Sonntag, 1. März 2020
Zu welchem Preis gaben die Germanen die schiffbrüchigen Römer frei
Die im Boden nahe Kalkriese gefundenen kleinen Augen aus farbigem Glas für die es, was ihren damaligen Verwendungszweck anbetrifft bislang keine schlüssigen Erklärungen gibt, wurden zu einem eigenständiges Thema im großen Kontext um das dortige Ereignis. Es entwickelte sich daraus ein separates Forschungsgebiet, so wie es sich bei heraus ragenden Artefakten auch gehört. Nach allgemeiner Auffassung und einem Schuss Wunschdenken, gingen die Teile im Zuge eines Gefechtes zu Bruch und dann zu Boden. Es stellte sich im Nachhinein nun ein nahezu fieberhaftes Ringen nach Erklärungen um ihre Bedeutung ein, was es unvermeidlich macht den bisherigen Horizont auf der Suche nach neuen Gedankengänge zu erweitern. Es stellen sich also die üblichen Grundsatzfragen, bei welcher Gelegenheit, warum und wie die farbigen Glasaugen in den Untergrund von Kalkriese gelangt sein könnten. Und es wäre natürlich von größtem Interesse zu wissen zu welchem Zeitpunkt, also in welchem Jahr und möglichst auch noch in welcher Jahreszeit es passiert sein könnte. Aber auch woher sie stammten und welche Funktion sie einst zu erfüllen hatten wäre von Bedeutung. Und nicht nur zu wissen, wo sie damals hergestellt worden sein könnten, sondern auch wie lange sie bereits existierten bevor sie zu Boden fielen und ob sie sich überhaupt mit einer Schlacht in Verbindung bringen lassen. Alles gehört in den großen Fragenkomplex der bisher unbeantwortet blieb. Also eben nicht nur der letzten Auffassung einer Expertin aus Italien zu folgen, dass die Glasaugen artigen Fundobjekte als Eck - oder Randverzierungen an Totenklinen oder Krankentragen befestigt gewesen sein könnten, macht den Reiz der Forschung aus. Wie auch immer hätte man es technisch anstellen können Glas mit Holz zu verbinden, welchen bislang undefinierbaren Zweck könnten sie also erfüllt haben. Fragwürdiges und merkwürdiges Mobiliar, das sich demnach auch an anderen Stellen bzw. Lagern in Westfalen befunden haben müsste, also folglich dort wo sich ebenfalls Glasaugen fanden. Und eben auch an Holzgestellen für Tote oder Verletzte die man seinerzeit durch die Niewedder Senke bugsiert haben soll. Wahrlich echte gedankliche Herausforderungen die da an uns gestellt werden. So könnten den Glasaugen auch noch andere Entstehungsgeschichten zugedacht gewesen sein, die sich mit dem nötigen Einfühlungsvermögen erschließen ließen. So rücken also neben der Vision sie könnten als Aufständerungen von Gefäßen gedient, oder einmal eingefasst in Gemmen artigen Schmuckstücken geruht haben, auch andere Vorstellungen und Möglichkeiten in den Focus unserer Gedankenspiele. Umgearbeitet zu Fingerringen könnte man mit ihnen experimentiert und modelliert haben. So könnte es sich auch um kurzfristige Modeerscheinungen gehandelt haben die schnell wieder verblassten. Sich vorzustellen die Glasaugen könnten aber auch die Reste abgebrochener Teile einstiger Gefäße also gläserner Behältnisse gewesen sein, an die man sie vor dem Abbruch seinerzeit angeschweißt hatte, liegt noch im vorstellbaren Bereich. Gefäße also Gebrauchsware die sich auch als Tauschobjekte in ein Szenario einfügen ließen, wie es in den letzten Kapiteln um den Gefangenenaustausch beschrieben ist. Schlaglichtartig erscheinende Episoden von Ereignissen wie man sie mit einer freudigen Wiedersehensfeier verbindet und wie man sie mit der Begrüßung zurück kehrender Geisel in Verbindung bringen darf entsprachen immer schon unseren menschlichen Bedürfnissen. Eben ein Trinkgelage wie es einem flämischen Meister sicher gut gelungen wäre es auf Leinwand zu bannen. Man kann wegen der zeitlichen Nähe die zwischen der Schiffskatastrophe des Jahres 16 + und der Rückkehr nach zwei Jahren in germanischem Gewahrsam lag sogar davon ausgehen, dass jene Römer die aus Xanten kommend den Marschzug nach Kalkriese begleiteten auch noch mit einigen jener Legionäre bekannt, um nicht zu sagen befreundet waren, die nun im Jahre 18 + oder ein Jahr zuvor endlich zurück kehren konnten. Ein Aspekt der Zwischenmenschlichkeit wie er schnell aus dem Blickfeld geraten kann, wenn man sich beim Schürfen in der Vergangenheit nur auf das sichtbar Gegenständliche konzentriert. Wurde dann daraus ein Aufeinandertreffen bei dem sich die anwesende höhere römische Generalität herab ließ, um sich zum Abschluss noch mal gemeinsam und in friedlicher Atmosphäre mit dem niederen germanischen Sippenadel zusammen zu setzen, zu versöhnen und möglicherweise auf das vermeintlich erfolgreiche Zustandekommen anstoßen wollte, als dann im Zuge des Geschehens den Kontrahenten beider Seiten alles entglitt. Und es wären dann im wahrsten Sinne des Wortes die Scherben gewesen, die uns noch heute von einer historischen Tragödie künden. Relikte von Trinkgefäßen die an diesem Tag ihre eigene Geschichte schrieben, da sie zum deutlichen Zeugnis einst gut gemeinter Absichten und somit zu Zeugen der Zeitgeschichte wurden. So war es möglicherweise auch ein Ursprungsgedanke, dass man diese Glasgefäße den Germanen gegen die Geiseln zum Tausch anbieten wollte. Schöner Zierrat in ansprechendem Dekor aber in einem für uns heute rätselhaften Geschmack, da er einem 2000 Jahre alten Zeitgeist entsprang der sich heute unseren kühnsten Vorstellungen entzieht, aber den Germanen gefallen haben könnte. Und auch beide Überlegungen würden noch gut zu einer Geiselübergabe passen. Aber rein archäologisch betrachtet führen diese Gedanken ins nüchterne Abseits, denn der Bodenforschung gelang es bislang nicht den nötigen Beweis für diese oder andere Herkunftstheorien zu erbringen. Denn schlicht und einfach ließen sich noch nicht die Komplett - Teile einstiger Glasgefäße versehen mit jenen Augenelementen aus dem Boden zutage fördern man möchte gar zaubern sagen, die diese Argumentation stützen könnten. So bleibt uns zwar der Beweis für diese Annahme versagt, aber die Betrachtung eines größeren epochalen Umfeldes könnte weiter helfen unseren Blickwinkel zu schärfen. Denn man konnte aus technischer Sicht betrachtet, wenn sich sogar schon durchsichtiges Glas produzieren ließ um die Zeitenwende natürlich erst recht farbige Glasbehältnisse in vielerlei auch skurriler Machart herstellen. Ob man aber damals einen Sinn oder die Notwendigkeit erkannte an ihnen auch Wulste, Verdickungen oder Knospen wie man die Kalkrieser Glasaugen auch nennen könnte aufschmelzen oder anbringen zu wollen, muss offen bleiben. Denn mangels datierfähiger Belegexemplare also Bodenfunde, lässt sich diese Moderichtung für die Zeit vor dem Jahr 18 + nicht bestätigen. So lange aber auch noch die Frage ungeklärt ist, ob die Glasteile in der Niewedder Senke nicht möglicherweise auch etwas später oder gar früher und das nicht im Zuge der besagten Kampfhandlungen in den Boden gelangt sind, lassen sich auch immer wieder neue Theorien entwickeln. Zum Beispiel die, dass der Bereich um Kalkriese wegen seiner guten Verkehrsanbindung an einer bedeutenden Transferverbindung der Prähistorie in späterer, aber auch früherer Zeit die Funktion eines Stützpunktes für durchziehende Händler besaß, die Produkte vielerlei Art mit sich geführt haben könnten. Ob also auf der Route durchgängig auch Handelswaren in beide Richtungen unterwegs waren die sowohl für Innergermanien als auch die römischen Rheinlande bestimmt waren, konnte noch nicht schlüssig beantwortet werden. Schließlich gab es immer wieder ruhige Zwischenphasen in denen man im Imperium an germanischen Naturprodukten interessiert war und diese beglichen werden mussten. So ist es eine interessante Vorstellung, dass die Glasaugen auch einige Jahre später in den Oberescher Sand gefallen sein könnten, einer Zeit als Varus längst Geschichte, man die Gefangenen bereits ausgetauscht hatte und über den römischen Lippelagern schon das Gras der Zeit wuchs. Das Wort "lange" ist natürlich relativ, denn die Legion, der das in Kalkriese gefundene Mundblech zugeschrieben wird war relativ sicher nur bis zum Jahr 21 + für Köln nachgewiesen. Danach ist über ihren Verbleib wenig bekannt. Das Gesamtbild wird allerdings durch das Verschieben von Abteilungen den sogenannten Vexillationen undeutlich bzw. eingetrübt. Man kann annehmen, dass Teile der Legio I Germanica auch noch lange nach 21 + sowohl in Köln als auch im benachbarten Bonn stationiert waren. Eine Überlegung die uns noch weit über den Tellerrand der Jahre 