkrieser Berg vorschlagen bzw. nicht unerwähnt lassen. Wie beschrieben liegt es also auch im Rahmen des möglichen, dass es sich bei den Funden in der Niewedder Senke um das Lösegeld für die in germanischer Gefangenschaft befindlichen Römer gehandelt haben könnte. Denn ein Geldtransport weckt sicherlich zu allen Zeiten und unter allen die davon wussten lebhafte und heftige Begehrlichkeiten zumal der Zorn aus früheren Zeiten hier noch beflügelnd nach wirkte. Man könnte vielleicht den Streuwinkel und die darin gemachten Funde unter diesem Gesichtspunkt neu bewerten, denn der Marschzug wäre dieser Hypothese zufolge statt von Ost nach West von West nach Ost unterwegs gewesen. Man könnte so betrachtet vor allem in den nördlich von Kalkriese gemachten Münzfunden durchaus sichtbare Hinweise dafür erkennen, dass dort Germanen untereinander kämpften, denn den Legionären war hinreichend bekannt, dass es für sie in die nördlichen Richtungen keinen Fluchtweg gab, sondern nur Sumpf und Morast. Im Zuge der Auseinandersetzung erreichte dann ein Teil der Geldsumme auch nicht die ursprünglich angedachten germanischen Empfänger, sondern blieb 2000 Jahre im Erdreich bei Bramsche verborgen. Die Frage nach dem Verbleib der Geiseln muss hier zwangsläufig unbeantwortet bleiben. Laut Tacitus wurden diese von den Angrivariern an die Römer zurück gegeben. Man kann also annehmen das, wenn auch nicht alle in Freiheit gelangten, sich doch einige Schiffbrüchige an den Rhein retten konnten. Sich Gedanken hinzugeben, ob dies den gefangenen Legionären nur gelang, weil sie sich im Zuge der Auseinandersetzung bei Kalkriese selbst befreien konnten, sie befreit oder frei gesetzt wurden, oder ob Tacitus keine erneute römische Niederlage eingestehen wollte, oder es nicht besser wusste, würde zu weit führen und man kann es getrost dem freien Spiel der Spekulation überlassen. Man erkennt anhand dieses kurzen Denkanstoßes aber auch wie schnell der Boden einer vermeintlichen Objektivität unter unseren Füßen schwinden kann. Germanien hatte seine Eigenarten, war wie alle Großregionen ein Land der Widersprüche und ihre Bewohner waren unberechenbar wie es jeder Menschenschlag ist. Und fremde Kulturen die es gewohnt sind nach eigenen Gesetzmäßigkeiten zu urteilen, tun sich im Umgang mit Völkern immer schwer, die auf anderen Traditionen aufbauen. Wir erleben es in unseren Tagen, wie komplex es sich gestaltet, wenn wir europäische mit orientalischer Gesetzgebung verbinden wollen. Aber damit nicht genug, denn es ließe sich noch ein weiteres Argument anführen, womit sich neben dem Lösegeld auch ein Warenaustausch mit dem Ziel eines Gefangenenfreikaufes begründen ließe.(01.02.2020)

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Freitag, 10. Januar 2020
„Kalkriese“ - Was sagen die Völkerkundler
Welcher Geschichtsfreund bevorzugt nicht die harten Fakten und vernachlässigt dafür die weichen. In der Archäologie stehen daher zunächst einmal jene Funde am unteren Ende der Beliebtheitsskala, die sich einer handfesten zeitlichen Bestimmung entziehen und auch keine sichere Zugehörigkeit bzw. Zuordnung hinsichtlich Funktion oder Nutzung gestatten. Andererseits sind es aber gerade sie, die die Forschung besonders faszinieren, anspornen und inspirieren. Unsicherheit in Klarheit zu verwandeln ist das Ziel, denn sie könnten noch einiges verbergen, was sich bislang unseren Blicken entzog und was uns neue Erkenntnisse nicht nur versprechen sondern auch verschaffen könnte. Aber hier beschäftigen wir uns mit der Örtlichkeit um Kalkriese im ethnologisch geographischen Sinne. Das markante Wort „Kalkriese“ ist durch seine spektakulären Funde bereits zu einem internationalen Synonym und Begriff antiker deutscher Schlachtfelderforschung geworden. Aber es fehlt uns dazu nach wie vor das Wesentliche. Nämlich die fixe Jahreszahl, wann dort das möglicherweise legendäre Gefecht statt fand. Wüsste man es könnte man daraus weitere Schlüsse ziehen, ein neuer Kontext ließe sich erschließen, vieles wäre rekonstruierbar und eingebettet in die literarischen Fakten der antiken Historiker würde so manches plausibler werden. Aber wir vermissen eben den wichtigen zeitlichen Bezug und damit den härtesten aller Fakten um die Varusschlacht wie ich meine vom Nethegau ins Hasegau verlegen zu können. Folglich können wir auch keine tiefer gehenden und eindeutigen Schlüsse aus jenem Kampf ziehen, von dem uns nur die Bodenfunde offenbaren, dass dort einmal die Waffen ultimativ gegeneinander geschlagen wurden. Oftmals verläuft derartiges auch in die entgegen gesetzte Richtung. Dann wissen wir zwar von einem Ereignis, vermuten in groben Zügen auch die Örtlichkeit, kennen sogar den Grund der Auseinandersetzung, finden aber das dazugehörige Schlachtfeld nicht. Ein Beispiel dafür ist die weit aus größere Hunnenschlacht 451 + auf den katalaunischen Feldern. Hier haben wir es mit der umgekehrten Lage zu tun, indem wir von einer Schlacht wissen, aber das dazugehörige Schlachtfeld noch nicht gefunden haben. Im Falle dieses Blog Buches „Vom Sommerlager in den Untergang“, schwebt mir an Hand zahlreicher Hinweise und Theorien zwar der Verlauf und die Streckenführung des mehrtägigen Marschgefechtes in Ostwestfalen vor, aber die Funde bleiben aus. Wofür es allerdings auch gute Gründe gibt. Man kann sich nun aussuchen welches von beiden das Angenehmere ist. Ein Schlachtfeld mit Funden, dem der Kontext fehlt, oder ein Schlachtfeld ohne Funde, dafür aber mit Kontext. Doch zurück zu den Beweis kräftigeren, da sichtbaren Relikten, die man erst ergraben und frei pinseln musste. Abgesehen von den Bodenverfärbungen, kann man vereinfacht sagen, das alles was hart ist meist auch langlebig ist. Folglich besteht es aus Metall oder aus gesteinsartigen oder gesteinsbildenden Substanzen bzw. Mineralstoffen wie Glas, Porzellan