Donnerstag, 27. Dezember 2018
Der Krieg in Pannonien - Marbod triumphierte - Varus hatte das Nachsehen
Beide Ereignisse, sowohl der nur im Ansatz statt gefundene Feldzug gegen Marbod im Jahre 6 +, als auch der mitten in den Aufmarsch hinein geplatzte Aufstand in Pannonien im gleichen Jahr lagen, wenn auch nur wenige Monate oder Jahre, so doch noch vor der Varusschlacht. Sie warfen folglich ihre langen Schatten voraus. Nach über 2000 Jahren ist es allerdings ein schwieriges und nahezu vergebliches Unterfangen den Querverbindungen zwischen den Ereignissen nachzuspüren, die für mögliche Analysen und Zahlenspiele hinsichtlich der Varusschlacht hilfreich sein können. Doch schon bei oberflächlichem Hinsehen fallen sie ins Auge. Der Böhmen - und der Pannonienkonflikt sind in Ursache und Struktur nicht miteinander vergleichbar und erfordern daher auch unterschiedliche Betrachtungsweisen. Das Schicksal hatte Varus, da er als Statthalter über Legionen befehligte die Rolle eines Bindegliedes zugewiesen. Dadurch saß er einige Jahre bildhaft gesprochen, zwischen den berühmten Stühlen der damaligen Weltpolitik. Obwohl er die römische Macht in Ostwestfalen stabilisieren sollte und seine Aufgaben zu erfüllen hatte, verlangten es Loyalität und Raison von ihm, dass auch er seinen Anteil an den militärischen Aktionen zu erbringen hatte. Letztlich wurde er selbst zum Betroffenen und hatte die dramatischen Konsequenzen zu tragen. Aufgrund der komplexen Lage reicht eine Sichtweise allein auf die Ereignisse nicht aus, immer wieder muss daher alles neu aufgeschnürt, angepackt und wenn nötig auch zurück gespult werden um nichts auszulassen. In diesem und den folgenden Abschnitten ist es daher unvermeidlich immer mehrere Standpunkte einzunehmen, die Blickwinkel neu auszurichten sie zu verschieben und immer wieder neue Anläufe zu wagen. Sich quasi wie ein Schatten neben die Protagonisten zu stellen, sie förmlich zu beobachten, um deren Handlungszwänge zu verstehen und zu hinterfragen. Es war eine Zeit kaum fassbarer Herausforderungen die in kürzester Zeit vor allem auf den unumstritten wichtigsten Mann am Platze nämlich Tiberius zu kamen und sich auf ihn konzentrierten. Denn er war der Mann im Mittelpunkt des Geschehens. Seine Wünsche, Ziele und Motivationen ergründen zu können, um sich am Ende in sein Weltbild zu versetzen und sich in seine Zeit zu Denken ist nahezu waghalsig. Kommt man ihm dabei zu nahe, so spürt man schon intuitiv wie dicht die germanischen Speere an ihm vorbei geflogen sein mussten. Denn Tiberius war die herausragende Gestalt schlechthin und er prägte wie kein anderer die germanische Frühgeschichte über viele Jahrzehnte. Und er tat es wohl selbst dann noch, als er schon römischer Kaiser war. Immer wieder begegnet er uns in den Jahren. Und obwohl er bereits auf eine lange Liste militärischer Großtaten zurück blicken konnte, erleben wir ihn in Germanien erst, als er uns durch seinen Gewaltritt auffiel. Wie er nämlich noch seinen sterbenden Bruder vermutlich an der Weser lebend antreffen wollte und dafür einige Tage nicht aus dem Sattel gekommen sein soll. Sollte man mal nach einem Menschen Ausschau halten wollen, der mit an der Wiege des Germanentums zur Zeitenwende gestanden haben könnte, so hätte ihm wohl der Platz am Kopfende zugestanden. Allerdings nicht als Heilsbringer oder Friedensstifter, sondern eher als der schwarze Ritter. Aber zurück zur Realität. Als sich im Frühjahr 6 + die Legionen des Tiberius aus zwei Stoßrichtungen immer näher auf den Markomannen König Marbod zu bewegten, traf urplötzlich die Schreckensnachricht aus Pannonien ein. Man kann annehmen, dass dies in Gestalt reitender Boten geschah. Es musste alles für Tiberius ultimativ, glaubhaft und offensichtlich alternativlos für sein weiteres Handeln geklungen haben. Wer sie überbrachte wissen wir nicht. Was geschah daraufhin. Tiberius wird in kürzester Zeit reagiert haben und musste es wohl auch. Er wendete die Einheiten die gerade erst mit ihm aus Carnuntum anmarschierten und dirigierte die aus Nord - und Westarmee gebildete Formation mit der er sich ursprünglich vor dem Hauptangriff auf Marbod vereinigen wollte in einem logistischen Kraftakt ebenfalls nach Pannonien um. Nach dieser schockierenden Katastrophenmeldung wird Tiberius jedenfalls eines garantiert nicht gemacht haben, denn es hätte gegen jede Feldherrn Logik verstoßen. Keinesfalls hätte Tiberius daraufhin die Mainzer Saturninus Westarmee, als auch die niederrheinischen Nord Legionen komplett und sozusagen unverrichteter Dinge wieder zurück in ihre Kastelle an den Rhein entlassen. Denn nun brauchte er alle Legionen noch weit aus dringender, als es für den ursprünglich geplanten Markomannen Feldzug nötig gewesen wäre. Tiberius war es damals selbst, der zwischen 12 – und 9 – Pannonien für das römische Reich erobert hatte. Unvorstellbar, dass er nun tatenlos zuschauen würde, wie sich 15 Jahre später seine Erfolge in Luft auflösen, und sein Kampf umsonst gewesen sein sollte. Den Aufstand in Pannonien nieder zu schlagen, bekam daher für ihn und das Imperium umso mehr die oberste Priorität. Selbst nur Teile aus seinen Legionen auszugliedern um sie wieder in ihre Garnisonen am Rhein zurück zu schicken, wird er nicht in Erwägung gezogen haben. Die Konsequenzen aus der neuen Lage waren für die römische Niederrhein Front in Nordwest Germanien augenscheinlich und sie dürften sich auf alle Planungen des Feldherrn Varus als sehr kritisch erweisen. Diese brisante Phase tiberianischer Wendemanöver könnte in die April bzw. Maitage des Jahres 6 + gefallen sein. Soweit die Ausgangslage zum Zeitpunkt der historischen Ereignisse im Frühjahr 6 +. Aber damit nicht genug, denn nun war für Tiberius guter Rat auch in anderer Hinsicht teuer, denn wie sollte er jetzt mit Marbod weiter verfahren, der nun irgendwo triumphierend in seiner Hütte saß. Und wie wird man Tiberius damals die Tragweite und Dimension des Aufstandes beschrieben haben und welche Vorbereitungen daraus resultierend hatte Tiberius nun zu treffen. Wie beurteilte er um dies Zeit die militärische Lage. Würden die zwölf für den Markomannen Feldzug zusammen gezogenen Legionen überhaupt ausreichen um damit in Pannonien etwas bewirken zu können. Was verrieten die Nachrichten aus Pannonien im Detail. Auf Armeeteile zu verzichten dürfte Tiberius bei der unklaren Informationslage sicherlich für zu gewagt gehalten haben, aber musste er nicht eventuell sogar auch noch an die Aufstockung seiner Truppe für Pannonien denken. Und wie wir wissen, dachte er nicht nur daran sondern er tat es auch. Hier, vielleicht irgendwo an einer strategisch günstigen Stelle des Böhmer - bzw. des Šumava Waldes, weit ab vom „teuto burgiensi saltu“ könnte damals auch von Tiberius eine schicksalhafte Vorentscheidung darüber mit gefallen sein, wie es nun mit Varus in Ostwestfalen weiter gehen sollte. Denn auch die angedachten bzw. von mir fiktiv ins Leben gerufenen zwei Legionen aus seinem Kontingent würde Tiberius im Pannonieneinsatz dringender brauchen und wird sie ihm in dieser heiklen Phase nicht wieder angegliedert haben. Varus war in keiner beneidenswerten Situation. Nach dieser Theorie würde ihm bis auf Weiteres ein nicht unbedeutender Teil an Legionären, die er für den Aufbau eingeplant hatte, nicht zur Verfügung stehen. Trotzdem hatte er die Pflicht und musste die Lage in Germanien stabil halten. Eine neue Provinz zu erschließen ließ sich nicht nach dem Reißbrett umsetzen und Varus wird seine Strategie den Gegebenheiten angepasst haben. Vorkehrungen für eine Schlacht brauchte er jedenfalls nicht treffen, da dies im Jahre 7 + in seinen Gedankenspielen nicht vor kam. Eines scheint aber klar gewesen zu sein. Varus musste dieser Hypothese nach in Unterzahl seine Ostwestfalen Mission im Jahre 7 + angehen, denn die Männer die einst aufbrachen um Marbod zu besiegen, wurden nun nach dem Schwenk in Richtung Donau in Pannonien mehr gebraucht. Möglicherweise sah Varus darin aber noch nicht einmal ein gravierendes Problem, denn der „Immensum Bellum“ hatte dauerhaft Wirkung hinterlassen, die Germanen in West - und Ostwestfalen waren stark geschwächt und in den Cheruskern sah Varus in dieser Zeit noch vertragstreue Partner und Verbündete, denn ein römischer Ritter Arminius und sein Bruder Flavus hielten bekanntlich für Rom ihre Köpfe hin. Vermutlich rechnete er auch wieder mit Aufstockungen durch ihm möglicherweise zugesagte zurück fließende oder andere Verbände aus Gallien. Aber welchen Truppenbedarf hatte Tiberius in Pannonien. Es ist überliefert, dass ihm für diesen Einsatz drei Legionen mehr zur Verfügung standen als gegen Marbod. Es gibt gute Hinweise dafür, wo und wie er diesen zusätzlichen Bedarf an Kämpfern deckte. Einer Anweisung oder besser gesagt, wohl dem Befehl von Augustus oder Tiberius auch an Varus Kräfte für Pannonien abzustellen, konnte er sich wie ich konstatierte sowieso nicht widersetzen. Varus durfte und wollte es letztlich auch nicht, denn auch schon der Markomannen Feldzug geschah aus einer imperial übergeordneten Interessenslage heraus, die das gesamte System berührte und der Pannonienaufstand erreichte noch eine ganz andere Dimension und nahm für das Reich weit aus kritischere Ausmaße an als der Markomannen Feldzug. Da aber Tiberius noch bis 6 + als Statthalter von Niedergermanien erwähnt wird, könnte er auch selbst die Anweisung an die Kommandanten gegeben haben, noch weitere Kräfte für Pannonien abzustellen. Nach dem „Immensum Bellum“ war und blieb es aber sehr ruhig in Germanien und Varus hatte noch nicht den negativen Ruf, den er später bekam. Sollten germanische Hilfstruppen in diesem Fall auch Cherusker wie ich nicht ausschließen möchte, auch schon für den Feldzug gegen Marbod angeheuert oder verpflichtet worden sein, so hätte Tiberius auch diese bereits im Herbst/Winter 5 + / 6 + ausheben müssen, da der Aufmarsch gegen die Markomannen im Frühjahr 6 + beginnen sollte. Dies ist möglich, aber nicht nachweisbar. Als damals Tiberius noch gegen Marbod und noch nicht für