17 + oder 18 + hinaus blicken lassen könnte. Denn Boden kann wie man weiß, vieles sehr lange aufbewahren und gibt uns nicht immer bereitwillig die erhoffte Auskunft, wann man es fallen ließ. Bei Münzen wird dies zusätzlich durch die Tatsache erschwert, da sie ein sozusagen unzerbrechliches Zahlungsmittel darstellen und daher sehr weit herum kommen konnten. Münzen die man etwa um das Jahr Null prägte konnten sich noch sehr viele Jahre später in Umlauf befunden haben und konnten auch noch nach Jahrzehnten und länger in den Boden gelangt sein, während Glasobjekte zweifellos schadensanfälliger waren und früher da unbrauchbar geworden weggeworfen wurden. Man könnte also auf dieser Basis würde man die Glasaugen von einem Schlachtenszenario der Jahre 17 + oder 18 + trennen auch noch in eine spätere Zeit verlegen und sogar wie dargestellt über das Jahr 21 + hinaus. Und das obwohl die aus der Strabo/Tacitus Essenz zu ziehende Schlußfolgerung sehr schlüssig klingt. Auch künstlich erhitzte Funde wie es die Kalkrieser Glasaugen darstellen verhalten sich ähnlich wie Meteoriten, können sich Jahrtausende im Boden erhalten und sind somit auch planetar betrachtet äußerst langlebig. Die Langlebigkeit von Bodenfunden erweist sich auch anhand eines anderen Teiles. Man legte es in Italien frei und es lässt sich mit ihm sogar eine sehr enge stylistische Verbindung bis nach Kalkriese schlagen. Denn man kann von der Systematik her an diesem Fund den gleichen gelben Augenring erkennen, wie er auch in einigen Glasaugen zu sehen ist, die sich in Kalkriese fanden. Einen gelben Ring, der die schwarze Iris von der ebenfalls schwarzen Pupille deutlich abtrennt scheint im Imperium einer zeitlosen Herstellungsmethodik zu entsprechen. Die Farbe gelb ist dafür gut geeignet und mit ihrer Hilfe lässt sich der Unterschied, nämlich das schwarz der Iris, als auch das schwarz der Pupille von einander zu trennen gut darstellen. Und diese Stilrichtung und Machart in dem man mittels eines gelben Ringes die schwarze Iris von einer schwarzen Pupille unterscheidbar macht ist in der antiken Glaskunst wie der Fund aus Italien beweist nicht ungewöhnlich. Sie war vermutlich schon lange bevor man die Funde in der frühen nachchristlichen Zeit in Westfalen machte eine beliebte Form der Darstellung, wenn man das menschliche Auge nachbilden wollte und war auch noch lange Zeit danach regelmäßig in Gebrauch. Denn gelb und schwarz bilden einen guten Kontrast zueinander. Und so kann man die Glasaugen von Kalkriese schon fasst zum Verwechseln ähnlich in die Nähe zu der besagten anderen Darstellung rücken. Nämlich dem italienische Fund, den man in einer alten römischen Villa in der Toskana zwischen Florenz und Siena machte. Die in der Villa di Aiano bei Torraccia di Chiusi gefundene Scherbe, zeigt das Kopfteil eines Fisches der in der Augenpartie ein nahezu identischen Aussehen und die gleichen Merkmale aufweist, wie die einiger Kalkrieser Augenfunde. Die Ursprünge der römischen Villa sollen zwischen dem Ende des 3. und dem Anfang des 4. Jahrhunderts liegen. Und sie bestätigen, dass künstlerische Element, nämlich mit gelben Augenringen die Iris von der Pupille zu isolieren und das sie zweifellos in Italien ihren Ursprung hatten. Was auch nicht verwundert. Aber wir wissen nun dank der Funde in Germanien auch, dass das Motiv aus der Villa di Aiano auf ältere Vorbilder zurück greift die wie der schmuckvolle Fischkopf es beweist künstlerisch weiter entwickelt wurden. Im Kern erkennt man sowohl bei den Kalkrieser Glasaugen als auch am Fischkopf aus der Villa die Aiano den gestalterischen Wunsch dem Auge des Betrachters gefallen zu wollen. Problematisch wird dieser Vergleich durch die Tatsache, dass die Scherbe aus der Villa einer viel späteren Epoche römischer Zivilisation zugerechnet wird. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Fischkopf älteren Datums ist also nicht zum Ende des 3. Jahrhunderts dort angefertigt wurde, wo man ihn fand. Augen mit gelben Ring darzustellen traf in Italien und über die Grenzen hinaus den allgemeinen Geschmack und war keine dem Totenkult vorbehaltene oder auf Skulpturen beschränkte bzw. darauf ausgerichtete Form der darstellenden Kunst.



Die Kunstrichtung stand also zur freien Verfügung und somit allen Lebensbereichen offen und war schon im ersten Jahrzehnt unserer Zeitrechnung Bestandteil antiker Musterkollektionen. Die Glasaugen könnten also sowohl während eines Gefechtes zu Bruch gegangen sein, als auch im Zuge des späteren Handelsaufkommens zwischen Römern und Galliern auf der einen und Germanen auf der anderen Seite. In welche der beiden Richtungen die Erkenntnis hinsichtlich der Fundlage "in situ" tendiert kann ich nicht beurteilen. Ein Glasaugenfund in gleicher Bodenschicht und Nähe etwa zu einer Militaria brächte zweifellos die Scherben in einen unmittelbaren Kontext zu einer Schlacht. Inwieweit aber in regenreichen Zeiten oder durch das Stöbern des Geländes und die landwirtschaftliche Bearbeitung späterer Generationen die Bodenschichten gestört oder verändert wurden, wodurch die Funde verlagert sein könnten, was dann zu anderen Fundzusammenhängen oder Fundtiefen geführt haben könnte und zu anderen Interpretationen verleiten kann, müsste die Bodenforschung begründen. Kommt das farbige Glas von Kalkriese nicht aus dem angedachten zentralen Produktionsort früh augusteischer Glasproduktion Kaiseraugst, so könnte bzw. müsste es sich um noch entfernter hergestellte Importgüter aus dem römerzeitlichen Italien gehandelt haben. Da aber das Museum in Kaiseraugst über sehr frühe Rohschmelzen und Ausgangsstoffe verfügt und man auch in Kaiseraugst ein Glasauge fand ist die Theorie in Kaiseraugst den Ausgangsort der Kalkrieser und Lippelager Teile zu sehen zumindest nahe liegend. Im Fall Kaiseraugst hätte die Ware rheinabwärts zwar eine nicht unerhebliche Wegstrecke an den Niederrhein hinter sich bringen müssen, was aber durch die Fließrichtung des Flusses begünstigt worden wäre. Allerdings musste dann auch noch der Transport bis Kalkriese eine beschwerliche Distanz halb zu Land, halb zu Wasser bewältigen, bis dann irgendwann später alles zertrümmert in den dortigen Boden gelangte. Aber wo könnte man sie sonst gegossen haben wenn nicht in Kaiseraugst. Aus den Öfen des römischen Köln stammten die Glasstücke nach dem allgemeinen Forschungsstand noch nicht, denn die soll man wohl erst um die Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhundert unter Feuer gesetzt haben. Der Gründungsgeschichte von Köln liegt die Annahme zugrunde, dass das Oppidum Ubiorum als die erste angenommene stadtähnliche Siedlung auf dem Boden des späteren Köln um das Jahr 38 - entstanden sein soll. Es hängt zusammen mit der Tatsache, dass Agrippa in den Jahren 40 - bis 38 - am Rhein bei Köln anwesend war. Da der römische Feldherr und Politiker Agrippa aber auch um die Jahre 19 - / 20 - in Köln weilte könnte man das letzte Datum 19 - als ein sicheres Gründungsdatum betrachten und die vorgenannten Jahre als mögliche Gründerjahre in Betracht ziehen. Kaiser Claudius verlieh dem heutigen Köln erst im Jahre 50 + den Status einer Colonia, nannte sie Colonia Claudia Ara Agrippinensium und die Bürger erhielten fortan das römische Bürgerrecht. Die Geschichtsschreibung musste sich schon mehrfach korrigieren und die Erfahrung machen neuen Fakten Rechnung zollen zu müssen. Denn der zivilisatorische Fortschritt konnte schon mal unerwartete Sprünge machen und man musste daraufhin die Jahreszahlen an der Zeitschiene zurück setzen. Wegen erhöhter Nachfrage nach Glasartikeln musste man im römischen Köln zu einem noch nicht bekannten Zeitpunkt die Produktion hoch schrauben und die Ausstoßmengen nahmen wie man nach lesen kann für die Zeit betrachtet enorme Ausmaße an. Im alten Köln produzierte Teile wurden in das gesamte römische Reich, also die iberische Halbinsel, die Donauregion, ans Schwarze Meer und bis nach Großbritannien exportiert. Doch wann begann dies alles in Köln, wann wuchsen in Köln die Glasmacherwerkstätten aus dem Boden und ab wann begann die Produktion in Köln auf Hochtouren zu laufen und man möchte schon fasst spekulieren, wann man in Köln in die "katalogisierte Großserie" eingestiegen sein könnte, sich also in Köln die ersten "Start up" Unternehmen gründeten und etablierten und wie schnell sie danach ihre Palette erweiterten. Auch dieser Prozess könnte sich in relativ kurzer Zeit vollzogen haben. Denn