aber auch Knochen. Während sich die weichere Biomasse schneller zersetzte und über die Jahrtausende verging oder sich verflüchtigte, kann sich Metall auch noch im verklumpten Zustand, genauso wie Knochen aber auch organisches Material bei optimalem ph-Wert länger im Boden erhalten. Daher kommt auch den noch in Spuren vorhandenen, weil daran anhaftenden Begleitelementen bei der zeitlichen Bestimmung des Objektes eine Bedeutung zu. Da uns zudem auch keine schriftlichen Zeugnisse darüber bekannt sind was dort passiert ist und was uns die Geschehnisse an jenem „Riesen aus Kalk“ erklären helfen könnte, bleibt es ein Buch an dem noch alle sieben Siegel so gut wie unbeschädigt sind. Die Vorgehensweise ist der Wissenschaft verpflichtet und die Archäologie muss es so handhaben. So sind zwar die Prioritäten gesetzt, aber viele andere und nicht weniger interessante Betrachtungsfelder bleiben leider zu oft auf der Strecke oder werden unterschwellig gesehen meines Erachtens zu wenig in die Deutung mit einbezogen. Den Begriff „Fakt“ was seine Zielrichtung anbelangt zu definieren wäre abendfüllend, ich möchte es daher vereinfachen. Wir haben also diese harten Fakten, sowie die weichen Fakten die noch auf ihre Deutung warten, aber auch noch die „butterweichen“ Fakten. Und sie verbergen sich hinter den Seelen der Spezies „Mensch“, also hinter unseres gleichen. Blättert man in den Büchern der älteren oder klassischen Literatur wird einem schnell bewusst, dass wir uns in den letzten 2000 Jahren und noch weit darüber hinaus im Wesen nicht grundlegend verändert haben. Es ist das Spiel der Ewigkeit. Tugenden waren immer schon Mangelware, aber auch der Zwang in Notlagen zusammen halten zu müssen sitzt tief und lässt die Menschen wieder auf sich zugehen. Wir kennen das. Diese kurz eingeschobenen Kapitel sollen aber einen vorsichtigen Beitrag dazu leisten in dem sie einen kleinen Teil dessen aufzeigen könnten, der uns verloren gehen kann, wenn wir unsere Gedanken in Bezug auf die Vorgeschichte und den möglichen Hergang der Schlacht bei Kalkriese nicht den freien Kräften unserer Visionen überlassen. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt formulierte es einmal sehr drastisch mit den Worten: "Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen", was zweifellos wie ein abfälliges Totschlagargument gegen das Intuitive und das Vorstellungsvermögen aller Visionisten unserer Zeit klingt. Er mag vielleicht Recht gehabt haben, aber hier sind ausnahmsweise einmal nicht jene für gewöhnlich in die Zukunft gerichteten Visionen gemeint. Hier geht es darum unseren Blick zurück in die ferne Vergangenheit zu werfen. Die Zeit aus der wir kommen und nicht die, wo wir hingehen möchten. Denn auch das ist Vision. Da ein Lichtstrahl ebenso schnell vergeht wie er in dem kurzen Moment auch sehr erhellend wirken kann, müssen wir uns auch dafür einen offenen Geist bewahren. Am Anfang sah doch alles so einfach aus, denn nichts war robuster als die scheinbar harten Fakten die uns die im 19. Jahrhundert bei Barenau entdeckten und später verschollenen augusteischen Münzschätze versprachen. Man brauchte also nur an Theodor Mommsen und andere seiner Zeitgeister fest glauben und schon konnte der „Fall Varusschlacht“ zu den Akten gelegt werden. Aber das Gläubige vertrug sich noch nie mit dem Forschenden und erst recht nicht mit dem Wissenden. Aber derzeit steckt eben genau dieser forschende Aspekt etwas in einer Sackgasse fest. Und zu allem Überfluss schwindet nun auch noch der Glaube daran, in Kalkriese jemals auf das zu stoßen, was uns eine dauerhafte Gewissheit garantiert. Wir hätten es sozusagen mit einem doppelten Dilemma zu tun, wenn uns nicht noch die Hoffnung bleiben würde. Aber wonach suchen wir eigentlich in Kalkriese. Letztlich wünschen wir uns doch ein menschliches Skelett zu finden, das alles enthält wonach uns der Sinn steht. Dieses Skelett eines Verstorbenen hätte zweierlei Bedingungen zu erfüllen. Es muss zweifelsfrei von einem Menschen stammen der einmal bei einer der drei unter gegangenen Varuslegionen gedient hat also ihnen zugeordnet werden kann. Keinem Auxiliarkelten oder Germanen und auch keinem freien also gegnerischen Germanen. Und man müsste dann an ihm noch militärisch also gattungsbezogene Identifikationsmerkmale folglich Ausrüstungsteile gleich welcher Art ausfindig machen können. Eine Kennung zum Beispiel für die „LEG XIX COH II“ zu finden wäre also das Mindeste bzw. das ultimative Muss. Noch besser wäre vielleicht der Fund eines Signaculum, dass man in diesen Zeiten in einem Lederbeutel um den Hals trug. Ein reizvolles Objekt, das ein Germane allerdings als begehrte Trophäe schnell an sich genommen hätte und wohl auch hat. Damit wäre man schon einen großen Schritt weiter. Aber damit nicht genug, denn diesem Skelett müsste man zudem auch noch DNA fähige Bestandteile wie etwa Knochenmark entnehmen können, womit sich der Todeszeitpunkt zurück verfolgen ließe. Und dieser Zeitpunkt muss darüberhinaus noch eine jahresgenaue Zuordnung erlauben. Dann noch einen auswertbaren Baumstamm mit Jahresringen in seiner unmittelbaren Nähe zu finden mit dem sich dann tunlichst alles noch auf den Herbst des Jahres 9 + datieren ließe und wir hätten das Ziel erreicht. Denn dann erst wüssten wir genau, dass das Gefecht auch im Zusammenhang mit der Varusschlacht stand oder die Varusschlacht war. Ein ideales Zusammentreffen vieler Träume, das wohl nie in Erfüllung gehen dürfte. In der Folge würden uns schon DNA fähige Substanzen, gleich wo wir sie fänden erfreuen, Hauptsache sie ließen sich dem Herbst 9 + zuordnen. Aber dann würde uns möglicherweise wieder der Bezug zu einer Varus Legion fehlen und es ginge nur der halbe Traum in Erfüllung. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als das stete Sammeln jeglicher Indizien gleich wo sie sich finden lassen, munter fort zu setzen. Ein Schauprozess würde sich auf diese Weise in einen Indizienprozess verwandeln und was für das Gefecht bei Kalkriese gilt, träfe auch auf die Varusschlacht im Nethegau zu. Was uns aber bei der „Nethegau – Theorie“ entgegen kommt ist der schlüssige Gesamtkontext, den man in Kalkriese selbst beim besten Willen nicht erkennen kann. Aber bei aller Tristesse, denn ohne sich entmutigen zu lassen, sollte doch sowohl die Suche als auch das Kombinieren und Jonglieren in alle Richtungen unvermindert weiter gehen. Vielleicht sind neue Formen der Herangehensweise gefragt, wobei aber der Mensch der damaligen Zeit immer im Mittelpunkt zu stehen hat. Ohne über die für die Forschung nötigen Geldmittel zu philosophieren gehört zu alledem das permanente Aufgreifen neuer Ideen auch Brainstorming genannt, die Schlachtenanalytik also das Profiling, die übersichtliche Gestaltung via Flipchart, oder das Ordnen und Vernetzen von Fragen auch Clustering genannt um zumindest unser theoretisches Wissen zu bündeln. Eben das ganze Spektrum der Kreativtechnik. All dies scheint in Kalkriese bislang zu kurz gekommen zu sein. Daraus entwickelte sich ein Manko, aus dem wegen einer zu frühen Festlegung ein Versäumnis wurde, das aufgrund einer zu stark fund - archäologisch orientierten und darauf fixierten Fachwelt eine zu lastige Ausrichtung erfuhr. Viele kleine und größere Schlachtfeldfunde füllen inzwischen die Vitrinen und Ausstellungsräume des Kalkrieser Museums, aber man wähnt sich nach 32 Jahren Entdeckungsgeschichte als auch Tony Clunn auf die ersten augusteischen Münzen stieß, immer noch wie am Anfang. Was meine Hypothese zum Verlauf der Varusschlacht, also „Vom Sommerlager in den Untergang“ anbelangt, so möchte ich daran nicht rütteln, da zu viele Fakten für die „Nethegau – Theorie“ sprechen. Aber alle diskutierten Alternativen dazu völlig auszublenden wäre natürlich töricht und unentschuldbar zugleich. Diesen Vorwurf möchte man sich nicht einhandeln. Über ein immer noch, wenn auch in die Ferne gerücktes denkbares Varus orientiertes Schlachtenszenario an anderer Stelle den frühen Stab der Unmöglichkeit zu brechen griffe genauso zu kurz, wie die statt gefundene zu schnelle Festlegung. Man muss sich also auch die Freiheit nehmen den Versuch zu wagen anderen Thesen auf den Grund zu gehen um auch dort nach möglichen Alternativen Ausschau zu halten. Und dazu gehören natürlich auch andere mögliche Ereignisstätten im Großraum NRW/Niedersachsen. In Kalkriese lassen sie sich anhand von Funden ausmachen und man stellt sie zur Diskussion. Soweit mein Plädoyer für eine offene Strategie der Forschungslandschaft die unter der einstigen Vorgehensweise etwas gelitten hat. Aber der Frust darüber, dass zu befürchten ist, dass die Funde nie für eine klärende Endaussage reichen werden wiegt mehr und scheint derzeit unübersehbar den Optimismus etwas einzudämmen. Denn einmal in Erklärungsnöte geraten sieht man gerne den Wald vor lauter Römern, pardon Bäumen nicht mehr. In diesem Abschnitt möchte ich daher das ungeliebte Kapitel der unabwägbaren Gegebenheiten, also das der Imponderabilien breiter aufschlagen um das Interesse an neuen Überlegungen und eben auch Visionen zu wecken. So war es im Ringen um die beweissicheren Argumente immer schon ein wesentlicher Bestandteil meiner Methodik und des Aufbaus dieses „Blog – Buches“ mehrere Sichtweisen die auch gegen- und wechselseitig, also in sich konträr wirken dürfen anzustrengen, um sie parallel zu bewerten, damit man sich daraus resultierend einer möglichen Lösung im Sinne einer Indizienverdichtung besser annähern kann. So ging man zum Beispiel sehr wenig bis gar nicht einer, mit der Schlacht sehr eng verbundenen Frage nach. Nämlich der, in welchem germanischen Stammesgebiet sich die Schlacht am Kalkrieser Berg überhaupt zutrug. So sollte es doch Grundpfeiler jeglicher Herangehensweise sein, sich zuerst einmal eine Vorstellung darüber zu machen, wer denn das Land überhaupt besaß und es damals besiedelt hatte, von dem alle Welt spricht, wenn von der vermeintlichen Varusschlacht am Kalkrieser Berg die Rede ist. Und man sollte folglich der Frage nachgehen, wie es auch das alte Wort „angestammt“ so schön zum Ausdruck bringt, welcher Stamm also dort sein angestammtes Hausrecht ausgeübt haben könnte. So ist es doch naturgemäß nahe liegend, dass auch diese Germanen um deren Grund und Boden es letztlich gegangen ist und auf deren Scholle sich das Gefecht vollzog, noch vor allen anderen in den Verdacht geraten müssten, auch daran beteiligt gewesen zu sein. Von den dortigen Geschehnissen gleich welcher Art sie waren, sie müssen unmittelbar davon betroffen gewesen sein, denn es berührte und beeinflusste ihre Lebensbedingungen. Und sie wären es auch gewesen, die nach römischer Denkweise das erste Opfer einer späteren Vergeltungsaktion geworden wären, da sie dem Schlachtengelände als der nächst liegende Germanenstamm anwohnten. In der Regel sollte man auch davon ausgehen, dass in Friedenszeiten und die Jahre 17 + und 18 + könnte man bereits als solche einstufen können, größere Zugbewegungen zuvor mit den ansässigen Völkern abgestimmt und sich ein Wegerecht gesichert wurde. Die römische Kavallerie imposant im Aussehen, sollte also Sondierungsritte angestrengt haben auch um den Wegezustand zu erkunden, sie dürften aber auch Kontakte zu den Anwohnern aufgenommen haben. Genau diese Dinge eben, die man damals auch von Varus erwartet hätte, die er aber wohl unterließ. Ließe sich die Varusschlacht mit dem Gefecht bei Kalkriese vergleichen, würde man sich auch hier die Frage stellen, ob man dem Lösegeldkonvoi nicht auch eine Warnung vor einer möglichen Gefahr zu kommen ließ, wie es einst auch angeblich Segestes Varus gegenüber getan haben soll. Diese Hypothese