Donnerstag, 16. April 2020
Im palatinischen Kreuzverhör hatte sich Segestes in zweifacher Hinsicht zu rechtfertigen
Historische Forschung zu betreiben, ist ein steter Dreikampf zwischen dem inneren Vorstellungs- und Einfühlungsvermögen auch Phantasie genannt, dem was wir schwarz auf weiß wissen, also den antiken Schriftzeugnissen und dem was sich den Bodenfunden entlocken lässt. Danach verselbstständigt, verstreut und verteilt sich alles über die zahlreichen Einzeldiszipline, findet wieder zusammen und endet im Raubtierkäfig von Interpretationen und Auslegungstheorien. Aber es gibt keine geschichtliche Aufarbeitung, ohne das man sich die vielen Rückblicke in die fließenden Geschehnisse davor ersparen könnte. Im imperialen Machtzentrum des Jahres 17 + bestimmte und entschied nur eine autoritäre Gestalt wie man mit Geiseln, Gefangenen und anderen Germanen verfuhr und das war Kaiser Tiberius. Segestes könnte er letztmalig gesehen haben, als er 4 + mit den Cheruskern den Bündnisvertrag schloss, oder 5 +, als er die Langobarden über die Elbe trieb. Das war zu den Zeiten als er noch selbst Feldherr war. Gehört haben könnte er allerdings von ihm noch im Herbst 9 + als er erfuhr, dass eben jene einst Bündnis treuen Cherusker, die er 5 Jahre zuvor mit Rom wieder zu versöhnen suchte nun drei römische Legionen vernichteten. Legionen die vermutlich auf seine Veranlassung hin weit von ihrer eigentlichen Sollstärke entfernt gewesen sein könnten, da er sie für seine Feldzüge gegen Marbod und danach in Pannonien dezimieren bzw. ausdünnen musste. Er wird sich nach dem er von der Niederlage im Saltus erfuhr, die ihn im Herbst 9 + noch in Dalmatien kurz vor der Einschiffung nach Italien erreichte, die Frage gestellt haben wie es denn 9 + zu der Schlacht kommen konnte. Wir stellen uns aber auch die Frage wie und wie schnell Tiberius die Nachricht aus Ostwestfalen noch in Dalmatien erreichen konnte. Man kann es sich damit beantworten, dass ein im Krieg stehender Feldherr wie Tiberius die Stafettennachricht auf parallelem Weg zum Kaiser in Rom erhalten haben dürfte und eine Stafette von Süddeutschland aus den Weg über die julischen Alpen nahm. Eine Schlacht mit der Tiberius selbst und niemand anderes im Imperium gerechnet hatte. Vor allem aber nicht mit dem Ausgang den sie nahm. Er erfuhr, dass sogar sein einstiger Mitkämpfer Arminius mit seinen cheruskischen Hilfskräften die er vermutlich erst jüngst nach dem Sieg über Pannonien in seine Stammesgebiete entließ, daran beteiligt gewesen sein soll. Er dürfte vor einem Rätsel gestanden haben wie es denn möglich sein kann, dass Germanen die noch kurz zuvor ihren Kopf für Rom hin hielten plötzlich gegen Rom zu den Waffen griffen. Er kannte Segimer, Segestes und auch Arminius und es beschäftigte ihn die Frage wer hinter dem Komplott stand. Arminius wird ihm Kopfzerbrechen bereitet haben. Sollte er ihn als einen aufrichtigen Mann erlebt haben, könnte er auch in Varus einen Mitschuldigen gesehen haben. Vielleicht nannte man Tiberius in Dalmatien auch nur den Namen Arminius weil sich beide kannten, ohne das ihnen seine genaue Bedeutung im Kampfgeschehen bewusst war. Da aber Arminius noch jung an Jahren war und zudem gerade erst in seine Heimat zurück gekehrt war, konnte sich Tiberius schlecht vorstellen, dass er schon eine Führungsrolle inne gehabt hatte. So konnte er möglicherweise die Schuldfrage nur auf Segimer und, oder Segestes konzentriert haben, die Varus in den Rücken fielen. Es ließ sich für ihn die Lage vor dem Ausbruch der Schlacht vermutlich nie richtig einschätzen bis Segestes erschien. Segimer fiel vermutlich in der Schlacht, Arminius wurde er nie habhaft, aber dann tauchte im Frühjahr 17 + plötzlich Segestes in Rom auf und konnte befragt werden. Wer wollte Tiberius verdenken, dass er sich nun Aufklärung über die Abläufe des Jahres 9 + erhoffte und darauf brannte wenn auch verspätet, dazu Erklärungen zu bekommen. Sicherlich schloss Tiberius nicht aus, dass damals auch Segestes die Fäden gegen Varus mit gezogen hatte, da er nach der Schlacht im Kreise der Cherusker noch lange ein respektierter Fürst blieb. Davon, dass Segestes den Feldherrn Varus gewarnt haben soll, konnte Tiberius noch nichts gewusst haben von wem auch, für ihn war und blieb Segestes als er in Rom eintraf zunächst einmal ein Verdächtiger wie alle anderen auch zumal seine Tochter mit Arminius liiert war. Er wartete nun mit Spannung darauf, was Segestes in Rom dazu vorzutragen hatte. Und nach alledem was wir heute glauben möchten, klang das was Segestes dem Kaiser und dem Senat mitteilte auch recht plausibel. Es waren inhaltlich jene Dinge aus denen wir seit Jahrhunderten unsere Schlussfolgerungen ziehen. Schlüsse, die unseren Glauben stärken, dass seine Rechtfertigungsversuche auch der Wahrheit entsprachen. Wie ich vermute aber Ausreden waren, um gefahrlos aus seinem Dilemma heraus zu kommen. Varus will er gewarnt haben und diese Warnungen soll er wie es heißt, sogar mehrfach vorgetragen haben. Und das möglicherweise auch im Beisein von Zeugen im Zelt von Varus was sich aber nicht klar aus den antiken Quellen erschließen lässt. Denn bei der einfachen Durchlese kann man nur zu dem Schluss gelangen, dass Segestes am Vorabend der Schlacht die Warnung Varus gegenüber ohne Zeugen aussprach. Tacitus schreibt in seinem Jahrbuch 1,55 (2) - nach dem „man“ an die Waffen ging -. Und „man“ ist vielfach interpretierbar. Möchte man es aber anders sehen, könnte man diesen Hergang also die Aussagen des Segestes in Rom bekanntlich auch in Gänze in Frage stellen und darin einen Stoff sehen, der auch in einen „historischen“ Justizirrtum gemündet sein konnte. Denn alles klingt eigentlich schon wieder zu einleuchtend und erscheint somit simpel und plausibel zugleich. Aus Bequemlichkeit und mangels anderer Gedankenketten verfestigte sich das Gesagte von Segestes erstaunlich leichtgläubig in den Geschichtsbüchern. Wie war es also damals nochmal. Varus wischte die ausgesprochene Warnung von Segestes, möglicherweise waren es auch mehrere vom Tisch, gerade weil Varus ihn gut kannte. Er wusste, dass Segestes persönliche Interessen verfolgte und dazu gehörte sein Wissen darüber, dass Segestes die Macht über alle Cherusker anstrebte und mithilfe Roms ausüben wollte. Dem ungestümen Segestes entging aber dummerweise, dass Varus seine wahren Absichten und Hintergedanken längst durchschaut hatte. Segestes indes verfolgte seinen Plan unbeirrt weiter. Er erkannte die einmalige Chance, Varus jetzt seine Loyalität zu beweisen, in dem er ihm gegenüber seine Widersacher an den Pranger stellte und ihr Vorhaben verriet. Jeder denunzierte damals jeden und nun war er am Zug und erhoffte sich daraus eigene Vorteile ziehen zu können. Varus schmunzelte, denn ihm waren diese Methoden nicht neu, er erkannte sein Vorhaben im Ansatz, ging nicht darauf ein und ließ Segestes konsterniert ins Leere laufen. Segestes war perplex hatte er sich doch so viel Mühe gegeben überzeugend zu wirken und fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Er konnte es nicht fassen denn er hatte mit der Reaktion, dass Varus ihn nicht ernst nehmen würde nicht gerechnet. Wenn es denn tatsächlich so war, müsste er es wie einen Tiefschlag gegen seine Fürstenwürde empfunden haben. Segestes der Varus sogar noch am Vorabend der Schlacht gewarnt haben soll blieb nach dieser leidigen Erfahrung nun nicht mehr viel Zeit. Er musste handeln und sich um orientieren, denn tagsdarauf war schon der Ausmarsch nach Anreppen geplant. Von seinen an Varus ergangenen Warnungen hätten, wenn es sie denn gegeben hätte auch die Arminen erfahren. Nun wissen wir anhand der Überlieferung, dass sich Segestes wie auch immer es sich zugetragen haben sollte, sich in die Schlacht mit hinein ziehen ließ. Er vollzog also einen sofortigen, schon fasst revolutionär zu nennenden Kurswechsel und wurde sozusagen „über Nacht“ vom Verräter am eigenen Volk, zum Kämpfer für die heilige Sache des Arminius. Man kann es kaum glauben. Arminius wusste vom Verrat und spielte trotzdem sein Spiel mit, nahm in also wieder vollwertig in seine Reihen auf, und wies seiner Sippe möglicherweise sogar eine Kampfposition zu. Spätestens jetzt und an dieser Stelle sollte man merken, dass es so