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Sonntag, 17. Dezember 2023
Wo siedelten die Cherusker - Eine Kernfrage der Varusschlachtforschung - Sie lässt sich beantworten.
ulrich leyhe, 11:41h
Das die Cherusker nicht erst seit der Varusschlacht für Rom ein unberechenbarer Stamm waren und man ihr Verhältnis zueinander nicht partnerschaftlich bezeichnen kann lehrten uns schon die antiken Schriftsteller. Und da man der einhelligen Auffassung ist, dass sich ihre Siedlungsgebiete entlang der Mittelweser erstreckten stellt dies heutzutage auch kein Historiker mehr in Frage. Nach wie vor unklar ist jedoch wie weit sich ihre Stammesgebiete in die Breite und die Länge gezogen haben. Das der Harz für sie eine natürliche Barriere nach Osten bildete klingt plausibel, aber wo schlossen sich die Wohngebiete der Langobarden und Fosen im Nordosten an, wo grenzte man sich im Westen zu den Angrivariern, Brukterern, Marsern, Sugambrern oder Sueben ab und ab wann machte sich der Einfluss der Chatten bemerkbar. Und das, dass Eggegebirge nach Westen und die Dialektgrenze der Diemel nach Süden ebenfalls geographische Landschaftsmarken bildeten die sich auch als Abgrenzungen für die Stämme untereinander eigneten liegt nahe, aber wie stand es um das Verbreitungsgebiet der Cherusker nach Norden. Im Imperium hatte man sich aus taktischen Gründen das Land der Cherusker nicht nur zum Ziel gesetzt, sondern auch setzen müssen da es sich wie ein Riegel verhielt, der ihnen den weiteren Weg über die Nordostroute zur Elbe verstellte. Es unter ihre politische Macht zu bekommen um es als Sprungbrett und Durchzugsgebiet zu nutzen gilt daher in der Forschung als ausgemacht. Da durch die erfolgreichen Schlachten der Vergangenheit die Cherusker als besiegt galten, bestand für Rom in dieser Region keine unmittelbare Kriegsgefahr mehr, sodass sich Varus auf Weisung des Kaisers anschicken konnte die Grenze des Imperiums nach Osten zu verschieben. Die ihm vorgegebene Direktive bestand darin politische Ruhe also möglichst Frieden in die Region zu bringen und dies auf Basis eines Vertrages zu stabilisieren. Das dahinter nicht die Absicht stand mit den Cheruskern auf Augenhöhe verhandeln zu wollen, ließ sich der Geschichtsschreibung mehrfach entnehmen. Ohne die bewährten strategischen Vorkehrungen zu vernachlässigen setzte Varus die Legionäre als Bausoldaten ein wodurch erkennbar wurde, dass für ihn der kämpferisch militärische Aspekt in den Hintergrund trat. Er tat gut daran zumal man in Marbod eine latente Gefahr sehen musste und zur gleichen Zeit zahlreiche römische Legionen in Pannonien im Krieg standen. Wollte man den Auftrag auf friedliche Weise umsetzen. war man auf eine gute Zusammenarbeit mit den Cheruskern und ihren Kriegern angewiesen und vertraute ihnen bis zum bitteren Ende. Es fanden die nötigen Baumaßnahmen statt wie man sie heute noch anhand von Infrarot Luftaufnahmen erkennen kann und wie sie in Form von Erdwällen- und Pflasterarbeiten immer noch oberirdisch im Gelände sichtbar sind. Römische Bautrupps die im Zuge der Eggeüberquerung den Wegeausbau durchführten der auch unter Varus statt gefunden haben könnte. Zeitgemäße infrastrukturelle Projekte aller Art wie es überliefert ist, die sowohl militärischen und gleichzeitig auch zivilen Zwecken zu dienen hatten. Trotzdem gilt unter Skeptikern die Frage als unbeantwortet ob Varus über den „westfälischen Hellweg“ aus Paderborn kommend einmarschierte oder über einen anderen Weg ins Stammesgebiet der Cherusker eindrang um es zu provinzialisieren. War der Hellweg tonangebend dann breiteten sich spätestens an seinem östlichen Endpunkt in Corvey vor ihnen die cheruskischen Siedlungen aus, man erreichte dort den Kern ihrer Wohngebiete und stand vielleicht schon fasst in deren Zentrum, zumindest aber im Grenzgebiet zu ihnen. Dabei denkt man in erster Linie an den Fürstensitz der Segimersippe unter denen man sich auch die Wälsungen vorstellen könnte, um sich der besseren Kontrolle wegen in deren Nähe nieder zu lassen. Aber was kann uns die Forschung dazu bisher an Anhaltspunkten liefern. So wäre es wünschenswert wenn zur Verbesserung der Beweislage dieser Theorie gute Argumente hinzu kommen. Und obwohl es seit längerer Zeit eine Möglichkeit gibt den Siedlungsraum zu identifizieren und einzugrenzen findet man den Namen dieses Stammes bislang in allen modernen, aber auch älteren Kartenwerken immer nur großformatig quer über einen weitläufigen und nicht näher definierten geographischen Raum eingetragen. Dies geschah sowohl aus Uneinigkeit als auch aus Unwissenheit, da man es sich aufgrund mangelnden Wissensstandes nicht zutraute ihn im Detail festlegen zu wollen. Eine Chance über dieses Volk einen abgrenzenden Rahmen zu legen und ihm eine Kontur zu geben scheint jedoch möglich zu sein, wenn man die Grabungsarchäologie mit einbezieht und an die einfachen Dinge des Alltags denkt. Gegenstände die man damals als Grabbeigaben verwendete oder die im Bereich häuslicher Ansiedlungen in den Boden gelangten. Gemeint sind die in traditionell unterschiedlicher Ausprägung und Formgebung produzierten keramischen Töpferwaren. Ihnen lassen sich unterschiedliche Herstellungsmethoden entnehmen wodurch sich auch die germanischen Völker bzw. Stämme untereinander unterscheidbar machen. Der 1908 geborene Prähistoriker und Professor für Vor – und Frühgeschichte Rafael von Uslar schlug diesen Weg ein. Er war vorsichtig riskierte es aber trotzdem Wesentliches zur Lokalisierung beizutragen, in dem er anhand von Keramikfunden eine Region isolierte und sich für die darin siedelnden Germanen für die Bezeichnung „Südhannoversche/Cheruskische Gruppe“ entschied. Sie erstreckte sich ab Hannover südwärts bis ins Leinetal nahe Göttingen, reichte ins Harzvorland und setzte sich teilweise auf dem westlichen Weserufer fort. In den Randbereichen insbesondere was den Betrachtungsraum westlich der cheruskischen Stammlande anbelangt fasst er die Stilrichtung der Gefäßarten als „rheinisch/westfälische Gruppe“ zusammen. So lässt sich umgelegt auf die germanischen Stammesgebiete schlussfolgern, dass sich die in diesen Regionen nachgewiesenen Topfformen den Angrivariern, Brukterern, Marsern, Sugambrern oder Sueben zuordnen lassen, während im Süden die chattische Formengruppe erkennbar wird. Der eingefügten Karte lässt sich auf Basis der Funde entnehmen, dass sich das Kerngebiet der Cherusker wie von Uslar feststellte im wesentlichen östlich der Weser erstreckte. Westlich davon dominierte die Gruppe die er die Rheinisch/westfälische nennt und in der die cheruskische Keramik nur noch lückig in den Randgebieten feststellbar ist. Was anhand der Verbreitungskarte ins Auge fällt ist, dass im Bereich um die Porta Westfalica einschließlich Minden keine Cherusker mehr siedelten. Ihre Spuren werden bereits östlich der Porta immer schwächer und lassen sich dann im unmittelbaren Raum um den Weserdurchbruch gar nicht mehr nachweisen. Es ist jene Landschaft die die Forschung für die Stammesgebiete der Angrivarier hält und wo man den Angrivarierdamm vermutet in der sich die cheruskische Bodenfunde kontinuierlich ausdünnten bis sie gar nicht mehr feststellbar waren. Wenn auch nur lückig so konnten cheruskische Erzeugnisse leicht westlich der Weser auch noch etwa zwischen Steinbergen und Emmerthal aufgefunden werden. Im Betrachtungsraum des Nethegau griff der cheruskische Gefäßanteil ebenfalls nur noch marginal über die Weser, sodass er sich nur im östlichen Nethegau bemerkbar machte. Im Norden hingegen scheint es der Höhenrücken des Deister gewesen zu sein, der das Cheruskerland nach Westen abgrenzte da er sich wie eine natürliche Grenze in Nordsüdrichtung erstreckte. Östlich davon erstreckte sich das cheruskische Kerngebiet während sich westlich des Deister auf Basis der Funde ein Mischgebiet erkennen lässt, in dem cheruskische Töpferwaren nur noch in geringerer Dichte nachweisbar waren um dann wie an der Porta erkennbar völlig zu verschwinden. Möchte man in die römischen Strategiepläne eintauchen, dann hätte Varus unter Nutzung der Hellweg Route das Kerngebiet der Cherusker in seiner Gänze direkt im Visier gehabt, da er es mittig vor sich liegen hatte. Es ließ sich über Höxter ansteuern womit er den ersten größeren cheruskischen Vorposten erreichte hätte, hinter dem sich das Cheruskerland begann in voller Breite auszudehnen. Theorien wonach sich das römische Hauptlager nicht im Weserborgen von Corvey sondern zwischen Hameln und Minden befunden haben könnte würde bedeuten, dass sich Varus ab dem Lippeoberlauf an der westlichen Flanke des cheruskischen Stammesgebietes nach Norden vorgearbeitet hätte und damit den umfänglichen Südteil des cheruskischen Stammesgebietes im Rücken gehabt