Pannonien mobilisieren brauchte, sprach sich das auch bis Ostwestfalen durch. Die ausgelösten Truppenbewegungen und Verschiebungen an der gesamten Rheingrenze ließen sich nicht verheimlichen. Als aber die Armeen des Tiberius im Frühjahr 6 + gegen Marbod ausrückten und kurz darauf gegen Pannonien gerichtet wurden, lag in Ostwestfalen ein mögliches Anrücken der Varusarmee ein Jahr später im Frühjahr 7 + unvorhersehbar und in weiter Ferne. Es wird angenommen, dass Arminius erst zu jenen Cheruskern gehörte, die sich Tiberius anschlossen, als er seine Armee auf 125.000 Soldaten für Pannonien aufstocken musste. Arminius wird in diesen Zeiten noch ein anderer Mensch gewesen sein. So könnte er demnach auch erst im Sommer oder Herbst des Jahres 6 + zur Tiberius Armee stieß und demzufolge am Markomannen Feldzug noch nicht teilnahm. Es bleibt im Dunklen, aber diese Überlegung ist letztlich für die Gesamtbetrachtung auch unerheblich, da sie keinerlei Auswirkungen auf den Verlauf der Varusschlacht hatte. Aufgrund der umfangreichen infrastrukturellen Maßnahmen parallel zur Lippe und darüber hinaus sowie der Fülle an Funden aus jener Zeit nimmt man an, dass die zahlreichen Kastelle Hafenanlagen und Wegebaumaßnahmen auch in der Zeit als Varus Statthalter war, fort gesetzt wurden. Darauf basierend wird als gegeben angenommen, dass Varus es unmittelbar nach Amtsantritt auch darauf anlegte, nach Ostwestfalen auszurücken, da es für ihn viel zu tun gab. Diese wäre demnach das Jahr 7 + gewesen. Spätestens also als Varus im Frühjahr des Jahres 7 + Xanten verließ, um die weiteren Erschließungsarbeiten in Ostwestfalen anzuordnen oder fortzuführen, kämpfte sein späterer Gegenspieler und Erzfeind Arminius bereits für Rom in Pannonien. Varus querte Ostwestfalen folglich in einer Zeit, als der Aufstand in Pannonien vermutlich seinen Höhenpunkt erreichte oder ihm entgegen steuerte und Tiberius seine ganzen und vielleicht sogar letzten Kräfte gegen die Aufständischen werfen musste, denn der Sieg in Pannonien musste wie man von der Schlacht in den Volcäischen Sümpfen weiß, überall schwer erkämpft werden. So könnte sich in etwa die Chronologie vor und nach dem gestoppten Markomannen Feldzug vollzogen haben. Die alten Herren Segimer und Segestes vermutlich noch in trauter Eintracht mit einander verbunden, handelten mit Varus in diesen Tagen noch den einen oder anderen „Knebelvertrag“ mit Varus aus. Aber in dieser Zeit fiel auch die personelle Schwäche der Varuslegionen noch nicht ins Gewicht, denn sie wurden an keiner Stelle heraus gefordert. Aber so einfach war es nicht. Denn als die bittere Nachricht und das nur fünf Tagesmärsche vor der ersten Feindberührung mit Marbod aus Pannonien eintraf, stellte sich für Tiberius die peinliche Frage, wie denn nun ein sicherlich sehr erstaunter König Marbod auf die plötzlich veränderte Lage reagieren würde. Vergegenwärtigen wir uns seine komfortable Situation. Marbod und seine Oberhäupter sahen in der Ferne ein gewaltiges Heer bestehend aus 12 zu allem bereiten Legionen in zwei Blöcken auf sich zu marschieren, er hatte alle seine Kämpfer sozusagen bis auf den letzten Mann mobilisiert und einen Schlacht- oder notfalls auch einen Rückzugsplan ausgearbeitet. Immer vorausgesetzt er hatte nicht an eine frühzeitige Kapitulation gedacht. Nun erlebte er wie ihm offensichtlich höhere Mächte seine Geschicke aus der Hand nahmen. Welchem Gott hatte er das nur zu verdanken. Wie muss er sich gefühlt haben, als er statt der erwarteten römischen Phalanx im Morgengrauen eine Gruppe Emissäre und Unterhändler in römischen Uniformen auf sein Lager zu reiten sah. Womöglich noch völlig ungewohnt weiße Fahnen schwenkend, die ihm nun ein Gesprächsangebot mit Tiberius, seinem schärfsten Widersacher in Aussicht stellen wollten. Aus der Not geboren, war Tiberius nahezu im Handumdrehen gezwungen, mit seinem ärgsten Gegner von gestern einen für das Imperium höchst unangenehmen, aber doch einen Freundschaftsvertrag genannten Pyrrhusfrieden zu schließen. Eine kaum zu überbietende Schmach und Demütigung für das stolze Imperium, dass sich Tiberius nun zu ihm herab lassen musste. Es gab also kaum eine Alternative, als dass es zu einem sehr fragwürdigen und zerbrechlichen Frieden kommen musste, über den Paterculus später einmal sagte „Marbod habe nun Krieg und Frieden gleichermaßen in der Hand gehalten“. Mit anderen Worten, Tiberius gab Marbod nahezu freie Hand in Germanien, gleich ob er Krieg oder Frieden bevorzugte, Hauptsache er ließ sich besänftigen und Tiberius konnte Pannonien für das Imperium retten. Denn nun galt es vordringlich das Heimatland Italien zu schützen, dem die Aufständischen in Pannonien sogar mit Knechtschaft gedroht hatten. Keiner hat uns überliefert was Tiberius und Marbod gemeinsam aushandelten. Aber was könnte und musste Tiberius ihm alles versprochen und zugesagt haben, um ihm das Versprechen abzuhandeln, Revanchegelüste gleich welcher Art zu unterdrücken. Möglicherweise ließ er ihm unter der Auflage das Imperium nicht anzutasten sogar freie Hand für weitere Abenteuer in Germanien. Das Imperium provozieren brauchte Marbod jetzt jedenfalls nicht mehr, denn es kroch sozusagen vor ihm im Staub. All dies klingt so phantastisch, als ob irgendwo in den Wälder Germaniens bereits unterschriftsreife Vereinbarungen existierten die Tiberius und Marbod nur per Handschlag absegnen brauchten, aber so wird es nicht gewesen sein. Verträge in der damaligen Zeit konnten eine sehr kurze Lebensdauer haben aber das so genannte Verhandlungsergebnis stand dann doch irgendwann und Tiberius konnte sich nach Pannonien begeben. Wie man aber dieses seltsam zustande gekommene Stillhalteabkommen zwischen den zwei Großmächten allerdings auf Ostwestfalen bezogen unter den Cheruskern aber auch den anderen germanischen Stämmen die bis zur Elbe und darüber hinaus siedelten bewertete, ist fraglich. Vermutlich noch im Frühsommer 6 + veränderte der Aufstand in Pannonien somit von einem Tag auf den anderen die gesamte geostrategische Lage in Zentralgermanien. Im Jahre 6 + war Ostwestfalen im Zuge des Flächenbrandkrieges des „Immensum Bellum“ noch zu stark geschwächt und daher unfähig jeder Art Widerstandsgedanken gegen wen auch immer zu hegen. Aber nun spielten aufgrund der aktuellen Ereignisse in Pannonien plötzlich die Markomannen eine dominante Rolle, die bis nach Ostwestfalen ausstrahlte. Willfährige und von Marbod abhängige Kleinstämme konnten nun unkontrolliert oder sogar im verdeckten Auftrag Marbods auch in Thüringen oder in die Harzregion einfallen um dort frei schalten und walten zu können. Marbod hätte ungestraft jede Beteiligung daran zurück weisen können und konnte auf diese Weise sogar seine Zusagen gegenüber Tiberius bequem einhalten. Alles war denkbar, alles war ihm zuzutrauen und alles hätte für die Region an der Mittelweser gefährlich werden können. Der germanische Stamm der Markomannen, der nach seiner Niederlage gegen Rom 9 - seine alten Wohnsitze am Main verlassen musste und nach Böhmen abwanderte bzw. sich dahin rettete war dagegen wieder erstarkt und aus der Asche auferstanden. Sie standen von Harz und Weser nur einige Tagesmärsche entfernter, als die nun durch den Pannonien Aufstand eingeschränkt angriffsfähigen und zur Zurückhaltung gezwungenen Römer am Niederrhein. In Germanien sprich in Ostwestfalen und Südniedersachsen gingen alle diese bedrohlichen Nachrichten wie Lauffeuer durch die Fürstenhöfe. Denn nun deutete sich für die Region an der Weser schon nahezu ein Zweifrontenkrieg ab. Im Südosten lauerten die Markomannen und ihre Vasallen und im Westen der ungeliebte neue Vertragspartner Rom, von dem man auch nicht wusste was man von ihm, der sie gerade mit Krieg überzogen hatte, erwarten sollte. Was tat die Altwelt in derartigen Fällen ? Wie überall, sie schaute sich nach neuen Bündnispartnern um und schmiedete neue Allianzen um sich nötigenfalls dieser möglichen Gefahrenlage durch die Markomannen entgegen stellen zu können. Für den Fall, dass diese die Absicht haben sollten, dass römische Vakuum in Ostwestfalen für ihre Interessen im Zuge des römischen Zwangsfriedens zu nutzen, so wären sie gerüstet gewesen. Und nun hatte Varus ausgerechnet in dieser Umbruchzeit seine Provinzpläne für Ostwestfalen gefasst bzw. wollte sie umsetzen und nicht aufgeben. In einer Phase in der man die letzten Kräfte nicht mobilisieren sollte und derartige Eskapaden eigentlich unterlassen müsste. Auch dann, wenn sie in Ostwestfalen für scheinbar friedliche Aktionen gedacht waren. Das es nun nicht zu einem Angriff von Marbod nach diesem für ihn aus dem Himmel gefallenen Friedensabkommen im Frühjahr 6 + gegen die neue römische Wesergrenze im Osten kommen würde, war natürlich in der zweiten Hälfte des Jahres 6 + noch von keiner Seite zu erahnen. Denn auch die Pläne des Feldherrn Varus lagen in dieser Zeit noch verdeckt in der Schublade. Man musste sich aber im römischen Beraterstab in weiser Voraussicht darauf vorbereiten, dass sich ein Marbod nicht an das Handschlag Abkommen mit Tiberius halten würde und folglich die Gunst der Stunde nutzten könnte, um in Germanien freies Spiel zu haben, so wie es auch Paterculus andeutete. Tiberius wird sich also auch weiterhin gedanklich mit allen Fronten und Gefahrenherden des Imperiums beschäftigt haben und nicht nur mit dem aktuellen Brandherd Pannonien. Er war in einer misslichen Lage, denn er befand sich nach dem Gewaltschwenk im Sommer 6 + auf dem Zug nach Pannonien und konnte sich über die Vertragstreue eines hinter sich zurück gelassenen Marbod nicht absolut sicher sein. Keine gute Ausgangslage kurz vor einem neuen Krieg. Tiberius kannte andererseits natürlich die Pläne von Varus nach Ostwestfalen zu ziehen, denn Varus wird es nicht eigenmächtig also aus freien Stücken angegangen sein, ohne sich vorher mit den Großen des Reiches beraten zu haben. Pläne die man schon fasste, als man noch davon ausging, man könne Marbod im Zuge eines einzigen erfolgreichen Sommerfeldzuges im Jahre 6 + nieder werfen. Davon war nun keine Rede