nicht gewesen sein konnte. Denn einen Verräter behandelt man nach seinem Verrat nicht wie einen zuverlässigen Kriegskameraden mit dem man Seite an Seite kämpfen wollte und bindet ihn auch nicht mehr vertrauensvoll in ein heikles Kampfgeschehen ein, so als wäre all dem nichts voraus gegangen. Nicht auszuschließen, dass sich Segestes mit seinen Getreuen in einem denkbar ungünstigsten Zeitpunkt mitten im Schlachtengetümmel urplötzlich auf die Seite von Varus hätte schlagen können, womit das ganze Unternehmen gefährdet worden wäre. So kann es also definitiv nicht gewesen sein. Möglicherweise war es sogar noch Arminius selbst, der Segestes vor der Schlacht unter Bewachung stellte und ausmanövrierte, damit er ihm nicht gefährlich werden konnte. Aber Arminius gewann bekanntlich die Schlacht, sozusagen trotzdem oder gerade deswegen. Denn es gab keinen Verrat und Segestes ließ sich daher auch nichts zu Schulden kommen. Aber lässt sich denn so unkompliziert ein Bild von einer historischen Episode zu malen, die über 2000 Jahre zurück liegt. Denn steigt man etwas hinunter in die historischen Untiefen, wird man doch schnell skeptisch. Was wenn Varus im umgekehrten Fall doch noch in der Nacht oder am Ausmarschtag das Gefühl beschlichen hätte, Segestes könne recht gehabt haben. Vielleicht hatte er einen bösen Traum oder es überkam ihn eine übersinnliche Vision, sah vielleicht im Sonnenuntergang zwei Eulen die miteinander kämpften oder dergleichen. Plötzlich und noch rechtzeitig vielleicht auch nach dem er sich mit seinen Generälen beraten hatte erkannte er dann tief in der Nacht, nachdem Segestes ging doch noch in Arminius den wahren Feind. So ließ Varus ihn anderntags geschickterweise noch lange in dem Glauben in ihm immer noch den Freund zu sehen. Aber nun endete die Varuschlacht dank einer geänderten Strategie in einem glücklichen Sieg für Rom also zu Varus Gunsten. Das alles hätte passieren können. Aber ließ es denn Arminius vor dem Hintergrund dieses Verrats und der möglicherweise von ihm ausgehenden Gefahr zu, einen Verräter wie Segestes ernsthaft in seinen Reihen zu dulden. Lässt man solch einen Mann nach einem derartigen Verrat laufen, nur weil Varus ihm keinen Glauben geschenkt hatte. Dann hätte Arminius allerdings schon 9 + alle Gründe der Welt gehabt um Segestes in seiner Burg zu belagern und nicht erst im Frühjahr 15 +. Der Gesamtstamm der Cherusker wäre mit einem Stammesabtrünnigen zu damaligen Zeiten anders umgesprungen. Und was hätte Varus nach seinen nächtlichen Eingebungen getan. Er hätte also seine Pläne geändert, die Schlacht für sich entschieden, wäre anschließend siegreich in sein Sommerlager zurück gekehrt, hätte sich bei Segestes entschuldigt und Arminius und Segimer gekreuzigt oder enthauptet. Aber die Geschichte mischte die Karten anders. Segestes hatte Arminius nicht verraten musste sich aber eine überzeugende Darstellung einfallen lassen. Und so wird Segestes sechs Jahre später in der Metropole Rom auch mit so manchem gerechnet haben, was diese alten Dinge anbelangte für die es erfreulicherweise aus seiner Sicht betrachtet keine Zeugen mehr gab, die es hätten anders darstellen können. Er hatte freie Hand und nutzte es. Es wird ihm vorher klar gewesen sein, dass alles was er sagte wohl begründet sein wollte. Warum damals also seine Warnungen an Varus ins Leere gingen und nicht fruchteten. Nicht fruchten konnten, weil es sie meines Erachtens auch gar nicht gab. Aber das ist nun eine andere Geschichte sozusagen das Vorspiel für die nächsten Überlegungen. Denn möglicherweise interessierte sich der Kaiser, der Senat und die hohen Staatsbeamten im Jahr 17 + nicht nur dafür was der loyale und romtreue Segestes damals 9 + im Sinne Roms tat, um die Schlacht abzuwenden also zu verhindern, sondern man wollte auch wissen, was bei Segestes im Frühjahr 15 + den plötzlichen Sinneswandel bewirkt haben könnte, ins römische Lager überzuwechseln. Eine Kehrtwende die für ihn zu einem Abschied für immer werden sollte. Das Verlassen der angestammten Heimat seiner Väter, die wie anzunehmen ist, seine Sippe seit gefühlten Urzeiten beherrscht hatte. Damals im Jahre 9 + lagen die Dinge noch anders, da waren alle Cherusker und die übrigen Stämme einig im Kampf gegen Rom und es wurden einhellig die Waffen gespitzt. Ein Segestes wäre in dieser aufgeheizten Stimmung nicht weit gekommen, hätte er sich für alle sichtbar auf die Gegenseite gestellt. Ungeachtet dessen könnte er natürlich zu der Fraktion gezählt haben, die sich auf Dauer erhofften mithilfe Roms und an deren Seite in Ostwestfalen und Südniedersachsen an die Spitze der Stämme zu gelangen. Aber im Jahre 9 + gehörte er einer Minderheit an, die sich zurück zu halten und sich unterzuordnen hatte. Aber im Jahre 15 + war die Welt nicht mehr die alte und Segestes träumte seinen sechs Jahre alten Traum von neuem und spielte wieder mit dem Gedanken Macht ausüben zu können. So kann man sich vorstellen, dass er 15 + insgeheim auf eine furiose Rückkehr setzte, wenn Rom die Arminen geschlagen hatte. Doch diese Gedanken konnte und durfte Segestes in Rom nicht preis geben, denn dann hätte man ihn als einen Schmarotzer oder Parasiten entlarvt, der aus Rom einen Steigbügelhalter persönlicher Interessen machen wollte. So musste er sich schwer ins Zeug legen und plausibel darlegen warum er sich entschieden hatte, sich von seinem Volk zu trennen, ihm den Rücken zu kehren und sich fortan dem Imperium anzuvertrauen. Auf Germanicus konnte er in diesem Moment nicht zählen. Germanicus könnte zwar 15 + die gleiche Strategie verfolgt haben, nämlich Segestes nach einem umfassenden Sieg als cheruskisches Stammesoberhaupt zu inthronisieren. Da aber Germanicus dieser entscheidende Endsieg versagt blieb, wäre es müßig gewesen in Rom noch mal die alten Überlegungen und Wunschträume neu zu debattieren, nach dem Motto „was wäre wenn“. Meine Überlegungen tendieren bekanntermaßen dahin über die Person des Segestes Gründe und Ursachen zu finden mit denen sich erklären ließe, warum Varus seinerzeit so arglos in die Falle tappte. Folglich Segestes als unsicheren Kantonisten zu überführen, seine Glaubwürdigkeit zu untergraben und ihn mit nachvollziehbaren Indizien zu entlarven. Ihn sozusagen vom Sockel einer Geschichtsauffassung zu stoßen die demnach immer schon auf porösem Untergrund gestanden haben könnte. Eine sich über die Jahrhunderte verselbstständigende Vision, die sich in unsere Vorstellungen und Köpfe eingeschlichen und eingenistet hat, bis sie scheinbar auf ewige Zeiten zu einer festen Größe wurde. Dieser Hypothese entnehme ich die Substanz für meine Theorie und sie bildet sozusagen eines von mehreren Fundamenten die ich mit als Argument für die römische Niederlage im Jahre 9 + aufbauen möchte. Denn nicht nur die Frage wo sich die Varusschlacht dahin zog steht im Zenit aller Betrachtungen, sondern auch die Frage, warum Varus sie verlor. Eines spielt ins andere und hat man die Erklärung für das eine, kann auch das andere nicht weit sein. Eine These die zum Programm wird und neue Kombinationen, Herangehensweisen und Gedankenspiele erfordert. Zu einem wesentlichen Bestandteil meiner historischen Recherche gehört daher das Aufspüren scheinbar unwesentlicher Bausteine und bislang möglicherweise auch fehl gedeuteter Zusammenhänge bis hinunter zum kleinsten Bruchstück innerhalb eines Satzgefüges. Ausgehend von der Überzeugung, dass die antiken Überlieferungen keine leeren Worthülsen kennen, kann uns jedes einzelne hinterlassene Schriftrelikt neue Erklärungen anbieten über die bisher noch kein Historiker gestolpert ist. Ihnen nachzugehen um ihnen einen anderen Sinn, veränderte Bedeutungen und neue Hintergründe zu entlocken die man trotz intensiver Forschung in den Jahren übersehen haben könnte, soll dem Ziel dienen heraus zu finden wie sich die Clades Variana vollzogen haben könnte. Nur auf Basis dieser Vorgehensweise war es mir auch erst möglich den Kampfkorridor der Varusschlacht in groben Zügen ausgehend von Höxter bis in die Region um Kleinenberg zu definieren. Und hinter so manchen historischen Randbemerkungen, die uns vorkommen als hätte man sie nur beiläufig erwähnt, könnten sich eigenständige Geschehnisse und Prozesse verborgen haben, die sich oftmals