Freitag, 24. Dezember 2021
Angekommen in der Hölle der Varusschlacht - Unsere entrückten Vorstellungen vom "prima Vari castra".
Und den Grund dafür, dass uns alles um das damalige Varuslager so seltsam verklärt und befremdlich erscheint haben wir oft in der Ermangelung unseres Geschichtsbewusstseins zu suchen. Viele Theorien um diese eine Schlacht und viele römische Marschlager oder Kastelle in Westfalen, aber nur ein "prima Vari castra". Dafür wurde es aber zu einer schicksalhaften Station einer Armee auf dem Weg in den Untergang das zum deutschen Mythos wurde. Es sich plastisch vorzustellen verlangt viel von uns ab. Denn das Lager befand sich im Zentrum der "Clades Variana" und wohl genau da, wo die Mehrtagesschlacht am heißesten tobte, ihren Siedepunkt erreichte und wo es zur entscheidenden Wende kam - wenn man der Übersetzung von Cassius Dio folgt und es auch dem Florus Bericht so entnehmen möchte. Aber alles ist geprägt und lebt von dem Spärlichen, was uns Tacitus dazu berichtet hat. Oder was sich auf dieses in höchster Not errichtete Lager beziehen lässt, so wie es Cassius Dio hinterließ. Aber nur Tacitus vergab für das Lager das zum römischen Trauma wurde diesen bedeutsamen lateinischen Namen. Er persönlich hielt diese Bezeichnung wohl für zutreffend und nur er überlieferte sie uns und er dürfte sie auch in dieser Schreibweise nicht seinen Quellen entnommen haben. Er kreierte diesen Namen genauso wie er wohl auch die Bezeichnung "Teutoburgiensi saltu" erfand, nach dem ihm seine geographisch heraus ragende Bedeutung bewusst, vielleicht aber auch zugetragen wurde und er daraufhin diese Namensfindung für zutreffend hielt. Tacitus wollte seinen Lesern eine Vorstellung vermitteln wie man sich die germanische Landschaft vorzustellen hat, indem er versuchte den Örtlichkeiten Namen zu geben. So dürfte das "prima Vari castra" wohl nie über einen römischen Eigennamen verfügt haben, was übrigens auch für andere Marschlager gilt, warum auch. Für Tacitus selbst, vielleicht auch für Germanicus, auf den er sich bezog war es das "Prima", also das erste Lager oder das Hauptlager des Varus. Das Erste, weil er es mit seinen Männern erst aufbauen musste, weil es auf seinem Marsch an erster Stelle kam und auch weil es das wichtigste von allen seinen Lagern war. Denn die Lager die im Zuge seiner Odyssee noch folgen sollten waren nur noch unbedeutende Lagerplätze. Notdürftige Stätten die nur minimalen Schutz boten und für die er keine Zählfolge mehr herstellte, weil diese es nicht mehr rechtfertigten Castra genannt zu werden. Aber mit der besonderen Bezeichnung "Prima" hebt er es auch von allen anderen Lagern wie den möglichen in Brakel und Höxter, aber auch von Aliso und den übrigen ab. Denn ein "Prima" Lager kann immer nur am Anfang gestanden und wird nicht mehrfach existiert haben. Es gab zahlreiche römische Lager die schon vor seinem Marsch in den Untergang vorhanden waren, aber nur das "Prima" wurde erst während seines Marsches erbaut. Bemüht man sich es kompatibel zu machen, dann war es auch das erste Nachtlager das Cassius Dio beschrieb und mit diesem identisch gewesen sein dürfte. Das Lager, dass man wie Dio schrieb gezwungen war in einem unwirtlichen Waldgebirge errichten zu müssen und wo dies gerade noch so möglich war. Keine perfekte Örtlichkeit bot sich an diesem späten Nachmittag an und es war ein Bauplatz mitten in einem Wald gelegen wie man ihn sich unter friedlichen Bedingungen sicherlich