Freitag, 21. Februar 2020
Funde lügen nicht - Und über Kunst urteilt das Auge des Betrachters
Das zum Sprechen bringen zurück liegender Geschehnisse gehört zum Alltagsgeschäft der Geschichtsforschung kann aber auch zu bedenklichen Eigeninterpretationen verleiten. Trotzdem möchte ich mich soweit aus dem Fenster legen in dem ich sage, dass das Gefecht am Kalkrieser Berg zur Unzeit passierte. Vielleicht hätten es sogar einige Germanen gerne vermieden, denn alle Signale sollten in dieser Zeit eigentlich schon auf Frieden gestellt sein, als es zum Zerwürfnis kam. Ein Kampf der sich auch noch bis in das Jahr 18 + verlegen ließe, da Strabo im Zusammenhang mit dem Germanicus Triumphzug vermutlich um das Jahr 17 + oder 18 + am Rande die Zeilen hinterließ, dass Arminius immer noch kämpfen würde, also beteiligt gewesen sein könnte und Tacitus später über einen Freikauf der 16 + schiffbrüchig gewordenen Römer unter Vermittlung der Angrivarier berichtete.In den Jahren kreuzten sich diese beide Wege und historischen Hinweise und verdichteten sich auf die Örtlichkeiten um Kalkriese. Da man militärisch aufgrund kaiserlicher Anordnung nach 16 + nicht mehr in Erscheinung treten durfte, bot das Imperium nun in Kalkriese all das auf, womit sich optisch Eindruck schinden ließ ohne die Waffen zu zeigen. Zehn Auguren waren schon fasst eine Fußballmannschaft und andere schwer zuzuordnende Funde zeugten davon, dass hier kein Römer an Kampf dachte. So führte man prunkvolle Ausrüstungsteile im Gepäck oder legte sie sogar an, als man durch Germanien paradierte. Schmuckvolle und glänzende militärische Defilierobjekte wie sie römische Ritter bei Schaukämpfen trugen. Anders lässt sich der Fund einer versilberten nur das Gesicht bedeckenden Maske mit kleinen Augenschlitzen kaum interpretieren, denn für jegliche Formen des Nahkampfes war sie völlig ungeeignet. Hier sollte die ganze Überlegenheit eines Weltreiches in der germanischen Einöde zur Schau gestellt werden. Ein weiteres sichtbares und untrügliches Zeichen und Argument zugleich mit dem sich beweisen ließe, dass hier die Prachtentfaltung im Vordergrund stehen sollte und kein Kriegsgeheul. Hier wollte man die Überlebenden und Geschundenen begrüßen und ihre Heimkehr feiern aber nicht wieder in die Fußstapfen des Krieges treten. Aber im Xantener Hauptquartier machte man die Rechnung ohne den Wirt, denn die Germanen ließen sich nicht in dem Maße beeindrucken wie erhofft und warfen sich der Delegation nicht vor die Füße. Aber nun zu einem weiteren Gedankengang der sich mit den dekorativ zu nennenden und auch bei Kalkriese gemachten Funde einstiger Luxusgegenstände befasst. Nämlich den nebulös wirkenden Glasaugen die sich noch relativ plausibel in das visionäre Szenario eines Gefangenenaustausches einfügen lassen. Möchte man die Prämisse zugrunde legen, dass man hier den Germanen etwas besonders attraktives bieten und anbieten wollte, so könnten derartige Dinge den Nerv der Zeit getroffen haben. Denn auf einem unbekannten Handwerk beruhendes Gegenständliches mag in trister ländlicher Umgebung, wo nur die Farben der Natur vorherrschten und man sich nur mit wenig Ausdrucksvollem umgeben konnte, hoch willkommen gewesen sein. Wenn es dazu noch farbig Beeindruckte und die Menschen wie ein Augenpaar anstarrte war auch Magie im Spiel. Aber die zum beiderseitigen Nutzen geplante Veranstaltung deren Sinn nur darin bestand gefangene Soldaten gegen Münzen oder Werte einzutauschen sollte von nichts Negativem überschattet werden. Es sollte zu einem von gegenseitigem Respekt getragenen harmonischen Aufeinandertreffen kommen und man wollte keine feindselige Stimmung erzeugen, sie aufkommen oder entstehen lassen. Eben ein Handelsabkommen perfekt zu machen. Folglich ein Tauschgeschäft im üblichen Rahmen samt dazugehörigen Umtrunk wie man es sich in allen Zeiten erhofft und erwünscht und wie man es in Kalkriese gerne einvernehmlich zu Ende gebracht hätte. Doch in Kalkriese einer Zwischenstation die zur bilateralen Normalisierung gedacht war, überwog vermutlich noch das in dreißig Jahren gewachsene Misstrauen und die Vergangenheit holte das Imperium in einem für sie ungünstigen Moment noch mal ein. Man beging den fatalen Fehler in dem man den Gegner von einst, nämlich den nur scheinbar wohlwollenden und gewillten Verhandlungspartner vor allem aber die Stimmungslage falsch einschätzte. Waren nun Schiffbrüchige in den Augen von Germanen auch Kriegsgefangene also „captivus” oder waren es eher Menschen mit denen die Götter spielten, in dem sie sie zuerst straften, dann aber doch retteten und die man in Latein einfach nur “naufragus” nannte. Standen sie im Sinne der Gastfreundschaft nun unter höherem Schutz, waren sie immer noch die alten Feinde an denen man sich rächen wollte, oder dienten sie den Germanen jetzt nur als bloße menschliche Wertgegenstände für die sich eine schöne Auslöse erpressen ließ. Nach Tacitus wurden jene Römer die 16 + Schiffbruch erlitten unter der Vermittlung der Angrivarier von anderen germanischen Stämmen oder Sippen zurück „gekauft“. Er benutzt dazu in seiner Überlieferung das Wort „redemptos“ abgeleitet vom Verb „redimere“ für zurück kaufen, los kaufen aber auch auslösen. Für gewohnt verbinden wir heutzutage mit dem Wort „kaufen“ zuvorderst den Einsatz von Zahlungsmitteln. Und der Rekonstruktion nach dürfte auch Geld in Form von Münzen geflossen sein. So beabsichtigte man den Germanen im Gegenzug für die Opfer der Katastrophe des Jahres 16 + auch Lösegeld anzubieten. Aber über den genauen Preis für die römischen Geisel, die „Otages“ entschied das freie Spiel des „Chasuaren Marktes zu Kalkriese“. Vorverhandlungen waren nicht zeitgemäß, denn der Kurs konnte sich nach Lust und Laune der Germanen stündlich ändern, zumal man den Germanen keine Berechenbarkeit unterstellen kann. Es war für Rom ein vabanque Spiel, verlief ohne feste Regeln und der Ausgang war völlig offen. Nach römischer Sitte wollte man auch noch handeln, musste also noch Werte in der Hinterhand gehabt haben. Den Germanen dürfte dies alles nicht entgangen sein. So stecken darin viele Motive die zur Eskalation hätten beigetragen haben können. Aber „los kaufen“ assoziiert nicht nur das Münzen bar auf den Tisch gelegt werden, sondern könnte auch einen Wert in Form von Waren bedeuten. Germanen kamen mit römischen Münzen in diesen frühen Zeiten unmittelbar nach Anbruch des ersten Millenium, als gerade erst die römischen Okkupationsanstrengungen scheiterten und die Gewalt ihr Ende fand, noch kaum in Berührung. Römische Münzen hatten für sie noch keine Bedeutung und waren auch kein originäres Ziel um sich daran zu bereichern. Germanische Einfälle aus den Regionen östlich des Rhein in römisch besetzte Gebiete sind aus den Jahrzehnten nach dem tiberischen Rückzugsbefehl nicht überliefert. Der sich abzeichnende tiberianische Landlimes vis a vis östlich von Köln etwa zwischen Sieg und Duisburg parallel zum Rhein gelegen, war noch im Stadium einer im Aufbau begriffenen Grenzziehung und bestand mehr aus einer optischen Markierung in Gestalt einer grünen Grenze, als das er verteidigungsfähig gewesen wäre. Und die „germanische Reconquista“ die sich im Zuge der Varusschlacht vollzog reichte vielleicht nur bis Haltern und diente nicht dem vordringlichen Zweck sich in den Besitz römischer Münzen zu bringen. Gelangten sie in ihren Besitz, so war für sie in erster Linie der Metall- also der Materialwert entscheidend und der Überlieferung nach wussten sie wohl dank des urtümlichen Bisstestes auch sehr gut über den wertgebenden Edelmetallanteil bescheid. Römisches Geld war für sie mehr ein Statussymbol, man nahm es an sich um es aufzubewahren. Aber als Zahlungsmittel war es für sie unbrauchbar und hatte gegen den gewohnten Tauschhandel noch keine Chance. Denn es ließ sich schlecht nutzen, da für Münzen kein messbarer Gegenwert fest gelegt war. Für sie lag in der ideellen Bedeutung Münzen zu besitzen das zentrale und eigentliche Bedürfnis der Beschaffung. Aber man kann sicherlich auch nicht ganz ausschließen, dass nicht auch schon mal eine oder mehrere Kühe für einen goldglänzenden Aureus den Besitzer wechselten, denn die Zeiten begannen sich, wenn auch nur langsam in Richtung Geldwirtschaft zu verändern. Aber man weiß dafür etwas anderes besser. Denn es ist bekannt, dass sich unsere Vorfahren neben dem Zweckmäßigen auch von wertlosem Tand aus römischen oder gallischen Produktionsstätten beeindrucken und beeinflussen ließen. Unsere modernen Glitzerwelten der aufwändigen Dekorationen stellen es heute noch eindrucksvoll unter Beweis. Wenn das an sich relativ „Wert lose“ etwas darstellte, ausstrahlte eine faszinierende Wirkung entfaltete und zudem Prunk und Pracht zum Ausdruck brachte gewann es an Attraktivität, man begehrte es und die Augen der Germanen wurden größer. Und natürlich und was auch Niemanden verwundert ist die Tatsache, dass es Neid weckte und das sollte es wohl auch. Neid der ungute Katalysator und häufige Wegbegleiter seit Menschengedenken. Und wenn diese Gegenstände die germanischen Hütten zum Glänzen brachten und