Samstag, 17. Juli 2021
Zur Aliso - Forschung - Wie kam der Schwaneyer Limberg zu seinem Namen ?
Nur zwei Mal fällt in den antiken Schriften der Name Aliso. Zuerst war es Velleius Paterculus der den Kommandanten von Aliso lobte weil es ihm gelang das Kastell nach der Varusschlacht vor den Massen anstürmender Germanen erfolgreich zu verteidigen und der zweite Historiker war Publius Cornelius Tacitus der uns überlieferte, dass der Feldherr Germanicus im Jahre 16 + das ganze Gebiet zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschloss und sicherte. Der Hinweis von Paterculus verdeutlicht die Nachbarschaft von Aliso zum Schlachtgebiet und bei Tacitus wird erkennbar, dass es sich bei Aliso um ein Kopflager handelte. Ein römisches Kastell, dass sich weit an einem nach Osten vorgeschobenen Punkt befand von wo aus man über weite Strecken die römische Infrastruktur bis zum Rhein wieder herrichtete bzw. verbesserte. Wichtige Anhaltspunkte die die Theorie stärkten Aliso könne sich nur am Oberlauf oder im Quellbereich der Lippe unweit des Schlachtgebietes und damit auch im Nahbereich zum Stammesgebiet der Cherusker befunden haben. Aufgrund einer Vielzahl von Hinweisen lässt sich die Position von Aliso auf den Altenbekener Ortsteil Schwaney verdichten, dessen Umgebung auch wegen seiner auffälligen Topographie besondere Aufmerksamkeit erregt. Der prägende Limberghöhenrücken ist unübersehbar der Hausberg von Schwaney, ein Name den man gerne mit der Baumart Linde in Verbindung bringen möchte, obwohl Abweichungen in der Schreibweise und Wortherkunft unübersehbar sind. Denn im Althochdeutschen schrieb sich die Linde "linta" und im altsächsischen als auch angelsächsischen "lind", während sich in der Silbe "lim" der Name der klebrigen Masse Leim verbirgt. Die Silbe "Lim" könnte aus der indogermanischen Sprachwurzel stammen und sich dahin zurück verfolgen lassen von wo aus sie auf unterschiedliche Weise Eingang in die sich daraus entwickelnden europäischen Sprachenfamilien fand. Auf diesem Weg erreichte sie auch den italisch - latinisch - romanischen Sprachraum. So ließe sich im Zusammenhang mit dem Schwaneyer Limberg betrachtet auch eine weitere auf römischen Hinterlassenschaften fußende Theorie aufstellen, der nachzugehen es sich lohnen könnte. Viel zu viel der einst vorhandenen und vererbten Verbindungen und Spuren zurück ins antike römische Imperium wurde schon im Mittelalter verschüttet, sodass wir uns heute arg anstrengen müssen, wenn wir einiges davon wieder frei legen wollen. Seit jeher stützen wir uns dabei auf die Wissenschaft von der Erforschung der Sprach - und damit der Wortentwicklung über die Jahrhunderte, also die Etymologie und schwören auf sie vor allem dann, wenn sie uns zum Ziel führen kann. Eine große Anzahl keltischer als auch antiker lateinischer Worte hat, ohne das es uns bewusst ist oder nachweisbar wäre, Eingang in unsere Alltagssprache gefunden. Darunter fanden sich auch Elemente geographischer Natur wie Fließgewässer, bedeutsame Erhebungen oder vergleichbares. Was wegen der langen Zeitspanne aber durch das Raster historischer Namensforschung fallen musste sind die zahlreichen Bezeichnungen die sich in späterer Zeit aus dem im Imperium inflationär verbreiteten lateinischen Wort Limes entwickelt haben, das u.a. für Grenzweg, Grenze oder Grenzwall gebräuchlich war. Der "Limitemque a Tiberio", war schon früh Namensgeber für einen nach Möglichkeit bewuchsfrei zu haltenden langen Schutzstreifen. Unmittelbar nach dem Varusdesaster wurde er vom Feldherrn Tiberius angeordnet und verlief vermutlich östlich von Köln, von der Lippe durch das Bergische Land und vielleicht sogar noch über die Sieg hinaus bis an die Wied. Mit ihm machte Rom unmittelbar nach der verheerenden Schlacht den ersten Schritt hin zur Grenzstabilisierung und er sollte das Sprungbrett für den späteren Versuch einer Rückeroberung sein. Damit führte er den Germanen vor Augen, wie man sie zukünftig vom Imperium fern zu halten gedachte. Das große in der Forschung später vereinfacht Limes genannte gewaltige und trennende Bauwerk quer durch Germanien mit dem unter Kaiser Claudius in der