nie ausgesucht hätte. Möchten wir über den Zustand des ersten römischen Nachtlagers mehr wissen, dann müssen wir versuchen es sich uns visuell zu erschließen, sollten es von allen Seiten betrachten und uns dabei in die prekäre Situation hinein denken in der sich die Legionäre damals befanden, als sie es für sich unter extremen Bedingungen errichten mussten. Es also nach Möglichkeit zu rekonstruieren und so bewerten wie es unter den gegebenen Umständen ausgesehen haben könnte. Die Leser dieses Internet Buches sind es gewohnt, dass es die Analyse dieser Schlacht einfordert die Verläufe und Gegebenheiten von vielen Seiten zu beleuchten um die zwei seltsamen Welten miteinander zu vernetzen. Denn es gilt die antike literarische nur auf Papier gebannte, mit der heute noch sichtbaren Landschaft zu verbinden. Darin müssen wir uns zurecht finden, wenn wir den unsichtbaren Marschzug hinter unserem inneren Auge zum Leben erwecken möchten. Beiden Spuren haben wir dann solange zu folgen bis sich beweiskräftige Fakten über seinen Verlauf vorlegen lassen. Ein Unterfangen, dass bereits in den Grundzügen gelang und schon erkennbare Früchte trug. Folglich die Welt der althistorischen Quellen die über den Marschzug berichteten vom Ausgangsort über seine einzelnen Stationen mit dem heute noch erkennbaren, also dem Realen in Einklang zu bringen. Auf den ersten Blick mögen die hier gebrachten Gegenüberstellungen und Vergleiche identisch wirken, aber sie folgen jeweils anderen, immer neuen Gedankenketten und sollen auch zum Mitdenken animieren. Möchte man sich mit der Seele des "prima Vari castra" auseinander setzen, dann sollte man das System anwenden wie man es im Zuge der Christianisierung für das Bekehren der Heiden entwickelte. Nämlich die alten Schriften zum Sprechen bringen in dem man sie in Bilderschriften umwandelte, so kann sich daraus ein jeder sein ureigenes Stimmungsbild erzeugen wie man es auch von der Bibelmalerei her kennt. Der Phantasie wird auf die Sprünge geholfen und alles wird lebhafter, farbiger und somit nachvollziehbarer. Hinter den Legionären müssen also unbeschreibliche Stunden gelegen haben als man im waldreichen Gebirge ankam. War es für sie zu Beginn noch ein Marsch wie jeder andere, so brachte für sie der Wetterwechsel die erste Herausforderung mit sich und das bekanntlich noch bevor die Germanen die Bildfläche betraten. Zeitgleich mit ihrem Erscheinen begannen die Gefechte die bis in die Abendstunden andauerten. Und wenn Cassius Dio schreibt, dass die Germanen immer in der Überzahl waren, so spricht allein dieser Satz Bände. Es muss ein ungleiches Gefecht gewesen sein, wenn man als Legionär ständig gegen mehrere Germanen gleichzeitig zu kämpfen hatte. So wird die Erschöpfung den Zeitpunkt bestimmt haben der ihr Ende bedeutete. Aufgrund der bedrohlichen Lage musste man zwangsläufig den Plan fallen das ursprünglich gesetzte Tagesziel anzusteuern und entschied sich den Marschzug vorzeitig zu stoppen bis Klarheit über die Lage herrschte. Eine trotz widriger Verhältnisse noch als angemessen betrachtete Lagerstätte und wohl nicht mehr als ein Haltepunkt fasste man ins Auge. Dort wollte man versuchen wieder die Übersicht zu gewinnen um sich einen Überblick über das weitere Vorgehen zu verschaffen. Der Generalstab an der Spitze hatte sich als er von den Kämpfen erfuhr nach dieser Theorie etwa gegen 14 : 30 Uhr darauf verständigt zu stoppen und aus dem Stopp entwickelte sich die Notwendigkeit