mehr und die Lage hatte sich eher ins Gegenteil gekehrt. In Tiberius sehe ich aufgrund seiner heraus ragenden Stellung eine Person, die ich noch hierarchisch zwischen Varus und Kaiser Augustus schieben möchte und halte ihn daher Varus gegenüber wenn nicht sogar für weisungsbefugt, so doch in einer Position der Stärke die Varus nicht ignorieren konnte. Denn Tiberius stellte schließlich noch in seiner Zeit als Statthalter von Niedergermanien das Heer gegen Marbod auf und er musste entscheiden wie viel Mann er dafür einsetzte und wo er sie heraus zog. Tiberius stand folglich wieder vor schwierigen politischen Entscheidungen. Sollte er Varus vielleicht besser aufgrund des neu entstandenen Sicherheitsrisikos für ihn und seine geschwächte Heeresgruppe von Ostwestfalen wieder an die Rheingrenze in die sicheren Standlager zurück beordern bzw. ihm dies mit Nachdruck dringend nahe legen. Aber Marbod kannte wohl ebenfalls die Pläne, dass Varus beabsichtigte im Osten neue Marken im „Auguensischen“ zu festigen und Grenzen für das Imperium zu ziehen. In diesem Fall hätte Marbod den Rückzug als eine Schwäche Roms auslegen können. Andererseits konnte er es auch als einen Akt des Misstrauens gegenüber seiner Person und damit seiner Vertragstreue verstehen. Als ob man damit indirekt seine Zuverlässigkeit in Abrede stellen würde, was bei empfindsamen Menschen schon für einen Zwist ausgereicht haben könnte. Letztlich konnte er den Verbleib von Varus in den Rheinkastellen aber auch noch als eine Einladung und ein stilles Einverständnis sehen, dass man von römischer Seite bereit war Ostwestfalen in seinen Machtbereich übergehen zu lassen. Würde er aber Varus seine Vorbereitungen in Ostwestfalen weiter führen lassen, so bewies er Führungsstärke, Vertrauen in den Vertragsabschluss mit Marbod was ihm schmeichelte, man konnte die Strategie der Kontinuität und Zuverlässigkeit fortsetzen und neue Gebiete für Rom annektieren. Die Provinzialisierung konnte also ungeachtet der bedrohlichen Entwicklung im Südosten weiter geführt werden. Ein unklares Machtvakuum wollte Tiberius an der Weser im Raum Ostwestfalen nicht hinterlassen, schließlich hatte er dafür gekämpft. Aber Tiberius erreichte noch ein weiteres Ziel, in dem er Varus nicht aus Ostwestfalen zurück hielt. Er festigte und stabilisierte damit die Weser endgültig als die neue römische Ostgrenze und damit auch als eine Demarkationslinie gegenüber den Markomannen und das umfasste auch den Verlauf der Werra über Hedemünden hinaus. So führte er das zu Ende, was schon sein Bruder Drusus begonnen hatte. Denn es ist überliefert, dass Drusus zur Sicherung der Provinzen Wallanlagen und feste Plätze auch an der Weser errichtete, was man lange nicht glauben wollte. Da es auch in diesem Abschnitt um den Versuch geht darzustellen, mit welch schwacher militärischer Stärke im Rücken Varus letztlich seine Mission in Ostwestfalen anging, fällt dem Markomannen Feldzug eine nicht unwichtige Bedeutung zu. Tiberius musste für seinen Feldzug 6 + meiner Auffassung nach zwangsläufig auch auf Legionen zurück greifen, die am Niederrhein ihre Standlager hatten. Die zwar später Varus unterstanden, die ihm dann aber ab 7 + nicht mehr zur Verfügung standen. Denn nur so gelang es Tiberius die überlieferte Anzahl von 12 Legionen überhaupt zu erreichen. Da meine Hochrechnung niedrig ansetzt, in dem ich davon ausgehe, dass Tiberius nur zwei niederrheinische Legionen nach Böhmen befehligte die er später auch mit an die Pannonienfront nahm, stellt sich die Frage mit wie viel Legionen Varus auf seinem ersten Zug nach Ostwestfalen im Jahre 7 + aufbrach. Es ist auch an keiner Stelle überliefert, dass sich Varus in den Jahren 7 + und 8 + überhaupt in Ostwestfalen aufhielt. Diese Schlussfolgerungen werden wie bereits dargestellt davon abgeleitet, dass Varus vermutlich im Jahre 7 + als Statthalter eingesetzt wurde und die Aufgabe hatte Germanien in eine Provinz zu verwandeln. Da es einen erheblichen römischen Fundus im Münsterland an der Lippe und darüber hinaus gibt, die auf die Anwesenheit römischer Soldaten hinweisen nimmt man an, dass diese zahlreichen Hinweise nicht nur auf das Jahr 9 + zurück zu führen sind, dem Jahr in dem die drei Varuslegionen umkamen, sondern auch auf die unmittelbaren Jahre davor. Da die nach Böhmen entsendeten Legionen aus dem Machtbereich von Varus nach dem Abbruch des Markomannen Feldzug für den Pannonieneinsatz benötigt wurden, musste Varus zwangsläufig noch bis zum Ende des Pannonienkrieges auch auf diese zwei Legionen verzichten. Der Pannonieneinsatz wurde im Jahre 8 + beendet, so dass auch erst im Verlauf dieses Jahres beide Legionen wieder zurück an den Rhein marschieren konnten um sich wieder den anderen Varuslegionen anschließen zu können. Dabei könnte sich theoretisch auch Arminius mit seinen Cheruskern unter diesen Legionen befunden haben. Zweifellos und das ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil meiner Theorie hat auch nicht jeder Legionär aus diesen zwei Legionen den Pannonienkrieg gesund überstanden bzw. überlebt. Wenn diese im Jahre 8 + wieder in die Truppen am Niederrhein integriert wurden, so sicherlich nicht in der vollen Kampfstärke in der sie einst die Region im Jahre 5 + / 6 + verließen. Sollten diese zwei gerupften Rumpflegionen später mit zum Bestand der Legionen in der Varusschlacht gehört haben, so wäre daraus ein erneuter Hinweis abzuleiten, dass im Nethegau und im Teutoburgiensi Saltu nur vor geschwächte Legionen gegen die Germanen ins Feld geführt werden konnten. Ein weiterer Beleg dafür, dass zwar in der Varusschlacht die besagten drei Legionen umkamen, aber beileibe nicht in der angenommenen Sollstärke. Somit auch ein zusätzliches Indiz dafür, dass es die Germanen mit einem weit aus weniger gefährlichen Gegner zu tun hatten, als es der Hinweis auf die bloße Zahl dreier umgekommener Legionen zulässt. Daraus lässt sich wiederum ableiten, dass im Jahre 9 + auch auf germanischer Seite nicht die Anzahl an Kämpfern zu den Waffen greifen brauchte, wie häufig angenommen wird. Die Varusschlacht könnte durch diesen Umstand für die Germanen „Gewinnbarer“ geworden sein. Möglicherweise fiele damit auch etwas vom „schönen nationalen Glanz“ ab, der die Schlacht umgibt und sie zu etwas Besonderem in der deutschen Geschichte machte, aber das muss man in kauf nehmen. Die Varusschlacht war wie durch die historischen Hinweise belegt ist, trotzdem kein Leichtgewicht für alle daran beteiligten Kämpfer. Ihre historische Bedeutung ist zudem ungleich höher einzustufen und lässt sich nicht allein auf Basis der Anzahl umgekommener Kämpfer bewerten. Die germanische Sichtweise der Ereignisse trug wiederum gänzlich andere Züge, als die Gedanken die sich damals ein Marbod ein Varus oder ein Tiberius machen mussten. Denn es waren ihre ureigenen Stammesgebiete und ihr Grund und Boden, über den hier andere Mächte verfügen wollten. Aber sie waren in der Zeit nur das schwächere Glied und nur der dritte Spieler im Bunde mit den zwei großen Mächten westlich und östlich von ihnen. Was sich aber in Bälde grundsätzlich ändern sollte. Im Jahre 6 + als sich Rom gegen Marbod rüstete, wussten die Germanen in Ostwestfalen noch nicht, dass sich der glückliche Marbod im Amt halten konnte und das alles in einen großen Pannonienkrieg münden würde. Des Weiteren ahnte im Frühjahr 6 + auch noch keiner, dass mal ein Statthalter Varus an ihre Türen klopfen würde, um sich ihr Land anzueignen und sie zu Sklaven machen wollte. Als aber gegen alle Erwartungen Tiberius mit Marbod Frieden schließen musste und ein Varus noch nicht auf der Bildfläche erschien, sahen die Germanen nur die Gefahr sich möglicherweise gegen einen vor Kraft strotzenden Marbod zur Wehr setzen zu müssen. So beschlossen sie vermutlich wie bereits angedeutet, im Jahre 6 + dem eine eigene Allianz entgegen zu setzen. Hier löste möglicherweise auch eine innergermanische Gefahr den Druck aus größere Bündnisse schließen zu müssen und nicht der viel beschworene Kontakt zur mediterranen Welt. Drohendes Ungemach aus Westen war 6 + für die Wesergermanen noch nicht in Sicht und die Markomannen hielten sich nach dem böhmischen Friedensvertrag mit Tiberius aus Ostwestfalen zurück. Aber das konnte 6 + in Ostwestfalen noch keiner wissen. Aber man könnte annehmen, dass dieses einst aufgrund des erstarkten Marbod eingegangene Bündnis innerhalb der Germanenstämme noch eine neue Bedeutung bekommen sollte. Denn es war langlebiger, als man meinen sollte und hielt sich noch bis ins Jahre 9 + wo es sich dann im Zuge der Varusschlacht wieder bemerkbar gemacht haben könnte, da es gebraucht wurde und sogar darüber hinaus. Jedoch dann nicht um einem Feind aus dem Osten entgegen treten zu müssen, sondern um gegen das römische Joch zu rebellieren. Anhand dieser Darstellung lässt sich ablesen wie Komplex die Lage damals schon in Ostwestfalen war und das sich die Varusschlacht innerhalb eines voluminösen Pulverfasses entzündete, in das auch viele andere Interessen hinein spielten. Man war nun aus römischer Sicht betrachtet in dieser bedrohlichen Zeit schon gut beraten, wenigstens die Weser behaupten zu können und moderne Historiker die schon in der Elbe eine leicht erreichbare römische Ostgrenze zu erkennen glaubten, mussten bis auf weiteres ihre Visionen begraben. Als Augustus seufzte und um Varus und seine Legionen trauernd im Jahre 9 + mit Sorge nach Germanien blickte, galt sein Hauptaugenmerk wohl einem ganz anderen Problem. Denn mit Mühe hatten seine Truppen soeben den dalmatinischen Aufstand nieder geschlagen und nun befürchtete er unmittelbar nach der Varusschlacht, dass auf seine Truppen auch an der Weser neue Herausforderungen warten würden. Varus war zwar tot, aber Marbod lebte und er verfügte immer noch über die unumschränkte Macht im heutigen Mitteldeutschland und konnte nach der Niederlage von Varus über Nacht im Verbund mit anderen Germanen plötzlich und erneut zum ernsthaften Gegner für Rom werden. Das sich Marbod danach noch so kooperativ und beinahe zahm zeigen sollte, hatte wohl kaum einer in Rom oder irgendwo anders von ihm erwartet, als er den wieder ausgegrabenen Kopf des Varus als Zeichen seiner Treue weiter reichte. Und schon gar nicht Arminius. Das aber die Markomannen sogar Ende des 2. Jahrhunderts immer noch als nicht besiegt galten, konnten die alten Protagonisten zu den Zeiten des Kaiser Augustus auch noch nicht ahnen. Marbod erkannte zwar aus seinem Blickwinkel die geschwächten Legionen nach dem Aufstand in Pannonien und wusste auch um die vernichteten Varuslegionen. Er nutzte aber die Gelegenheit nicht aus, um danach zum großen Gegenschlag auszuholen, obwohl er an der Weser auf ein stark angeschlagenes Imperium und auf Kampfes müde Germanen gestoßen wäre. (27.12.2018)