die Colonia Claudia machte damals die typisch sprunghafte Entwicklung durch, wie sie bei allen aufstrebenden Urbanitäten zu beobachten ist. Eine wirtschaftliche Aufschwungphase dank neuer innovativer Produkte konnte schnell revolutionäre Ausmaße annehmen. Heute nennen wir sie Industriestädte, da die zutreffendere aber ungewöhnliche Namenskreation "Manufakturstadt" befremdlich klingt. Da der Markt am Rande zum Barbaricum wuchs wird Köln auf die frühen Glasmachermeister entsprechend anziehend gewirkt haben. Eine Siedlung an einem großen Fluss und an der Schnittstelle zweier Bevölkerungsgruppen wie Galliern und Germanen musste einfach attraktiv sein. Aber die Glasmacher waren dank ihrer Künste außer dem Militär und den Schmieden die heimlichen Herrscher von Köln. War es im Kriege neben der Lebensmittelversorgung die Waffenherstellung, könnten es in Friedenszeiten die Glasmacher gewesen sein, die auf der obersten Sprosse städtischer Prominenz zu finden waren. Und die nach Köln strömenden Glasmacher, die Lehrer der frühen Muranokunst waren aufgrund ihrer Fähigkeiten die sie aus dem Mittelmeerraum in den Norden trugen auch die Garanten einer neuen Beschäftigungswelle. Diese Spezialisten stellten die Gefäße gehobener Kulturansprüche in der Koloniestadt  "CCAA" zunächst aus den importierten Rohglasbarren her und begannen später dank der entdeckten Frechener Bodenschätze auch die Eigenproduktion aufzunehmen. Zug um Zug wurden die Ortsansässigen geschult und der Kölner Eigelstein steht hier als Synonym und war wie die Ausgrabungen zeigen, dass Zentrum eines dynamischen Fortschritts. Aber nun doch wieder zurück zur Kernfrage auf Basis einer Argumentationskette an deren Ende in abgekürzter Form die Feststellung stehen könnte, dass die bei Kalkriese gefundenen Glasaugen eigentlich auch schon in Köln hätten hergestellt worden sein können. Läge man die möglichen kölschen Gründungsjahre zugrunde, so liegt eine umfassende Zeitspanne vor uns in der die Welt nicht still stand. Als Tiberius 8 - die Sugambrer unter Zwang an den Niederrhein umsiedelte sank in kurzer Zeit das Risiko einer äußeren Bedrohung Kölns nämlich von der Ostseite des Rheins angegriffen werden zu können. Die schäl Sick der "Sickambrer" hatte man unter Kontrolle und die Weichen waren auf Frieden und Wachstum gestellt. Der Experten Zustrom aus dem Süden konnte sich nun erst recht entfalten die Schmelzofen wuchsen aus dem Boden, denn sie zu errichten war mit den nötigen Know How kein Hexenwerk. Es könnte sogar schon zwischen den Jahren 38 - und 19 - los gegangen sein, als die ersten produktionsbedingten Zweckbauten errichtet wurden für die man auch den Namen Siedlung anwenden könnte. Eine Sandbank mag es gewesen sein, aber auch andere erhöhte und relativ Hochwasser geschützte Flächen am Rhein kamen in Frage die auch den Bau von Glasöfen nicht gefährdeten. Aber nach 8 - dürfte die Produktion Fahrt aufgenommen haben. Schlussfolgert man weiter, so hätten die Zuwanderer aus dem Süden um diese Zeit die ersten Öfen in Betrieb genommen und die Kalkrieser Glasaugen hätten von dem Moment an auch keinen allzu langen Weg mehr nach Kalkriese zurück legen müssen. Denn zwischen der Sugambrervertreibung 8 - und dem Gefangenenaustausch lagen volle viele Jahre in denen man auch am Eigelstein nicht untätig war. Das Militär hatte den Raum für zivile Strukturen frei gemacht und das Vakuum begann sich zu füllen. Die Überlegung, ob die Glasaugen nun schon aus Köln, aus dem entfernt liegenden Kaiseraugst bzw. Augst oder gar aus Italien stammten, nimmt in den Theorien um den Sinn und Zweck den die Glasaugen bei Kalkriese spielten, nicht die wesentliche Rolle ein. Es ist mehr die Frage, ob die Glasaugen gleich wo man sie fand von einstigen Gefäßen abgebrochen sein konnten, die man zu dem Zweck nach Kalkriese brachte um sie dort entweder den Angrivariern zum Tausch anzubieten, sie zugleich selbst nutzte bzw. mit ihnen auf den Freikauf anstoßen wollte. Schönheit und Eleganz in germanischen Hütten zu entdecken, in denen alle Gefäße zur Lagerung von Flüssigkeiten nur in tristen, erdfarbenem Einheitston existierten, hätte schon etwas kulturell bahnbrechendes für die Menschen an sich gehabt denen der Begriff Luxus noch fremd war. Richteten sich die militärischen Blicke aller auf Xanten oder Neuß, so richteten sich die der germanischen Mondäne damals, als Düsseldorf noch eine nasse Wiese war auf Köln. Und diese frühen bunten Trinkgläser hätten einer Produktion in Köln gut zu Gesicht gestanden, denn die kürzere Distanz hätte es den Römern leichter gemacht sie nach Kalkriese zu transportieren. Ins Gepäck der römischen Legion, die noch über 21 + hinaus in Köln und Bonn stationiert war, hätten Gefäße mit Augenschmuck gut hinein gepasst, denn die Soldaten mussten damals die Handelsware auf Karren verstauen und die waren in Köln stationiert. Aber die Gedanken greifen noch einen Schritt weiter mit dem sich das nächste Kapitel befassen wird (01.03.2020)

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Freitag, 21. Februar 2020
Funde lügen nicht - Und über Kunst urteilt das Auge des Betrachters
Das zum Sprechen bringen zurück liegender Geschehnisse gehört zum Alltagsgeschäft der Geschichtsforschung kann aber auch zu bedenklichen Eigeninterpretationen verleiten. Trotzdem möchte ich mich soweit aus dem Fenster legen in dem ich sage, dass das Gefecht am Kalkrieser Berg zur Unzeit passierte. Vielleicht hätten es sogar einige Germanen gerne vermieden, denn alle Signale sollten in dieser Zeit eigentlich schon auf Frieden gestellt sein, als es zum Zerwürfnis kam. Ein Kampf der sich auch noch bis in das Jahr 18 + verlegen ließe, da Strabo im Zusammenhang mit dem Germanicus Triumphzug vermutlich um das Jahr 17 + oder 18 + am Rande die Zeilen hinterließ, dass Arminius immer noch kämpfen würde, also beteiligt gewesen sein könnte und Tacitus später über einen Freikauf der 16 + schiffbrüchig gewordenen Römer unter Vermittlung der Angrivarier berichtete.In den Jahren kreuzten sich diese beide Wege und historischen Hinweise und verdichteten sich auf die Örtlichkeiten um Kalkriese. Da man militärisch aufgrund kaiserlicher Anordnung nach 16 + nicht mehr in Erscheinung treten durfte, bot das Imperium nun in Kalkriese all das auf, womit sich optisch Eindruck schinden ließ ohne die Waffen zu zeigen. Zehn Auguren waren schon fasst eine Fußballmannschaft und andere schwer zuzuordnende Funde zeugten davon, dass hier kein Römer an Kampf dachte. So führte man prunkvolle Ausrüstungsteile im Gepäck oder legte sie sogar an, als man durch Germanien paradierte. Schmuckvolle und glänzende militärische Defilierobjekte wie sie römische Ritter bei Schaukämpfen trugen. Anders lässt sich der Fund einer versilberten nur das Gesicht bedeckenden Maske mit kleinen Augenschlitzen kaum interpretieren, denn für jegliche Formen des Nahkampfes war sie völlig ungeeignet. Hier sollte die ganze Überlegenheit eines Weltreiches in der germanischen Einöde zur Schau gestellt werden. Ein weiteres sichtbares und untrügliches Zeichen und Argument zugleich mit dem sich beweisen ließe, dass hier die Prachtentfaltung im Vordergrund stehen sollte und kein Kriegsgeheul. Hier wollte man die Überlebenden und Geschundenen begrüßen und ihre Heimkehr feiern aber nicht wieder in die Fußstapfen des Krieges treten. Aber im Xantener Hauptquartier machte man die Rechnung ohne den Wirt, denn die Germanen ließen sich nicht in dem Maße beeindrucken wie erhofft und warfen sich der Delegation nicht vor die Füße. Aber nun zu einem weiteren Gedankengang der sich mit den dekorativ zu nennenden und auch bei Kalkriese gemachten Funde einstiger Luxusgegenstände befasst. Nämlich den nebulös wirkenden Glasaugen die sich noch relativ plausibel in das visionäre Szenario eines Gefangenenaustausches einfügen lassen. Möchte man die Prämisse zugrunde legen, dass man hier den Germanen etwas besonders attraktives bieten und anbieten wollte, so könnten derartige Dinge den Nerv der Zeit getroffen haben. Denn auf einem unbekannten Handwerk beruhendes Gegenständliches mag in trister ländlicher Umgebung, wo nur die Farben der Natur vorherrschten und man sich nur mit wenig Ausdrucksvollem umgeben konnte, hoch willkommen gewesen sein. Wenn es dazu noch farbig Beeindruckte und die Menschen wie ein Augenpaar anstarrte war auch Magie im Spiel. Aber die zum beiderseitigen Nutzen geplante Veranstaltung deren Sinn nur darin bestand