Freitag, 29. Dezember 2017
Rom bekam in Ostwestfalen den Fuß in die Tür
Sondierungen und Vorstöße römischer Feldherren nach Osten dienten immer einem konkreten Ziel und waren weder Sonntagsausflüge noch Freundschaftsbesuche sondern immer klare Machtdemonstrationen gegenüber „Halbwilden“ und Unbelehrbaren. Sie begannen in Germanien unter Drusus bereits 12 Jahre vor der Jahrtausendwende also lange vor der Varusschlacht und endeten in der Regel auf höhere Weisung von Kaiser Augustus erst mit dem Erreichen der Elbe, der einen übertritt des Flusses verbot. Obwohl neuerdings in Abrede gestellt wird, dass Rom überhaupt jemals vor hatte Germanien bis zur Elbe oder sogar darüber hinaus zu besetzen. Dem kann man natürlich die römische Natur entgegen halten. Denn ein Imperium, das man in Germanien überall mit offenen Armen empfangen hätte, hätte selbst an Oder oder Weichsel noch nicht seine Grenzen erreicht. Es war damals wie Cassius Dio überlieferte in einem Engpass nahe einem bislang nicht lokalisierten Arbalo wo es in Ostwestfalen im Frühjahr 11 – erstmals zu einem heftigen Gefecht zwischen römischen Legionen und Germanen, vermutlich aus den Stämmen der Sugambrer, Cherusker und Chatten kam. Dieses Gefecht vermutlich im Bereich der Südegge war im Nachhinein betrachtet zusammen mit der Strafexpedition des Drusus im Jahre 12 – ins rheinnahe Gelderland der Auftakt zu den Germanenkriegen die sich über fasst 3o Jahre bis ins Jahr 16 + erstrecken sollten und im Jahre 9 + einen Wende- und Höhepunkt erreichten. In den 8 Jahren zwischen 11 – und 3 – traten die Legionen in Ostwestfalen nicht Erscheinung. Drusus besiegte in dieser Zeit die Markomannen unter Marbod am Main, die Bauarbeiten für die römische Stadt Waldgirmes begannen 4 -,Tiberius siedelte Sugambrer und Sueben in linksrheinisches Gebiet um und Ahenobarbus errichtete vermutlich in der westfälischen Bucht die „langen Brücken“. Erst im Jahre 3 – stieß der Feldherrn Lucius Domitius Ahenobarbus wieder tiefer nach Osten vor. In diesem Fall mal in “rein friedliebender” Absicht überschritt er kurzzeitig sogar die Elbe, wobei er auch zwangsläufig durch Ostwestfalen ziehen musste. Dies geschah aber, ohne das sie die Stämme an der Elbe beunruhigten, in Aufruhr versetzten oder gar römische Expansionspläne kund taten. In diesem Zusammenhang kam es wohl im rückwärtig gelegenen Stammesgebiet der Cherusker zu Stammeskonflikten. In diesem Zusammenhang wurden Angehörige der Cherusker vermutlich aus einer Wort führenden Oberschicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, wurden vertrieben und mussten fliehen. In ihrem Bemühen nach Unterstützung suchten sich diese Ausgestoßenen einen stärkeren Verbündeten und wandten sich an jenen gerade im Lande befindlichen römischen Feldherrn Ahenobarbus um mit seiner Hilfe und unter seinem Schutz wieder in ihr Stammesgebiet integriert zu werden und zurück kehren zu können. Vermutlich erhofften sie sich sogar durch die Legionen auch eine komplette Niederschlagung derer, die nicht auf ihrer Seite gestanden hatten um möglicherweise selbst die Macht zu übernehmen. Wo sich diese Geflüchteten oder Vertriebenen aufhielten, um wie viel es sich handelte und wo Ahenobarbus auf sie traf und weitere Hintergründe sind uns nicht bekannt. Da es allerdings Ahenobarbus nicht gelang ihr Ansinnen zu erfüllen oder Frieden zu stiften, kam es auch nicht zu einer Rückkehr dieser Gruppe und sie wurde ihnen wohl dauerhaft verwehrt. So werden sich die nicht mehr geduldeten Cherusker zwangsläufig einen anderen Aufenthaltsort gesucht haben müssen. Sich anderen Stämmen anzuschließen war wohl nicht angebracht, sodass es denkbar ist, dass diese Schar der Cherusker im linksrheinischen römischen Germanien, man würde heute sagen eine Exilregierung bildeten und in römische Abhängigkeit gerieten. Es mag trotz vieler Befindlichkeiten noch den einen oder anderen Germanenstamm gegeben haben, der ihnen Siedlungsland zugestanden hätte, sollten es aber Cherusker aus einer Oberschicht gewesen sein, so strebten diese sicherlich nach höheren Zielen als danach als Ackerbauer zu enden. Vermutlich passte dies auch besser in die Pläne von Ahenobarbus um die Cherusker zu spalten und er besaß deswegen auch kein großes Interesse an einer Schlichtung mit versöhnlichem Ausgang. Möglicherweise stand der junge Segestes dem Kreis der Ausgestoßenen nahe, denn die dubiose Rolle, die er 12 Jahre später einnahm fügt sich gut in diese Ereignisse. Mehr noch, es wurde für die römische Seite erkennbar, dass sich hier für sie in Ostwestfalen leicht eine Tür öffnen ließ, die für spätere Interessen nützlich sein könnte, da man über sie Einfluss nehmen konnte. Ahenobarbus hatte bei seinem Vorstoß 3 - über die Elbe wieder einiges von den germanischen Machtstrukturen und dem Wesen der Germanen kennen gelernt, bemerkte ihre Zerrissenheit und erkannte die Schwächen. Und natürlich wurde der ungehinderte Durchmarsch der Ahenobarbus Legionen quer durch Germanien von allen