Samstag, 7. September 2019
Der große und letzte klassische Poet Publius Ovidius Naso - Der Mann den die Varusforschung vergaß
Wie auch das Leben seines möglichen Informanten Gaius Julius Hyginus, so nahm auch das des Dichters Ovid keinen gradlinigen Verlauf besser gesagt kein gutes Ende. Während Hyginus im Alter verarmte, verstarb Ovid im fernen Constanta am schwarzen Meer, das über die Jahrtausende betrachtet vielfach seinen Namen wechselte in der Verbannung. Irgend wann im Jahre 8 + also etwa ein Jahr vor Ausbruch der Varusschlacht ereilte Ovid das Schicksal und seine Vita erlitt einen schmerzlichen Bruch. Während er sich auf der Mittelmeerinsel Elba aufhielt die vom Imperator auch für Verbannungen genutzt wurde erfuhr er, dass der Kaiser auch ihn in die Verbannung schicken wollte. Immer nahe am damaligen Puls der Zeit lebend, war er fortan vom Geschehen in der Hauptstadt Rom abgeschnitten. Warum Augustus ihn nicht gleich auf Elba beließ, sondern für den Dichter das noch weiter entfernt liegende frühere griechische Tomoi, das sich in der römischen Epoche Tomi oder Tomis nannte am Schwarzen Meer auswählte, wo er in der Fremde bis zu seinem Tod sein Dasein fristen musste, klingt wie eine Strafverschärfung. Die Gründe für seine Verbannung sind in einer von ihm begangenen Verfehlung zu suchen. Wie sich recherchieren lässt, wusste Ovid von der Arminiusschlacht, aber nicht nur der Bibliothekar Hyginus könnte wie ich vermute, dem Dichter auf geheimen Wegen verdeckte Botschaften mit Hintergründen zur Varusschlacht zugesteckt haben. Auch anderen Spuren aus dem damaligen Zentrum der Macht, könnten ihn aus unterschiedlichen Regionen des Reiches in Constanta über Umwege erreicht haben. Zwischen der rumänischen Schwarzmeerküste der historischen Region Dobrudscha und Ostwestfalen liegen rund 1700 Luftkilometer, so dass ihn wenn überhaupt alle Nachrichten über die Ereignisse aus dem germanischen Norden und sonstwo immer nur sehr zeitversetzt, also möglicherweise erst Monate später erreicht haben. Wobei man aber den Nachrichtenverkehr auch in der Antike nicht unterschätzen sollte. Constanta lag zwar in einer Randzone imperialer Einflüsse, aber wiederum auch in keiner von Kommunikation und Außenwelt völlig abgeschotteten Region des römischen Reiches. War von der 52 Kilometer entfernt fließenden Donau auf dem Landweg erreichbar und hatte als Küstenstadt über das Schwarze Meer und den Bosporus eine Seeweg Verbindung zum Mittelmeer. Dies könnte die Nachrichtenwege verkürzt haben. Was ihm beliebige Reisende oder Schiffskapitäne nur mündlich und als wahrhaft und absolut glaubwürdig nach dem es sich erst über diverse Stationen und Münder verbreiten musste mitteilten, möchte man nicht mehr hinterfragen wollen. Aber natürlich könnte ihm auch diese Informationsquelle für seinen Hilferuf aus der Diaspora zur Verfügung gestanden haben und nicht nur die seines Freundes Hyginus. Ob ihm die Nachrichten unbekannter Zeitgenossen inhaltlich genügt hätten, sei dahin gestellt und ob sie ihn animierten sie zu nutzen und er sich von ihnen inspirieren ließ ist ebenso fraglich. Aber auch dieser Verdacht sollte angesprochen sein, obwohl ich seinen für mich nahe liegenden Kontakt zu Hyginus für den Entscheidenden halte. Aber letztlich erhoffte er sich schließlich seine alsbaldige Rückkehr nach Rom und schmeichelte daher aus der Verbannung heraus seinem Kaiser Augustus in einer aus seiner Sicht effektiven Weise und in den höchsten Tönen, denn