hätte. Ein gesundes Misstrauen sollte Varus davon abgehalten haben denn er hätte falls sich die Cherusker wieder als feindselig erweisen sollten die Gefahr darin sehen können, dass sie ihm im ungünstigen Fall den Rückweg zur Lippe abgeschnitten hätten. Jede nach Norden ausgreifende Aktion seinerseits hätte für ihn einen langen Rückweg zur Folge gehabt, sodass ihm eine Entscheidung in Hellwegnähe zu bleiben als die ratsamere erschienen sein dürfte. Diverse historische Arbeitsgruppen tragen sich noch mit dem Gedanken die Varusschlacht könnte sich sogar nördlich von Osnabrück zugetragen haben. Dabei verkennen sie zweifellos die erhebliche Marschdistanz die zwischen dem cheruskischen Hauptsiedlungsgebiet das aus östlicher Sicht betrachtet am Deister endete und bis zum Kalkrieser Berg rund 90 km beträgt. Schwer vorstellbar, dass die Krieger der Cherusker über diese Entfernung durch Angrivarier - und auch Chasuarierland Tuchfühlung mit den Varuslegionen gehalten haben sollen bis man sie dann im Schlund von Kalkriese in den Hinterhalt gelockt haben soll um sie dort aufzureiben. Zurück in den Nethegau könnte man auf Basis dieser Herangehensweise zu der Auffassung gelangen, dass er den Funden nach zu urteilen in den ersten drei Jahrhunderten nach der Zeitenwende von Stämmen besiedelt war, die zu weiten Teilen dem rheinisch/westfälischen Typus zuzurechnen ist. Das würde aber auch bedeuten, dass man die Angrivarier der Topfform nach zu urteilen den Rhein – und nicht den Wesergermanen zuzuordnen hätte. Es würde aber auch deutlich machen, dass Marser, Sugambrer, Brukterer und vielleicht auch Sueben dem Stil nach noch als Rheingermanen zu bezeichnen wären, sich also von den cheruskischen Wesergermanen unterscheiden würden. Dies würde dann in die Überlegung münden, mit welchen Stämmen sich Arminius abzusprechen hatte als er, sein Vater und die anderen Fürsten sich entschieden dieser Theorie zufolge Varus in den Kessel bei Borlinghausen zu locken. So könnte man den Eindruck gewinnen, als dass die Nische des Nethegau zwischen Egge und Weser, in der die Cherusker nur den östlichen Teil nahe dem Weserufer besiedelt hatten und die Brukterer nicht sesshaft waren, da ihr Siedlungsgebiet auf dem Eggekamm am östlichen Ende der Münsterländer Bucht endete von jenen Stämmen genutzt bzw. besiedelt wurde die einst Tiberius nach Osten abgedrängt hatte. Der Fundhorizont der zur Auswertung zur Verfügung stand erstreckte sich über die ersten 3oo Jahre nach der Zeitenwende in der es zu Umsiedlungen und Verschiebungen innerhalb der Stammesgesellschaften gekommen sein dürfte, so dass der Anteil der cheruskischen Bevölkerung im Nethegau um das Jahr Null auch noch höher gelegen haben dürfte, als in der Folgezeit in der die Cherusker bekanntlich an Einfluss verloren hatten.
Teilausschnitt der Karte von Rafael von Uslar.
Die starken Schraffuren kennzeichnen die Kerngebiete die schwachen Linien die Einflusszonen. Deutlich erkennbar der Stil der rheingermanischen Topfform westlich und östlich der Porta die ihren Namen "West"falica folglich zu Recht trägt.
Rot gekennzeichnet:
Das Hauptsiedlungsgebiet der Cherusker (Fundregion der cheruskisch/südhannoverschen Topfform)
Gelb gekennzeichnet:
Die Übergangsregion ein Mischgebiet der Topfformen sowohl von Rhein - als auch Wesergermanen
Grün gekennzeichnet:
Die Wohngebiete von Rheingermanen wie sie in den ersten 3. Jhdt. nach Osten ihre Siedlungstätigkeit ausgedehnt haben könnten.
Blau gekennzeichnet:
Die südlich angrenzende chattische Topfform
Auch dank Rafael von Uslar der über die Keramikverteilung etwas Klarheit in die Zusammensetzung der damaligen Bevölkerungsschichten und ihrer Siedlungsgebiete brachte, lassen sich weitere Indizien zusammen ziehen, die diese Gesamttheorie stützen. Abgeschlagen am Nordwestende cheruskischer Siedlungstätigkeit und demnach schon im Angrivarierland liegend, erscheint auf dieser Basis auch die Theorie eines varianisches Sommerlager in der Nähe von Minden als fragwürdig. Da der Hellweg nicht erst seit Menschengedenken begangen wird konnte sich die römische Militärstrategie auch anhand der Verfügbarkeit ältester Straßensysteme orientieren und man könnte ihn ab der Egge auch die Bezeichnung „Cheruskerspieß“geben.(17.12.2023)
Teilausschnitt der Karte von Rafael von Uslar.
Die starken Schraffuren kennzeichnen die Kerngebiete die schwachen Linien die Einflusszonen. Deutlich erkennbar der Stil der rheingermanischen Topfform westlich und östlich der Porta die ihren Namen "West"falica folglich zu Recht trägt.
Rot gekennzeichnet:
Das Hauptsiedlungsgebiet der Cherusker (Fundregion der cheruskisch/südhannoverschen Topfform)
Gelb gekennzeichnet:
Die Übergangsregion ein Mischgebiet der Topfformen sowohl von Rhein - als auch Wesergermanen
Grün gekennzeichnet:
Die Wohngebiete von Rheingermanen wie sie in den ersten 3. Jhdt. nach Osten ihre Siedlungstätigkeit ausgedehnt haben könnten.
Blau gekennzeichnet:
Die südlich angrenzende chattische Topfform
Auch dank Rafael von Uslar der über die Keramikverteilung etwas Klarheit in die Zusammensetzung der damaligen Bevölkerungsschichten und ihrer Siedlungsgebiete brachte, lassen sich weitere Indizien zusammen ziehen, die diese Gesamttheorie stützen. Abgeschlagen am Nordwestende cheruskischer Siedlungstätigkeit und demnach schon im Angrivarierland liegend, erscheint auf dieser Basis auch die Theorie eines varianisches Sommerlager in der Nähe von Minden als fragwürdig. Da der Hellweg nicht erst seit Menschengedenken begangen wird konnte sich die römische Militärstrategie auch anhand der Verfügbarkeit ältester Straßensysteme orientieren und man könnte ihn ab der Egge auch die Bezeichnung „Cheruskerspieß“geben.(17.12.2023)
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Samstag, 2. Dezember 2023
Schon ab dem Mittelalter wollte man wissen wo Varus starb.
ulrich leyhe, 15:18h
Es lässt sich auch in einer einfachen Frage zusammen fassen, wer wusste wann, was und wieviel von der Varusschlacht. Was wir heute wissen ist, dass seit dem frühen Mittelalter die Klöster die geistigen Zentren der Gelehrsamkeit waren, während die weltliche Macht im “Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“ erst 1348 nach zog und in Prag die erste Universität gründete. So verwundert es auch nicht, dass es mit Otto von Freising nur ein frommer Mann gewesen sein konnte der 1145 erstmals wieder die Tür zum einstigen Geschehen um die Varusschlacht einen Spalt breit öffnete. Was zunächst erstaunt ist die Tatsache, dass dies zu Zeiten der Kreuzzüge geschah und damit 363 Jahre bevor man 1507/8 die Schriften des Tacitus wieder entdeckte. Dem Mann mit dem man die Varusschlacht in erster Linie in Verbindung bringt. Die gebräuchliche Formulierung „wieder entdeckte“ erweckt den Eindruck, als ob die Entdecker die Schriften unter hohen Stapeln anderer verstaubter Büchern fanden, die erst alle gelesen sein wollten, bevor man darunter nach langem Suchen auf das bedeutsame Tacitus Werk stieß. So als ob in Corvey zuvor niemand etwas von der Existenz dieses Buches gewusst hätte. Und doch könnten in der Abtei eine Reihe Personen den Inhalt und den Ablageort gekannt und die italienischen Bücherfanatiker darauf aufmerksam gemacht haben, die erst daraufhin die Schriften „wieder entdecken“ konnten. Aus den Tacitus Annalen geht zwar nichts zum Verlauf der Schlacht hervor so wie bei Cassius Dio, dafür enthalten aber nur sie die bedeutsamen Informationen zum Schlachtort. Wissen, das auch schon vor dem Jahr 1507/8 Verbreitung gefunden haben dürfte. Hinweise die es auch möglich erscheinen lassen, wonach auch schon Otto von Freising im 12. Jhdt. über diese inhaltlichen Kenntnisse verfügt haben könnte, um sie in seiner "Chronica sive Historia de duabus civitatibus" zu verarbeiten. Und dabei handelte es sich explizit um die Beschreibung wie man einst im Beisein von Germanicus 15 + die Knochen der Varusarmee bestattet hatte und was außer Tacitus kein anderer antiker Historiker erwähnte. Da sich Otto auch den antiken heidnischen Schriften von Aristoteles widmete spricht dafür, dass ihn religiöse Hemmungen nicht daran hinderten seinen Wissensstand zu erweitern. Vor allem stützte er sich bei der von ihm verfassten Weltchronik auf den 130 + verstorbenen Gaius Suetonius Tranquillus (Sueton). Seine Schriften über die Varusschlacht waren es die im Gegensatz zu den Tacitus Annalen über die Jahrhunderte durchgängig zur Verfügung standen. Sie wurden daher für viele Kopisten zur Grundlage und von ihnen verbreitet, so dass sich seine Aussagen im Kern bis ins Mittelalter verfolgen lassen. Anders verhielt es sich bei den Tacitus Annalen die uns nach ihrer für Corvey bestimmten Abschrift im 9. Jhdt. bis zur Wiederentdeckung 1507/8 wie verschluckt erscheinen. So lässt sich neben Tacitus und anderen antiken Historikern auch in Sueton ein früher Gewährsmann für das Schlachtenereignis erkennen. Ein Historiker der zwar anders als Tacitus nichts zum Austragungsort beisteuern konnte, der aber andere Details über die Varusschlacht zu Papier brachte aus denen man schon zu Zeiten Ottos von Freising schöpfen konnte. Otto von Freising wusste daher aus dem Sueton Kapitel 23.2 über Divus Augustus unter anderem vom berühmten Aufschrei „Quintili Vare, legiones redde!" aus dem Munde des Kaisers, also in etwa „Quinitilus Varus, bring mir die Legionen zurück!