zudem noch symbolische Ausstrahlungskraft besaßen, so waren sie auch interessant genug um im Tauschhandel eine nicht zu unterschätzende Rolle zu spielen. Der erste aufkeimende rechtsrheinische Handel mit römischen Produkten beschränkte sich auf das Umfeld der frühen Rhein- und Lippelager sowie die häufiger frequentierten Zugwege an denen die Siedlungen der Germanen lagen oder wo sie sich vielleicht auch erst deswegen dort etabliert hatten und davon profitierten. Und das ergab sich vermutlich sogar schon während dem die Germanienkriege tobten. Natürlich kann man im Zuge der römischen Kriegszüge nicht davon ausgehen, dass es in dieser Zeit zu einem nennenswerten Warenaustausch über die Feindesgrenzen hinaus gekommen ist. Aber dies änderte sich von dem Moment an, als Tiberius 16 + den Frieden befahl. Um die Jahr 17 + oder 18 + als es galt im Zuge des Gefangenenaustausches germanische Stämme, aber in erster Linie die nun wichtig gewordenen angrivarischen Vermittler zufrieden zu stellen, kam auch ein Handel langsam und zäh in Gang. So könnten in diesen Zeiten nun auch andere Tauschartikel von den Germanen stärker nachgefragt worden sein. Und auch gefangene Legionäre zurück zu kaufen ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Man stellte sicherlich auf dem kleinen Garnisonsplatz inmitten des römischen Marschlagers in der Niewedder Senke keine Tische auf um den Angrivariern eine Palette interessanter Objekte zu offerieren. Aber eine Form von Zurschaustellung sollte es gegeben haben. Man dürfte den Verhandlungspartnern attraktives vorgelegt haben worunter sich auch das eine oder andere Teil befunden haben könnte wie etwa Haarnadeln oder ähnliches, das der Weiblichkeit zugedacht war. Und natürlich kommt diesem Gefangenenaustausch den uns Tacitus mit so knappen Worten bestätigt, auch eine große historische Bedeutung zu. Denn nach dreißig Jahren blutiger Fehden könnte dieser Akt nicht nur eine Wende eingeläutet haben. Es war auch die erste und einzige dokumentierte zivile Annäherung die uns so kurz nach dem langen Krieg Roms mit den nun ehemalig zu nennenden Konfliktgegnern bekannt geworden ist. Dieses Zusammentreffen wurde damit auch zu einer ersten Nagelprobe der Verlässlichkeit in einer neu anbrechenden Zeit. Nun waren die beiden einstigen römischen Schlachtrösser Silius oder Caecina gezwungenermaßen auf das Niveau von Bittstellern herab gesunken und man darf sich die Frage stellen, wie sich Kaiser Tiberius zu diesem diplomatischen Drahtseilakt stellte. Schließlich dürfte dieses ungewöhnliche Prozedere brisant gewesen sein und entsprechend hohe Wellen geschlagen haben. Wellen gleichen Ausmaßes wie die, die einst die römischen Schiffe zum Zerbersten brachten, aber auf anderem Parkett. In Kalkriese durfte also nichts schief gehen. Denn man läutete dort den letzten Akt einer misslungenen Serie unbefriedigender Germanicus Feldzüge ein und wollte auf diesem Weg die Schmach ohne großes Aufsehen zu erregen zügig zu Ende bringen. Die peinlichen Pannen des zwar in weiten Kreisen beliebten aber erfolglosen Feldherrn Germanicus sollten endgültig ausgeräumt und vergessen gemacht werden. Tiberius muss dem Gefangenenaustausch zugestimmt haben und möglicherweise gab es auch noch ein altes Vermächtnis mit Germanicus an das sich Tiberius hielt oder halten wollte. Denn es wurde überliefert, wie innig Germanicus einst über den Flottenverlust und die Opfer getrauert haben soll. In diesem Sinne könnte Germanicus den Schiffbrüchigen noch einen letzten Dienst erwiesen haben und für den Gefangenenaustausch noch indirekt mit die Weichen gestellt haben und er war somit für diese Aktion vielleicht sogar mit verantwortlich, zumal er sie im Zuge seines letzten Kriegsjahres 16 +, obwohl nicht beabsichtigt erst ausgelöst hatte. Es könnte mit erklären helfen, warum das Imperium das Risiko Kalkriese überhaupt ein ging um die Schiffbrüchigen zurück zu holen. Aber schon kurz nach dem für Germanicus veranstalteten Triumphzug im Mai 17 also noch im gleichen Jahr trennte sich Tiberius von ihm und schickte ihn in den Osten des Reiches nach Griechenland. Da der angenommene Gefangenenaustausch auch erst im Folgejahr 18 + statt gefunden haben könnte, dürfte Germanicus vom Ausgang des Gefechtes bei Kalkriese nichts mehr erfahren haben. Denn Germanicus wurde 19 + in Antiochia möglicherweise vergiftet. Der Unbill der Natur also der Zorn der Götter ließen das Unwetter in der deutschen Bucht damals geschehen und es war bei genauerer Betrachtung eine äußerst heikle Mission, in der die römische Delegation seinerzeit in Sachen „Schiffbrüchige“ zu den Angrivariern aufbrach um das Reglement abzuwickeln um das Unvermeidbare hinter sich zu bringen. Das Imperium musste alles erdenkliche aufbieten um den Austausch nicht zu einem Misserfolg werden zu lassen und so las man den Germanen so ziemlich jeden Wunsch von den Augen ab. Vielleicht waren die wenigen Worte die Tacitus dafür fand schon der Diskretion gezollt. Man könnte ihnen demnach ein Überangebot präsentiert haben, das die Germanen nicht ablehnen konnten. Auch ohne „Live Übertragung“ dürften alle Augen im Imperium bis hinunter zu den begüterten Familienangehörigen der Gefangenen in Italien in dieser Zeit auf Kalkriese gerichtet gewesen sein. Aber besonders waren es die Augen von Kaiser Tiberius und seinem Hofstaat, denn es sollte und musste alles in einen glorreichen Erfolg münden, der sich politisch ausschlachten ließ. Das Imperium durfte und wollte sich unter Kaiser Tiberius kein erneutes militärisches Debakel gegen ein rückständiges Volk leisten, denn die Liste der Peinlichkeiten war schon recht umfänglich und es gab sie schon zur Genüge. Wie wir wissen wurde alles was Rom damals in Germanien, wenn auch manchmal nur halbwegs zustande brachte, wie eine Heldentat von gesamtstaatlicher Bedeutung überschwänglich und wenn nötig bis zur Faktenverdrehung gefeiert. Und man möchte gar nicht wissen wie man in Rom einen erfolgreichen Gefangenenaustausch ausgeschlachtet hätte. Denn dafür gibt es genügend Beispiele. Ob man wie geschehen Germanen wie Gefangene vorführte die sich jedoch vorher freiwillig in römische Hände begeben hatten, ob man sich für die Zurschaustellung an Germanen vergriff, die mit den Germanicusschlachten gar nicht im Zusammenhang standen, oder ob man Feldherren Triumphalinsignien zuerkannte die ihnen bei genauer Betrachtung nicht zustanden, da es ihre Verdienste nicht hergaben. Oder ob man die Rückführung von Legionsadlern mit opulent übertriebenem Beiwerk ausschmückte. Alles stellte man gerne als einen totalen Erfolg wie ein Jubelereignis der Sonderklasse heraus und es passte zur „Brot und Spiele“ Philosophie. Das es aber in Kalkriese zum Gefecht kam und dieses in einer römischen Niederlage endete, wurde in den späteren Annalen, wie so vieles andere auch geflissentlich verschwiegen und Tacitus konnte darüber auch nur sehr wenig weiter geben und erst recht nicht über ein Fiasko schreiben, weil es sich aus seinen Quellen nicht erschließen ließ. Das er es aber überhaupt erwähnte zeugt davon, dass der Gefangenenaustausch doch eine gewisse Größenordnung angenommen haben musste. Aber zum guten Angebot sozusagen einem Rundumpaket an die Germanen gehörten damals auch andere Dinge als Münzen. Wie etwa die zweckmäßigen Dinge des Alltags aber auch die unzweckmäßigen, wenn sie nur ansprechend genug waren und schön genug aussahen und das in jeder Variation und Ausstattung aber immer nach dem römischen Geschmack der Zeit. Gegenstände vielleicht aus modernster Manufaktur die zeitgemäß und daher hoch im Kurs gestanden haben könnten. Sich selbst versorgende kleinbäuerlich geprägte Völker mussten auch immer praktisch veranlagte Menschen sein, wollten aber auch mal über den Tellerrand blicken. Während sich die in Kalkriese gefundenen Millefiori Scherben gut einem Gefäß zuordnen lassen, müssen die dort aufgefundenen „Glas Augen Scherben“ aber immer noch als undefinierbar eingestuft werden. Möglicherweise kam ihnen im intakten Zustand als Teil eines Ganzen eine Doppelfunktion zu. So könnte man sie sowohl als Nutzgegenstand in römischen Kastellen verwendet haben, sie aber auch für Handelszwecke geeignet gewesen sein. Aus herstellungstechnischer Sicht betrachtet ist es ein Faktum und daher von Bedeutung, dass es sich bei den gefundenen „Glasaugen“ insgesamt um Teile handelt, die allesamt nur aus farbigen Glaselementen bestanden. Aber es waren in sich betrachtet jeweils Einzelstücke, denn kein Glasauge sah aus wie das andere. Unter ihnen befindet sich also kein Teil oder aus durchsichtigem Glas produziertes Element. Farbiges Glas herzustellen gelang in Italien noch bevor es möglich war durchsichtiges Glas anzufertigen. Denn die manuell erstellten Teile, wenn sie auch nicht unseren Reinheitsvorstellungen entsprachen aus durchsichtigem Glas zu produzieren war erst um das Jahr Null möglich. Aber farbiges Glas für den alltäglichen Gebrauch wurde auch in den folgenden Jahrzehnten weiter also parallel produziert, als die Fertigung von durchsichtigem Glas bereits möglich war. Sodass es nicht möglich ist, für