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Samstag, 22. Dezember 2018
Distanz Simulation zum Markomannen Feldzug

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Varus und die geopolitische Lage seiner Zeit
In der tragischen Gestalt des Varus liegt der Auslöser einer frühen revolutionären Bewegung von Teilen der Rhein - Weser Germanen gegen die römische Obrigkeit. Er lebte in einer Zeit größter Umwälzungen und konnte sich die Bedingungen nicht aussuchen, unter denen er arbeiten musste und die Gesellschaft im Sinne Roms verändern sollte. Er war es in Person, der letztlich eine bis dato in Europa nie dokumentierte Kettenreaktion der Gewalt in Gang setzte, die sechs Jahre nach seinem Tod unter der Führung des Feldherrn Germanicus einsetzte. Eigentlich sollten die Kämpfe die Rückeroberung verlorener Gebiete zum Ziel haben, sie scheiterten jedoch nach drei Jahren auf ganzer Linie und wurden von Tiberius beendet. Etwa ein Dutzend Schlachten lieferte sich das Imperium in dieser Zeit bis zum Jahr 16 + mit den Germanen. Die massive Wucht dieses Krieges wurde vermutlich erst von den Schlachten des "Dreißigjährigen Krieges" und somit über 1600 Jahre später getoppt. Varus betrat in Germanien im Vergleich zur Levante Neuland und stieß im Norden auf anders gelagerte archaische Strukturen und einen aus mentaler Hinsicht widerstandsfähigen Menschenschlag. Er rieb sich in seinem neuen Verantwortungsbereich mit für ihn bis dato unbekannten Sitten, aber er geriet auch selbst in eine turbulente Epoche damaliger Zeitgeschichte in der alles möglich schien und sich die Ereignisse überschlugen. Im Sog der anfänglich erfolgreich und schwunghaft voran getriebenen Flächengewinne im Zuge des "Immensum bellum" gelangte Varus an den Niederrhein und wurde letztlich bis in die Egge nach Ostwestfalen und an die Weser gespült. Der Krieg des "Immensum bellum" ging im Jahre 5 + für das Imperium siegreich zu Ende und wird mit "Gewaltiger Krieg" übersetzt, aber auch als Flächenbrandkrieg bezeichnet. Direkt am Anfang seiner Statthalterschaft in Germanien bekam er die Auswirkungen des Markomannen Feldzuges zu spüren, der im Frühjahr 6 + begann. Der noch im gleichen Jahr 6 + ausbrechende dalmatinisch/ pannonische Konflikt, der bis in das Jahr 9 + andauern sollte, löste in der Konsequenz den letztlich ergebnislos abgebrochenen, dafür aber für das Imperium ohne Verluste verlaufenden Markomannen Feldzug ab. Allerdings kostete dafür der Pannonische Aufstand das Imperium viel Kraft sprich viele Soldaten. Varus war der Mann den Rom bevorzugt an die äußersten Grenzen seines Imperiums entsandte. Varus war allerdings nicht der geborene Feldherrn, dafür hatte das römische Reich bessere Leute. Aber er war vom ersten Augenblick an in der Germania inferior nicht auf Rosen gebettet und auch nur ein Rad im Getriebe des mächtigen römischen Militär- und Verwaltungsapparates, der zu funktionieren hatte. Alle kriegerischen Ereignisse unmittelbar vor und während seiner nur wenige Jahre andauernden Amtszeit, bis hin zu seinem tragischen Selbstmord überschatteten daher zwangsläufig sein Tun und Wirken und verlangten von ihm die volle Unterstützung aller römischen Militäroperationen in logistischer Hinsicht. Dieser Abschnitt wird sich daher der wichtigen Frage widmen, welche Auswirkungen Varus möglicherweise von alledem zu spüren bekam. Zuvorderst daher die Frage, inwieweit das ihm für die Erfüllung seiner neuen Aufgaben zur Verfügung stehende militärische Kontingent von den kriegerischen Ereignissen die südöstlich von ihm statt fanden betroffen war. Herausforderungen die noch aus dem Markomannen Feldzug des Jahres 6 + vor seiner Zeit resultierten, oder in den Zeitraum des pannonisch - dalmatinischen Aufstandes fielen, der im Herbst 9 + parallel zur Varusschlacht endete. Den Markomannen Feldzug und den dalmatinisch/pannonischen Aufstand könnte man daher indirekt auch als ein Doppelereignis einstufen. Es fiel jedenfalls in die kurze Phase, in der er Statthalter in Germanien war. Und schlussendlich die alles entscheidende Frage, ob sich der mit diesen heftigen Kämpfen in Pannonien verbundene Aderlass unter den gut ausgebildeten römischen Legionären sogar noch bis in die Varusschlacht im Herbst des Jahres 9 + bemerkbar gemacht haben könnte. Der Markomannen Feldzug der im Frühjahr 6 + begann, erforderte die Mobilmachung von immerhin zwölf römischen Legionen ohne Hilfskräfte. Und immer unter der Prämisse betrachtet, dass aufgrund dieser enormen Truppenkonzentration auch Militär vom niederrheinischen Abschnitt, also aus dem Pool der später Varus unterstellten Legionen abgezogen werden musste, stellen sich weitere Fragen. Welche Legionen könnten es gewesen sein, die man für die Kämpfe aus dem Niederrheingebiet abgezogen hätte. Wann kommandierte man sie ab. Über welchen Zeitraum musste Varus auf sie verzichten. Welche Kontingente beließ man ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben und inwieweit dünnte man diese Kräfte möglicherweise obendrein noch aus. In der Folge dann die Fragen, welche Legionen nach Beendigung der Kämpfe und wann wieder an ihn zurück flossen und auch in welcher Stärke und Kampfkraft dies geschah. Realistisch ausgedrückt kommen wir der Sache am Nächsten wenn wir uns die Kernfrage stellen, wie viele Legionäre ihr Leben in Illyrien, dem altgriechischen Namen der Pannonien Region lassen mussten, oder gesundheitlich so angeschlagen waren, dass sie später nicht mehr imstande waren als vollwertiger Legionär am Niederrhein dienen zu können. Wie wir anhand der Kennnummern wissen, wurden die drei Legionen XVII, XVIII und XIX bis auf wenige Überlebende in der Varusschlacht aufgerieben. Die Legion I Germanica und die Legion V Alaudea die dem Varus Neffen Asprenas unterstellt waren konnten sich damals retten. Wir sind allerdings über die Kampfkraft der drei unter gegangenen Legionen völlig im Unklaren und daher auf Schätzungen angewiesen. Eines wissen wir aber mit Bestimmtheit, dass nämlich diese drei Legionen im Jahre 9 + definitiv an der Schlacht beteiligt waren, da sie uns überliefert wurden. Sie erscheinen uns, also im Jahre 9 + zumindest dem Papier nach, wie drei volle und kampffähige Legionen, obwohl hinter ihre Iststärke in der Schlacht ein großes Fragezeichen zu setzen ist. Ob aber alle diese drei Legionen auch in den Jahren vor der Varusschlacht, also in den Jahren 6 + bis 8 + als Varus bereits als Statthalter in Germanien residierte, überhaupt durchgängig im heutigen Rheinland, West- und Ostfalen präsent waren ist ebenfalls unbekannt und öffnet die Tür für weitere handfeste Spekulationen. Lässt man sie zu, so ließe sich dadurch eine weitere von mir aufgestellte Hypothese stärken. Zieht man dies also in Zweifel, so könnten sich dadurch auch die Voraussetzungen für die Varusschlacht in einem völlig anderem Rahmen vollzogen haben und müssten unter neuem Licht betrachtet werden. Denn der begründete Verdacht liegt nahe, dass Varus diese drei Legionen in den Jahren zwischen 6 + und 8 + möglicherweise gar nicht zur Verfügung gestanden haben könnten, da sie erst danach wieder zurück verlegt wurden. So hat sich bislang immer jeder Historiker auf die theoretische Sollstärke einer römischen Legion gestützt, die aber in den seltensten Fällen erreicht wurde. Eine theoretische Kampfkraft ist aber eine undefinierbare und beliebige Größe. Alle Modellrechnungen zur varianischen Truppenstärke, sowohl was die Zeit vor, als auch während der Varusschlacht anbelangt, dürften wohl grundsätzlich auf zu hoch angesetztem Kräfteverhältnissen beruhen. Da ich historische Anhaltspunkte vorlege, die noch für weitere Reduktionen sprechen, unterliegen alle Zahlenwerke einer kontinuierlichen Notwendigkeit steter Neujustierung. Man möchte schon fasst sagen, dass uns so manche Zahlen mangels besserem Wissens immer nur das Scheinbild römischer Überlegenheit vorgegaukelt haben könnten. Aus diesen Gedankengängen lassen sich nun viele neue Theorien ableiten, ältere hingegen müssen wieder auf den Prüfstand der Plausibilität. Vieles könnte demzufolge unmittelbare Auswirkungen auf den Verlauf der Varusschlacht gehabt haben. So zum Beispiel die Marschzuglänge, eine immer wieder diskutierte und in Betracht gezogene Komponente, wenn es um die Bewertung von Zeitbedarf, Marschleistung und Truppenstärke geht. Oder die für die Schanzarbeit genannten "drei Legionen", die den Aufbau des "prima vari castra" bewerkstelligt haben sollen, um hier nur diese zwei Alternativen zu nennen. Alles würde aber die bisherigen Theorien auf den Kopf stellen, käme man zu dem Ergebnis, Varus musste mangels Legionären die Varusschlacht sozusagen nur mit einem Heer in erheblicher Unterzahl geschlagen haben und sie schon allein deswegen mit Pauken und Trompeten verlieren. Seine ursprüngliche Aufgabe in Germanien bestand in der Konsequenz zuerst einmal nur daraus, dem gewaltigen Machthunger des Imperiums, auf den die maximale Ausbeutung im Verbund mit der aufgezwungenen Zivilisation folgte, die nötige Struktur aufzudrücken. Allgemein nimmt man an, dass er um die Jahreswende 6 + / 7 + sein Amt angetreten haben könnte. Varus profitierte dabei von der stabilen militärischen Lage, die Tiberius ihm im Zuge des erfolgreich zu Ende geführten "Immensum bellum" Krieges im Jahre 5 + hinterlassen hatte und an