Stämmen misstrauisch beäugt und es werden Stimmen laut geworden sein, dieses nicht widerstandslos zu akzeptieren, was die aufgetretenen Unruhen unter den Cheruskern vor dem Immensum Bellum ausgelöst haben könnte. Truppenbewegungen durch Landstriche anderer Stämme möglicherweise ungefragt, sind für alle Anrainer grundsätzlich nicht akzeptabel und bedeuteten auch damals schon einen nicht legalen Akt der Beanspruchung fremden Eigentums. Die Legionen benötigten Fläche für Marschlager und Nahrung für sich, ihre Pferde und Zugtiere, was schnell zu Konflikten und Gereiztheiten aufgrund von begrenzten Ressourcen führen konnte. Die Germanen erkannten im römischen Vorgehen nach den Drususvorstößen die neue Dimension einer zielgerichteteren Vorgehensweise sich neue Provinzen erschließen zu wollen. Eine nun spürbar gewordene unruhige bis aufgeheizte Lage könnte sich nach den Demonstrationsmärschen der Ahenobarbus Legionen zur Elbe und zurück in der Folgezeit in Germanien noch zusätzlich aufgeschaukelt haben die auch Ahenobarbus nicht verborgen blieb. Es hätte zu einem größeren Aufruhr führen können oder hatte sich sogar schon zugetragen, was Rom zu verhindern hatte. Lucius Domitius Ahenobarbus  war Senator stand im engen Verhältnis zum Feldherrn Tiberius und beide beobachteten vom Rhein aus die Szenerie im Osten Germaniens auf eine mögliche Zuspitzung hin. Der Zeitpunkt schien ihnen daher gekommen zu sein sich in Absprache mit Kaiser Augustus dafür entschieden zu haben, nun den gesamten Norden und die Mitte Germaniens endgültig unter dauerhafte Kontrolle zu bekommen. Auf dieser Basis gab Rom den Startschuss für die Vorbereitungen des von 1 + bis 5 + währenden Immensum Bellum in dem auch wieder, wie schon bei Arbalo dem die Römer knapp entgingen erneut die Cherusker im Zentrum gegen die Legionen ankämpften. Vermutlich wegen schlechter und ungestümer Taktik im Zusammenspiel mit den anderen Stämmen hätten sie bei Arbalo einen Sieg erringen können, waren aber am Ende defacto die Unterlegenen, da sie die Schlacht nicht erfolgreich für sich entscheiden konnten. Anders verlief der für Rom letztlich siegreiche Immensum Bellum der im Jahre 7 + die Tür für die Entsendung des Statthalters Varus an die Weser öffnete. Der erste Kontakt mit Varus offenbarte es den Germanen schon und war für sie ein untrügliches Zeichen dafür, dass für Rom nun die Zeit reif war, die einverleibende Provinzialisierung ihres Landes umzusetzen. Nach den Niederlagen im Immensum Bellum wurde aber für die Cherusker auch schmerzhaft deutlich, dass sie weitere mit Waffengewalt ausgetragene Konflikte mit dem Imperium zum Erhalt, im Interesse einer gewissen Restautonomie und im Sinne ihrer eigenen Existenz und Sicherheit zukünftig vermeiden mussten. Im Wissen um die möglichen Konsequenzen wird das Bewusstsein um die kritische Lage auch die spätere Vertragsregelung des Imperiums insbesondere mit der Rom kritischen Oberschicht der Cherusker beeinflusst haben. Die Parteien im Fürstenhaus der Cherusker waren nun gezwungen einen Mittelweg, irgendwo zwischen kriegerischer Auseinandersetzung und kompletter Unterwerfung zu suchen. Es wollte fortan gut durchdacht sein, ob man noch eine langfristige Auseinandersetzung auch auf Partisanenebene mit den römischen Feldherren riskieren wollte, oder besser diplomatisch vorging. Diplomatie war nun mehr gefragt als die blanke Waffe und die Cherusker mussten Männer an die Verhandlungsfront entsenden, die der römischen Zungenfertigkeit halbwegs gewachsen waren. Wer in diesen Jahren von germanischer Seite Geschick bewies, konnte noch was für die Seite der Cherusker heraus schlagen aber ungünstigenfalls auch viel Porzellan zerschlagen. Die Cheruskereliten waren nun gefordert diesen Spagat zu meistern. Der gesunde Menschenverstand rät in diesem Fall jene Cherusker in die Verhandlungskommission zu schicken, die es noch am Besten mit den Römern konnten. Ähnlich wie es später im Pfälzischen Erbfolgekrieg Hans Anton zu Eltz - Üttingen gelang. Er war ein im Rang hoch stehender Offizier, aber im französischen Heer und konnte daher nur deswegen die Burg Eltz vor der Zerstörung bewahren. So wird man auch damals auf die Kräfte der Rom treuen Cheruskerfraktion gesetzt und sie vorgeschickt haben. Und so könnte sich in dieser Zeit Segestes im Zuge der Verhandlungen seine umstrittenen Verdienste um den Cheruskerstamm erworben haben, bevor er dann selbst erkennen musste, dass man ihn über den Tisch gezogen hatte. Aber auch ein Vertrag mit schlechteren Konditionen konnte Angesichts drückender römischer Überlegenheit noch das kleinere Übel sein. Der Feind stand schon im Land die Kriege hatten die Cherusker geschwächt. Zu diesem Zeitpunkt konnte aber noch keiner ahnen, dass dies nicht nur ein schlechter sondern ein harter Knebelvertrag werden würde. Denn es war ein erster Schritt und damit die Basis für den Einmarsch römischer Legionen samt Standlager auch östlich der Egge. (zuletzt bearbeitet 29.12.2017 - 18:19 Uhr)