“. der dabei mehrmals seinen Kopf gegen die Wand geschlagen haben soll. Von Suetonius erfuhren wir über die Schlacht nicht viel und es ist lediglich diese Überlieferung in der Übersetzung bekannt: „Augustus erlitt nur zwei schwere und schändliche Niederlagen, die von Lollius und Varus, die beide in Deutschland statt fanden. Von diesen war der erstere mehr demütigend als Ernsthaft, aber der letztere war fast tödlich, da drei Legionen mitsamt ihrem General, seinen Leutnants und allen Hilfstruppen in Stücke gerissen wurden. Als die Nachricht davon kam, befahl Augustus Nachtwachen in der ganzen Stadt, um einen Gewaltausbruch zu verhindern, und verlängerte die Amtszeit der Gouverneure in den Provinzen, damit die Verbündeten von erfahrenen Männern, mit denen sie zusammen waren, an ihre Treuepflicht angehalten waren. Er gelobte auch Jupiter Optimus Maximus große Spiele, damit sich der Zustand des Reiches wieder verbessern konnte. So wie man es auch nach den Kimbern Kriegen tat. Er soll sogar mehrere Monate hintereinander weder seinen Bart noch sein Haar geschnitten haben. Und er feierte den Tag der Katastrophe jedes Jahr als einen Tag der Trauer“. Zusammenfassend kann man sagen, dass Otto von Freising die Episode der Knochenbestattung nur von Tacitus erfahren haben konnte und ihm von Sueton das zuvor angeführte bekannt war. Otto seit 1138 Bischof von Freising war ein an der Geschichte interessierter Vertreter aus höchsten kirchlichen Kreisen und verunsicherte bzw. stellte aus heutiger Sicht die Varusforschung aufgrund seiner Verortungstheorie sie im Raum Augsburg zu suchen auf den Kopf. Aber zunächst fragt man sich welchen Quellenzugriff er auf die Tacitus Schriften gehabt haben könnte und des Weiteren wie er auf dieser Basis zu der Annahme gelangen konnte, wonach sich seine Schlachtentheorie geographisch nicht mit den Tacitus Annalen in Verbindung bringen lässt. Man kann daher den Eindruck gewinnen, als hätten ihm nur Bruchstücke der Annalen zur Verfügung gestanden die er in seine Weltchronik übernahm. Sein 1145 verfasstes Werk "Chronica sive Historia de duabus civitatibus" in der erste Bestrebungen erkennbar werden älteste Ereignisse aufgreifen zu wollen um für sie Erklärungen zu finden, veröffentlichte er lange vor dem Beginn einer als Renaissance bezeichneten Epoche. So gehörte die Varusschlacht eindeutig schon damals zu den Marksteinen deutscher Geschichte und verdeutlicht, dass diese eine Schlacht zwischen dem römischen Imperium und jenen Völkern die damals auf später deutschen Boden lebten, die Jahrhunderte über in den Köpfen der Menschen lebendig geblieben ist. So begann sich erst im Mittelalter der Blick auf die Zeugnisse römischer Vergangenheit zu verändern und es wuchs das Interesse daran der Antike neue Erklärungen abzuringen und die Varusschlacht war 1145 immer noch so allgegenwärtig, dass man sich mit der Frage beschäftigte, was einst passierte und vor allem wo sie denn statt gefunden haben könnte. Otto von Freising traf mit seiner Weltchronik den Zeitgeist und eine Schlacht in der allein auf römischer Seite drei Legionen ihr Leben verloren hatten, wird nicht nur auf ihn faszinierend gewirkt haben. So darf man die Behauptung wagen, dass die Suche nach dem Varusschlachtfeld mit der sich die Mönche in der Spätantike des 9. Jhdt. in Corvey schon befasst haben dürften einen nahtlosen Fortgang nahm. Mehr über die Varusschlacht erfahren zu wollen und damit der Wunsch auch den Austragungsort zu kennen beflügelte demnach schon den Menschen seit dem bekannt wurde, dass es etwas Derartiges einst gegeben hatte. Aber nur aus den Schriften von Tacitus die im 9. Jhdt. als Abschrift nach Corvey gelangten ließen sich schriftliche Rückschlüsse auf das Ereignis ziehen die eine Lokalisierung ermöglichen, wenn es nicht die Einheimischen immer schon oder immer noch wussten. Und denkt der Historiker an die Örtlichkeit so sind immer nur die Hinweise von Tacitus gemeint, wo man nämlich die Knochen der Varusarmee hügelartig aufschichtete, so wie es Germanicus 15 + anordnete als auch die von ihm erwähnte Existenz eines „prima Vari castra“, aber in erster Linie ist die wesentliche Information, wonach sich Germanicus von den Flussoberläufen von Ems und Lippe dem „Teutoburgiensi saltu“ näherte und wo sich unweit davon der Knochenhügel auftürmte. Aber Otto von Freising der Varus übrigens "Verres" nannte ging in seiner Weltenchronik was die Ortsbezogenheit anbelangt einzig auf diese Bestattung ein, äußerste sich aber zu unser Verwunderung nicht zu den weiteren Hinweisen von Tacitus die Rückschlüsse auf den Austragungsort zulassen. Daran ließe sich erkennen, dass er den Inhalt der Annalen wenn er sie nicht selbst gelesen hatte, so aber in Bruchstücken gekannt haben musste. Da es ausgeprägte Verbindungen zwischen den Klöstern, Abteien und Bischofssitzen gab, könnte das frühe Wissen über das die Abteien in Fulda und Corvey und vielleicht auch in Hersfeld verfügten und das einst seinen Ursprung im Kloster Monte Cassino hatte, in späterer Zeit auch seinen Weg nach Freising oder Augsburg gefunden haben. Und da in den bedeutsamen Klöstern über das gesamte Mittelalter hinweg das Vervielfältigen von Büchern zum Tagesgeschäft gehörte wozu auch die Annalen zählten lässt sich schließen, dass die im 9. Jhdt. in Fulda für Corvey kopierten Schriften des Tacitus vielerorts zugänglich waren. Zudem wird man auch an manchen Höfen nicht nur davon gehört, oder darin gelesen haben, sondern sich auch mit ihrem Inhalt auseinander gesetzt und ihn diskutiert haben. Bekanntlich stand Otto von Freising mit zahlreichen Personen auch unter dem damaligen Hochadel wie etwa Friedrich Barbarossa in verwandtschaftlichem Verhältnis, sodass man es auch in diese Kreise hinein kommuniziert haben dürfte. So könnte Otto auch auf diesem Weg an die Information aus den Tacitus Annalen gekommen sein. Man sollte demnach von dem Gedanken Abstand nehmen die Tacitus Annalen hätten unentdeckt und irgendwo verborgen in den Gewölben Abtei Corvey gelegen, wo sie wenn überhaupt nur wenigen Klosterinsassen bekannt oder zugänglich waren. In den etwa dreihundert Jahren die zwischen dem Kopieren der Annalen und der Veröffentlichung in der Weltchronik von Otto von Freising lagen konnte sich ihr Inhalt ob von Fulda oder Corvey ausgehend bereits verbreiten und das schon bevor sie erst rund 360 Jahre später im Jahre 1507/8 in Corvey „wieder entdeckt“ wurden. Genauso wie man rätseln kann was bei Otto den Gedankenanstoß ausgelöst haben könnte sich ausgerechnet mit der Varusschlacht zu beschäftigen, könnte man sich auch darin vertiefen, warum Otto nur den Inhalt aus Tacitus Buch 1 Kapitel 62 (1) zitierte in dem Tacitus auf die Bestattung einging und vom Buch 1 Kapitel 6o nichts erwähnte in dem Tacitus eine Beschreibung hinterließ wonach sich Germanicus von den Flussoberläufen von Ems und Lippe dem „Teutoburgiensi saltu“ näherte wo man dann den Knochenhügel auftürmte. Da Otto vielleicht nur Teile davon kannte fehlte ihm auch zwangläufig die Erkenntnis, wonach man die Varusschlacht in Ostwestfalen suchen sollte und nicht in der Nähe von Augsburg. Er berief sich in seiner Darstellung auf Ortsansässige die, wie er schrieb noch bis heute den Ort zeigen können, wo man die Knochen der getöteten Legionäre bestattet hatte, stellte es als Dorfgespräch dar und schlussfolgerte daraus, dass die Varusschlacht in der Nähe von Augsburg statt gefunden haben muss. Selbst wenn man den Verdacht haben könnte, dass die Augsburger die 955 statt gefundene Schlacht auf dem Lechfeld mit der Varusschlacht verwechselten, so bleibt es doch bei der Eindeutigkeit, dass Otto von Freising von Varus, aber nicht von Otto dem Großen sprach. So schreibt Otto in seiner "Chronica sive Historia de duabus civitatibus" weiter, dass die Augsburger als Bestätigung für die Niederlage auf einen Hügel verweisen, der sich bis heute volkssprachlich „Perleich“ nennt. Es klingt sogar der Verdacht daraus, dass Otto es nicht selbst war, der über das Wissen zur Knochenbestattung verfügte, sondern es letztlich die Dorfbewohner waren, die Kenntnis von der Varusschlacht besaßen bzw. die es noch im