dem wegen der räumlichen Nähe zu den Niederrhein Kastellen auch die ihm später unterstellten Legionen ihren robusten Anteil gehabt haben dürften. Andererseits hatte Varus diesen erobernden Feldzügen quer durch den Norden Germaniens bis an die Elbe auch erst seine Berufung in den Nordwesten Germaniens zu verdanken. Tiberius hatte seine Vorleistungen erbracht, war selbst von 4 + bis etwa 6 + sein Vorgänger auf dem Stuhl des Statthalters von Niedergermanien und hielt nun Ausschau nach neuen Taten und plante nach dem "Immensum bellum" Größeres. Er hatte im Zuge dieses Germanenkrieges dem Imperium offensichtlich einen grandiosen und flächendeckenden Sieg beschert, der den Kaiser in seiner "Res gestae divi Augusti" und Velleius Paterculus zum Schwärmen verleitete. Paterculus brachte es wohl wissend auf den Punkt, dass nur noch die Markomannen Tiberius und dem Kaiser in Rom ein Dorn im Auge gewesen waren. Was war daher für Tiberius nicht nahe liegender, als nun auch das große Ziel anzugehen, nach Gallien jetzt auch weite Teile Germanien ins Imperium einzuverleiben. Tiberius kämpfte im Zuge des "Immensum bellum" bis ins Jahr 5 + in Nordwest Germanien, lernte dabei die Stärke und Kampfkraft der späteren "Varuslegionen" kennen und schätzen und verließ die Region vermutlich bereits in der Endphase, um sich seiner neuen Aufgabe nämlich dem Markomannen Feldzug zu widmen. Und aus diesen Ereignissen zu schlussfolgern, dass auch die Legionäre aus den niederrheinischen Kastellen ihren späteren Beitrag gegen Marbod zu leisten hatten, erfordert daher sicherlich keine großen Gedankensprünge. Jetzt wo es für Tiberius galt eine schlagkräftige Truppe gegen Marbod aufzustellen, war jegliches strategische Wissen für ihn von Vorteil. All das kann uns auch in die Hände spielen, wenn es um die Beurteilung der Kräfte geht, die dem Imperium dann noch im Jahre 9 + im Zuge der Varusschlacht zur Verfügung gestanden haben könnten. Denn mit dem Entzug von Legionen für den Markomannen Feldzug, ausgelöst durch die damalige politische Großwetterlage, der sich auch keine römische Provinz entziehen konnte, kommt ein weiterer Umstand hinzu, der später auch zur Schwächung der Streitkräfte auf römischer Seite anlässlich der Varusschlacht führen konnte. Diese Sachlage bzw. die damit verbundene Auszehrung römischer Verbände, konnte die Pläne der Cherusker zusätzlich begünstigt haben und ihnen, wenn nicht sogar den Sieg geschenkt, ihn ihnen aber doch leichter gemacht haben. Es ist anzunehmen, dass Tiberius den Legionskommandanten die er dazu bestimmte ihn später zu unterstützen sozusagen schon beim Rückmarsch nach dem "Immensum bellum" die Einsatzpläne bzw. Stellungsbefehle für den Markomannen Feldzug übermittelte. "Immensum bellum" und Markomannen Feldzug gingen sozusagen nahtlos ineinander über und wenn man so will, dann ging auch der Pannonien Aufstand nahtlos in den Markomannen Feldzug über. Wir erleben hier praktisch einen Kraftakt der sich vom Jahr 5 + bis ins Jahr 9 + nahezu ununterbrochen hin zog. Welche Legion und welcher Legionär konnte diesen Dauereinsatz über so viele Jahre unbeschadet überstehen ohne zu verschleißen. So galt also die erste Militäraktion nach dem siegreichen Germanenkrieg im Jahre 5 + folglich den Markomannen in Gestalt des Feldzuges gegen ihren König Marbod im Frühjahr des Jahres 6 +. Aber auch das militärische Potenzial der alten Weltmacht Rom war wir wir vielfach lesen können nicht grenzenlos. In Effizienz und Flexibilität einer jeden Mobilmachung liegen Gradmesser und Garant für erfolgreiche militärische Auseinandersetzungen. Der nun bevorstehende römische Feldzug gegen Marbod bildet da keine Ausnahme. Tiberius sollte einen guten Überblick über die Kampfbereitschaft des Markomannen Heeres besessen haben, um darauf basierend eine überlegene Armee aufstellen zu können. Er musste sie sich aus allen Landesteilen beschafft haben und er war dazu auch mit der nötigen Befehlsgewalt ausgestattet die ihm Kaiser Augustus verliehen hatte. Folglich begann Tiberius nach dem "Immensum bellum" vermutlich im Spätsommer oder Herbst des Jahres 5 + damit ein genügendes Truppenaufgebot zusammen zu ziehen, um es gegen Marbod aufbieten zu können. Alle diese dem Markomannen Feldzug voraus gegangenen strategischen Entscheidungen des Tiberius fielen in eine Zeit, in der sich Varus vermutlich noch gar nicht in Germanien aufhielt. Möglicherweise befand er sich da noch in Italien, denn nach allgemeiner Auffassung, soll er erst zum Ende des Jahres 6 + bzw. früh im Jahre 7 + seine Statthalterfunktion in Germanien angetreten haben. Er wird sich daher an der Truppenaufstellung des Tiberius, die dieser schon im Spätsommer des Jahre 5 + angegangen sein musste, noch nicht aktiv beteiligt haben können. Das Feld war für Varus zu der Zeit noch nicht bestellt und er gelangte erst einige Monate später, nach dem Tiberius seine Truppenschau bereits abgeschlossen hatte und sich vermutlich auch schon nicht mehr in der Germania superior aufhielt, nach Xanten oder Neuss. Dort wurde Varus allerdings sofort mit der Realität in den Provinzen konfrontiert. Denn nach dem was ihm an militärischen Veränderungen voraus ging, könnte man überspitzt formulieren, dass es sogar denkbar ist, dass Varus, als er dann vermutlich im Spätsommer oder Herbst 6 + seinen Dienst in Vetera antreten wollte, dort auch nur noch halbleere Kasernen vorfand. Denn die Truppenkontingente die Tiberius abziehen musste hatten um diese Zeit schon längst den Schwenk nach dem abgebrochenen Markomannen Feldzug hinter sich und befanden sich bereits im Anmarsch auf Pannonien. Varus könnte also sein Amt noch nicht einmal richtig inne gehabt, oder gerade erst angetreten haben, als ihn Tiberius vor vollendete Tatsachen stellte, in dem er bereits größere militärische Kontingente, natürlich nicht ohne sein Wissen zuerst einmal nur für den Marbod Feldzug entziehen musste. Man kann also annehmen, dass ihm bei Übernahme seiner Statthalterfunktion die ihm ursprünglich zugedachten oder zugeordneten fünf Legionen möglicherweise erst einmal nur auf dem Papier unterstellt waren, bis man sie ihm wieder komplett übergeben konnte. Es ist daher eine historisch provokante Frage, aber doch ein denkbares Szenario sich vorstellen zu müssen, dass Varus aufgrund der politischen Lage seine Aktivitäten in den Anfangsjahren in Germanien notgedrungen drosseln und einschränken musste und sich am Möglichen zu orientieren hatte. Sein Handlungsspielraum wurde von den Entwicklungen in den anderen Regionen des Imperiums stark mit beeinflusst und eingeschränkt und seine Aktivitäten konnten und durften sich nur gebremst entfalten. Alles wurde damals durch die Dinge überschattet, die nun für das Imperium wichtiger waren, als sein Auftrag aus dem Nordosten Germaniens eine Provinz zu machen und dies voran zu treiben. Dies konnte und musste damals alles warten, denn den militärischen Sicherungsmaßnahmen gebührte absoluter Vorrang gegenüber zivilen "Juristereien". Alle sich auf tuenden Krisenherde sowohl in Böhmen als auch später in Pannonien bzw. zuletzt in Dalmatien entsprangen letztlich alle der gleichen aggressiven römischen Expansionspolitik die auch die Varusschlacht ausgelöst hatte. Es waren ineinander greifende militärische Notwendigkeiten durch die sich das Imperium immer wieder heraus gefordert sah, die aber im Ursprung vom Imperium selbst erst geschaffen wurden. Während der Markomannen Feldzug ein eindeutiger Angriffskrieg mit offensivem Charakter im Sinne militärischer Vorwärtsverteidigung und Eroberungspolitik war, war der Pannonien Aufstand eine Rebellion im eigenen Staat gegen die negativen Zustände innerhalb des Reiches. Dieser Konflikt genoss daher erste Priorität und musste ohne wenn und aber nieder geschlagen werden. Noch ignorierte das Imperium diese vielen Warnzeichen, aber alles waren bereits deutlich sichtbar gesetzte Stoppschilder unzufriedener Bevölkerungsschichten und zwar schon in der frühen römischen Kaiserzeit. Der geplante Markomannenkrieg wurde jedoch durch die plötzlichen Ereignisse eingeholt und verlief daher auch völlig ohne Blutvergießen im Sande, da er noch in der Aufmarschphase wegen des frisch aufgeflammten dalmatinisch - pannonischen Aufstandes abgebrochen werden musste. Man halte sich diese Sachlage einmal vor Augen. Tiberius plante die Vernichtung eines großen germanischen Stammes und war plötzlich durch neuerliche und tiefgreifendere Ereignisse die aber die nationale Sicherheit extrem gefährdeten gezwungen die gesamte Heeresmasse von 12 Legionen plus Hilfskräfte neu auszurichten und umzudirigieren. Ein Sachverhalt der von Tiberius in der Tat ungeahnte logistische Maßnahmen und Leistungen abverlangte und seine Dimension hatte. Viele bis dato gefasste strategische Entscheidungen mussten über den Haufen geworfen und verworfen werden um sie einem größeren Ziel unterzuordnen. Alle Legionen die Tiberius für den Markomannen Feldzug im Süden und Westen gesammelt hatte und auch die, die er aus dem Norden heran geführt hatte und die er nun in Böhmen nicht mehr brauchte, musste er an die Pannonienfront werfen. Legionen die sich eigentlich alle nur für einen möglicherweise überschaubaren Sommerfeldzug gegen Marbod gerüstet hatten und die man im Herbst oder Winter wieder in ihre Garnisonen zurück schicken wollte, sahen sich nun unvermittelt einem längeren Konflikt ausgesetzt Die militärischen Rückführungszusagen die Tiberius den Statthaltern also auch Varus gemacht hatte, wurden über Nacht hinfällig. Varus der möglicherweise plante im Jahre 7 + noch mit einem größeren Kontingent nach Ostwestfalen aufbrechen zu können, musste sich nun aufgrund dessen mit einer kleineren Truppenstärke begnügen und diverse infrastrukturelle Maßnahmen mussten daher verschoben werden. Und an eine langfristige Planung war für ihn in der Zeit nicht zu denken, solange er nicht wusste, wie lange seine Truppen in Pannonien gebunden waren. Da aber der Aufbau neuer Provinzen immer viel Atem brauchte sah man es insgesamt gelassen. Varus konnte sich also kein klares