gefangene Soldaten gegen Münzen oder Werte einzutauschen sollte von nichts Negativem überschattet werden. Es sollte zu einem von gegenseitigem Respekt getragenen harmonischen Aufeinandertreffen kommen und man wollte keine feindselige Stimmung erzeugen, sie aufkommen oder entstehen lassen. Eben ein Handelsabkommen perfekt zu machen. Folglich ein Tauschgeschäft im üblichen Rahmen samt dazugehörigen Umtrunk wie man es sich in allen Zeiten erhofft und erwünscht und wie man es in Kalkriese gerne einvernehmlich zu Ende gebracht hätte. Doch in Kalkriese einer Zwischenstation die zur bilateralen Normalisierung gedacht war, überwog vermutlich noch das in dreißig Jahren gewachsene Misstrauen und die Vergangenheit holte das Imperium in einem für sie ungünstigen Moment noch mal ein. Man beging den fatalen Fehler in dem man den Gegner von einst, nämlich den nur scheinbar wohlwollenden und gewillten Verhandlungspartner vor allem aber die Stimmungslage falsch einschätzte. Waren nun Schiffbrüchige in den Augen von Germanen auch Kriegsgefangene also „captivus” oder waren es eher Menschen mit denen die Götter spielten, in dem sie sie zuerst straften, dann aber doch retteten und die man in Latein einfach nur “naufragus” nannte. Standen sie im Sinne der Gastfreundschaft nun unter höherem Schutz, waren sie immer noch die alten Feinde an denen man sich rächen wollte, oder dienten sie den Germanen jetzt nur als bloße menschliche Wertgegenstände für die sich eine schöne Auslöse erpressen ließ. Nach Tacitus wurden jene Römer die 16 + Schiffbruch erlitten unter der Vermittlung der Angrivarier von anderen germanischen Stämmen oder Sippen zurück „gekauft“. Er benutzt dazu in seiner Überlieferung das Wort „redemptos“ abgeleitet vom Verb „redimere“ für zurück kaufen, los kaufen aber auch auslösen. Für gewohnt verbinden wir heutzutage mit dem Wort „kaufen“ zuvorderst den Einsatz von Zahlungsmitteln. Und der Rekonstruktion nach dürfte auch Geld in Form von Münzen geflossen sein. So beabsichtigte man den Germanen im Gegenzug für die Opfer der Katastrophe des Jahres 16 + auch Lösegeld anzubieten. Aber über den genauen Preis für die römischen Geisel, die „Otages“ entschied das freie Spiel des „Chasuaren Marktes zu Kalkriese“. Vorverhandlungen waren nicht zeitgemäß, denn der Kurs konnte sich nach Lust und Laune der Germanen stündlich ändern, zumal man den Germanen keine Berechenbarkeit unterstellen kann. Es war für Rom ein vabanque Spiel, verlief ohne feste Regeln und der Ausgang war völlig offen. Nach römischer Sitte wollte man auch noch handeln, musste also noch Werte in der Hinterhand gehabt haben. Den Germanen dürfte dies alles nicht entgangen sein. So stecken darin viele Motive die zur Eskalation hätten beigetragen haben können. Aber „los kaufen“ assoziiert nicht nur das Münzen bar auf den Tisch gelegt werden, sondern könnte auch einen Wert in Form von Waren bedeuten. Germanen kamen mit römischen Münzen in diesen frühen Zeiten unmittelbar nach Anbruch des ersten Millenium, als gerade erst die römischen Okkupationsanstrengungen scheiterten und die Gewalt ihr Ende fand, noch kaum in Berührung. Römische Münzen hatten für sie noch keine Bedeutung und waren auch kein originäres Ziel um sich daran zu bereichern. Germanische Einfälle aus den Regionen östlich des Rhein in römisch besetzte Gebiete sind aus den Jahrzehnten nach dem tiberischen Rückzugsbefehl nicht überliefert. Der sich abzeichnende tiberianische Landlimes vis a vis östlich von Köln etwa zwischen Sieg und Duisburg parallel zum Rhein gelegen, war noch im Stadium einer im Aufbau begriffenen Grenzziehung und bestand mehr aus einer optischen Markierung in Gestalt einer grünen Grenze, als das er verteidigungsfähig gewesen wäre. Und die „germanische Reconquista“ die sich im Zuge der Varusschlacht vollzog reichte vielleicht nur bis Haltern und diente nicht dem vordringlichen Zweck sich in den Besitz römischer Münzen zu bringen. Gelangten sie in ihren Besitz, so war für sie in erster Linie der Metall- also der Materialwert entscheidend und der Überlieferung nach wussten sie wohl dank des urtümlichen Bisstestes auch sehr gut über den wertgebenden Edelmetallanteil bescheid. Römisches Geld war für sie mehr ein Statussymbol, man nahm es an sich um es aufzubewahren. Aber als Zahlungsmittel war es für sie unbrauchbar und hatte gegen den gewohnten Tauschhandel noch keine Chance. Denn es ließ sich schlecht nutzen, da für Münzen kein messbarer Gegenwert fest gelegt war. Für sie lag in der ideellen Bedeutung Münzen zu besitzen das zentrale und eigentliche Bedürfnis der Beschaffung. Aber man kann sicherlich auch nicht ganz ausschließen, dass nicht auch schon mal eine oder mehrere Kühe für einen goldglänzenden Aureus den Besitzer wechselten, denn die Zeiten begannen sich, wenn auch nur langsam in Richtung Geldwirtschaft zu verändern. Aber man weiß dafür etwas anderes besser. Denn es ist bekannt, dass sich unsere Vorfahren neben dem Zweckmäßigen auch von wertlosem Tand aus römischen oder gallischen Produktionsstätten beeindrucken und beeinflussen ließen. Unsere modernen Glitzerwelten der aufwändigen Dekorationen stellen es heute noch eindrucksvoll unter Beweis. Wenn das an sich relativ „Wert lose“ etwas darstellte, ausstrahlte eine faszinierende Wirkung entfaltete und zudem Prunk und Pracht zum Ausdruck brachte gewann es an Attraktivität, man begehrte es und die Augen der Germanen wurden größer. Und natürlich und was auch Niemanden verwundert ist die Tatsache, dass es Neid weckte und das sollte es wohl auch. Neid der ungute Katalysator und häufige Wegbegleiter seit Menschengedenken. Und wenn diese Gegenstände die germanischen Hütten zum Glänzen brachten und zudem noch symbolische Ausstrahlungskraft besaßen, so waren sie auch interessant genug um im Tauschhandel eine nicht zu unterschätzende Rolle zu spielen. Der erste aufkeimende rechtsrheinische Handel mit römischen Produkten beschränkte sich auf das Umfeld der frühen Rhein- und Lippelager sowie die häufiger frequentierten Zugwege an denen die Siedlungen der Germanen lagen oder wo sie sich vielleicht auch erst deswegen dort etabliert hatten und davon profitierten. Und das ergab sich vermutlich sogar schon während dem die Germanienkriege tobten. Natürlich kann man im Zuge der römischen Kriegszüge nicht davon ausgehen, dass es in dieser Zeit zu einem nennenswerten Warenaustausch über die Feindesgrenzen hinaus gekommen ist. Aber dies änderte sich von dem Moment an, als Tiberius 16 + den Frieden befahl. Um die Jahr 17 + oder 18 + als es galt im Zuge des Gefangenenaustausches germanische Stämme, aber in erster Linie die nun wichtig gewordenen angrivarischen Vermittler zufrieden zu stellen, kam auch ein Handel langsam und zäh in Gang. So könnten in diesen Zeiten nun auch andere Tauschartikel von den Germanen stärker nachgefragt worden sein. Und auch gefangene Legionäre zurück zu kaufen ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Man stellte sicherlich auf dem kleinen Garnisonsplatz inmitten des römischen Marschlagers in der Niewedder Senke keine Tische auf um den Angrivariern eine Palette interessanter Objekte zu offerieren. Aber eine Form von Zurschaustellung sollte es gegeben haben. Man dürfte den Verhandlungspartnern attraktives vorgelegt haben worunter sich auch das eine oder andere Teil befunden haben könnte wie etwa Haarnadeln oder ähnliches, das der Weiblichkeit zugedacht war. Und natürlich kommt diesem Gefangenenaustausch den uns Tacitus mit so knappen Worten bestätigt, auch eine große historische Bedeutung zu. Denn nach dreißig Jahren blutiger Fehden könnte dieser Akt nicht nur eine Wende eingeläutet haben. Es war auch die erste und einzige dokumentierte zivile Annäherung die uns so kurz nach dem langen Krieg Roms mit den nun ehemalig zu nennenden Konfliktgegnern bekannt geworden ist. Dieses Zusammentreffen wurde damit auch zu einer ersten Nagelprobe der Verlässlichkeit in einer neu anbrechenden Zeit. Nun waren die beiden einstigen römischen Schlachtrösser Silius oder Caecina gezwungenermaßen auf das Niveau von Bittstellern herab gesunken und man darf sich die Frage stellen, wie sich Kaiser Tiberius zu diesem diplomatischen Drahtseilakt stellte. Schließlich dürfte dieses ungewöhnliche Prozedere brisant gewesen sein und entsprechend hohe Wellen geschlagen haben. Wellen gleichen Ausmaßes wie die, die einst die römischen Schiffe zum Zerbersten brachten, aber auf anderem Parkett. In