den Gedanken an einen Weiterzug völlig fallen zu lassen und zunächst zu verharren. Die Ereignisse erzwangen es dem zuständigen Lagerpräfekten den Auftrag zu geben an dieser Stelle alle Vorbereitungen für ein Notlager zu treffen. Schützende Abgrenzungen zu schaffen hinter denen man gedachte alle Legionäre unterzubringen die am Morgen Brakel verlassen hatten. So markierte man den nötigen Raum, setzte die dafür erforderlichen Absteckungen und die ersten Bautrupps begannen mit dem Ausschanzen des Wallgrabens. Über die inzwischen eingetretenen Vorgänge im hinteren Abschnitt besaß man noch keine sicheren Erkenntnisse, aber was man wusste reichte aus um sich im Generalstab völlig umorientieren zu müssen. Aber solange ging der Lagerpräfekt noch davon aus für die Unterbringung eines Großteils der Armee Raum schaffen zu müssen. In dieser Phase wurde Varus schon zum Getriebenen sich überstürzender Vorgänge. Das viele Legionäre dieses Lager schon gar nicht mehr erreichen sollten, ließ sich im Zuge der ersten Absteckungs- und Schanzarbeiten noch nicht erahnen. Es sickerten zwar nach 14 Uhr erste beunruhigende Informationen zu ihnen durch, wonach es zu Störungen aufgrund rebellisch gewordener Germanenhorden kam man auch den Zug anhielt, aber das Ausmaß war zunächst unklar. Erste Meldereiter mögen es noch als beherrschbar dargestellt haben, aber letztlich führten doch die weiteren negativen Nachrichten aus dem hinteren und mittleren Teil des Zuges dazu den Marsch nicht nur zum Stillstand zu bringen, sondern im zweiten Schritt sogar das besagte vorzeitige Notlager zu errichten. Zwar überschlugen sich die Ereignisse, aber der diensthabende Lagerpräfekt durfte sich nicht beirren lassen und ging mit den ihm zur Verfügung stehenden Männern der Routine folgend daran die ersten groben Vermessungstätigkeiten zur Errichtung einer Zelt- und Palisadenstadt für die Unterbringung von etwa drei Legionen an. Dazu musste er zwangsläufig auf die mit Material beladenen Ochsenkarren und die Maultierkolonnen mit den Schanzpfählen und den anderen benötigen Holzbauteilen und Werkzeugen warten. Material was in der Regel nach und nach eintrifft aber an diesem Tag ausblieb. Aber man brauchte es um die nötige Dimension und Kapazität sicher zu stellen. Das dieses Marschlager keines mehr werden würde, in dem man ein oder auch zwei Nächte hätte verbringen können und worin sich am nächsten Tag vielleicht sogar noch eine Gerichtsversammlung durchführen ließe, wurde langsam allen bewusst. Diese vorbereitenden Tätigkeiten an der Grundstruktur des "prima Vari castra" gerieten massiv ins Stocken, als sich die bedrohlicher werdenden Nachrichten vom hinteren Zugteil nach vorne durchsprachen und verdichteten. Die Angriffe der Germanen hatten mitlerweile an Heftigkeit zugenommen und die Befehlshaber der letzten Kohorten erwarteten nun die Anweisungen des Generalstabes wie man weiter vor zu gehen hatte. In dieser Phase könnten, da man sich bei der Armeeführung der Lage noch nicht vollends bewusst war, die verhängnisvollen und im nachhinein verheerenden Befehle ausgegeben worden sein, wonach man sich gegen die germanischen Attacken nicht zur Wehr setzen durfte und es bei Verstoß sogar Strafandrohungen gab. Diese unsäglichen Befehle wurde aufgrund einer falschen Lageeinschätzung angeordnet, denn man wollte unter keinen Umständen bei den Germanen unnötige Provokationen auslösen, die das ganze Unternehmen hätten in Gefahr bringen können. So