anders lassen sich Teile seiner Klagelieder „Tristia“ nicht interpretieren. Der Tag an dem der Kaiser die Katastrophen Nachricht aus dem „Teutoburger Wald“ erhielt war für selbigen bekanntlich ein trister und es schien für Ovid wie ein Zeichen des Himmels bzw. ein probates Mittel gewesen zu sein, das Wissen darüber nachdem er es erfuhr zu nutzen um Augustus für die dadurch erlittene herbe Demütigung der Germanen auf dichterischem Wege aus der Ferne seinen Trost zu sprechen zu können. Für Ovid hing in diesem Moment vieles von der geschickten und klugen Wahl seiner Worte ab. Er war Dichter, und so lag es nun einzig in der Kraft der Poesie um den Kaiser nochmal umstimmen zu können. In der Hoffnung er würde davon gerührt seine Verbannung gegen ihn aufheben zog er alle Register. Andere Mittel, Wege und Möglichkeiten schienen ihm vermutlich nicht zur Verfügung zu stehen. Die Schlacht im Nethegau wurde für ihn somit zu einer Art Strohhalm mit dem er sich den Rückweg in seine altgewohnte Lebensweise im quirligen und hektischen Rom oder auf seinen ruhigen Landsitz ebnen wollte. Aber wer hätte je gedacht, dass es einmal ein Dichter sein würde, der uns die erste Nachricht über diese weltgeschichtliche und Weichen stellende Schlacht zukommen ließ, bei der es sich nach allgemeiner Auffassung und Analyse nur um die Varusschlacht gehandelt haben kann. Die Historie versprühte immer schon ihre Überraschungen und so blieben uns wie in diesem Fall auch Berichte über längst Geschehenes erhalten, die uns auf äußerst skurrilen Wegen erreichen. konnten. Auch wenn es nur ein Gedicht ist, aber es kommt eben auf seinen Inhalt an und wie offen und bereit man ist es zu lesen, es zu verinnerlichen oder zu interpretieren bzw. auszulegen.
Für uns sind nur die Fakten von Bedeutung die sich als hilfreich für die Forschung erweisen können. Aber für die Aufarbeitung des Varus Ereignisses ist uns jedes noch so kleine Mosaik Steinchen lieb um unser Einfühlungsvermögen zu wecken es zu verfeinern und unsere Gedanken zu schärfen. Aber woraus bestand nun bei genauem Hinsehen sein großes historisches Verdienst, das Ovid der Nachwelt als Metamorphose, Gedicht, Klagelied bzw. Tristia oder wie man es nennen möchte hinterlassen hat. Die Örtlichkeit der Varusschlacht verriet auch er uns nicht. Konnte er auch nicht und wir machen es ihm „post mortem“ auch nicht zum Vorwurf. Denn kaum ein Römer kannte sich und das nicht nur in den Zeiten von Kaiser Augustus nach der Zeitenwende im innersten Germaniens aus. Römische Händler gelangten nur in die Nähe der germanischen Grenzgebiete, wo sie möglicherweise ihre Waren germanischen oder keltischen Händlern übergaben. Im wesentlichen bestanden die frühen römischen „Besucher“ Germaniens nur aus Militaristen, Landvermessern oder einem vergleichbaren Personenkreis. Viele dürften sich nach ihrer Dienstzeit in den Kolonien nieder gelassen haben und behielten ihr geographisches Wissen für sich. Hinzu kommt, dass bekanntlich vor 2000 Jahren aus Ostwestfalen auch nicht alle von ihnen an den Rhein zurück kehrten, denn viele von ihnen gingen in der Zwischenzeit „über die Wupper“. Auch was ein Segestes damals im Vorfeld der Schlacht genau tat oder eben nicht tat und wie er sich verhielt, wusste uns Ovid auf seine poetische Weise ebenfalls nicht zu sagen, denn über seine Existenz und andere Fakten war ihm schlicht und einfach nichts bekannt, denn davon wusste auch ein Hyginus noch nichts. Militärische Details so