erst auf den zweiten Blick erschließen lassen. Trotz seiner kargen Mitteilsamkeit hat uns Strabo wie man auch dem letzten Kapitel entnehmen kann eine ungeahnte Fülle an interpretationswürdigem Stoff hinterlassen. Bemerkungen die aufgrund diverser Übersetzungstücken und wechselnder zeitgeistiger Strömungen nach Jahrtausenden viel an einstiger Sinngebung eingebüßt haben. So ist es immer wieder lohnend sie neu zu bewerten. Zumal sich zwischen Mund – und Schriftsprache Welten auftun, denn die Schrift muss ohne die wichtige Körpersprache, also Gestik und Mimik auskommen. Da wir aber vor diesem Teil der alten Geschichte mit nahezu leeren Händen da stehen, von Bodenfunden einmal abgesehen, bleiben uns nur die wenigen vergilbten Schriften die man in den letzten fünfhundert Jahren in alten Bibliotheken entdeckte gar entwendete, oder die sich auf abgegriffenen Buchrücken aufspüren ließen um dann entziffert zu werden. An uns bleibt es nun die literarischen Trümmer längst verstorbener Geschichtsschreiber von einer alten Staubschicht zu befreien, die sich über sie ausgebreitet hat. Es ist aber nicht der Staub der Vergänglichkeit. Sondern eine Kruste die sich über den alten Originalen gebildet hat und die aus früheren Interpretationen und daher möglicherweise überholten Erkenntnissen besteht. Aber am darunter liegenden Kern hat sich nichts verändert, die ursprüngliche Bedeutung blieb unberührt, ging nie verloren und der Zeitgeist hat sie verschont. So kann es passieren, dass sich nach dem Entfernen dieser von zahlreichen Interpreten hinterlassenen Staubschicht unvermittelt neue Türen aufstoßen lassen. Denn Strabo schrieb für die Nachwelt nicht nur einige Namen von Teilnehmern des Triumphzuges auf, verriet uns nicht nur den genauen Tag an dem er statt fand und nannte auch nicht nur das Alter von Thumelicus. Er griff noch zwei weitere Jahre zurück und deutete Dinge an, die sich vor dem Triumphzug im Jahre 15 + möglicherweise im waldreichen Solling zutrugen. Eine Zeit, als sich Segestes noch auf seinem Fürstensitz, den ich südlich von Einbeck nahe der Leine vermute, in Sicherheit wähnte. Eine Phase in der die Lage aber langsam ernst wurde und Segestes sich Sorgen um seine Zukunft machen musste. Und alles spitzte sich sogar noch zu, denn der römische Feind kam schon im zweiten Jahr seiner Rachefeldzüge seinem Machtbereich gefährlich nahe. Germanicus hatte es auf alle abgesehen, die damals an der Varusniederlage beteiligt waren, war er im Jahr 14 + bereits „völkerbundwidrig“ über die Marser hergefallen, so wollte er im Jahre 15 + weitere Siege feiern. Segestes musste befürchten, dass auch er seine Rache zu spüren bekommen würde. Denn man nötigte auch ihn seinerzeit an der Schlacht gegen Varus teilzunehmen, wie er es Kleinlaut in Rom eingestehen musste. Die Gefahr in Gestalt von Germanicus und seinem großen Heer rückte näher und es müssen für Segestes schwierige Tage gewesen sein. Aber im Frühjahr 15 + hatte er noch die Wahl und konnte entscheiden, ob er sich nach sechs Jahren wieder der Arminiusallianz des Jahres 9 + anschließen bzw. unterordnen wollte. Somit allerdings Gefahr laufen würde, alles zu verlieren, oder ob er noch rechtzeitig die Fronten wechseln und zum Überläufer in ein augenscheinlich stärkeres Lager werden sollte. Gegen das römische Imperium anzutreten, dass in dieser Zeit für alle Germanen unbezwingbar zu sein schien, hätte in ein aussichtsloses Unterfangen münden können. Seine Handlungsweise wollte also gut abgewogen sein. Es brodelte in diesen Jahren heftig auf germanischer Seite, denn man wusste zwischen Rhein und Elbe was die Stunde geschlagen hatte. Das Ziel der römischen Truppenkonzentration zeigte eindeutig ins Kerngebiet der Cherusker wo Arminius lebte. Arminius wusste was auf ihn zukommen würde, er brauchte starke und vor allem verlässliche Partner, wird an neuen Bündnissen geschmiedet haben und immer war seine Präsenz in der gefährdeten Region am Weserübergang nahe Godelheim erforderlich. Das einstige Zentrum varianischer Provinzialisierungsträume. Auch mit Segestes, wollte man ihn denn wenn möglich wieder in die germanische Phalanx mit einbinden wird er im Gespräch gestanden haben bzw. es gesucht haben. Segestes ging vermutlich auf Distanz zu ihm und dürfte sich mit seiner Sippe beraten haben um mit ihr die Alternativen zu diskutieren. Möglicherweise hatten sie sich in diesen Tagen alle in seinem Fürstensitz versammelt. Im Frühjahr 15 + überschlugen sich dann die Ereignisse. Caecina hielt die Marser mit Gewalt in Schach. Germanicus operierte besser gesagt wütete, wenn auch relativ erfolglos im Zentrum der Chatten nördlich der Eder vermutlich in der Region um den Gudes - und Odenberg im Raum Metze. Eine Landschaft in der man auch den chattischen Hauptort Mattium vermutet, den er nieder brannte. Und nur etwa 7o Kilometer nördlich dieses chattischen Fürstensitzes vermute ich im Einbecker Ortsteil Vogelbeck auch die Burg des Segestes. Somit standen alle Schauplätze im Frühjahr 15 + in räumlicher Nähe zueinander, was diese Großregion kurzzeitig zum Brennpunkt der römisch/germanischen Auseinandersetzung aber auch zum „Hot Spot antiker Bewegungsprofil Forschung“ machte. Für Segestes stand nun einiges auf des Messers Schneide und das Haus Segestes sah sich gezwungen sich nun festlegen zu müssen. Entweder einen schier aussichtslosen Kampf als untergeordneter Juniorpartner des großen Arminius gegen eine Weltmacht noch dazu mit einer hochschwangeren Thusnelda auf sich zu nehmen, oder sich auf eine vielleicht nur begrenzte Zeit ins römische Exil zu begeben um auf bessere Tage zu hoffen, wenn Arminius von Germanicus zur Aufgabe gezwungen worden wäre. Strabo beschrieb das Dilemma in dem Segestes steckte in seinen Aufzeichnungen im Rahmen des Triumphzugs nur mit sehr knappen Worten. Sie klingen danach, als ob Segestes seinem inneren Ruf folgte, was man allgemein als eine günstige Fügung des Schicksals ansah. Sie bestand darin, das Germanicus kurzzeitig in Tuchfühlung zu ihm stand. Segestes nutzte also die Gunst der Stunde, eben diese Nähe aus, die wohl auch so schnell nicht wieder kommen würde. Denn um diese Zeit war für ihn noch nichts verloren, es war noch kein Blut zwischen ihm und Germanicus geflossen und die Stimmung noch nicht vergiftet. Germanicus war um diese Zeit unterwegs aus der Region um Metze kommend, um sich in eines seiner Standlager am Niederrhein zurück zu ziehen, da er im Jahr 15 + den Frontalangriff auf Arminius noch vermeiden wollte oder musste. Aber die Faktenlage aus germanischer Sicht stellte sich damals anders dar, sie sprach dafür, dass Segestes aber auch Arminius davon ausgehen mussten dass Germanicus nach der „glücklichen“ Schlacht unter Caecina gegen die Marser im Frühjahr 15 + schon im Sommer des gleichen Jahres seine Legionen auch gegen Arminius lenken würde, so dass die Zeit drängte. Und so geschah es bekanntlich auch, denn im Sommer kehrte Germanicus mit starker Streitmacht zurück und es kam zu einem für Germanicus allerdings unrühmlich endenden ersten Schlachtengeplänkel an der Weser. Das baldige Ausbrechen von Kämpfen gegen die Cherusker in die Segestes unweigerlich mit hineingezogen worden wäre stand kurz bevor, wäre also in der Konsequenz nur eine Frage weniger Wochen gewesen. Es war also für Segestes der richtige Zeitpunkt gekommen, den Absprung zu wagen. Man kann es ihm mit einem Seitenblick auf seine Tochter sogar noch nicht einmal verdenken, dass er sich in dieser Lage für den Frontenwechsel entschieden hat, denn alles sprach gegen Germanien. Als Strabo seins berichtete und den günstigen Umstand erwähnte in dem sich Segestes wähnte, wusste Strabo noch nichts vom genauen Inhalt dessen, was Segestes darüber gegenüber dem hohen Hause im Jahre 17 + zu Protokoll und zur Rechtfertigung vorgab. Für Strabo fügte es sich alles gut und auch plausibel in die Geschehnisse ein, so wie man es sich in den Straßen von Rom erzählte und darüber hinaus waren ihm keine weiteren Details über die damaligen Umstände die im Jahre 15 + zum Segestes Übertritt führten bekannt. (16.04.2020)

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Donnerstag, 2. April 2020
Das Rom der Antike war unserer Zeit schon sehr ähnlich - Strabo spornt unsere Phantasie an.