die Funde in Kalkriese aus farbigem Glas sowohl eine Herstellungszeit und natürlich auch nicht den Produktionsort bestimmen zu können. Die farbigen Glasobjekte könnten demnach auch während einer sehr langen Zeitphase in den Kalkrieser Boden gelangt sein. Es lässt sich also nicht exakt sagen, ob sie im Kern dem Fundhorizont etwa der Jahre 9 + bis 18 + zugeordnet werden können, besser gesagt, es lässt sich gegenwärtig nicht beurteilen. Denn die Kalkrieser Glasaugen können epochal betrachtet auch noch lange nach der Aufgabe der letzten Lippelager in den Niewedder Boden gelangt sein. Es ist allerdings sehr nahe liegend, dass diese Glasobjekte im Zuge einer Kampfhandlung zerstört wurden und in dem vorgefundenen Zustand zu Boden fielen, gleich wann dieses statt fand. Das sich die Augen ähnlichen Glasscherben die man in Kalkriese entdeckte in Aussehen und Machbarkeit von denen unterschieden die sich an anderen Stellen in Germanien fanden wie etwa an der Lippe zeugt vermutlich von der Individualität der Meister, ihrer jeweiligen Handwerkskunst und ihrer Möglichkeiten. Aber Produkte aus farbigem Glas, fände man sie noch dazu „in situ“ also in Original Fundlage, Schicht oder Position innerhalb der Örtlichkeit und das um diese Zeit in den weit vom Rhein abgewandten östlichen Fundregionen ist nicht nur eine Besonderheit, sondern sogar eine Überraschung und wie in diesem Fall schon sensationell zu nennen. Dabei tritt zunächst die Frage nach der Herstellungsmethode, oder danach welche Stoffe und Elemente man vor 2000 Jahren für den Schmelzprozess einsetzte in den Hintergrund. Denn das bloße Vorhandensein und die Existenz der Teile nahe zum 5240. Breitengrad wo er Germanien quert ist nach unseren Vorstellungen bereits äußerst bemerkenswert. Denken wir an die römische Glasherstellung des 1. Jhdt. wie sie uns Plinius der Ältere beschrieben hat und werfen wir einen Blick auf andere augusteische Spitzenerzeugnisse der Glasmacherkunst, so erscheinen uns die „toten farbigen Glas Augen“ von Kalkriese angesichts der Fortschritte gar Sprünge, die die Glasmacherkunst schon im frühen ersten Jahrhundert machte schon fasst wie Produkte aus einer rückständigen Epoche. Denn die Forschung kann anhand von Bodenfunden nachweisen, dass hochwertiges, also sowohl buntes als auch durchsichtiges und verziertes Glas in bester zeitgemäßer Qualität bereits in vor römischer Zeit in Palästina, Syrien, Ägypten und Mesopotamien produziert und verarbeitet werden konnte. Von dort dürfte es schon in den Zeiten der dortigen Hochkulturen den Weg über die Häfen, etwa Griechenlands oder Alexandrias, also über das Mittelmeer ins römische Reich gefunden haben. Gegen diese Meisterleistungen erscheinen die diversen farbigen Scherbenfunde nördlich der Alpen in der Tat so, als wären sie für den damaligen Geschmack gerade noch gut genug gewesen. Was wiederum nicht verwundert denn auch um das Jahr 18 + steckte man, was die Produktion durchsichtigen Glases anbelangt auch in Italien noch in einer frühen Experimentierphase. Aber schon die farbigen Glasfertigprodukte mögen bereits ausgereicht haben und erfüllten ihren Zweck um die Germanen in Verzückung zu versetzen. Anfänglich hatte auch im italienischen Teil des Imperium Romanum farbiges Glas noch eine stärkere Verbreitung, so wie es das bei Kalkriese gefundene Glasaugenteil materiell verkörpert. Um das Jahr Null wurde das komplett farblose bzw. durchsichtige Glas erfunden und die Qualität und Festigkeit wurde zunehmend verbessert. Durch den wachsenden Erfindungsgeist wurde auch die Produktionspalette um neue Erzeugnisse und Gestaltungsideen aus farblosem und damit durchsichtigem Glas erweitert. Während der Pax Romana machte unter Kaiser Augustus die Produktion von Glas so immense Fortschritte, dass sie nicht nur auf Italien beschränkt blieb, sondern zu einem Erfolgsschlager in der römisch geprägten antiken Welt wurde. So wurden aus Glas hergestellte Dinge des Alltags auch nach Spanien, Gallien und Germanien aber auch an die Donau exportiert, wo sie sich schon in augusteischer Zeit auf dem Magdalensberg nachweisen lassen. Mit dem Export also dem Transfer der Produkte von Italien ausgehend, vollzog und verbreitete sich auch schnell das Wissen um die jeweiligen Herstellungsprozesse und Methoden. In der Folgezeit war es daher möglich überall an geeigneten Orten Schmelzöfen zu errichten und die Kunst des Meisters und der Geschmack und die Zahlungskraft der Abnehmer entschieden wohl über die Vielfalt der Angebotspalette. Aber die Funde von Kalkriese erreichten noch nicht den hochwertigen Zustand und sollten es auch nicht, denn sie waren nichts anderes als Gegenstände des Alltags. Der Römerstadt Augusta Raurica, die heutige Schweizer Stadt Kaiseraugst bzw. das deutsche Augst am Rhein nahe Basel fiel in dieser Zeit eine besondere Bedeutung zu. Zahlreiche Funde der Epoche wie sie hier nachweisbar sind, ob zuerst farbiges oder später durchsichtiges Glas bestätigen dies und es lässt sich bereits für die augusteischen Zeiten belegen, dass sich dort einst ein oder sogar das Zentrum der frühen Glasherstellung nördlich der Alpen befand. Eine äußerst geeignete Region am Oberrhein, einem geographisch bedeutsamen verkehrstechnischen Knotenpunkt nördlich der Alpen. In Augusta Raurica und möglicherweise auch in der unter Basel vermuteten Erstgründung könnte man auch die gesuchte römische Stadt sehen, in der man sich als erste Kapitale nördlich der Gebirgskette auf alles Innovative stürzte, was den Weg aus Italien in den Norden fand. Und nach Augusta Raurica das bereits vor der römischen Stadtgründung von Trier bestand hatte, öffnete sich dank des Rheins auch die Tür nach Germanien. Mit der Produktionsstätte ging zwangsläufig auch der nötige Handelsstützpunkt einher aus dem sich ein Warenumschlagplatz entwickelte. Die Glasmanufaktur samt Vertrieb prosperierte und besaß Wasseranschluss mittels Hafen, sodass der bequeme Transport rheinabwärts somit sichergestellt war und reibungslos funktionierte. Den Rheinfall hatten sie ab Augst bekanntlich nicht mehr zu überwinden und die anderen Hindernisse im Fluss schienen beherrschbar gewesen zu sein. Die Stadt wurde zum Mittelpunkt der Herstellung also auch gänzlich unmilitärischer Erzeugnisse nämlich auch dem besagten „poculum vitreum“ mit dem das Imperium auch diesseits der Alpen seine technische Vorrang- und Vormachtstellung unter Beweis stellte und durch Fortschritt punkten konnte. Kriege und Schlachten waren befristete Eskalationsspitzen, aber dazwischen lagen auch längere Friedensperioden, Phasen in denen letztlich jene Dinge auf die Reise gingen, die den kulturellen Einfluss ausmachten die Begehrlichkeiten weckten und die die Impulse einer modernen Zeit kontinuierlich nach Norden transferierten. Damit rückte das Imperium für Germanien auf Jahrhunderte in den Blickpunkt und wurde zum Leitmaß der Dinge bis die Völkerwanderung diese alten Grenzen wieder verschob. Das nach der Zeitenwende die in einfachen Produktionsschritten hergestellten undurchsichtigen und farbigen Teile aus Glas auch vermehrt im Alltag Verwendung gefunden haben, dürfte unstrittig sein, während das hochwertigere durchsichtige Glas von einem höher gestellten und wohlhabenderen Personenkreis genutzt wurde. In Kalkriese fand man durchsichtiges Glas bislang nicht und man wird es wohl auch dort nicht finden. Man fand die rätselhaften fünf, sechs oder waren es gar sieben Glasaugen nicht nur an der Marschstraße bei Kalkriese, sondern in ähnlicher Ausführung auch in den Lippelagern und in Xanten. Aber da wo man sie noch ausgrub, befanden sich jeweils stattliche und wichtige militärische Bollwerke des Imperiums. Dies war neben Xanten auch in Haltern, Oberaden und Anreppen längst der Lippe der Fall. Und natürlich in Kaiseraugst dem alten Augusta Raurica das möglicherweise als Kolonie schon 44 – gegründet wurde. Das man die Scherben nicht vermehrt auch auf Äckern im Münsterland fand mag daran liegen, dass man in ihnen keine Teile aus früh römischer Produktion erkannte und sie daher nicht beachtete. Aber überall dort, wo sich diese Scherben fanden, existierten auch römische Niederlassungen die sich auch dank dieser Funde einem zeitlich erfassbaren Rahmen zuordnen lassen. So bleibt und wird die Zeit in der sie in den Boden gelangt sein konnten für uns überschaubar bzw. lässt sich besser eingrenzen. Das alle Gegenstände die in diesen Jahren nach Westfalen gelangt sind nur in Verbindung mit Kastellen oder Marschlagern zum Vorschein kamen unterstreicht den engen Kontakt zu den Zivilisationsstätten und Zentren der frühen römischen Besiedelung. Unstrittig ist sicherlich, dass diese Teile auch nur in den Boden gelangt sein konnten, als diese Kastelle schon existierten. Und natürlich auch nur immer solange, wie sie sich auch noch in der Nutzung befunden hatten. Denn danach ging dort kein Tischgeschirr mehr zu Bruch. Und man fand sie sogar noch weit flussaufwärts bis nach Anreppen, dem jüngsten Römerlager am Lippeoberlauf, das man nur etwa 5 Jahre genutzt hatte, denn selbst bis dahin hatte man ähnliche Glasobjekte schon transportiert