würde allerdings in einen Wust von Szenarien münden und man sollte sich nicht darin vertiefen. Ob der Lösegeldkonvoi der zu den Angrivariern unterwegs war also in ähnlicher Weise nichts ahnend in seinen Untergang zog, lässt man also tunlichst offen. Da ein Sieger keine Werte auf dem Schlachtfeld zurück lässt, kann man davon ausgehen, dass der Punktsieg von Kalkriese eindeutig an die Adresse der Germanen ging. Bei etwas veränderten Vorzeichen ließe sich hinter dem Gefecht bei Kalkriese auch der kleine Bruder der Varusschlacht erkennen, denn auch hier könnte die Reihenfolge „Überfall folgt auf Hinterhalt“ gestimmt haben. Die Niewedder Senke befand sich, da sie am nördlichen Rand des Wiehengebirges lag, im ureigenen Siedlungsgebiet der dort ansässigen „Sumpfland“ Germanen. Dort, wo diese ihre Tiere züchteten und ihre Plaggenäcker bestellten, es war eben ihr Land, dass sie sich vielleicht sogar einst erkämpften oder das sie sich von der Natur abtrotzen und urbar machen mussten. Waren es noch dazu militärische Ereignisse und als solches könnte man auch den Lösegeldtransport ansprechen, so musste auch ihre besondere Wachsamkeit geweckt worden sein. Ob es sich also um den durch ziehenden Marschzug eines feindlichen Volkes, oder um die Handlungen eines befreundetes Stammes handelte, war zunächst mal nebensächlich, denn das Gebiet hatte schon einen Eigentümer der in Kenntnis gesetzt sein und der gefragt werden wollte. Man durchstreifte grundsätzlich und zu keiner Zeit Waffen tragend, hoch zu Ross und ohne vorherige Abstimmung fremde Ländereien und darin wird man vor 2000 Jahren genauso kleinlich gewesen sein, wie heute, wo bereits Luftraumverletzungen diplomatische Verstimmung auslösen können. Es sei denn man konnte sich dank kraftstrotzender römischer Dominanz immer noch nach alter imperialer Gepflogenheit und in gewohnt überheblicher Manier darüber hinweg setzen. Moore, Bannwälder, geologische Landmarken oder Gebirgskämme waren in jener Zeit die von der Natur seit uralten Zeiten gesetzten und vor gegebenen Grenzen der Stämme untereinander. Und auch wenn ein besonders fruchtbarer Landstrich immer umkämpft war, so musste man sich doch irgendwann einmal verständigt haben um sich zu arrangieren. Aber in den Niederungen waren es die Flussläufe mit ihren weitläufigen sumpfigen Einzugsgebieten und den verzweigten Altarmen, denen die größere Bedeutung bei der Grenzregelung und Findung zu kam. Je breiter und unüberwindlicher und unzugänglicher diese Landschaften waren, um so stärker und komplexer machte sich ihre trennende Wirkung bemerkbar. Im Betrachtungsraum sind dies vor allem die Flüsse Weser und Ems mit ihren Verästelungen. Aber den beiden kleineren dazwischen liegenden und langsam fließenden Flachlandflüssen Hunte und Hase gehört unsere Aufmerksamkeit, denn auch sie dürften für die Ziehung der Stammesgrenzen mit maßgebend gewesen sein. Und wie wir wissen konnten es sogar schon kleine Bäche sein, denen eine wichtige „deilende“ Funktion zukam, so wie etwa der von Süden nach Norden fließende Deilbach nördlich von Wuppertal und der in die Ruhr entwässert. Der einst das Rheinland von Westfalen, aber auch mal Franken von Sachsen und möglicherweise auch schon Römer von Germanen trennte und heutzutage ein beliebtes Naherholungsgebiet ist. Da man den einen der beiden Flüsse, die Hunte als den westlichen Grenzfluss eines angrivarischen Siedlungsgebietes einstufen könnte, die Ems aber in diesem Abschnitt bereits zum Stammesgebiet der Ampsivarier gezählt wird, galt es die Besiedelungszonen im Winkel zwischen Hunte, Hase und Ems stammeshistorisch zu definieren. Da die Hase nur etwa acht Kilometer nordwestlich an Kalkriese vorbei fließt wird aus linguistischen Gründen angenommen, dass sich in diesem Raum einst die Wohngebiete der germanischen Chasuarier befanden und wenn genetisch nachweisbar auch heute noch deren Nachkommen. Einem Stamm dem man schon oder immer noch seinen unmittelbaren namentlichen Bezug zum Flüsschen Hase entnehmen kann. Ein germanischer Stammesname der uns auch in der Schreibweise Chasuaren, Hasuaren, Hasuarier und auf der verzerrten Karte des Claudius Ptolemäus als Casuary begegnet. Aber auch ein Name der sich in zwei Bestandteile zerlegen lässt. Dem Namensbestandteil „Warier“ begegnen wir häufiger. Es umfasst den gesamten Stamm, so wie es auch im Namen der Angrivarier oder der Ampsivarier zum Ausdruck kommt. So wurden bei der Namensfindung eines Stammes oftmals Bezüge hergestellt die sich an einen Fluß anlehnen, der durch ihr Siedlungsgebiet fließt. In etwa im Sinne von, die Leute an der Ems oder die von der Hase. Die Chasuarier der in der dortigen Region siedelnde Germanenstamm wurde wie der der Angrivarier auch nicht im Zusammenhang mit den Rachefeldzügen des Germanicus erwähnt. Auch römische Vergeltungskämpfe unter Germanicus gegen die Ampsivarier sind nicht bekannt geworden. Im Gegensatz zu den „nach varianischen“ Rachefeldzügen unter Germanicus gegen Chatten, Cherusker, Marser und Brukterer sind uns aus der Region nördlich des Kalkrieser Berges folglich keine zornigen Strafmaßnahmen des Imperiums, also Aktionen gegen die Stämme aus der Gegend um den Kalkrieser Berg dokumentiert. Als ein vereinfachtes Fazit könnte man also auch sagen, dass keine Varusschlacht am Kalkrieser Berg statt fand, da von Germanicus gegen die dortigen Stämme keine Rachefeldzüge bekannt geworden sind. Und die dortigen Stämme sind auch nicht als kriegerische Bündnispartner des Imperiums schriftlich in Erscheinung getreten. Lediglich die Episode um Arminius und den Ampsivarier Boiocalus lässt noch rätseln, wie weit die Spaltung dieses Stammes in Rom treu und Arminius treu gegangen sein könnte. Aber in diesem Zusammenhang gibt es noch einen weiteren Aspekt, auf den ich noch in einem anderen Kapitel eingehen werde. Die