Bild darüber verschaffen, wie viel Legionen ihm wann und ob jemals wieder zur Verfügung gestellt werden könnten. Es stellt sich daher nicht mehr nur die Frage, wie stark sein Kontingent aufgrund des Markomannen Feldzug zusammen schmolz, sondern jetzt auch noch die Frage, auf wie viel Legionäre er sich in den Folgejahren überhaupt noch stützen konnte, wenn er in Ostwestfalen erfolgreich sein wollte. Im Groben genommen, war dies die Ausgangslage mit der sich Varus in Germanien konfrontiert sah, als er seinen Dienst antrat. Um aber diesen komplexen Zusammenhang besser darzustellen, ist das Anlegen einer Zeitschiene vonnöten, die den Kontext plausibel macht und einen Rückgriff auf den Ablauf der Ereignisse ermöglicht um die Übersicht zu behalten. Tiberius ging also den Markomannen Feldzug nach dem "Immensum bellum" zügig und wohl der Lage angemessen auch siegessicher an. Der Suebe Marbod hatte am östlichen Rande, vermutlich im Raum Thüringen und dem heutigen Nordwesten Tschechiens, aber noch im Schatten imperialer Einflussgebiete gelegen, ein Königreich geschaffen, dass für die damaligen Verhältnisse zu einem bedrohlichen Machtfaktor heran gewachsen ist, was Rom natürlich nicht dulden konnte. Wie Paterculus schrieb, hatten die markomannischen Oberhäupter Marbod zu großer Macht verholfen, die sogar das Imperium fürchten musste. Es fand zwar durch ihn keine offene Bedrohung des römischen Reiches statt, aber er beherrschte um so mehr die unterschwellige Bandbreite der Provokation. Er brachte damit geschickt zum Ausdruck, dass er sogar im Falle einer römischen Aggression zu jeder Zeit willens und auch imstande war, sich zur Wehr setzen zu können. Er pflegte zudem regelmäßige Kontakte zum Kaiser den er kannte, wähnte sich dabei mit dem Reich auf Augenhöhe und wollte als ein gleichwertiger Herrscher gesehen, anerkannt also akzeptiert werden. Um diesen, vielleicht muss man sogar schon sagen germanischen Kleinstaat, da er sich in Marbod einen König leistete erobern zu wollen, bedurfte es einer nicht unerheblichen militärischen Kraftanstrengung. Nur aus dem Munde von König Marbod selbst erfahren wir über den Historiker Tacitus, dass Tiberius zwölf Legionen gegen ihn aufmarschieren ließ. Und mangels anderer Quellen müssen wir es wohl auch glauben. Mit diesem Minimalwissen im Hintergrund ausgestattet, haben sich nun alle Historiker auf die Suche begeben um herauszufinden, aus welchen Legionen Tiberius nun diese 12 Legionen Armee zusammen gestellt haben könnte. Tiberius musste also die benötigen Truppen für die Markomannenschlacht von überall her rekrutiert haben. Er griff darauf zurück, was die Rhein - und die Donaufront sowie das jeweilige Hinterland her geben konnten. Er sicherte sich die Unterstützung zahlreicher Hilfskräfte und orderte möglicherweise auch neue Legionen aus Gallien zur Raumdeckung nach bzw. hob sie in Teilen aus. Und wo steht zudem geschrieben, dass nicht vielleicht sogar schon Arminius bereits an diesem Markomannen Feldzug mit teilgenommen haben könnte, obwohl die meisten Annahmen davon ausgehen, dass er erst in Pannonien mit kämpfte. Immerhin war er im Jahre 6 + mit seinen 23 Jahren schon in einem kräftigen Mannesalter gewesen um eine Waffe führen zu können. Einige Geschichtsforscher gelangten zu der Auffassung, der erfahrene Tiberius habe im Frühjahr des Jahres 6 + Gaius Sentius Saturninus mit zwei bis drei Legionen darunter die Legion XIV Gemina, die Legion XVI Gallica und eine unbekannte Legion angewiesen von Mainz aus durch ungefährdetes Gebiet in östlicher Richtung den Main aufwärts ziehen lassen. Doch nach den Überlieferungen aus dem Munde von Marbod besaß Tiberius 12 Legionen und danach wäre noch eine Lücke von 9 bis 10 Legionen zu schließen gewesen. Tiberius selbst habe aber nur sechs bis sieben Legionen von Süden aus durch das Marchtal nach Norden zu einem vereinbarten uns aber unbekannten Ziel geleitet, an dem man sich dann treffen wollte. Auch unter Einbeziehung dieser ich nenne sie mal Südarmee, würden also immer noch maximal vier Legionen fehlen, um auf 12 Legionen hoch rechnen zu können. Zur Komplettierung der Gesamtarmee von 12 Legionen stünden Tiberius nun die Saturninus Legionen zur Verfügung, man könnte sie als die Heeresgruppe West oder Heeresgruppe Mitte bezeichnen mit 2 - 3 Legionen. Hinzu käme nun die Heeresgruppe Süd unter Tiberius persönlich bzw. zusammen mit dem dortigen Statthalter mit weiteren 6 bis 7 Legionen. Es würden aber immer noch einige Legionen fehlen um die Gesamtzahl zu erreichen. Diese Summe ließe sich wie auch andere Geschichtsforscher vermuten nur noch unter Hinzuziehung einer zu bildenden Heeresgruppe Nord abdecken. Und diese Armee bestünde demnach bzw. kann nur aus den Legionen bestanden haben, die beim Eintreffen von Varus am Niederrhein bereits auf Anweisung von Tiberius ihre Garnison oder Garnisonen verlassen hatten und die Varus nicht mehr zu Gesicht bekam, wenn er erst nach deren Ausrücken am Niederrhein eintraf. Nur bei Rekrutierung dieser niederrheinischen Nordarmee die, um im Zeitplan zu bleiben bereits im zeitigen Frühjahr des Jahres 6 + von Xanten oder Neuss hätte aufbrechen müssen, wäre der angegebene Gesamtumfang von 12 Legionen erreicht worden. Aus wie viel Legionen diese in den Raum gestellte Heeresgruppe Nord allerdings bestand, lässt sich natürlich nicht bestimmen. Sie hätte nach mathematischen Gesichtspunkten zwischen zwei und maximal vier Legionen gelegen haben müssen oder können. Ich favorisiere jedoch eher die niedrigere Anzahl. Die Forschung weiß zwar dank Marbod von 12 Legionen, bietet aber mangels besseren Wissens keine Alternative für die Herkunft der fehlenden Differenz an. So geht die Geschichtsschreibung einschließlich der Hilfskräfte die Tiberius angeheuert hatte davon aus, dass Tiberius in den zwei Keilvorstößen etwa 70.000 Mann befehligt habe, die immerhin zirka zwei Fünftel, andere Historiker behaupten die Hälfte der gesamten römischen Armee ausgemacht haben sollen. Bei angenommenen 28 Legionen über die das Imperium zur Zeit der Varusschlacht verfügt haben soll, lässt es sich aber auch errechnen. Seine Pläne waren folglich gewaltig und so wollte er den Markomannenkönig Marbod mit der geballten Macht der römischen Kriegsmaschinerie in die Knie zwingen um endgültig jegliches germanische Leben, soweit es sich als widerspenstig erwies, unter römische Kontrolle zu bringen. Für diese Kraftanstrengung hatte er die dargestellten umfangreichen logistischen Vorbereitungen getroffen. Damit entblößte Tiberius wie es bei Feldzügen unvermeidbar ist, andere Militärbezirke und destabilisierte diese Frontabschnitte. Er schwächte nicht nur die römische Donaufront im Raum Pannonien, sondern auch die gesamte Rheinschiene und das Hinterland. So war besonders die Region um das kritische Rheinknie am Mittelrhein betroffen. Das Zentrum der Mainzer Legionen die dort abmarschbereit in ihrer Garnison lagen und wo der Rhein aufgrund der zahlreichen Inseln am Einfachsten zu queren war riskierte er zu entblößen. Für das Spiel der Kräfte ist es nun von Bedeutung zu wissen, für welche Legionen sich Tiberius nun genau entschieden haben könnte, um sie gegen Marbod antreten zu lassen. Man nimmt allgemein an, die Legion XIV Gemina, die Legion XVI Gallica und möglicherweise noch eine unbekannte weitere Einheit rückten unter dem Befehl von Saturninus aus Mainz aus, da diese Legionen dort in der Germania superior seit Jahren in Garnison lagen. Dies war demnach auch nahe liegend und könnte schlüssig gewesen sein. Aber wir müssen uns noch mal zurück versetzen in die Zeiten des "Immensum bellum" den großen Flächenbrandkrieg den das Imperium im Jahre 5 + kurz vor dem Markomannen Feldzug siegreich beendete. Denn wenn Feldherr Tiberius bereits im Frühjahr 6 + wie überliefert in Carnuntum aufbrechen konnte, so musste er auch selbst rechtzeitig aus diesem Krieg im Nordwesten Germaniens bis in den Südosten des Reiches gelangt sein. Man könnte davon ausgehen, dass Tiberius also unmittelbar nach dem sich das Ende bzw. der Erfolg des "Immensum bellum" abzeichnete, den Ritt an die Donau auf sich nahm. In Carnuntum soll Tiberius von Messalla Messallinus sechs Legionen nämlich die VIII. Augusta, die XV. Apollinaris, die XX. Valeria Victrix, die XXI. Rapax, die XIII. Gemina und eine unbekannte Einheit übernommen haben was auch Sinn macht, da alle vorgenannten Legionen aus der Großregion an der Donau stammten bzw. dort nach gewiesen sind. Da hier aber nur max. sechs Legionen aufgelistet sind und Saturninus nur 2 - 3 Legionen aus Mainz beisteuerte, Marbod aber zwölf Legionen erwähnt, stehen wir wieder vor der Frage, aus welchen Legions Kenn- Nummern, sich denn nun die übrigen etwa 3 Legionen zusammen gesetzt haben könnten um die Zahl 12 komplettieren zu können. Womit man wieder bei der ins Feld geführten niederrheinischen Heeresgruppe Nord angelangt ist. Und diese könnte zu großen Teilen aus den Legionären bestanden haben die man Varus entzog um sie gegen Marbod zu werfen und darunter waren möglicherweise auch starke Verbände der 19. Legion die nicht in der Varusschlacht zum Einsatz kamen und daher in den Jahren 15 + oder 16 + an den Germanicus Feldzügen teilgenommen haben könnten. Legionäre die in diesen Jahren nahe dem Kalkrieser Berg in Kämpfe verwickelt waren oder die etwa 18 + an der Übernahme der gestandeten Legionäre beteiligt waren die mit Hilfe der Angrivarier wieder zurück kehren konnten. Es würde keinen Sinn ergeben, dass Tiberius eine derartige Nordarmee aus der Germania Inferior nach dem sie im "Immensum bellum" gekämpft haben vom Niederrhein mit nach Süden an die Donau nach Carnuntum mit genommen haben sollte, um sie dann anschließend wieder nach Norden, also Böhmen marschieren zu lassen. Einfacher zu beantworten lässt sich aber die Frage, wer die Nordarmee geführt also befehligt haben dürfte. Denn dies war der Befehlshaber der Rheinarmee Saturninus von seinem Garnisons Stützpunkt Mainz aus. Um nicht zu vielen mit unbekannten namenlosen Legionen jonglieren zu müssen, stünden aus dem