bzw. man benötigte sie dort. So sollten natürlich auch noch viele von ihnen nicht auffindbar auch im ehemals besetzten Teil Germaniens im Boden schlummern, die zudem schwer zu entdecken sind, da sie sich nicht mit Metallsuchgeräten aufspüren lassen. Das man aber alle Glasaugen bis auf Kalkriese nur in Römerstädten bzw. Römerkastellen fand ist nicht unlogisch. Denn nur dort gab es auch Bedarf an Tischgeschirr. In diesem Kontext festzustellen, dass alle Funde grundsätzlich nur einen Bruchteil dessen wieder spiegeln, was tatsächlich noch im Boden vorhanden ist, dürfte unstrittig sein. Jedoch weisen die Fundorte darauf hin, dass die Glasaugen, als sie noch Bestandteil eines Behältnisses oder eines großen Ganzen waren die Legionäre aber auch die Händler bis in ihre Militärlager und auf ihren Marschzügen begleiteten. Wo also die frühe römische Zivilisation beheimatet war und wo sich ihre, wenn auch nur vorübergehenden Stützpunkte befanden. Wo sich römisches Leben ausbreitete also Fuß fasste, waren offensichtlich auch Glasaugen ähnliche Teile nicht weit. Folglich war ihr Verbreitungsraum umfänglicher als gedacht und man sollte daher annehmen, dass man sie auch in jeder anderen römischen Siedlung vorfinden könnte. Glasaugen die auf die naive germanische Seele einwirkten, die man vielleicht an Bändern befestigt hatte, die sich an den Fensteröffnungen im Zugwind bewegten wo sie dann leise gegeneinander schlugen.(20.02.2020)

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Dienstag, 18. Februar 2020
Das Gefecht von Kalkriese fiel der römischen Zensur zum Opfer - Aber das Rätselraten um die Glasaugen geht weiter
Und dies ließe sich in der Tat mit einer vorstellbaren „palatinischen Zensur“ begründen, denn das nieder schmetternde Resultat wollte man tunlichst unter den Teppich kehren. Und es würde auch erklären, warum dem Historiker Tacitus damals so wenig an Detailinformation zum Gefangenenaustausch zur Verfügung stand, über das er hätte berichten können. Denn wie sollten wir es uns anders erklären, dass er nur so wenige Worte über den Gefangenenfreikauf unter Vermittlung der Angrivarier verlor. Und wer wollte sich in Rom nach den vielen Schlachten, dem auch sicherlich von römischer Seite ersehnten Frieden und der triumphalen Siegesfeier für den erfolgreichen „Pseudo“ Feldherrn Germanicus im Jahre 17 + schon eingestehen, dass man sich mit dem Erzfeind so kurz danach schon wieder am „grünen Tisch“ treffen musste. Denn wir erinnern uns, dass die Schlacht am Angrivarierdamm im Jahre 16 + auch für Rom kein Vergnügen darstellte. Allein schon zugeben zu müssen, dass die Germanen immer noch im Besitz vieler gefangener Römer waren und man sich nun kleinlaut irgendwo in der germanischen Tiefebene mit ihnen arrangieren musste um diese Gefangenen wieder in Empfang nehmen zu können bzw. sie zurück kaufen zu müssen, dürfte bitter gewesen sein. Und die Wortwahl „zurück kaufen“ erweckt nicht den Eindruck, als ob sich in diesem Zusammenhang die Germanen von Rom unter Druck setzen lassen wollten, denn sie saßen in diesem Fall am längeren Hebel. Auf ein peinliches und dazu erniedrigendes Schauspiel der Unterwürfigkeit folgte dann zu allem Überfluss noch ein unrühmliches Ergebnis. Es wurde zum Fiasko für die damalige Weltmacht Rom, das man nicht unbedingt an die große Glocke hängen wollte. Und schon gar nicht als sich heraus stellte, dass der Ballanceakt später auf der ganzen Linie scheiterte, denn in Kalkriese missglückte nicht nur die Regie sondern die ganze Aktion, denn es kam alles anders als gedacht. Aber es sprechen viele der Kalkrieser Funde für diese Theorie, denn sie lassen sich gut in das geschilderte Geschehen und Szenario eines Gefangenenaustausches einfügen. Unter den vielen frei zu kaufenden Legionären die, wie man annehmen kann dort im Austausch frei kommen sollten und die zwei Jahre zuvor bei dem Herbststurm 16 + schiffbrüchig geworden an Land gespült wurden, könnten sich auch eine oder mehrere bedeutsame römische Personen aus betuchtem Hause befunden haben. Und je hoch gestellter die römischen Gefangenen waren, um so desaströser wirkte sich das Versagen der Weltmacht samt Kaiser Tiberius auf die in Italien lebenden betuchten Angehörigen aus. Es waren die Militärs aus gehobenen Positionen, für die man auch bereit war gewisse Vermögenswerte den alten Schatullen zu entnehmen, um sie den Germanen für den Rückkauf anzubieten. Denn unter den Funden waren bekanntlich auch jene gut erhaltenen und daher vermutlich noch nie im Umlauf gewesenen „uralt“ Münzen die aus einer Prägezeit um das Jahr 180 vor unserer Zeitrechnung stammten. Sie stammten aus einer frühen Epoche in der es dem römischen Imperium noch nicht einmal gelungen war Griechenland in Gänze in Besitz zu nehmen und es den Makedonen abzutrotzen. Denn die entscheidende Schlacht bei Pydna wurde erst im Jahre 168 – geschlagen. Jene schon fasst mythologisch zu nennende und denkwürdige Schlacht aus der sich damals die Überlebenden nach Thrakien absetzen konnten, wo sie ein neues Reich begründeten. Aber die undefinierbaren Glasaugenscherben von Kalkriese und anderswo haben es der Forschung angetan, sie liefern uns nicht nur einen Hinweis auf die frühe römische Handwerkskunst aus biblischen Zeiten, sondern verlangen auch nach möglichst plausiblen Antworten und fordern die einschlägige Expertenwelt heraus. Für ihre Entstehungsgeschichte ließen sich möglicherweise zwei bis drei Erklärungen finden. Vor allem aber passen sowohl die eine, als auch die anderen Alternativen noch sehr gut in den Kontext eines anzunehmenden Gefangenenaustausches. Der angenommene Verlauf gewinnt somit an Glaubwürdigkeit und stärkt die Theorie einer aus dem Ruder gelaufenen Aktion als sich die Waffen noch nicht ganz abgekühlt hatten in einem sensiblen Grenzgebiet. Es sind diese zum einen die Hypothese einer Bahre, also einer Kline wobei man an eine Totenbahre denkt und wie sie auch von einer italienischen Expertin zur Diskussion gestellt wurde, jene bei der man sich auch die Reste zerbrochenen Tischgeschirrs vorstellen kann und eine weitere, auf die noch zu sprechen sein wird. Blickt man visionär auf das zurück liegende Geschehen in Kalkriese, so muss man sich tief der damaligen Situation vergegenwärtigen und sie sich nach eigenem Empfinden ins Bewusstsein rufen. Denn ohne Phantasie und Einfühlungsvermögen erstarrt jegliche Rückbesinnung in distanzierter Nüchternheit. Und es würde sich ein Eindruck verfestigen die Archäologie wäre vergleichbar mit den gekachelten Räumlichkeiten der pathologischen Abteilungen innerhalb unserer Kreiskrankenhäuser, umgeben von leblosen und blutleeren Sachwaltern der Historie. Dem sollte man entgegen wirken, denn die Geschichte lebt. Es war ein sonderbares unscharfes Ereignis, dass sich damals vollzog und sich in den Konturen schwer greifen lässt. Vermutlich 17 + oder 18 + weit vor den Toren der Siegfriedsstadt Xanten fand es statt und vielleicht war ja auch Arminius noch selbst daran beteiligt, denn Strabo deutete es an. Die zahlreichen Auguren insgesamt zehn an der Zahl verliehen zwar dem Marsch ein gespensterhaftes Aussehen, denn auch die Legionäre dürften es nicht gewohnt gewesen sein in Begleitung so vieler Priester reiten zu müssen. Denn die Auguren zeichnete nicht nur ihr Stab aus, sondern sicherlich auch die dazugehörige passende Kleidung bei der man schon fasst an eine kapuzenartige und den Mönchen ähnliche Umhüllung denken möchte. Wie mögen die Germanen auf das Auftauchen dieser unbekannten Gestalten fasst schon Wesen möglicherweise noch in weiß reagiert haben. Was sahen sie in ihnen. Stand da etwa schon der Gedanke an mögliche Bekehrungen im Raum. Waren es jene Priester denen sich damals auch Segimundus am Ubier Altar in Köln unterworfen hatte oder musste. Brachten sie unter Umständen schon einen Misston in den Gefangenenaustausch. Aber das Mitführen großer und sperriger Totenbahren will nicht so recht zum Verlauf passen, denn man wollte eigentlich lebende Römer in Empfang nehmen und keine toten. Ebenso befremdlich wirkt die Vorstellung, dass man augenartige und in diesem Sinne eigenartige Glasobjekte an Holzgerüsten oder Gestellen befestigt haben könnte. Wie sollte man es damals technischerseits angestellt haben, Glaselemente an Holzrahmen stabil zu montieren um sie auf robusten Wegen zu transportieren zu können. Der Nachbau einer Kline der Trier Universität zeigt Schnitzarbeiten enthält aber keine Anhaltspunkte oder Hinweise die auf das Vorhandensein bzw. die Montage von Glasteilen schließen lassen. Es müsste schon eine findige Technik existiert haben um Glas mit Holz zu verbinden. Verkleben ließen sie sich jedenfalls nicht und im Holz eingelassene oder versenkte Teile dürften keinen langen Bestand auf einem holprigen Transport gehabt haben. Aber es lässt sich statt der aufwändig angefertigten Totenbahre noch eine andere Dramaturgie entwerfen. Denken wir uns in die damaligen Verhältnisse hinein. Eine Katastrophe bei der die alten Rümpfe von aus Holz gefertigten Schiffen wie Streichhölzer zerbarsten. So muss man auch stark davon ausgehen, dass