Samstag, 7. September 2019
Der große und letzte klassische Poet Publius Ovidius Naso - Der Mann den die Varusforschung vergaß
Wie auch das Leben seines möglichen Informanten Gaius Julius Hyginus, so nahm auch das des Dichters Ovid keinen gradlinigen Verlauf besser gesagt kein gutes Ende. Während Hyginus im Alter verarmte, verstarb Ovid im fernen Constanta am schwarzen Meer, das über die Jahrtausende betrachtet vielfach seinen Namen wechselte in der Verbannung. Irgend wann im Jahre 8 + also etwa ein Jahr vor Ausbruch der Varusschlacht ereilte Ovid das Schicksal und seine Vita erlitt einen schmerzlichen Bruch. Während er sich auf der Mittelmeerinsel Elba aufhielt die vom Imperator auch für Verbannungen genutzt wurde erfuhr er, dass der Kaiser auch ihn in die Verbannung schicken wollte. Immer nahe am damaligen Puls der Zeit lebend, war er fortan vom Geschehen in der Hauptstadt Rom abgeschnitten. Warum Augustus ihn nicht gleich auf Elba beließ, sondern für den Dichter das noch weiter entfernt liegende frühere griechische Tomoi, das sich in der römischen Epoche Tomi oder Tomis nannte am Schwarzen Meer auswählte, wo er in der Fremde bis zu seinem Tod sein Dasein fristen musste, klingt wie eine Strafverschärfung. Die Gründe für seine Verbannung sind in einer von ihm begangenen Verfehlung zu suchen. Wie sich recherchieren lässt, wusste Ovid von der Arminiusschlacht, aber nicht nur der Bibliothekar Hyginus könnte wie ich vermute, dem Dichter auf geheimen Wegen verdeckte Botschaften mit Hintergründen zur Varusschlacht zugesteckt haben. Auch anderen Spuren aus dem damaligen Zentrum der Macht, könnten ihn aus unterschiedlichen Regionen des Reiches in Constanta über Umwege erreicht haben. Zwischen der rumänischen Schwarzmeerküste der historischen Region Dobrudscha und Ostwestfalen liegen rund 1700 Luftkilometer, so dass ihn wenn überhaupt alle Nachrichten über die Ereignisse aus dem germanischen Norden und sonstwo immer nur sehr zeitversetzt, also möglicherweise erst Monate später erreicht haben. Wobei man aber den Nachrichtenverkehr auch in der Antike nicht unterschätzen sollte. Constanta lag zwar in einer Randzone imperialer Einflüsse, aber wiederum auch in keiner von Kommunikation und Außenwelt völlig abgeschotteten Region des römischen Reiches. War von der 52 Kilometer entfernt fließenden Donau auf dem Landweg erreichbar und hatte als Küstenstadt über das Schwarze Meer und den Bosporus eine Seeweg Verbindung zum Mittelmeer. Dies könnte die Nachrichtenwege verkürzt haben. Was ihm beliebige Reisende oder Schiffskapitäne nur mündlich und als wahrhaft und absolut glaubwürdig nach dem es sich erst über diverse Stationen und Münder verbreiten musste mitteilten, möchte man nicht mehr hinterfragen wollen. Aber natürlich könnte ihm auch diese Informationsquelle für seinen Hilferuf aus der Diaspora zur Verfügung gestanden haben und nicht nur die seines Freundes Hyginus. Ob ihm die Nachrichten unbekannter Zeitgenossen inhaltlich genügt hätten, sei dahin gestellt und ob sie ihn animierten sie zu nutzen und er sich von ihnen inspirieren ließ ist ebenso fraglich. Aber auch dieser Verdacht sollte angesprochen sein, obwohl ich seinen für mich nahe liegenden Kontakt zu Hyginus für den Entscheidenden halte. Aber letztlich erhoffte er sich schließlich seine alsbaldige Rückkehr nach Rom und schmeichelte daher aus der Verbannung heraus seinem Kaiser Augustus in einer aus seiner Sicht effektiven Weise und in den höchsten Tönen, denn anders lassen sich Teile seiner Klagelieder „Tristia“ nicht interpretieren. Der Tag an dem der Kaiser die Katastrophen Nachricht aus dem „Teutoburger Wald“ erhielt war für selbigen bekanntlich ein trister und es schien für Ovid wie ein Zeichen des Himmels bzw. ein probates Mittel gewesen zu sein, das Wissen darüber nachdem er es erfuhr zu nutzen um Augustus für die dadurch erlittene herbe Demütigung der Germanen auf dichterischem Wege aus der Ferne seinen Trost zu sprechen zu können. Für Ovid hing in diesem Moment vieles von der geschickten und klugen Wahl seiner Worte ab. Er war Dichter, und so lag es nun einzig in der Kraft der Poesie um den Kaiser nochmal umstimmen zu können. In der Hoffnung er würde davon gerührt seine Verbannung gegen ihn aufheben zog er alle Register. Andere Mittel, Wege und Möglichkeiten schienen ihm vermutlich nicht zur Verfügung zu stehen. Die Schlacht im Nethegau wurde für ihn somit zu einer Art Strohhalm mit dem er sich den Rückweg in seine altgewohnte Lebensweise im quirligen und hektischen Rom oder auf seinen ruhigen Landsitz ebnen wollte. Aber wer hätte je gedacht, dass es einmal ein Dichter sein würde, der uns die erste Nachricht über diese weltgeschichtliche und Weichen stellende Schlacht zukommen ließ, bei der es sich nach allgemeiner Auffassung und Analyse nur um die Varusschlacht gehandelt haben kann. Die Historie versprühte immer schon ihre Überraschungen und so blieben uns wie in diesem Fall auch Berichte über längst Geschehenes erhalten, die uns auf äußerst skurrilen Wegen erreichen. konnten. Auch wenn es nur ein Gedicht ist, aber es kommt eben auf seinen Inhalt an und wie offen und bereit man ist es zu lesen, es zu verinnerlichen oder zu interpretieren bzw. auszulegen.
Für uns sind nur die Fakten von Bedeutung die sich als hilfreich für die Forschung erweisen können. Aber für die Aufarbeitung des Varus Ereignisses ist uns jedes noch so kleine Mosaik Steinchen lieb um unser Einfühlungsvermögen zu wecken es zu verfeinern und unsere Gedanken zu schärfen. Aber woraus bestand nun bei genauem Hinsehen sein großes historisches Verdienst, das Ovid der Nachwelt als Metamorphose, Gedicht, Klagelied bzw. Tristia oder wie man es nennen möchte hinterlassen hat. Die Örtlichkeit der Varusschlacht verriet auch er uns nicht. Konnte er auch nicht und wir machen es ihm „post mortem“ auch nicht zum Vorwurf. Denn kaum ein Römer kannte sich und das nicht nur in den Zeiten von Kaiser Augustus nach der Zeitenwende im innersten Germaniens aus. Römische Händler gelangten nur in die Nähe der germanischen Grenzgebiete, wo sie möglicherweise ihre Waren germanischen oder keltischen Händlern übergaben. Im wesentlichen bestanden die frühen römischen „Besucher“ Germaniens nur aus Militaristen, Landvermessern oder einem vergleichbaren Personenkreis. Viele dürften sich nach ihrer Dienstzeit in den Kolonien nieder gelassen haben und behielten ihr geographisches Wissen für sich. Hinzu kommt, dass bekanntlich vor 2000 Jahren aus Ostwestfalen auch nicht alle von ihnen an den Rhein zurück kehrten, denn viele von ihnen gingen in der Zwischenzeit „über die Wupper“. Auch was ein Segestes damals im Vorfeld der Schlacht genau tat oder eben nicht tat und wie er sich verhielt, wusste uns Ovid auf seine poetische Weise ebenfalls nicht zu sagen, denn über seine Existenz und andere Fakten war ihm schlicht und einfach nichts bekannt, denn davon wusste auch ein Hyginus noch nichts. Militärische Details so wie die Anzahl der Legionäre, die an der Schlacht teilnahmen oder umkamen, können wir aus seinem Gedicht natürlich nicht heraus lesen und dürfen es auch nicht erwarten. Aber es sind die von ihm in seinen Triumphzug - Visionen verwendeten Hinweise, die er innerhalb seiner "Tristien" verarbeitete, auf die es uns ankommt. Nur wenige von ihm kenntlich gemachte, oder verborgen eingeflochtene Bezüge nach Germanien und zur Clades Variana die uns ein Hineindenken in das Wesen, Verhalten und Auftreten der dort damals agierenden Persönlichkeiten erlauben, können wir erkennen die uns bei der Analyse helfen. Aber sie sind vorhanden und helfen uns unser Wissen um die alte Geschichte und die Schlachten Teilnehmer zu vertiefen. Bei genauem Hinschauen lassen sich sogar Ansätze und Aussagen zum Schlachtenverlauf ausfindig machen. Den von ihm in der Verkörperung dargestellten und wie lebendig wirkenden Menschen im symbolhaften Trauerzug der besiegten Germanen verleiht er, in dem er sie über die jeweiligen Fragesteller am Straßenrand „zum Sprechen“ bringt, eine individuelle und starke Aussagekraft. Er verdeutlicht auf besondere Weise ihre prekäre und üble Lage und die extreme Ausnahmesituation in der sie sich in diesem Moment befanden. So bringt er Kraft Beschreibung ihres Aussehens und Gebarens ihre geballte Gefühlswelt und innere Aufgewühltheit nachvollziehbar und das auch noch nach über 2000 Jahren für uns verständlich und gekonnt zum Ausdruck. Weder von einem Cassius Dio noch von anderen Historikern liegen uns derart authentische Gefühlsbeschreibungen vor, die diese Ausdrucksstärke deutlich machen. Diesen Seeleneinblick verdanken wir einzig dem Dichter Ovid der in der Abgeschiedenheit seiner Verbannung die nötige Muße fand, diesem Phantasiegebilde den letzten Schliff zu geben. Von Glück kann man sprechen, dass es sich bis heute bewahrte. Nur er beschrieb uns in Worten das, was wir an anderer Stelle erst beim Anblick kalter Skulpturen oder steinerner Reliefbändern in abgedunkelten Museen in ruhiger Minute nach empfinden können. Nämlich dann, wenn wir in die in Stein gemeißelten faltigen und leidvollen Gesichter unterdrückter und gepeinigter Menschen blicken die nur erahnen lassen, welches Schicksal ihnen wieder fuhr. Ovid lässt uns indirekt daran teilhaben, wie es damals in der Hitze der Schlacht im „Nethegau“ zugegangen sein könnte, wenn den Germanen noch Jahre danach Zorn und Wut ins Gesicht geschrieben standen. Zumindest so, wie es sich ein Dichter in den damaligen Zeiten vorstellte. Und da wir um sein persönliches Schicksal wissen, wissen wir auch um seine tieferen Absichten die hinter seiner Poesie stecken. Aber ungeachtet dessen lässt sich nur hinter seinen Zeilen, nämlich denen eines dichterischen Meisters seines Fachs nachlesen und dabei immer noch spüren, welche gewaltigen, physischen Kraftanstrengungen die Germanen in jener Zeit aufbringen mussten, um sich in die Lage zu versetzen, dieses Opfer bringen zu können. Eine aus germanischer Sicht unvermeidbare kollektive Tat, wenn man zum Ziel hat auf Dauer von Fremdherrschaft verschont zu bleiben und um diese zu vollbringen ihnen jedes Mittel recht schien. Vom hinterlistigen Vertragsbruch bis hin zur offenen Bluttat. Weder Historiker, Astronom oder Militarist brachten es fertig uns den kämpfenden, in diesem Fall besser gesagt den abgekämpften Germanen plastisch so ausdrucksstark ins Bewusstsein zu rufen, wie es dem Dichter Ovid mit knappen Worten gelang. So lässt dies auch erkennen wie nahe sich doch Poesie und Historik kommen sollten, wenn man begreifen und verstehen will. Ovid musste und wollte in seiner aussichtslosen Lage sein ganzes Können aufbieten und es in diese Verse legen um den Kaiser zu beeindrucken. Dem Kaiser wollte er auf diese Weise seinen späteren Triumph über die Feinde des Reiches nach dem Schlachtenerfolg den man schließlich erwartete literarisch vorweg nehmen und gleichzeitig seinen Blick auf sich ziehen. Er sollte den Erfolg quasi „ante mortem“ bereits als Vision vorab genießen dürfen und alles sollte ihm köstlich erscheinen und gefallen noch bevor es zur Realität geworden ist. Das ihm dieser Triumph über die Varusbezwinger auf ewig verwehrt bleiben würde konnte dem Kaiser da noch nicht bewusst gewesen sein, denn er erhoffte sich in diesen Zeiten noch einen als baldigen Sieg über seine Widersacher. Kaiser Augustus konnte nicht ahnen, dass er bis zu seinem Tod mit den blumig prosaisch dargestellten Wunschvorstellungen eines Ovid vorlieb nehmen musste und sie mit ins Grab nahm. In der grundsätzlichen Erwartung eines dem Imperium bevorstehenden Sieges über Zentralgermanien war es aus der Sicht des Kaisers sowieso nur eine Frage der Zeit, wann danach in der Konsequenz auch ein greifbarer triumphaler Siegeszug durch die Straßen Roms folgen würde. Wohl wissend, dass es sich letztlich nur um die gequälten Schmeicheleien eines leidenden Verbannten handelte, werden diese vermutlich nur auf einen in sich hinein schmunzelnden Kaiser gestoßen sein, der seine Absichten durchschaute. Nur Ovid verdeutlichte uns in seiner Tristia, dass diese nunmehr wie Verstoßene herum irrende armselige Germanenschar, einst die Spitze des Widerstandes gegen Varus und das Imperium bildete. Es sollten jene nun zu einer Masse Mensch verschmolzenen ehemals bedeutsamen Hintermänner vor aller Augen zur Schau gestellt werden, die einst diese gewaltige Herausforderung stemmten und die Nerven - und Körperkraft aufbrachten die nötig war um drei römische Legionen zu vernichten. Eine gewaltige Inszenierung die da hinter den geistigen Augen eines Ovid getobt haben musste. Eben keine Halbwilden, sondern selbstständig agierende Strategen und logisch denkende Individuen die dies erst alles in Bewegung gesetzt hatten, und denen es letztlich gelang, das ganz Große zu bewältigen und erfolgreich umsetzen zu können. Doch im „Theaterstück“ des Ovid dienten sie nur noch dazu, die erniedrigende Rolle der Geschlagenen zu übernehmen. Komparsen einer letztlich egoistischen Zielen dienenden Selbstinszenierung. Hier hatten sie die deprimierende Aufgabe zu erfüllen dem Kaiser ein Zerrbild seiner ureigenen Wunschvorstellungen zu liefern, mit denen Ovid die Sympathien von Augustus für sich zurück gewinnen wollte. Hier sollten die