Montag, 3. Mai 2021
Die Grotte wo Siegfried einst den Drachen tötete und hier endete die Varusschlacht.


Man hätte es sich sicherlich spektakulärer vorgestellt, aber die reale Natur Ostwestfalens kann mit Bayreuth leider nicht mithalten.
Eine unscheinbare Muschelkalkquelle, die aber zum Ort des Geschehens geworden sein könnte wo Varus Suizid beging. (03.05.2021)

... link


Varus umringt von Feinden am Außenposten imperialer Macht unter dem Druck höchster Erwartungen.
Um es schnell auf den Punkt zu bringen. Kann uns die Vermenschlichung von Wesenszügen und Charakteren der alten Hauptdarsteller in Germanien helfen deren Verhalten und Stimmungslage in den kritischen Phasen des Geschehens für eine Bewertung ihrer Taten heranzuziehen. Natürlich nicht, u.a. weil wir mit ihnen noch nicht gemeinsam an der Theke gestanden haben. Aber allein schon das Aufwerfen dieser Frage soll in uns das Gefühl wecken, dass damals, obwohl die antiken Historiker mit dem Werfen von Nebelkerzen nicht sparsam umgingen immer nur Menschen am Werk waren die auch nur mit Wasser kochten. Aber es soll dazu beitragen unseren Blick auch auf die Personen zu lenken, die damals im Rampenlicht standen. Denn es läuft darauf hinaus, dass wir nicht nur dem längst vergangenen Schlachtenlärm nachsinnen sollten, sondern auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass damals Angst, Schweiß und noch vieles mehr mit im Spiel war. Aber mit Sicherheit lässt sich sagen, dass sich eine überlegen wähnende Armee im Gegensatz zu einem aufopferungsbereiten Gegner keine unnötigen Mühen und Lasten aufhalst und folglich den Weg des geringsten Widerstandes sucht. Antiker Symbolik folgend kennzeichneten die Säulen des Herkules das Ende der Welt und symbolisierten das Stoppschild der Zivilisation. War es für die Griechen die schier endlose Wasserfläche die sich hinter Gibraltar ausbreitete, müssen es für Rom die weiten Germaniens gewesen sein, die sie bremsten. Und wer die Seele der Varusschlacht verstehen will muss sich diese endlose Landmasse verinnerlichen, denn für die Germanen stand die Tür in einen schrankenlosen Rückzugsraum immer weit offen. Diese Geographie war die Trumpfkarte und Arminius spielte sie immer wieder aus. Aber die ureigenen Gefühlswelten der alten Protagonisten und ihre Stimmungslagen bleiben für uns immer im Dunklen und entziehen sich jeglicher Einblicknahme. Welche Laune trieb sie an, wie stand es um ihre Gesundheit, hatten sie am Morgen der Schlacht gut gefrühstückt und was gab es zu Mittag. Waren sie überschwänglich optimistisch, nachdenklich und in sich versunken und wie hielten sie es mit ihren Göttern. Für Varus hingegen galt zudem, wie bestechlich und empfänglich er war und wie er auf schmeichelnde Worte reagierte. Aber Emotionen zu überliefern, wie sie sich in zwiespältigen Situationen, bei Selbstzweifeln, Skrupeln, und ähnlichem äußern und zeigen, gehörte noch selten zum Repertoire antiker Kriegsberichterstattung. Erst in unserer Zeit ist man bemüht auch in die Seelenwelten längst verblichener Schlachtenlenker vorzustoßen. Aber mit Varus hatte man sich wegen seiner unerklärlichen Niederlage immer schon gerne näher beschäftigt, vor allem mit seinen Schwächen. Man erfährt am Rande, dass auch sein Vater in Gefahrenlage geraten schnell die Hand an sich legte und seine Frau im antiken Rom in alle Richtungen vernetzt war, während ihr Mann Varus für das Imperium jahrelang an den Außengrenzen des Reiches diente. Aber inwieweit helfen uns diese Hinweise zur Enträtselung seiner Person weiter, wenn wir daraus seine Verhaltensweisen entschlüsseln möchten. Nun kann ein als phlegmatisch und träge charakterisierter Feldherr genau so gut zu richtigen Entscheidungen fähig sein, wie ein erfahrener Feldherr falsch liegen kann, denn nicht immer ist das militärisch Taktische ratsamer als das undefinierbare Bauchgefühl. Im großen Geschehen um das Varusereignis sind uns nur wenige Ausnahmen bekannt geworden, die uns Einblick in das Innenleben der Protagonisten verschaffen. Und dazu gehört auch der berühmte Gefühlsausbruch von Kaiser Augustus auf die Niederlage hin. Man kann Schlussfolgerungen naturgemäß nur aus abgeschlossenen Handlungen ableiten und nachdem wie man sie uns überlieferte. Nüchtern betrachtet lässt sich Varus in seiner damaligen Lage kein grobes Fehlverhalten vorwerfen. Er handelte auf Basis seines Wissenstandes und seiner militärischen Möglichkeiten heraus. Zu dieser Auffassung sind inzwischen auch viele moderne Historiker gelangt. Wollen wir trotzdem mehr wissen, müssten wir uns mit verbundenen Augen wie an einem langen Seil vom Möglichen, über das Denkbare bis zum Wahrscheinlichen zurück zu den Anfängen hangeln. Nur dort können wir fündig werden, wenn wir mehr über Ursache und Wirkung erfahren wollen. Am Seilanfang müssten wir mit der Suche beginnen und uns auch mit den Sorgen, Nöten, Ängsten und Befindlichkeiten der Menschen in fernster Vergangenheit befassen. Denn sie alle brachten auch ihre ureigenen persönlichen und privaten Lebenserwartungen und Wünsche mit in die Vorgänge um die Schlacht ein und jedes Einzelschicksal hatte seine Geschichte. Und selbst dann wird es immer nur bei vagen Vermutungen bleiben. Aber wie sollte man die antiken Schriften zum Reden bringen, wenn es kein Studienfach über antikes, psychologisches "Schlachten Profiling" gibt. Viele Vergleiche mit ähnlichen Situationen gleich in welcher Epoche sie sich ereigneten können her halten, wenn wir unser Vorstellungsvermögen auf die damaligen Zeiten fokussieren wollen. Das eine oder andere lässt sich jedoch mangels belastbarer Quellen aus der simplen Logik