wie die Anzahl der Legionäre, die an der Schlacht teilnahmen oder umkamen, können wir aus seinem Gedicht natürlich nicht heraus lesen und dürfen es auch nicht erwarten. Aber es sind die von ihm in seinen Triumphzug - Visionen verwendeten Hinweise, die er innerhalb seiner "Tristien" verarbeitete, auf die es uns ankommt. Nur wenige von ihm kenntlich gemachte, oder verborgen eingeflochtene Bezüge nach Germanien und zur Clades Variana die uns ein Hineindenken in das Wesen, Verhalten und Auftreten der dort damals agierenden Persönlichkeiten erlauben, können wir erkennen die uns bei der Analyse helfen. Aber sie sind vorhanden und helfen uns unser Wissen um die alte Geschichte und die Schlachten Teilnehmer zu vertiefen. Bei genauem Hinschauen lassen sich sogar Ansätze und Aussagen zum Schlachtenverlauf ausfindig machen. Den von ihm in der Verkörperung dargestellten und wie lebendig wirkenden Menschen im symbolhaften Trauerzug der besiegten Germanen verleiht er, in dem er sie über die jeweiligen Fragesteller am Straßenrand „zum Sprechen“ bringt, eine individuelle und starke Aussagekraft. Er verdeutlicht auf besondere Weise ihre prekäre und üble Lage und die extreme Ausnahmesituation in der sie sich in diesem Moment befanden. So bringt er Kraft Beschreibung ihres Aussehens und Gebarens ihre geballte Gefühlswelt und innere Aufgewühltheit nachvollziehbar und das auch noch nach über 2000 Jahren für uns verständlich und gekonnt zum Ausdruck. Weder von einem Cassius Dio noch von anderen Historikern liegen uns derart authentische Gefühlsbeschreibungen vor, die diese Ausdrucksstärke deutlich machen. Diesen Seeleneinblick verdanken wir einzig dem Dichter Ovid der in der Abgeschiedenheit seiner Verbannung die nötige Muße fand, diesem Phantasiegebilde den letzten Schliff zu geben. Von Glück kann man sprechen, dass es sich bis heute bewahrte. Nur er beschrieb uns in Worten das, was wir an anderer Stelle erst beim Anblick kalter Skulpturen oder steinerner Reliefbändern in abgedunkelten Museen in ruhiger Minute nach empfinden können. Nämlich dann, wenn wir in die in Stein gemeißelten faltigen und leidvollen Gesichter unterdrückter und gepeinigter Menschen blicken die nur erahnen lassen, welches Schicksal ihnen wieder fuhr. Ovid lässt uns indirekt daran teilhaben, wie es damals in der Hitze der Schlacht im „Nethegau“ zugegangen sein könnte, wenn den Germanen noch Jahre danach Zorn und Wut ins Gesicht geschrieben standen. Zumindest so, wie es sich ein Dichter in den damaligen Zeiten vorstellte. Und da wir um sein persönliches Schicksal wissen, wissen wir auch um seine tieferen Absichten die hinter seiner Poesie stecken. Aber ungeachtet dessen lässt sich nur hinter seinen Zeilen, nämlich denen eines dichterischen Meisters seines Fachs nachlesen und dabei immer noch spüren, welche gewaltigen, physischen Kraftanstrengungen die Germanen in jener Zeit aufbringen mussten, um sich in die Lage zu versetzen, dieses Opfer bringen zu können. Eine aus germanischer Sicht unvermeidbare kollektive Tat, wenn man zum Ziel hat auf Dauer von Fremdherrschaft verschont zu bleiben und um diese zu vollbringen ihnen jedes Mittel recht schien. Vom hinterlistigen Vertragsbruch bis hin zur offenen Bluttat. Weder Historiker, Astronom oder Militarist brachten es fertig uns den kämpfenden, in diesem Fall besser gesagt den abgekämpften Germanen plastisch so ausdrucksstark ins Bewusstsein zu rufen, wie es dem Dichter Ovid mit knappen Worten gelang. So