Geschundenen einen perfekten Trauerzug abgeben, wie ihn besiegte Feinde nun einmal Spießruten artig in einem hysterischen Hexenkessel zu durchlaufen hatten. Ovid wollte sie zum Zwecke der Erniedrigung wieder zu Naturvölkern degradieren, denen eine ungezügelte animalische Hatz näher lag, als die hohe römische Zivilisation. So schrieb ihnen Ovid auch den Ausdruck von Todesverachtung ins Gesicht, der immer noch in ihnen vorherrschte und den man ihnen ansehen sollte. Aber nicht zu vergessen, zu diesem todesmutigen Verhalten mussten sich auch die germanischen Kämpfer erst einmal durchringen. Sie entstand nicht über Nacht und wollte auch erst von unbändigem Zorn angetrieben sein. Bis sich auch ein Germane, der von Natur aus Bauer und Viehzüchter war mit gezogener Klinge auf einen Feind stürzt, der noch dazu über eine bessere Ausrüstung verfügt, müssen Dinge voraus gegangen sein, die ein Ovid der dem gehobenen italienischen Landadel entstammte gar nicht erahnen konnte. Sein Gedicht besser gesagt, sein dramatisches Gesamtwerk stellt uns aber auch vor die Frage wie weit uns allzu nüchterne Historie bringt, wenn wir uns nicht mit den einzelnen Menschen als Individuen beschäftigen. Längst verblichene Menschen die man leider hinter den kalten Ziffern der Jahreszahlen schnell aus den Augen verliert und sich als Studienobjekte nur noch für die Untersuchung ihrer Skelett- oder ihrer Aschereste bzw. zur Erforschung ihrer Bestattungsbeigaben eignen. Aber Ovid verleiht ihnen noch mal Leib und Seele wie es kein Bodenfund je zu leisten imstande sein wird. Schauen wir unter dem Begriff "Ovid/Varusschlacht" auf die Internet Quellenhinweise, so lesen wir unter „Ovid Tristia III. 12, 45 - 48“ folgendes. „Die Tristia. Sie besteht aus fünf Büchern. Darin überliefert sind poetische Briefe in elegischer Form, die der römische Dichter Ovid zu Lebzeiten des Kaiser Augustus aus seinem Verbannungsort Tomis, ungefähr in den Jahren 8 + bis 12 + an verschiedene Adressaten richtete“. Aber wir vermissen in dieser kurzen Zusammenfassung jegliche inhaltliche Auseinandersetzung und die Analyse von Querverbindungen im Zuge und im Sinne der Varusschlachtforschung. Es scheint, als ob der historischen Forschung diese Quelle nicht ergiebig genug ist, um sich näher damit beschäftigen zu wollen. Aber wir müssten unsensibel sein, wenn wir derartige Bezüge zur Varusschlacht außer acht lassen und nicht entsprechend würdigen würden. Denn wir haben es hier schlicht und einfach, nicht mehr und nicht weniger mit der Ersterwähnung der Varusschlacht zu tun. Ein Fingerzeig aus einer Zeit in der die Varusschlacht erst maximal drei Jahre zurück lag, der also noch taufrisch gewesen sein musste. Ovid dichtete seine Tristia zwischen 8 + und 12 +. Die Schlacht ging im Herbst 9 + zu Ende. Augustus selbst erfuhr davon am 6.10.0009. Ovid könnte davon also frühestens ab November 0009 etwas erfahren haben. Und er wird sich nicht sofort hin gesetzt haben um daran zu schreiben, denn seine Metamorphosen erstrecken sich nicht nur auf den kleinen Anteil den der Bezug zur Varusschlacht darin einnimmt. Demnach gelangte sein poetischer Rücklauf nach Rom etwa im Jahre 10 +. Die Spur die Ovid zur Varusschlacht legte war also noch ziemlich heiß. Sie lag innerhalb einer Zeitspanne in der man an der Niederrheingrenze sogar noch zittern musste, weil man nicht wusste, was da noch so alles von Osten auf sie zukommen könnte. Eine Zeit in der der „Nochfeldherr“ Tiberius gerade erst in Xanten eintraf und erst noch das Konzept einer strategischen Grenzmarkierung entwerfen sollte. Nämlich die Errichtung eines Landlimes anders ausgedrückt eines Schutzstreifens in Form einer Gebückhecke anzugehen, in dem er begann ihn Schneisen artig umzusetzen um den Germanen damit ein symbolisches Stoppschild aufzuzeigen. Sich dahinter vor einer möglicherweise drohenden Gefahr vor den Germanen zu schützen war militärisch betrachtet eine Illusion und nicht möglich, hier sollte die Psychologie der Abschreckung schon zur Waffe werden. Eine Zeit in der der Fürst Segestes noch gefahrlos und unbehelligt von „Freund und Feind“ wie ich vermute an der Leine bei Einbeck lebte, bis ihm die Luft 15 + zu dünn wurde. Und diese wichtigen Zeilen eines Ovid ignorierte man mehr oder weniger und wertete sie nicht akribisch aus. Aber vielleicht habe ich auch die eine oder andere Schrift darüber übersehen und bitte daher um Nachsicht bzw. bin für Informationen immer dankbar. Man könnte dieses vermeintliche Desinteresses in der Wissenschaft an Ovid natürlich auch noch etwas überspannter zum Ausdruck bringen. Apropos, tun wir nicht sogar überhaupt der römischen Literatur, Dichtkunst und Poesie unrecht, wenn wir alle überkommenen Nachrichten gleich aus welcher Zeit sie stammen immer nur auf ein nüchternes Zahlenwerk reduzieren möchten. Merkmal vieler Pädagogen, die so manchen lernwilligen Schülern mit dieser Methodik jegliches Interesse an der Geschichte raubten. Auch Tacitus, Florus, Dio und andere haben in ihre Überlieferungen Hinweise gelegt, die uns ermuntern könnten sich mehr mit der philosophischen Natur und Ausrichtung unserer Altvorderen zu beschäftigen. Und wir wissen das auch in uns noch ein Bruchteil ehemaliger Mentalität schlummert, der uns bei der Aufarbeitung behilflich sein kann. Filmische Produktionen versuchten immer schon uns eine Krücke zu sein bzw. uns zu animieren damit wir uns ein besseres Bild über jene alten Zeiten machen können, was in der Tat keine leichte Aufgabe ist. Denn die Phantasie sich innerlich soweit zurück begeben zu können, ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Von Ungeübten und mit wenig Geldmitteln ausgestatteten Regisseuren kann dies zudem schnell ins Gegenteil von dem umschlagen, was sie bezwecken sollen, vor allem wenn man versucht der germanischen Dialektik nach - bzw. sie aufzuspüren, die richtigen Requisiten verpasst, sich für die Außenaufnahmen am falschen Geländemodell vergreift oder sich für untypische Statisten entscheidet. Wir sollten aber nicht stehen bleiben, daran verzweifeln und daher unsere Gedanken einkerkern. Und sollten uns auch nicht noch damit brüsten uns nur das Hinterfragen dessen zu erlauben in was uns die unbestechliche Welt der Historik anhand von Bodenfunden lenken möchte. Denn es gibt bekanntlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde als die, die sich mittels Verstand erschließen lassen. Sich deswegen und ohne Not alle freigeistigen, schöpferischen und gedanklichen Spielräume zu versagen ist sicherlich der falsche Ansatz, wenn man zur Quelle zurück möchte. Sind es nicht gerade die Gedichte eines Ovid die uns die Lebendigkeit der Geschehnisse erst erkennen lassen. Schöben wir achtlos und herablassend alles Poetische beiseite, begingen wir einen Fehler, denn wir verzichten ohne zu müssen auf viel Wissen und klammern es vor lauter übertriebenem und sachlichem Denken aus. Und was für Ovid gilt, gilt übrigens auch für den Codex Regius, die Edda und andere Werke auf die ich noch zu sprechen kommen möchte. Aber wir erkennen dank Ovid auch erst die Bedeutung dessen, was die römische Klassik unter Geschichtsschreibung verstand. Und da sind wir bei einem interessanten Punkt. Denn wir verwenden heute noch immer das Wort Geschichte, wenn wir Historie meinen. Aber eine beredte Geschichte ist keine wissenschaftliche Historie und beileibe keine chronologische Aufzählung von Kriegen, Schlachten, Siegen oder Niederlagen. Eine Geschichte ist auch eine Erzählung über das was mal war und wie es mal war. Und alles fing doch mal mit dem Satz an „Ich will Dir jetzt mal eine Geschichte erzählen.....“ Und nicht „Ich will dir jetzt mal eine Historie erzählen“. Aber zu dem was uns Ovid vermittelt müssen wir tiefer schürfen. Denn seine gesamten Geschichten die den Namen Klagelieder tragen, folgen sicherlich in weiten Teilen seinem ureigenen Beweggrund, nämlich dem Kaiser gegenüber das triste Leid seiner Verbannung zu klagen. Dabei bedient er sich in unserem Fall zwar einer wahren Begebenheit, lässt diese aber nicht deutlich werden und verschleiert sie auch um seinen Informanten zu schützen. So gesehen, war seine „Tristia“ zumindest was dies anbelangt auch ein Produkt des Eigennutzes und diente keineswegs dem Zweck der Nachwelt ein besonders reich ausgeschmücktes poetisches Werk als Leistungsnachweis seiner Fähigkeiten oder einen historischen Beitrag für die germanischen Jahrbücher zu hinterlassen. Aber Ovid wäre nicht Ovid hätte er sich nicht auch bemüht seinen Metamorphosen ungeachtet seiner Rückkehrwünsche nach Rom auch einen dichterischen Glanz für die Ewigkeit mitzugeben. Aber hier richtet sich unser Blick nur auf den Inhalt seiner Tristia in der er sich in wenigen Zeilen der Varusschlacht nähert oder wie wir begründet annehmen, in denen er sich dieser vermeintlichen Schlacht widmet. Und genau das macht sein Werk für diese Betrachtung so bedeutungsvoll. Denn es war nun mal nicht seine Absicht, dass wir noch Jahrhunderte später den Germanen „seines“ erdachten Triumphzuges gar noch Achtung zollen, oder das wir ihr jeweiliges persönliches Schicksal ihren Gesichtern entnehmen oder es gar interpretieren sollen. Ovid wollte erreichen den Ausdruck menschlicher Niedergeschlagenheit, Trotz oder Demoralisierung den er ihnen ins Gesicht dichtete drastisch heraus zu stellen. Denn um so desolater deren Mimik ausfiel umso freudiger dürfte es vom Kaiser aufgenommen worden sein, sodass dieser sich daran erlaben und ergötzen konnte. So wählte Ovid eine interessante Methodik an. Denn er schlüpfte selbst in die Rolle eines Berichterstatters und Kommentators, erdachte sich selbst einen Platz unter den Zuschauern auf der Tribüne oder in der Masse. Er ging auf die im Zug mit laufenden Personen ein, in dem er den römischen Bürgern die ihn von den Straßenrändern verfolgten Fragen und gleichzeitig Antworten in den Mund legte. Er erzeugte damit einen Monolog bestehend aus Fragestellern, die sich mangels Orientierungsmöglichkeit ihre Antwort selbst geben mussten. Eine in der Tat interessante Inszenierung die sich Ovid da erdachte um seinem Traum Leben einzuhauchen. Mit dem was er in seinem Gedicht beschrieb, versuchte er dem visuellen Schauspiel einen realen Anstrich zu verleihen um es wie ein tatsächlich statt gefundenen Ereignis auf seine Leser in Rom vor allem aber Augustus wirken zu lassen. Er spielte somit die ganze Klaviatur seiner Zeit aus, um sein Ziel erreichen zu können, ohne seinen Informanten und Freund Hyginus zu gefährden. Mit der von ihm gewählten Darstellung erhöhte er den Glaubwürdigkeitsfaktor beträchtlich. Er beschwichtigte und spielte die Katastrophe im Saltus damit auch etwas herunter und jeden Leser sollte das Gefühl erschleichen, es wäre im Jahre 9 + doch alles nur halb so schlimm gewesen und der Kaiser wird es schon zu gegebener Zeit richten und die Feinde bestrafen. Er brachte es also keineswegs für unsere kritischen Augen zu Papier, womit seine Tristia auch etwas propagandahafte Züge im Sinne des Kaiserhauses annahm. Und das macht es historisch betrachtet wiederum zusätzlich wertvoll, analysefähig und steigert die Notwendigkeit sich mit dem Papier auseinanderzusetzen. Denn Ovid wollte uns Jetztmenschen damit schließlich keinen Gefallen erweisen. Allerdings muss man es nochmal wiederholen, denn es passierte alles nur auf der Basis eines in seiner Phantasie entstandenen rein fiktiven und nie statt gefundenen Ereignisses. Eben ein Wunschtraum um sich damit aus seiner elenden Lage und Isolation poetisch frei dichten, innerlich frei kämpfen oder moralisch frei kaufen zu können. Was aber letztlich für unsere Betrachtung unerheblich ist, denn wir schauen auf den Kern, die verwertbare Aussage und auch die Botschaft seines Gedichtes und fragen hier nicht nach wahr, unwahr oder seinen Beweggründen. Im alten Rom wusste man es immer schon, denn man wollte die Menschen begeistern und erreichen, dort stand wenn es nicht an die eigene Haut ging, immer schon stärker der Unterhaltungswert und weniger der tatsächliche Verlauf einer historischen Begebenheit im Vordergrund. Der Dichter Lukan rückte sogar die Muse in die Nähe der Historie. Tacitus interessierte es damals auch nicht uns mitzuteilen, auf welchem Meridian östlicher Länge Germanicus den Knochenhügel aufstapeln ließ und Cassius Dio verspürte nicht im Geringsten das Verlangen uns genau zu sagen, wie viel Tage die Varusschlacht andauerte, wo man kampierte und wie Varus es anstellte trotz akuter Gefahrenlage seinen persönlichen Reichtum, für den zu besitzen er ja bekannt war, sicher an die Lippe zu bringen. Ihm war es wichtig die schrecklichen Umstände und die Aussichtslosigkeit unter diesen Bedingungen einen Sieg zu erringen dem Leser zu verdeutlichen. Und Florus lag es natürlich genauso fern, ob wir uns unter seinen Zeilen eine Lagerschlacht oder eine Mehrtagesschlacht vorzustellen hatten. Aber warum sind wir heute davon so überzeugt, dass Ovid in seiner „Tristia“ wenn es auch nur indirekt geschah auf die Varusschlacht ein ging und nicht auf irgendeine andere Schlacht seiner Zeit. Man kann es entschlüsseln. Denn da sind in erster Linie Verbindungen, die er selbst nach Germanien legte und sonst in keine andere Region. Dafür brauchte