überschnitten sich die Dinge und die nötigen Entscheidungen litten zudem unter einer erschwerten Kommunikation, da so mancher Nachrichtenüberbringer des Stabes nicht mehr sein Ziel erreichte. Unterdessen harrte Varus sicherlich in angespannter Gefühlslage auf aktuelle Berichte zur Situation am Marschzug um zu einer besseren Gefahreneinschätzung zu gelangen. Er könnte zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht völlig ausgeschlossen haben, dass sich doch noch alles beruhigen würde und es zu den geplanten Schlichtungsgesprächen ohne Blutvergießen kommen könnte und die erhitzten Gemüter zur Ruhe kommen würden. Es war in diesen Stunden eine undefinierbare Gemengelage die zunehmend ins Chaos abdriftete, da die Kämpfe immer hitziger wurden. In dieser Phase erwartete Varus sehnlichst die Nachricht, dass Arminius mit seinen Männern die Bühne des Geschehens betreten würde von dem er sich erhoffte, dass er auf die aufgeladene Stimmung beruhigenden Einfluss ausüben konnte. Eine trügerische Hoffnung mit begrenzter Halbwertzeit wie man weiß, die man aber zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht des Feldherrn immer noch als realistisch bezeichnen darf. Dem Generalstab war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, dass hier nun stärkere Kräfte am Werk waren, die dabei waren ihm die Regie aus der Hand zu nehmen. Denn die Schlacht verlief schon längst nicht mehr nach den römischen Spielregeln. So dauerte es eine quälend lange Zeit bis man im Umfeld von Varus begriff, dass es hier nicht mehr nur galt kleine Nadelstiche ignorieren zu müssen oder sie behutsam abzuwehren, sondern sich eine Schlacht anbahnte die zur Katastrophe ausartete. Durch die starre Struktur eines Marschzuges in die militärische Defensive gebracht konnte man diesen Angriffen nur schlecht ausweichen und ihnen wenig entgegen setzen. Nun mehr von allen Seiten attackiert entglitt dem Generalstab die militärische Lage und die Befehle der Legionskommandeure verfehlten ihren Sinn und Zweck. Anweisungen die selbst wenn man sie erteilt hätte, die im Kampf stehenden Legionäre schon gar nicht mehr erreichten, da sich jegliche Schlachtenordnung in der Auflösung befand und jeder die Flucht nach eigenem Gutdünken nach vorne antrat um den Germanen zu entkommen. Nach vorne bedeutete in diesem Fall unbedingt die Region erreichen zu wollen, ja zu müssen wo man sich sammeln konnte und wo man das Auffanglager zu errichten gedachte. Während sich der Marschzug in ein in die Länge gezogenes Schlachtfeld bestehend aus vielen Kampfnestern entwickelte, trat für die römische Armee die genauso unerwartete wie katastrophale Wende ein. Ein Schockmoment der sich für alle Legionäre wie ein moralischer Tiefschlag angefühlt haben musste. Die Übersetzung aus der griechischen Sprache zu Zeiten von Cassius Dio findet für dieses Ereignis nur etwas mehr als zehn Worte um das Schaurige dieses Augenblickes zu beschreiben. Aber es sind Worte die völlig ausreichten um die ganze Dramatik zum Ausdruck zu bringen. Sie fallen bei Cassius Dio in der Textstelle 56,19 (5) in der es heißt, dass die Germanen die man für Untertanen hielt nun plötzlich auf dem Kampfplatz als Feinde erschienen und furchtbares Unheil anrichteten. Aber was könnte in dem Moment passiert sein als es die Legionäre rekapitulierten. Darunter kann man sich nur zwei Szenarien vorstellen. Da Cassius Dio zuvor innerhalb der gleichen Textstelle berichtet, dass Arminius seine Männer