lässt dies auch erkennen wie nahe sich doch Poesie und Historik kommen sollten, wenn man begreifen und verstehen will. Ovid musste und wollte in seiner aussichtslosen Lage sein ganzes Können aufbieten und es in diese Verse legen um den Kaiser zu beeindrucken. Dem Kaiser wollte er auf diese Weise seinen späteren Triumph über die Feinde des Reiches nach dem Schlachtenerfolg den man schließlich erwartete literarisch vorweg nehmen und gleichzeitig seinen Blick auf sich ziehen. Er sollte den Erfolg quasi „ante mortem“ bereits als Vision vorab genießen dürfen und alles sollte ihm köstlich erscheinen und gefallen noch bevor es zur Realität geworden ist. Das ihm dieser Triumph über die Varusbezwinger auf ewig verwehrt bleiben würde konnte dem Kaiser da noch nicht bewusst gewesen sein, denn er erhoffte sich in diesen Zeiten noch einen als baldigen Sieg über seine Widersacher. Kaiser Augustus konnte nicht ahnen, dass er bis zu seinem Tod mit den blumig prosaisch dargestellten Wunschvorstellungen eines Ovid vorlieb nehmen musste und sie mit ins Grab nahm. In der grundsätzlichen Erwartung eines dem Imperium bevorstehenden Sieges über Zentralgermanien war es aus der Sicht des Kaisers sowieso nur eine Frage der Zeit, wann danach in der Konsequenz auch ein greifbarer triumphaler Siegeszug durch die Straßen Roms folgen würde. Wohl wissend, dass es sich letztlich nur um die gequälten Schmeicheleien eines leidenden Verbannten handelte, werden diese vermutlich nur auf einen in sich hinein schmunzelnden Kaiser gestoßen sein, der seine Absichten durchschaute. Nur Ovid verdeutlichte uns in seiner Tristia, dass diese nunmehr wie Verstoßene herum irrende armselige Germanenschar, einst die Spitze des Widerstandes gegen Varus und das Imperium bildete. Es sollten jene nun zu einer Masse Mensch verschmolzenen ehemals bedeutsamen Hintermänner vor aller Augen zur Schau gestellt werden, die einst diese gewaltige Herausforderung stemmten und die Nerven - und Körperkraft aufbrachten die nötig war um drei römische Legionen zu vernichten. Eine gewaltige Inszenierung die da hinter den geistigen Augen eines Ovid getobt haben musste. Eben keine Halbwilden, sondern selbstständig agierende Strategen und logisch denkende Individuen die dies erst alles in Bewegung gesetzt hatten, und denen es letztlich gelang, das ganz Große zu bewältigen und erfolgreich umsetzen zu können. Doch im „Theaterstück“ des Ovid dienten sie nur noch dazu, die erniedrigende Rolle der Geschlagenen zu übernehmen. Komparsen einer letztlich egoistischen Zielen dienenden Selbstinszenierung. Hier hatten sie die deprimierende Aufgabe zu erfüllen dem Kaiser ein Zerrbild seiner ureigenen Wunschvorstellungen zu liefern, mit denen Ovid die Sympathien von Augustus für sich zurück gewinnen wollte. Hier sollten die Geschundenen einen perfekten Trauerzug abgeben, wie ihn besiegte Feinde nun einmal Spießruten artig in einem hysterischen Hexenkessel zu durchlaufen hatten. Ovid wollte sie zum Zwecke der Erniedrigung wieder zu Naturvölkern degradieren, denen eine ungezügelte animalische Hatz näher lag, als die hohe römische Zivilisation. So schrieb ihnen Ovid auch den Ausdruck von Todesverachtung ins Gesicht, der immer noch in ihnen vorherrschte und den man ihnen ansehen sollte. Aber nicht zu vergessen, zu diesem todesmutigen Verhalten mussten sich auch die germanischen Kämpfer erst einmal durchringen. Sie entstand nicht über Nacht und wollte auch erst von unbändigem Zorn angetrieben