Siedlungsgebiete der besagten Chasuarier befanden sich also nicht in der völlig unerreichbaren Abgeschiedenheit der ausgedehnten norddeutschen Marsch- und Moorlandschaften, sondern säumten eine dort verlaufende und sicherlich häufig genutzte und sehr wichtige prähistorische Heer- und Handelsstraße und standen dadurch sozusagen unmittelbar mit dem tagesaktuellen Zivilisationsgeschehen in Verbindung. Vom einfachen Viehtrieb bis hin zum Transport von Handelsgütern als auch den Militärzügen müsste für sie das für damalige Verhältnisse quirlige Treiben ein gewohnter Anblick gewesen sein. Sie waren die Anrainer jener Verkehrsachse und betrachteten sich indirekt oder gewissermaßen vielleicht auch als die Bewacher, Herren oder Beschützer dieser bedeutsamen Lebensader, soweit sie ihr Siedlungsgebiet tangierte. Ihr Schicksal war eng damit verbunden und sie entschieden letztlich auch welchen Verlauf die Straße nahm oder nehmen sollte, konnten ihn daher auch geschickt beeinflussen, stellten aber nach Regen oder Frostphasen möglicherweise auch die Begehbarkeit wieder her und konnten diese dann aus taktischen Gründen bei Bedarf natürlich jederzeit auch behindern, also sperren und unterbrechen. Die Straße verlieh ihnen Macht und Einfluss den sie beim Warenverkehr nutzen konnten. Sie wachten als die Herrscher über den Kalkrieser Pass und diese Lage brachte sie in eine sensible aber damit verbunden auch verwundbare Position zugleich. (10.01.2020)

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Mittwoch, 1. Januar 2020
Die Demütigung von Kalkriese - Der Schlusspunkt 30 Jahre nach Drusus
Das Ereignis bei Kalkriese setzte möglicherweise ein Zeichen wie ein Fanal in die Zukunft, denn es könnte für den Beginn einer neuen Zeitrechnung gestanden haben. Ein Geschehen wie ein Resultat, dass das germanisch römische Verhältnis auf lange Zeit fest geschrieben haben könnte. In den langen Jahrzehnten danach erfahren wir nicht viel Neues, also historisch Verwertbares aus den Weiten nordöstlich des Rhein. Wir müssen auf Paterculus, Florus, Tacitus und Dio warten bis diese uns im Rückblick, zumindest auf die Varusschlacht bezogen neue Erkenntnisse verschaffen. Aber der Raum um Kalkriese verdunkelt sich wieder und es erscheint uns wie endlos bis sich die Forschung, wenn überhaupt auf schriftliche Quellen beziehen kann, die sich mit dieser Region beschäftigen. Aber nach der Varusschlacht die zur Wende führte, könnte das Gefecht bei Kalkriese den besagten Schlusspunkt gesetzt haben. Im letzten Beitrag beschrieb ich ein uns, man möge mich eines besseren belehren, bislang verborgen und unauffällig gebliebenes, aber vor allem unbeabsichtigtes Zusammenwirken zweier alter Historiker aus klassischer Zeit. Da der eine schon 23 Jahre tot war bevor der andere zur Welt kam und rund 125 Jahre zwischen ihren Geburten lagen, geraten sie nicht in den Verdacht im persönlichen Kontakt zueinander gestanden, geschweige denn sich ausgetauscht zu haben. Aber in der Summe und bei Abwägung ihrer Überlieferungen gaben sie uns nicht nur einen möglichen Hinweis auf die Ursache, die zu den Kampfhandlungen am Kalkrieser Berg führte, sondern bei Analyse der Fakten könnte man es schon fasst einen konkreten Fingerzeig nennen. Eine Denkvariante in etwa bzw. mindestens so belastbar wie die bisherigen Erklärungen die man zur Diskussion stellte. Damit verschafften sie uns indirekt auch eine neue Sicht auf das dortige Ereignis und die Dinge ließen sich in ein anderes Licht rücken. Aber dieser dadurch entstandene Blickwinkel ist nicht mehr der altgewohnte und vertraute mit dem man sich schon fasst angefreundet zu haben schien. Das uns diese beiden man muss sie schon Giganten unter den antiken römischen Historikern nennen, auf Basis ihres damaligen Wissenstandes in der Kombination betrachtet den Weg auf ein anders geartetes kriegerisches Zusammentreffen am Kalkrieser Berg aufzeigen, wirkt wie eine Auffrischung und hat angesichts der derzeit fest gefahrenen Debatte etwas elektrisierend an sich. Unerwartet erhellt es einen Pfad, den die Geschichtsforschung bislang nicht im Visier hatte, denn er verläuft nicht an jener Stelle an der die Historie es gerne gesehen hätte und wie wir es schon alle angenommen hatten. Denn bei näherer Bewertung dieser erstaunlichen und unabhängig voneinander entstandenen Hinweise müssen wir uns aus dem Betrachtungsfeld bisheriger Denkmodelle lösen und es verlangt auch etwas Mut sich auf die damit verbundenen veränderten Rahmenbedingungen einzulassen. Aber auch dies ist nicht mehr und nicht weniger als eine neue Theorie und man kann getrost auf dem Teppich bleiben. Trotzdem würde uns dies bei genauer Betrachtung zurück in eine Phase jenseits oder besser gesagt diesseits der Germanenkriege werfen, die man bislang außer acht ließ. Denn durch die neue Hypothese rücken nun urplötzlich die Jahre 17 + und 18 + in den Mittelpunkt bzw. den Vordergrund der Überlegung und da waren die Feldzüge des Germanicus bekanntlich schon ein oder zwei Jahre vorüber. Unter dem Vorbehalt meiner mit Argumenten gestützten Theorie, hätte nach den Aussagen Strabos zu urteilen Arminius auch noch im Jahr 18 + gekämpft haben können. Und auf Basis der Zeilen von Tacitus hätte auch in diesem Jahr 18 + noch der Gefangenenaustausch der Gestrandeten des Jahres 16 + angestanden haben können. Fazit dessen wäre die Schlussfolgerung, dass beide Aussagen, wenn man sie denn inhaltlich miteinander vernetzt das neuartige Szenario eines möglichen germanischen Raubüberfalls unter der Führung von Arminius auf einen römischen Lösegeld Konvoi ergeben würde und denkbar erscheinen lässt. Und dies könnte sich was geographisch sehr nahe liegend ist auch in der Niewedder Senke zugetragen haben. Ein lukrativer Wertetransport auf der einen Seite, der auf Basis einer realistischen Hochrechnung auch