Nordwesten Germaniens eigentlich nur fünf Legionen, nämlich die I. Germanica, die V. Alaudae, die XVII. XVIII. oder die XIX. Legion zur Verfügung um damit die besagten 12 Legionen erreichen zu können. Nur aus Teilen dieser Legionen, die Saturninus angegliedert bzw. unterstellt wurden und die er zusätzlich zu seinen zwei oder drei Mainzer Legionen mit befehligt haben könnte, würde sich eine Logik ergeben womit man zwölf Legionen erklären könnte. Legionen der Nordarmee also, die man später nach Beendigung der Kriegseinsätze ob gegen Marbod oder in Pannonien wieder dem Feldherrn Varus unterstellte. Rein rechnerisch hätten 2 - 3 Legionen aus dem Norden ausgereicht und man hätte gemeinsam mit den zwei bis drei Mainzer Legionen der XIV. Gemina und der XVI. Gallica, sowie der zusätzlichen Einheit die fehlenden fünf bzw. sechs Legionen erreicht um auf insgesamt 12 Legionen zu kommen. Voraus gesetzt die Nordarmee hätte sich vorher mit der Westarmee verbünden sollen, so hätte der Markomanen Feldzug auf Basis von etwa zwei gleich starken Keilen statt finden sollen bzw. seinen Ausgang genommen haben können. Denkbar ist aber auch, dass die Nordarmee taktisch isoliert operieren sollte. Die vom Niederrhein nach Böhmen abkommandierten zwei Legionen hätten sinnvollerweise dann auch keinen Umweg mehr über Mainz eingeschlagen um sich dort mit Saturninus zu vereinigen. Sie hätten den Weg nach Marobudum abkürzen können und sogar müssen und wären etwa nur bis Köln Rhein nahe gezogen, um dann möglicherweise über Waldgirmes und Schweinfurt den Sammlungsraum anzusteuern. In diesem Fall müssten diese Legionen auch, so wie es von Paterculus überliefert ist, dass Chattenland durchquert haben. Nämlich dann, wenn wir es in oder nördlich der Wetterau verorten würden. Paterculus hatte dieses Rätselraten bekanntlich ausgelöst, in dem er uns hinterließ, dass Sentius Saturninus die Anweisung hatte, seine Legionen durch das Land der Catti nach Boiohaemum zu führen. In lateinisch liest es sich "Sentio Saturnino mandatum ut per Chattos excisis continentibus Hercyniae Silvis legiones Boiohaemum". Es fällt natürlich die Übersetzung "mandatum" für "Anweisung" auf. Dies deutet auch darauf hin, dass Tiberius wie die graue Eminenz über allen stand. Bei dieser Interpretation um den möglichen Zugkorridor des Saturninus durch die Wetterau mit seinen Mainzer Legionen wäre die Diskussion um das Chattenland also "ut per Chatto" beendet. Denn Saturninus hätte mit den Mainzer Legionen auf seiner Strecke parallel zum Main kein Chattenland berühren brauchen, aber die Nordarmee hätte es müssen. Nur auf die niederrheinischen Legionen hätte also zutreffen können, dass sie die chattischen Siedlungsgebiete auf ihrem Weg nach Böhmen räumlich tangieren mussten. Die Mainzer Legionen die den Main aufwärts zogen kamen nicht in die Verlegenheit, denn links und rechts des Main siedelten damals keine Chatten. Ich bin allerdings der Ansicht, dass die Niederrhein Legionen nicht die Route Köln, Wetzlar, Wetterau, Schweinfurt nach Böhmen wählten, da es gute Anhaltspunkte für einen anderen Zugkorridor für die niederrheinischen Legionen zu Marbod gibt. Die Nordostfront am Niederrhein war nach dem gerade zu Ende gegangenen "Immensum bellum" ungefährdet, dafür hatte Tiberius gesorgt. Der Friede am Niederrhein war also nach dem "Immensum bellum" stabil und er konnte daher auch getrost zumindest die zwei von mir vermuteten Legionen aus dieser Region für den Markomannen Feldzug abziehen. Denn dort würde sich eine Truppenreduzierung am Ehesten anbieten. Da man aber nur einen "Argumentationstod" sterben kann, entscheide ich mich für die Variante, dass Tiberius demnach zur Sicherung der Niederrheingrenze in den Kastellen Neuss und Xanten nur eine Legion zurück gelassen und Varus wären für seine Operationen in Ostwestfalen in den ersten Jahren seiner Statthalterschaft somit nur zwei Legionen geblieben. Aber es gilt noch eine andere Spur aufzunehmen die Fragen aufwirft. Caius Sentius Saturninus begleitete Tiberius wie man annimmt auch schon während des "Immensum bellum", einer Zeit als Varus möglicherweise noch in Italien weilte. Das Saturninus nach dem Pannonien Krieg wieder in seine Funktion als Oberbefehlshaber am Rhein eingesetzt wurde, deutet darauf hin, dass Saturninus auch schon seit dem "Immensum bellum" oder auch schon davor unter Tiberius Oberbefehlshaber der Rheinarmee war. Demnach legte Saturninus seine Funktion als Oberbefehlshaber der Rheinarmee in der Zeit ruhen, in der er am Markomannen Feldzug teilnahm. Somit trat er die Befehlsgewalt in dieser Zeit an Varus ab und hatte sie nach Varus Tod wieder inne. Auf Basis dieser Schlussfolgerung könnte man nun auch die Frage aufwerfen, warum die niederrheinischen Legionen nicht höchstpersönlich in den Markomannen Feldzug geführt hat und sie dem Kommando des Saturninus unterstellte. Dies lässt sich wohl mit der Leitfunktion des Tiberius erklären, der die Gesamtführung inne hatte. Doch wer kommandierte nun die Legionen aus den Kastellen in Xanten oder Neuss nach Marobodum, wenn es nicht Saturninus und auch nicht Varus war. Natürlich waren da noch die Legionskommandeure oder die Militärtribune die ebenfalls dazu imstande waren. Wir sind es gewohnt, dass sich die antiken Historiker sehr kurz fassten, selbst dann wenn es sich um umfassende Truppenbewegungen oder wie hier um umfangreiche Feldzüge handelte. Velleius Paterculus schrieb "Sentius Saturninus hatte die Anweisung, seine Legionen durch das Land der Catti nach Boiohaemum zu führen". Beleuchten wir diese Aussage einmal von einer anderen Warte aus, dann ist auch schnell eine andere Interpretation zur Hand. Denn natürlich waren nicht nur die Mainzer Legionen, sondern auch die niederrheinischen Legionen "seine Legionen" denn auch sie unterstanden ihm letztlich, auch wenn sie sich über eine andere Zugroute und ohne das er persönlich dabei war, dem Aufmarschgebiet näherten. Auf die Marschstrecke den Main aufwärts brauchte Paterculus in seiner Überlieferung auch nicht näher einzugehen, da sie als gefahrlos galt. Aber chattisches Hoheitsgebiet zu durch queren, wäre da schon brisanter und somit erwähnenswert gewesen, denn darin steckte im Frühjahr 6 + Bedrohungspotenzial. Mit den Chatten hatte man im Gegenzug zu den Cheruskern ein anderes Verhältnis und auch später keinen Bündnisvertrag. Doch zurück zum weiteren Verlauf des Markomannen Feldzugs. Nach dem "Immensum bellum" musste wie es uns die Zeitschiene deutlich macht, alles relativ schnell vonstatten gegangen sein. So könnte man den Eindruck gewinnen, dass er die nach diesem Krieg frei gewordenen Kräfte auch sofort wieder für den Marbod Feldzug nutzen musste, ihnen kaum eine Atempause gönnte und sie schon wenige Monate später meiner Theorie folgend für den Frühjahrsfeldzug nach Böhmen verlegt wurden. Tiberius inspizierte ihre Kampfkraft und Qualität und requirierte folglich seine Truppen wie es ein Feldherr tat. Legionen wurden ausgedünnt und Rumpflegionen beließ man wo es risikolos möglich war in Garnison. Legionen aus den inneren Reichsgebieten rückte man näher an die nasse Front der Wasserwege, wie Rhein und Donau. Alle Schritte leitete er ein, um auf die nötige Mannstärke zu kommen, nämlich auf die besagten zwölf Legionen die er brauchte um Marbod besiegen zu können. Man musste aber trotzdem auch weiterhin Grenzsicherung am Rhein betreiben und Präsenz zeigen, denn ein Loch mit einem Neuen zu stopfen war immer schon riskant. Er wird daher auch andere Kräfte vom Niederrhein und aus dem Hinterland die zwischen Köln und Nymwegen stationiert waren mit einbezogen haben um damit zumindest eine Mindestbesatzung in allen Rheinkastellen herzustellen, aber auch um damit möglicherweise die abziehenden Truppen zu verstärken und gegebenenfalls auf Sollstärke zu bringen. Eine römische Legion war kein starrer Mechanismus, eher ein lebender Organismus, der durch steten Zulauf gesättigt und aufgefrischt werden musste um die natürlichen und strategischen Abgänge zu konsolidieren. So war es für die im Militärdienst stehenden Römer auch nicht ungewöhnlich, häufiger die Einsatzorte wechseln zu müssen. Es wird militärischer Alltag in der Truppe gewesen sein, dass es immer wieder zu Austauschbewegungen zwischen und innerhalb der Legionen kam, so dass Verschiebungen und Verlegungen von Kastell zu Kastell einen Automatismus im Frontgeschehen darstellten, so wie es auch durch viele historische Steininschriften belegt ist. Deshalb sollte auch dem Fund einer einzigen Schwertscheide samt Einritzung in Kalkriese keine allzu hohe Bedeutung für die Festlegung hinsichtlich einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Legion beigemessen werden, auch wenn sie sich hier angeboten haben könnte. Tiberius hatte an alles gedacht und er konnte sich nun dem Ziel nähern um seine militärische Großtat zu vollenden. Aber er ließ naturgemäß bis sein Feldzug beendet war zwangsläufig und notgedrungen überall geschwächte Frontabschnitte zurück. Dem tiberianischen Anmarschplan gegen Marbod zu Folge soll er nun 12 Legionen nach Böhmen geführt haben und die kamen wie von mir und anderen geschlussfolgert auch nur zusammen, wenn man sich auch der Truppen aus den späteren Varuslegionen bedienen konnte. Wenn dem so war, so hätten sich folglich im Frühjahr 6 + neben den Mainzer Legionen die Saturninus unmittelbar anführte auch zwei varianische Legionen im Anmarsch auf Böhmen befunden haben können. Wie und wo sich dann die Heeresgruppen trafen oder verabredeten, um sich dann in den Konfliktbereich wird sich nicht ermitteln lassen. Spekulationen zur Die Lokalisierung des Sammlungsraumes bezogen sich vermutlich nur auf die Sichtweise der Südarmee. Denn dem Hinweis folgend befand sich Tiberius nur noch fünf Tagesmärsche von Marbod entfernt und man wollte diesen Sammlungsraum schon in wenigen Tagen erreicht haben. Von da aus wollte man dann geschlossen gegen Marbod vorgehen.(19.2.2019)

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Dienstag, 11. Dezember 2018
War Varus mehr Opfer als Täter ?