Nach Manilius und Ovid konnte uns auch Strabo mit dem Wenigen was er in den Jahren 17 oder 18 + nieder schrieb nichts Näheres über das Leben, Wirken und Tun des Segestes in Ostwestfalen berichten. Wir erfahren von ihm lediglich, dass Segestes nicht die Ansichten des Arminius teilte, was sich aber eher minder dramatisch anhört und keinen Rückschluss auf einen tiefer gehenden Disput zulässt. Aber wir können aus seinen Zeilen heraus lesen, dass Segestes schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine andere Meinung vertrat als Arminius. Worauf sich diese Meinungsunterschiede bezogen hatten bleibt unklar, sie dürften wohl mit dem römischen Vordringen nach Ostwestfalen zu tun gehabt haben, was auch das Verhalten von Varus mit eingeschlossen haben dürfte. Segestes stand also nach Strabo in mancherlei Hinsicht im Widerspruch zu Arminius, was die Einschätzung der damaligen Lage anbetraf. Und dies soll der griechischen Übersetzung nach sogar schon „von Anfang an“ der Fall gewesen sein. Womit uns Strabo wieder einmal neue Denkaufgaben mit auf den Weg gibt, die sich in mehrere Gedankenketten aufsplitten lassen. Zu Beginn muss daher erst einmal die Frage gestellt und möglichst beantwortet werden, was Strabo unter der Begrifflichkeit des „von Anfang an“ verstanden haben könnte. Das Strabo sich dabei eindeutig auf Arminius bezog und er nicht den Namen seines Vaters nämlich Segimer nennt, weist darauf hin, dass sich schon zu diesem recht frühen Zeitpunkt die Machtfrage in Richtung Arminius gedreht, also verschoben hatte. Doch wie sollte man dies zeitlich einstufen, denn Strabo sagt uns dazu nicht genau was er unter „Anfang“ versteht. Es konnte natürlich und was auch plausibel wäre, zu einer Meinungsverschiedenheit beider nur gekommen sein, wenn sich Arminius auch in seiner Heimat aufhielt, wo sie beide in Kontakt zueinander standen. Der allgemeinen Theorie zufolge nahm neben Tiberius und Paterculus auch Arminius am Pannonischen Krieg teil, der etwa im Sommer 6 + urplötzlich ausbrach. Da diesem Krieg der unvollendete Markomannen Feldzug im Frühjahr 6 + voraus ging könnte man annehmen, dass Arminius mit weiteren germanischen Hilfstruppen bereits am Feldzug gegen Marbod beteiligt war, bevor er mit den Legionen den Schwenk nach Süden vollzog um mit in die Kämpfe in Pannonien einzugreifen. Er könnte aber auch wegen erhöhtem Truppenbedarf auf Anforderung von Tiberius direkt nach Pannonien aufgebrochen sein, ohne vorher gegen Marbod zu ziehen. Ob nun im zeitigen Frühjahr oder erst im Sommer des Jahres 6 +, so könnte Arminius in diesem Jahr etwa 23 Jahre alt gewesen sein. Er verließ seine Heimat im Verlauf des ersten Halbjahres 6 + und hatte sein Stammesgebiet seit dem, also einige Jahre nicht gesehen. Die Kämpfe in Pannonien endeten im Jahre 8 + für Rom siegreich und Arminius könnte demzufolge unmittelbar danach mit seinen Gefolgsleuten nach Ostwestfalen aufgebrochen sein und so hätte er ungefähr zwei Jahre für Rom gedient. In etwa der gleichen Zeit könnten sich möglicherweise auch die ersten römischen Legionen, die für den Dalmatinischen Krieg nicht mehr gebraucht wurden angeschickt haben wieder ihre alten Standort Quartiere am Niederrhein aufzusuchen. Das Arminius noch selbst im Dalmatinischen Krieg des Jahres 9 + kämpfte, schließe ich wegen der zu geringen Vorbereitungszeit für die Varusschlacht bzw. der zeitlichen Überschneidung aus. Aber Teile bzw. Vexillationen der drei varianischen Legionen wird man noch im Dalmatinischen Krieg gebraucht haben. In Anbetracht der Umgekommenen oder der Verletzten die der Kriegsschauplatz an der Donau forderte, dürften Varus für seine Schlacht wie in einem der letzten Abschnitte ausführlicher dargestellt im Herbst 9 + viele kampffähige Männer gefehlt haben. Als sich Arminius im Alter von etwa 23 Jahren im Jahre 6 + mit germanischen Hilfstruppen den römischen Legionen anschloss, konnte er noch nicht in einer führenden Position innerhalb der Cheruskersippe gewesen sein, da diese in der Zeit noch sein Vater Segimer inne hatte. Arminius war daher wohl vor dem Jahre 6 + auch noch kein angemessener Gesprächspartner für Segestes, der seinem Vater in etwa gleichrangig gestellt war. Zu einer ernst zunehmenden Führungsperson in der Nachfolge seines Vaters dürfte Arminius erst nach seiner Rückkehr aus Pannonien aufgerückt sein. Die frühen Anfänge von Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Segestes auf die sich Strabo bezog, könnten demnach erst nach seiner Rückkehr im Jahre 8 + aufgetreten sein. Eine Phase in der das Willkür Regime eines Varus erste negative Auswirkungen zeigte. Aber Strabo lässt nicht erkennen, dass diese voneinander abweichenden Meinungen und Ansichten zwischen Arminius und Segestes so weit gingen, dass aus ihnen ein offener Zwist wurde. Anderer Auffassung zu sein ist nichts Ungewöhnliches und in der Regel kein Grund um zu den Waffen zu greifen und auch nicht um so weit zu gehen annehmen zu können, es sei Verrat im Spiel gewesen. Zweifellos klingt aber alles bereits nach einem Vorspiel zu dem was noch kommen sollte. Aber Strabo konnte oder wollte uns in diesem Zusammenhang noch nichts über die vermeintlichen Warnungen eines Segestes an Varus berichten, weil er wie ich schlussfolgere davon keine Kenntnis hatte. Es werden lediglich Animositäten zwischen Arminius und Segestes deutlich, aber es lässt sich bei Strabo daraus kein Bezug auf die zentrale Figur des Varus und sein Verhältnis zu Segestes herstellen oder ableiten. So lässt sich dies natürlich erst Recht noch nicht der verklärenden Lyrik entnehmen, wie sie vor ihm Ovid an den Hof des damaligen Kaisers Augustus lancierte. Eine Fiktion die Ovid sich vermutlich in einer äußerst trübsinnigen und tiefsinnigen Stimmung zusammen reimte, woraufhin man seinem Gesamtwerk auch den Namen „Tristia“ gab. Dennoch verrät Ovid`s zu Papier gewordener dichterischer Wunschtraum in gewisser Weise verblüffende Ähnlichkeit zu dem, was uns Strabo später mit eigenen Worten beschrieb. So möchte man hinter seiner Tristia, die er nur wenige Jahre vor Strabo`s realem Triumphzug sehnsüchtig auf Rückkehr nach Rom dürstend, aus seiner Feder tropfen ließ in Teilbereichen schon fasst hellseherische Fähigkeiten erkennen. Und es lassen sich darin in Ansätzen schon fasst Spuren des wahren Triumphzuges entdecken, so wie er sich dann am 26. Mai 0017 tatsächlich zugetragen hat. Aber die phantasievolle Darstellungskunst des Ovid verwundert nicht, denn er wusste wie man in Rom Triumphzüge inszenierte und es bedurfte für ihn keiner besonderen Gabe daraus eine Vision erstehen zu lassen. Das staatstragende Großereignis von dem Ovid wohl am fernen Schwarzen Meer, wo er auch verstarb schon nichts mehr erfahren hat. So war es auch immer das nur scheinbar Identische oder Übereinstimmende was unser besonderes Erstaunen ausgelöst hat. Denn die Voraussetzungen zwischen beiden Überlieferungen konnten unterschiedlicher nicht sein. Hier der Traum, dort die Realität. Was aber Ovid seinen inneren Phantasmen nicht entlocken konnte gelang Strabo einige Jahre später, denn er stand wie man annehmen darf, in Rom selbst unter den Zuschauern. Und von ihm erfuhren wir sogar etwas über die Bedeutung jener Germanen, die er uns mit Namen überlieferte. Personen die an dieser für unsere heutigen Vorstellungen skurrilen und unsäglich zu nennenden Darbietung mitwirkten. Während er für die Menschen die zur Teilnahme erniedrigt und gezwungen wurden keine Namen hatte. Ein Ereignis in dem auch innenpolitische Tragweite, Brisanz und sicherlich kaiserliche Nabelschau mitschwang. Denn in den Wandelgängen wurden wie überall, unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Weichen der Diplomatie gestellt. Hier ging es nicht einzig nur um Germanien, hier trafen sich die „akkreditierten“ Größen der Zeit und wo auch über die weitere Verwendung von Germanicus die Entscheidung fiel. Aber im Triumphzug lag etwas Monströses, dass in uns bereits beim Lesen des Wenigen Gänsehautschauer hervorruft und uns damit schlagartig bewusst werden lässt, in welch graue und raue Zeiten der Zivilisation wir hier geistig zurück kehren müssen, wenn wir verstehen wollen. Wir möchten uns immer wieder dieses Spektakel vor Augen halten und stellen uns alles vor wie eine gigantische, scheinbar nie enden wollende bunt gemischte Parade und Glitzershow. Und alles klingt für uns, da wir von der Ausdruckskraft amerikanischer Monumentalfilme sträflich voreingenommen sind nach einem kolossalen Siegeszug. Geschundene Menschen wie sie durch die Straßen von Rom getrieben wurden und die Luft erfüllt war vom Geschrei und Gestöhn der Opfer und der Schaulustigen. Aber liegen wir überhaupt richtig, wenn wir uns an die Stelle der Zuschauer begeben und dabei an ein trunkenes, weinseeliges Tamtam denken, dass in scheinbar ungeahnter Dimension die Stadt fasst zum Bersten brachte und bei dem Brot im Überfluss ausgegeben wurde. Wir wissen es nicht, können es uns aber in etwa vorstellen, da uns römische Sitten und Gebräuche historisch gut überliefert sind. Hinzu kommt, dass die damalige Unterhaltungsbranche imstande war phantasiereich zu agieren, sich zu inszenieren und es für das Volk annehmlich zu gestalten. Viele Ausgrabungen und die im Imperium zahlreichen noch vorhandenen Arenen verdeutlichen uns noch heute sehr anschaulich was man vor 2000 Jahren unter Volksbelustigung verstand. Wir sehen förmlich vor unserem