recht ansehnlich und umfangreich ausgefallen sein könnte und mit dem man nun beabsichtigte die gefangenen Römer aus der Gefangenschaft zurück zu kaufen. Ihn könnten gewisse germanische Stämme bereits im Auge gehabt haben, um ihn an besagter Stelle und das schon vor dem Erreichen seines Endzieles abzufangen. Es ist aber auch denkbar, dass der Gefangenenaustausch unerwartet scheiterte und nicht vereinbarungsgemäß verlief, da die Bedingungen oder Voraussetzungen dafür von einer der beiden Parteien nicht zufriedenstellend erfüllt wurden. Um es deutlich auszudrücken, man geriet sich im kritischen Moment in die Haare. Diese Kolonne marschierte folglich und so ganz gegen manche vorherrschende und lieb gewonnene Ansicht nach Osten und drang somit von Westen her in die Niewedder Senke ein, passierte bzw. stieß auf den dortigen Hellweg „Unter dem Berge“ und blickte dabei auf den südlich davon gelegenen Kalkrieser Berg. Möglich ist auch, dass man im entdeckten römischen Marschlager in der Engstelle auch eine geplante oder ungeplante Rast eingelegt hatte. Das Kampfgeschehen brach dann aber, wie es das Wort „Überfall“ trefflich zum Ausdruck bringt, für die römische Kolonne plötzlich, also überfallartig über sie herein. Und das es hier etwas zu rauben gab, dass hatte sich bereits hinlänglich herum gesprochen. Viele Varianten die ihre Eigendynamik entwickelten und die ein ursprünglich aus humanen Gründen ersonnenes, abgesprochenes und daher friedliches Aufeinandertreffen in einen Kampf ausarten ließen, was dann in einen mit Waffen ausgetragenen Konflikt führte, lassen sich ohne große Phantasie zu entwickeln ausmalen. Letztlich geriet die Lage völlig außer Kontrolle und die Ereignisse überschlugen sich. Soweit die Annahme. Es ist denkbar, dass es sich bei diesem Gefecht auf lange Sicht gesehen um die letzte größere Auseinandersetzung gehandelt haben könnte, die zwischen den beiden ungleichen Völkern statt fand. Zwei Kulturen die beide noch ihre Zeit brauchten, um sich aus ihrer einst heftigen militärischen Verstrickung, Umklammerung und Spirale der Gewalt heraus zu winden. Eine von Tiberius 16 + für viele unerwartet getroffene Entscheidung die einen Irrweg beendete, die aber auch aus der Not heraus geboren wurde, da der notwendige Nachschub aus dem Hinterland ins Stocken geriet und die Mittel fehlten bzw. die Ausgaben stiegen. Ein Krieg vom Imperium angezettelt, der einst die Völker gegeneinander aufbrachte als man in Rom noch meinte, neue Provinzgründungen auch in Germanien nach dem Vorbild Galliens im Handumdrehen umsetzen zu können. Die feindliche Gesinnung steckte um die Jahr 17 + und 18 + noch tief in den Knochen der leidtragenden Völker Germaniens und man war noch weit von der Normalität entfernt. Kalkriese war demnach auf der historischen Agenda ein Spätgeschehen, das sich aber dem Kontext nach noch den ausklingenden augusteischen bzw. tiberianischen Germanenkriegen zuordnen ließe. Ein Waffengang der sich etwa sieben Tagesmärsche gemessen vom kürzesten Abstand zum Rheinufer der damaligen römischen Reichsfeste Vetera entfernt vollzog der aber die Unberechenbarkeit jener misstrauischen Zeiten unterstrich. Und in eben diesem Jahre 18 + oder ein Jahr zuvor hätte es auch noch mal Ernst werden können, obwohl man im Imperium bereits hoffte auf politisches Tauwetter setzen zu können. Um meine Theorie noch weiter mit Inhalt zu füllen, könnte sich der besagte Marschzug im römischen Kommandozentrum Vetera/Xanten gebildet und sich von dort aus auf direktem Wege über Dingden/Römerrast nach Kalkriese in Bewegung gesetzt haben. Andererseits wissen wir aber auch, dass lange Überlandmärsche aufgrund der damaligen Wegezustände die schlechtere Alternative waren und an die technische Substanz gingen. Nach Möglichkeit Flüsse zu nutzen, war daher immer das Gebot der Stunde und man hätte sich auch unter Nutzung der vorhandenen und ausgebauten Kanäle vom Rhein zur Ems aufmachen können. Aber der vereinbarte Übergabeort gab letztlich die Zielrichtung vor und so musste man sich mit dem Lösegeld und den weiteren Tauschobjekten den Siedlungsgebieten des neu gewonnenen aber fremd gebliebenen Handelspartners auch zwangsläufig annähern. Die Stammesgebiete der Angrivarier werden je nach dem wen man befragt, oder welcher Theorie man folgen möchte in der norddeutschen Tiefebene um die Mittelweser oder im Werrekessel vermutet. Sie sollen jedoch in westlicher Richtung die Territorien der Ampsivarier eines germanischen Stammes der die Emsauen besiedelte, berührt haben. Aber bei genauem Hinsehen stoßen wir möglicherweise auf ein besseres Lagebild. Da man dem Namen nach die Ampsi- oder Amsivarier auf ein bzw. ihr Siedlungsgebiet an der Ems zurück führt und die Angrivarier als ihre östlichen Nachbarn galten, könnten die Wohnsitze der Angrivarier auch noch relativ weit nach Westen ausgegriffen haben bzw. vorgeschoben gewesen sein. Der im 2. Jahrhundert lebende Claudius Ptolemäus überliefert uns den Siedlungsraum der „Angrivary“ südlich der Chauken und westlich der Weser. Dazu passt auch noch eine Übersichtskarte aus dem Jahr 1000, aus der die Siedlungsgebiete der sächsischen Stämme nach den Sachsenkriegen hervor gehen. Bramsche - Kalkriese gehörte um diese Zeit zum Herzogtum Westfalen, aber der heutige Ort Stemwede – Drohne, obwohl er sich nur 14 Kilometer östlich von Kalkriese befindet, lag bereits im sächsischen Herzogtum Engern. Eben jenes Engern, dass sich in etwa deckungsgleich über die ehemaligen Stammesgebiete der Angrivarier gelegt haben soll. Eine detaillierte Sprachuntersuchung könnte in diesem Grenzraum vielleicht noch Aufschluss über jetzt noch existierende Dialektunterschiede geben. Denn auch heute noch verläuft eine nachvollziehbare alte Isoglosse in Nordsüdrichtung östlich von Bohmte, die dabei hilfreich sein könnte. Sie trennt den