er auch noch keinen Hyginus in Anspruch zu nehmen. Allein die Tatsache, dass er sich fasst die Hälfte seines sechzig Jahre währenden Lebens zwar aus der Distanz heraus, so aber doch immer wieder mit den Germanenschlachten der Jahre 12 – und 16 + konfrontiert sah rechtfertigen derartige Überlegungen. Es gab für ihn Zeit seines Lebens wenn man es so ausdrücken will, immer nur einen bedrohlichen Schlachtenhorizont wo sich das Imperium rieb, nämlich den zwischen Rhein und Elbe, wenn man mal von Panonnien absehen möchte. Ebenso wie einige unserer Generationen den Krieg lange Zeit nur als einen „kalten Krieg“ erlebten, aber davon lebenslang geprägt wurden. Ovid der drei Jahre nach Kaiser Augustus im Jahre 17 + verstarb, machte es uns einfach, denn er öffnete für uns und das natürlich unbeabsichtigt die „Varustür“, auch wenn es nur einen Spalt breit war. Er lokalisierte nämlich das von ihm in seiner Tristia verarbeitete Geschehen sogar auf einen ganz speziellen germanischen Siedlungsraum. Denn er verband es mit einer bedeutsamen Person seiner Zeit die wir relativ gut zurück verfolgen können und über die sich dann wiederum der Schlachtenraum eingrenzen lässt. Diese Person war zweifellos nicht P. Q. Varus, denn ihn nannte Ovid nie mit Namen. Aber er schob uns an seiner Stelle eine andere ein, mit der wir arbeiten können. Und dieser Mensch war, was zweifellos für die Forschung sehr bedeutend ist, eine reale Gestalt und damit die einzige Person die wir auch historisch greifen können. Ein wesentlicher Anhaltspunkt mit der sich seine Informationen überhaupt erst auf den von mir apostrophierten Schauplatz Ostwestfalen konzentrieren lassen. Denn er griff bzw. suchte sich zum Aufbau seiner heimlichen Rückkehr - Strategie mit der er den Kaiser beeindrucken wollte, eine frühe vor allem aber politisch unantastbare Identitätsfigur. Einen Mann in den Kaiser Augustus einst große Stücke gesetzt hatte und auf den das Imperium stolz sein konnte. Ein Mann der sich noch nicht einmal in die Nähe der Varusschlacht rücken ließ und womit er Hyginus in dieser Hinsicht völlig unverdächtig erscheinen lassen konnte. Und besser geht es nicht, denn dieser Mann war zu dem Zeitpunkt als die Varusschlacht tobte, bereits 20 Jahre tot. Unverfänglicher wie es also nicht hätte sein können. Er knüpfte mit dieser Person an die glorreichen Zeiten an, als Rom noch mit dem kraftvollen militärischen Schwung eines Gaius Julius Caesar im Rücken Germanien nahezu widerstandslos zu überrollen schien. Und wir reden hier natürlich von keinem anderen, als dem Feldherrn Drusus dem dieses militärische Meisterstück der Eroberung Zentralgermaniens auch beinahe gelungen wäre. Hätte alledem damals nicht ein tragischer Sturz vom Pferd irgendwo zwischen Weser und Elbe ein frühes Ende beschert. Ovid kannte alle seine Erfolge und seinen Werdegang bis zu seinem Tod im Jahre 9 -. Der berühmte Feldherr Drusus war ein langjähriger Zeitgenosse von Ovid und vielleicht sogar auch noch sein persönliches Idol. Drusus verstarb fasst gleichaltrig zu ihm im Alter von 29 als Ovid selbst 34 Jahre alt war. Sein Tod könnte für ihn zu einem einschneidenden Trauererlebnis geworden sein. Denn unter Drusus entfaltete sich noch der frische und ungezügelte Eroberungsdrang einer Weltmacht. Sein besonders heraus gehobener Hinweis auf seinen Heldenmut, der ihm nach seinem Tod den Beinamen „Germanicus“ einbrachte und darauf, dass er ihn als den edlen Spross eines würdigen Vaters bezeichnete, bezeugte seinen hohen Respekt für diesen Mann. Drusus operierte damals bevorzugt in eben jenem Kerngebiet, wo sich 18 Jahre nach seinem Tod auch die Varusschlacht zutragen sollte. Nach Auffassung vieler Historiker soll er 11 - auf dem Rückweg von Corvey zur Lippe auch in den nahezu schon legendär zu nennenden germanischen Hinterhalt bei Arbalo geraten sein. Ovid erwähnt diesen Drusus mit Namen und setzt damit für uns eine wichtige Markierung. Mit der Erwähnung der Person des Drusus stecken wir folglich schon mitten in Ostwestfalen und damit in dem Bereich in dem sich die Varusschlacht entfalten sollte. Ein Hinweis wie er kaum eindeutiger sein kann. Kein Varus und auch keine andere an der Schlacht beteiligte Personen nennt er in seinen Klagelieder beim Namen einzig Drusus ist es ihm wert. Allein schon sein Bezug auf diese Person verrät uns nicht nur eine intuitive Nähe zur Varusschlacht. Daraus lässt sich für die Zeit nach seiner Verbannung ab 8 + bereits eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit ableiten, dass er nur diese eine Schlacht gemeint haben kann. Es sind insgesamt drei besondere Hinweise die diesen Verdacht erhärten und uns gestatten derartige Rückschlüsse ziehen zu dürfen. In der Zusammenfassung möchte ich sie später noch darstellen. Ovid ging also geschickt vor in dem er seine wahren Absichten verschleierte, aber alles war letztlich der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl. Auf diese recht unverfängliche letztlich aber doch eindeutige und möglicherweise auch zum Ziel führende Weise entschloss er sich dem Kaiser die Ängste vor der ungewissen Zukunft und der möglichen Existenzgefährdung seines Staates auf die lyrische Art zu nehmen. Man könnte auch sagen, er wollte ihn damit zu einer positiven Denkungsweise ermuntern. So vermittelte er ihm das Gefühl, dass in Bälde der Tag kommen würde an dem er, der Kaiser wieder als ein glorreicher Sieger über die Germanen triumphieren würde und der dann alles Vorgefallene überstrahlen und vergessen machen würde. Gleichzeitig drängte er sich wieder in seine Gedankenwelt. Wie ich es häufig praktiziere bin ich immer bemüht weitere Argumente zusammen zu tragen. Warum möchten wir also in seinem Gedicht nur die Varusschlacht und keine andere Germanenschlacht innerhalb der langen Zeit der Germanenkriege erkennen. Ovid präsentiert uns in seiner Tristia eine Gruppe zerknirscht drein blickender Germanenoberhäupter. Germanen also die Kraft ihres Erscheinungsbildes eine demütigende Niederlage einstecken mussten aber in keinem Fall einen siegreichen Krieg gegen das Imperium geführt hatten. Sie sollten die Gefangenen eines Krieges gewesenen sein, den Rom gewann. Und dies dürfte unstrittig sein. Ovid der 43 – zur Welt kam erlebte mit etwa 27 Jahren den einzigen für das Imperium schmählichen Ausgang einer Schlacht nämlich die bei der der römische Statthalter Lollius um 17 - / 16 – geschlagen wurde wonach der römische Adler für immer verschollen blieb. Danach war das Imperium zwar nur noch auf der Siegerstraße wieder zu finden, aber welche Schlacht zwischen Rom und den Germanen hätte zwischen der "Clades Lolliana" und der Varusschlacht schon einen Triumphzug rechtfertigen sollen. Kein Sieg wäre für Ovid geeignet genug gewesen um ihn aus der Verbannung nach dem Jahre 8 + für seine Metamorphosen zum Anlass zu nehmen. Für die triumphale Zurschaustellung geknickter germanischer Persönlichkeiten gab es nur einen Sieg nach dem Jahre 8 +, nämlich den ersehnten allumfassenden Vergeltungssieg den die Germanen mit der Varusschlacht herauf beschworen und den sie sich somit dann auch selbst zuzuschreiben hatten. Siege über Germanien zwischen diesen beiden römischen Niederlagen sowohl der im Zuge der „Clades Lolliana“ als auch der „Clades Variana“ waren für das römische Reich zum Normalzustand geworden. Triumphzüge aber waren nur den besonders wichtigen Ereignissen und Anlässen vorbehalten. Aber die Tatsache, dass Ovid erst 8 + in die Verbannung kam, grenzt das Spektrum Ovid`scher Möglichkeiten entschieden ein. Denn warum hätte er sich für Augustus das Szenario eines weit zurück liegenden römischen Sieges erdenken sollen, wenn es ein aktuelles Ereignis, nämlich die Varusschlacht schon vor der Haustür gab. Etwa der so genannte “glückliche“ Sieg von Drusus im Jahre 11 - bei Arbalo. Dieser hatte für Ovid sicherlich über zwanzig Jahre später als er im Jahre 8 - seine Verbannung antrat wo er seine Metamorphosen verfasste keine besondere Bedeutung mehr. Und auch den römischen Immensum Bellum Krieg der bis 5 + andauerte dürfte er nicht thematisiert haben. Es war kein ruhmreicher Krieg er trug wohl eher die Züge eines brandschatzenden Vernichtungsfeldzug und ging durch keine herausragenden und Triumphzug würdigen Einzelschlachten in die Geschichte ein. Und darauf folgte bereits im Jahre 9 + die verheerende Varusschlacht die das Reich ins Mark traf. In dem Ovid seine Herz erweichenden Klagelieder breit an viele Personen aus dem Umkreis des Kaisers streute, konnte er sicher gehen, dass sie auch in seine Hände gelangen würden, um ihn milde zu stimmen. So half Ovid dem Kaiser bei seiner inneren Vision sich doch noch einen erfolgreichen Abschluss der Eroberungen in Germanien vorstellen zu können, wenn denn die irgendwann beginnenden Revanche Schlachten „erfolgreich“ zu Ende gegangen sein würden. Aber er erlebte noch nicht einmal den Beginn dieser Rückeroberungsschlachten, da diese erst ab 15 + durch Germanicus aufgenommen wurden, denn er verstarb ein Jahr zuvor. Wenn man sich nun seinen "Tristien" annähert, so wie Ovid sie ausformulierte, dann beginnen diese mit einem von ihm selbst verfassten seltsamen Hinweis. Denn wem galten seine Worte aus denen hervor ging, dass er seine Fährte die er offensichtlich nur für Augustus legte, sogar selbst ein Gerücht nannte. Wollte er damit noch mal klar zum Ausdruck bringen, dass er hier nur seine Wunschvorstellung zu Papier brachte um damit den Kaiser nicht doch noch zu nahe zu treten oder gar beleidigen zu wollen. Denn der Kaiser hätte seine "Tristien" auch völlig anders auffassen, anders ausgedrückt auch in den falschen Hals bekommen können und dann hätte ihm auf die Verbannung, die noch gelinde Züge getragen haben soll. noch eine Strafe drohen können. So entzog er seiner lyrischen Botschaft von vorn herein den realen Hintergrund und machte sie deutlich als eine Vision kenntlich. Dies machte ihn wiederum vor den kritischen Augen der Historiker um so glaubhafter. Denn so konnte er es vor den kritischen Augen der Öffentlichkeit seiner Zeit nach der freiwilligen Offenbarung auch noch wie eine Halbwahrheit aussehen lassen. Seinen Informanten Hyginus konnte er dadurch um so mehr der Gefahr entziehen, damit in Verbindung gebracht zu werden. Es ist zudem auch denkbar, dass es Hyginus sogar selbst war, der es aus taktischen Gründen zum Gerücht abwertete, denn auch er lebte mit jedem zuviel gesagten Wort gefährlich und überließ es Ovid wie er damit umzugehen gedachte. In dem Ovid wohl wissend, dass es kein bloßes Gerücht war darauf basierend für den Kaiser ein Szenario erdichtete, wonach es in absehbarer Zukunft einen wundersamen Triumphzug in Rom geben würde, an dem all jene Schergen, die ihm in Germanien von cheruskischer Seite aus die Schmach der Niederlage beibrachten teilnehmen würden, konstruierte er sozusagen sein eigenes dichterisches Reliefband. Eines in der Art wie es später in plastischer Form die Mark Aurel Säule schmückte. Der Übersetzung nach, die es zu einem Gerücht hochstilisierte spricht allerdings auch noch für eine andere Auslegung der frühen Unglücksbotschaft aus Ostwestfalen. Und die träfe ebenfalls in Gänze auf die damalige Stimmungslage zu, wie man sie sich in Rom nach der Hiobsnachricht aus Germanien vorstellen kann. Ovid könnte aus Sicherheitsgründen auch zu dieser Vorkehrung gegriffen haben, in dem er es als ein Gerücht bezeichnete. Denn war es denn alles auch tatsächlich so in den dunklen Wäldern Germaniens geschehen, oder war man hier am Ende noch einer Falschmeldung aufgesessen. Wie wäre es, hätten sich die Nachrichten aus Germanien nachträglich als Irrtum heraus gestellt. So wäre es gar nicht auszudenken gewesen, wenn Kaiser Augustus dann noch obendrein seine Prosa zu lesen bekommen hätte. Ein Gedicht über ein Ereignis das sich nachträglich als Fehlinformation erwies, da war es doch besser alles schon mal vorher als ein Gerücht darzustellen. Denn es schien vielleicht anfangs so, als ob man alle Nachrichten die in diesen Tagen aus dem Norden die Hauptstadt erreichten für unglaublich halten musste. Denn es war einfach völlig unvorstellbar absurd und undenkbar, dass es so eine dramatische Niederlage überhaupt geben konnte. Denn seit der Schlacht von Carrhae 53 – kannte man so etwas nicht mehr. Eine Armee in der man allgemein und historisch belegt, die beste im ganzen Imperium sah und die man für unbezwingbar hielt. Diese sollte angeblich in kurzer Zeit in Germanien und noch dazu von einem militärisch unterlegenen Feind förmlich verschluckt und aufgerieben worden sein. Es war wohl letztlich ein Mix aus allem. Jene, die in Rom mehr wussten hielten den Atem an und schwiegen, während die anderen weitere Nachrichten aus dem Norden abwarten wollten. Aber Ovid musste sich in alle Richtungen absichern, bevor er zur Feder griff, wartete also möglicherweise noch bis ins Jahr 10 +. Denn all das konnte ja eigentlich in den Augen vieler auch nur ein böses Gerücht gewesen sein, zumindest könnte Ovid es auch noch selbst für ein solches gehalten, oder es eben auch als ein solches bewusst gekennzeichnet haben, um in seiner Situation Vorsicht walten zu lassen. Nun ja, im Kaffeesatz der Geschichte zu lesen war eben immer schon eine schwierige