Volksgedächtnis aufbewahrt hatten. Ob es nun Otto von Freising selbst wusste oder er es dem Volksmund entnahm, bleibt vor der Geschichte gleich, vielleicht wollte er aber auch verbergen, dass er sich als frommer Mann in gehobener Position getraute Eigenrecherche zu betreiben. Erstaunlich ist, dass uns dieser Sachverhalt überhaupt erhalten blieb und sich daraus erst die diversen Schlussfolgerungen ziehen lassen. Vor allem aber ist es die Tragweite dieses Ereignisses aus dem Jahre 9 + , die die Gemüter noch sehr lange, also rund 1100 Jahre später immer noch berührte. Vor diesem Hintergrund taucht die Frage auf, wie intensiv man sich noch in den Jahrhunderten davor mit der Varusschlacht befasst haben mag und dabei fällt natürlich sofort der Blick auf Einhard den Biographen von Karl dem Großen der sich wie man weiß, ebenfalls sehr intensiv mit Sueton beschäftigt hatte. Sollten es also tatsächlich die Dorfbewohner gewesen sein, die etwas von der Varusschlacht wussten, es also schon die Spatzen vom Dach pfiffen dann dürfte also noch sehr vieles im Sagengut und Volkmundartigem gesteckt haben, das nie zu Papier gebracht wurde. Als sich Otto von Freising zu seiner Zeit auf Basis der Sueton Überlieferung und mit dem Wissen aus den Tacitus Annalen mit der Varusschlacht beschäftigte dachte noch niemand an das, was noch in späteren Jahrhunderten an Wissenswertem über sie ans Tageslicht kommen sollte. So etwa die Erkenntnisse die sich erst im Zuge des Zusammenführens der diversen Fragmente der Schriften von Cassius Dio verbreiteten oder die Paterculus Überlieferung, auf die man erst 1515 stieß. Und während man im vorausgehenden Mittelalter im hohen Norden an den Mythen der Drachensage schmiedete um sich das alte Ereignis auf ihre Weise erklärbar zu machen, sah man es im Reich der Staufer schon realistischer und trennte bereits Sage von Historie. Denn auch dank Sueton wusste man in den höheren Bildungsschichten schon mehr. Trotzdem wird man sich an den wundersamen und unterhaltsamen Geschichten über Siegfried den Drachentöter ergötzt aber das Kuriose mit neuerem Wissenstand abgeglichen haben. Dieser Theorie folgend gab es im germanischen Kernland keine Sagen von drachentötenden Helden, sodass es erst die nordische Sagenwelt war die auf das Inlandsgeschehen Einfluss nahm und die Welt des Mittelalters damit konfrontierte. Vielleicht besser gesagt irritierte dies die Menschen im Mittelalter und der Verdacht wurde geweckt, dass die Sage in ausgeschmückter Form die einstige Realität wieder gab. Beispielgebend dafür könnte der isländische Mönch Nikulas Bergsson gewesen sein, der während seiner Pilgerreise zwischen um 1151 zeitgleich zu Ottos Weltchronik die Drachentötung ins Spiel brachte und damit förmlich in den Zeitgeist hinein platzte. Und nicht nur das, denn aus seinem Bericht geht zu allem Überfluss auch noch die Lage hervor, wo sich diese Tat einst ereignete. Den Verfasser wundert es nicht, dass es sich danach nur „einen Steinwurf“ weg von der Region zutrug, wo sich Varus dieser Theorie zufolge an der Eggekante ins Schwert stürzte. Eine nicht unerwartete Übereinstimmung der Geschehnisse wie man sie aber erwarten konnte, wenn man sich auf die Vortigern Theorie stützt, wonach es einst die Söldner aus Ostwestfalen waren, die ihr heimisches Wissen in Südengland verbreiteten von wo aus es dann seinen mythologischen Siegeszug nach Norden antrat. Außer Otto von Freising ist kein mittelalterlicher Geschichtsforscher aufgefallen, der zwar schriftliches zur Varusschlacht hinterließ den aber der historische Kompass fehl leitete. Und wir kennen aus dieser Epoche auch keinen Historiker der Tacitus zitierte bzw. den „Teutoburgiensi saltu“ erwähnte. So müssen Bemühungen scheitern einzig auf Basis Ottos von Freising neue Örtlichkeitstheorien schmieden zu können. Tacitus berichtete, dass die Germanen Arminius noch lange in ihren Liedern besangen aber noch länger könnten sie gewusst haben, wo man einst die Knochen der Legionen verscharrt hatte. Wenn auch der Verdacht im Raum steht, dass die Corveyer Mönche den Ort der Schlacht früher wussten, so steht doch Otto von Freising das Privileg zu der Erste gewesen zu sein, der die Suche nach dem Varusschlachtfeld aufnahm und es schriftlich dokumentierte (02.12.2023)
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Dienstag, 21. November 2023
Den Standort der Irminsul kannten die Corveyer Mönche - Was wussten sie von der Varusschlacht.
ulrich leyhe, 11:14h
Während sich für die Mönche die Frage nach dem Standort der Irminsul wohl erübrigte da dieser, wenn auch nur unter der Hand, ihnen immer noch bekannt gewesen sein dürfte, kann man in der Theorie davon ausgehen, dass sie auch über Kenntnisse zur Varusschlacht verfügt haben dürften. Ob dies auch Wissen über den Verlauf und die Zugstrecke der Mehrtagesschlacht mit einschließt ist eher von hypothetischer Bedeutung. Das es sie aber einst gab wussten sie aus den weit verbreiteten Schriften des Suetonius aus denen hervor geht, dass Rom die Germanen schon über die Elbe getrieben hatte, dann aber durch die Vernichtung von drei Legionen samt ihrem Feldherrn Varus das Imperium ins Wanken geriet. Und was ihre geographischen Kenntnisse zur Örtlichkeit anbelangt, so könnten sie diese den ihnen vorliegenden Tacitus Annalen entnommen haben, aus denen der Hauptaustragungsort der Schlacht am „Teutoburgiensi saltu“ hervor geht. Auf Basis einer Fülle von Indizien die in diesem Blog zusammen getragen wurden ließ sich nicht nur der Varuszug bis zum Untergang der Legionen nachstellen, sondern auch die Theorie aufstellen, dass die Schlacht im Umfeld von Borlinghausen geendet haben könnte wo sich sowohl eine große Teutoburg, als auch eine der wenigen Eggepassagen befand. Unerwartete Hinweise führten im Zuge der Recherche zu der Erkenntnis, dass sich dort nahezu Parzellen scharf auch die Gedenkstätte für Arminius lokalisieren lässt, die von den Bewohnern Irminsul genannt wurde. Und die Corveyer Mönche wussten wie man annehmen darf auch deswegen noch gut wo sie einst stand, da ihnen als den Insassen der christlichen Bastion an der Weser die Wächterfunktion oblag strengstens darauf zu achten, dass dieser Platz keine Wiedergeburt mehr erfahren durfte. So klingt es vor diesem Hintergrund auch nicht mehr wie aus der Luft gegriffen die Frage aufzuwerfen, ob in der Abtei Corvey wo die Ereignisse um die Zerstörung der Irminsul noch lange nach hallten auch noch mehr von dem bekannt gewesen sein könnte, was wir heute als Varusschlacht bezeichnen. Man sollte sich immer bewusst machen, dass schon vieles vom alten Wissen auf dem Weg in die Neuzeit stecken blieb, obwohl es einst existent war. Schließt man vom Standort der Irminsul zurück auf die Varusschlacht und nimmt ihn als weiteren Anhaltspunkt für die dort stattgefundene Schlacht, dann könnte man in der Abtei Corvey darin auch eine Erklärung für die Bedeutung der dort später errichteten Irminsul gefunden haben, denn beides korrespondiert eng miteinander. Möchte man es nicht völlig der Spekulation überlassen, dann könnten aus Indizien Argumente werden, ob man bereits vor 1100 Jahren unter der Irminsul eine Gedenkstätte für Arminius verstanden haben könnte. Die Mönche des Klosters Corvey hatten über tausend Jahre das Wissen ihrer jeweiligen Zeit zusammen getragen und es wurde nach der Säkularisation in alle Winde verstreut. Ob weltweit oder in den umfänglichen Bibliotheken der Abtei noch Schriftliches, vielleicht auch in Form von Kartenmaterial ans Licht kommt, was sich bislang der Aufarbeitung entziehen konnte bleibt abzuwarten. Zweifellos hatten Vegetation und Zerfallsprozesse im Laufe der Jahrhunderte einen beträchtlichen Anteil daran, dass sich das Gelände des einstigen Standortes der Irminsul bis zur Unkenntlichkeit veränderte. Nach der vermuteten Zerstörung eines ersten von den Franken am gleichen Ort errichteten christlichen Bauwerks durch die Einheimischen, einer möglicherweise einfachen Konstruktion aus Eschenholz ließen sich schon früh keine oberflächlich sichtbaren Strukturen mehr erkennen. So ist es nur wenigen unscheinbaren kartographischen Anhaltspunkten zu verdanken, dass sich die einstige Position der Sul nicht völlig aus der Volkserinnerung verabschieden konnte. Siehe Kapitel „Wo die Irminsul stand - Im Schriftgut der Region verbergen sich Bezüge zu den Ereignissen der Jahre 9 und 772“ vom 27. Januar 2023. Wie man in Corvey mit dem Wissen um die alten Geschehnisse umging, bleibt der Spekulation überlassen, dass man sich aber noch lange mit den Hintergründen der Irminsul beschäftigt hat zeigen die windig zu nennenden Erklärungsversuche Widukinds von Corvey der sich noch im 10. Jahrhundert an der klösterlichen Diskussion beteiligte, besser gesagt