heraus erschließen. Fest stehende Fakten wie sie immer Gültigkeit behalten werden, weil sie unveränderlicher menschlicher Eigenart und Eigenheit entstammen nutzen uns bei der Analyse. Und vieles davon können wir auch auf die damaligen Verhältnisse anwenden, denn auch zu Varuszeiten dürfte es nicht anders gewesen sein. Viele historische Beispiele aus allen Stadien der geschichtlichen Entwicklung lehren es und stehen uns hilfreich zur Seite, wenn wir uns mit den Wesensmerkmalen der menschlichen Gesellschaft und dem Zusammenleben in Gefahrensituationen befassen. Wie viele Zitate, wenn sie sich auf unsere unrühmlichen und unguten Eigenschaften, aber auch auf unsere positiven Seiten beziehen, sind uns aus der griechischen und römischen Welt nur deswegen immer noch geläufig, weil sie an Sinnhaftigkeit selbst nach Jahrtausenden bis heute noch nichts eingebüßt haben. Sich um jeden Preis bereichern oder Macht erringen zu wollen ist immer noch ein erstrebenswertes Ziel seit Menschengedenken. Der zweite Weltkrieg brachte ein schlimmes aber geflügeltes Wort hervor, es lautete "Kriegsgewinnler". Der Kriegsgewinnler ist zu allen Zeiten ein Mensch der imstande ist, auch aus dem Leid anderer Profit ziehen zu können, sich schwierige Lagen zu nutze zu machen, also selbst noch unter widrigsten Umständen fähig war, für sich Gewinn heraus zu schlagen. In der Erwartung Schlachten selbst Kriege zu überleben hoffte er zum Nutznießer eigener Schandtaten zu werden. Ihn einen Lebenskünstler zu nennen wäre verwerflich, aber will man ihn etwas schonen könnte man ihn noch einen Realisten nennen. Und was bedeutet und bedeutete für viele Zeitgenossen im täglichen Überlebenskampf schon das Wort Loyalität, Gewissen, Zuverlässigkeit oder Moral, wenn eine lukrative Lebensperspektive winkt zumal dann, wenn Titel und Adelsstand nicht genügten. Nicht anders war die Situation und Ausgangslage auch vor 2000 Jahren, der sich damals der Feldherr Varus gegenüber gestellt sah und sich dem nicht entziehen konnte oder wollte. Er war selbst integraler Bestandteil eines großen Verwaltungsapparates, kannte den römischen Personalzirkus, bis sich das Glück 9 + von ihm abwendete. Aus römischer Sicht betrachtet hatte Kaiser Augustus seinem Feldherrn Varus das Kommando über einen nach Osten hin grenzen - und endlosen Landstrich am Rande der zivilisierten Welt übertragen. Er hatte ihn in eine Region entsandt, die erst wenige Jahre zuvor mit Waffengewalt erobert, also nach römischem Lesart befriedet wurde. War es nur eine mutige Entscheidung, oder wollte der Kaiser mit Varus vielleicht schon das "Peter Prinzip" anwenden, wonach man einen Menschen in einer Hierarchie bis an eine bestimmte Stufe aufsteigen lässt, auf der er dann früher oder später an seinem eigenen Unvermögen scheitern musste. Er ihn also so lange beförderte, bis er das nötige Maß an Unfähigkeit erreicht hatte um ihn degradieren zu können. Eine in manchen Chefetagen auch heute noch beliebte Methode. Varus mag auch Untergebene in seinen Reihen gehabt haben, die noch nicht über genügend Erfahrung und Kompetenz verfügten, ebenso aber auch über eine im Kampf erprobte Führungselite und vielleicht beging er auch den Fehler nicht rechtzeitig erkannt zu haben, das er sich mit den falschen Beratern umgeben hatte. Eine Erkenntnis zu der er wohl erst im umkämpften Gerichtslager bei den Aufrührern gelangte, wo er vor vollendeten Tatsachen stand und sich seinem eigenen Abgrund näherte. Aber auch Kaiser Augustus könnte sich auf Varus bezogen den gleichen Vorwurf gemacht haben, in dem er sein Scheitern nicht, oder doch nicht so früh erwartet hatte. Aber Varus musste auf Basis einer sich kritisch entwickelnden Lage eine Reihe von Entscheidungen treffen und dann die richtigen Befehle geben, dies konnte und durfte ihm keiner abnehmen. Varus versetzte man vermutlich 6 + in sein neues Wirkungsgebiet nach Germanien und er könnte im Frühjahr 7 + an die Weser aufgebrochen sein, wo er an der östlichen Peripherie des Reiches für Rom eine neue Provinz aufzubauen hatte und dort die Macht der Cäsaren verkörpern sollte und an Kaisers statt seine Statthalterschaft antrat. Zuvor verliefen unter Hochdruck die Vorbereitungen zu dem von Kaiser Augustus angeordneten Markomannenfeldzug im Jahre 5 + um endlich das widerspenstige Germanien in Gänze zu befrieden. Vom neuen imperialen Zentrum in Höxter/Corvey aus betrachtet regierte man zentral, befand man sich inmitten eines geostrategisch bedeutsamen Großraumes positionierte sich neu und hatte sich weit vorgeschoben. Somit besetzte Varus an der Weser den letzten Vorposten und bewegte sich damit in der Mitte der bislang erreichten imperialen Machtgrenze an Rhein und Lippeoberlauf und einer noch relativ gelassenen Urbevölkerung an den Ufern der Elbe. Aber diese Hinterlandstämme zwischen dem Weserlimes und der Elbe ahnten das weitere Geschehen und Misstrauen staute sich an. Es formierte sich in Ansätzen das, was Germanicus später erwarten sollte und was Tacitus so trefflich formulierte als er schrieb, dass es nicht die Samniten, nicht die Karthager, nicht die Gallier, nicht die Spanier und auch nicht die Parther waren, die uns so oft herausgefordert hatten wie die Germanen. Und sie sollen seiner Meinung nach wegen ihres Freiheitswillen sogar noch gefährlicher gewesen sein, als die alten Machthaber der Armenier. Zunächst bestand die Aufgabe von Varus darin, diesen germanischen Kontinent an seinem westlichen Rand anzutasten zu kontrollieren und behutsam vorzugehen um die Stämme willfährig zu machen und sie nach Möglichkeit zu befrieden bzw. zu domestizieren. Sie dann aber tributreif