zahlreiche Römer dabei ertranken und dann angespült wurden. Aber auch die Vorstellung passt, dass von den Germanen viele Legionäre aufgelesen wurden die noch lebten, sich aber Verletzungen zugezogen hatten. Ob man in Germanien die toten Römer begrub oder der Verwesung überließ ist unklar. Aber die Germanen konnten den überlebenden Römern aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes sicherlich auch ihren Stand ansehen und sie dadurch auch von ihren Untergebenen unterscheiden. So wird man sie in Obhut genommen haben, auch wenn sie versehrt waren. Je nach dem wie sich ihr Gesundheitszustand entwickelte, könnte man versucht haben auch diese noch „zu Geld“ zu machen und es ist denkbar, dass man dies der römischen Seite signalisierte. Vereinfacht ausgedrückt, sind nicht alle Gestrandeten gesundheitlich auf der Höhe, so bringt zum besseren Transport geeignete Bahren mit. Also Bahren für lebende und nicht für tote Legionäre. War man in Xanten voraus schauend brauchte man ihnen dieses gar nicht erst mitzuteilen, denn es ließ sich erwarten. Das es Tacitus grundsätzlich überhaupt für nötig hielt über diesen Vorfall Worte zu verlieren deutet darauf hin, dass es sich dabei nicht nur um keine kleine Randanekdote oder Affäre der Weltgeschichte handelte, sondern um ein bedeutungsvolles und tragweites Ereignis, denn Tacitus verlor sich eigentlich nicht in Nebensächlichkeiten. Was wiederum Anlass gäbe zu schlussfolgern, dass sich hier eine recht hohe Anzahl von Legionären im Gewahrsam der Germanen befunden haben könnte. Ziel soll es jedoch hier sein, über diese Anmerkung hinaus einen neuen Blickwinkel herzustellen. Denn da haben wir ja noch die scheinbar nie da gewesene Zusammenballung von Auguren die sich anhand der gebrochenen Metallteile bei Kalkriese nachweisen lässt. Denn zehn Augurenstäbe sprechen auch für die Anwesenheit von schon fasst inflationär zu nennenden zehn Auguren. Wir wissen, dass die römische Welt nicht nur auf Griechenland, sondern auch auf das alte Ägypten fixiert war. Und wir wissen, dass in Ägypten eine der Wiegen des Augurenstabes, also des ursprünglichen Hirtenstabes stand. Uns ist auch nicht entgangen, dass der ägyptische Hohepriester Imhotep ein Begründer und Wegbereiter der alten Heilkunde war und später sogar als Heilgott verehrt wurde. Und zu den Insignien des Imhotep in seiner Funktion als „Heqa-hut-aa“ gehörte auch der Krumm - also der Augurenstab. Müsste oder sollte man etwa die Augurenschwemme bei den Chasuaren so verstehen, als ob sich diese Auguren einer älteren Tradition gegenüber verpflichtet sahen oder fühlten, bzw. sogar in der Verantwortung standen zu heilen. Nämlich letztlich auch der Krankenfürsorge und Verwundetenversorgung verletzter Legionäre zu dienen hatten. Gab es da noch ältere Verbindungen wonach die Auguren nicht nur als Priester bei Zeremonien oder sakralen Akten mit zu wirken hatten, oder als Wahrsager in Erscheinung traten sondern auch medizinische Hilfe zu leisten hatten. Und in dem Zusammenhang also nicht nur die Totenrituale zu praktizieren hatten, sondern das sie auch ärztliche Kenntnisse besaßen und daher ihre Anwesenheit nicht nur erforderlich, sondern sogar erwünscht war. Wie anders sollten wir uns die zehn Auguren in Kalkriese erklären. Denn wir dürfen in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass im Boden von Kalkriese und wen verwundert es da noch, auch medizinisches Gerät gefunden wurde, dass möglicherweise für die Erstversorgung der Heimkehrenden gedacht war. So schließt sich sich der Kreis um die Theorie des Gefangenenaustausches auf Basis dieser Überlegungen um ein weiteres Mal in dem sich die gesammelten Argumente zusätzlich verdichten lassen. Wir hätten es also bei den „toten Glasaugen“ von Kalkriese mit Gegenständen zu tun, die man auch in einen Zusammenhang mit einer eher einfach ausgestatteten Krankenbahren Variante bringen könnte. Aber auch in diesem Fall hätte man die Glasaugen an den Kanten der Tragegestelle befestigen müssen was ebenso schwer vorstellbar ist, wie bei aufwändig gefertigten aufbahrfähigen Klinen. Primitive Liegen wie sie in allen Militärlagern und an allen Fronten der Welt gebräuchlich waren und auch wohl dem leidigen Zweck geschuldet waren häufig genutzt werden zu müssen. Sie hatten nur die Mindeststandards zu erfüllen und waren eben nicht nur für Verstorbene, sondern zuvorderst für verwundete Legionäre gedacht. Eine Erklärung, die nicht nur für Kalkriese zutreffen würde, sondern gleichermaßen für alle Fundstätten nämlich in allen Römerlagern in NRW und darüberhinaus, denn es wurde in diesen Zeiten bekanntlich heftig gekämpft und die Schreiner waren ausgelastet. Damit hätten wir zwar eine Verbindung zu einer Standardliege und auch zu einem gläsernen Augensymbol hergestellt, aber immer noch keine schlüssige Erklärung dafür gefunden, wie man Glasaugen mit Holzgestellen verbunden haben könnte. Lässt man den Gedanken fallen, die Glasaugen könnten an den Klinen einen Platz gefunden haben, so kristallisiert sich neben der Tischgeschirr Überlegung noch eine weitere Möglichkeit heraus. Nämlich die, die sich um die Frage dreht, ob römische Legionäre auf ihren Feldzügen Glücksbringer am Körper trugen. Mangels anderer Hinweise wird die Phallussymbolik gerne damit in Verbindung gebracht. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Nämlich der so genannte böse Blick, der im weltweiten Volksglauben tief verwurzelt ist und zu den ältesten Formen des Aberglaubens zählt. Römische Legionäre sahen dem Tod in Gestalt des Feindes mit gezogenem Dolch in der Hand häufig ins Auge und suchten Schutz in auswegloser Situation. So könnte der Gedanke nahe liegend sein, dass es sich bei den Glasaugen um das handelte, was man schon vermutet. Denn man kann die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie derartige Gegenstände am Leib trugen und bei sich führten die wir heute auch Talisman nennen. Was uns wie so oft fehlt ist der durchschlagende Beweis für diese Theorie, denn diesen bleibt uns die Historie schuldig. So können wir uns weder auf Funde noch auf andere schriftliche Hinweise stützen und man kann es nur als eine weitere These in den Raum stellen. Aber wir spüren noch ihre einfach gestrickte Mentalität und dürfen es sicherlich in Betracht ziehen. Natürlich sind dies Überlegungen, die in der Forschung selten aufgegriffen werden. Denn sie sind der Wissenschaft in der Regel fremd, da sie die Archäologie zu sehr vermenschlichen würden und was in Stilblüten enden könnte. Denn unser eigenes Verhalten entzieht sich unserem menschlichen Vorstellungsvermögen. Wir wissen da bekanntlich selbst am Besten was gemeint ist. Und es verträgt sich daher naturgemäß nicht gut mit mikroskopischen Untersuchungen, Spektralanalysen oder der Radiokarbondatierung von Bodenfunden. Viele Legionäre starben, blieben völlig unversehrt, aber viele wurden nur verletzt waren aber nicht mehr geh- oder transportfähig. Auch diese Dinge galt es also immer zu bewerten, wenn man sich mit der Schlachtfeldforschung auseinandersetzen will. Die Glasaugen von Kalkriese wären somit für den „Helden“ das einzig Greifbare einem Rettungsanker gleich, das ein leicht oder schwer verletzter Legionäre möglicherweise bis zuletzt mit seinen Händen umklammern konnte und ihm vielleicht auch in seiner letzten Stunde Kraft verlieh. Man sollte es nicht außer acht lassen, denn für so manchen Legionär wurde die Trage auch zur Totenbahre und da wollte man sich doch, zumal in heidnischen Zeiten bis zum letzten Atemzug auch vor dem Aberglauben sicher fühlen. Das Glasauge gegen den bösen Blick der Geister oder der falschen Götter, man konnte ja nicht wissen von woher die Gefahr drohte und wollte es nahe bei sich haben. Doch warum hätten sie sich dafür an einer Scherbe bedienen sollen. Ein gegenständliches Bezugsteil in Form eines Auges könnte schon ausgereicht haben um darin höhere Kräfte sehen zu wollen. Ein Auge, dass sich ursprünglich an anderer Stelle befand, was aber unserer Phantasie breiten Raum gibt. Letztlich aber mussten die verletzten und vielleicht auch die toten Legionäre von Kalkriese an den Rhein transportiert werden, sodass man wohl davon ausgehen kann, dass dies der vereinfachenden Umstände wegen auf dem Wasserweg erfolgte. Sterbliche Überreste von Legionären aus reichen Familien denen letztlich das Glasauge auch nicht mehr helfen konnte, könnte man möglicherweise auf Betreiben von Angehörigen auch in Italien in einer Familiengruft bestattet sehen wollen. Eine in der Tat vage aber doch noch denkbare Theorie, die zum damaligen Zeitgeist passte, die aber nicht vom Gedanken an die Tischgeschirr Hypothese ablenken soll. Aber eine weitere Überlegung, die auch die Theorie eines Gefangenenaustausches nicht erschüttern würde. Aber auch eine Hypothese die erkennen lässt, wie weit man sich auf dieser Basis bereits von der Überlegung entfernt hat oder sich verabschieden kann, in Kalkriese müsse ein Varus seine Finger im Spiel gehabt haben. Und der Möglichkeit, dass es sich bei den Glasaugen auch um die Dinge des Alltags gehandelt haben könnte, möchte ich mich im nächsten Abschnitt widmen. (18.02.2020)