abmühte in dem er einen sächsischen Gott mit Namen „Hirmin“ ersann. Offensichtlich verfolgte er das Ziel die alten Ereignisse im Sinne der Mission und getreu der Glaubensauffassung als heidnische Ungedanken zu entlarven. Dies wirft auch die Frage auf ob und inwieweit sich auch Widukind mit den Annalen des Tacitus beschäftigt hat, von denen im 9. Jhdt. eine Urhandschrift nach Corvey gelangte und in denen die Mönche lesen konnten was sich in antiken Zeiten an der Weser und im Umland zutrug. Den Hinterlassenschaften des frommen Widukind lässt sich jedoch entnehmen, dass es ihm nicht in den Sinn kam und ihm Überlegungen fremd waren wonach die Irminsul möglicherweise eine Gedenkstätte für Arminius gewesen sein könnte. Da es schlecht vorstellbar ist, dass ihm die Annalen nicht zugänglich waren oder er sie ignorierte könnte man auch annehmen, dass er obwohl eine Ähnlichkeit zwischen Irmin und Armin augenscheinlich war, er die Namen vermutlich aus religiösen Gründen bewusst nicht miteinander in Verbindung bringen wollte. Demgegenüber hat uns die Geschichte des Rudolf von Fulda der etwa 60 Jahre vor seiner Geburt verstarb ein völlig anderes Bild geliefert. Er war Priester und Leiter der Klosterschule in Fulda, Maler und Dichter vor allem aber Geschichtsschreiber. Er wusste wie vermutlich Widukind von Corvey auch um die historischen Zusammenhänge der Zeit, aber von ihm ist gesichert, dass er sich mit dem antiken Wissen auseinander gesetzt hat, was bei Widukind von Corvey nicht deutlich wird. In der ersten Hälfte des 9. Jhdt. fasste die lateinische Sprache im Zuge der Corveyer Abteigründung nach langer Zeit der Abwesenheit wieder Fuß in Ostwestfalen und verschaffte sie auch auf schriftlichem Weg Gehör. Und die geschichtlichen Wahrheiten eines Tacitus machten wie man weiß auch vor Klostermauern nicht Halt. Rudolf von Fulda war imstande die nötigen Verbindungen zwischen der Irminsulzerstörung und den Vorgängen in antiken Zeiten herzustellen weil er in beiderlei Hinsicht über Kenntnisse verfügte. Er kannte den Bericht den der Chronist Einhard über die Sachsenkriege verfasst hatte, war auch der einzige Historiker der das Aussehen der Irminsul, wenn auch nur vage vor ihrer Zerstörung beschreiben konnte und gab im Jahre 863 der Säule den lateinischen Namen „Truncum“, was dem deutschen Wort Strunken entspricht. Zudem beschrieb er sie als groß, sodass man darunter einen Baumstamm verstehen darf. Er interpretierte die Sul in der Annahme, darin die „columna universalis“ erkennen zu können. Eine im mediterranen Raum weit verbreitete Ansicht wonach es eine Säule gewesen sein könnte, die das Weltall tragen würde und was die Sachsen damit auf ihre Weise symbolisierten wollten. Darüber hinaus konnte er auch noch den Namen des Strunken überliefern wie ihn damals die Menschen im heutigen Ostwestfalen in ihrer Muttersprache nannten, nämlich Irminsul. Ob aber darin die Erschaffer der Irminsul eine Säule sahen, die das Weltall tragen würde, ist eine andere Frage, denn für sie wird sie eine andere Bedeutung gehabt haben, zumal ihnen die lateinische Vorkenntnis eines Rudolf von Fulda nicht gegeben war. Ob sich Rudolf von Fulda je in Corvey aufgehalten hat ist nicht überliefert, aber nicht nur sein Wissen über das Aussehen der Irminsul spricht dafür, sondern auch der Hinweis darauf, dass zwischen Fulda und Corvey eine so genannte heilige Allianz bestanden hat. Was die Person des Rudolf von Fulda für die Forschung zusätzlich interessant macht ist die Tatsache, dass er im Gegensatz zu Widukind von Corvey bei dem es sich nur vermuten lässt, es sich bei ihm aber nachweislich um einen Leser der Überlieferungen des Tacitus gehandelt hat. Er kannte demnach den kompletten Inhalt und wusste auch, dass im Buch I der für Corvey kopierten Tacitus Annalen im Kapitel 60 stand, dass sich Germanicus aus Richtung Nordsee kommend zwischen Ems und Lippe am äußersten Rand der Stammesgebiete der Brukterer aufhielt als man ihm antrug, er möge doch die unweit des „Teutoburgiensi saltu“ liegenden Knochen der Varuslegionen bestatten und er dann gegen die Cherusker unter Arminius an der Weser zu Felde ziehen wollte. Zudem hatte er sich intensiv mit der Lebensweise und Herkunft der Menschen in der Region vor der Christianisierung beschäftigt wobei er auf die Germania des Tacitus zurück griff, die er inhaltlich nahezu wörtlich übernahm. Es war zudem das erste Mal, dass in der mittelalterlichen Literatur die Schriften von Tacitus zugrunde gelegt wurden wobei man noch nachschieben darf, dass dies noch in der Karolingerzeit stattfand die man doch gerne das “dunkle Mittelalter“ nennt. Anders als es unter den ortsansässigen Corveyer Mönchen der Fall war, kannte er die ostwestfälische Landschaft nicht so gut, konnte aber den Annalen entnommen haben, dass die Varusschlacht irgendwo zwischen Lippe und Weser statt gefunden hatte. Je nachdem wie ausgeprägt sein Forschergeist war und wie es um seine Kontakte zu Corvey stand, können diverse Besuche an der Weser um dort vielleicht auf Agius zu treffen nicht ausgeschlossen werden. Da Rudolf auch den Namen Arminius las und gleichzeitig auch das Aussehen der Irminsul genannten Säule als „Strunken“ beschreiben konnte dürfte ihm, dem Geschichtsschreiber die Namensduplizität nicht entgangen sein. Obwohl sich auch damals schon der Irminsul kein klarer religiöser Bezug entnehmen ließ, tendierte auch Rudolf von Fulda im Einklang mit dem missionarischen Eifer der Zeit dazu in ihr ein Objekt der Verehrung im Sinne eines Götzenbildes erkennen zu wollen, obwohl auch gerade er Zweifel daran gehabt haben dürfte. Und wenn auch ein Gott mit Namen „Irmin“ den Sachsen vor allem aber den Falen fremd war, so hinderte dies die Franken nicht daran die Sul mit einer derartigen Gestalt in Verbindung zu bringen. Es schien für sie ein Ritualplatz gewesen zu sein und was man dort verherrlichte konnte nach damaliger Vorstellung auch nur gottgleiche Züge aufgewiesen haben. Aber alle Chronisten von der ersten Stunde an die über sie schrieben waren sich bei der Irminsul hinsichtlich ihrer Funktion und Bedeutung uneins und unsicher was zu den diversen missverständlichen Deutungen und Auslegungen führte. Inspiriert durch die Wiederentdeckung der Tacitus Annalen kam im 16. Jhdt. bei Georg Spalatin einem Theologen und Historiker als erstem der Verdacht auf, dass es sich bei Irmin um keinen sächsischen Gott handelte und er daher schon damals die Irminsul für ein Arminius Denkmal hielt. So könnte auch schon Rudolf von Fulda der schon viele Jahrhunderte früher Einblick in die Annalen nehmen konnte zu seiner Zeit die gleichen Gedanken gekommen sein, es aber sie zu Papier zu bringen. Allerdings lastet auch auf Karl dem Großen, der sich zum Leidwesen seines Hofstabes gerne mit der Geschichte seiner Vorfahren beschäftigte der Verdacht, dass die Irminsul auch eine andere Bedeutung gehabt haben könnte, zumal man einer seiner verwandten, nämlich der heiligen Irmina von Oeren die schon 1oo Jahre vor ihm verstarb sicherlich nicht den Namen einer sächsischen Gottheit gegeben hätte. Aber der Zeitgeist wollte es, dass man in der Irminsul auf keinen Fall das Abbild eines vorsächsischen Helden erkennen durfte. Ein Mann, der sich wie Herzog Widukind für die Eigenständigkeit eines Volkes einsetzte, dass vor den Sachsen in Ostwestfalen lebte und in dem sie ohne Mühe ihre Vorfahren erkennen konnten, hätte dem sächsischen Freiheitsdrang einen unguten Auftrieb geben können und gegen alle Pläne verstoßen, die man anwenden wollte um die Sachsenmission zu Ende zu bringen. So überließ man es dem Nebulösen und auch Rudolf von Fulda und erst Recht Widukind von Corvey hätten Tabubruch begangen, wenn sie aufgrund der taciteischen Schriften zu neuen Einsichten gekommen wären. Einen Meinungswechsel zu vollziehen und dies gar schriftlich festzuhalten hätte für sie zum Bannstrahl geführt. Da das römische Imperium keine kurzeitigen Eroberungen plante, sondern das Land in Besitz nehmen wollte sind die Spuren die es hinterließ allgegenwärtig, waren bis ins hohe Mittelalter und darüber hinaus unübersehbar und sind es noch bis heute. So stützt dies die Annahme, dass nicht nur die antike Literatur und die lateinischen Spracheinflüsse sowie die Reste römischer Bauwerke samt Militärarchitektur zu Zeiten von Rudolf von Fulda noch um ein Vielfaches präsenter waren, als es sich heute unser Vorstellungsvermögen erschließen kann. Den Mönchen begegnete das imperiale Erbe noch auf Schritt und Tritt und es bestand nicht nur aus dem römischen Straßennetz, den südländischen neuen Baumsorten, den Früchten und Weinen, oder den monströsen Resten antiker Bausubstanz die das Römerreich an Rhein und Mosel hinterließ. Ruft man sich die Zeitschiene in