zu manipulieren und gleichzeitig die Wesergrenze vor starken Stämmen und Strömungen aus dem Osten wie den suebischen Angiliern zu bewachen. Daher hätte es für ihn oberstes Gebot sein sollen, gerade gegenüber den Völkern östlich der Weser den friedlichen Eindruck der Pax Romana zu vermitteln was jegliches Machtgebaren ausgeschlossen hätte. Und man sollte annehmen, dass der Kaiser genau an diesem neuralgischen Außenposten seinen fähigsten Mann, samt einem verlässlichem Beraterstab hätte platzieren sollen. So erwartete man in Rom von ihm, dass er dieses in ihn gesetzte Vertrauen auch rechtfertigen würde. Man traute es ihm, einem offensichtlich verwaltungserfahrenen Statthalter zu den am weitesten vorgeschobenen römischen Stützpunkt zu stabilisieren. So überging man bewusst auch einige andere gute aber stärker in militärischer Hinsicht qualifizierte Männer wie etwa Paterculus. Mit Varus an der Spitze erhoffte sich der Kaiser die richtige Abwägung getroffen zu haben und positionierte ihn an einer der prekärsten Grenzen des Reiches, wo doch die Bezeichnung Frontabschnitt besser zugetroffen hätte. Dort machte die politische Lage Varus zur klassischen Fehlbesetzung und Augustus hätte vielleicht besser anders entschieden und einen Militaristen entsandt. Die Brunsburger Weserfurt am militärisch sensiblen Weserbogen war bekanntlich die ewige Einfallpforte aller Zug- und Völkerbewegungen aus dem Osten, sozusagen der militärische Vorläufer des vergleichbaren Fulda Gap, der Fulda Lücke im kalten Krieg. Dies hatte man zwar im römischen Imperium schon früh erkannt, aber bei aller strategischer Entschlossenheit machte das Imperium in Ostwestfalen einen Fehler. Denn der Rhein, war nicht die Weser. Ab Harz und Weser war alles anders als im Rheintal, wo die Region schon über Jahrhunderte im Zuge einer anders gearteten Zivilisation und Vorgeschichte, nämlich der keltischen vorgeprägt war. Ab Westfalen betrat das Imperium einen Boden der damit nicht vergleichbar war, der sich langsamer entwickelt hatte und gegenüber den linksrheinischen Regionen nicht nur klimatisch benachteiligt war. Auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse von Heribert Klabes lässt sich schlussfolgern, dass für Varus und das Imperium genau an dieser Stelle der Begriff Repräsentanz einen neuen Stellenwert bekommen sollte. Hier an der Corveyer Weserschleife sollten in Zukunft die germanischen Stämme des Ostens Einlass ins Imperium begehren. Sie sollten ab hier den reich an Errungenschaften gesegneten und hoch entwickelten Boden einer Weltmacht betreten. Mit staunenden Augen sollten sie auf die Leistungen der römischen Zivilisation blicken und dabei vor Bewunderung erstarren. Die kubische Säulenhalle am Corveyer Westwerk könnte davon übrig geblieben sein. Im Jahr 9 + nach der Niederschlagung der Pannonier und Dalmater hätte Varus dann wieder über seine ihm ursprünglich zugedachte Kopf - bzw. Kampfstärke verfügt. Es wäre vermutlich der Zeitpunkt erreicht, weitere Schritte zur Stabilisierung in Form neuer Bündnisse und neuer Garnisonsgründungen zu unternehmen. Ab dem Jahr 9 + wäre an der Weser der Wendepunkt erreicht worden. Die gallisch/römischen Städte zum Vorbild genommen wäre auch über Germanien ein neues Zeitalter eher herein - als angebrochen. Mit den wieder erstarkten Legionen hätte man die umfassenden Aufbauarbeiten weiter führen können und neue weithin sichtbare Fanale der Macht in Form aufragender Gebäude wären entstanden und zu Ende gebaut worden. Für das Jahr 10 + wäre Aufbruchstimmung angesagt gewesen und man hätte begonnen vollendete Tatsachen zu schaffen. Im Sinne römischer Eroberungsstrategie erwies es sich als fatal, dass man sechs Jahre brauchte um sich im Zuge des Kaiserwechsels neu zu konstituieren und sich vom Schock der Varusniederlage zu erholen, Zeit die die Germanen nutzten und die Rom mangels Kampfkraft und fehlender Entschlossenheit verstreichen ließ. Marbod hielt sich nach 9 + erstaunlicherweise zurück und es zeichnete sich von keiner Seite mehr eine ernst zunehmende Bedrohungslage ab. Ab dem Jahr 9 + hätten umgehend weitere römische Ostexpansionen im Weserraum folgen können, ja sogar müssen aber so wurde das Jahr zum Synonym des Niederganges. Lange Jahre machte sich Stillstand breit woraus sich ein brüchiger Status Quo ergab. Resultat war die Zurücknahme einst weitreichender Pläne auf das Niveau des bis dato erreichten und man stand wieder an der guten alten Rheingrenze wo alles begann. Varus mag schon am Vorabend des Abmarschtages erkannt haben wie abhängig er von den ihm zugesagten germanischen Hilfstruppen war. Es waren unter seinen Hilfskräften aber auch Cherusker die noch wenige Jahre zuvor im von Tiberius und Paterculus angeführten Immensum Bellum blutig von Rom nieder gekämpft wurden. Diese Germanen sollten nun die römischen Truppen schützen und zum Garanten und Fundament für eine dauerhafte römische Präsenz in Ostwestfalen werden. Leichtsinn gepaart mit Naivität besser gesagt Größenwahn muss man hier dem Imperium unterstellen. Tacitus hatte sicher damit recht, denn von ihm ist überliefert, dass es zwischen Siegern und Besiegten keine erfolgreiche Koalition geben kann. So entstand eine nahezu groteske Lage, die erst durch die Schwächung der Rhein/Weser Legionen im Zuge des Markomannen Feldzug aufbrach und für Rom in einem Mehrfrontenkonflikt mündete. Rom war im Nethegau quasi über Nacht zum Juniorpartner der Cherusker geworden und in deren Abhängigkeit geraten. Angewiesen auf die militärischen Gnaden der einstigen Gegner musste Varus still halten. Nun waren es die Cherusker die ihm, dem großen Varus die nötigen