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Montag, 10. Februar 2020
Das Phänomen der „toten Augen von Kalkriese“
Der erst unlängst kreierte Begriff der „Schlachtfeldforschung“, der Archäologie des Krieges, also die umfassende Analyse von Auseinandersetzungen die in altertümlicher Zeit statt fanden, erlebte seine Geburts - oder Sternstunde im Zuge der Ausgrabungen nördlich des Kalkrieser Berges. Aber bei genauem Hinsehen war es eigentlich nur eine Wiedergeburt unter modernen Gesichtspunkten, denn man wollte vielleicht seit Herodot immer schon wissen wie eine Schlacht ihren Anfang nahm, wie sie verlief und warum sie so und nicht anders endete. So wird auf Schlachtfeldern mehr oder weniger wissenschaftlich schon länger geforscht, gegraben und die Schlachtverläufe beschrieben. Mit der Zunahme verbesserter Techniken und Methoden gelingen jedoch heute Rekonstruktionen und Fundbewertungen wie sie früher nicht denkbar waren. So wendete man auf Basis zeitgemäßer Möglichkeiten vieles auch schon früher an, war aber weniger am Verlauf, als an den Funden interessiert. So möchte man es auch heutzutage neu definiert wissen, dem Schatzgräbertum entgegen wirken und die wissenschaftliche Bedeutung hervor heben. Ein Forschungszweig der sich bislang mehr auf die Schlachtfelder der Neuzeit bezog sollte sich nun stärker zur Antike hin öffnen. Und obwohl sich die Bezeichnung Antike nur auf den Mittelmeerraum und das Reich der Römer bezieht, lassen wir es hier auch mal für Kalkriese stehen. Er wurde als eine sinnvolle Sparte der Archäologie anerkannt und unter optimierten Vorzeichen ins Leben gerufen. In der festen Annahme bei Kalkriese auf die Hinterlassenschaften von Varus und seinen Mannen gestoßen zu sein war die Euphorie anfänglich groß, musste dann aber bekanntlich einer eher nüchternen Denkweise weichen, da der umfängliche Kontext später vieles infrage stellte. Aber ungeachtet dessen bietet uns die dortige „Asservatenkammer“ der frühgeschichtlichen Forschung eine Fülle interessanter Objekte wie sie auf deutschem Boden nicht ihres Gleichen findet. Ein verlockend reichhaltiges Betätigungsfeld und dies noch für viele Jahre lässt noch auf manche Überraschung hoffen. Die Schlacht östlich von Bramsche und unbenommen, wie viel Männer beider Seiten dort kämpften oder starben hinterließ uns neben dem Fundkomplex Dottenbichl in Oberbayern wo 15 – Kelten und Römer aufeinander trafen, dass erste Untersuchungsgebiet einer römerzeitlichen Auseinandersetzung mit unseren anderen Vorfahren nämlich den Germanen. Wobei unsere germanischen Altvorderen auf uns in dem Gefecht bei Kalkriese wie eine Schattenarmee wirken da sich ihre Anwesenheit im Fundspektrum bis auf wenige abseitig gemachte Holzwaffenfunde kaum bemerkbar macht. Aber wer sollte in Kalkriese schon gegen Rom gekämpft haben, wenn nicht die germanischen Stämme der Region wie Chasuvarier, Ampsivarier oder Angrivarier, die keine endlos langen Märsche zurück legen mussten um sich am Kampf beteiligen zu können. Der Fundkomplex der Schlacht bei Kalkriese stellt ein Novum dar, denn er stand ganz am Anfang unserer Zeitrechnung. Die Schlacht war folglich militärisch betrachtet, der erste Wimpernschlag im frühen ersten Millenium und sie hinterließ bis heute sichtbare Spuren. Zurück greifend bis ins fiktive Jahr Null und noch lange danach findet sich im germanischen Deutschland, einer Region in der sich ältere keltische Nachweise im Zusammenhang mit den Fliehburgen nur minimal aufspüren und nachweisen lassen und daher oft nur Spekulation vorherrscht, nichts vergleichbares. Ebenso rar sind auch schlachtenbezogene Entdeckungen im keltisch/germanischen Mischgebiet in das erstmals Cäsar seinen römischen Fuß setzte. Und einmal abgesehen von der ersten römisch - rätischen Schlacht am Rande der Alpen, dem  Gefecht am Dottenbichl an der Ammer, wo ebenfalls bedeutsame Funde gemacht werden konnten, verliefen alle anderen uns historisch überlieferten Kampfereignisse der „Schriftlosen“ gegen die „Supermacht“ nahezu spurlos. Und erst wieder das „Harzhorn Ereignis“ zu dem es im 3. Jhdt. kam brachte Auswertbares zutage. Mit der vorsichtigen Analyse der Relikte und Artefakte von Kalkriese betritt die aktuelle Archäologie in vielerlei Hinsicht Neuland. So wirft mancher Fund zwangsläufig wieder neue Fragen auf, zieht weitere Forschungen nach sich und bringt uns dazu ältere Erkenntnisse neu auf den Prüfstand zu stellen. Ein nötiger Prozess dem sich scheinbar manche ungern stellen wollen, weil sie am lieb gewonnenen festhalten möchten. Bis Ende 16 + konnten sich die Legionäre in Germanien samt ihren Anführern und dem Zivilpersonal noch nach freien Stücken relativ ungezwungen und gefahrlos entfalten. Man konnte nach Belieben und Erfordernis Kastelle anlegen, die nötige Anzahl Schiffe bauen und unterschiedlichste Formen von Logistik hinterlassen. Erst an Egge und Weser wo Rom auf ernsthafte Gegenwehr stoßen sollte, stellte man dem Imperium ein Stoppschild auf. Da die durchgreifenden militärischen Erfolge auf römischer Seite auch nach rund dreißig Jahren immer noch ausblieben, alles immense Mittel verschlang und der Zermürbungskrieg seinen Tribut forderte, wurde in der Folgezeit der Wirkungskreis der römischen Armee von Kaiser Tiberius tiefgreifend und maßgeblich beschnitten und eingeschränkt. Da bis dato alle Großschlachten geschlagen waren, verlagerten sich die konfliktträchtigen Regionen Germaniens zunehmend rückwärtig zum Rhein, Landschaften die sich die Germanen wieder zurück erobert hatten und für sich beanspruchten. Die westlichen Ausläufer des Wiehengebirges lagen aber möglicherweise noch innerhalb einer römischen Interessenssphäre in der eine gewisse imperiale Dominanz auch noch nach 16 + spürbar und denkbar war und wo man sie durch die Entfaltung von Aktivitäten und Präsenz zum Ausdruck brachte. Welche Vorsicht man hier in dieser noch beanspruchten Übergangszone römischerseits walten ließ ist nicht abschätzbar, aber der Vorhof des Imperiums ließ dort noch überschaubare Machtdemonstrationen zu. Zumal die dortigen Stämme der römischen Landnahme nicht mit der Effizienz und Vehemenz entgegen treten konnten, wie dies in Wesernähe geschah. Begrenzter Handel bewegte sich dort auch nach 16 + immer noch im Rahmen des möglichen und war vorstellbar, aber auch kleinere Strafmaßnahmen können nicht ausgeschlossen werden, wenn man sie im Xantener Hauptquartier für erforderlich erachtete. Ebenso sind schnelle Kommandoaktionen denkbar, wenn man in germanische Siedlungen aufbrechen musste, da sich dort Widerstand zusammen braute bzw. im Entstehen begriffen war. Aber auch innergermanische Stammesfehden könnten Hilfeersuche an die römischen Kommandeure am Rhein ausgelöst haben, denen man vielleicht sogar gerne nach kam. Musste man je nach Zielsetzung und Auftrag auch Wertgegenstände durch die germanischen Lande transportieren, geschah dies selbstverständlich unter Mitführung einer angemessenen Bewachung und Begleittruppe. Aber wo sollte man die Gründe für die Notwendigkeit schützenswerter Überlandtransporte für die ein Schutz erforderlich war suchen. Und das in einer Zeit in der es angeraten war die germanischen Territorien zu meiden. Wollte man strategisch wichtige germanische Oberhäupter bestechen um sie sich Gefügig zu machen, sich also auf diesem Wege neue Bündnispartner erkaufen. Wollte man gegen Vorauskasse Verträge für die Lieferung von Fellen, Vieh, Sklaven oder erzhaltiger Rohstoffe schließen. Alles ist denkbar aber eben auch der Gefangenenaustausch, der ja letztlich auch irgendwo statt gefunden haben musste. Es sind Grundpfeiler der Annahme, wonach es auch noch nach dem Jahr 16 + Gründe gab, sich über den Rhein hinaus ins germanische Landesinnere zu begeben. Denn die östlichen Regionen in Rheinnähe bildeten auch den wichtigen Speckgürtel, von wo aus nach Möglichkeit auch die römischen Rheingarnisonen mit versorgt werden konnten oder mussten. Denn so ließen sich die Germanen auch in eine strategisch gewollte Abhängigkeit locken. Dass das Unternehmen „Gefangenenaustausch“ in Kalkriese scheiterte, also nicht nach Plan verlief und in besagter Katastrophe endete, hatte die römische Generalität nicht vorgesehen. Denn man hatte sich einen fairen und reibungslosen Handel ohne böse Absichten erhofft. Aber uns bescherte das unerwartete Ereignis, vielleicht sogar das Missverständnis viele neue Erkenntnisse in Form aufregender Bodenfunde. Das Gemetzel führte unweigerlich dazu, dass einiges im Boden zurück bleiben musste. Am Kalkrieser Berg fanden sich neben den Metallresten die insgesamt zehn Augurenstäben zugeordnet werden konnten und den Kleinteilen militärischen Ursprungs auch noch zahlreiche Münzen. Aber es fanden sich auch noch Relikte, die hochwertiger Natur waren wie es die teilweise ausgegrabenen vergoldeten Silberbleche beweisen. Aber nicht nur das, denn es waren noch weitere interessante Dinge darunter. Gegenstände die den hohen technologischen Wissensstand der römischen Handwerkskunst und das schon im ersten Jahrzehnt nach der Zeitenwende wider