Kalkriese durfte also nichts schief gehen. Denn man läutete dort den letzten Akt einer misslungenen Serie unbefriedigender Germanicus Feldzüge ein und wollte auf diesem Weg die Schmach ohne großes Aufsehen zu erregen zügig zu Ende bringen. Die peinlichen Pannen des zwar in weiten Kreisen beliebten aber erfolglosen Feldherrn Germanicus sollten endgültig ausgeräumt und vergessen gemacht werden. Tiberius muss dem Gefangenenaustausch zugestimmt haben und möglicherweise gab es auch noch ein altes Vermächtnis mit Germanicus an das sich Tiberius hielt oder halten wollte. Denn es wurde überliefert, wie innig Germanicus einst über den Flottenverlust und die Opfer getrauert haben soll. In diesem Sinne könnte Germanicus den Schiffbrüchigen noch einen letzten Dienst erwiesen haben und für den Gefangenenaustausch noch indirekt mit die Weichen gestellt haben und er war somit für diese Aktion vielleicht sogar mit verantwortlich, zumal er sie im Zuge seines letzten Kriegsjahres 16 +, obwohl nicht beabsichtigt erst ausgelöst hatte. Es könnte mit erklären helfen, warum das Imperium das Risiko Kalkriese überhaupt ein ging um die Schiffbrüchigen zurück zu holen. Aber schon kurz nach dem für Germanicus veranstalteten Triumphzug im Mai 17 also noch im gleichen Jahr trennte sich Tiberius von ihm und schickte ihn in den Osten des Reiches nach Griechenland. Da der angenommene Gefangenenaustausch auch erst im Folgejahr 18 + statt gefunden haben könnte, dürfte Germanicus vom Ausgang des Gefechtes bei Kalkriese nichts mehr erfahren haben. Denn Germanicus wurde 19 + in Antiochia möglicherweise vergiftet. Der Unbill der Natur also der Zorn der Götter ließen das Unwetter in der deutschen Bucht damals geschehen und es war bei genauerer Betrachtung eine äußerst heikle Mission, in der die römische Delegation seinerzeit in Sachen „Schiffbrüchige“ zu den Angrivariern aufbrach um das Reglement abzuwickeln um das Unvermeidbare hinter sich zu bringen. Das Imperium musste alles erdenkliche aufbieten um den Austausch nicht zu einem Misserfolg werden zu lassen und so las man den Germanen so ziemlich jeden Wunsch von den Augen ab. Vielleicht waren die wenigen Worte die Tacitus dafür fand schon der Diskretion gezollt. Man könnte ihnen demnach ein Überangebot präsentiert haben, das die Germanen nicht ablehnen konnten. Auch ohne „Live Übertragung“ dürften alle Augen im Imperium bis hinunter zu den begüterten Familienangehörigen der Gefangenen in Italien in dieser Zeit auf Kalkriese gerichtet gewesen sein. Aber besonders waren es die Augen von Kaiser Tiberius und seinem Hofstaat, denn es sollte und musste alles in einen glorreichen Erfolg münden, der sich politisch ausschlachten ließ. Das Imperium durfte und wollte sich unter Kaiser Tiberius kein erneutes militärisches Debakel gegen ein rückständiges Volk leisten, denn die Liste der Peinlichkeiten war schon recht umfänglich und es gab sie schon zur Genüge. Wie wir wissen wurde alles was Rom damals in Germanien, wenn auch manchmal nur halbwegs zustande brachte, wie eine Heldentat von gesamtstaatlicher Bedeutung überschwänglich und wenn nötig bis zur Faktenverdrehung gefeiert. Und man möchte gar nicht wissen wie man in Rom einen erfolgreichen Gefangenenaustausch ausgeschlachtet hätte. Denn dafür gibt es genügend Beispiele. Ob man wie geschehen Germanen wie Gefangene vorführte die sich jedoch vorher freiwillig in römische Hände begeben hatten, ob man sich für die Zurschaustellung an Germanen vergriff, die mit den Germanicusschlachten gar nicht im Zusammenhang standen, oder ob man Feldherren Triumphalinsignien zuerkannte die ihnen bei genauer Betrachtung nicht zustanden, da es ihre Verdienste nicht hergaben. Oder ob man die Rückführung von Legionsadlern mit opulent übertriebenem Beiwerk ausschmückte. Alles stellte man gerne als einen totalen Erfolg wie ein Jubelereignis der Sonderklasse heraus und es passte zur „Brot und Spiele“ Philosophie. Das es aber in Kalkriese zum Gefecht kam und dieses in einer römischen Niederlage endete, wurde in den späteren Annalen, wie so vieles andere auch geflissentlich verschwiegen und Tacitus konnte darüber auch nur sehr wenig weiter geben und erst recht nicht über ein Fiasko schreiben, weil es sich aus seinen Quellen nicht erschließen ließ. Das er es aber überhaupt erwähnte zeugt davon, dass der Gefangenenaustausch doch eine gewisse Größenordnung angenommen haben musste. Aber zum guten Angebot sozusagen einem Rundumpaket an die Germanen gehörten damals auch andere Dinge als Münzen. Wie etwa die zweckmäßigen Dinge des Alltags aber auch die unzweckmäßigen, wenn sie nur ansprechend genug waren und schön genug aussahen und das in jeder Variation und Ausstattung aber immer nach dem römischen Geschmack der Zeit. Gegenstände vielleicht aus modernster Manufaktur die zeitgemäß und daher hoch im Kurs gestanden haben könnten. Sich selbst versorgende kleinbäuerlich geprägte Völker mussten auch immer praktisch veranlagte Menschen sein, wollten aber auch mal über den Tellerrand blicken. Während sich die in Kalkriese gefundenen Millefiori Scherben gut einem Gefäß zuordnen lassen, müssen die dort aufgefundenen „Glas Augen Scherben“ aber immer noch als undefinierbar eingestuft werden. Möglicherweise kam ihnen im intakten Zustand als Teil eines Ganzen eine Doppelfunktion zu. So könnte man sie sowohl als Nutzgegenstand in römischen Kastellen verwendet haben, sie aber auch für Handelszwecke geeignet gewesen sein. Aus herstellungstechnischer Sicht betrachtet ist es ein Faktum und daher von Bedeutung, dass es sich bei den gefundenen „Glasaugen“ insgesamt um Teile handelt, die allesamt nur aus farbigen Glaselementen bestanden. Aber es waren in sich betrachtet jeweils Einzelstücke, denn kein Glasauge sah aus wie das andere. Unter ihnen befindet sich also kein Teil oder aus durchsichtigem Glas produziertes Element. Farbiges Glas herzustellen gelang in Italien noch bevor es möglich war durchsichtiges Glas anzufertigen. Denn die manuell erstellten Teile, wenn sie auch nicht unseren Reinheitsvorstellungen entsprachen aus durchsichtigem Glas zu produzieren war erst um das Jahr Null möglich. Aber farbiges Glas für den alltäglichen Gebrauch wurde auch in den folgenden Jahrzehnten weiter also parallel produziert, als die Fertigung von durchsichtigem Glas bereits möglich war. Sodass es nicht möglich ist, für die Funde in Kalkriese aus farbigem Glas sowohl eine Herstellungszeit und natürlich auch nicht den Produktionsort bestimmen zu können. Die farbigen Glasobjekte könnten demnach auch während einer sehr langen Zeitphase in den Kalkrieser Boden gelangt sein. Es lässt sich also nicht exakt sagen, ob sie im Kern dem Fundhorizont etwa der Jahre 9 + bis 18 + zugeordnet werden können, besser gesagt, es lässt sich gegenwärtig nicht beurteilen. Denn die Kalkrieser Glasaugen können epochal betrachtet auch noch lange nach der Aufgabe der letzten Lippelager in den Niewedder Boden gelangt sein. Es ist allerdings sehr nahe liegend, dass diese Glasobjekte im Zuge einer Kampfhandlung zerstört wurden und in dem vorgefundenen Zustand zu Boden fielen, gleich wann dieses statt fand. Das sich die Augen ähnlichen Glasscherben die man in Kalkriese entdeckte in Aussehen und Machbarkeit von denen unterschieden die sich an anderen Stellen in Germanien fanden wie etwa an der Lippe zeugt vermutlich von der Individualität der Meister, ihrer jeweiligen Handwerkskunst und ihrer Möglichkeiten. Aber Produkte aus farbigem Glas, fände man sie noch dazu „in situ“ also in Original Fundlage, Schicht oder Position innerhalb der Örtlichkeit und das um diese Zeit in den weit vom Rhein abgewandten östlichen Fundregionen ist nicht nur eine Besonderheit, sondern sogar eine Überraschung und wie in diesem Fall schon sensationell zu nennen. Dabei tritt zunächst die Frage nach der Herstellungsmethode, oder danach welche Stoffe und Elemente man vor 2000 Jahren für den Schmelzprozess einsetzte in den Hintergrund. Denn das bloße Vorhandensein und die Existenz der Teile nahe zum 5240. Breitengrad wo er Germanien quert ist nach unseren Vorstellungen bereits äußerst bemerkenswert. Denken wir an die römische Glasherstellung des 1. Jhdt. wie sie uns Plinius der Ältere beschrieben hat und werfen wir einen Blick auf andere augusteische Spitzenerzeugnisse der Glasmacherkunst, so erscheinen uns die „toten farbigen Glas Augen“ von Kalkriese angesichts der Fortschritte gar Sprünge, die die Glasmacherkunst