alarmierte, er dann die Abstellungen nieder machte um dann Varus selbst anzugreifen geht man auch davon aus, dass er es selbst war, der plötzlich auf dem Schlachtfeld erschien. Weniger wahrscheinlich ist die Annahme, dass damit die untertänigen Germanen in ihrer Gesamtheit gemeint waren, etwa jene namenlosen die noch vorher gemeinsam Seite an Seite mit den Römern im Marschzug unterwegs waren um dann plötzlich ihre Pferde zu wenden, oder die Germanen die nun die Speere auf sie schleuderten. So war dies der bittere Augenblick als die Legionäre mit gezücktem Schwert in der Hand fassungslos feststellen mussten, dass es nicht nur jene Germanen waren die man in der Überlieferung vielsagend und abwertend als Untertanen betitelte, die nun ohne Vorankündigung ihre Waffen gegen Rom erhoben, sondern sich unter ihnen sozusagen auch noch der leibhaftige Arminius bemerkbar machte. Mit dem Frontenwechsel des Cheruskerstammes unter Arminius war zwar nicht unbedingt eine unmittelbare militärische Schwächung der römischen Varusarmee verbunden, aber feststellen zu müssen von einem für treu gehaltenen Vasallenstamm in höchster Not hintergangen zu werden war heftig. Die Historie zeigt, dass sich schon oft ein vermeintlich stärkeres Heer schwer tat sich in einem derartigen Überraschungsmoment moralisch zu behaupten, keine Schwäche zu zeigen, weiter zu kämpfen und nicht die heillose Flucht zu ergreifen. So dürfte die Stimmung als sie plötzlich Arminius auf Seiten der Germanen gegen sich kämpfen sahen in kürzester Zeit gekippt sein. Eine Momentaufnahme der Schwäche die bei den Germanen erwartungsgemäß in eine totale Kampfeseuphorie mündete. Mit Arminius wendete sich das Blatt zu ihren Gunsten und viele Römer dürften erkannt haben, dass man in diesen Minuten die Schlacht verloren haben könnte. Denn es war ihnen bekannt wie kämpferisch stark der militärisch hoch gerüstete handverlesene Armeeflügel von Arminius war den man sich einst zur Unterstützung gegen die Aufrührer versichert hatte. Als diese fatale Botschaft in das Befehlszentrum des Generalstabes platzte war die Hängepartie zu Ende und mögliche Hoffnungen wurden begraben, denn nun lagen die Fronten offen. Die Chronologie der Ereignisse richtig einzuordnen fällt schwer, denn zu wissen wo sich der leichenblasse Varus gerade aufhielt, als ihn diese folgenschwere Nachricht erreichte lässt Spekulationen zu. Sowohl die heftiger werdenden Angriffe der Germanen auf den Marschzug, als auch das plötzliche Erscheinen von Arminius auf dem Schlachtfeld dürften Varus dazu bewogen haben nun entscheiden zu müssen jetzt selbst im ungünstigen Terrain ein Notlager zu errichten, da man keine andere Wahl mehr hatte. Als die katastrophale Nachricht vom Kippen der Front eintraf, traten die gewohnten Aktivitäten zum Bau des Marschlagers nicht nur in den Hintergrund, sondern kamen völlig zum Stillstand. Denn nun hatte das Schlachtgeschehen auch die Marschspitze erreicht und das Schwert musste den Spaten ersetzen. Die Zeit der Ruhe und Ordnung war vorbei, denn nun tobte die Schlacht allerorten. Jetzt war nicht mehr nur der Marschzug umkämpft, sondern auch da wo man lagern wollte waren Gefechte im Gange. Es waren die chaotischen Momente in denen den Verteidigern die Übersicht verloren ging und sich Szenen abspielten die man in der Regel mit dem Wort unbeschreiblich zusammen fasst. In heftige Nahkämpfe verstrickt wurde eine Armee die immer noch einige tausend Krieger umfasste zurück