spiegelten und sie unter Beweis stellen. Hochwertige Teile die schon einen weiten Weg hinter sich hatten und die unsere Forschung um diese frühe Zeit in Kalkriese, weit ab vom nächsten Flusshafen noch nicht auf dem Schirm bzw. erwartet hatte. Objekte wie man sie in so früher Zeit noch gar nicht in den römischen Militärstützpunkten Germaniens und auch nicht in Köln produzieren konnte. So musste man sie aus dem Süden über hunderte von Kilometern bis nach Westfalen transportiert haben. Es waren eben jene kleinen nur wenige Zentimeter großen Scherbchen aus Glas. Sie fanden sich plötzlich nicht nur in den wehrhaft ausgebauten Palisadenlagern an der Lippe, am Oberrhein oder in Xanten, sondern sogar relativ weit im Nordosten nämlich bei Kalkriese. Da wo sich hinter den Mittelgebirgen die trostlose Moorlandlandschaft auszubreiten begann und die schaurigen Grenzen zur Unwirtlichkeit verliefen. Eine urtümliche Landschaft deren biologische Ausstattung wir uns heute kaum noch vorstellen können und in der Menschen nur leben können, wenn sie dort geboren wurden und jeden Römer schaudern ließen. Aber Glas ist ein Material, dass neben sehr vielen positiven Eigenschaften auch eine negative hat, es ist zerbrechlich, will daher nicht gerne transportiert werden und schon gar nicht über Land. Jegliche rechtsrheinischen Funde von Objekten aus Glas lassen uns in dieser frühen Zeit grundsätzlich aufhorchen und sind aus mehrerlei Gründen merkwürdig. Zum einen, weil man sich in dieser frühen Stunde fragen muss, ob sich die raue germanische Wirklichkeit schon mit der römischen Leichtlebigkeit auf Basis derartiger Funde vertrug und hochwertige Produkte in einem Lande auf unterer Kulturstufe überhaupt einen Sinn ergaben. Und das zumal um diese frühe Zeit insgesamt betrachtet die römische Glasproduktion nördlich der Alpen noch selbst in ihren Anfängen steckte. Und nun fanden sich derart hochwertige Teile farbigen Glases zudem noch in einer Zone am Rande der germanischen Diaspora. Was zum Teufel sollte die Römer veranlasst haben derartigen Aufwand zu treiben um solche bunten und künstlich hergestellten Stücke bis zum Venner Moor zu transportieren, möchte man da ausrufen. Und so muss man sich natürlich eine Reihe von Fragen stellen, will man sich diesem Phänomen nähern um es sich zu erklären. Möchte man sich damit auseinander setzen, können natürlich diverse Theorien aufgestellt und Methoden der Herangehensweise ausgearbeitet werden was auch gegenwärtig ausgiebig in Kolloquien etc. geschieht. Wie und auf welchem Weg kamen die Glasscherben besser gesagt die einstigen Fertigprodukte nach Kalkriese. Wo wurden sie produziert, wer benutzte sie, wo sollten sie irgendwann einmal benutzt werden, wo also befand sich ihr Zielort. Gingen die Teile in Kalkriese aus purer Zerstörungswut zu Bruch, stürzte der Karren um auf dem man sie transportierte. Oder wurden sie bewusst zerbrochen, bzw. waren es Trinkgefäße, die wenn man an die Zechtradition denkt nach Benutzung zerstört werden. Was also daraus spricht und was die Archäologie und Geschichtsforschung nicht minder interessiert ist die Frage von welchem einst unzerstörten Ausgangsobjekt die gläsernen Kleinteile stammten, wozu sie passten und woran sie einst befestigt waren, welche Funktion dieses Gesamtobjekt einst hatte und aus welcher Manufaktur es stammte bzw. wo man damals schon imstande war, solche Dinge herzustellen. Da alle Fragen eng ineinander greifen wird es komplex. Aber Geschichte ist immer Menschen gemacht und so ist oft schon die einfache Erklärung die richtige. Denn auch bei diesen Glasscherben könnte es sich durchaus auch nur um die Reste völlig normaler Gegenstände des Alltags gehandelt haben. So waren es vielleicht nur Kleinstteile einst voluminöser Objekte die auch schon einen größeren Verbreitungsraum besaßen als man gemein hin annimmt. Produkte also, die damals schon fasst auf dem Weg zur Massenware waren, auch wenn sie man sie noch nicht im Norden produzieren konnte und sich die Wissenschaft mangels Funden selbst zum Spekulieren gezwungen sieht. So wir wissen von Strabo aus seiner Geographica XV1.2, dass man zu seinen Lebzeiten, er starb nach 23 + schon einen gläsernen Trinkbecher für eine Kupfermünze kaufen konnte. Und Glas lag also auch, bzw. schon im Boden auf dem Oberesch bei Kalkriese, was allerdings nichts über den Zeitpunkt aussagt, wann es dort unter die Erde gelangte. Da derartige augenartige Scherben bis auf die zivil geprägte Stadt Augusta Raurica bislang ausschließlich in römischen Militärlagern an der Lippe und in Xanten zu Tage traten, wird man nicht ganz umhin kommen, auch noch mal die Überlegung aufgreifen zu müssen, ob die Glasscherben nicht schon zu Boden gefallen waren, als die Kämpfe bei Kalkriese noch gar nicht statt gefunden hatten. Ebenso muss man die Möglichkeit ins Auge fassen, dass die Scherben nicht in den Schlachtenkontext gehören, da die Objekte dort erst viele Jahre nach der Schlacht zu Bruch gegangen sein könnten. Sowohl in dem einen als auch in dem anderen Fall müsste man die Glasscherbenfunde völlig vom Schlachtengeschehen lösen und separat betrachten. Dies wiederum gibt den Blick auf das dort ergrabene römische Kleinkastell und deren einstige Funktion und Bedeutung frei. Denn eine Umwallung deren mögliche Innenstrukturen noch nicht erforscht sind und deren Dimension und Alter ebenfalls im Dunklen liegt bleibt ein potenziell geeigneter Platz um darin oder in der Umgebung auch noch auf ältere Benutzungsspuren aber auch Hinweise zu stoßen, dass es schon viele Jahre früher genutzt wurde. Die ovalen gläsernen und farbigen Bruchstücke wie sie dort gefunden wurden und die etwa zwischen fünf und neun Zentimeter lang sind, könnten also theoretisch betrachtet auch schon einige Jahre vor, als auch nach der Schlacht bei Kalkriese in den Erdboden gelangt sein, wo sie dann über die Jahrhunderte hinweg regelmäßig überpflügt wurden und sich ihr Fundort seitlich verlagert bzw. nach oben verschoben hat. Gleiches gilt für die Millefiori Glasreste. Unbrauchbar gewordene Trümmerteilchen die gleich wann sie in den Boden gelangten vermutlich auch unter den Germanen kein Interesse mehr weckten und daher liegen blieben. Verlassen wir diese Hypothese und halten uns wieder daran fest, dass alle aufgefundenen Glasteile erst im Zuge des Kampfgetümmels von größeren Teilen abbrachen und auch in diesem Zusammenhang zerstört wurden und dann zu Boden fielen. Dann stellt sich allerdings die Frage, was diese größeren Glaskorpusse in einem Marschzug zu suchen hatten, ob er nun aus zivilen oder militärischen Gründen unterwegs gewesen sein sollte. Dazu müsste man nun in den Fragenkomplex einsteigen, was sie einst für eine ursprüngliche Bedeutung und Bestimmung gehabt haben könnten. Erst dann könnte man tiefer greifen um zu sondieren, ob diese Ausrüstungsteile oder Gebrauchsgegenstände von Legionären, deren Anführer oder von Begleitpersonen gestammt haben könnten. Da es wertvollere Gebrauchsgegenstände waren, sollte man zunächst davon ausgehen, dass es auch ein höher gestellter Personenkreis war der sie verwendete. Sollten die Glaselemente mit den Tischsitten einher gehen, so war die Führungselite es möglicherweise gewohnt ihre Mahlzeiten mithilfe gläsernen Geschirrs einzunehmen. Diesen Objekten eine andere Herkunft und Bedeutung beizumessen, als dass sie zur Tischkultur zählten, schließe ich bis auf eine zweite Variante gegenwärtig aus. Möglicherweise handelte es sich bei den Scherben die zu Trink- oder anderen Gefäßen gehörten aber auch um Teile, die in einem intakten, uns jedoch derzeit noch unbekannten Ursprungszustand auch als Handel - oder Tauschware hätten Verwendung finden können. Man hätte sie aber sowohl als auch verwenden können, in dem man die Teile zwar zuvor selbst nutzte, um sie dann aber auch als Tauschware mit ins Geschäft einzubringen. Aber es waren zweifelsfrei diese Glaselemente die die Fachwelt und die Laien gleichermaßen irritierten und die man auch in diesem gebrochenen Zustand schon als Unikate vorindustrieller Handwerkskunst ansprechen könnte. Relikte, in denen wir heute zwar eine revolutionäre Errungenschaft der Altvorderen sehen möchten und die wir mit Bewunderung und Hochachtung in den Händen halten, die aber von unseren römischen Vorfahren schon wie Wegwerfware behandelt und betrachtet wurden und gar nicht so ungewöhnlich waren, wie es uns vorkommen mag. Aus unserem zeitgeistigen Sichtwinkel beurteilt blicken wir jedoch auf äußerst seltsame Glasobjekte, die man an mehreren Stellen in Westfalen und im Rheinland fand und deren Herkunft und Bedeutung für die Experten im Dunklen liegt, als wären sie vom Mond gefallen. Aber solange selbst die internationale Forschungsdisziplin der Kenner klassisch römischer Glasmacherkunst der augusteischen Zeit, was diese Stücke anbelangt schweigen muss und sich über die Teile nichts Konkretes sagen lässt, werden sie vermutlich noch lange von der Wissenschaft vereinfacht ausgedrückt „Glasaugen“ genannt. Eben leblose Augen, die zwar nicht maßstäblich, aber dem menschlichen Sehorgan sehr ähnlich sind und so sollte