Sprachraum in einen westlichen Teil, in dem das so genannte Nord - Niedersächsische gesprochen wird und in einen östlichen Landstrich in dem das Ost - Westfälische und demnach das engrisch/angrivarische gesprochen wird. Wollte man Sprachhistorisch betrachtet im Kontrast zum Ost – Westfälischen Sprachraum auch einmal einen West – Westfälischen Sprachraum definieren, so könnte man diesen dann in die Regionen möglicherweise östlich des Rheins ins Westmünsterländische, aber sprachlich auch noch in die Gebiete westlich des Niederheins legen. West – Westfälisch würde dann demnach sowohl im linksrheinischen Klever Land als auch im rechtsrheinischen Emmerich, Rees oder Bocholt gesprochen. Dann besäße man möglicherweise auch noch einen kleinen Anhaltspunkt der darauf hindeuten könnte, wie weit das Imperium seinerzeit seine rechtsrheinischen Fühler ausgestreckt haben könnte, denn da könnte sich ebenfalls eine Sprachgrenze befunden haben. Dann wären die südlichen Bereiche des Nord Niederfränkischen Sprachraums in etwa identisch mit einem West - Westfälischen. Aber im engrischen Urdialekt östlich der Ems müssten die Sprachwurzeln des Angrivarischen verborgen liegen und wir müssten sie dort suchen und auch noch finden können. Einen sprachgeographischen Mittelpunkt für ein sich derart lang in Nordsüdrichtung erstreckendes Engern ist nicht möglich. Was in der Tat auch ein Erschwernis darstellt, um das Stammesgebiet der Angrivarier umreißen zu können. Aber auch damals fühlte man sich schon einem ethnischen weil sprachlich verbundenen Raum „zugehörig“ und identifizierte sich damit. Der römische Marschzug bewegte sich also ab Bramsche, ob er dahin nun hauptsächlich auf dem Wasser- oder dem Landweg gelangte mag dahin gestellt sein, in östlicher Richtung vor. So rückte man schon langsam und wäre dann später unvermeidbar in ein von Angrivariern, also den späteren Engern beanspruchtes Siedlungsgebiet vorgestoßen. Ein Gebiet, dass zwar nur wenige Kilometer östlich von Kalkriese begann, in dem sich aber selbst heute noch dialektisch betrachtet ein anderer Zungenschlag heraus hören lässt. Denn Angrivarien begann den Spuren der Sprachforschung folgend schon bei eben jenem Stemwede – Drohne etwa 14 Kilometer östlich von Bramsche - Kalkriese. Zwischen beiden Orten dehnten sich einst die großflächigen und heute noch in Relikten anzutreffenden Moorgebiete der Ems- und Weserstämme aus, die durch dieses Unland voneinander abgetrennt waren. Die Wohngebiete der Angrivarier erstreckten sich bis an die Hunte die ihnen als westlicher Grenz- bzw. Orientierungsfluss gedient haben könnte, was auch durch die Karte aus dem Jahr 1000 noch in etwa seine Bestätigung findet. Die Kalkrieser Region passt daher räumlich vorgelagert und streckenmäßig betrachtet gut in einen möglichen Korridor in dem sich der Gefangenenaustausch vollzogen haben könnte. Und was sollte auch einen überschaubaren römischen Marschzug anderes dazu bewogen haben können sich in eine derartige Region zu verirren, als hier auf ein Gegenüber mit ähnlich gelagerten Interessen zu stoßen. Und wollte man von Vetera aus ins Kernland der Angrivarier aufbrechen, so bot sich ihnen als die beste Alternative von Westen her anrückend, auch immer nur die Route nördlich des „Kalcrisi“ an, wie man den Berg in althochdeutscher Sprache genannt haben könnte. Denn der direkte Landweg von Xanten über die Dörenther Klippen und durch Engter nach Kalkriese wird seinerzeit nicht karrentauglich gewesen sein. Nach der Überlieferung von Tacitus waren die Angrivarier erst kurz zuvor von den Römern vermutlich für ihre „Untaten“ die sie im Jahre 16 + begangen hatten, begnadigt worden. Man kann annehmen, dass dies eine Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit war. Es beruhte auf den gegenseitigen Interessen, also nach dem Methode „eine Hand wäscht die andere“. Denn es war eine Vertrauensbasis zu schaffen, da man mit einem soeben noch verfeindeten Germanenstamm kein Geschäft hätte abwickeln können. So werden die einst gegnerischen Angrivarier auch nicht über Nacht zu romtreuen Vasallen konvertiert, dürften aber einer „Vermittlungsprovision“ gegenüber nicht abgeneigt gewesen sein. Hier trafen und hier mussten sich zwei Parteien im gegenseitigen Einvernehmen in der Mitte getroffen haben. Man muss kein Prophet sein um nicht auch spekulieren zu können, dass dies möglicherweise auch zum Missfallen anderer germanischer Stämme geschah, die in diesen Handel nicht eingebunden waren. Ihnen blieb somit der Profit verwehrt und ihr Interesse wuchs die Pläne durchkreuzen zu wollen. Der Wertetransport zu den Angrivariern tangierte zuvor zwangsläufig auch die Siedlungsgebiete diverser anderer germanischer Anrainerstämme wie möglicherweise die der Ampsivarier oder Brukterer. Vielleicht aber auch noch anderer kriegsbedingter „zerpflückter“ Reststämme, die aus den Zwangsdeportationen oder den innergermanischen Konflikten und Zwistigkeiten zwischen Rhein und Ems hervorgingen und hier eine neue Bleibe fanden. Und möglicherweise könnten auch noch andere Völker wie die immer noch starken Cherusker nicht davon erbaut gewesen sein, dass man sich annäherte und die Angrivarier nun mit anderen germanischen Nordstämmen kooperierten. Eine ungute Phalanx, die sich da für die Cherusker hätte auftun können. Möglicherweise könnten sich diese neuen Entwicklungen und vielleicht sogar zukünftige Allianzen auch für andere östliche Stämme bis in den Elbraum hinein als bedrohlich erweisen, denn man konnte sich nicht sichern sein, dass sich daraus nicht auch eine längere Zusammenarbeit ergab, die letztlich ihre Territorien bedrohen könnte. Denn eine römische Kriegsflotte wieder aufzurüsten bei gleichzeitiger Begnadigung eines germanischen Stammes und zudem noch einer Kooperation mit diesem zum Zwecke des Gefangenenaustausches, also