schon im frühen ersten Jahrhundert machte schon fasst wie Produkte aus einer rückständigen Epoche. Denn die Forschung kann anhand von Bodenfunden nachweisen, dass hochwertiges, also sowohl buntes als auch durchsichtiges und verziertes Glas in bester zeitgemäßer Qualität bereits in vor römischer Zeit in Palästina, Syrien, Ägypten und Mesopotamien produziert und verarbeitet werden konnte. Von dort dürfte es schon in den Zeiten der dortigen Hochkulturen den Weg über die Häfen, etwa Griechenlands oder Alexandrias, also über das Mittelmeer ins römische Reich gefunden haben. Gegen diese Meisterleistungen erscheinen die diversen farbigen Scherbenfunde nördlich der Alpen in der Tat so, als wären sie für den damaligen Geschmack gerade noch gut genug gewesen. Was wiederum nicht verwundert denn auch um das Jahr 18 + steckte man, was die Produktion durchsichtigen Glases anbelangt auch in Italien noch in einer frühen Experimentierphase. Aber schon die farbigen Glasfertigprodukte mögen bereits ausgereicht haben und erfüllten ihren Zweck um die Germanen in Verzückung zu versetzen. Anfänglich hatte auch im italienischen Teil des Imperium Romanum farbiges Glas noch eine stärkere Verbreitung, so wie es das bei Kalkriese gefundene Glasaugenteil materiell verkörpert. Um das Jahr Null wurde das komplett farblose bzw. durchsichtige Glas erfunden und die Qualität und Festigkeit wurde zunehmend verbessert. Durch den wachsenden Erfindungsgeist wurde auch die Produktionspalette um neue Erzeugnisse und Gestaltungsideen aus farblosem und damit durchsichtigem Glas erweitert. Während der Pax Romana machte unter Kaiser Augustus die Produktion von Glas so immense Fortschritte, dass sie nicht nur auf Italien beschränkt blieb, sondern zu einem Erfolgsschlager in der römisch geprägten antiken Welt wurde. So wurden aus Glas hergestellte Dinge des Alltags auch nach Spanien, Gallien und Germanien aber auch an die Donau exportiert, wo sie sich schon in augusteischer Zeit auf dem Magdalensberg nachweisen lassen. Mit dem Export also dem Transfer der Produkte von Italien ausgehend, vollzog und verbreitete sich auch schnell das Wissen um die jeweiligen Herstellungsprozesse und Methoden. In der Folgezeit war es daher möglich überall an geeigneten Orten Schmelzöfen zu errichten und die Kunst des Meisters und der Geschmack und die Zahlungskraft der Abnehmer entschieden wohl über die Vielfalt der Angebotspalette. Aber die Funde von Kalkriese erreichten noch nicht den hochwertigen Zustand und sollten es auch nicht, denn sie waren nichts anderes als Gegenstände des Alltags. Der Römerstadt Augusta Raurica, die heutige Schweizer Stadt Kaiseraugst bzw. das deutsche Augst am Rhein nahe Basel fiel in dieser Zeit eine besondere Bedeutung zu. Zahlreiche Funde der Epoche wie sie hier nachweisbar sind, ob zuerst farbiges oder später durchsichtiges Glas bestätigen dies und es lässt sich bereits für die augusteischen Zeiten belegen, dass sich dort einst ein oder sogar das Zentrum der frühen Glasherstellung nördlich der Alpen befand. Eine äußerst geeignete Region am Oberrhein, einem geographisch bedeutsamen verkehrstechnischen Knotenpunkt nördlich der Alpen. In Augusta Raurica und möglicherweise auch in der unter Basel vermuteten Erstgründung könnte man auch die gesuchte römische Stadt sehen, in der man sich als erste Kapitale nördlich der Gebirgskette auf alles Innovative stürzte, was den Weg aus Italien in den Norden fand. Und nach Augusta Raurica das bereits vor der römischen Stadtgründung von Trier bestand hatte, öffnete sich dank des Rheins auch die Tür nach Germanien. Mit der Produktionsstätte ging zwangsläufig auch der nötige Handelsstützpunkt einher aus dem sich ein Warenumschlagplatz entwickelte. Die Glasmanufaktur samt Vertrieb prosperierte und besaß Wasseranschluss mittels Hafen, sodass der bequeme Transport rheinabwärts somit sichergestellt war und reibungslos funktionierte. Den Rheinfall hatten sie ab Augst bekanntlich nicht mehr zu überwinden und die anderen Hindernisse im Fluss schienen beherrschbar gewesen zu sein. Die Stadt wurde zum Mittelpunkt der Herstellung also auch gänzlich unmilitärischer Erzeugnisse nämlich auch dem besagten „poculum vitreum“ mit dem das Imperium auch diesseits der Alpen seine technische Vorrang- und Vormachtstellung unter Beweis stellte und durch Fortschritt punkten konnte. Kriege und Schlachten waren befristete Eskalationsspitzen, aber dazwischen lagen auch längere Friedensperioden, Phasen in denen letztlich jene Dinge auf die Reise gingen, die den kulturellen Einfluss ausmachten die Begehrlichkeiten weckten und die die Impulse einer modernen Zeit kontinuierlich nach Norden transferierten. Damit rückte das Imperium für Germanien auf Jahrhunderte in den Blickpunkt und wurde zum Leitmaß der Dinge bis die Völkerwanderung diese alten Grenzen wieder verschob. Das nach der Zeitenwende die in einfachen Produktionsschritten hergestellten undurchsichtigen und farbigen Teile aus Glas auch vermehrt im Alltag Verwendung gefunden haben, dürfte unstrittig sein, während das hochwertigere durchsichtige Glas von einem höher gestellten und wohlhabenderen Personenkreis genutzt wurde. In Kalkriese fand man durchsichtiges Glas bislang nicht und man wird es wohl auch dort nicht finden. Man fand die rätselhaften fünf, sechs oder waren es gar sieben Glasaugen nicht nur an der Marschstraße bei Kalkriese, sondern in ähnlicher Ausführung auch in den Lippelagern und in Xanten. Aber da wo man sie noch ausgrub, befanden sich jeweils stattliche und wichtige militärische Bollwerke des Imperiums. Dies war neben Xanten auch in Haltern, Oberaden und Anreppen längst der Lippe der Fall. Und natürlich in Kaiseraugst dem alten Augusta Raurica das möglicherweise als Kolonie schon 44 – gegründet wurde. Das man die Scherben nicht vermehrt auch auf Äckern im Münsterland fand mag daran liegen, dass man in ihnen keine Teile aus früh römischer Produktion erkannte und sie daher nicht beachtete. Aber überall dort, wo sich diese Scherben fanden, existierten auch römische Niederlassungen die sich auch dank dieser Funde einem zeitlich erfassbaren Rahmen zuordnen lassen. So bleibt und wird die Zeit in der sie in den Boden gelangt sein konnten für uns überschaubar bzw. lässt sich besser eingrenzen. Das alle Gegenstände die in diesen Jahren nach Westfalen gelangt sind nur in Verbindung mit Kastellen oder Marschlagern zum Vorschein kamen unterstreicht den engen Kontakt zu den Zivilisationsstätten und Zentren der frühen römischen Besiedelung. Unstrittig ist sicherlich, dass diese Teile auch nur in den Boden gelangt sein konnten, als diese Kastelle schon existierten. Und natürlich auch nur immer solange, wie sie sich auch noch in der Nutzung befunden hatten. Denn danach ging dort kein Tischgeschirr mehr zu Bruch. Und man fand sie sogar noch weit flussaufwärts bis nach Anreppen, dem jüngsten Römerlager am Lippeoberlauf, das man nur etwa 5 Jahre genutzt hatte, denn selbst bis dahin hatte man ähnliche Glasobjekte schon transportiert bzw. man benötigte sie dort. So sollten natürlich auch noch viele von ihnen nicht auffindbar auch im ehemals besetzten Teil Germaniens im Boden schlummern, die zudem schwer zu entdecken sind, da sie sich nicht mit Metallsuchgeräten aufspüren lassen. Das man aber alle Glasaugen bis auf Kalkriese nur in Römerstädten bzw. Römerkastellen fand ist nicht unlogisch. Denn nur dort gab es auch Bedarf an Tischgeschirr. In diesem Kontext festzustellen, dass alle Funde grundsätzlich nur einen Bruchteil dessen wieder spiegeln, was tatsächlich noch im Boden vorhanden ist, dürfte unstrittig sein. Jedoch weisen die Fundorte darauf hin, dass die Glasaugen, als sie noch Bestandteil eines Behältnisses oder eines großen Ganzen waren die Legionäre aber auch die Händler bis in ihre Militärlager und auf ihren Marschzügen begleiteten. Wo also die frühe römische Zivilisation beheimatet war und wo sich ihre, wenn auch nur vorübergehenden Stützpunkte befanden. Wo sich römisches Leben ausbreitete also Fuß fasste, waren offensichtlich auch Glasaugen ähnliche Teile nicht weit. Folglich war ihr Verbreitungsraum umfänglicher als gedacht und man sollte daher annehmen, dass man sie auch in jeder anderen römischen Siedlung vorfinden könnte. Glasaugen die auf die naive germanische Seele einwirkten, die man vielleicht an Bändern befestigt hatte, die sich an den Fensteröffnungen im Zugwind bewegten wo sie dann leise gegeneinander schlugen.(20.02.2020)