Aufgabe. Unmittelbar nach dem es Ovid als ein Gerücht darstellte, wird die Übersetzung seiner Metamorphosen diffuse. Denn ab diesem Moment beginnt Ovid damit, den Inhalt seiner „Tristia“, also das was er kurz zuvor noch selbst als ein bloßes Gerücht bezeichnete, doch in eine scheinbar real existierende Siegeszugveranstaltung zu verwandeln. So wirkt sein Gerücht urplötzlich nicht mehr wie ein Gerücht und nimmt scheinbar reale Züge an. Damit nimmt es die, wie es wohl auch von Ovid bezweckt war irrealen Züge einer Scheinwelt an. Denn der Leser spürt nun instinktiv, dass Ovid den Boden von Gerücht und Vision verlassen möchte und es wie eine reale Begebenheit darstellen möchte. Denn nun beschreibt er uns seinen originären Traum wie ein lebendiges Ereignis, indem er basierend auf den Informationen von Hyginus dem ganzen Volk von Rom einen Triumphzug samt germanischem Feldherrn vorgaukelt, den es nie zu Gesicht bekommen hat und auch nie sehen wird. Das Volk sieht, wie die reuigen germanischen Sünder, die in ihren Augen alle Verbrecher waren, da sie Verträge brachen, nun gesenkten Hauptes und teils auf den Boden starrend an Augustus vorbei geführt werden. Also jene Germanenhäuptlinge, die von Ovid Könige genannt wurden bzw. so übersetzt werden und die dem Imperium diesen herben Verlust an Soldaten einbrachten. Die ihm die gewaltige Machteinbuße zufügten und ihm damit so schwer geschadet hatten. So sollten die Phantasien des Ovid den geheimen Wunschträumen des Augustus recht nahe kommen. Sein lebhaftes Vorstellungsvermögen, wie jene damaligen germanischen Hauptverantwortlichen vor Augustus in den Staub gedrückt wurden war recht ausgeprägt und müsste den Kaiser wieder wohl gesonnen stimmen. Dieser erdachte Triumphzug wie ich ihn im nächsten Kapitel kommentiere, sollte Augustus erweichen und ihm am Ende die ersehnte Rückkehr nach Rom ermöglichen. Hyginus war für Ovid sein Kontakt zur Außenwelt und Hyginus wollte ihm möglicherweise helfen seine Isolation etwas zu erleichtern. Was hätte ihm also damals nicht näher gelegen, als dass er sich auch mit dem Dichter Ovid über die Varusschlacht ausgetauscht haben könnte. Vielleicht sogar für Hyginus nichts ahnend, dass Ovid in seinen Nachrichten eine letzte Chance erkannte, die ihn nach Rom zurück führen konnte. In diesem Fall könnte man auch sagen, Ovid könnte Hyginus missbraucht haben. Resümierend kann man sagen, dass Gaius Julius Hyginus letztlich einen großen Bekanntenkreis hatte und einer dieser bedeutenden Personen zu denen er in Kontakt stand, war eben auch sein Freund dieser besagte und uns namentlich bekannte Dichter Publius Ovidius Naso zu deutsch Ovid. Dieser Mann war neben Vergil und Horaz einer der drei großen Poeten der klassischen römischen Epoche. Geboren wurde er 43 - und er starb im Jahr 17 +, dem Jahr, in dem der Feldherr Germanicus seinen lang ersehnten Triumphzug in Rom ausgerichtet bekam. Und was uns Ovid hinterließ könnte nach aller Schlussfolgerung seine Quelle möglicherweise in Gaius Julius Hyginus gehabt haben. Was Ovid uns hinterlassen hat, ist also hoch interessant, gleichermaßen aber auch gewöhnungsbedürftig, denn Ovid der Freund von Hyginus und war ein Dichter und kein Historiker. Und das was er dichtete stellt zweifellos ein äußerst schwer verdauliches Produkt dar. Aber was hätte man von einem Poeten auch anderes erwarten sollen. Wenn sich also der Verlauf bzw. die Informationsschiene von Hyginus zu Ovid in dieser Form vollzogen haben sollte, so ist das erste je zu Papier gebrachte Schriftgut, dass uns überhaupt etwas zur Varusschlacht verrät von Ovid dem Poeten gewesen. Und wer hätte da von einem Poeten auch etwas anders erwartet, als eben „nur“ ein Gedicht. Da wir aber auf die Asprenas Depesche leider verzichten müssen da wir ihren Inhalt nicht kennen, geben wir uns also zunächst einmal mit einem Gedicht zufrieden. Und ein Gedicht auf historische Weise zu hinterfragen und analysieren zu müssen, ja gar zu dürfen, ist beileibe eine Herausforderung. Aber auch über dichterisch verschlüsseltes Wissen über Germanien und seine Bewohner zu Zeiten der Varusschlacht verfügen zu können, ist uns höchst willkommen, erfordert aber ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Und Gefühle einzusetzen sind in der Historie wie auch bei der Bodenforschung bekanntlich keine harte und belastbare Währung. Aber auf der Suche nach der Erkenntnis sind wir auch gerne bereit beides mit einander verschmelzen zu lassen, wenn es uns denn zu einer besseren Einsicht verhilft. So ranken sich also viele Auslegungen um all das, was uns Ovid hinterließ und was uns gedankliche Freiräume eröffnet. Denn seine Dichtkunst gestattet es uns im frühen Morgentau unserer Geschichte einen ersten Blick auf das aus römischer Sicht tragisch verlaufene Ereignis in Ostwestfalen werfen zu können. Sich aber mit einem Ovid Gedicht zu befassen, ja geradezu befassen zu müssen, da wir uns mangels anderer Hinweise nur auf diesem Wege weiter vorwärts bewegen können ist ein heikles Unterfangen. Aber es zwingt uns die nüchterne Wissenschaft einmal mit der blumigen Dichtkunst verknüpfen zu müssen und es erfordert, dass wir uns schon fasst an die Grenzen historischer Belastbarkeit herantasten müssen. Eigentlich ein Unding für jeden seriösen Historiker. Das man in den antiken Zeiten das Unterhaltsame gegenüber dem Informativen bevorzugte, um die Menschen besser erreichen zu können, ist ein Wesensmerkmal der frühen historischen Literatur, aber in diesem Fall auch ein Rettungsanker zu dem wir gerne greifen, wenn wir mehr erfahren wollen. Aber wer war diese ominöse Gestalt auf die wir blicken können, nachdem sich die ersten Nebel lichteten. Ovid stünde demnach das literarische Urheberrecht zu sich posthum nicht nur als Dichter, sondern auch als Historiker bezeichnen zu dürfen. Denn hinter Gaius Julius Hyginus erkenne ich mehr den in seinen Tätigkeiten eingeschränkten Staatsbeamten, als den weltoffenen Historiker. Es könnte also Ovid gewesen sein, der uns noch vor allen anderen auf Basis der Informationen von Hyginus den Ersthinweis auf die Schlacht gab. Rein dichterisch beschrieb er die vermeintlichen Protagonisten und ließ sie in Schmach und Schande auftreten. Ovid überließ es letztlich der Nachwelt sich um eine einfühlsame Interpretation seiner Klagelieder, den Metamorphosen und die richtige Zuordnung in die Geschehnisse des Jahres 9 + zu bemühen. Es bestand selbst bei differenzierter Betrachtung eine Verbindungslinie zwischen Hyginus dem Bibliothekar aus Rom und seinem Freund dem Dichter Ovid in Constanta. Und wenn die Hyginus Depesche aus Rom sogar noch in der Endphase seines Lebens Ovid erreichte, so könnte Ovid diese immer noch genutzt haben. Und es spricht in der Tat sogar einiges dafür, dass Hyginus selbst im Jahre 10 + noch lebte. So gibt es bekanntlich Historiker die einer Anrede von Ovid an Hyginus im Jahre 10 + im Zusammenhang mit dem dritten Buch der Tristien meinen entnehmen zu können, dass sogar noch in diesem Jahr die Bibliothek unter der Leitung von Hyginus stand. Einer Bibliothek die in dieser Zeit aufgrund höherer Anweisung über keine Schriften des Ovid mehr verfügen durfte. Und auch wenn Hyginus selbst wie uns überliefert ist im Alter verarmte und um diese Zeit wohl auch nicht mehr im Dienst war, also nicht mehr seiner früheren Tätigkeit nach ging, so bedeutet dies nicht, dass er als Freund von Ovid diesen nicht immer noch auf schriftlichen Wege über die allgemeinen und aktuellen Ereignisse im Imperium informiert haben könnte. Und das natürlich zuvorderst in Dingen, die sich auf die Varusschlacht bezogen. Während man historischerseits Ovid dem Dichter, nur eine Art Randerscheinung im Wissen um das große Kräftemessen der Varusschlacht zubilligen möchte, so musste die Fachwelt auch nahezu zwangsläufig seinen bedeutungsvollen Hinweis zum Präludium bzw. zum Auftaktgeschehen der Schlacht übersehen. Denn eine auf den ersten Blick unscheinbare Notiz von Ovid, die sich auf den Tag bezogen haben könnte, als Varus sein erstes Marschlager bei Brakel verließ, erweckte meine Aufmerksamkeit. Eine kurze Botschaft die nur auffallen kann, wenn man den Verlauf der Varusschlacht wie ich es bereits in einem anderen Kapitel darstellte in einen fließenden und übergangslosen Zusammenhang bringen kann. Eben wie aus einem Guss sollte es sein und sollte sich wie eine Abfolge von Ereignissen nahtlos aneinander reihen. Es war eine brisante Meldung noch aus der Feder des Bibliothekars Gaius Julius Hyginus an Ovid. Eine mutige Zwischenmeldung, die Ovid riskanterweise unverschlüsselt in seiner Tristia verarbeitete und auf die ich im nächsten Abschnitt noch eingehen möchte. (7.9.2019)

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Freitag, 16. August 2019
Wer war der erste Historiograph der über die Varusschlacht berichtete
Es kommt einem historischen Suchspiel gleich zu versuchen der Frage nach zu gehen, auf welchen verschlungenen Pfaden die ersten Nachrichten aus dem Nethegau, also dem nassen, unteren oder niederen Gau zwischen Weser und Egge, den ersten lateinischen Historiker den ich suche erreichten, um ihn identifizieren zu können. Gaius Julius Hyginus der ehemalige Sklave in Diensten des Kaisers ist nicht der gesuchte Historiograph. Er war kein frei Schaffender, sondern ein besoldeter Bibliothekar, ein Angestellter, also ein Staats - bzw. ein Senatsbeamter und in ihm sehe ich eher ein Bindeglied zwischen den ersten Nachrichten die aus Germanien eintrafen und den frühen Historikern. Und das noch lange bevor Segestes sein Wissen über die Varusschlacht beisteuerte. Es gibt zwei Kandidaten dafür, aber nur einem von ihnen steht die literarische Urheberschaft zu an der Spitze jener zu stehen, die uns erstmals etwas zur Varusschlacht zu sagen hatten. Dieses waren wie uns überliefert ist, der Dichter Publius Ovidius Naso, eingekürzt Ovid genannt und der Astronom Marcus Manilius. Wenn auch letzlich sowohl die Quellen des Ovid als auch die des Manilius äußerst spärlich ausfielen, so kann man sie doch noch recht taufrisch der Anfangsphase zuordnen. Ich möchte mich mit beiden Personen beschäftigen, der Frage nachgehen was sie zum Thema „Varusschlacht“ beitragen könnten und die Unterschiede zwischen ihnen heraus stellen. Aber nicht nur allein um zu wissen, welchem von beiden Personen dieser erste Platz gebührt, sondern auch um heraus zu finden, wer uns von ihnen in Sachen Varusschlachtforschung und auf der Suche nach den Hintergründen die größten Dienste erweisen kann. So möchte ich mich zunächst langsam der Person des Dichters nähern, der aus meiner Sicht unbestritten der Favorit ist und dem das Privileg zu steht das historische Tor zur Varusschlacht als erster Literat mit historischen Ambitionen geöffnet zu haben. Aber bis wir so weit sind müssen wir uns zuerst nochmal tief zurück in die dunklen Geschehnisse um die Stunde „Null“ begeben. Was ging in Ostwestfalen im Herbst des Jahres 9 + vor sich, in einer Region in der erst seit kurzem die Waffen schwiegen und wo sich der Pulverdampf langsam verzogen hatte, wenn es ihn denn schon gegeben hätte. Eigentlich für die Zeit etwas völlig Banales was uns da erschaudern lässt. Menschen irrten verstört umher. Gingen von ihren Siedlungen zu den Schlachtfeldern trugen Gegenstände, beluden Karren, suchten in Gebüschen, stocherten im Schlachtengerümpel, fanden Brauchbares oder blickten einfach nur stumm zu Boden und erkannten tote blutverschmierte Verwandte oder Bekannte. Im Bereich der einstigen Kampfstätten in Wäldern oder Sümpfen roch die Luft noch nach dem verwesendem Fleisch toter Reit- oder Lastpferde. Über Tage entdeckten es die Aasvögeln und in den Nächten wurden die Reste von den Raubsäugern vertilgt, wenn diese sich aus ihren Verstecken trauten. Da man bekanntlich erst viele Jahre später die Knochen beisetzte muss auch menschlicher Verwesungsgestank hinzu gekommen sein. Sollten die Cherusker hinsichtlich ihrer Bestattungsriten von den Menschen der Jastorf – Kultur abstammen, so praktizierten sie ausschließlich die Verbrennung und die anschließende Urnenbeisetzung, sodass über allem auch noch der Geruch verbrannten Menschenfleisches lag. Der Bevölkerung stand in dieser Zeit nicht der Sinn nach Völker übergreifendem Nachrichtenaustausch und wer nach dem Schlachten auf germanischer Seite noch Kraft hatte und Willens war, der zog nach Aliso oder Anreppen und belagerte es. In Rheinnähe hatte man andere Sorgen. An der nunmehr plötzlich über Nacht entstandenen neuen römischen Reichsgrenze hatte man die Wachen auf den Türmen und Wällen verstärkt. Die Legionäre starrten rund um die Uhr übermüdet durch den herbstlichen Nebel auf die germanische Rheinseite und achteten auf alle Bewegungen. Der Stromverlauf des Rheins war nun deckungsgleich mit der neuen Grenze. Zutreffender wäre es wohl im Rhein in dieser Phase eine provisorische und natürliche Auffanglinie zu sehen. An der Egge waren die Menschen nach der Schlacht bemüht ein noch nie dagewesenes Ereignis bewältigen zu müssen. Dafür reichte ihr begrenztes Vorstellungsvermögen nicht mehr aus. Im fernen Rom wusste von alledem aus Ostwestfalen weder Kaiser noch Bibliothekar, noch Chronist etwas und man dachte noch freudig an den mühsam