einer vorsichtigen Annäherung klingt verdächtig und lässt an einem ernsthaften und dauerhaften römischen Friedenswillen zweifeln. Denn bekanntlich waren römische Verträge nie ein Akt der Sympathie, sondern nur ein begrenztes Zweckbündnis um eigene Interessen zu wahren und möglicherweise auch um alte Hegemonieansprüche neu entstehen zu lassen. Also eine höchst anrüchige Sache, die da im Gange zu sein schien, folglich ein Geschäft, dass den Argwohn so mancher Germanenstämme geweckt haben könnte und möglicherweise auch den des Arminius, der ja bekanntlich immer noch kämpfen musste wie uns Strabo sagte. Zumal in dieser Zeit auch niemand wusste wie lange sich Kaiser Tiberius an seinen Waffenstillstand gebunden fühlte. Es war eine Zeit, in der die Glut des Krieges noch lange nicht ausgetreten war und eine Zeit in der man sich in Germanien besann den Begriff eigener Bündnispoltik zu buchstabieren um ihn neu zu definieren. Übersehen wir hier auch nicht die Generationsverschiebungen wie ich es schon an anderer Stelle anklingen ließ. Denn es drängten kampfesmutige junge Männer nach die an den Germanicusschlachten und erst recht der Varusschlacht noch nicht nicht teilgenommen hatten, aber nun zeigen wollten was in ihnen steckte. Eine geomilitärische Lage die unter vielen Historikern auch berechtigterweise die Vermutung aufkommen ließ, Arminius wollte sich aus eben jenen Gründen zum Germanenkönig aufschwingen um gegenüber dem Imperium ein stärkeres Gegengewicht aufzubauen und eine gesteigerte Wehrhaftigkeit in die Waagschale legen zu können , was dann zu seiner Ermordung geführt haben könnte. Übrigens möglicherweise ein Ansinnen mit Langzeitwirkung. Denn noch im Jahre 919 beugte ein Mann einer derartigen Gefahr im Sinne einer Wiederholungstat bzw. Duplizität vor. Denn es ließ den Sachsenherzog und späteren König Heinrich den Ersten bei dem ähnlichen Gedanken erschaudern und er verzichtete vielleicht auch aus der Erinnerung seiner Vorväter und der Mentalität seiner Stammesgenossen heraus in Fritzlar auf die Königssalbung sowie die Königskrönung. Seinen weisen und ablehnenden Worten lässt es sich entnehmen. Aber die alten Germanen östlich des Rhein gab es immer noch. Sie waren allerdings unter Heinrich dem Ersten nun die neuen alten Germanen. Denn sie besannen sich ihrer alten eigentlichen Stammesnamen und sie mieden die ihnen einst von fremden Völkern auferlegte Sammelbezeichnung Germanoi, Germanos oder Germani mit der sie sich noch nie identifizierten oder verwendeten. Folgerichtig nannten sich wieder so oder immer noch wie sie es gewohnt waren nämlich Sachsen und Engern. Wobei allerdings die Geschichte für die Westfalen, Falen und Ostfalen Namenshistorisch betrachtet eine andere Entstehungsgeschichte vorsah auf die ich noch eingehen möchte. Keine Frage also, dass der Überfall auf die lukrative Fracht auch eine gute Gelegenheit bot die Fronten zu klären, sodass hier noch mal Arminius seine bewährten Strategien anwenden konnte um auf diesem Wege und vielleicht sogar gegen die Interessen der Angrivarier gerichtet wieder an der Vergeltungsspirale zu drehen auch um alte Rechnungen zu begleichen. Bündnisse und politische Ränke zu schmieden hatte er gelernt. Bei Bedarf Zwist und Argwohn zu sähen und zu nutzen gehörte mit dazu. Bei positiven Verlauf hätte es für Rom zum Testfall werden können, ob sich in Germanien Signale zeigten, worauf sich neue Bündnisse aufbauen ließen. Nach dem Motto, was damals mit den Cheruskern nicht gelang, geht vielleicht im zweiten Anlauf mit den Angrivariern. Aber im Inferno von Kalkriese wurde alles wieder zunichte gemacht, der Funken erlosch fürs Erste und die Zeit wurde auf Gefriertemperatur zurück gestellt. Das Experiment war zu Ende. Vergessen wir auch nicht, das Silius nach seinem massiven aber unbefriedigenden Vorstoß im Herbst 16 + immer noch Ambitionen verspürt haben könnte bei Tiberius zu erreichen, dass dieser seine Anordnungen widerrief, denn auch Tacitus äußerte sich was dies anbelangt später kritisch über den Befehl von Kaiser Tiberius. Ein erfolgreicher Geschäftsabschluss mit den Angrivariern hätte also allemal dazu beitragen können, dass man in Rom neu nachgedacht haben könnte. Vielleicht hätte man sogar einen neuen mutigen Schritt nach vorne ins Auge fassen können in dem man gemeinsam mit den Angrivariern die Weser kontrollieren bzw, sie als neue Ostgrenze ins Visier nehmen könnte. Man kann sich vorstellen, dass die wertvolle Auslösung wie auch immer sie sich zusammen gesetzt haben könnte, zuerst an einer zuvor vereinbarten Stelle den Angrivariern übergeben werden sollte. Diese dann im Gegenzug die Garantie für die Weitergabe zu den anderen Stämmen übernahmen und in dieser Phase die Gefangenenübergabe statt finden sollte, oder man die Schiffbrüchigen im Grenzgebiet ihrer Fesseln entledigte und sie frei setzte. Bei diesem Austausch hätten tunlichst auch Gesandte der Stämme anwesend sein müssen, die bis dato im Besitz der Gefangenen waren und die ein Interesse daran haben mussten, direkt in den Genuss des zugesprochenen Anteils zu kommen. Aber man kann sich auch noch etwas anderes vorstellen. Denn wie es historisch dokumentiert ist, waren unsere Vorfahren mehr für ihr doppelzüngiges Verhalten und weniger für Zuverlässigkeit und Vertragstreue berüchtigt. In Kalkriese hätten also auch ganz andere germanische Konstellationen, Bündnisse oder Zweckgemeinschaften nach den Werten, die man ihnen auf den Präsentierteller legte Zugriff nehmen können. Es kommt aber auch noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu der bei der bisherigen Debatte um die Schlacht bei Kalkriese erstaunlicherweise wenig Beachtung und Einfühlungsvermögen fand. Ein Begleitaspekt auf den ich im nächsten Abschnitt eingehen möchte (01.01.2020)

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