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Dienstag, 18. Februar 2020
Das Gefecht von Kalkriese fiel der römischen Zensur zum Opfer - Aber das Rätselraten um die Glasaugen geht weiter
Und dies ließe sich in der Tat mit einer vorstellbaren „palatinischen Zensur“ begründen, denn das nieder schmetternde Resultat wollte man tunlichst unter den Teppich kehren. Und es würde auch erklären, warum dem Historiker Tacitus damals so wenig an Detailinformation zum Gefangenenaustausch zur Verfügung stand, über das er hätte berichten können. Denn wie sollten wir es uns anders erklären, dass er nur so wenige Worte über den Gefangenenfreikauf unter Vermittlung der Angrivarier verlor. Und wer wollte sich in Rom nach den vielen Schlachten, dem auch sicherlich von römischer Seite ersehnten Frieden und der triumphalen Siegesfeier für den erfolgreichen „Pseudo“ Feldherrn Germanicus im Jahre 17 + schon eingestehen, dass man sich mit dem Erzfeind so kurz danach schon wieder am „grünen Tisch“ treffen musste. Denn wir erinnern uns, dass die Schlacht am Angrivarierdamm im Jahre 16 + auch für Rom kein Vergnügen darstellte. Allein schon zugeben zu müssen, dass die Germanen immer noch im Besitz vieler gefangener Römer waren und man sich nun kleinlaut irgendwo in der germanischen Tiefebene mit ihnen arrangieren musste um diese Gefangenen wieder in Empfang nehmen zu können bzw. sie zurück kaufen zu müssen, dürfte bitter gewesen sein. Und die Wortwahl „zurück kaufen“ erweckt nicht den Eindruck, als ob sich in diesem Zusammenhang die Germanen von Rom unter Druck setzen lassen wollten, denn sie saßen in diesem Fall am längeren Hebel. Auf ein peinliches und dazu erniedrigendes Schauspiel der Unterwürfigkeit folgte dann zu allem Überfluss noch ein unrühmliches Ergebnis. Es wurde zum Fiasko für die damalige Weltmacht Rom, das man nicht unbedingt an die große Glocke hängen wollte. Und schon gar nicht als sich heraus stellte, dass der Ballanceakt später auf der ganzen Linie scheiterte, denn in Kalkriese missglückte nicht nur die Regie sondern die ganze Aktion, denn es kam alles anders als gedacht. Aber es sprechen viele der Kalkrieser Funde für diese Theorie, denn sie lassen sich gut in das geschilderte Geschehen und Szenario eines Gefangenenaustausches einfügen. Unter den vielen frei zu kaufenden Legionären die, wie man annehmen kann dort im Austausch frei kommen sollten und die zwei Jahre zuvor bei dem Herbststurm 16 + schiffbrüchig geworden an Land gespült wurden, könnten sich auch eine oder mehrere bedeutsame römische Personen aus betuchtem Hause befunden haben. Und je hoch gestellter die römischen Gefangenen waren, um so desaströser wirkte sich das Versagen der Weltmacht samt Kaiser Tiberius auf die in Italien lebenden betuchten Angehörigen aus. Es waren die Militärs aus gehobenen Positionen, für die man auch bereit war gewisse Vermögenswerte den alten Schatullen zu entnehmen, um sie den Germanen für den Rückkauf anzubieten. Denn unter den Funden waren bekanntlich auch jene gut erhaltenen und daher vermutlich noch nie im Umlauf gewesenen „uralt“ Münzen die aus einer Prägezeit um das Jahr 180 vor unserer Zeitrechnung stammten. Sie stammten aus einer frühen Epoche in der es dem römischen Imperium noch nicht einmal gelungen war Griechenland in Gänze in Besitz zu nehmen und es den Makedonen abzutrotzen. Denn die entscheidende Schlacht bei Pydna wurde erst im Jahre 168 – geschlagen. Jene schon fasst mythologisch zu nennende und denkwürdige Schlacht aus der sich damals die Überlebenden nach Thrakien absetzen konnten, wo sie ein neues Reich begründeten. Aber die undefinierbaren Glasaugenscherben von Kalkriese und anderswo haben es der Forschung angetan, sie liefern uns nicht nur einen Hinweis auf die frühe römische Handwerkskunst aus biblischen Zeiten, sondern verlangen auch nach möglichst plausiblen Antworten und fordern die einschlägige Expertenwelt heraus. Für ihre Entstehungsgeschichte ließen sich möglicherweise zwei bis drei Erklärungen finden. Vor allem aber passen sowohl die eine, als auch die anderen Alternativen noch sehr gut in den Kontext eines anzunehmenden Gefangenenaustausches. Der angenommene Verlauf gewinnt somit an Glaubwürdigkeit und stärkt die Theorie einer aus dem Ruder gelaufenen Aktion als sich die Waffen noch nicht ganz abgekühlt hatten in einem sensiblen Grenzgebiet. Es sind diese zum einen die Hypothese einer Bahre, also einer Kline wobei man an eine Totenbahre denkt und wie sie auch von einer italienischen Expertin zur Diskussion gestellt wurde, jene bei der man sich auch die Reste zerbrochenen Tischgeschirrs vorstellen kann und eine weitere, auf die noch zu sprechen sein wird. Blickt man visionär auf das zurück liegende Geschehen in Kalkriese, so muss man sich tief der damaligen Situation vergegenwärtigen und sie sich nach eigenem Empfinden ins Bewusstsein rufen. Denn ohne Phantasie und Einfühlungsvermögen erstarrt jegliche Rückbesinnung in distanzierter Nüchternheit. Und es würde sich ein Eindruck verfestigen die Archäologie wäre vergleichbar mit den gekachelten Räumlichkeiten der pathologischen Abteilungen innerhalb unserer Kreiskrankenhäuser, umgeben von leblosen und blutleeren Sachwaltern der Historie. Dem sollte man entgegen wirken, denn die Geschichte lebt. Es war ein sonderbares unscharfes Ereignis, dass sich damals vollzog und sich in den Konturen schwer greifen lässt. Vermutlich 17 + oder 18 + weit vor den Toren der Siegfriedsstadt Xanten fand es statt und vielleicht war ja auch Arminius noch selbst daran beteiligt, denn Strabo deutete es an. Die zahlreichen Auguren insgesamt zehn an der Zahl verliehen zwar dem Marsch ein gespensterhaftes Aussehen, denn auch die Legionäre dürften es nicht gewohnt gewesen sein in Begleitung so vieler Priester reiten zu müssen. Denn die Auguren zeichnete nicht nur ihr Stab aus, sondern sicherlich auch die dazugehörige passende Kleidung bei der man schon fasst an eine kapuzenartige und den Mönchen ähnliche Umhüllung denken möchte. Wie mögen die Germanen auf das Auftauchen dieser unbekannten Gestalten fasst schon Wesen möglicherweise noch in weiß reagiert haben. Was sahen sie in ihnen. Stand da etwa schon der Gedanke an mögliche Bekehrungen im Raum. Waren es jene Priester denen sich damals auch Segimundus am Ubier Altar in Köln unterworfen hatte oder musste. Brachten sie unter Umständen schon einen Misston in den Gefangenenaustausch. Aber das Mitführen großer und sperriger Totenbahren will nicht so recht zum Verlauf passen, denn man wollte eigentlich lebende Römer in Empfang nehmen und keine toten. Ebenso befremdlich wirkt die Vorstellung, dass man augenartige und in diesem Sinne eigenartige Glasobjekte an Holzgerüsten oder Gestellen befestigt haben könnte. Wie sollte man es damals technischerseits angestellt haben, Glaselemente an Holzrahmen stabil zu montieren um sie auf robusten Wegen zu transportieren zu können. Der Nachbau einer Kline der Trier Universität zeigt Schnitzarbeiten enthält aber keine Anhaltspunkte oder Hinweise die auf das Vorhandensein bzw. die Montage von Glasteilen schließen lassen. Es müsste schon eine findige Technik existiert haben um Glas mit Holz zu verbinden. Verkleben ließen sie sich jedenfalls nicht und im Holz eingelassene oder versenkte Teile dürften keinen langen Bestand auf einem holprigen Transport gehabt haben. Aber es lässt sich statt der aufwändig angefertigten Totenbahre noch eine andere Dramaturgie entwerfen. Denken wir uns in die damaligen Verhältnisse hinein. Eine Katastrophe bei der die alten Rümpfe von aus Holz gefertigten Schiffen wie Streichhölzer zerbarsten. So muss man auch stark davon ausgehen, dass zahlreiche Römer dabei ertranken und dann angespült wurden. Aber auch die Vorstellung passt, dass von den Germanen viele Legionäre aufgelesen wurden die noch lebten, sich aber Verletzungen zugezogen hatten. Ob man in Germanien die toten Römer begrub oder der Verwesung überließ ist unklar. Aber die Germanen konnten den überlebenden Römern aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes sicherlich auch ihren Stand ansehen und sie dadurch auch von ihren Untergebenen unterscheiden. So wird man sie in Obhut genommen haben, auch wenn sie versehrt waren. Je nach dem wie sich ihr Gesundheitszustand entwickelte, könnte man versucht haben auch diese noch „zu Geld“ zu machen und es ist denkbar, dass man dies der römischen Seite signalisierte. Vereinfacht