Mitte des ersten Jahrhunderts begonnen wurde prägte fortan die germanisch römischen Beziehungen und diktierte den Germanen das Wesen und den Charakter der neuen Zivilisation. Daraus wurden rund 350 Jahre die die Germanen Zeit hatten sich an diese Grenze zu gewöhnen, sich mit ihr zu arrangieren, die sie aber nie akzeptierten bis sie sie zu Beginn des 5. Jhdt. überschritten, wodurch sie ihre Bedeutung verlor. So wurde die dafür ursprünglich römische Bezeichnung "limitare" oder "limitatio" für die Germanen zum Synonym für Grenze. In der lateinischen Sprache gebräuchlich waren zudem die Worte "limus" für quer und "limen" für Querstein und Schwelle und Cäsar sprach in seinen Ackergesetzen von "limites decumanique". Allesamt lateinische Worte mit der Silbe "lim" zu Beginn. Die germanische Zunge nahm sich des Wortes auf ihre Weise an. Was dann ihrer dialektischen Umgangssprache zum Opfer fiel, weil es ihrer Mentalität entsprach, war der Vereinfachung geschuldet. Und während die altsächsische "Marka" einen mehr territorialen Bezug gehabt haben könnte und das Wort Grenze erst später seine Bedeutung erlangte lag es unseren Vorfahren näher und war ihnen sprachlich zuzutrauen die römische Grenze "de Lim" zu nennen. Eine Kurzform aus früher Zeit die aber im Laufe der Jahrhunderte wieder verdrängt wurde und in Vergessenheit geriet. Denken wir dabei nur an die Rheinländer die ihrem Fluß kurzerhand den Namen "Rin" gaben. Die Germanen machten das Wort "Lim" zum Synonym für eine Vielzahl von Gebrauchsformen, verwendeten es aber vordringlich für prägnante Geländemarkierungen, wenn sie eine klassische Abgrenzung benennen und es im abschreckenden und besitzansprüchlichen Sinne zum Ausdruck bringen wollten. Worte die in ihrer Alltagssprache fehlten entlehnten sie so, wie wir es bis heute praktizieren. Sie legten damit den sprachlichen Grundstein, brachten uns aber in etymologische Erklärungsnöte hinsichtlich der Herkunft des Wortes "Lim". Aber sie leisteten damit ihren Beitrag zur schnellen Konversation auf eine sehr praktische Weise, denn auch die unsichtbaren Dinge wie Grenzen wollten einen Namen haben. Ein Beispiel sind auch die vielen Ortsnamen in denen das Wort "hausen" vorkommt, die man aber in Ostwestfalen und Niedersachsen oft nur mit "sen" enden ließt. Auch das Wort "Limes" kürzte man schließlich ein und nutzte nur die Vorsilbe "Lim", so wie sie es auch aus den Mündern ihrer "Bewacher" klang und sie es verstanden. "Lim" ein Wort, dass uns quer durch Europa und darüber hinaus unzählige Male begegnet. Mal sind es Worte wie Limbach wenn ein Bach eine Grenze bildet, mal ist es der einprägsame Bergrücken der Limberg, der wie eine Barriere wirkt und mal ist es die daraus hervor gegangene Limburg. Namen die sich bis Belgien und die Niederlande finden lassen. Limvorsilben wie sie im deutschen Sprachraum auch vielfach in Ortsnamen zu finden bzw. darin aufgegangen sind und wozu auch Worte wie Limbecke, Limbike oder Limbeke aber auch Limbierg und vielleicht auch Limrock zu zählen sind. Die etymologischen Argumente die sich um die Herkunft des Wortes "Lim" ranken können in keiner Weise befriedigen. Genauer betrachtet gibt es auch keine haltbaren Theorien die das Wort anders erklären könnten, als es auf diese antike Wurzel hin zurück zu führen. Während sich der Limitberg in seiner originalen Bedeutung abgewandelt von Limes vielleicht nur in der niederländischen Sprache in Südafrika als Limietberg erhalten hat, sind Limberge verbreiteter. Am Nordrand der Mittelgebirge häufen sie sich, sodass man die Wiehengebirgs - Egge auch den Limbergsattel nennt. Der Limberg mit seiner Limburg im Teutoburger Wald östlich von Bramsche war immer schon ein markanter Grenzberg ebenso wie der Schwaneyer Limberg am Ostrand der Egge. So bewahrten sich die Germanen möglicherweise auf ihre Art den alten Geist wie er sich im Ursprungswort verbarg, von dem sie aber die klare Vorstellung hatten, dass dieses Wort ursprünglich nicht positiv besetzt war. Aber nach dem Ende der römischen Besatzung setzten sie sich ihre Grenzen selbst und schufen sich ihren Limes. Aber der Weg vom Limes hin zum dazugehörigen