inneren Auge einen sich wabernden Menschenknäuel bestehend aus Germanen und deren Bewachern und vielleicht sogar enge Verwandte von Segestes mit voraus getragenem Namensschild in „latinisiertem Germanisch“. Und unter den besonders gequälten wohl auch unmittelbare Landsleute von Arminius, wie sie sich in schmachvoller Unterwürfigkeit gesenkten Hauptes fortzubewegen hatten. Hier kommt uns auch nochmal Ovid zu Hilfe, der uns mit seiner gekonnt ausformulierten Beschreibung ungewollt dabei half und unterstützte unser Vorstellungsvermögen zu schärfen. Aus der erhöhten Position einer Empore, alles genüsslich betrachtend wohnten Tiberius und Germanicus mit Lorbeeren bekränzt und in strahlender Siegerpose samt Hofstaat dem Spektakel bei. Mit auf der Tribüne auch Segestes von dem wir aber annehmen dürfen, dass er sich dabei in seiner Haut nicht sonderlich wohl fühlte. Denn Strabo beschreibt ihn etwas zwitterhaft. Es kommt bei ihm zum Ausdruck, dass er zum einen beim Triumphzug anwesend war. Das es für ihn aber unvermeidbar war sich dort auch mit seinen nächsten ungeratenen Verwandten zeigen zu müssen. Das dies aber nichts ehrenrühriges darstellte, seiner Ehre also keinen Abbruch tat. Strabo schob also einen unsichtbaren Riegel zwischen Segestes und dem mit unrühmlichem Makel behafteten Teil seiner Familie, insbesondere aber zu seiner Tochter und ihrem Sohn, dessen Vater Arminius war. Eine Szenerie die schwer in Worte zu kleiden ist und für Strabo zu einer literarischen Herausforderung wurde. Aber aus seinem rhetorischen Spagat wird deutlich, wie mühsam es auch für Segestes gewesen sein musste, diese Distanz für alle glaubhaft und sichtbar aufrecht erhalten zu können. Keiner durfte in diesen schwierigen Stunden an seiner Loyalität zweifeln. Denn sein Auftreten beim Triumphzug musste inhaltlich und äußerlich überzeugend zu den Hinweisen passen, die er damals an Varus gegeben haben wollte. Dem römischen Volk konnte es gleich sein. Denn es war für die Menschen kein ungewohnter Anblick und tags darauf begann für sie wieder der Alltag. Aber wie sah es zur gleichen Zeit in den Weiten Germaniens aus, dort lebte man vor 2000 Jahren abgeschnitten und isoliert von der mächtigen Kapitale Rom und erfuhr nichts vom bunten Treiben in der pulsierenden Hauptstadt des Großreiches in Mittelitalien. Das galt besonders für den aufreibenden Triumphzug über den uns nur Strabo berichtete. Die Uhren für die Raum übergreifenden Nachrichtenströme nach Norden tickten damals noch sehr langsam und standen zeitweise lange still. Antike Metropolen kannte man in Westfalen im Höchstfall nur vom Hörensagen und erst recht waren pompöse Veranstaltungen wie etwa dieser Triumphzug den man für Germanicus ausrichtete für die Germanen der Zeit unvorstellbar. Was aus der Mittelmeerregion an Informationen zu ihnen tröpfelte, dürfte auch vielfach als unglaubwürdig abgetan worden sein. Frei aber sinngemäß nach der alten Weisheit „Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich.“ könnte man diesen Satz auch darauf anwenden. So war auch vom Triumphzug für Germanicus in Ostwestfalen nichts zu spüren. Segestes entkam damals mitsamt einigen engen Familienangehörigen und Vertrauten und überließ im Frühjahr 15 + seinen alten Herrschaftsbereich Halsüberkopf möglicherweise anderen Fürstensippen vielleicht aber auch der seines Rivalen Segimer. Seit dem befand sich Segestes unter der Kontrolle von Germanicus und wer von den zurück Gebliebenen stellte danach schon viele Fragen nach seinem weiteren Verbleib oder was aus ihm wurde. Man könnte die Meinung vertreten, dass es auch sein Gutes hatte, dass man in Germanien von all den Dingen die im Zuge des Triumphzuges vor sich gingen lange Zeit nichts wusste und nichts derartiges ahnte, denn es hätte zu überstürzten und unkontrollierten Racheausbrüchen führen können. Einzig Arminius war wegen Frau und Kind persönlich vom Schicksal schwer getroffenen. Auch zu ihm wird die schmerzliche Nachricht zeitversetzt irgendwann durch gesickert sein. Aber er wird auch erkannt haben, dass er sich mit den Gegebenheiten des Verlustes beider abzufinden hatte. Aber die Schmach, die man ihm persönlich in voller Absicht damit antat, traf ihn sicherlich tief, als er davon erfuhr, so wie es uns auch überliefert wurde. Betrachten wir nun einmal das Ganze von dieser Warte aus, folglich aus der Sicht der Germanen, würden aber heutige Maßstäbe ansetzen. Man stelle sich vor, ein einfacher Germane aus dem Lipperland hätte sich seiner gewohnten Umgebung entrissen und konnte schon damals einen Flug nach Rom buchen, um sich das Schauspiel nicht entgehen zu lassen. Er erkannte vielleicht Männer seines Stammes wie sie nun im Staub lagen und hätte dabei sicherlich nicht applaudiert. Im Gegenteil, Zorn wäre in ihm aufgestiegen und er hätte nach seiner Rückkehr aufgebracht über das Geschehene berichtet. Und dies hätte möglicherweise auch Konsequenzen gehabt bzw. zu Rebellionen geführt. Dafür fänden sich nach heutigen Sprachgebrauch so gehobene Worte wie die von einem zwischenstaatlichen Zerwürfnis, über das Überreichen einer Protestnote bis hin zur Einbestellung des Botschafters des beschuldigten Landes reichen würden, ganz so wie es die internationalen Regularien vorsehen. Insgesamt aber schon ein diplomatisches Reglement wie es sich auch schon im römischen Imperium in den frühen Grundzügen erkennen ließ. Wäre man in Germanien seinerzeit auf der Höhe unserer Zeit gewesen, so könnte dies das gängige Prozedere gewesen sein und mit etwas Phantasie beflügelt, wäre folgender Ablauf denkbar. Spinnen wir also den Faden weiter dann drifte ich mal etwas ins Humoristische ab und es klingt in etwa so. Radio Germania – Magna. Wir unterbrechen unser Programm „för ne wichtech“ Durchsage. - „Mer verston et nit, un mer könne et koom glöwe“. Wie wir „et eban hoeren möten“ wurde im „Winnemânôth för de“ Feldherr Germanicus in Rom „a risich Fira“ veranstaltet. Viele in „haptbandum“ vorgeführte Männer aus unseren „Gawi“ wurden in „cuoniouuidi“ gebunden am „groten Käsa“ vorbei geführt und hatten „ne mords Pinn“ zu erdulden. Wir im „franken“ Germanien sehen darin „open un ährlich jeseit ne“ Akt der offenen Provokation gegen all unsere Stämme und Sippen bis „danauf“ ans „suewische“ Meer. Das Ereignis beweist uns, „dat de“ Tiberius 16 + den Waffenstillstand „nit kundt jetan hätt“ um mit uns in Frieden leben zu wollen. „Vie möten us fürhten, datt he een un en anner mol“ unser Land mit Krieg überziehen wird, wenn er seine Legionen wieder aufgefüllt hat und über genügend Waffen und Pferde verfügt. Er hatte nie die Absicht unsere Würde zu achten und hat es trotz unseres Anerbittens abgelehnt auf den Triumphzug zu verzichten. Wir werden ein solches Verhalten der römischen Okkupationsmacht nicht dulden und zu gegebener Zeit in angemessener Weise reagieren. Und dazu kam es dann möglicherweise auch zu einem späteren Zeitpunkt, man griff in Germanien nochmal zu den Waffen und hielt sich an keine Vereinbarungen und Verträge mehr. Und fühlte sich daher auch nicht mehr an die einstige Zusage gebunden römische Schiffbrüchige unversehrt an den Rhein zurück kehren zu lassen. Womit sich ein weiterer Argumentationskreis zur Schlacht bei Kalkriese aufbauen ließe. Aber zurück zu Strabo, aber auch zu Ovid und zudem was sie noch zu sagen hatten. Strabo hingegen konnte Ovid etwas Reales entgegen halten. Er sah die zwei Machtmenschen wohl noch mit eigenen Augen, was bei Ovid ein unerfüllter Wunsch blieb. Aber nun hatte sich der Kaiser durch gesetzt, denn er verhinderte ein Jahr zuvor, dass die andauernden Feldzüge in Germanien, die das Imperium nahezu ausbluten ließen, ohne das sich ein Erfolg einstellen wollte, beendete. Wie überlieferte es uns Tacitus noch gleich in seinen Annalen 2,5-10, „Sein (Germanicus) Heer leide nicht so sehr durch das feindliche (germanische) Schwert, als durch die weiten Märsche und den Verlust an Waffen und Gallien sei der Lieferung von Pferden müde“.  So lässt sich ein logistisches Desaster in Worte kleiden, wenn der Nachschub ausbleibt. Trotz alledem vertrat Tacitus aber andererseits auch die optimistische Meinung, dass Germanicus am Ende sogar hätte siegen können. Vergessen wir aber nicht, dass Tacitus dies erst lange Zeit danach und auf Basis eines völlig anderen Wissensstandes nieder schrieb. Strabo ist aber nun unbestritten der Mann, der uns das erste Licht in das Dunkle der illustren Teilnehmerschaft des 26. Mai 0017 brachte und der uns den Kontrast erkennen lässt, wodurch sich seine Darstellungen von den schillernden Metamorphosen des Ovid, die von ihm nur wenige Jahre zuvor verfasst wurden unterscheiden und abheben. Strabo der am 26.5.0017 vielleicht „nur mal so“ durch Rom schlenderte, wie man es annehmen könnte, überlieferte uns, wie nicht anders zu erwarten, alles nur in so weit, wie er es auch selbst wusste, beurteilte, beobachtete oder im Detail auch erst später erfuhr. Und sicherlich hatte und musste er auch diverse Dinge und Verläufe vielleicht auch nur aus profanen Gründen heraus weg gelassen, weil sie nicht sein Interesse weckten und ihm nichts bedeuteten, denn er wollte Fakten hinterlassen. Aber ungeachtet dessen, können wir ihn auch nicht ganz davon frei sprechen, wenn es darum geht ihn zu hinterfragen, was er wusste, was er uns wissen ließ, aber vor allem was er uns wissen lassen wollte. Denn er wusste sicherlich noch einiges mehr, was er uns