gedrängt und gezwungen sich verbissen zur Wehr setzen zu müssen. Dies war auch die Stunde der Bewährung für den Lagerpräfekten der für den Schutz, die Organisation und die Logistik einer nun im Schlachtengetümmel versinkenden Armee zuständig war. Der Römer Eggius dem Paterculus eine hervorragende Moral bescheinigte könnte es gewesen sein, der in diesen Momenten in seiner Funktion als "Praefectus castrorum" selbst jetzt noch bemüht war die Übersicht zu behalten. Er war nun auch in der Zwangslage abschätzen zu müssen, wie groß die Lagerstätte für die verbliebenen Männer jetzt noch zu sein hatte. Er musste ermessen mit welchem Tross er noch rechnen konnte, denn auch ein Großteil der Wagen und Gespanne war auf der Strecke geblieben, Zug- Trag - oder Reittiere waren tot oder von den Germanen in Besitz genommen worden. Er musste erkennen wie viele Karren noch fahrfähig und beladen den Weg zum Lagerplatz fanden und wo man sie hin zu dirigieren hatte und er musste für den nötigen Platz zur Unterbringung der Tiere sorgen. Und auch die Anzahl der noch wehrfähigen römischen Legionäre einschließlich denjenigen denen es noch gelang sich im Verlauf der Nacht ins Lager zu retten was jedoch nicht bezifferbar war, war für die Planungen des Präfekten von Bedeutung. Aber die Ausfälle und Verluste des Tages dürften hoch gewesen sein. Marschlager waren im Regelfall gut strukturierte Machwerke die einem festen Grundriss folgten. Aber ein Notlager folgte keinen Prinzipien mehr und hat der Not zu gehorchen. Man hielt zwar die jeweilige Zuordnung bei, musste aber jetzt bei Ausdehnung und Volumen nach und nach Einschnitte vornehmen, es also der Lage angepasst reduzieren und alles musste kleiner dimensioniert werden. Den verzerrten Gesichtern der Legionäre und ihren Befehlshaber war am Abend anzusehen, wie tief der Schock über die plötzlichen Ereignisse des ersten Kampftages nach wirkte. Und was sie nach den Kämpfen für ein Schutzbollwerk für die Nacht errichteten verdiente auch nicht mehr den Namen Marschlager. Körperlich angeschlagene Legionäre mit blutenden Wunden, Verstauchungen bis zu offenen Brüchen werden sich noch bis ins Lagerzentrum geschleppt haben Wer jetzt nicht kämpfte musste sich sofern er noch konnte am Aufbau einer mittelmäßigen Palisaden- oder Wallumwehrung beteiligen, oder das wenige noch vorhandene Schanzwerkzeuge benutzen. Was an Palisadenpfählen noch zur Verfügung stand wurde verbaut aber vieles war nicht mehr erreichbar, denn es befand sich auf den Ochsenkarren, die nicht mehr bis zum Lagerplatz durchkamen. Man wird auf Holz, rohe Stämme und Balken ausgewichen sein, wo sich diese in der Umgebung finden ließen um das Lager wehrhafter zu gestalten. Im inneren der provisorischen Anlage wo man für die Nacht Schutz suchte wird man sich eher kreisförmig als wie üblich eckig orientiert, dafür aber dicht gedrängt eingefunden haben. Möchte man von archäologischer Seite noch fündig werden, so sollte man auch nicht unbedingt nach dem typischen "Spielkartenformat" a la Wilkenburg etc. Ausschau halten, denn es war an diesem Abend alles anders und für ein Notlager treffen alle Varianten und Formgebungen zu. Lassen wir uns auf etwas Poesie ein und denken uns in die Verhältnisse wie sie am Abend des ersten Kampftages im Notlager von Varus herrschten hinein, so bedarf es keines großen Vorstellungsvermögens um uns die verzweifelten Minen des römischen Generalstabes vorzustellen und wie man am Abend im "Vari