erkämpften Sieg der Legionen in Pannonien und Dalmatien. Aber die Überbringer der Schreckensnachricht saßen schon im Sattel. Ich möchte versuchen den Informationsablauf bzw. seinen Verlauf von den unmittelbaren Örtlichkeiten der Varusschlacht nach ihrem Ende bis zum ersten greifbaren Chronisten des Imperiums aufzuspüren um ihn dann Baustein artig rekonstruieren zu können. Der römische Senator Lucius Nonius Asprenas operierte mit seinen zwei Legionen zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung weit westlich im sicheren Abstand zum Schlachtgeschehen. So erreichte er unbeschadet und mit heiler Haut das Standlager bei Xanten. Er traf nun alle Schutzvorkehrungen und wies die Bereitschaftsstaffel der Meldereiter an, unverzüglich den Kaiser über das Desaster zu informieren. Dies war nun seine Aufgabe und erste Pflicht der er nach zu kommen hatte. Ein Befehl, den zu erteilen zweifellos nur einer hohen Person wie ihm an vorderster Position und nunmehr an der unmittelbaren Front zustand. Würden wir an diesem Punkt eine Zeitrechnung aufmachen und uns an einer Zurückrechnung von jenem 6. Oktober 0009 an versuchen, den uns der römische Schriftsteller und Verwaltungsbeamter Gaius Suetonius Tranquillus, der erst um 70 + zur Welt kam, als Datum für den berühmt gewordenen „Augustus Aufschrei“ hinterließ, würden wir sicherlich zu waghalsigen mathematischen Ergebnissen gelangen. Ich möchte es trotzdem einmal riskieren die damalige Lage zeitlich zu erfassen. Am 24.9.0009 einen Tag nach dem man an der Weser den Geburtstag des Kaisers gefeiert hatte, rückten die Legionen durch das Westtor des Sommerlagers in Richtung Lippe aus. Am Tag darauf, dem 25.09.0009 verließen Varus und seine Männer, alle noch unbeschadet das erste Marschlager bei Brakel nahe der Nethe. Am Folgetag, dem 26.09.0009 räumten die Legionen schwer ramponiert nach dem ersten Kampftag das halbfertige Gerichtslager. Und am 27.09.0009 machte sich die Rumpfmannschaft auf, ihr letztes Notlager noch vor dem Teutoburgiensi Saltu zu verlassen um durch die Eggeschlucht zu entkommen. Die Vala Kavallerie sabotierte bereits am 26.09.0009 oder 27.09.0009 und überließ die Legionen ihrem Schicksal. Etwa am 27.09.0009 traf die zurück strömende Kavallerie auf Asprenas, der von ihnen informiert wurde. Sodass sich folglich am 28.09.0009 frühestens die Meldereiter in Xanten auf den Weg ins etwa 1180 Kilometer Luftlinie entfernt gelegene Rom aufgemacht haben könnten. Spätestens im Verlauf des 6. Oktobers 0009, dem Tag der Verkündung der Niederlage durch Kaiser Augustus müsste der letzte reitende Bote in Rom eingetroffen sein. Demnach hätte die Reiterkette für diese 1180 Kilometer Wegstrecke insgesamt etwa 8 Tage und 8 Nächte benötigt. Das wäre in Anbetracht der Alpenüberquerung in der Tat eine beachtliche und respektable Zeit gewesen. Bei guten Wetterbedingungen, einem tauglichen Wegenetz, intakten Flussbrücken, einem schnellen Pferdewechsel, aber auch bei gut durch organisierter Vorabinformation mittels Fackeln bei Nacht und Rauchzeichen am Tage, ist es aber machbar. Bei veränderten Grundannahmen ließen sich zweifellos zusätzliche Tage errechnen und man hätte noch Luft nach oben. Basierend auf unserem Wissenstand, dass der Kopf des ermordeten Maximus Thrax von Aquileia bis nach Rom, was etwa einer Luftlinie von 500 Kilometern entspricht, bei ständigem Pferdewechsel in 4 Tagen bewältigt werden konnte, ließe sich auf dieser Basis auch die Depeschenzeit von Xanten nach Rom hoch rechnen bzw. bestätigen. Die geschätzte Zeitspanne von 8 – 9 Tagen von Xanten bis Rom ist folglich nicht unrealistisch. Aber was schrieb nun der Suffektkonsul Asprenas in der Hektik der Zeit an den Kaiser. Anders gefragt, was wusste der mögliche Mittelsmann bzw. Verbindungssekretär des Kaisers Gaius Julius Hyginus über den Inhalt dieser Nachricht und wie ging er mit diesen brisanten Informationen um. Hüllte er sich wie angenommen werden kann in vorsichtiges Schweigen oder wagte er es sein Wissen über die Interna der Varusschlacht, soweit sie ihm bekannt geworden sind, mit anderen Personen zu teilen. Alles was aus dem Eilbrief vom römischen Bollwerk an der Lippemündung an den Kaiser hervor ging konnte letztlich nur das sein, was die überlebenden Reiter der Vala Kavallerie Asprenas zu berichten wussten, als sie auf ihn trafen, denn sie dürften die Ersten und wohl auch die Einzigen gewesen sein, die Asprenas bzw. den Rhein in der ganz frühen Phase nach der Schlacht erreichten. Asprenas verfügte allerdings auch noch selbst über Wissen, dass er ebenfalls an Kaiser Augustus weiter geben konnte. Denn ihm gelang, vermutlich gewarnt durch die Vala Kavallerie noch ein rechtzeitiges Absetzmanöver über den Rhein, woraus man schließen kann, dass auch er in dieser Zeit dem Geschehen wenn auch weit genug, so doch noch relativ nahe stand. Asprenas könnten also noch die eine oder andere Information aus dem Strudel der Varusschlacht heraus, oder die Ereignisse unmittelbar danach erreicht haben. Vielleicht konnte er neben anderen Begebenheiten auch schon Näheres über das belagerte Kastell Aliso in seiner Depesche an den Kaiser erwähnt haben. Er könnte den Kaiser informiert haben, dass nun alle Besatzungen der römischen Lippekastelle isoliert auf sich gestellt waren und es zu ihnen keinen Kontakt mehr gab. Sie waren nun den Germanen ausgeliefert, wenn es ihnen nicht noch rechtzeitig gelang, die Flucht zu ergreifen. Es ist aber anzunehmen, dass er gegenüber dem Kaiser alles was er weiter gab, wie sein ureigenes Wissen darstellte, um seine Lorbeeren nicht teilen zu müssen. Er war aber Militarist genug und ihm war bewusst, dass der Kaiser vor allem an einem interessiert war, nämlich die Namen des, oder der Gegner und natürlich seines schärfsten Widersachers aus den Reihen der Cherusker zu kennen, mit dem er es in Germanien fortan zu tun haben würde und den es nun auszuschalten galt. Und dies war wie Asprenas schon wusste oder ihm berichtet wurde, der Sohn dieses Cheruskerfürsten. Den Kavalleristen zufolge stellte er sich völlig unerwartet mitten im Kampfgeschehen mit seinen Männern gegen die römischen Legionen. Sein möglicherweise schwer aussprechbarer germanischer Name war Ihnen allerdings nicht in Erinnerung geblieben nur der Name mit dem ihn die Legionäre riefen. Arminius oder Erminius. Er trat jedenfalls auf wie ein im Kampf erprobter Soldat, führte das Kommando und beherrschte von Stund an das Schlachtgeschehen auf germanischer Seite. Ein vielen bis dato noch relativ unbekannter Germane, da er erst seit dem Ende des Pannonienaufstandes, an dem er auf Seiten des Imperiums kämpfte im Jahre 8 + wieder bei seinem Volke weilte. Denn an der Niederschlagung des dalmatinischen Aufstandes bei dem Germanicus kein gutes Bild abgab, war er schon nicht mehr beteiligt. Dieser Ablauf ist denkbar und natürlich informierte Asprenas den Kaiser zuvorderst über den ultimativen Untergang der drei Legionen. Möglicherweise entsprach dies dem allgemeinen Wissensstand an dem Tag, als die Depesche von Asprenas in der Satteltasche eines schwitzenden Reiters den Palatin erreichte. Nachdem ich nicht ausschließe, in dem verschwiegenen Gaius Julius Hyginus den ersten Ansprechpartner sprich Aktenverwalter, Senatsschreiber oder Bibliothekar des Kaisers annehme gefunden zu haben, geht nun die Suche nach dem ersten Historiographen weiter, hinter dem sich wie ich denke der Dichter Ovid verbirgt. Also jener Mann, den ich als den ersten Historiker mit Bezügen zur Varusschlachtgeschichte identifiziere. Der Mann, der nach der berühmten Stunde Null, einen kleinen Teil seines Wissens mit uns geteilt haben könnte. Und noch bevor dies die uns bekannten und viel berühmter gewordenen klassischen Interpreten taten, die dafür aber um so häufiger zitiert werden. Auch wenn seine Zeilen rein persönlicher Natur waren und es sein Ziel war sich damit eigene Vorteile zu verschaffen, so besaßen seine Worte doch historisches Gewicht. Es ist, will man in die Historie eintauchen immer hilfreich sich ganz unbedarft etwas zu vergeistigen, sich zurück zu besinnen und sich dem Nichtwissen zu stellen. In unserem Fall würde es bedeuten, unsere Kenntnis von Personen wie Florus, Tacitus und Cassius Dio auszublenden, oder besser noch, sie gar nicht kennen also von ihrer Existenz auch nichts wissen zu wollen. Wir klammern also die vorhandenen Literaturkenntnisse über sie etwas aus, denn alle haben im Jahre 9 + als Ovid schon schrieb, noch gar nicht gelebt und versetzen uns in die Zeit als Kaiser Augustus die Nachricht aus Vetera auf den Tisch bekam. Denn im Zuge einer chronologischen Aufarbeitung kommt es immer wieder vor, dass wir mit voraus eilendem Wissen belastet sind, dass unsere Altvorderen zum Zeitpunkt der Geschehnisse noch gar nicht hatten, womit wir uns selbst aber beim Blick zurück die Neutralität rauben. So rief Kaiser Augustus möglicherweise außer seiner Frau Livia Drusilla auch seine Vertrauten, unter anderem besagten Gaius Julius Hyginus hinzu. Denn der Mann des Anbeginns war mehr, als nur der Hüter angestaubter Akten. Der frühe Mitwisser der ersten Stunden und frei gelassene Sklave musste ein belesener Mann und ein besonderer Mensch gewesen sein. Möglicherweise war er auch der Verfasser der mythographischen Handbücher.  Sie behandeln und beinhalten einen großen Sagenkreis der griechischen Antike der unter dem Namen "Fabulae" bekannt geworden ist. Da man sich von wissenschaftlicher Seite her aber nicht sicher ist, nennt man den Verfasser auch nicht Gaius Julius Hyginus, sondern nennt ihn "Hyginus Mythographus". Das aber Gaius Julius Hyginus möglicherweise mit dem Verfasser der "Fabulae" identisch sein könnte, also selbst "Hyginus Mythographus" ist, belegt eventuell die Wiedergabe der Sage des armen Jägers Aktaion den seine Jagdhunde zerfleischten, als man ihn zur Strafe in einen Hirsch verwandelte, weil er der Jagdgöttin Diana nackt beim Baden zuschaute. Denn "Hyginus Mythographus" hinter dem man Gaius Julius Hyginus sehen kann, als auch die Metamorphosen seines Zeitgenossen, dem Dichter Ovid stimmen im Wesentlichen überein, was für die Identität der beiden Hyginus Gestalten hinweisgebend sein kann. Und dieser Gaius Julius Hyginus war nun wie man weiß, auch mit dem Dichter Ovid befreundet. Ovid der in seinen Metamorphosen kein gutes Haar an den Göttern ließ, was den Ärger von Augustus über ihn ausgelöst haben könnte und ihn in der Verbannung enden ließ. Auf diesem Wege ließe sich eine wichtige Kommunikationsschiene zwischen diesen zwei Männern herstellen bzw. bestätigen die auch aus lyrischer Sicht betrachtet gemeinsame Interessen hatten und sich nahe standen. Gaius Julius Hyginus könnte also wie viele Römer seiner Zeit auch, einen besonderen „faible“ bzw. „Fabulae“ für die griechische Antike gehabt und sich in diesem Punkt mit dem Dichter Ovid die Hand gereicht haben. So wird erkennbar, dass es zwischen Gaius Iulius Hyginus und Publius OVIDius Naso eine besondere Beziehung gegeben haben könnte. Ein ehemaliger Sklave und ein vom Kaiser in die Verbannung geschickter Dichter. Diese Verbindung vielleicht sogar Seelenverwandtschaft könnte erklären helfen, wie Ovid in Constanta an die Nachrichten aus Rom kam. Und der bereits gealterte Hyginus könnte seinem Freund Ovid mit der Information zur Varusschlacht nochmal einen, vielleicht sogar letzten Dienst erwiesen haben, in dem er ihm die Möglichkeit gab diese Nachricht für sich zu nutzen. Hyginus leitete bekanntermaßen auf Weisung von Kaiser Augustus die Bibliothek auf dem Palatin, wo das erste Wissen zur Varusschlacht zusammen getragen wurde und man die schriftlichen Zeugnisse aufbewahrte. Er war nicht zuständig für die Bibliothek der Octavia. Die palatinische Bibliothek war die bedeutungsvollere von beiden.Sie lag in der Nähe der Residenz des Kaisers und er soll sie im Alter auch für Senatssitzungen genutzt haben. Das könnte passen und wäre eine plausible Erklärung. Allerdings immer nur unter der Voraussetzung, dass Hyginus im Herbst des Jahres 9 +, nach dem Eintreffen der bösen Nachrichten aus Germanien noch lebte. Und das wären noch 5 Jahre nach dem sich seine historischen Spuren verliefen. Ich schließe es aber nicht aus, dass Hyginus noch imstande gewesen sein könnte sein wissen an Ovid weiterzugeben, denn sich verlaufende literarische Spuren müssen nicht unbedingt gleich bedeutend mit dem Ableben eines Menschen sein. Aber die Stimmung in Rom an diesem 6. Oktober 0009 und danach, war hoch explosiv und Kaiser Augustus musste in dieser angespannten Lage extrem umsichtig handeln. Gaius Iulius Hyginus war ein vom Kaiser persönlich freigelassener Sklave und ihm infolgedessen absolut loyal und treu ergeben und das wohl bis zur sprichwörtlichen Hörigkeit. So wird er sich auch in Bezug auf die Varusschlacht solange vorsichtig zurück gehalten haben bzw. haben müssen, bis Kaiser Augustus nach einer gewissen Karenzzeit alle wieder etwas aufatmen ließ, da die Lage in Germanien und in der Stadt Rom ruhig blieb. So konnte er die engen Zügel nach einer Phase der Unruhe, des Abwartens und auch einer allgemeinen Trauer und Verwirrung wieder lockern. Aber während dieser kritischen Übergangszeit könnte man sich die Vorgehensweise und Methodik einer