aber verschwieg bzw. auch verschweigen musste. Ein ewiges Dilemma in das uns alle Historiker stürzen, ob wir sie Antik oder Neuzeitlich nennen. Denn eine neutrale Geschichtsschreibung gibt, gab und wird es auch nie geben. Da nutzen auch die vielen Staaten übergreifenden Schulbuchkonferenzen nichts. Und es ist wohl noch schlimmer als gedacht, denn selbst Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Historikeraussagen helfen oftmals nicht weiter, denn auch diese könnten tendenziell ausgerichtet und formuliert worden sein, so dass selbst das Hinzuziehen anderer Quellen weiteren und damit wieder neuen Schwachstellen Tür und Tor öffnet. Aber an irgend etwas wollen wir uns fest halten können und da müssen wir immer ganz tief hinter die Bühne und in die Requisitenkammer der Weltgeschichte blicken. Nämlich bis dort hin wo die Komparsen, Kulissenschieber und Statisten der Historie die wahren Berichte über Leid und Leben in der alten Zeit schrieben. Aber diese Stimmen bleiben für gewöhnlich stumm, da sich für ihr Alltagsleben kaum einer interessiert. Graphittiartige Hinterlassenschaften an den Wänden beispielsweise in den Katakomben des Collosseums in Rom bringen uns da schon eher auf die Spur jener Menschen die wir suchen. Haben wir denn jemals erfahren, wie halb tote und verstümmelte Römer oder Germanen medizinisch versorgt wurden, wo man sie achtlos liegen ließ und wie man mit ihnen umging, bis sie irgend wann qualvoll verendeten, ob erfroren, verbluteten, verdursteten oder Tiere sich über sie her machten. Hier war Krieg und Schlachten und hier starb man und hier endete auch sehr schnell das, was uns die Geschichtsbücher von der Varusschlacht zu berichten wussten. Und wenn sich Kaiser Augustus keine Überlebenden in Italien wünschte, so wollte er auch nicht, dass man in Rom erfuhr, wie erbärmlich es in Ostwestfalen, so wie in allen Kriegen zugegangen ist. In der Endphase, als der römische Generalstab versagte, die komplette Übersicht verlor, hilflos umherirrte, alles im Chaos der letzten Stunden versank und man sich nach und nach ins Schwert stürzte, abschlachten oder abführen ließ. Es waren die typisch grässlichen Stunden die Sieger und Verlierer immer völlig anders erlebten und natürlich auch später darstellten. Verlässliches aus der Zeit ist und wird bis in alle Zeiten immer Mangelware bleiben, aber man kann es sich vorstellen. Die entscheidenden Anekdoten könnten uns nur die Menschen liefern, die man nie befragte, weil sie sich nicht zeigten und deren Antworten für die große Weltgeschichte ohne Belang sind. Sie spiegelten die Wahrheit im eigentlichen Sinne wider die aber niemand wissen wollte, weil sie sich letztlich jeder denken konnte. Denn wenn das gleißende Kameralicht der Historienforschung erlosch besaßen oftmals die Menschen mehr Courage die man nie in blinkenden Rüstungen sah. Denken wir nur an die heutigen Geheimhaltungspflichten selbst in den modernen demokratischen Staaten und Gesellschaftsformen. Denn bei gewissen aktuellen und vor allem brisanten Ereignissen werden die genauen Verläufe auch oftmals erst lange nach dem Tod diverser Politiker zur Veröffentlichung frei gegeben. Was zu Misstrauen führt und Legendenbildung schürt, aber in Kauf genommen wird. Und das Veröffentlichen kann dann sehr lange dauern und das soll es auch nämlich bis sich später kaum noch jemand dafür interessiert als …., wer wohl, natürlich die trockene Historik. Die sich dann ihre Wahrheit oftmals zusammen basteln muss. Aber das hat System, ist Absicht, man nennt es Politik und Menschenführung, kennt aber auch noch viele andere und weniger schmeichelhafte Namen. Segestes überlieferte uns teilweise die Personennamen der Teilnehmer am Marschzuggeschehen des Jahres 17 +. Aber nicht für alle hatte er Namen parat und machte da einen Unterschied. Zweifellos war es ihm nicht möglich die Namen jener Gefangenen in Erfahrung zu bringen denen man Ketten oder Fesseln angelegt hatte. Sein besonderer Augenmerk galt dem unmittelbaren Anhang von Segestes. So verriet er uns Zusammenhänge über ihren Familienstand und ihre verwandschaftlichen Beziehungen untereinander, teilweise ihre Bedeutung und Funktion und noch etwas über ihren früheren Werdegang. Aber wir haben keine Vorstellungen davon wie und woher er sich sein Wissen erwarb. Er konnte nur den Eindruck wieder geben wie er sich vor seinen Augen abspielte, konnte vielleicht die eine oder andere Frage an diese oder jene Person im Umfeld oder andere Umstehende richten und bekam dann auch die dementsprechenden Antworten. So gelangte er wie auch immer zu der erstaunlichen Feststellung, dass „alle“ Germanen für die Niederlage des Varus büßen mussten. Wen er unter „alle“ verstand bleibt unklar. Dachte er an Personen oder an germanische Völker. Vermutlich meinte er die Germanen die Germanicus im Zuge seiner Feldzüge bekämpfte und was Strabo so aus der Ferne miterlebt hatte. Sein Hinweis auf „alle“ Germanen die büßen mussten kann sich daher vermutlich nur auf jene beteiligten Völkerschaften bezogen haben, die sich in einer Allianz gegen Germanicus und vorher gegen Varus zusammen geschlossen hatten um sich ihnen entgegen zu stellen. Andernfalls wäre es eine sehr mutige wie diffuse Aufzählung mit wenig Aussage – und Beweiskraft gewesen, denn die germanische Führungsriege bzw. die Hauptschuldigen an der Niederlage im Saltus konnte Rom nicht büßen lassen, denn sie ließen sich nie zur Rechenschaft ziehen und sie begaben sich bekanntlich auch nicht freiwillig in die Hände Roms. Die Germanen die Germanicus 17 + die Gelegenheit boten sich von ihm im Triumphzug präsentieren zu lassen, bestanden aus Gefangenen aber auch der Segestessippe samt Anhang. Auch jene Personen die sich einst erhofften als neue Führungsriege an der Weser von Germanicus installiert zu werden. Anführer, die man aber nicht so tief demütigte und nicht in einem Triumphzug zur Schau stellte. Aber auch eine ungenannte Zahl von Germanen erwähnt Strabo die aus völlig unterschiedlichen germanischen Stämmen und Völkern stammten und die als Gefangene deklariert wurden. Wie sollten es also „alle“, gebüßt haben. Ihr Auftritt am 26. Mai 0017 in Rom stand nicht für „alle“. Strabo`s Hinweis „alle“ bezog wohl eher auf jene Germanen, die Germanicus in Germanien in den vielen Jahren bekriegt hatte. So leitete er daraus ab, dass sie damit ihre Schandtaten gegen Rom zur Genüge gebüßt hatten. Ob man es so interpretieren kann, bleibt aber letztlich gleich, denn Strabo wollte verherrlichen und blieb uns in diesem Fall die von ihm gewohnte Präzision schuldig. Aber erstaunlicherweise konnte Strabo immerhin die erlauchtesten Personen unter den Germanen beim Namen nennen. Familienclanmitglieder die sich im Jahre 15 + hinter Segestes gestellt hatten um sich gemeinsam mit ihm und das bekanntlich nicht unbedingt aus freien Stücken heraus in die Hände von Germanicus zu begeben. Es würde sicherlich zu weit greifen anzunehmen, Segestes könnte gedanklich schon zu diesem Zeitpunkt Rückkehrpläne gehegt haben, wenn denn Germanicus dem Arminius Treiben ein Ende gesetzt hätte. Bei den Blutsverwandten des Segestes plus Corona handelte es sich allesamt um Personen aus dem Arminius gegenüber rivalisierenden Fürstenhaus um Segestes, obwohl einige von ihnen unter dem konkreten Verdacht standen, sogar selbst auf Seiten von Arminius gegen Varus gekämpft zu haben. Möglicherweise sogar Segestes selbst. Strabo hat uns also schon mit wenigen Worten einen tiefen Einblick in die Geschehnisse vermitteln können. Mit der Strabo Wortwahl des „büßens aller Germanen“ ist also nicht unbedingt der Bußgang pardon Triumphzug der Gefangenen im Mai 0017 zu verstehen. Denn es ist schwerlich vorstellbar, dass ausgerechnet jene die Varusniederlage hätten büßen sollen, die im Jahre 15 + aus freien Stücken auf Rom zu gingen und um Hilfe baten, während die eigentlich Schuldigen für immer unbehelligt bleiben sollten. Zu dem erweckt Strabo noch den irritierenden Eindruck, als ob Segestes nur auf eine sich bietende Gelegenheit gewartet hätte, um sich angesichts der durch Germanicus drohenden Gefahr in den Schutz Roms zu begeben. Strabo stellte den Wechsel von Segestes ins Lager des Germanicus also wie eine Tat dar, die aus freien Stücken heraus geschah und sah dahiner keinen Zwang. Denn Strabo verlor damals kein Wort darüber, dass es nur dazu kam, weil die Segestesschanze von Arminius belagert wurde und er um sein Leben bangen musste. Strabo wollte also jeglichen Verdacht von Segestes lenken, er habe aus der Not heraus handeln müssen. Vielleicht lag dahinter wieder ein Hinweis verborgen, wie vorsichtig er mit der Person des Segestes umgehen musste um nicht in den Verdacht zu geraten, Rom habe sich mit ihm einen Pharisäer eingehandelt. Driftet man an dieser Stelle ins Spekulative ab, dann dürfte man sogar die Frage aufwerfen, ob Segestes jemals von Arminius in seiner Burg belagert wurde und nicht sogar dieses Szenario schon Teil einer umfassenden Strategie von ihm war indem er sich Germanicus gegenüber als ein rettungswürdiges Opfer präsentierte. Vielleicht „befürchtete“ es Segestes nur bzw. gab es nur vor, Arminius könne ihn angreifen. Vor dem Hintergrund, dass Arminius ausgerechnet in der Zeit, als Germanicus in Ostwestfalen bzw. Nordhessen mit starken Verbänden operierte auf die Idee gekommen sein sollte Segestes zu belagern, dann wäre das in der Tat ein recht unpassender Zeitpunkt gewesen. Aber der Herz zerreißende Entführungsfall „Thusnelda“ eröffnete, Jahrhunderte vor Romeo und Julia ein weitaus dankbares Spekulationsfeld in das sich noch vieles mehr hinein interpretieren ließ.(01.04.2020)