Hilfstruppen an die Seite stellten, da seine eigenen Legionen nicht mehr stark genug waren um in einem möglichen Krisenherd zu bestehen. Einstige und mehrfach erbitterte Gegner sollten nun in wenigen Jahren eine verlässliche Loyalität entwickelt haben, um ein ungeliebtes feindliches Regime im eigenen Lande sogar noch zu stützen. Ja, so kann und muss man es auch sehen, aber konnte man denn am Rhein von sich wirklich so überzeugt gewesen sein und über eine derart gehörige Portion an Selbstsicherheit verfügt haben, dass sich keine Stimme wagte zur Mäßigung aufzurufen. Offensichtlich nicht. So fand sich Varus in dieser kritischen Phase unversehens auf verlorenem Posten wieder. Topographisch und nüchtern gesehen war Varus an der Weser von jeglicher schneller Unterstützung abgeschnitten und saß festgeschnürt wie auf einem Brückenkopf. Lediglich über den schmalen Hellweg war er Land gestützt mit dem 60 Kilometer entfernt liegenden letzten Lippehafen nahe Anreppen verbunden. Nördlich und südlich davon agierten die Germanen nach Belieben. So führte er förmlich das Dasein eines Leuchtturmwärters und eines von den Germanen geduldeten Militärattachés. Während seine Aufgabe darin bestand, in die Weiten Germaniens hinein zu horchen erfüllte er damit zwar die ihm auferlegte ungemütliche Frühwarnfunktion, übersah aber wie unterdessen seine Akzeptanz bröckelte. So verlor er an Boden, ohne es selbst wahrzunehmen. Es ward ihm eine Funktion übertragen wofür er nicht zu beneiden war und es wurde von ihm einiges an diplomatischem Geschick abverlangt. Was hatte er militärisch noch von einem unbesiegten Marbod zu befürchten. Braute sich vielleicht schon etwas im Elbegebiet zusammen, wovon er keine Kenntnis hatte. Wo und wie nahe zu ihm siedelten um diese Zeit die Langobarden und die diversen anderen Suebenstämme. So wurde Varus schon vor seiner Niederlage zum Statthalter ohne Volk und Land und hätte man im Jahr 9 + dem römischen Expansionstrieb nicht Einhalt geboten, dann hätte es eine "Varusschlacht" vermutlich in den folgenden Jahren gegeben. (03.05.2021)

... link


Sonntag, 2. Mai 2021
"Marclo" unter den Mauern der Reichsabtei Corvey - aber auf den Ruinen des römischen Sommerlagers ?


Zur Kontinuität heidnischer Gerichtsstätten. Von Varus bis Marclo. Später urteilte der christliche Glaube.
Die Abtei Corvey gründete sich 823 + in der "Marca Huxori" des sächsischen Grafen Bernhard.
Der Angelsachse Lebuin versuchte 50 Jahre zuvor noch die Altsachsen am Thingplatz "Marclo" zu überzeugen.
Aber am Anfang stand das Tribunal des Feldherrn Varus.

... link


Dienstag, 20. April 2021
Wer stand Varus zur Seite als es ernst wurde - Mit Arminius bildete er ein Team
Der Reiz am Varus - Ereignis ist vielfältiger Natur. Er liegt nicht nur in seiner Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit oder an der Unmenge von Ungereimtheiten und Irritationen, die es hinterließ und auch nicht an der Tatsache, dass es an Aktualität selbst nach über 2000 Jahren noch nichts eingebüßt hat. Es liegt wohl daran, dass sich unser Forschergeist nicht damit abfinden möchte, dass jede Generation das offene Rätsel um die Varusschlacht erneut ungelöst mit ins Grab nehmen muss. Möchte man sich an dieses Schwergewicht deutscher Urgeschichte heran wagen, so gehört dazu mehr als nur das Herausgreifen markanter Passagen wie sie uns die antiken Historiker hinterließen. Man muss sich damit beschäftigen wie ein "Historien Kolumnist" der die Schlacht wie eine tagesaktuelle Herausforderung begreift und der in ihr außer sie zu kommentieren und zu bewerten auch noch nach Facetten Ausschau hält, die sich dem verengten Blick der Jahrhunderte entziehen konnten, da man sie für hinreichend abgearbeitet hielt. Und dazu gehört auch die Frage wie sich das persönliche Umfeld in diesen komplexen Stunden zu Varus verhielt. Die Namen von Personen die bis zuletzt zu ihm hielten, man könnte sie auch Freunde nennen sind uns nicht bekannt geworden. Aber eines wissen wir dafür um so besser, nämlich das er nach seinem Tod nur noch Feinde hatte. Es wird an der Spitze damals einsam um ihn gewesen sein, denn es standen Entscheidungen an die ihm wohl niemand abnehmen wollte. Arminius könnte diese Phase genutzt haben und sich ihm in dieser Lage als Gefährte angeboten oder sich eingeschmeichelt haben. Es bleibt jedenfalls unklar wie es ihm gelingen konnte, den römischen Feldherrn in seinem Sinne gefügig zu machen. Blickt man also auf den Verlauf des Marschgefechtes wie es sich im Zuge der Recherche vollzogen haben könnte, dann lässt sich in groben Zügen erschließen, dass der Rückweg für Varus nach erledigter Mission nur durch den Saltus hätte führen können. Man hätte also demnach den 51. (581) Breitengrad der auch durch die Teutoburger Schlucht führt nicht weiter in Richtung Süden überqueren brauchen, sondern wäre unter Nutzung des prähistorischen "Oberen Bördenweges", der vom Saltus kommend an die Weser bei Höxter führt, in westlicher Richtung abgezogen. Varus darf man zugestehen, dass sein Wissen so weit gereicht haben sollte, dass er sich der Tatsache bewusst war, dass es ab Brakel nicht nur in die Marschrichtung Diemeltal gehen, sondern das er sich dort auch dem Grenzbereich seiner Einflußnahmemöglichkeiten nähern würde bzw. einer Region wo sein Respekt merklich zu schwinden begann. Und je weiter er sich in das Stammesgebiet der Vertragslosen begab, um so mehr wuchs auch seine Abhängigkeit von Arminius. Ein Grund mehr für Varus ihm voll vertrauen zu müssen. Denn um Misstrauen gegen die Cherusker aufzubauen wie es Segestes zugeschrieben wird, dürfte spätestens jetzt der Zeitpunkt