castra" händeringend nach Lösungen für das weitere Vorgehen suchte. Nun war klar, dass Arminius und damit der gesamte Stamm der Cherusker die Fronten gewechselt hatte und auch weitere Germanenstämme zu ihm über gelaufen sind, Völker die bislang gegenüber Arminius eine abweichende Meinung vertraten oder neutral gesinnt waren. Inwieweit Varus die germanische Allianz einschätzen konnte ist unklar, dass er aber Marser und Sugambrer aufgrund ihrer Vorgeschichte gegen sich haben würde, dürfte ihm klar gewesen sein. Florus kannte vermutlich die Stämme als er schrieb, dass Varus ursprünglich die Absicht verfolgte bei den Aufrührern eine Versammlung einzuberufen. Unter Conventus wie es Florus ausdrückte verstand man mehr eine Konferenz aber weniger ein Straftribunal. Und eine Versammlung abzuhalten war auch der eigentliche Grund für Varus das Rebellengebiet aufzusuchen, denn er wollte Ruhe und Ordnung wieder herstellen vor allem aber dauerhaft hinterlassen. Nun wurde ihm bewusst, dass seine Pläne und Absichten gescheitert waren und es nur noch darum gehen konnte lebend dem Desaster zu entrinnen. Die Nacht vom ersten Kampftag, dem zweiten Marschtag auf den dritten Tag wird für die Krieger beider Seiten keinen ruhigen Verlauf genommen haben. Während dem die Germanen im näheren oder weiteren Umfeld des Lagers nächtigten auch ihre Verwundeten versorgten oder sie in Sicherheit brachten, könnten unablässig auch noch in der Nacht neue Kräfte aus anderen Stämmen hinzugestoßen sein. Die römischen Legionäre hingegen verbrachten ohne Kontakt nach außen und von jeglicher Versorgung abgeschnitten die Nacht. Eingepfercht und isoliert auf engstem Raum unter ständiger Angst angegriffen zu werden nächtigten sie gemeinsam mit ihren verletzten oder sterbenden Kameraden. Die Versorgungslage mit Lebensmittel und Wasser in dieser Nacht ist schwer nachvollziehbar. In der Regel siedelte man an Bachläufen die sich aber nur ungenügend in eine auf die Schnelle errichtete Verteidigungslinie integrieren ließen und wohl von Germanen besetzt waren. Denn zu jeder Kriegsführung gehörten immer schon alle denkbaren Mittel und Wege um den Gegner zu schwächen und dazu gehörte es auch ihnen den Zugang zum Wasser zu versperren. Humanität wird im Krieg klein geschrieben, war damals sicherlich verpönt und wurde als Zeichen der Schwäche gewertet und wer die Köpfe getöteter Legionäre an Bäume nagelt für den war Mitgefühl ein Fremdwort. Und auch die Psychologie wird nicht zu kurz gekommen sein, obwohl man es anders nannte. Denn während man sich je nach Notwendigkeit auf germanischer Seite für den nächsten Tag stimulierte und aufputschte, ringsum die Feuer lodern ließ und die Nacht zum Tage machte, so wird man das nächtliche Szenario auch noch zusätzlich durch eine angemessene Geräuschkulisse bereichert haben. Man brauchte den eingeschlossenen Römern die Übermacht nicht nur vorgaukeln, sie dürfte sich auch bis in die Morgenstunden eingestellt haben. Denn aus allen Richtungen werden neue Horden ihre Reihen verstärkt haben. Die Abordnungen anderer Stämme wurden mit Beifallsbekundungen in Empfang genommen und die Dunkelheit könnte vom Gejohle und Geheul durchdrungen gewesen sein. Keine guten Voraussetzungen für eine von Gegnern umringte und belagerte Armee in Feindesland und noch schlechtere Bedingungen um Schlaf zu finden und Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln. (24.12.2021)

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