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Dienstag, 24. März 2020
Strabo - Der Mann der uns mit wenigen Worten viele Antworten gibt
Seine Vorgänger Ovid und Manilius schrieben ihres in einer Zeit nieder als Augustus der bis 14 + lebte noch Kaiser war. Aber Strabo schrieb schon unter seinem Nachfolger Kaiser Tiberius und er berichtete uns Interessantes über den Triumphzug der für den Feldherrn Germanicus am 26.5.0017 ausgerichtet wurde. Er berichtete also in einer Zeit bzw. unmittelbar aus einer Zeit heraus in der Germanicus seine militärischen Aktivitäten in Germanien sozusagen gerade erst beendet hatte bzw. beenden musste. Tiberius war für das Kriegsende verantwortlich, denn es war seine Entscheidung das Kämpfen zu beenden. Er vollzog diesen gewichtigen Schwenk in der Germanenpolitik, die vielleicht aus pazifistischer Sicht betrachtet die am weitest reichende Entscheidung war, die das Imperium je in Germanien getroffen hat. Sie führte auch dazu, dass Tiberius zukünftig auf einen offensiven Feldherrn in Germanien wie Germanicus es einer war, verzichten konnte. Tiberius hatte als Kaiser seinem Neffen Germanicus, dem Sohn seines Bruders Drusus zuvor drei Jahre lang bei seinem Treiben in Germanien zugesehen.Tiberius selbst kannte Germanien und seine Bewohner wie kaum ein anderer und er traf seine Entscheidung aus dieser Kenntnis und Erfahrung heraus. Die Karriere von Germanicus war vorgezeichnet, denn Kaiser Augustus hatte ihn als Nachfolger von Tiberius bereits zu Lebzeiten vorbestimmt. Man nimmt allgemein an, dass Germanicus Ambitionen hatte, die Nachfolge von Tiberius antreten zu wollen, bevor dieser es zulassen wollte, was wohl keiner weiteren Verdeutlichung bedarf. Wäre ihm ein umfassender Sieg in Germanien gelungen hätten ihn seine Legionen dabei möglicherweise unterstützt. Das Schema wäre für Rom nicht neu gewesen. Erfolgreiches eigenes agieren vielleicht in Verbindung mit fehlerhaftem Verhalten bei Tiberius und möglichen Widersachern in Rom hätte es beschleunigen können. Aber Tiberius zeigte unerwartete Stärke in Verbindung mit geschickter Taktik, präsentierte sich als Staatsmann und band damit Germanicus die Hände. Hätte Germanicus, wie es viele sehen wollten und manche erhofften auch noch nach 16 + in Germanien weiter kämpfen dürfen und das möglicherweise sogar letztlich siegreich, wäre in ihm für Tiberius möglicherweise ein potenzieller Rivale heran gewachsen, was nicht in seinem Sinne war. Man kann es bei Herrschenden oft beobachten, dass diese ungern im Volk beliebte Charismatiker über längere Zeit neben sich dulden und Germanicus soll einer von jenen gewesen sein. Aber als Kaiser hatte Tiberius Handlungsfreiheit, er beendete die fruchtlosen Bemühungen von Germanicus was sich mit seiner Erfolglosigkeit und dem hohen militärischen Aufwand gut begründen ließ. Er stellte die Grenzsicherung in den Vordergrund und gab ihr den absoluten Vorrang. Eine respektable und anerkennenswerte Entscheidung mit der er sich als Friedensstifter in die Tradition von Kaiser Augustus einreihte und sich beim Volk Ansehen verschaffte. Er schwächte damit den Nimbus von Germanicus in dem er ihn abberief, ebnete ihm aber gleichsam gönnerhaft den Weg für einen glorreichen Empfang in Rom. Aber die Ziele die sich Germanicus in Germanien gesetzt hatte und möglicherweise auch die, die er im Imperium verfolgt haben könnte, wurden von Tiberius durchkreuzt. Insgesamt betrachtet ein äußerst guter politischer Schachzug. Denn als neuer Kaiser hatte Tiberius staatsmännischer zu denken und andere Dinge ins Visier zu nehmen als weiterhin zermürbende Schlachten in einem endlosen Sumpf- und Waldland zu führen. Aber nach alledem was Germanicus letztlich für die Reputation des Reiches geleistet hatte, sollte man doch zu dem Schluss gelangen, dass man ihm trotz magerer Ausbeute einen Triumphzug zugestehen musste und ihn als gerechtfertigt ansehen könnte. Aber auch der schöne Schein wollte in Rom gewahrt sein und so scheute man wohl weder Kosten noch Aufwand damit der Triumphzug für alle sichtbar zu einem lebhaften und unvergesslichen Großereignis werden konnte. Auch Strabo muss es berührt haben. Obwohl er uns als ein aufmerksamer und gewissenhafter Mensch erscheint, wird der Triumphzug auch an ihm nicht spurlos, heute würde man sagen emotionslos vorüber gegangen sein. So hinterließ er sicherlich auch bei ihm einen bleibenden Eindruck und er dürfte noch seine Zeit gebraucht haben, bis er alle seine Wahrnehmungen gedanklich verarbeitet hatte. Es musste sich in ihm erst alles gesetzt haben bis er zur Feder greifen konnte. Ob man es aus seinen Zeilen heraus lesen kann ist schwer zu sagen. Aber im Gegensatz zu Ovid schrieb Strabo aus anderen Beweggründen heraus und er war daran interessiert einer ausgewogenen Sachlichkeit den Vortritt zu lassen. Es wird erkennbar, dass bei ihm das Bedürfnis stark war Fakten vermitteln zu wollen. Die distanzierte Nüchternheit eines Geographen und Historikers stand im deutlichen Kontrast zu einem entrückten römischen Dichter und Poeten. Strabo war ein Historiker wie man ihn sich wünscht. Er nannte viele der auftretenden Personen beim Namen, er setzte mit dem 26.5.0017 ein fixes Datum und er stellte klar, dass Arminius jetzt immer noch Krieg führen würde. Aber mit der exakten Alterfestlegung des kleinen Thumelicus erwies er uns einen weiteren großen Dienst. Denn präziser ließ sich das Wesentliche dieses denkwürdigen Tages kaum zusammen fassen. Strabo musste sich Notizen gemacht haben, denn auch die germanischen Namen und ihre Schreibweise ließen sich für ihn nicht leicht im Gedächtnis behalten. Wir kennen aus der Zeit namentlich keine zweisprachigen Germanen und sind auf Spekulationen angewiesen. Germanen dürften und das erst recht im eigenen Lande, vielleicht eine geringe Oberschicht ausgenommen des Schreibens unkundig gewesen sein. So der allgemeine Wissensstand. Aber in Rom könnte es gebildete Germaninnen oder Germanen gegeben haben die die Gefangenschaft und Sklaverei hinter sich lassen konnten und denen einen sozialer Aufstieg vergönnt war. Sie könnten auch eine sprachliche Vermittlerfunktion ausgeübt und übernommen haben. Strabo musste die Namen der germanischen Häupter also nicht unbedingt über ihren Klang verschriftet haben. Er hätte sie aber auch erst in der Folgezeit nach Befragen weiterer Personen, also von anderer Seite her erfahren haben können und schrieb sie entsprechend später für die interessierte Nachwelt nieder. Sein Hang fixe zeitliche Bezüge zu hinterlassen was den noch jetzt Krieg führenden Arminius, den genauen Tag des Triumphzuges, sowie das exakte Alter des Thumelicus, aber auch die vielen Namensnennungen anbelangt lassen den Schluss zu, dass er einige Fakten erst noch selbst zeitversetzt nach recherchieren musste. Er sie also keinesfalls schon am 26.5.0017, oder kurze Zeit danach alle hätte zusammen getragen haben können. Ließe sich daraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass Strabo seinen gesamten Wissenstand den er unmittelbar nach dem 26.5.0017 noch nicht besessen haben dürfte erst nach und nach komplettiert haben könnte. Möglicherweise erfuhr er vieles erst Monate nach dem 26.5.0017 und vielleicht sogar erst im Jahre 18 +. Zum Beispiel, dass Arminius immer noch kämpfen würde. Und ähnlich verhielt es sich auch mit seinem Kenntnisstand über das Alter des Thumelicus. Aber bei der Aufarbeitung gilt es natürlich eines zu bedenken. Das nämlich ein Arminius, der nach Strabo selbst „jetzt“ noch gekämpft hatte, es theoretisch auch noch im Jahre 18 + und natürlich noch darüber hinaus und sogar bis zu seinem Tode gegen seinen Erzfeind Rom getan haben könnte. Denn es ist kaum vorstellbar das Arminius, sollte er sich noch körperlich dazu imstande gesehen haben ein Mann war, der sein Schwert an der Wand verrosten lässt, nur weil es in die Strategie von Tiberius passte. Aber wie ging es mit Segestes weiter. Da man im römischen Machtzentrum aus politischen Gründen und Kalkül die Darstellung von Segestes im Jahre 17 + gerne teilte, war es auch der Wille der Obrigkeit seine Version zu akzeptieren und nicht opportun am Wahrheitsgehalt zu zweifeln. Die Staatsraison gab den Ton vor, dass Segestes damals alles in seiner Macht stehende getan hatte, um Varus die Niederlage zu ersparen aber seine Rufe leider ungehört verhallten. Sollte Strabo doch schon mehr gewusst und daran gezweifelt haben, so dürfte er aus taktischen Gründen bei dieser Gemengelage auch gut beraten gewesen sein, das Kapitel „Segestes“ völlig auszuklammern und nur vom Treuebruch der Cherusker zu sprechen. Es sind also mehrere Varianten denkbar, wenn man nach Erklärungen sucht, warum Strabo diese Details in seiner Niederschrift aus ließ. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass Strabo nicht wusste was Segestes auf Befragen in Rom verlauten ließ. Erst die Historiker die auf Strabo folgten waren da mitteilsamer, ihnen standen die Quellen offen und sie konnten auf den Wissensstand aus dem Munde von Segestes zurück greifen. Und das taten sie. Alle schenkten sie seinen Worten uneingeschränkten Glauben. Das überaus große Interesse und eine seltsame Form von ungewöhnlicher Aufmerksamkeit mit der sich die vier Historiker die über Segestes berichteten seinen Ausführungen widmeten wirft natürlich weitere Fragen auf, mit denen ich mich der Reihe nach noch beschäftigen möchte. Gemeint sind Paterculus, Tacitus, Florus und Dio die sich alle über Segestes äußerten. Aber die wie ich meine Notlügen des Segestes passten auch noch Jahrhunderte später gut in die politische Landschaft und fanden Platz in den Seelen der Menschen eines gedemütigten Imperiums. Und so verbreiteten sie sich wie von selbst von Generation zu Generation und wurde immer glaubhafter. Die Geschichten um einen Mann, der sogar sein eigenes Volk für Rom verriet. Aber wir wissen auch wie man in Rom wirklich über Segestes dachte. Denn nach Plutarch drückte es einst auch Kaiser Augustus mit den Worten aus. „Ich liebe den Verrat, aber Verräter lobe ich nicht“. Somit war Strabo der Reihenfolge nach der dritte Varusschlacht – Bezeuger noch der Mann, der völlig unbedarft, ob wissentlich oder ahnungslos zwischen die Stühle des damaligen Kenntnisstandes geriet und zum letzten Historiker einer Ära wurde, die das von Segestes gesagte nicht verwertete. Damit schließt sich der Kreis der Argumentation und lässt den Rückschluss zu, dass erst mit dem Eintreffen von Segestes in Rom auch neues Wissen zur Varusschlacht in die Palatinischen Bibliotheken Eingang fand. Strabo war im Mai 17 + ein Passant der dem Triumphzug zusah, wie er an ihm vorbei zelebrierte. Ein Römer dem es so erging wie vielen anderen auch die von der Neugier getrieben dabei war. Es war vielleicht auch nur der pure Zufall, dass er in diesem Moment am Puls der Zeit verweilte. Aber er war auch Forscher, war allen neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen und sah sich an diesem Tag zum Geschichtsmensch berufen, der die quirlig nach oben gespülten Neuigkeiten aufarbeiten aber auch hinterfragen wollte. Mit dem bloßen Zuschauen wollte er es nicht bewenden lassen. Obwohl sein eigentliches Metier die Geographie war spürte er doch das Besondere dieses ereignisreichen Tages. Ich vertrete daher die Ansicht, dass er damals keinen Quellenzugang in die Interna der damaligen palatinischen Schaltzentrale hatte bzw. ihm dieser Einblick nicht gewährt wurde. Zugang in die Akten dessen was Segestes als seine Überlebenstaktik ausspielte. Strabo wusste zum Zeitpunkt seiner Niederschrift nicht, dass Segestes dem Tribunal gegenüber nur vorgetäuscht hatte für Rom seinen eigenen Stamm an Varus verraten zu haben. So konnte Strabo Varus auch kein Fehlverhalten unterstellen, denn Varus brauchte keine Warnung von Segestes in den Wind schlagen bzw. ignorieren, da es sie nie gegeben hat. Aber erwarten wir an dieser Stelle auch nicht zu viel an Detailkenntnissen von Strabo als die, die er uns schon erfreulicherweise hinterlassen hatte. Segestes sah übrigens kein Risiko darin im Verhörraum alles auf eine Karte zu setzen. Er konnte es sich erlauben. Denn in Rom hatte er keine unliebsamen Mitwisser oder Zeugen zu fürchten, da alle vom „Teutoburgiensi Saltu“ acht Jahre zuvor verschluckt wurden. Aber Segestes sah sich gezwungen bei der Befragung überzeugend wirken zu müssen. Er musste sich förmlich ereifert und hinein gesteigert haben, um mit dem berühmten Brustton der Überzeugung vorgeben zu können, damals sein Bestes gegeben zu haben um Varus und das sogar noch am Vorabend vor dem Verlassen des Hauptlagers gewarnt zu haben. Der „treue“ Segestes, dem es gelang und das sogar noch zu seinen Lebzeiten in Rom gefeiert zu werden, vor allem aber schaffte er es zu überleben. Obwohl als Verräter unbeliebt, baute man Segestes im propagandistischen Sinne für die Nachwelt auf. Und die Welt der Historie hatte später keine andere Wahl, als es so zu übernehmen. Letztlich aber setzte Segestes sich seine Krone selbst auf in dem er sich mangels anderer Zeitzeugen die es besser gewusst hätten, zum Bewahrer der römischen Interessen in Germanien aufschwang. Er täuschte allen eine Heldenfigur vor und die Tür zum römischen Olymp blieb ihm nur verschlossen, da er unbegreiflicherweise auf einen scheinbar unbelehrbaren und stoischen Varus stieß. Aus römischer Sicht schrammte er damit nur knapp an der Unsterblichkeit vorbei. Gleich wie man es nennen oder bewerten möchte, aber so könnte die Methode Segestes, nämlich die eines nur vorgespielten bzw. vorgetäuschten Verrates funktioniert und Eingang in die Geschichtsbücher gefunden haben. Eine Warnung die alle Geschichtsbücher bewahrten, die aber nie das Licht der Realität erblickte. Letztlich machte aber Segestes auch nichts anderes als es Ovid in seiner misslichen tristen Lage und viele andere auch taten. Denn man handelte wohl damals wie heute auch immer noch in erster Linie im eigenen Interesse, vor allem wenn es um Leib und Leben ging. Und wem von beiden wollte man dies aus menschlicher Sicht betrachtet auch verdenken. Keine Stimme wurde in Rom laut, die ihn als einen Verräter an seinem eigenen germanischen Volk verteufelt hätte. Man sah in ihm einen Sympathieträger und ein im Einvernehmen mit Rom handelndes Werkzeug. Alles andere hätte nach einer Zuneigung für Arminius, die Germanen also den Feind klingen müssen. Erst Tacitus war der Historiker der sich nach dem viele Jahre vergangen waren wagte, Arminius als den Retter Germaniens zu bezeichnen und dem Feind von damals Achtung zu zollen. Aber so kurz nach dem Debakel im Saltus wandelte man schnell auf dem schmalen Grad eines Landesverräters, wollte man etwas anderes behaupten. Alles passte damals ausgezeichnet in die Sicht der Dinge und warum sollte man das Volk in der Folgezeit auch etwas anderes glauben lassen als das, was ihnen plausibel und glaubhaft erschien. All das erhob den Germanen Segestes in den Rang einer besonderen Person, die sich in Rom in diesen Tagen von allen übrigen Germanen ab hob. Aber auch noch eine anderer Blickwinkel ist vonnöten, möchte man nichts auslassen. Denn was wäre die Kehrseite all dessen gewesen, denn dann hätte alles völlig anders ausgesehen. Segestes hätte also sein eigenes Volk nicht verraten, hätte vor dem Tribunal nicht gelogen, also nicht zur Notlüge gegriffen um seine eigene Haut zu retten bzw. sich besser aus der Affäre zu ziehen. Wie hätten wir Segestes vor diesem Hintergrund dann zu werten und zu begreifen gehabt. Etwa als einen Mann der trotz erheblicher Skrupel an der richtigen Handlungsweise seines eigenen Volkes dann letztlich doch zu ihm stand, weil er beim Thing überstimmt wurde, er sich zu seinem Volk hingezogen fühlte, sich von seinen Stammesgenossen überzeugen ließ und sich dann in den Krieg gegen Rom aber gegen seine inneren Überzeugungen hätte hinein ziehen lassen. Er hätte somit oberflächlich zwar treu zur germanischen Sache gestanden und hätte sich auch von Seiten seiner Landsleute nichts vorwerfen lassen brauchen, wäre dann aber wiederum in Rom verharmlost ausgedrückt, nicht gut gelitten gewesen. Aber er begab sich in die Hände von Germanicus nichts ahnend, dass in diese Entscheidung einmal nach Rom führen würde. Damals im Jahre 15 + wuchs auch für ihn und besonders für seine schwangere Tochter die Gefahr gemeinsam mit dem Helden Arminius untergehen zu müssen. Denn Rom und Germanicus sinnte nach Rache und in Germanien wusste man, was dies bedeutete und diese Rache hätte dann auch ihn und seine Anverwandten in den Tod reißen können. Den Fürsten Segestes der damals doch nicht so römerfreundlich handelte wie man dachte, denn er wechselte noch rechtzeitig ins Lager Roms über um vielleicht am Tag X Arminius beerben zu können. So könnte es gewesen sein, denn nur so ließe es sich erklären, dass die gegnerischen Germanen den Fürsten Segestes in all den vielen Jahren nach dem Ende der Varusschlacht bis ins Jahr 15 + in Ostwestfalen unbehelligt ließen und man ihm nichts antat. Segestes war nicht zu beneiden. Hätte er damals in Rom Standhaftigkeit gezeigt, wie wäre es ihm ergangen. Es hätte für ihn viel Mut bedurft um zu seinem wahren Verhalten zu stehen. Aber er wäre dann bei der Wahrheit geblieben und die lautete Varus nicht gewarnt zu haben. Es wäre für ihn ein schwerer Spagat gewesen, es dem Tribunal glaubhaft zu machen, ohne dass es für die römischen Advokaten nach einer faulen Ausrede geklungen hätte. Er hätte sein Haupt sehr tief senken und ein Plädoyer für seine loyale Gesinnung abgeben müssen. Jener Treue gegenüber Rom, der er sich seit der damaligen Vertragsunterzeichnung zwischen Cheruskern und Römern immer verpflichtet sah. Aber in der damals aufgeheizten letztlich von Varus verursachten Stimmung des Jahres 9 + konnte er nicht anders, als der Strategie der Arminius Cherusker zu folgen. Es hätte schlimm enden können und es bestand für ihn die Gefahr eines äußerst riskanten Ausganges. Und was das für ihn bedeutet hätte, kann man sich vorstellen. Aber selbst wenn er sich so ehrenhaft verhalten hätte wie im Umkehrschluss dargestellt, wird es für seine Büste im urdeutschen „Heldentempel“, der Wallhalla von Donaustauf nicht mal für eine Nische im Keller gereicht haben. Dieser Überlegung zu folgen nähme natürlich zu starke hypothetische Züge an. Aber Strabo müsste man auf dieser Basis noch der ihm voraus gehenden Historikerriege Ovid/Manilius zurechnen. Drei kaum greifbare Persönlichkeiten die sich aber in einem einig schienen. Denn keiner von ihnen erwähnte, dass Varus von Segestes gewarnt wurde. (24.03.2020)

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