offiziellen palatinischen Nachrichtensperre vorstellen. Sie dauerte solange an, bis sich Kaiser Augustus völlig sicher war, dass im Volke keine Unruhen ausbrechen würden und die Germanen im Siegestaumel der gewonnenen Varusschlacht keine Absicht erkennen ließen, den Rhein zu überschreiten. Dies lässt uns auch noch mal ein Auge auf die Niederrheinfront werfen. Denn bei den verkniffenen Blicken der Wachsoldaten von Vetera ins Lippetal und damit ins bedrohliche Germanenland wird es nicht geblieben sein, denn man erwartete bzw. befürchtete auf kurz oder lang Angriffe aus dem Osten. Vorsichtig agierende Reiter Spähtrupps im Auftrag von Asprenas werden in der Zeit den rechtsrheinischen Grenzstreifen durchkämmt haben um mögliche Annäherungen im „sieben Meilen“ Korridor rechtzeitig erkennen zu können, denn Tiberius brauchte noch seine Zeit bis er Xanten erreichte um für mehr Sicherheit zu sorgen. Das man in Vetera I zu allen Zeiten über berittene Einheiten verfügte, dürfte unstrittig sein, trotzdem sind Bodenfunde eine Bereicherung, wenn ihr Vorhandensein dadurch bestätigt werden kann. Denn die Existenz einer Turma, also der kleinsten Reitereinheit ließ sich anhand einer Mühlsteinbeschriftung für das Altkastell Vetera I nachweisen, dass schon existierte bevor Varus Germanien betrat. Der Wermutstropfen besteht allerdings in der Tatsache, das Vetera I bis etwa 70 + genutzt wurde, der Mühlsteinfund also auch noch weit nach dem Jahre 9 + in den Boden gelangt sein könnte. Diesem nüchternen Hinweis Beachtung zu schenken halte ich in Anbetracht vieler vorzeitiger Festlegungen für angebracht. Denn Schwächen in der Datierung helfen keiner Schlachtenforschung weiter, sie können allenfalls dienlich sein, um sie zur Verhärtung von Wahrscheinlichkeitstheorien heran zu ziehen. Kaiser Augustus wird eine Rückdepesche nach Vetera I veranlasst haben, die aus diversen Anweisungen bestand. So auch dem ultimativen Befehl ihm alle wichtigen Bewegungen und wesentlichen Ereignisse an der Front sofort zu vermelden und er wird auch bereits angeordnet haben, dass weitere rückwärtig stationierte gallische Truppenkontingente näher an die Rheingrenze rücken sollten. Noch am gleichen Tag, dem 6. Oktober 0009 also nur etwa spekulative 9 Tage nach dem Ende der Varusschlacht wäre es demnach ein Unding für den Kaiser in Rom gewesen, bereits zur Tagesordnung über zu gehen. Im Gegenteil, denn nun war erst einmal die Zeit angebrochen in der er alle Register zu ziehen hatte, damit sich die Lage nicht auch noch innenpolitisch unnötig verschärfte. Und Kaiser Augustus handelte. So wendete er äußerst drastische Mittel an, setzte sie also unmittelbar ein, als er vom Untergang der drei Legionen erfuhr. Er ergriff alles in seiner Macht stehende und musste es auch tun um Herr der Lage zu bleiben und die Risiken in Italien nach der Schlacht klein zu halten. Kein Statthalter in allen römischen Provinzen wurde nach Bekanntwerden der Niederlage turnusmäßig abgelöst, alle blieben bis auf Weiteres in ihren Ämtern und Positionen. Eine Maßnahme wie sie auch noch heute ergriffen wird, stünde man am Rande eines Flächenkrieges. Denn dann fänden auch keine Neuwahlen statt. Er hielt es sogar für nötig in Rom sein eigenes Volk zu bewachen um möglichen Aufruhr im Keim ersticken zu können. Und auch das kennen noch ältere Generationen in Form von Ausgangssperren. Er veranlasste militärische Zwangsaushebungen, wobei sogar Sklaven rekrutiert wurden. Noch im letzten Jahrhundert nannte man es in Deutschland Strafbatallion bzw. es kam dem sehr nahe. Er versprach den Göttern große Feierlichkeiten abzuhalten, wenn sie denn nur weiterhin auf Seiten Roms bleiben würden. Und auch das hatte es in Deutschland schon gegeben, wenn in Notzeiten von der Kanzel höherer Beistand erfleht wurde. Und er verwies aus Angst vor den Germanen einschließlich seiner eigenen germanischen Leibwache alle Germanen aus Rom. An Orte wo man ihr Verhalten besonders im Auge behielt und was heute unter dem Namen Internierungslager bekannt ist, solange bis die Gefahr gebannt war. Wer zu solch drakonischen Maßnahmen greift, dem musste das Wasser bis zum Hals gestanden haben und dem war jedes Mittel recht, dem Druck mit geigneneten Mitteln entgegen zu treten bzw. ihm auf geeignete Weise zu begegnen. Da war es nur selbstverständlich, dass über das Ereignis in Ostwestfalen für eine Zeit die Decke des Schweigens ausgebreitet werden musste. Ein Gaius Julius Hyginus hätte in dieser Phase nicht im Traum daran gedacht auch nur ein Sterbenswort über die Gefahrenlage gegenüber wem auch immer, verlauten zu lassen. Das Imperium stand unter Schock und bei dieser Stimmungslage hätte ein Funke Wahrheit bereits zum allgemeinen Chaos führen können. Denn wenn sich herum gesprochen hätte, wie leicht sich in Germanien in wenigen Tagen drei der besten Legionen des Reiches vernichten ließen, hätte das Volk schnell am Kaiser und seinen Entscheidungen zweifeln können. Und vergessen wir nicht, dass die Revolten des Pannonien und Dalmatien Krieges dem römischen Staat noch in den Knochen steckten und Kaiser Augustus noch im Frühsommer 9 + alle Register der Notfallplanung ziehen musste, um das Feuer dieses Krieges austreten zu können und um sein Volk nicht verhungern zu lassen. Nach der Nachricht aus Ostwestfalen wird sich auch eine diplomatische Hektik im Palatin darüber entfaltet haben, wann denn der geeignete Zeitpunkt wäre, um nun auch das Volk von Rom mit der bitteren Wahrheit zu konfrontieren. Tiberius könnte es an der dalmatischen Küste zeitgleich zum Kaiser bzw. sogar noch etwas früher erfahren haben. Wir können daraus die besondere Dramatik der Stunden im Herbst des Jahres 9 + ableiten. Und wir können uns gut vorstellen, dass alles in eine „Schrecksekunde“ für den ganzen römischen Staat führte. Doch wie stellte sich die militärische Lage im Reich nach der Hiobsbotschaft. Mussten schon für den Pannonienaufstand alle militärischen Kräfte heran gezogen werden, stand dem Imperium nun in kürzester Zeit eine zweite gewaltige Kraftanstregung bevor. Denn auch die Zahl der Legionen war nicht unerschöpflich. Die Legionen auf dem Nordbalkan waren unmittelbar nach dem letzten Panonnieneinsatz noch ungeordnet, abgekämpft vor allem aber nicht mehr in Kampfstärke. Sie lagen immer noch in Grenznähe zu Dalamatien und viele unter Sold stehende Auxiliareinheiten verbündeter Völker oder Stämme hatte man schon in ihre Heimatgebiete entlassen, als urplötzlich die Katastrophennachricht aus dem Nethegau in Rom eintraf. Varus lebte nicht mehr, seine drei Legionen hatte der Boden verschluckt, die Verteidigung war bis auf die zwei Restlegionen von Asprenas und die Kastellbesatzungen an Rhein und Lippe zusammen gebrochen. Nach und nach wurden von den Römern alle römischen Anlagen rechts des Rheins aufgegeben bevor sie überrannt wurden. An den römischen Grenzen im Norden und Osten standen folglich die Einfalltore für weitere Feindvölker einer Einladung gleich, weit geöffnet. Im Jahr 9 + musste Kaiser Augustus wieder einmal eine seiner vielen Bewährungsproben die er schon vor und während seiner Amtszeit zu bestehen hatte durchstehen, dieses mal vielleicht die Gefährlichste die er durch litt. Es muß ihn tief getroffen haben, denn fortan soll er der Überlieferung nach den Jahrestag der Varusniederlage mit Schweigen und Fasten verbracht haben. Kurz gesagt, wer damals in dieser spannungsgeladenen Atmosphäre zu früh Details über die Varusschlacht verbreitete, der beging Hochverrat und lebte dementsprechend gefährlich. Und wer dann obendrein noch Informationen in die Grenzgebiete beispielsweise in die Schwarzmeerregion bzw. den südlichen Balkan weiter gab, den traf die doppelte Schuld. Denn er ermunterte damit auch die entfernten Feinde Roms das Imperium anzugreifen. In der Mittelmeeregion bei den Grenzvölkern, und wo der Pannonienaufstand noch in frischer Erinnerung war oder bei den Parthern konnte sich die Lage urplötzlich ebenfalls zuspitzen. Man hätte sie alle mit derartiger Zurschaustellung der Schwäche und Unvorsichtigkeit erst auf die desolate Instabilität des römisches Staates aufmerksam gemacht, sie politisch gestärkt und militärisch ermuntert. Die Varusschlacht nahm somit bereits, wir würden heute sagen, globale außenpolitische Dimensionen an und hatte Konsequenzen die sich im ganzen Imperium bemerkbar machten. So waren alle Mitwisser bis auf Weiteres zum Schweigen verdammt und wehe dem, der dagegen verstieß. Wobei wir wieder beim Thema Briefkontakt zwischen Hyginus und Ovid wären. Voraus gesetzt Hyginus wäre überhaupt das hohe Risiko eingegangen die brisanten Informationen die er zur Varusschlacht hatte in dieser Zeit an Ovid weiter zu geben, so wird er sorgsam darauf geachtet haben, dass er sich mit diesen Nachrichten nicht selbst in Gefahr begab. Er wird sich also in der Wortwahl überaus vorsichtig ausgedrückt haben. Er war ohne dies im tiefen Zwiespalt. Denn auf der einen Seite stand seine Freundschaft zu Ovid und auf der anderen die uneingeschränkte Loyalität dem Kaiser gegenüber. Das gleiche Risiko ging wiederum Ovid ein, wenn er diese heiklen Informationen in seinen Metamorphosen genannten Klagelieder ungeschminkt hätte verarbeiten bzw. verwenden wollen. Hyginus musste also als Informant unkenntlich bleiben und genau so musste Ovid seine Zeilen sorgfältig abwägen um keine Spur auf seinen Freund Hyginus zu lenken. Für einen Dichter dürfte dies allerdings kein Problem gewesen sein. So gerieten zum einen zwangsläufig die Informationen von Hyginus an Ovid zu verschlüsselten Botschaften und ebenso verkleidete sie Ovid, in dem er sie nur in Gedichtform nieder schrieb um Hyginus nicht in Gefahr zu bringen. Trotzdem musste es Ovid gelingen dem Kaiser Augustus gegenüber seine Unterwürfigkeit und Loyalität zu signalisieren um sich auf diese Weise seine Tür zur Rückkehr nach Rom offen zu halten. Schließlich war es sein Ziel und seine Absicht, dass Augustus von seinen tristen Lebensumständen erfuhr, auch wenn es nur über Umwege möglich war, an ihn heran zu kommen. Was also schrieb ihm Hyginus und wie textete es Ovid um. Dies alles könnte somit erklären, warum wir bei Ovid einige interessante Kernaussagen zur Varusschlacht vermissen, über die Hyginus bereits informiert gewesen sein könnte, Hyginus es aber nicht riskierte sie im Brief an Ovid offen zu erwähnen. Und somit etwas oberflächlich und vage blieb. So bleibt Gaius Iulius Hyginus für uns der „Ghost Rider“ schlechthin, den wir was das rein Informative anbelangt im Gegensatz zu Ovid nicht greifen können, denn wir können nur rätseln was aus seinen Zeilen hervorging. Und so verharren wir an dieser Stelle in einer frühen Stufe der Aufarbeitung und nähern uns langsam dem an, was Ovid aus alledem machte. Es bleibt aber die Tatsache, dass Ovid ein Dichter war, der sich hier unter den frühen Schreiberlingen wieder findet und der sich bis dato keinen Namen als Historiker gemacht hat, was aber für die Zeit nicht unüblich war. So könnte dies aber auch bezeichnend für die Informations- und Nachrichtensperre jener Zeit gewesen sein und lässt den Eindruck entstehen, dass die frühe Berichterstattung aufgrund einer palatinischen Schweigepflicht nur in die Hände unverfänglicher Nichthistorikern gelegt war. Es erinnert dabei etwas an die Hofsitten des deutschen Mittelalters, wo auch nur die Narren ungestraft die Wahrheit aussprechen durften. Offiziell autorisierte Quellen aus der Zeit zwischen dem Jahr 9 + und dem Jahr 17 + über die Varusschlacht sind uns keine bekannt geworden und auch was nach 17 + Strabon oder Paterculus schrieben war nicht gleichbedeutend mit autorisiert. Das lässt die Frage zu, ob es diese „Staatsquellen“ überhaupt gegeben hat oder alles unter Verschluss gehalten wurde. Vielleicht wünschen wir uns auch nur eine offizielle Verlautbarung, weil wir es heute so kennen, was aber die damalige Zeit gar nicht praktizierte. Denn auch Hyginus war keine offizielle Quelle sondern wenn, dann eher eine verdeckte konspirative, die wir heute vielleicht einen „Whistleblower“ nennen würden. Es gab in dieser Anfangsphase sicherlich einen handverlesenen Kreis an Augustus nahestehenden Personen, der ohne großes Aufsehen zu erzeugen nur für ihn recherchieren und forschen durfte und der ihm direkt unterstand. Der anfänglich auch nicht viel Schriftliches produzierte oder dokumentierte und der Informationen nur mündlich weiter geben durfte. Hyginus könnte möglicherweise einer aus diesem erlauchten Kreise gewesen sein. Da uns nichts anderes bekannt ist, müssen wir es zumindest annehmen dürfen, auch wenn wir es nicht so recht glauben wollen, es sich etwas utopisch anhört und nach einem antiken Geheimdienst klingt. Aber auch das müssen wir in Erwägung ziehen, denn Fälle von Totschlag oder Vergiftung waren dem antiken Rom nicht fremd und forderten Maßnahmen der Vorkehrung. Und wer sich am Kaiserpalast von einer diskreten aber schützenden Gruppe an Schwertträgern umgeben ließ und gut protegierte Informanten auf der „Gehaltsliste“ hatte, der durfte sich auch damals schon sicherer gefühlt haben. Kaiser Augustus wird da keine Ausnahme gemacht haben. Aber den ersten Historiographen zur Varusschlacht halte ich nun für identifiziert und dieser Dichter Ovid hält auch noch einige Überraschungen für uns bereit.( 16.8.2019)