überschritten gewesen sein. Denn sich in dieser Phase mit Arminius, mit dem er nicht nur verbündet war, sondern nun auch strategisch zusammen arbeiten musste zu überwerfen, konnte sich Varus selbst wenn er gewollt hätte, längst nicht mehr leisten. Und wie sich bei vielen Großen in allen Zeiten feststellen lässt, war es unter ihnen verbreitet in heiklen Lagen auch schon mal die Eigenverantwortung etwas abzutreten, zu vermeiden oder zu umgehen um ungünstigen Falls im Umkehrschluss die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen zu können. Aber wo sprachen sich Varus und Arminius ab, wo trafen sie ihre Entscheidungen, wo machte Arminius ihm die Gefahrenlage deutlich und wo einigte man sich auf die Vorgehensweise und die Marschrichtung. Blicken wir in die Überlieferungen dann war man sich am Vorabend nach dem Gastmahl einig, denn laut Tacitus griff man zu den Waffen bzw. trat unter die Waffen, womit Entschlusskraft zum Ausdruck kommt. Man brach demnach am Folgetag auf, denn am gleichen Abend hätte es die Tageszeit nicht mehr zugelassen. So verließ man das Weserlager in den Vormittagsstunden des nächsten Tages in Richtung Lippe. Aber aufs gratewohl geschah nichts. So musste man sich auch damals schon zusammen gesetzt haben, um den weiteren Verlauf festzulegen und das konnte nach dieser Überlegung nur in diesem Lager gewesen sein. Wo wäre da ernsthaft gefragt noch Platz für einen angeblich quertreibenden Segestes gewesen. Der logistische Apparat dreier Legionen plus Anhang forderte seinen planerischen Tribut und bestand aus zahlreichen kleinen und großen Entscheidungen und die wollten rechtzeitig getroffen sein, denn sie waren mit Vorlaufzeit verbunden. Zu sagen Varus befand sich nun in einer überzogenen Ausnahmelage wäre übertrieben, denn derartige Situationen kannte er zur Genüge und sie zu bewältigen gehörte in sein Metier und als er mit Arminius am Morgen das Lager verließ, wähnte er sich mit dem Germanen partnerschaftlich auf Augenhöhe. Er war der Feldherr hatte das letzte Wort und er bestimmte auch wer neben ihm ritt. Es ist fraglich, ob er es noch für nötig befand, seinen Generalstab in alle Einzelheiten mit einzubeziehen oder zu befragen, aber Kommandeure zu übergehen wäre unklug und könnte für ihn nachteilig sein, aber in groben Zügen gesehen, waren die Abläufe vorgegeben. Alles war nun gut durchdacht und entschieden und Varus dürfte sich der neuen Situation gewachsen gefühlt haben und seine Berater werden ihn eifrig, wenn nicht gar übereifrig darin bestärkt haben. Und natürlich verhielt er sich nach außen hin wie der Souverän der über die alleinige Machtvollkommenheit verfügte und konnte sich auch im Schoße seiner Offiziere sicher fühlen. Seine Wesenszüge lassen sich nur grob erfassen, aber Führungsnaturen gleichen sich und eine Bürokratenseele wie man sie ihm unterstellt, lässt sich nur schwer unterdrücken. Es würde vielleicht zu ihm passen, dass er all seine Entscheidungen auch gerne als die seinigen ausgab. Aber in dieser Lage in der sich Varus befand, schwebte auch der Geist einer besonders wachsamen Person über ihm. Es war der des großen Feldherrn Tiberius mit dem er sich jetzt stark verbunden fühlte, da dieser zur gleichen Zeit im Donaukonflikt stand. Tiberius in gewisser Weise auch Urheber seiner Misere, da er damals nichts unternahm um die Pläne der Provinzerschließung an der Weser bis nach dem Marbod Feldzug zurück zu stellen. Somit zählte Tiberius zum Mitverursacher und damit auch indirekt zu den Verantwortlichen, oder war sogar der Hauptverantwortliche für seine militärisch pikante Lage. Denn Tiberius war es, der die Truppen der Varus Armee schon frühzeitig um jene Soldaten dezimierte die er brauchte, um sie gegen Marbod zu führen. Tiberius, der Mann zwischen Varus und dem Kaiser war allgegenwärtig und nach heutigem Sprachgebrauch sein Vorgesetzter, denn Präsumtiv betrachtet galt Tiberius damals schon als der designierte Kaiser nach Augustus und wer wollte ihm widersprechen. Tiberius muss man demzufolge anlasten, dass er es war, der Varus Teile seines Heeres in unbekanntem Ausmaß und im Zuge der Ereignisse wie es das Schicksal wollte auch nicht nur für den ursprünglich angedachten Markomannenfeldzug entzog. Denn zwangsläufig musste er diese danach auch noch in den damals urplötzlich ausgebrochenen Pannonienaufstand führen, was nicht vorhersehbar war. Hätte Tiberius ihm die Truppen nach einem erwartungsgemäß erfolgreichen Marbod Feldzug wieder zugeführt, hätten sie Varus auch rechtzeitig wieder zur Verfügung gestanden und die Varusarmee wäre wohl unbesiegbar gewesen. Aber Varus hatte alle Entscheidungen von Tiberius zu respektieren gehabt. Und er hätte es auch gar nicht verhindern bzw. keinen Einfluss darauf nehmen können, denn die Entscheidung zur Reduzierung für den Markomannen Feldzug fiel am Rhein bereits im Frühjahr 6 +, also noch vor seiner Amtsübernahme. Einer seiner historisch dokumentierten kapitalen Irrtümer den ihm die Nachwelt auf ewig ankreidet war es seine Truppen im Feindesland, folglich im Rebellengebiet und wohlweislich nicht im Cheruskergebiet, nicht zusammen gehalten zu haben. Er beging der Rekonstruktion nach diesen Fehler in der Phase, als er wie vermutet auch auf Anraten von Arminius entschied, den Marschzug ab Brakel in einen zivilen und einen militärischen Teil aufzusplitten. Was man demnach als "nicht zusammen gehalten" bezeichnen könnte. Bis Brakel stand die Route fest und war Varus bestens bekannt. Aber am nächsten Tag wurde es ab Brakel ungewiss und die Wege erfahrenen Vertrauten von Arminius sollten von nun an die Leitfunktion bis zur Rebellenhochburg