Erinnerung, dann endete aufgrund der ausbleibenden Schlachtenerfolge ab dem Jahre 16 + mit dem Abzug der Legionen unter Germanicus und auf Anweisung von Kaiser Tiberius das römische Leben in Ostwestfalen und die Germanen gingen wieder ihren einstigen Lebensgewohnheiten nach. Was sich in der Region bis heute an Gegenständlichem aus römischer Zeit finden lässt, gelangte in erster Linie in dieser Zeit in den Boden. Im Zuge späterer römischer Erkundungszüge kam das eine oder andere hinzu, wurde von Händlern ins Land gebracht oder stammte aus germanischen Raubzügen. Aber die begehrten schriftlichen Zeugnisse aus jenen Zeiten ließen noch lange auf sich warten. Erst im Zuge der Eroberungen Karls des Großen als dieser 772 auf dem Weg nach Herstelle die Eresburg zerstörte und dann die Diemel überschritt kehrte die antike Welt als militärische Macht wieder zurück an Lippe und Weser. Nach den Sachsenkriegen war es die Gründung der Reichsabtei Corvey im Jahre 822 deren Standort an der Weser man vielleicht schon der Weichenstellung Karls des Großen zuschreiben könnte, da er nahe der Brunsburg kämpfte und sein Auge auf die günstige Lage und die bereits vorhandenen aus Stein bestehenden Gemäuer im Weserbogen fiel. Reste, die dieser Theorie zufolge noch aus aus antiker Zeit stammten. Versetzen wir uns in diese Zeit zurück dann blicken wir auf die unverrückbaren geologischen Verwerfungen des Eggegebirges, erkennen im Osten die Weser mit ihren Flutwiesen und dazwischen den Nethegau in einer von Menschen noch weitgehend unberührten Landschaft. Auf den ersten Blick zeigt sich die Topographie geglättet und bar jeglicher Infrastruktur. Menschliche Behausungen waren noch von einfachster Bauart und verschmolzen mit den Farbtönen der Natur. Erst bei näherem Hinsehen fallen Wegenetze vom Karrenweg bis zum Trampelpfad ins Auge und im Umfeld der Siedlungen die bebauten Äcker. Mit diesem Anblick hätte man sich als damaliger Betrachter zufrieden geben müssen, aber wie so oft lässt uns auch hier wieder unser Einfühlungsvermögen im Stich. Denn es schien nur so, als ob die Geographie trist, monoton und abwechslungsarm war, denn die Natur hatte für die nötigen Orientierungsmerkmale gesorgt, die die noch naturnäher lebenden Menschen zu nutzen wussten und darin konnten sie sich mit ihrer Hilfe gut zurecht finden. Im 9. Jhdt. störten oder verhinderten noch keine Schnellstraßen oder Hochbauten den freien Blick zum Horizont. So griff man auf alles zurück was die Natur zur Richtungsfindung anbot um sich zurecht zu finden, untereinander zu verständigen oder Fremden den Weg zu weisen. Flüsse, Bäche bis in die Quellregionen eigneten sich gut für Erklärungen, Himmelsrichtungen und Sonnenuntergänge ebenso und die Intensität von Radspuren oder Pferdehufen verrieten den Reisenden wie häufig und wann man zuletzt diesen oder jenen Weg benutzt hatte und erkannte in welchem Zustand er war. Aber im Betrachtungsraum war das von Nord nach Süd verlaufende hoch ansteigende schroffe Band der Egge nicht nur das prägende Element der Region sondern auch ein problematisches Hindernis für jegliche Passagen und Querungen, ob zu Fuß zu Pferde oder mit Karren. Und wer sie überwinden musste oder wollte, der tat es gezwungenermaßen an den Stellen, wo es möglich und am bequemsten war, denn die Menschen brauchten ihre Kraft für andere Dinge. Kleine unscheinbare Eselspfade vom Nethegau zum Sintfeld und Sorat mag es einige gegeben haben, aber markante überregional bedeutsame und für damalige Verhältnisse gut befahrbare Eggeübergänge waren rar und existierten nur an zwei Stellen, wenn man sie aus dem Abschnitt zwischen Corvey und Herstelle angehen wollte. Diese waren der Hellweg der die Egge zwischen Schmechten und Schwaney überquerte, sowie der Bördenweg von Borlinghausen zum Sintfeld und beides waren Übergänge die die Einheimischen kannten und die für Gefährte nutzbar waren. Hinzu kommen noch zwei weitere Passagemöglichkeiten die sich jedoch außerhalb des Betrachtungsraumes befinden. Sie bestanden im Norden bei Horn aus dem gut begehbaren Weg durch die Externsteine und im Süden war es ab Scherfede nahe der Diemel der an Serpentinen reiche Weg durch das Schwarzbachtal zum Sintfeld. Der Anstieg von Bad Driburg nach Altenbeken war zu Römerzeiten noch keine Alternative da zu steil. Rudolf der die Tacitus Annalen bereits in Fulda eingesehen haben könnte noch bevor die sechs Bücher als Urhandschrift nach Corvey gelangten stieß auf die Flussnamen von Weser, Ems und Lippe. Aber vor allem waren es die Corveyer Mönche die die Annalen studierten, die mit ihrer Landschaft vertraut waren und die die Hinweise aus den Annalen zu deuten wussten. Tacitus ging darin nicht nur auf das ein was wir heute Varusschlacht nennen, er hinterließ der Nachwelt auch den einzigen geographischen Anhaltspunkt darüber, wo sie statt fand nämlich unweit des „Teutoburgiensi saltu“ da man dort die Knochen der toten Legionäre bestattete. Da Tacitus die Flüsse der Region beim Namen nannte und man nicht nur rund um Corvey auf vieles Römische stieß und zudem wusste, wo sich die alten germanischen Höhenbefestigungen befanden, da man sie immer noch als Zufluchtsstätten in Notzeiten nutzte war es für sie auch unschwer die Lage des „Teutoburgiensi saltu“ anhand der Fliehburgen wie etwa der großen Behmburg zu lokalisieren. Der Verlauf Hellweges taugte zu Zeiten der Varusschlacht nicht um dort einen Hinterhalt zu legen. Er war zu gut ausgebaut, wurde häufig genutzt, stand signaltechnisch mit den römischen Posten in Verbindung und war daher strukturell und strategisch betrachtet keine Alternative. Den Mönchen dürfte bewusst gewesen sein, dass sich dieser auch schon in prähistorischen Zeiten begangene Weg den man in Römerzeiten nach einem möglichen Architekten „Helvius“ genannt haben könnte und aus dem möglicherweise später der Hellweg wurde, nicht als „Teutoburgiensi saltu“ identifizieren lässt. Der Weg wo man nahe Schwaney schon in der Mitte des 19. Jahrhundert auf umfangreiche Packlagen an römischem Straßenpflaster stieß römische Funde machte und heute noch der Drainagegraben sichtbar ist, an dem die Varusschlacht jedoch nicht statt fand. Zudem wird dem weder die Begrifflichkeit eines „saltu“ gerecht noch finden sich dort die erwähnten Teutoburgen. Fraglich ist zudem, ob sich nach über 800 Jahren noch etwas von dem erwähnten Knochenberg erhalten haben könnte. Ein dem Zerfall ausgesetzter Hügel den schon die Chatten zerstört hatten, der mehrmals zerwühlt wurde wobei die Knochen an die Oberfläche gelangten und dem Klima ausgesetzt wurden dürfte schon im 9. Jhdt. nicht mehr auffindbar gewesen sein. Allerdings könnte sich seine Örtlichkeit noch im Volksmund jedoch an anderer Stelle bis in diese Zeiten erhalten haben. In der Kombination betrachtet waren es für die Mönche deutliche Hinweise darauf, dass Tacitus bei dem von ihm beschriebenen Saltus nur den aus einem halben Dutzend Hohlwegen bestehenden Aufstieg von Borlinghausen nach Kleinenberg, also den Bördenweg und heutigen Burgweg gemeint haben konnte. Und da sich diese Überlegung mit dem bei den Mönchen vorhandenen Wissen über den einstigen Standort der Irminsul deckte, war für sie nun höchste Vorsicht geboten. Denn zur Irminsul samt einstigen Standort dürfte der Klerus ein Redeverbot erlassen haben. Verstöße hätte man aufgrund der nun verankerten Götzenphilosophie als Blasphemie geahndet, sodass sich auch keiner wagte die Tacitus Schriften zu kommentieren in denen ein „Sachse“ mit Namen Arminius vorkam, der zu einem erfolgreichen Widerstand gegen die damalige Besatzermacht aufgerufen hatte. Damit erstickte man mögliche durch die Tacitus Annalen verursachte Turbulenzen im Keim und vermied ideologische Glaubenskonflikte die in schleichende Grabenkämpfe münden könnten. Man trennte die zivilisatorischen Leistungen und Errungenschaften aus einer Zeit, als der römische Staat noch der heidnischen Vielgötterei frönte und fand damit einen Weg wie man es mit der Strahlkraft des nun von Rom ausgehenden Christentums verbinden konnte. So ließ sic eine Brücke bauen, da man mit den einst heidnischen Sachsen ebenfalls einen Neuanfang vollzogen hatte, so dass die Nachwelt auch dem römischen Imperium, das in sich noch die Strukturen aus heidnischer Zeit trug ihre Untugenden verzeihen konnte. Im Nachhinein kann man diese Vorgehensweise nur konsequent nennen zumal sie von politischer Weitsicht zeugt. Insgesamt betrachtet bietet es auch eine Erklärung dafür warum es im Mittelalter so riskant war in Irmin Arminius zu erkennen und warum aus den Klöstern nach der Abschrift der Tacitus Annalen keine Zeugnisse ihrer Existenz mehr an die Öffentlichkeit gelangten. Im Nachhinein kann man diese Vorgehensweise aus damaliger Sicht nur konsequent