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Samstag, 3. August 2019
Wen der letzte Stafettenreiter mit der Depesche aus Vetera I in Rom aufsuchte ist unstrittig - aber wer leitete die palatinische „Pressestelle“
Natürlich war es Kaiser Augustus dem die Depesche vom Niederhein galt, die vermutlich die Handschrift von Asprenas trug, nach dem man sie möglicherweise zuerst seiner germanischen Leibwache aushändigte. Den Senat hatte er weitgehend lahm gelegt, so dass die Zahl seiner Freunde und Berater aus diesen Kreisen überschaubarer geworden ist. Mögliche Vertraute wie Statthalter, Konsuln oder Prokonsuln, etwa Publius Cornelius Dolabella weilten in ihren Provinzen. Aber seine Frau Livia Drusilla wird ihm zur Seite gestanden haben, als er die heikle Depesche las. Die Atmosphäre muss angespannt und bedrückend gewesen sein, denn in derartigen Momenten sind auch nahe stehende Menschen dünn gesät. Aber es gab sie zweifellos, die Person die von diesem Moment an die wichtige Funktion hatte eine Art Stabsstelle „Varusschlacht“ zu leiten und bei der die wenigen Informationen in der frühesten Phase aus dem Norden zusammen liefen. Ein Bindeglied ähnlich einer Schnitt- oder Schaltstelle zwischen dem Kaiser und den Historiographen. Diese dramatische Szenerie der Depeschenübergabe originalgetreu nachzustellen möchte ich den Regisseuren aus Hollywood überlassen. Wir kennen nicht die Tages – oder Nachtstunde, wann die Nachricht eintraf, können uns aber in etwa in diesen Augenblick hinein denken. Die Stunde Null nenne ich jene Phase in der unwiderruflich fest stand, dass es an der Niederlage der drei Legionen nichts mehr zu rütteln gab. Der abgeschlagene Kopf des Feldherrn Varus war für alle das ultimative Zeichen für das Ende der Kampfaktivitäten gleich zu setzen mit einer Kapitulation. Die Ereignisse überschlugen sich und Segestes musste sich als er davon erfuhr mit dem Resultat abfinden, dass es ihm nicht gelungen war, die Schlacht in der uns überlieferten Version abzuwenden. So hatte er nun seine Mühe damit, die gerade abrupt zu Ende gegangene „Ära Varus“ erst einmal verdauen zu müssen. Er tat dies vermutlich ratsamerweise in selbst gewählter Abgeschiedenheit und der nötigen Distanz. Sein Wissen um die Schlacht sollte aber die römische Geschichtsschreibung erst viele Jahre später befruchten helfen, nachdem er vermutlich im Jahre 16 + ins dortige Exil gelangte. In unserem Fall war es aber auch der „D - Day“ für ein fiktiv gesetztes Eckdatum, dass für das Ende der Schlacht im Herbst des Jahres 0009 steht. Aber diese Stunde Null war auch die Zeit, als man in Rom noch keinen blassen Schimmer vom Desaster in Ostwestfalen hatte und auch die zahlreichen Meldereiter in den Pferdewechsel – Stationen, den Taberna an der Strecke zwischen Niederrhein und Tivoli ihr Schicksal noch nicht ahnen konnten, in Bälde mit mörderischem Tempo eine der wichtigsten Botschaften der Zeit an Kaiser Augustus zu überbringen. Als dann die Nachricht Rom endlich erreichte, war für lange Zeit nichts mehr so wie vorher. Jetzt war beim Kaiser und ich möchte ihn mal „Marionetten“ - Senat nennen, nüchternes Denken gefragt und Aktionismus fehl am Platz. Aber uns interessiert hier mehr, wo sich um diese Zeit die frühesten und ersten römischen Historiographen befanden, oder wo wir sie suchen müssten. Die Gelehrten jener Zeit, deren Aufgabe es gewesen wäre, die Details dieser Schlacht von dem Moment an wo sie davon erfuhren, zu recherchieren und zu erforschen, sie nieder zu schreiben, zu archivieren um sie für die Nachwelt zu konservieren. Und wer war dieser Mann oder waren diese Männer. Anders gefragt, lässt sich überhaupt der allererste antike Historiker noch nach Jahrtausenden namentlich greifen, dem die Aufgabe zustand und der das Privileg besaß, das erste Wort über die Varusschlacht auf eine bis dato noch weiße Papyrirolle zu schreiben. Es sollte ein Mann gewesen sein, der Kaiser Augustus sehr nahe stand, denn er müsste als Zuhörer in den Genuss der ersten schriftlichen Quellen und möglichen Aussagen gekommen sein. Die erste Quelle waren zweifellos nicht die Worte des letzten Meldereiters, sondern sie bestand aus dem Inhalt der Depesche aus Xanten, die in Rekordgeschwindigkeit die Alpen passiert hatte. Lucius Nonius Asprenas der amtierende Suffektkonsul wird sie als ranghöchster Römer in Nordgermanien abgefasst haben. Wie umfassend sie ausfiel entzieht sich unserer Kenntnis, aber sie muss bedrohlich geklungen haben. Ausführlich und detailliert wird sie noch nicht gewesen sein, aber das Wesentliche dürfte aus ihr hervor gegangen sein, damit der Kaiser die nötigen Entscheidungen treffen konnte. Man kann sie sich in etwa vielleicht wie im Telegrammstil formuliert vorstellen. So wird man über dieser Nachricht in Rom zunächst einmal gebrütet haben um sich darauf basierend eine Vorstellung zum Geschehenen machen zu können. Sie war unmissverständlich deutlich, da Kaiser Augustus unmittelbar danach seinen Feldherrn Tiberius mit der Aufgabe betraute nach Germanien zu reiten um Asprenas zu unterstützen bzw. die Führung zu übernehmen. Auch der Mann den wir suchen wird dieses Schriftstück möglicherweise in der Hand gehalten haben. Ein Schriftstück über deren Besitz sich heute jedes Museum der Welt glücklich schätzen dürfte, wenn es denn noch existieren würde. Aber ab wann unser Mann die Depesche nicht nur lesen durfte, sondern auch das ihm später zu Ohren kommende auch nieder schreiben durfte wird sicherlich mit einer Zustimmung des Kaisers verbunden gewesen sein. Denn der Kaiser hatte das Recht über den Zeitpunkt zu entscheiden, wann in Rom etwas Nachhaltiges über die Varusschlacht zu Papier gebracht werden durfte. Denn es war unstrittig, dass diese Geschehnisse unweigerlich auch einen dunklen Schatten auf seinen Tatenbericht die „Res gestae“ werfen würden, dem übrigens nichts über die Varusschlacht zu entnehmen ist. Der 6. Oktober 0009 war das uns vom römischen Schriftsteller Gaius Suetonius Tranquillus Sueton viele Jahre danach offiziell überlieferte Datum an dem Kaiser Augustus die bittere Niederlage in leicht theatralisch anmutender Weise verkündete. Ob ihn die Nachricht aus Germanien auch an dem Tag erreichte, an dem er sie verkündete, lässt sich nicht mehr ergründen. Aber anhand des gesamten Kontextes gerechnet ab der möglichen Ausbruchzeit der Schlacht, dem Zeitbedarf für die mehrtägigen Kämpfe, der Nachrichtenüberbringung ins nächste Rheinkastell und dem späteren Stafettenritt nach Rom könnte man davon ausgehen. Unbekannt ist auch, ob Kaiser Augustus dieses Wissen am 6.10.0009 zunächst nur im kleineren Kreis verbreitete, oder ob er es bereits dem ganzen Volk zum Beispiel via „Acta diurna“ also der damaligen römischen Tages- oder Wochenzeitung mitteilte. Er muss es jedenfalls alles und das vermutlich auch unter leichtem Schock stehend, relativ zeitnah getan haben, nachdem er die Nachricht aus Germanien empfing. Es durfte also erst ab diesem 6. Oktober mehr oder weniger offiziell in der römischen Welt über diese verheerende Niederlage gesprochen werden. Man könnte aber annehmen, dass Kaiser Augustus so kurz also unmittelbar nach dem Eintreffen der Hiobsbotschaft aus Germanien, diese am 6. Oktober noch nicht sofort und umgehend in die Welt hinaus posaunt hat. Er dürfte sie zunächst, um sich mit der neuen Lage im Reich auseinander zu setzen, für sich und wenige Eingeweihte zurück gehalten und aus Sicherheitsgründen ein befristetes Schweigegebot erlassen haben. So wie es jeder Staatsmann in seiner Situation auch heute noch getan hätte. Aber lange ließ sich die Nachricht damals nicht zurück halten, denn Tapetentüren sind dünn und Mitwisser zahlreich, so dass er sich zum Handeln gezwungen sah. Denn einmal bekannt geworden, flackerte die Unruhe nun überall in der Stadt auf. Hastig und hektisch rief man sich in den Straßen der Hauptstadt verängstigt die Fragen zu und es grassierten die ersten Horrorszenarien bevorstehender Germaneneinfälle. Der Mann der den Auftrag hatte und dem auch die Aufgabe zustand nicht nur die frohen Nachrichten aus dem gesamten Imperium für die Nachwelt zu erhalten, sondern der auch das Ungute aufbereiten musste, kennen wir nicht bzw. können ihn nicht sicher benennen. So gilt es natürlich als erstes einer Überlegung bzw. Frage nachzugehen, welcher Historiker dies gewesen sein könnte. Ein Mann der nach dieser Stunde Null, als Rom noch den Atem anhielt in der Hauptstadt lebte, zu den Handverlesenen und Privilegierten des Kaisers zählte und sich dieser Tätigkeit widmen durfte. Er sollte schon ein Alter erreicht haben, in dem man Gewissenhaft derart elementare historische Ereignisse in seiner ganzen Dimension erfassen konnte und darüber schreiben durfte, also das volle Vertrauen des Kaisers genoss. Makel oder kritische Äußerungen an achtbaren römischen Feldherren, Politikern und sonstigen Aristokraten in diesem Zusammenhang musste dieser selbstredend und tunlichst in jeglicher Hinsicht unterlassen. Lediglich der Person des Varus, dem Sündenbock, der sich nicht mehr verteidigen konnte, durften ungestraft die Leviten gelesen werden. Der gesuchte Mann zählte nicht zur Riege all derer Historiographen die noch auf ihn folgen sollten. Er war der Hofberichterstatter und hatte anderen Direktiven zu folgen. Anweisungen die der Kaiser erließ und die keinen Widerspruch duldeten. Aber genau diese Abhängigkeit bereitete vielen Gelehrten, Biographen, Historikern, Chronisten oder Geschichtsschreibern wie sie genannt werden, die sich in späterer Zeit mit der Varusschlacht befassten Probleme. Denn viele von ihnen sahen sich genötigt, noch bevor sie zur Feder griffen dem Leser glaubhaft zu versichern, dass sie sich völlig unbeeindruckt, heute würde man sagen überparteilich und von politischen Strömungen unabhängig ihrem Werk widmen werden. Sich also neutral sachlich und nicht beschönigend mit ihrem Werk auseinandersetzen würden. Auf Tacitus zurück geht die Aussage “sine ira et studiou“, aber auch die Überlieferung „sine gratia aut ambitione“ trifft die Zielrichtung. Unser Mann sollte schon eine Verhaltensweise an den Tag gelegt haben, wie wir sie auch heute im Obrigkeitsverhalten bzw. im Dienstverhältnis vieler abhängig Beschäftigter in den modernen Staatsformen wieder finden, denn er musste in etwa schon die Qualitäten eines frühen Regierungssprechers auf sich vereinen und durfte daher nur das Genehme verlauten lassen. Einen dieser Historiker in unserem Fall kann es auch ein Bibliothekar gewesen sein, kennen wir möglicherweise. Er gelangte vermutlich als Kriegsgefangener oder Sklave schon zu Cäsars Zeiten nach Rom und war ein Erzieher der Urenkel von Kaiser Augustus, was ihn schon fasst zu einem kaiserlichen Familienmitglied machte und ihn stark mit dem Kaiserhaus verband. Kaiser Augustus entließ ihn sogar später aus dem Sklavenstand, woraufhin dieser dann aus Dankbarkeit den kaiserlichen Vornamen, nämlich Gaius Julius annahm. Sein kompletter Name lautete Gaius Julius Hyginus und er darf nicht mit Pseudo Hygin verwechselt werden. Um 6o – kam er zur Welt. Sein Todesdatum ist unbekannt, es soll aber wann auch immer nach dem Jahre 4 + gelegen haben. Kaiser Augustus setzte ihn im Jahre 28 - als Leiter seiner zweiten öffentlichen Bibliothek ein, die unterteilt war in einen lateinischen und einen griechischen Bereich. Ab wann er diese Funktion dann aus Altersgründen nicht mehr inne hatte und aus dem Amt schied ist nicht bekannt. Aber er wird seine Schüler eingearbeitet haben. Man schlussfolgert auf Basis dessen, was sich teilweise aus den Überlieferungen ableiten lässt, dass er um das Jahr 9 + noch als Bibliothekar und das hoch betagt im Dienst gewesen sein könnte. Es könnte aber auch schon einen offiziellen Nachfolger in der Palatinischen Bibliothek für ihn gegeben haben, als die Varusschlacht statt fand. Von der Schlacht und ihrem Ausgang könnte er also, ob im Amt oder nicht, noch im Alter erfahren haben. Der Überlieferung nach soll er als Greis verarmt verstorben sein, wobei es für die Verarmung auch einen Grund gegeben haben könnte. Aber Gaius Julius Hyginus könnte, ja müsste fasst schon einer jener mysteriösen Personen, wenn nicht sogar die eine Person gewesen sein, bei der die ersten Erkenntnisse über die Asprenas Depesche hinaus, also die weiteren Informationen über die Varusschlacht zusammen geflossen sein könnten bzw. er in vieles Einblick nehmen konnte was aus Germanien den Weg nach Rom fand. Hinweise von wem und wie auch immer sie nach Rom gelangt sein könnten und das gilt auch für die Nachrichten aus dem Markomannenreich als von dort das Haupt des Varus an Kaiser Augustus weiter geleitet wurde. Natürlich immer voraus gesetzt, dass Hyginus 9 + noch lebte, noch als Bibliothekar tätig war oder zumindest noch Kontakte zur Bibliothek und zu seinen Nachfolgern hatte. Er hätte dann über die wesentlichen Kenntnisse verfügt, die man zu dieser frühen zeitgeschichtlichen Stunde als „umfassend“ bezeichnen könnte. Denn die noch äußerst bruchstückhaften gesammelten Nachrichten aus denen später die offiziellen Staatsakten hervor gingen wird man wohl, nach dem sie gebunden waren in der Palatinischen Bibliothek unter seiner, oder der Regide seiner Nachfolger aufbewahrt haben. Denkbar also, dass er der Mann war, der auch die frühen Berichte aus Germanien als erster sichtete, gewichtete, verfasste und möglicherweise auch selbst mit Zeugen sprach bzw. dabei anwesend, oder stiller Zuhörer war. Auch immer unter der Prämisse betrachtet, dass es überhaupt in Rom jemals aussagewillige Augenzeugen der Schlacht gegeben hat. Er dürfte im engen Kontakt zum Kaiser gestanden haben und war auch sein diskreter also verschwiegener Zuträger. Er war ihm zu hohem Dank verpflichtet und durfte sich daher keinerlei Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. Gaius Julius Hyginus stand in diesen Tagen mit vielen bedeutenden Männern seiner Zeit in persönlichem Kontakt und im Briefwechsel. So könnte er auch den Geschichtsschreiber Aulus Cremutius Cordus gekannt haben, von dem man annimmt er habe auch über Wissen zur Varusschlacht verfügt. Möglicherweise auch mit Titus Livius der um 17 + verstarb. Es gibt von ihm in Form eines Nachtrages zu seinem Geschichtswerk "Ab urbe condita"  noch eine Handschrift mit einem Hinweis auf die Varusschlacht.  