Gewachsene Denkhindernisse zu überwinden oder sich an historische Grauzonen heran zu wagen bedeutet manchmal auch über Minenfelder wandern zu müssen, die bereits seit Jahrzehnten und manchmal sogar seit Jahrhunderten von verschiedenen Historikern abgesteckt wurden und als nahezu unverrückbar galten. Andererseits gab es auch schon in früheren Zeiten Autodidakten und andere Freunde der römisch germanischen Forschung die nie publizierten und so konnte man auch nie erfahren wie weit sie sich schon gedanklich der Wahrheit genähert hatten, ob sie bereits über stichhaltige Fakten verfügten, also über die Hinweisschwelle hinaus waren oder gar schon die Beweiszone betreten hatten. Abhanden gekommenes Wissen aufzuspüren oder zurück zu holen, wenn es mit ihren geistigen Vätern im Lebenszyklus einmal verloren ging, sind seltene Glücksmomente der Forschungsgeschichte. Früher war es zudem auch nicht so leicht seine Meinungen, seine Ansichten und Visionen mithilfe von Druckerzeugnissen zu verbreiten, wie es heute in der Welt der Medien und Netzwerke einfach gemacht wird. Wir stecken inmitten einer Meinungsinflation, leiden aber unter der Tatsache, dass man heute überall hin gelangen kann, sich nur das Ankommen nicht mehr lohnt. Was aber wie ein wundersamer Segen klingt, kann sich schnell in Fluch verwandeln, wenn innerhalb historischer Veröffentlichungen auf Worte wie wahrscheinlich, möglicherweise, vermutlich, vielleicht, denkbar, oder angenommen verzichtet wird. Dann ist es der Sache abträglich, denn Unterscheidung zwischen Wissen und Annahme sollte immer möglich sein. Auch die Frage aufzuwerfen, ob Varus mehr ein Opfer als ein Täter war gehört zu jenem Komplex in dem man vermutlich noch nie eine Notwendigkeit erkannte darin tiefer recherchieren zu müssen. Auf den ersten Blick erscheint es auch nicht ergiebig zu sein die Schuldfrage auch mal in andere Richtungen zu stellen, als in die des bereits designierten und scheinbar ewigen Platzhalters Varus. Aber es gehört zur Vollkommenheit einer Betrachtung und so darf man auch andere Möglichkeiten der Ursachenforschung nicht vernachlässigen. Übertrieben ausgedrückt würde die provokante Frage lauten, die ich mir selbst gestellt habe. Was, wenn Varus nur benutzt wurde um ihn als ein williges Instrument höherer imperialer Interessen zu missbrauchen gar zu opfern, oder zumindest um ihn mit offenem Ausgang in eine schwierige und außenpolitisch heikle Position zu manövrieren um ihn sich darin bewähren zu lassen. Wohl wissend, dass er es schwer haben würde, oder war sein mögliches Versagen gar schon von klugen Köpfen einkalkuliert. Zweifellos Gedanken die weit hergeholt scheinen, aber warum nicht auch mal abschweifen. Ein Sieg hat bekanntlich viele Väter, die man aber bei einer Niederlage vergeblich sucht. In unserem Fall reichte eine Person völlig aus. Und noch dazu eine, die sich später nicht mehr verteidigen konnte. Um „post mortem“ als „Advocatus Defensionis“ für Varus einzuspringen würde ich zuerst einmal Fragen, wer ihm denn den Auftrag gab im Frühjahr 9 + nach Ostwestfalen zu ziehen, denn eine derartige Entscheidung konnte damals auch ein Varus nicht allein treffen, folglich musste der Kaiser dazu seine persönliche Anweisung oder Zustimmung gegeben haben. Und wer ihn beauftragte der trug schon eine gewisse Mitverantwortung für sein tun. Der zweite Gedankenansatz setzt bei der Truppenstärke an, die man ihm mit gab bzw. über die er verfügen durfte, damit er seine Aufgabe lösen konnte bzw. Männer die man ihm unterstellte oder er sich suchte, damit er in Ostwestfalen römisches Recht einführen und die römische Ostgrenze markieren konnte. Und erst dann könnte man sich seiner persönlichen Schuldfrage widmen, ließ er eine Mitsprache an seinen Entscheidungen zu et cetera. Sicherlich besaß er hinsichtlich Zusammenstellung und Anzahl der Legionen nicht die freie Auswahl, hatte sich am personell Möglichen zu orientieren und sich nach der Vorgabe "eines" Dienstherren zu richten. Varus war in Germanien allerdings „Legatus Augusti pro praetore“ und dadurch mit weit reichenden Vollmachten und Befugnissen ausgestatteter. Er war offensichtlich alles was man damals unterhalb der Kaiserwürde so alles werden konnte. Wer wollte es da alles noch voneinander unterscheiden. War er nun Senator, Konsul, Legat, Statthalter, Befehlshaber und Vertreter des römischen Kaisers oder alles gleichzeitig. Nur der Kaiser setzte den Statthalter ein oder berief ihn ab. Aber wir wissen nicht wie es um seine Befugnisse in Krisenzeiten stand und diese Zeiten sollten im Jahre 6 + anbrechen. So wissen wir zwar anhand der Kennnummern sehr genau, welche Legionen er nach Ostwestfalen mit sich führte und auch welche Legionen sein Neffe Asprenas befehligte. Aber wir rätseln auch immer gleichsam dann, wenn wir uns mit Begriffen wie Soll - und Iststärke auseinandersetzen müssen. Wir kennen nur theoretische Größen und kein antiker Historiker nannte uns die Kopfzahl der drei Legionen. Einer Legion einen Namen zu geben bedeutet also nicht gleichzeitig auch, das man dann exakt weiß, wie viele Personen sich dahinter verbargen. Legionen waren seit jeher feste Kampfeinheiten. Aber Varus sollte in Ostwestfalen gar nicht kämpfen, keine Schlachten schlagen und folglich keine Siege einfahren. Er sollte lediglich Präsenz zeigen, eine große Landschaft besetzen, sie „römifizieren“ und die Zivilisation samt Infrastruktur in einem gerade erst befriedeten Land aufbauen, einführen und dauerhaft installieren. Truppen wie in feindlicher Umgebung in schwer bewachten Lagern massiv zu konzentrieren diente zwar der Aufrechterhaltung der Disziplin und straffen Organisation war aber in Ostwestfalen nicht das Ziel. Und es wurde der Vorgehensweise des Varus auch nicht gerecht, denn ihm war daran gelegen mithilfe seiner Legionäre viele andere Dinge anzugehen und auch in die Winkel der neuen Provinz vorzustoßen. Alle seine Legionäre an feste Örtlichkeiten zu binden schien nicht Schema seiner Grundüberzeugung zu sein. Er brauchte an der Weser sicherlich auch Soldaten, aber er bevorzugte vielleicht mehr Pioniere, Agrarexperten und Fachleute. Die Region Ostwestfalen und alles Land hatte der Feldherr Tiberius nach Cäsarenmanier vor seiner Ankunft im Zuge des Immensum Bellum bis zum Jahre 5 + unterworfen und den germanischen Widerstand teils blutig gebrochen. Paterculus überlieferte uns daher auch den denkwürdigen Satz „Nichts gab es mehr in Germanien zu besiegen, außer den Markomannen„. Varus reiste also zu einem nieder geworfenen Volk, in dem und dem der Schlachtenlärm vergangen war. Er trat auf wie ein dominanter Stellvertreter des Kaisers in die alt eingesessenen Hoheitsgebiete eines Stammes, der nach dem Flächenbrand auch vor sich selbst seine eigene Achtung verloren zu haben schien. Denn ihre Waffen verrosteten. Eine Großregion in der es aber immer noch jemanden gab, der eine unangefochtene Macht ausübte, nämlich der Germanenkönig Marbod. Aber welches Erfordernis bestand nun darin, die in Ostwestfalen komplett besiegten Germanen wieder mit waffenstarrenden Söldnermassen zu überschwemmen. Die Signale im Nethegau und an der Weser standen auf Befriedung und es gab dort für Rom nichts mehr zu kämpfen. Varus soll an sich ein ruhiger und besonnener Mann gewesen sein und so ging er es entsprechend an. Er wies daher seine Legionäre an Wege zu bewachen, Kastelle zu besetzen, die Einheimischen zu unterstützen, wo es ging und wie ich meine auch um die ersten Fundamente für eine neue Civitas zu legen. Sicherlich griff er für germanisches Verständnis oftmals zu hart durch aber aus seiner Sicht schien es unvermeidbar zu sein. Jedoch fehlte ihm das wichtige Gespür dafür zu erkennen was er anrichtete. Den Widerstand hatte Tiberius für Rom gebrochen und Varus erwartete derartiges nicht mehr schon gar nicht nach dem Vertragsabschluss. Varus wird auch als phlegmatisch und bequem beschrieben und er begnügte sich mit den Legionären, die in seinen Legionen dienten, denn im Frühjahr 7 + ging es nicht mehr darum in eine Schlacht zu ziehen. Er verlangte von seinen Legionen daher auch keine Kampfstärke unter Beweis zu stellen, es mussten nur genügend Männer sein, mit denen er das Land aufbauen und bestellen konnte. Während wir uns heute nach Polybios immer noch die Frage nach Soll - und Iststärke stellen, so mag dies für Varus zweitrangig gewesen zu sein. Hätte Varus geahnt, dass er in Ostwestfalen doch noch mal zu den Waffen greifen musste, wäre er die Sache sicherlich anders angegangen. Dann hätte er Wert auf volle Kampfbereitschaft gelegt und Risiken vermieden. Soldatische Tugenden wie Manöver, Konditionstraining um eine Schlacht zu gewinnen hätten sicherlich im Vordergrund gestanden. Was man anzweifeln muss. Dann wäre auch wieder die Kampfkraft, also die Iststärke ausschlaggebend gewesen und die friedliche Zivilisierung einer neuen Provinz wäre in den Hintergrund getreten. Kampf kennt andere Spielregeln als Befriedung und Recht schaffen. Der Krieg in Ostwestfalen war beendet. Aber wir wissen, dass Varus noch eine Schlacht bevor stand und befassen uns daher nicht nur mit dem Legionär als friedlichem Agraringenieur, sondern auch mit dem Legionär der mit Waffen umgehen konnte. Der Kampferfolg auf den historischen Schlachtfeldern der Welt war in erster Linie abhängig von der Kopfzahl der beteiligten Soldaten. Hält man diese zweifellos gering, so nimmt man jeder Truppe ihre Erfolgsaussichten auf einen Sieg und schwächt ihre Chancen einen anstehenden Kampf, eine Schlacht oder einen Krieg zu gewinnen. Aber alle diese Gedanken schienen damals in Ostwestfalen überflüssig gewesen zu sein. Im vorliegenden Fall erleben wir sogar die fahrlässige Zersplitterung der Kräfte und es war nahezu oberstes Gebot sie nicht zu konzentrieren. Man entsendete die so genannten Abstellungen in die Siedlungsgebiete der Germanen im Großraum und man teilte möglicherweise sogar den Rückmarschzug in einen zivilen und einen militärischen Teil auf womit erneut Kräfte anderweitig gebunden wurden. Oder man setzte Legionäre dafür ein um sie als Kastellbesatzung zu stationieren oder den Rohstoffabbau zu organisieren bzw. Rohstofftransporte zu begleiten. All das stellt in Friedenszeiten kein Problem dar. Aber alle diese friedlichen Szenarien werden sofort kritisch hinterfragt, wenn sich eine Lage militärisch kritisch zuspitzt um dann der Frage nach dem berühmten „Wenn und Aber“ zur Geltung zu verhelfen. Ohne seine verfehlte Politik und die daraus resultierende Niederlage, wäre Varus wie der strahlende Befrieder in die deutsche Geschichte eingegangen. Wie ein "Umarmer" gleich einem alle umarmenden Apostel hätte ihn eine ganze Region begrüßt und ihm für seine Wohltaten gedankt und in Rom wäre er für die neuen Provinzen die er in das Reich eingliederte glorreich empfangen worden. Nun aber bilden alle erdenklichen Erklärungsversuche die Grundlage um auf deren Basis sein Versagen zu begründen. So rückt die Gewichtung der beiden sich gegenüber stehenden Mächte im Jahre 9 + und deren Abschätzung, also die Germanen auf der einen und der Römer auf der anderen Seite in den Vordergrund um über die Gegenrechnung vielleicht den späteren Schlachtverlauf besser einschätzen zu können. Neben dem Wissen um seine großzügige Verteilung von Kräften im Land, bin ich aufgrund der friedlichen Mission auch davon überzeugt, dass Varus aus taktischen Motiven heraus auch den Schritt der Abtrennung in zwei Marschzüge vollzog. Dies war letztlich für ihn selbst, für alle Beteiligten, den gesamten zivilen Tross der Frauen und Kinder vor allem aber für seine umfangreiche Werteansammlung eine gute Lösung. Er stellte also einen bewachten Marschzug zusammen, der nun auf einem gut ausgebauten und schnelleren Weg von Brakel aus über Aliso direkt an die obere Lippe marschieren sollte. Besonders vor dem Hintergrund der Humanität also der Humanitas im Sinne früher Menschenfreundlichkeit gegenüber Frauen und Kindern eine gute Tat und zur Sicherung der in den Sommermonaten eingetriebenen Wertsachen eine nach vollziehbare Strategie. Es bot sich damit für den zivilen Tross die Möglichkeit einen „gefahrlosen“ Weg nahezu entgegen gesetzt zum Aufrührergebiet einzuschlagen und gleichzeitig das Land eines befreundeten bzw. vertraglich gebundenen Stammes zu nutzen. Somit konnte man allen Personengruppen einschließlich den persönlichen Interessen des Feldherrn gerecht werden. Nun aber stand Varus am Morgen des „fiktiven“ 25.09.0009 zwar noch nicht vor den Scherben seiner Fehleinschätzungen, aber er fand sich auch nur noch inmitten einer zusammen geschrumpften Kampftruppe, bestehend aus seinen Ordonnanzen und dem nötigsten Begleitpersonal wieder. Seine Truppenteile die ich wegen Schwund an Mannschaften an anderer Stelle daher nur noch Rumpflegionen nannte, sollten bzw. mussten ihm also für diese Aktion reichen. Diese Legionen waren also aufgrund meiner Theorie folglich auch nur eingeschränkt kampffähig. Segimer und Arminius waren diese näheren Umstände bekannt und sie schöpften auch daraus ihren Mut einen Angriff wagen zu können. Aber zu dieser schon bestehenden prekären Ausgangslage, also der bereits geringen Stärke der drei Varuslegionen bei Ausbruch der Varusschlacht könnten sich noch zwei weitere Gründe hinzu gesellt haben, die sich als Schlachten entscheidend erwiesen haben könnten. (11.12.2018)

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