nennen zumal sie von politischer Weitsicht zeugt. Insgesamt betrachtet bietet es eine Erklärung dafür warum es im Mittelalter so riskant war in Irmin Arminius zu erkennen und warum aus den Klöstern nach der Abschrift der Tacitus Annalen keine Zeugnisse ihrer Existenz mehr an die Öffentlichkeit gelangten. In der Mutterabtei Monte Cassino wird man die Frage, ob man die Eroberungspläne im römischen Kaiserreich die nicht vom Gedanken christlicher Mission, sondern vom puren Machtwillen getragen waren schon früher geklärt haben. Obwohl man sich davor hüten muss die geistigen Fähigkeiten der Menschen aus damaliger Zeit zu unterschätzen sei doch die Frage erlaubt, ob man überhaupt schon im 9. Jhdt. in Ostwestfalen eine derartige Diskussion auf diesem Niveau führen wollte, so dass Überlegungen dieser Art hypothetisch bleiben müssen. Oder doch nicht ? Waren es nicht gerade die Streitfragen in der Frühzeit des Katholizismus als man den Arianismus hinter sich ließ, sich von der Orthodoxen Glaubensform trennte, die Kirchenlehrer an Bedeutung gewannen, so dass man auf der Suche nach der wahren Lehre sich auch diesen Themen stellen musste. Denn die Gewaltanwendung gegenüber den Sachsen war auch damals schon umstritten und durfte nicht von Dauer sein, da es den göttlichen Prinzipien widersprach. Begehen wir in diesem Zusammenhang auch nicht den Fehler den damaligen Eliten der Wissenschaft in Klöstern wie Corvey mit anmaßender Arroganz zu begegnen, wo Respekt angebracht wäre. Denn ihre Vertreter waren es die trotz vieler Zweifel an ihrer Methodik für einen kulturellen Aufschwung sorgte. So gewann das Kloster Corvey an Einfluss und wurde schnell zum Zentrum der Intelligenz in Ostwestfalen und zum zentralen politisch/klerikalen Mittelpunkt auch mit Strahlkraft nach Osteuropa, was sich auch seinen umfänglichen Besitztümern entnehmen lässt. Vor allem aber konnte man dort auf Basis der lateinischen Sprache schreiben und lesen und beides erlernen. Eine abgeschlossene Welt eigenständiger Kommunikation die den Einheimischen fremd blieb aber vor allem eine Schaltstelle mit weitreichender Verantwortung wo man sich keine abweichlerischen Ansichten im Zusammenhang mit früheren Ereignissen erlauben konnte. Zweifellos waren sich die Corveyer Mönche der Tatsache bewusst, dass sich in ihrer Region einst römisches Leben entfaltet hat und sie waren imstande die antiken Schriftzüge auch auf den noch gut erhaltenen römischen Münzen oder anderen Relikten zu lesen, die ihnen die Landbevölkerung brachte aber das Ausschweigen wurde zum obersten Gebot erhoben und man hielt sich daran. Im Verborgenen war man sicherlich erstaunt die lateinische Schrift weit ab von Rom immer noch im Boden vorfinden zu können und für viele hatte sich auch der Kreis bis in die Schriften des Tacitus geschlossen und bot ihnen für alles die Erklärung. Aber das Schweigegelübde durfte nicht gebrochen werden, dafür war die heidnische Seele im einfachen Volk noch zu tief verwurzelt. Ein markantes Zeugnis römischer Hinterlassenschaften bot sich ihnen auf Basis der Verkehrsverbindungen und dies vor allem bezugnehmend auf die Hauptlebensader der Region dem Hellweg, der wie eine Nabelschnur ihr Dasein in christlicher Diaspora an der Weser mit der Zivilisation am Rhein verband. Deutlich macht dies ein Ereignis aus dem Jahre 836 als man nur 64 Jahre nach dem Fall der „Irminsul“ die Gebeine des heiligen Vitus von Paris St. Denis nach Corvey überführte. Dieser Transfer verlief mangels Alternative zwangsläufig auf dem bestehenden Hellweg von Paderborn aus kommend zur Weserfurt und er führte über den Netheberg, weil dies seit Menschengedenken die einzige taugliche Verbindung nach Osten war und später den besten Ausbauzustand vorweisen konnte. Es war eine einst von der Natur vorgegebene offene Trasse die von der Nutzung lebte. Galoppierende Horden werden sie zu Zeiten der Sachsenkriege genutzt haben und auch für größere Gespanne war sie geeignet, da sie an den wesentlichen Stellen auch bei Gegenverkehr über die nötige Breite verfügte und die Abschüssigkeit beherrschbar war. Und nicht nur die Mönche die sie nutzten erkannten die Vorteile ihres stabilen Untergrundes was sie speziell in den regennassen Hanglagen zu schätzen wussten, da man dort die Niederschlagswasser mittels V – Graben abgeleitet hat. Und auch genau diese Perfektion war es, die ihnen wieder die verblüffenden Leistungen einer vergangenen antiken Kultur ins Bewusstsein rief, denn die Strecke hatte, wie sich in der Neuzeit heraus stellte ihre Qualität noch aus römischen Zeiten rüber retten können. Alle profitierten von ihr aber Instandhaltung dürfte im frühen Mittelalter noch ein Fremdwort gewesen sein, denn es stand den Menschen der Region in dieser Zeit nicht der Sinn danach ausgerechnet den überregionalen Westostverkehr zu fördern und zu erleichtern, da man sich keine ungeliebten Menschenströme ins Land locken wollte von denen Gefahr ausgehen konnte. Aber hier musste man es zulassen, hielt aber Distanz zum Verkehrsweg, so dass es auch zu keinen Ansiedlungen in seiner Nähe kam. Trotz seines Zustandes ließ sich mit Pferde- oder Ochsenkarren auf ihm reisen und so leistete in dieser Zeit insbesondere was den Steilabstieg zwischen Schwaney und dem Oesetal anbetraf die alte Römerstraße immer noch gute Dienste. Und so rumpelte auch der heilige St. Vitus über römisches Pflaster, denn diese Straße hatte noch bis weit ins Mittelalter und darüber hinaus den gesamten Handelsverkehr zwischen Corvey über Paderborn bis zum Rhein zu bewältigen. Um die Hände der Menschen, die diese Wege einst schufen und ausbauten machte sich die mittelalterliche Bevölkerung keine Gedanken und sie besaßen keine Kenntnis darüber, wem sie diese Bauwerke der Infrastruktur zu verdanken hatten. Einzig den gelehrten Mönchen erschlossen sich die Zusammenhänge aber der Glaube versperrte es ihnen ihre Erkenntnisse mit der Bevölkerung zu teilen. Jene Generationen an Klosterinsassen die sich mit den Tacitus Werken beschäftigten stellten sich auch die Frage welchen Willens die Altvorderen gewesen sein mussten, welches Ziel sie vor Augen hatten und welchen Sinn sie hinter dem immensen Aufwand gesehen haben könnten. Den im lateinisch Bewanderten und Belesenen war klar, dass kein anderes Volk als das hoch entwickelte Römische dazu imstande gewesen sein konnte derartige Kraftanstrengungen lange vor ihrer Zeit zu vollbringen. Aber dass sich das Imperium über diese Ursprungstrasse aus Vorzeiten den Zugang zu den Cheruskern an die Weser und darüber hinaus erschließen wollte, dürfte selbst für die Mönche kaum vorstellbar gewesen sein. Und den meist der einheimischen Oberschicht entstammenden Mönchen und Äbten war auch bewusst was einst im Raum Höxter/Corvey geschah, denn auch dort an der Nethemündung und im "Auguensergau" stieß man auf die deutlichen Spuren römischer Besatzungszeit. Sehen Sie dazu bitte das Kapitel „Auguensischer Gau mit der Marca Huxori“ aus dem Oktober 2017. Auch der rätselhaften Ursprüngen entstammende Name des Auguensergau an der Weser könnte seinen Namen wie einige Römerstädte auch seinen Namen einst Kaiser Augustus zu verdanken haben, dessen Stadthalter dort einst Macht ausübten. In Corvey dürfte noch vieles von dem bekannt gewesen sein so etwa auch, dass der Frankenkönig Karl beim Bau seiner Regierungshalle in Aachen immer noch vom römischen Erbe profitierte. Denn er nutzte die mächtigen Mauern des einstigen römischen Kastells in dem er sie in seine Gebäude integrierte und hinter denen er sich sicher fühlte, bevor man sie wohl erst im hohen Mittelalter eingerissen hatte. Hinzu kam in dieser Zeit noch ein unübersehbarer Fundhorizont bestehend aus den Relikten antiker Zeiten der den Mönchen ebenso die Augen für die bedeutsamen Hinterlassenschaften öffnete, wie der vorhandene geistige Fundus ihrer Bibliotheken. Edelmetallteile aus imperialen Zeiten die sich vor der Zerstörung der Irminsul noch in alle Winde zerstreuten fanden nun ihren Weg nach Corvey und später nach Paderborn und ihnen ließ sich der Bezug zum römischen Reich mühelos entnehmen, man identifizierte sie nach Möglichkeit, wusste ihren Wert sicherlich zu schätzen, versuchte sie vielleicht auch noch zuzuordnen um sie dann aber zu Kirchengold einzuschmelzen. Und während unsere heutigen Archäologen noch oftmals darüber rätseln müssen, stand man den Gegenständen damals zeitlich noch weit aus näher und konnte daher vielem ihre einstige Funktion und Bedeutung entnehmen. Funde die der Boden nun auch häufiger frei gab da man begann ihn intensiver zu bewirtschaften lösten in Corvey sicherlich nicht selten auch ungläubiges Erstaunen aus. Die Zeiten hatten sich unter dem Druck der Franken nach dem Zusammenbruch des engrisch - fälisch und