Es ist allerdings keine gesicherte Überlieferung, sondern nur eine Art Randnotiz die später vielleicht zur Vervollständigung hinzu gefügt wurde. Hyginus war in gehobener Position tätig und konnte sich somit schon früh ein Bild zu den Ereignissen gemacht haben, denn auch im römischen Militär wird er seine Adressen und Ansprechpartner gehabt haben. Um einen von möglicherweise vielen zu nennen, sicherlich auch Gaius Sentius Saturninus, der damals unter Tiberius am abgebrochenen Markomannenfeldzug teil nahm und für den nach 6 + eine Siegesfeier in Rom veranstaltet wurde. Es waren Personen die ihn informierten und andere mit denen er sein frühes Wissen über die Varusschlacht geteilt haben könnte. Hyginus hatte diese Schlüsselstellung inne. Als persönlich ernannter Bibliothekar des Kaisers saßen er oder seine Nachfolger im Amt an den Quellen des Wissens der damaligen Zeit, also müssen wir auch unter ihnen die oder den ersten suchen, bei dem wir mit unseren Recherchen ansetzen sollten. So wäre auch alles sehr einfach gewesen, fasst schon zu einfach. Hyginus war demnach also der Mann den wir suchen, der alles wusste, der aber Schweigen musste und der sich nichts zu Schulden kommen lassen durfte. Folglich war aber auch von ihm und seinem Wissenstand aus der frühen Periode nach der Schlacht auch nichts mehr zu erfahren. Theoretisch könnte man also ab diesem Punkt die Informationsschiene vom Palatin zu den frühen Historikern und hinunter ins Volk als abgebrochen bzw. zum Stillstand gekommen bezeichnen. Aber es lohnt sich doch der Frage nach zu gehen, ob Hyginus wirklich schwieg und all sein Wissen für sich behielt. Um ihr noch weiter auf den Grund zu gehen, müssen wir zuvor noch eine andere Hürde überwinden. Denn auf dem Weg zurück zu den Ursprüngen einer historiographischen Varusschlachtforschung müssen wir den Faden naturgemäß dort aufnehmen, wo sich sein Anfang befindet. Er ist zu suchen an jenem denkwürdigen Tag, an dem Kaiser Augustus die Nachricht von der Niederlage verkündete. Das heißt aber auch, wir müssen uns noch mal näher mit der genauen Position und Funktion von Hyginus beschäftigen, sich ihr widmen und sie hinterfragen. Allein schon die Tatsache, dass sich der Name dieses einen Mannes eines ehemaligen Sklaven und späteren Bibliothekars was man schon eine ordentliche Karriere nennen kann, über die Zeiten erhielt deutet darauf hin, dass Hyginus eine heraus ragende Stellung inne hatte und eine Vertrauensperson war. So kann man eventuell davon ausgehen, dass er als Bibliothekar des Kaisers auch gleichzeitig ein Senatsangestellter also für die Senatoren tätig war. Und wenn man resümiert, dass er sowohl für den Senat arbeitete, als auch die Palatinische Bibliothek des Kaisers leitete, so verwaltete er damit auch all das, was die Senatoren zur Varusschlacht beitragen konnten. Denn wer hätte dies übernehmen sollen, wenn nicht er. Kaiser Augustus hatte den Senat seinerzeit weitgehend entmachtet und hätte an der Stelle des Verwalters möglicher separat auf bewahrter Senatsakten niemanden geduldet, der nicht sein persönliches Vertrauen besaß. Weit und breit erkennen wir hier niemanden anderes als Hyginus der diese Doppelfunktion inne gehabt haben könnte. Hinzu kommt die praktische Erwägung, wie man denn zwei parallele Bereiche voneinander abkoppeln wollte, die sich beide der historischen Aufarbeitung verschrieben und verpflichtet hatten, wenn doch letztlich nur ein Kaiser über alles wachte und sein Zepter über allen schwebte. Diesen Überlegungen gehe ich nicht ohne Grund nach. Denn seit dem wir Kenntnis von Varus und der nach ihm benannten Schlacht haben geistern förmlich Begriffe wie Abstellungen, Sommerlager, Lagerschlacht, Aliso oder ähnliches durch die römische Forschungsgeschichte. Aber ein Wort fehlt noch darunter. Es ist das Wort "Senatsakten". Denn genau diese Senatsakten sind es, die immer wieder zitiert werden, wenn es der Glaubwürdigkeit der antiken Historiker an den Kragen geht, die sich darauf stützten. Und nach meinem Dafürhalten müsste der Anbeginn der Verschriftung, sowohl des Bibliothekbestandes als auch der Senatsakten falls es derartiges überhaupt gab und das den Namen Senatsakten rechtfertigt, unter der Aufsicht von Hyginus gestanden haben. Er besaß die Papyri Urschriften möglicherweise auch die mit der Handschrift von Asprenas gleich was auf ihnen gestanden haben könnte. Aber eben jene Senatsakten sind es, die inhaltlich immer umstritten waren. Wie gelangte Hyginus an die Information steht immer am Anfang der Fragestellung. Wer wusste also von wem, oder über was etwas, welcher Quelle konnte man vertrauen und wo wurde möglicherweise schon frühzeitig hinter den Kulissen manipuliert. Kaiser Augustus steht immer unter Generalverdacht wenn Vorwürfe laut werden, es könnte jemand in die Darstellung der Wahrheit auf irgendeine Weise eingegriffen haben. Denn er war der Machtmensch seiner Zeit und an der Außendarstellung interessiert wie kein anderer, denn letztlich hatte er immer sein Lebenswerk im Auge. Aber auch die Regierungsgeschäfte musste er leiten und lenken und die öffentliche Meinung in den Straßen von Rom konnte für ihn nach solchen Ereignissen schnell umschlagen und er durfte sie nicht ignorieren. Es war ihm also daran gelegen nur für ihn Nützliches verbreiten zu lassen zumal der Pannonienkrieg und die Gefahr einer damit einhergehenden Hungersnot für das Volk erst wenige Monate zurück lag. Und Cassius Dio war nicht unschuldig daran, dass wir heute skeptisch auf diese Senatsakten blicken. Denn er hatte rund 200 Jahre nach der Varusschlacht seinen Anteil daran,  dass ein zwielichter Verdacht auf allem lastete, was uns von der Varusschlacht übermittelt wurde. Zum einen, weil er zu einer Wortwahl griff, mit der er sein Misstrauen gegenüber den von ihm genutzten Vorlagen andeutete und zum anderen, weil er damit auch den Begriff der "Senatsakten" in die Welt setzte und ihn damit gleichzeitig negativ besetzte. Denn der Bezeichnung "Senatsakten" schrieb man immer wieder den unseriösen Beigeschmack zu, es könne sich  dabei um Geheimakten gehandelt haben. Aufzeichnungen die Detailreich das wahre Ausmaß der Schlacht zum Inhalt hatten, die aber der Öffentlichkeit und den antiken Historikern lange vorenthalten wurden, um den Ruf des Kaisers nicht zu beschädigen. Akten die erst an die Öffentlichkeit gelangten, als die Varusschlacht langsam in Vergessenheit geriet. Akten die aber danach immer noch unter der Aufsicht des Nachfolgekaisers Tiberius standen. Dem Feldherrn und späteren Kaiser Tiberius dem besten Germanenkenner aller Zeiten, der immer die Fäden in der Hand hielt und der vermutlich dem Kaiser Augustus immer einen Schritt voraus war. Ich möchte daher die Theorie aufstellen, dass es keine Zweigleisigkeit in Rom gab und gehe davon aus, dass das bibliothekarische Wissen des Hyginus auch immer identisch war mit dem was der Senat wusste, also dem Inhalt der Senatssakten entsprach. De facto schließe ich aus, dass es Unterlagen gab, die sich vom bibliothekarischen Wissen sezieren ließen. Da aber Cassius Dio lange nach dem Tod von Kaiser Augustus seine Version von der Varusschlacht nieder schrieb, könnten seine Aufzeichnungen über die Schlacht nachdem sich das Wissen über sie in den Jahren verfestigte, auch von den auf den Kaiser Augustus folgenden Kaisern immer noch ergänzt, präzisiert aber auch verändert worden sein. Denn zwischen Kaiser Augustus und den Zeiten von Cassius Dio hatte es noch sehr viele andere römische Kaiser gegeben, die der alten Akte "Varusschlacht" noch neues Wissen hätten einhauchen können, auf das Cassius Dio zurück gegriffen haben könnte. Die Informationen die in den ersten Jahren nach dem Jahre 9 + flossen, besaßen zweifellos den höchsten Grad an Authentizität. Den letzten Schub oder Schliff bekamen sie zweifellos im Jahre 17 + im Zuge der Enthüllungen aus dem Munde des Cheruskerfürsten Segestes. So wird man der Akte zur „Battaglia della Foresta di Teutoburgo“ beispielsweise ab dem Jahr 20 + immer weniger hinzu gefügt haben können, weil es nichts Neues mehr dazu gab und spätestens mit dem Auftreten der letztmöglichen Überlebenden, musste die Erkenntnislage stehen bleiben bzw. stecken geblieben sein und die Akte „Varusschlacht“ musste im Palatin mehr oder weniger geschlossen werden. Viele Seiten werden dann allerdings leer geblieben sein, die manche Historiker gerne noch vervollständigt gesehen hätten. Aber es erwies sich als aussichtslos, da die Katastrophe kaum Überlebende kannte, somit der Nachwelt zwangsläufig auch nicht mehr viel an Inhalten zu bieten hatten. Aber könnte man im Rom des Jahres 0009 auch noch anders mit den interessanten Neuigkeiten umgegangen sein. Viele werden sich über die Varusschlacht in der ersten Zeit die Mäuler zerrissen haben, Philosophen, Gelehrte und Advokaten quer durch die Bank werden darunter gewesen sein. Viele blutrünstige Geschichten wird man sich mangels genauem Wissen erzählt haben. Auch Halbwahrheiten und Gerüchte werden die Runde gemacht haben. Wer was über die Schlacht erfahren haben wollte, stand hoch im Kurs und auch in den privaten Bibliotheken der Adligen sammelten sich die Berichte an, denen man damals glauben oder auch nicht glauben konnte. Cassius Dio stand aus den ersten Tagen nach der Katastrophe in Ostwestfalen sicherlich einiges zur Aufarbeitung und Nutzung zur Verfügung, was sich bei Hyginus oder in den privaten Bibliotheken angesammelt hatte. Wir wissen aber auch, dass Cassius Dio unter den Senatsakten möglicherweise auch noch etwas anderes verstand. Denn er bediente sich auch der „Acta diurna“. Ein schon von Cäsar ins Leben gerufenes Bulletin mit dem Schwerpunkt das Tagesgeschehen nachrichtlich zu verbreiten. Die Art und Weise wie dies geschah ist unklar, ob in Form von Tafeln oder als Anschlagzettel und dergleichen. Aber unter Kaiser Augustus wurde es neben den amtlichen Nachrichten auch zum Sprachrohr für seine kaiserliche Propaganda, was zweifellos tendenziös klingt. Nach der offiziellen Verkündung und nach dem sich nichts mehr unterdrücken ließ bzw. es nichts mehr zu beschönigen gab wurde die Varusschlacht nicht nur in Rom, sondern im ganzen Imperium zum Thema Nummer eins und wird zum Lauffeuer geworden sein. Von diesem Zeitpunkt an begann die große Zeit der Historiographen, die je nach Quelle und Interessenslage über das Geschehene zur Feder griffen. Berufene und weniger berufene Historiker kamen dem Wunsch der Massen nach und werden sie mit immer wieder neuen Informationen, ob wahr oder unwahr aus Germanien versorgt haben. Einiges davon aus der großen Gerüchteküche Rom wird sich davon in den bekannten Überlieferungen wieder finden lassen. Das Problem ist nur, dass wir es den Überlieferungen nicht ansehen können. Erst der Cheruskerfürst Segestes könnte dann wieder einiges zur Aufhellung beigetragen haben. Aber als er seine Darstellungen nachschob, lag die Schlacht auch schon wieder etwa sieben Jahre zurück und war im schnell lebigen Rom schon fasst verblasst. Aber im Herbst 0009 war noch alles anders und es lohnt sich einen Blick darauf zu werfen, was uns die Geschichtsschreibung ab dem Jahr 9 + davon übrig ließ. Denn bei allen Nachrichten die sich aufgeregt in den Straßen von Rom von Haus zu Haus verbreiteten, konnte es auch Gaius Julius Hyginus riskieren, seine Zurückhaltung etwas aufzugeben. So könnte auf seinem Wissen basierend auch eine frühe Nachricht im Stil eines Gedichtes erhalten geblieben sein, das wir noch heute nach lesen können um uns unsere Gedanken darüber zu machen. Denn es macht den Anschein, als ob wir dieses Gedicht an die Stelle setzen könnten, an der das Wissen von Hyginus, wenn auch sehr nebulös erstmals in die Welt kam und damit auch das allererste Mal etwas über die Varusschlacht veröffentlicht wurde. Obwohl der Name Varus, Arminius oder Varusschlacht im Gedichtstext nicht fällt, was sich begründen lässt, gestattet die Interpretation einen interessanten Einblick in das Verhalten und die Wesensmerkmale unserer Altvorderen.(3.8.2019)

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