ausgedrückt, sind nicht alle Gestrandeten gesundheitlich auf der Höhe, so bringt zum besseren Transport geeignete Bahren mit. Also Bahren für lebende und nicht für tote Legionäre. War man in Xanten voraus schauend brauchte man ihnen dieses gar nicht erst mitzuteilen, denn es ließ sich erwarten. Das es Tacitus grundsätzlich überhaupt für nötig hielt über diesen Vorfall Worte zu verlieren deutet darauf hin, dass es sich dabei nicht nur um keine kleine Randanekdote oder Affäre der Weltgeschichte handelte, sondern um ein bedeutungsvolles und tragweites Ereignis, denn Tacitus verlor sich eigentlich nicht in Nebensächlichkeiten. Was wiederum Anlass gäbe zu schlussfolgern, dass sich hier eine recht hohe Anzahl von Legionären im Gewahrsam der Germanen befunden haben könnte. Ziel soll es jedoch hier sein, über diese Anmerkung hinaus einen neuen Blickwinkel herzustellen. Denn da haben wir ja noch die scheinbar nie da gewesene Zusammenballung von Auguren die sich anhand der gebrochenen Metallteile bei Kalkriese nachweisen lässt. Denn zehn Augurenstäbe sprechen auch für die Anwesenheit von schon fasst inflationär zu nennenden zehn Auguren. Wir wissen, dass die römische Welt nicht nur auf Griechenland, sondern auch auf das alte Ägypten fixiert war. Und wir wissen, dass in Ägypten eine der Wiegen des Augurenstabes, also des ursprünglichen Hirtenstabes stand. Uns ist auch nicht entgangen, dass der ägyptische Hohepriester Imhotep ein Begründer und Wegbereiter der alten Heilkunde war und später sogar als Heilgott verehrt wurde. Und zu den Insignien des Imhotep in seiner Funktion als „Heqa-hut-aa“ gehörte auch der Krumm - also der Augurenstab. Müsste oder sollte man etwa die Augurenschwemme bei den Chasuaren so verstehen, als ob sich diese Auguren einer älteren Tradition gegenüber verpflichtet sahen oder fühlten, bzw. sogar in der Verantwortung standen zu heilen. Nämlich letztlich auch der Krankenfürsorge und Verwundetenversorgung verletzter Legionäre zu dienen hatten. Gab es da noch ältere Verbindungen wonach die Auguren nicht nur als Priester bei Zeremonien oder sakralen Akten mit zu wirken hatten, oder als Wahrsager in Erscheinung traten sondern auch medizinische Hilfe zu leisten hatten. Und in dem Zusammenhang also nicht nur die Totenrituale zu praktizieren hatten, sondern das sie auch ärztliche Kenntnisse besaßen und daher ihre Anwesenheit nicht nur erforderlich, sondern sogar erwünscht war. Wie anders sollten wir uns die zehn Auguren in Kalkriese erklären. Denn wir dürfen in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass im Boden von Kalkriese und wen verwundert es da noch, auch medizinisches Gerät gefunden wurde, dass möglicherweise für die Erstversorgung der Heimkehrenden gedacht war. So schließt sich sich der Kreis um die Theorie des Gefangenenaustausches auf Basis dieser Überlegungen um ein weiteres Mal in dem sich die gesammelten Argumente zusätzlich verdichten lassen. Wir hätten es also bei den „toten Glasaugen“ von Kalkriese mit Gegenständen zu tun, die man auch in einen Zusammenhang mit einer eher einfach ausgestatteten Krankenbahren Variante bringen könnte. Aber auch in diesem Fall hätte man die Glasaugen an den Kanten der Tragegestelle befestigen müssen was ebenso schwer vorstellbar ist, wie bei aufwändig gefertigten aufbahrfähigen Klinen. Primitive Liegen wie sie in allen Militärlagern und an allen Fronten der Welt gebräuchlich waren und auch wohl dem leidigen Zweck geschuldet waren häufig genutzt werden zu müssen. Sie hatten nur die Mindeststandards zu erfüllen und waren eben nicht nur für Verstorbene, sondern zuvorderst für verwundete Legionäre gedacht. Eine Erklärung, die nicht nur für Kalkriese zutreffen würde, sondern gleichermaßen für alle Fundstätten nämlich in allen Römerlagern in NRW und darüberhinaus, denn es wurde in diesen Zeiten bekanntlich heftig gekämpft und die Schreiner waren ausgelastet. Damit hätten wir zwar eine Verbindung zu einer Standardliege und auch zu einem gläsernen Augensymbol hergestellt, aber immer noch keine schlüssige Erklärung dafür gefunden, wie man Glasaugen mit Holzgestellen verbunden haben könnte. Lässt man den Gedanken fallen, die Glasaugen könnten an den Klinen einen Platz gefunden haben, so kristallisiert sich neben der Tischgeschirr Überlegung noch eine weitere Möglichkeit heraus. Nämlich die, die sich um die Frage dreht, ob römische Legionäre auf ihren Feldzügen Glücksbringer am Körper trugen. Mangels anderer Hinweise wird die Phallussymbolik gerne damit in Verbindung gebracht. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Nämlich der so genannte böse Blick, der im weltweiten Volksglauben tief verwurzelt ist und zu den ältesten Formen des Aberglaubens zählt. Römische Legionäre sahen dem Tod in Gestalt des Feindes mit gezogenem Dolch in der Hand häufig ins Auge und suchten Schutz in auswegloser Situation. So könnte der Gedanke nahe liegend sein, dass es sich bei den Glasaugen um das handelte, was man schon vermutet. Denn man kann die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie derartige Gegenstände am Leib trugen und bei sich führten die wir heute auch Talisman nennen. Was uns wie so oft fehlt ist der durchschlagende Beweis für diese Theorie, denn diesen bleibt uns die Historie schuldig. So können wir uns weder auf Funde noch auf andere schriftliche Hinweise stützen und man kann es nur als eine weitere These in den Raum stellen. Aber wir spüren noch ihre einfach gestrickte Mentalität und dürfen es sicherlich in Betracht ziehen. Natürlich sind dies Überlegungen, die in der Forschung selten aufgegriffen werden. Denn sie sind der Wissenschaft in der Regel fremd, da sie die Archäologie zu sehr vermenschlichen würden und was in Stilblüten enden könnte. Denn unser eigenes Verhalten entzieht sich unserem menschlichen Vorstellungsvermögen. Wir wissen da bekanntlich selbst am Besten was gemeint ist. Und es verträgt sich daher naturgemäß nicht gut mit mikroskopischen Untersuchungen, Spektralanalysen oder der Radiokarbondatierung von Bodenfunden. Viele Legionäre starben, blieben völlig unversehrt, aber viele wurden nur verletzt waren aber nicht mehr geh- oder transportfähig. Auch diese Dinge galt es also immer zu bewerten, wenn man sich mit der Schlachtfeldforschung auseinandersetzen will. Die Glasaugen von Kalkriese wären somit für den „Helden“ das einzig Greifbare einem Rettungsanker gleich, das ein leicht oder schwer verletzter Legionäre möglicherweise bis zuletzt mit seinen Händen umklammern konnte und ihm vielleicht auch in seiner letzten Stunde Kraft verlieh. Man sollte es nicht außer acht lassen, denn für so manchen Legionär wurde die Trage auch zur Totenbahre und da wollte man sich doch, zumal in heidnischen Zeiten bis zum letzten Atemzug auch vor dem Aberglauben sicher fühlen. Das Glasauge gegen den bösen Blick der Geister oder der falschen Götter, man konnte ja nicht wissen von woher die Gefahr drohte und wollte es nahe bei sich haben. Doch warum hätten sie sich dafür an einer Scherbe bedienen sollen. Ein gegenständliches Bezugsteil in Form eines Auges könnte schon ausgereicht haben um darin höhere Kräfte sehen zu wollen. Ein Auge, dass sich ursprünglich an anderer Stelle befand, was aber unserer Phantasie breiten Raum gibt. Letztlich aber mussten die verletzten und vielleicht auch die toten Legionäre von Kalkriese an den Rhein transportiert werden, sodass man wohl davon ausgehen kann, dass dies der vereinfachenden Umstände wegen auf dem Wasserweg erfolgte. Sterbliche Überreste von Legionären aus reichen Familien denen letztlich das Glasauge auch nicht mehr helfen konnte, könnte man möglicherweise auf Betreiben von Angehörigen auch in Italien in einer Familiengruft bestattet sehen wollen. Eine in der Tat vage aber doch noch denkbare Theorie, die zum damaligen Zeitgeist passte, die aber nicht vom Gedanken an die Tischgeschirr Hypothese ablenken soll. Aber eine weitere Überlegung, die auch die Theorie eines Gefangenenaustausches nicht erschüttern würde. Aber auch eine Hypothese die erkennen lässt, wie weit man sich auf dieser Basis bereits von der Überlegung entfernt hat oder sich verabschieden kann, in Kalkriese müsse ein Varus seine Finger im Spiel gehabt haben. Und der Möglichkeit, dass es sich bei den Glasaugen auch um die Dinge des Alltags gehandelt haben könnte, möchte ich mich im nächsten Abschnitt widmen. (18.02.2020)

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