übernehmen. Und von diesem Moment an lieferte sich Varus dem Chefstrategen Arminius unwiderruflich aus. Er dirigierte ihn mittels seiner Männer Schritt für Schritt in den Hinterhalt, während er selbst zu diesem frühen Zeitpunkt in etwa parallel dazu noch mit den Abstellungen beschäftigt war bzw. eine möglichst reibungslose Trossübernahme zu überwachen hatte. Aber ab Brakel war es nun nicht mehr die allen geläufige und befestigte Strecke wie man sie zwischen Anreppen und Höxter hergerichtet hatte. Denn jetzt marschierte Varus zu den Heimstätten der Rebellen durch unwegsames Terrain. Und er hatte nun auch jene Truppenteile nicht mehr bei sich, die er an diesem Tag als Geleit für den Tross abstellte. Diese Kenntnis um die Zugaufteilung entzog sich Cassius Dio, denn dieser Verlauf ließ sich im Detail seinen Vorlagen nicht entnehmen. Er schloss diese Wissenslücke in Form einer gerafften Darstellung und vollzog den literarischen Sprung wie es sich im Abschnitt 19. (5) nachlesen lässt. Eine Methode, die sich auch im Zusammenhang mit dem "verschluckten" ersten Marschtag bei ihm feststellen lässt. So ließ Cassius Dio Arminius zunächst noch mit Varus gemeinsam das Lager verlassen, ließ ihn dann seine germanischen Kämpfer mobilisieren, ließ ihn dann die römischen Mannschaften des zivilen Trosses ausschalten um dann im Anschluss daran noch Varus anzugreifen. Man sollte sagen, dass das etwas zu viel war für einen einzigen Tag. Und wer dabei auf die Uhr geschaut hatte der konnte schnell erkennen, dass die Germanen nicht fliegen konnten. Folglich eine chronologisch unrealistische Abfolge aus der Not heraus geboren, da seine Quellen diesen Zeitbedarf nicht mehr schlüssig hergaben. Und ebenso musste Cassius Dio im Hinblick auf die Marschzugaufteilung literarisch improvisieren, denn auch dazu konnte er nichts näheres berichten, da keine römischen Überlebenden diesen unvermeidbaren Strategiewechsel überlieferten. Cassius Dio stieß auch auf diese Überlieferungslücke und er steckte in Erklärungsnöten da er sich mangels Ortskenntnis der Bedeutung der Drehscheibe Brakel wo sich der Zug aufspaltete nicht bewusst war. Er suchte möglicherweise sogar selbst nach einer Begründung dafür, warum sich Varus in dieser kritischen Phase von einem Teil seiner Streitkräfte trennte, fand sie aber nicht und schuf sich eine Erklärung in Form räuberischer germanischer Aktionen auf Proviantzüge und andere nebulöse Maßnahmen. Denn es schien eine für alle ebenso rätselhafte wie unerklärlich erscheinende Entscheidung gewesen zu sein, die Varus da in einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt getroffen hatte, indem er seine eigenen Kampftruppen schwächte. So rätselte Cassius Dio mit, denn es ließ sich dafür kein nachvollziehbarer Grund für diesen von Varus ergangenen Befehl seinen Quellen entnehmen. So bemühte er möglicherweise seine persönlichen Vorstellungen und zog Motive heran, die ihm zwar plausibel erschienen, die aber eher nach einem mageren Versuch klingen nach Gründen für das Verhalten von Varus zu suchen. Denn irgendwelche Geländepunkte zu bewachen, Räuber dingfest zu machen oder Lebensmitteltransporte zu geleiten nährt auch einen anderen Verdacht. Nämlich den, dass Cassius Dio Zentralgermanien mit Mittelitalien verwechselte, wo derartige Polizeiaktionen möglicherweise nötig waren. Denn welche Lebensmitteltransporte sollte es in Ostwestfalen gegeben haben, die es zu bewachen galt. Welche Transporte sollten da von a nach b unterwegs gewesen sein, während Varus mit seinem gesamten, sich in der Regel selbst versorgenden Marschzug auf dem Weg an den Rhein war. Möchte man wie Cassius Dio ebenfalls die Phantasie bemühen könnten es Transporte gewesen sein die unterwegs nach Anreppen waren um dort die weitere Versorgung der Legionen sicher zu stellen. War man also möglicherweise auf Zulieferungen angewiesen. Oder wollte Cassius Dio darauf anspielen und sich eine Erklärung dafür liefern, dass sich die Gesamtlage schon so konfliktträchtig zuspitzte, dass ihm dies alles nötig erschien. Dann hätte sich Varus allerdings schon in einem Hexenkessel befunden und man hätte ihm raten sollen, so schnell wie möglich Ostwestfalen zu verlassen, statt noch ein weiteres Aufrührergebiet aufzusuchen. Cassius Dio könnte also der Denkweise verfallen sein, dass da wo eine Varusschlacht ausbrechen konnte, auch kleinere Scharmützel möglich sind. So weit seine mögliche Annahme. Aber es klingt schon etwas an den Haaren herbei gezogen und nicht so, als ob dies der wahre Grund dafür war, dass Varus sich auf diese Weise in voller Absicht geschwächt haben soll. Ebenso abstrus ist die Vorstellung sich die Bewachung von Geländepunkten oder das Festnehmen von Räubern vorzustellen, aber es könnte so in die Visionen von Cassius Dio über Germanien gepasst haben. Vielmehr dürften sich dieser Theorie nach dahinter die germanischen Argumente verborgen haben die man Varus geschickt auftischte, damit dieser so viel wie möglich an militärischem Personal für den Tross abgab. Cassius Dio wäre demzufolge also der Auffassung gewesen, dass die Aufrührerregion nicht der einzige Krisenherd in der damaligen Zeit war, sondern es auch an anderer Stelle Versuche gab, die römische Vormachtstellung zu untergraben. Insgesamt betrachtet war es für ihn ein Ringen, um die Plausibilität der Varusentscheidung seinen Lesern begreiflich zu machen. Anderen Übersetzungen zufolge sollten sogar schwache Gemeinwesen geschützt worden sein und bitte, um was für ein schwaches Gemeinwesen sollte es sich gehandelt haben, was die Germanen nur mit römischer Unterstützung hätten schützen können und wollen. So sollte man dahinter nichts anderes vermuten, als die verzweifelte Anstrengungen eines Cassius Dio um Erklärungen. Also ein verschwommenes Konstrukt unterschiedlicher Begründungen für die Schwächung der Kampftruppe aufzubauen, bevor diese zu den Rebellen zog. Aber die Egge war nicht der Apennin und Cassius Dio war vermutlich zu stark auf italienische Gegebenheiten fixiert um sich in die Lage in Germanien hinein denken zu können. So kommt zwar zum Ausdruck, wenn auch fragwürdig, wofür Varus die Abstellungen frei gab, aber nicht wann er sie zur Verfügung stellte. Denn Cassius Dio trifft im Abschnitt 19.