sein. Bis sich auch ein Germane, der von Natur aus Bauer und Viehzüchter war mit gezogener Klinge auf einen Feind stürzt, der noch dazu über eine bessere Ausrüstung verfügt, müssen Dinge voraus gegangen sein, die ein Ovid der dem gehobenen italienischen Landadel entstammte gar nicht erahnen konnte. Sein Gedicht besser gesagt, sein dramatisches Gesamtwerk stellt uns aber auch vor die Frage wie weit uns allzu nüchterne Historie bringt, wenn wir uns nicht mit den einzelnen Menschen als Individuen beschäftigen. Längst verblichene Menschen die man leider hinter den kalten Ziffern der Jahreszahlen schnell aus den Augen verliert und sich als Studienobjekte nur noch für die Untersuchung ihrer Skelett- oder ihrer Aschereste bzw. zur Erforschung ihrer Bestattungsbeigaben eignen. Aber Ovid verleiht ihnen noch mal Leib und Seele wie es kein Bodenfund je zu leisten imstande sein wird. Schauen wir unter dem Begriff "Ovid/Varusschlacht" auf die Internet Quellenhinweise, so lesen wir unter „Ovid Tristia III. 12, 45 - 48“ folgendes. „Die Tristia. Sie besteht aus fünf Büchern. Darin überliefert sind poetische Briefe in elegischer Form, die der römische Dichter Ovid zu Lebzeiten des Kaiser Augustus aus seinem Verbannungsort Tomis, ungefähr in den Jahren 8 + bis 12 + an verschiedene Adressaten richtete“. Aber wir vermissen in dieser kurzen Zusammenfassung jegliche inhaltliche Auseinandersetzung und die Analyse von Querverbindungen im Zuge und im Sinne der Varusschlachtforschung. Es scheint, als ob der historischen Forschung diese Quelle nicht ergiebig genug ist, um sich näher damit beschäftigen zu wollen. Aber wir müssten unsensibel sein, wenn wir derartige Bezüge zur Varusschlacht außer acht lassen und nicht entsprechend würdigen würden. Denn wir haben es hier schlicht und einfach, nicht mehr und nicht weniger mit der Ersterwähnung der Varusschlacht zu tun. Ein Fingerzeig aus einer Zeit in der die Varusschlacht erst maximal drei Jahre zurück lag, der also noch taufrisch gewesen sein musste. Ovid dichtete seine Tristia zwischen 8 + und 12 +. Die Schlacht ging im Herbst 9 + zu Ende. Augustus selbst erfuhr davon am 6.10.0009. Ovid könnte davon also frühestens ab November 0009 etwas erfahren haben. Und er wird sich nicht sofort hin gesetzt haben um daran zu schreiben, denn seine Metamorphosen erstrecken sich nicht nur auf den kleinen Anteil den der Bezug zur Varusschlacht darin einnimmt. Demnach gelangte sein poetischer Rücklauf nach Rom etwa im Jahre 10 +. Die Spur die Ovid zur Varusschlacht legte war also noch ziemlich heiß. Sie lag innerhalb einer Zeitspanne in der man an der Niederrheingrenze sogar noch zittern musste, weil man nicht wusste, was da noch so alles von Osten auf sie zukommen könnte. Eine Zeit in der der „Nochfeldherr“ Tiberius gerade erst in Xanten eintraf und erst noch das Konzept einer strategischen Grenzmarkierung entwerfen sollte. Nämlich die Errichtung eines Landlimes anders ausgedrückt eines Schutzstreifens in Form einer Gebückhecke anzugehen, in dem er begann ihn Schneisen artig umzusetzen um den Germanen damit ein symbolisches Stoppschild aufzuzeigen. Sich dahinter vor einer möglicherweise drohenden Gefahr vor den Germanen zu schützen war militärisch betrachtet eine Illusion und nicht möglich, hier sollte die Psychologie der Abschreckung schon zur Waffe werden. Eine Zeit in der der Fürst Segestes noch gefahrlos und unbehelligt von „Freund und Feind“ wie ich vermute an der Leine bei Einbeck