Kastell war auch nicht weit wie es das augusteische Römerlager auf dem Limberg bei Sasbach am nördlichen Kaiserstuhl belegt. Zudem bestätigt sich die Theorie des Limberges als Grenzberg auch im Zuge der Entdeckung zweier Römerlager in Eschhofen einem Stadtteil von Limburg an der Lahn im Jahre 2012. Limberge könnten demzufolge auch hinweisgebend für ehemalige Befestigungsanlagen sein. Das unsere Vorfahren Bergkuppen zum Bau von Fluchtburgen nutzten ist bekannt und das sie sie Limberg nannten belegt auch der Limberg im saarländischen Wallerfangen. Allerdings konnte auf diesem Berg kein Römerlager, sondern die Reste keltischer Schutzanlagen der älteren und jüngeren Hallstattzeit entdeckt werden, obwohl sich nur etwa 1.500 Meter nördlich davon an der Saar die aus Cäsar Zeiten stammende Römerstadt Contiomagus befand, so dass hier im übertragenden Sinne ebenfalls ein Grenzberg vermutet werden darf. Hinzu kommt das dieser Grenzberg auch in einem Bereich liegt der seinerzeit die keltischen Treverer von Mediomatrikern voneinander trennte. Am Pfälzer Wald unterstreicht der Grenzcharakter des Haardtrandes mit dem Limberg und dem darauf thronenden Salierkloster Limburg bei Bad Dürkheim gemeinsam mit der keltischen Wallanlage und dem römischen Steinbruch das Erbe beider Kulturen. Dieser Limberg den man auch Linthberg nannte hätte somit Bezug zu einem angenommenen "Limitberg" gehabt. Denn "Limthberg" wird man ihn wegen der Aussprache nicht genannt haben, da es sich mit der Phonetik nicht verträgt. Aber zurück nach Ostwestfalen, wo ein weiterer Hinweis den Verdacht auf römische Namenstradition erhärten könnte. Vom Menkhauser Bachtal samt entdecktem Marschlager nach Barkhausen mussten die Legionen den Kamm des Teutoburger Waldes überqueren um in das Stammesgebiet der Angrivarier einzudringen. So wie die Egge bei Schwaney, die Stämme der Brukterer von den Cheruskern trennte, so werden die Höhenlagen des Teutoburger Waldes die Brukterer von den Angrivariern abgetrennt haben. Während aus Sicht der Cherusker der Nethegau den westlichsten Rand ihres Stammesgebietes kennzeichnete, breitete sich am Nordrand des Teutoburger Waldes der Grenzgaubezirk der Angrivarier aus. Und so nannten sie ihn auch. Es war der "Limgau" oder "Limga" bzw. "Lingauwe" an der Bega um Schötmar der auch zum Namensgeber von Lemgo wurde. Hier tritt die Silbe "Lim" mangels eines Berges als Bezugsgröße in einer Tallage auf und hinterließ ihre Spuren im Ortsteilnamen Lieme. Man könnte demnach sagen, dass sich im Wort Lieme noch in Reinform der Hinweis auf das Limitierende einer Grenzziehung erhalten haben könnte. Möchte man eine gegenteilige Auffassung vertreten, so könnte diese zum Inhalt haben, dass es auch Limberge und Limbäche gibt hinter denen sich keine Bezüge zu Grenzen oder Befestigungsanlagen erkennen lassen. Allerdings könnte dies auch nur vordergründig zutreffen. So ist es nicht auszuschließen, dass sich über historische Untersuchungen widererwartend doch Bestätigungen finden lassen oder bereits gefunden wurden aber in den Archiven schlummern. Die aus den Germanen hervor gegangenen Franken und Sachsen und andere wendeten es in dieser Sinngebung an, übernahmen möglicherweise auch noch seine Bedeutung und trugen zur Verbreitung der aus drei Buchstaben bestehenden Silbe bei. Die Zeitschiene in der man im frühen Deutschland noch die Begrifflichkeiten miteinander verband dürfte im Zuge der fränkischen Eroberungen ein Ende gefunden haben und führten zur gleichnamigen Bildungen von Ortsnamen. So träfe auch auf den Schwaneyer Lim(es)berg vieles zu. Er könnte sowohl der Standort eines befestigtes Lagers wie Aliso gewesen sein, als auch eine Grenzfunktion inne gehabt haben, denn er trennte nicht nur die Stammesgebiete der Brukterer von den Cheruskern, sondern könnte auch bezeichnend für das östliche Ende des einstigen Imperiums gewesen sein. Ein markanter Bergrücken an dem die Germanen einst das römische Vordringen zum Stillstand brachten und in Schwaney hätte ein Limberg demnach seine volle Berechtigung gehabt. Aber es wäre allemal ein interessantes Betätigungsgebiet für die Welt der Etymologen. (17.07.2021)