(1) keine zeitliche Aussage dazu, wann man Varus um sie bat und wann er sie abstellte. Eine Frage die viele Historiker später dazu verleitete anzunehmen Varus könne die Abstellungen schon Tage oder gar Wochen vor dem Ausmarsch beauftragt haben in die germanischen Regionen auszuschwärmen. Nach dieser Theorie gab er ihnen jedoch die Anweisung nicht schon Tage oder Wochen vorher, sondern entschied es erst im Zuge seiner Rückmarschstrategie. Justament in dem Augenblick, als ihn die Germanen darum baten Soldaten zur Bewachung des zivilen Trosses abzustellen, also relativ kurzfristig und vielleicht sogar erst am Morgen des zweiten Marschtages. Für Cassius Dio war es aus verständlichen Gründen nach über 200 Jahren nicht mehr möglich alle diese konträr und im Widerspruch zueinander stehenden Abläufe miteinander plausibel in Verbindung zu bringen. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, da er von der Marschaufteilung die am 25.9.0009 in Brakel statt fand in seinen Unterlagen nichts vorfand. Aber Varus und sein Generalstab konnten wie dargelegt aus strategischen Gründen gar nicht anders entscheiden, als sich auf Anraten der Germanen und aufgrund eigener Überzeugungen für eine Aufteilung zu entscheiden. Es war das Gebot der Stunde aber mehr noch das der Logik im logistischen Sinne. Denn es gab für die römische Heeresführung keine Alternative als das Aufsplitten des Marschzuges. Auch ein weiterer Grund dafür ist einfach zu finden, denn er liegt nicht nur in der Strategie, sondern ist auch in der Geländeformation, also der Topographie der Landschaft zu suchen. Den Varusplan zu Ende denkend erwartete dieser zweifellos einen erfolgreichen Ausgang der Verhandlung mit den Rebellen. Das es ihm folglich gelingen würde, den dortigen Aufruhr in überschaubarer Zeit, wie auch immer zu befrieden. Aber es gab auch noch zahlreiche andere Gründe dafür warum Varus die Zivilisten, seinen Beamtenstab und die vielen anderen Mitreisenden nicht mit in den Unruheherd nehmen wollte. Aber Cassius Dio wäre nicht Cassius hätte er uns die Gründe dafür nicht wieder auf seine besondere Art der Verschriftung, also hinter den Zeilen offenbart. Denn wieder hat er die Auflösung des Rätsels um die Abstellungen im wahrsten Sinne des Wortes unauffällig und vernebelt in seinem Vermächtnis hinterlassen. Denn die Lösung um die Frage lag in seiner Überlieferung. Genau genommen lag sie verborgen im Dickicht der Übersetzungsproblematik. Aber sie war doch nicht so gut getarnt und von der Geschichtsschreibung und seiner Auswertung überwuchert, als dass sie sich vor unserer Analyse verbergen konnte. In einem der nächsten Kapitel soll auch dieses Thema aufgegriffen werden. Und dann können wir uns besser vorstellen wie es zu den geschichtswissenschaftlichen Fehldiagnosen in Sachen "Abstellungen" kommen konnte. So wurden schon in mehreren Kapiteln Argumente dafür detailliert vorgestellt, aber es sollen noch weitere folgen. Aber ein gewichtiger Grund wird auch der gewesen sein, dass der umfangreiche Begleittross nicht imstande war problemlos den unbefestigten auch damals schon von Hohlwegen zerrissenen "Teutoburgiensi saltu" erklimmen zu können. Ein Anstieg wie er für die schwergewichtigen römischen Ochsenkarren unbenutzbar war und wovon man sich auch heute noch gut überzeugen kann. Denn im Gegensatz zum römischen Hellweg zwischen Brakel und "Aliso" war dieser von der Natur steiler und eingekerbter geformte Schluchtweg für ein Befahren mit größer dimensioniertem Gefährt nicht vorgesehen und im Vergleich zum Netheberg zwischen Gradberg und Schwaney für diese Fahrzeuge daher unpassierbar. Maximal könnten ihn germanische Kleinstgefährte befahren haben aber vordringlich wird man den Passweg wie in Gebirgen üblich mit Lasttierkolonnen begangen haben. Warum hätte man sich diesen gefahrvollen Aufstieg damals auch überhaupt zumuten sollen, zumal Regenereignisse das Vorhaben zum völligen Scheitern hätten verurteilen können. Letztlich lag hier nicht der einfacher zu erklimmende Netheberg vor ihnen, den man dem zivilen Tross vorbehielt. So opferte Varus zahlreiche eigene Männer für den Geleit, verzichtete somit auf Kampfkraft, riskierte ein ungünstiges Kräfteverhältnisse und trat den Marsch in Unterzahl an. Männer die ihm, wie sich zeigen sollte, später bei den Aufrührern misslich fehlen sollten. Aber die Legionäre die den zivilen Tross zu begleiten hatten gerieten am Vormittag des ersten Kampftages, dem zweiten Marschtag zwangsläufig im Bereich der einzigen Engstelle im Zuge der Gradbergumrundung in das überfallartige Gefecht mit den Germanen. Und so könnte man in Varus eher einen durch die von Arminius erzeugten Sachzwänge Getriebenen sehen, der ihm blind folgte, sich im Team mit seinen Offizieren zu entscheiden hatte und nicht viel Entscheidungsspielraum besaß. Letztlich wurden sie alle von der Dynamik weiterer sicherlich auch unkalkulierbarer Ereignisse mitgerissen und wie man es sich gut vorstellen kann. Aber zurück ins Sommerlager wo es in seinem