sächsischen Stammesgeflechtes grundlegend verändert, die Menschen begannen sich in ihrem täglichen Leben umzuorientieren und da sie erkannten welche Wertschätzung man ihren Funden in Corvey beimaß, gingen sie auch behutsamer damit um als in früheren Zeiten. Die karolingische Gewalt hatte ihnen oftmals ihr Sippenoberhaupt genommen und viele Familien wurden im Zuge der Glaubenszerwürfnisse auseinander gerissen, wurden entwurzelt und gezwungen umsiedeln zu müssen. Bleibende mussten sich mit den neuen Machtverhältnissen arrangieren. In den durch die Deportationen frei gewordenen Siedlungsgebieten in denen die Geduldeten in fränkische Abhängigkeit gerieten und unter neuen Gesetzen leben mussten hatte man sich anzupassen und die neuen Lebensbedingungen zu akzeptieren, wenn man überleben wollte. In Ostwestfalen wuchs in der Folgezeit die Zahl der Klöster und man machte sie zu Stützpunkten und Anlaufstellen für eine religiös verunsicherte und orientierungslose gewordene Landbevölkerung. In den Adelsschichten wollte man sich die Pfründe sichern, setzte auf Zusammenarbeit, hatte längst begonnen sich die Lasten der Verwaltung mit dem Klerus zu teilen und beide wussten daraus ihren Nutzen zu ziehen. Mit der Gründung der Reichsabtei Corvey war der Anfang gemacht und da die Anlaufzeiten turbulent verlaufen sein dürften standen die älteren Reichsabteien Fulda und Hersfeld Corvey zur Seite, hatten Vorbildfunktion und dürften maßgeblich am Aufbau der Corveyer Strukturen mitgewirkt haben. In der frühen Phase der Orientierung wurden sich die einfachen Menschen in der Region der Bedeutung der Abtei Corvey langsam bewusst, aber auch die Abtei hatte sich noch ihren Platz im Geistesleben der Bewohner zu suchen. Für ein domestiziertes und eingeschüchtertes Volk führten fortan alle Wege über die Priesterschaft vor Ort und über die Klöster zum Bischof. In diesen Strukturen ruhte die Macht für die nehmen seeliger war denn geben, aber die Bevölkerung folgte dem gehorsam um sich Repressalien zu ersparen. Boten sich in Form von Funden Gelegenheiten um Dankbarkeit und Unterwürfigkeit zu beweisen und dem Abt gefällig zu sein musste dies nicht zum eigenen Schaden sein, dann ging man ehrerbietig und unterwürfig, vielleicht mit einer Portion Heuchelei auf die Mächtigen zu und erhoffte sich im Gegenzug bessere Lebensbedingungen und Mildtätigkeit, was sich positiv auf ihre Abgabenverpflichtungen auswirken konnte. Das brave Ableisten von Steuern und Zehntpflichten das auch mit gewaltsamen Eintreiben einherging vollzog sich im ganzen Land. Kleine Geschenke in Form antiker Funde könnten vor allem dann dazu gehört haben, wenn sich in ihnen Bestandteile von Edelmetall befanden. Vom Abt erwarteten sie dann, dass er sie sakralen Zwecken zuführen würde und die ehrlichen Finder mussten, wenn sich für sie kein unmittelbarer Nutzen ergab mit Gottes Segen zufrieden sein. In Corvey wirkten im 9. Jahrhundert u.a. mit Poeta Saxo und Agius namhafte Persönlichkeiten, sodass sich Corvey zum geistigen Zentrum entwickelte und zur Anlaufstelle der Landbevölkerung in vielen Lebenslagen wurde. Im Eingangsbereich der Abtei lassen sich noch heute die gut erhaltenen Räumlichkeiten besichtigen, wo man Pilgern oder der hungernden Bevölkerung Essensrationen zuteilte. Ihre Bedeutung stieg an und damit wuchsen auch die Herausforderungen die sich im Zuge des Zusammenlebens mit den um sie lebenden Sachsen und Falen einstellten. Vergegenwärtigt man sich die Epoche dann sei daran erinnert, dass die Zerstörung der Irminsul womit der 3o jährige Sachsenkrieg seinen blutigen Anfang nahm am Tag der Gründung von Corvey erst 5o Jahre zurück lag. Die profanen Alltagsprobleme werden im Kloster den Tagesablauf mit beeinflusst haben und wurden dann die Mönche noch zusätzlich mit rätselhaften Fundobjekten konfrontiert hatten sie lange einen Spagat zwischen Unwissenheit und der Existenz einer früheren vorchristlichen Kultur zu vollziehen worauf sie keine Standardantworten im religiösen Sinne geben konnten. Trug man den Mönchen der Abtei Corvey undefinierbare Gegenstände zu und bat vielleicht um Auskunft, dann könnte das Wissen eines Rudolf von Fulda sowohl im religiösen Sinne als auch bei Fragen der frühen Forschung hilfreich gewesen sein und man klammerte sich an ihn, wenn man sich in Erklärungsnot befand. Zweifellos musste man der Landbevölkerung die ganze Wahrheit verschweigen, aber in den Kreisen um Rudolf von Fulda wird man dazu die entsprechenden Überlegungen angestellt und miteinander im Gedankenaustausch gestanden haben und wer die Annalen kannte begriff die Zusammenhänge. Vielleicht war es sogar Rudolf von Fulda selbst zu verdanken, dass im 9. Jahrhundert eine Abschrift sowohl der Germania als auch der Annalen des Tacitus den Weg von Fulda nach Corvey fanden, wo sie sich nach seiner Überzeugung dann auch an ihrem historisch zugedachten Platz befanden. Wer in Corvey Zugang dazu hatte und Einblick nehmen durfte, der las darin nicht nur den Namen Arminius und konnte sich damit einen Zusammenhang mit dem nahezu gleich lautenden Namen Irmin und der Entstehungsgeschichte des damit verbundenen Kultes in ferner Vergangenheit erklären. Denn Tacitus hatte auch die literarische Spur zum Varusschlachtfeld so deutlich gelegt wie kein anderer antiker Historiker vor oder nach ihm und so fiel es den Mönchen, obwohl sie einen anderen Bezug zur heidnischen Antike hatten nicht schwer die Verbindung herzustellen, denn die Ereignisse von denen sie lasen geschahen quasi vor ihrer Haustür. Natürlich verbot es ihnen ihre religöse Ausrichtung den Dingen auf freigeistige Weise nachzugehen und schließlich hatte Karl der Große allen mit der Zerstörung der Irminsul eindrucksvoll den neuen Weg gewiesen. So lasen es die interessierten und belesenen Mönchen aus Corvey schwarz auf weiß und verstanden, dass römisches Militär unter Germanicus einst bis an und über die Weser vordrang, dass sich dort die Söhne eines gewissen Cheruskerfürsten Segimer mit Namen Arminius und Flavus über den Fluss ein Streitgespräch lieferten, dass die Cherusker Germanicus auf die linke Weserseite zurück gedrängt hatten, dass der Feldherr über die Ems und Lippe nach Germanien eingefallen war und das seinerzeit Berge von Knochen einer früheren Schlacht zur Bestattung anstanden. Vielleicht kannten sie auch noch den Ort wo einst das römische Aliso stand, da noch nicht alle Palisaden verrottet oder die Wälle eingeebnet waren. Vor allem aber dürften sie gewusst haben, welche Passage man damals unter dem „Teutoburgiensi saltu“ verstand. Und so war ihnen bekannt, dass dort einst gewaltige Schlachten tobten bei denen auch ein hoher römischer Feldherr ums Leben kam. So könnten manche Mönche in Corvey Bezüge zu den alten Geschehnissen und den dazugehörigen Landschaften hergestellt haben, da sie aus der Region stammten, sich auskannten oder verwandtschaftliche Kontakte bestanden, etwa zwischen den Äbten und Prioren der Abtei und den Spiegelrittern. Genau genommen dürften sie alle Örtlichkeiten gekannt haben die aus den Tacitus Annalen hervor gingen und was die Mönche wussten, wussten auch ihre Äbte. Geht man davon aus, dass im frühen Mittelalter in Corvey ein guter Kenntnisstand zum römischen Erbes vorhanden war dann tritt auch wieder die Frage nach den Baumeistern des Corveyer Westwerkes und die darin ruhende Substanz in den Vordergrund mit der sich erklären lässt, warum man sich für einen Klosterkomplex an der Weser entschied und kann sich auch einen Reim auf die Herkunft der unchristlichen Eroten machen wie man die Malereien im Westwerk nennt. Vom frühen Wirken eines Rudolf von Fulda erfahren zu haben ist aufgrund unseres kargen Wissensstandes zu dieser Epoche ein Glücksfall und es macht deutlich, dass es auch in den Umbruchzeiten des 9. Jhdt. Menschen gab die an der Vergangenheit interessiert waren und Aufzeichnungen hinterließen. Nach seinem Tod finden sich aus Fulda oder Corvey keine Hinweise mehr, wonach man sich mit dem römischen Erbe an der Weser beschäftigt hätte. So verwischten sich die Spuren, der Faden zur Antike riss und mit jedem Jahrhundert vergrößerte sich die Kluft, das Verständnis schwand und der Nachwelt fiel die Deutung der Ereignisse wie sie Tacitus beschrieb immer schwerer. Die Konsequenz daraus war, dass man in den folgenden Jahrhunderten bis heute die antiken Örtlichkeiten zur Varusschlacht an den falschen Stellen vermutet und mühsam nach Erklärungen selbst für die abwegigsten Theorien sucht. Natürlich lässt es sich komfortabel interpretieren und darstellen, wenn man als Verfasser die Auffassung vertritt zu wissen, wo sich der „Saltus“ befand, wo man die Knochen stapelte und wo Varus sich tötete. (21.11.2023)
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