man sie sich näher betrachten. Unter anatomischen Gesichtspunkten gesehen, weist ein gesundes Auge einen weißen Augapfel auf, mittig darin eine unterschiedlich farbige Iris und darin dann die scheinbare pechschwarze Pupille. Bedingt durch den kugelförmigen Augapfel sieht man auch dem imitierten Organ schon von außen die Rundung an. Die ausgegrabenen Scherbenstücke vermitteln also auf den ersten Blick ebenfalls ein rundlich gewölbtes Erscheinungsbild was zum Augenvergleich verleitet. Auch Wirkung und Ausstrahlung erinnert optisch an eine Iris bzw. kommen dem auch nahe zumal das Mittelstück einer Pupille ähnelt, sodass die Scherben in der Tat auch etwas Augen artiges an sich haben. Iris und Pupille aus Kalkriese wurden jedoch nur in drei Fällen, also anatomisch naturgetreu auf weißes Glas geschmolzen, weiß wie wir es auch vom menschlichen Augapfel her kennen. In zwei weiteren Fällen nahm man jedoch kein weiß, sondern eine Unterlage in hellbraun in etwa erdfarbig. Und in einem Fall ist der „Augapfel“ sogar statt weiß in hellblau gehalten. Farben die es beim menschlichen Augapfel bekanntlich nicht vorkommen. Aber der Kunst und der Farbgebung waren auch schon im Altertum keine Grenzen gesetzt. Schaut man sich dann bei allen abgebildeten fünf Scherben die Iris genauer an, so ist diese in drei Fällen schwarz, einmal hell und einmal dunkelblau. Was aber auffällt ist die Tatsache, dass das menschliche Auge gar keine schwarze Iris kennt. Aber auch hierfür gilt natürlich die künstlerische Freiheit. Betrachtet man nun die fünf auf der Iris kenntlich gemachten Pupillen so entdecken wir, dass sie in drei Fällen die gleiche Farbe aufweisen, wie die sie umgebende Iris nämlich schwarz und sich nur angedeutet und durch einen gelben Kreis gekennzeichnet davon abhebt. Nur der gelbe Ring stellt den Unterschied zur Iris heraus bzw. macht den Kontrast zwischen Iris und Pupille sichtbar. In einem anderen Fall ist die sonst bei Menschen immer schwarze Pupille hier sogar mal gelb mit abgedunkeltem Kern. Aber die Pupille bei der letzten Glasscherbe ist als einzige sogar unrund und noch dazu mit ausgezahnten bzw. zackigen Ränder geformt, ist dunkelbraun und wirkt erdfarbig. Hier verließ man also in erheblichem Maße das naturgetreue Abbild des menschlichen Auges. Nutzt man diese aus medizinischer Sicht beschreibende Analyse als eine archäologische Grundlage, so hat man im Altertum der Kunst wahrlich einen großen Spielraum eingeräumt, denn menschlichen Augen sehen diese nur zum verwechseln ähnlich. Man wollte hier also nicht unbedingt naturgetreu arbeiten, sondern nur eine augenscheinliche Wirkung erzielen. Der Glas Unterbau unter Iris und Pupille in dem wir das Augapfelelement sehen möchten ist also in einem Fall hellblau und einem zweiten erdfarbig und nur in drei Fällen ordnungs- bzw. naturgemäß weiß. Was wir aber bisher nicht kennen ist die weitere Formgebung, Fortführung bzw. Fortsetzung der Scherbe, da uns eine Vorstellung über den darunter verborgenen Komplettzustand versagt bleibt. Anders ausgedrückt, wie sah es hinter dem „Scherbenhorizont“ aus. Dieses unbekannte Unterglasstück war die Auflage für die Iris- und die Pupillendarstellung, wobei ich das Wort Augapfel wegen der Farbabweichung für das Unterglasstück vermeiden möchte, da es suggerierend auf ein Auge abzielt. Das Material aus dem Iris und Pupille erzeugt wurden führte im Aufschmelzungsprozess zu örtlichen Verdickungen, was den Bruchprozess um diese Bereiche begünstigt hat. Stelle man sich hinter den Scherben ein einst intaktes bauchiges Behältnis vor, so könnte dieses komplett in weiß, hellblau oder erdfarbig gehalten gewesen sein und die erhöht angebrachte Iris und Pupille würden nur die Griffigkeit verbessern helfen und hätten zudem noch einen dekorativen Begleiteffekt. Das würde auch dem Gedanken den Boden entziehen es könne sich bei den Scherben um originale Augapfelnachbildungen handeln. Denn das Originalgetreue zum Auge fehlte ihnen, sodass sie als Augeinlagen für Statuen oder Statuetten wegen der Farbabweichungen nicht mehr geeignet gewesen wären. Es sei denn man wollte hier etwas Abstraktes schaffen. Die kleinen Scherben wären also vielmehr die jeweiligen Teile passend zum Gesamtgefäß und zeigen damit schlüssig seine Gesamtfarbe. Alle Scherben vermitteln jedoch durch die abbruchbedingte Risskante bzw. die dadurch gestörte Formgebung zwangsläufig den Eindruck schlitzartiger Augen, da sie in dieser spitzwinkligen Form in den Boden gelangt sind. Löst man sich also von dieser Überlegung haben wir es hier nicht mit kompletten Augen zu tun, sondern immer nur mit Iris und Pupille. Denn das Weiße, das wir für einen Augapfel halten ist bereits Teil des Ursprungsobjektes. Diese Interpretation ermöglicht einen völlig anderen Blickwinkel auf die Scherben, denn nun sind die rundliche Iris samt Pupille nur noch aufgebuckelte, warzen - oder knospenförmige Erhebungen. Dies ließe auch in dem unzerbrochenen unbekannten Ursprungsteil eine völlig andere Funktion vermuten und schwächt den Verdacht, dass man die Teile einst in die Augenhöhlen von Statuenköpfen legte, denn es widerspräche dem römischen Schönheitsideal und damit einem antiken Perfektionsanspruch. Der leicht hinkende Vergleich mit einem Auge träfe zwar immer noch zu, ließe aber auch neue Schlussfolgerungen zu. Würde aber in allem auch die Fragestellung ad absurdum führen, wofür man in Germanien am Nordrand des Wiehengebirges römische Statuen gebraucht hätte. Die rundlich aufgeschmolzene Kombination aus Iris und Pupille könnte dann, hätte denn den Scherben einst ein komplettes Glasgefäß zugrunde gelegen auch mehrfach daran angebracht gewesen sein können, etwa eine angenommene rundum oder verstreut verlaufende Musterung oder Ornamentik, den damaligen Geschmacksvorstellungen angepasst. Sei es, dass man es als Trinkgefäß oder als Schale benutzt hätte. So starren uns hier zwar Augen ähnliche Objekte an, die uns wie aus einer anderen mystischen Welt erscheinen, die aber möglicherweise nur dem Zweck der Verzierung, Dekoration oder der Griffigkeit dienten. Sie könnten aber auch einer gängigen und zeitgemäßen Glasmacherkunst entsprungen sein und sogar praktischen Nutzen gehabt haben. Das Auge wäre dann nicht ihre eigentliche Bestimmung, sondern nur ein Bestandteil und Ausdruck einer modischen Impression der Zeit gewesen. Eine Beziehung in orientalische Regionen herzustellen, aus denen man Schutzamulette gegen den bösen Blick kennt, ist bei dieser Interpretation schwerlich möglich, denn man weiß nicht wie weit diese Tradition zurück greift. Allerdings bei der zweiten Variante auf die ich noch eingehen möchte. Es würde sich aber eine Verbindung aufbauen lassen, wenn man einst diese Amulett artigen Glasaugen auch dazu nutzte um damit einen Anblick auf ein sakrales Objekt zurückzuweisen oder abschrecken wollte. In dem man also den menschlichen Blick mithilfe starrer Glasaugen, die auf den Betrachter gerichtet sind vom Anblick ablenkt. Wir wissen um die Berührungsängste der Römer im Zusammenhang mit dem Tod bzw. den Bestattungen von Knochen. Zweifellos denkt man dabei unwillkürlich an die Rüge die Kaiser Tiberius dem Feldherrn Germanicus, einem Auguren gegenüber aussprach, als dieser sich auch am Knochenberg für die Varuslegionäre zu schaffen machte. So lassen sich auch andere Überlegungen anstrengen mit denen man sich erhofft das Ursprungsteil an dem einst die Glasaugen befestigt gewesen sein könnten imaginär greifbar zu machen. Ob die Glaselemente in voluminöse und pompöse Möbelstücke wie etwa Totenbahren also Klinen eingelassen waren klingt angesichts des Fundortes nicht unbedingt überzeugend. Man geht davon aus, dass auf der 2023 sechs Meter unter der Londoner Straßendecke frei gelegten römische Kline ein hochrangiges Mitglied der damaligen Gesellschaft bestattet wurde. An Beifunden konnte eine römische Lampe, ein Glasfläschchen sowie Perlen gemacht werden unter denen sich aber keine Glasaugen "Modell Kalkriese" befanden. Denn wer wollte diesen größeren Gegenstand, wie man ihn mal in Trier zu Versuchszwecken nachbaute, vor rund 2000 Jahren, noch dazu auf dem Landweg und in Karren verstaut, gezogen von Maultieren durch die norddeutsche Sumpflandschaft bugsieren. Eine offene Frage, die auch im Zusammenhang mit der Möglichkeit innen liegender Augen für Standbilder also Statuen einher geht und diese gleichfalls infrage stellt. Denn wo hätte sich proportional passend zu den toten Glasaugen in Norddeutschland ein Ort finden lassen, wo man an der Aufstellung einer entsprechend großen römischen Statue interessiert gewesen sein könnte. Ebenso wie die Frage, welch hochrangigen Toten es gegeben haben könnte, um ihn in einem großen Totenbett bei Kalkriese von A.) nach B.) entlang transportieren zu müssen. Aber wie man es sich zur Angewohnheit gemacht hat, möchte man auch keinen Gedankengang unterschlagen. So gibt es für diese rätselhafte Glasaugenfunde noch eine weitere Erklärung, der im folgenden Kapitel auf zu den Grund zu gehen wäre. (10.2.2020 und ergänzt 11.02.2024 )

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