lebte, bis ihm die Luft 15 + zu dünn wurde. Und diese wichtigen Zeilen eines Ovid ignorierte man mehr oder weniger und wertete sie nicht akribisch aus. Aber vielleicht habe ich auch die eine oder andere Schrift darüber übersehen und bitte daher um Nachsicht bzw. bin für Informationen immer dankbar. Man könnte dieses vermeintliche Desinteresses in der Wissenschaft an Ovid natürlich auch noch etwas überspannter zum Ausdruck bringen. Apropos, tun wir nicht sogar überhaupt der römischen Literatur, Dichtkunst und Poesie unrecht, wenn wir alle überkommenen Nachrichten gleich aus welcher Zeit sie stammen immer nur auf ein nüchternes Zahlenwerk reduzieren möchten. Merkmal vieler Pädagogen, die so manchen lernwilligen Schülern mit dieser Methodik jegliches Interesse an der Geschichte raubten. Auch Tacitus, Florus, Dio und andere haben in ihre Überlieferungen Hinweise gelegt, die uns ermuntern könnten sich mehr mit der philosophischen Natur und Ausrichtung unserer Altvorderen zu beschäftigen. Und wir wissen das auch in uns noch ein Bruchteil ehemaliger Mentalität schlummert, der uns bei der Aufarbeitung behilflich sein kann. Filmische Produktionen versuchten immer schon uns eine Krücke zu sein bzw. uns zu animieren damit wir uns ein besseres Bild über jene alten Zeiten machen können, was in der Tat keine leichte Aufgabe ist. Denn die Phantasie sich innerlich soweit zurück begeben zu können, ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Von Ungeübten und mit wenig Geldmitteln ausgestatteten Regisseuren kann dies zudem schnell ins Gegenteil von dem umschlagen, was sie bezwecken sollen, vor allem wenn man versucht der germanischen Dialektik nach - bzw. sie aufzuspüren, die richtigen Requisiten verpasst, sich für die Außenaufnahmen am falschen Geländemodell vergreift oder sich für untypische Statisten entscheidet. Wir sollten aber nicht stehen bleiben, daran verzweifeln und daher unsere Gedanken einkerkern. Und sollten uns auch nicht noch damit brüsten uns nur das Hinterfragen dessen zu erlauben in was uns die unbestechliche Welt der Historik anhand von Bodenfunden lenken möchte. Denn es gibt bekanntlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde als die, die sich mittels Verstand erschließen lassen. Sich deswegen und ohne Not alle freigeistigen, schöpferischen und gedanklichen Spielräume zu versagen ist sicherlich der falsche Ansatz, wenn man zur Quelle zurück möchte. Sind es nicht gerade die Gedichte eines Ovid die uns die Lebendigkeit der Geschehnisse erst erkennen lassen. Schöben wir achtlos und herablassend alles Poetische beiseite, begingen wir einen Fehler, denn wir verzichten ohne zu müssen auf viel Wissen und klammern es vor lauter übertriebenem und sachlichem Denken aus. Und was für Ovid gilt, gilt übrigens auch für den Codex Regius, die Edda und andere Werke auf die ich noch zu sprechen kommen möchte. Aber wir erkennen dank Ovid auch erst die Bedeutung dessen, was die römische Klassik unter Geschichtsschreibung verstand. Und da sind wir bei einem interessanten Punkt. Denn wir verwenden heute noch immer das Wort Geschichte, wenn wir Historie meinen. Aber eine beredte Geschichte ist keine wissenschaftliche Historie und beileibe keine chronologische Aufzählung von Kriegen, Schlachten, Siegen oder Niederlagen. Eine Geschichte ist auch eine Erzählung über das was mal war und wie es mal war. Und alles fing doch mal mit dem Satz an „Ich will Dir jetzt mal eine Geschichte erzählen.....