Stabsgebäude in den Tagen vor dem Ausmarsch auch sicherlich turbulenter zuging als für gewöhnlich. Viele Interessensvertreter jener Zeit mit lauteren und unlauteren Absichten im Gepäck dürften sich bei Varus die Klinke in die Hand gegeben haben. Unter ihnen wohl auch ein zaghaft und unterwürfig auftretender Segestes, da er von alledem wusste. Vielleicht kann man ihm sogar noch die eine oder andere eher sibyllinische und halbherzig vorgetragene Äußerung zutrauen. Konkret wurde er jedenfalls nicht und durfte es auch nicht, da die Wahrscheinlichkeit nach allem was er wusste hoch war, dass die Germanen einen Sieg davon tragen konnten. Was war Varus für ein Mensch. Rekonstruktionsversuche auf Basis unseres Wissensstandes zu seinen menschlichen Zügen unter Einbeziehung der Handlungszwänge in denen er steckte, lassen einen kleinen Einblick in sein damaliges Milieu zu. Und aus der Vielstimmigkeit seines Umfeldes heraus hatte er nun zu entscheiden. Nun spielte es auch keine Rolle mehr, was er einst in Syrien tat, wie lange seine Familientradition zurück reichte und wie reif seine Leistungen im Zusammenhang mit seinen früheren militärischen Aktionen waren. Nun war er vielleicht das erste Mal in seiner gesamten Laufbahn ernsthaft heraus gefordert und auf sich allein gestellt. Seine persönlichen ihm nahestehenden Berater, die Legionskommandeure, aber auch die Anführer der germanischen Auxiliareinheiten, vielleicht auch Botschafter von Marbod, oder die Abgesandten anderer germanischer Stämme waren darunter. Teilweise Krieger die sich auch selbst in gespaltenen Lagern bewegten. Nämlich Stämme in denen man die römischen Besatzer noch positiv bewertete, aber auch Stämme die Rom kritisch gegenüber positioniert waren, dies aber nicht zur Schau stellten. Aber allen voran stand ihm Arminius zur Seite, dem er voll vertraute. Und natürlich auch die anderen Häupter aus dem Arminius treuen cheruskischen Fürstenhaus. So mangelte es Varus nicht an Gesprächspartnern und Delegationen die ihm alle im Vorfeld des allherbstlichen Rückzuges ihre Aufwartung machten. Wie sollte er unterscheiden können, wer zu ihm hielt und wer nicht. Es lässt sich nachempfinden und fasst erahnen, wie es in diesen Stunden um ihn stand. Im weiteren Verlauf des Internet Buches möchte ich versuchen Antworten auf die Frage zu geben, in welche Lebenslage ihn das Schicksal geführt hatte. Denn bei näherer Betrachtung wird deutlich, wie eingeschränkt handlungsfähig und eingebunden Varus hinsichtlich seiner eigenen Entschluss - und Entscheidungskraft war, als es um die Frage der Marschstrategie ging. Seine Anordnungen konnte er nur aus den wenigen verbliebenen Möglichkeiten heraus treffen, die ihm als Befehlshaber noch vergönnt waren. Und als Feldherr konnte er sich auch nicht hinter die gängige Praxis des Befehlsnotstandes zurück ziehen, da er in Ostwestfalen der Ranghöchste war. Varus gab sich seine Befehle selbst und die Verhältnisse im Jahre 9 + waren für ihn alles andere als gut zu durchschauen. Er bewegte sich auf einem glatten Parkett sich widerstreitender Interessen und er sollte und musste bei alledem den Überblick behalten. Er konnte sich von dem was ihn erwartete kaum ein eigenständiges Bild machen, konnte nicht viele neutrale Meinungen abgreifen und war daher meist auf die Ratschläge und Empfehlungen jener angewiesen, die bis zu ihm vordrangen, zu ihm vordringen durften, die man also zu ihm vordringen ließ. Erschwerend hinzu kamen noch die Probleme, die er mit seiner eigenen Selbsteinschätzung und Wahrnehmung der Realität hatte. Aus diesem Grund war er vermutlich noch besonders empfänglich und anfällig für die Dinge die man ihm zutrug, da sie ihm eigene Entscheidungen abnahmen. Alle Vorgänge und Berichte die uns über die Geschehnisse zum Verlauf der Varusschlacht bekannt wurden haben eines gemeinsam. Alle konnten sie immer nur auf bereits Vollzogenem, auf Taten und Ergebnissen also Resultaten beruhen. Darauf basierend müssen wir unsere Rückschlüsse ziehen. Wie die Entscheidungen damals zustande kamen entzieht sich unserer Vorstellungskraft. Personen bezogen lassen sich nur vage Äußerungen von Zeitgenossen zu einem verschwommenen Bild verdichten. Über taktische Überlegungen gleich welcher Art die man im Vorfeld anstrengt haben musste, schweigen die Historiker oder deren Quellen. Was uns noch visionär unterstützt sind die minimalen Beschreibungen einer Landschaft und einer langen Karawane bestehend aus Menschen, Karren und Zugtieren die durch sie hindurch zieht bis sie sich irgendwann im Schlachtenlärm auflöst. Das Phantombild eines Kampfgeschehens, dass sich wie ein Bühnenbild nur für wenige Stunden aus dem Untergrund erhob, um dann wieder für ewige Zeiten im Boden zu versinken. Aber es bietet uns eine Grundlage um darauf ein Faktengerüst aufbauen zu können. Und dies hilft uns der Wahrheit über die Abläufe des Marschgefechtes etwas näher zu kommen. Denn einen Flussverlauf oder ein Sumpfgebiet verändert die Natur nicht in, aus menschlicher Sicht betrachtet kurzen Zeiträumen und erst recht keinen Gebirgszug oder eine Schlucht. Einst offenes Gelände spricht für fruchtbaren Boden und dazu gehörige Siedlungskammern. Verborgen im Untergrund lassen sie sich noch nachweisen. Die Fundstellen früher Besiedlung aus dem Neolithikum oder der keltischen Hallstattzeit und das nicht nur im Raum Willebadessen - Peckelsheim. Der Nethegau war immer schon eine belebte Region in der man allerdings die kurzlebigen Fußspuren römischer Zivilisation mit der Lupe suchen muss, zumal dann wenn der Regen sie schon nach wenigen Schauern weg geschwemmt hat.(20.04.2021)

... link