“ Und nicht „Ich will dir jetzt mal eine Historie erzählen“. Aber zu dem was uns Ovid vermittelt müssen wir tiefer schürfen. Denn seine gesamten Geschichten die den Namen Klagelieder tragen, folgen sicherlich in weiten Teilen seinem ureigenen Beweggrund, nämlich dem Kaiser gegenüber das triste Leid seiner Verbannung zu klagen. Dabei bedient er sich in unserem Fall zwar einer wahren Begebenheit, lässt diese aber nicht deutlich werden und verschleiert sie auch um seinen Informanten zu schützen. So gesehen, war seine „Tristia“ zumindest was dies anbelangt auch ein Produkt des Eigennutzes und diente keineswegs dem Zweck der Nachwelt ein besonders reich ausgeschmücktes poetisches Werk als Leistungsnachweis seiner Fähigkeiten oder einen historischen Beitrag für die germanischen Jahrbücher zu hinterlassen. Aber Ovid wäre nicht Ovid hätte er sich nicht auch bemüht seinen Metamorphosen ungeachtet seiner Rückkehrwünsche nach Rom auch einen dichterischen Glanz für die Ewigkeit mitzugeben. Aber hier richtet sich unser Blick nur auf den Inhalt seiner Tristia in der er sich in wenigen Zeilen der Varusschlacht nähert oder wie wir begründet annehmen, in denen er sich dieser vermeintlichen Schlacht widmet. Und genau das macht sein Werk für diese Betrachtung so bedeutungsvoll. Denn es war nun mal nicht seine Absicht, dass wir noch Jahrhunderte später den Germanen „seines“ erdachten Triumphzuges gar noch Achtung zollen, oder das wir ihr jeweiliges persönliches Schicksal ihren Gesichtern entnehmen oder es gar interpretieren sollen. Ovid wollte erreichen den Ausdruck menschlicher Niedergeschlagenheit, Trotz oder Demoralisierung den er ihnen ins Gesicht dichtete drastisch heraus zu stellen. Denn um so desolater deren Mimik ausfiel umso freudiger dürfte es vom Kaiser aufgenommen worden sein, sodass dieser sich daran erlaben und ergötzen konnte. So wählte Ovid eine interessante Methodik an. Denn er schlüpfte selbst in die Rolle eines Berichterstatters und Kommentators, erdachte sich selbst einen Platz unter den Zuschauern auf der Tribüne oder in der Masse. Er ging auf die im Zug mit laufenden Personen ein, in dem er den römischen Bürgern die ihn von den Straßenrändern verfolgten Fragen und gleichzeitig Antworten in den Mund legte. Er erzeugte damit einen Monolog bestehend aus Fragestellern, die sich mangels Orientierungsmöglichkeit ihre Antwort selbst geben mussten. Eine in der Tat interessante Inszenierung die sich Ovid da erdachte um seinem Traum Leben einzuhauchen. Mit dem was er in seinem Gedicht beschrieb, versuchte er dem visuellen Schauspiel einen realen Anstrich zu verleihen um es wie ein tatsächlich statt gefundenen Ereignis auf seine Leser in Rom vor allem aber Augustus wirken zu lassen. Er spielte somit die ganze Klaviatur seiner Zeit aus, um sein Ziel erreichen zu können, ohne seinen Informanten und Freund Hyginus zu gefährden. Mit der von ihm gewählten Darstellung erhöhte er den Glaubwürdigkeitsfaktor beträchtlich. Er beschwichtigte und spielte die Katastrophe im Saltus damit auch etwas herunter und jeden Leser sollte das Gefühl erschleichen, es wäre im Jahre 9 + doch alles nur halb so schlimm gewesen und der Kaiser wird es schon zu gegebener Zeit richten und die Feinde bestrafen. Er brachte es also keineswegs für unsere kritischen Augen zu Papier, womit seine Tristia auch etwas propagandahafte Züge im Sinne des Kaiserhauses annahm. Und das macht es historisch betrachtet wiederum zusätzlich wertvoll, analysefähig und steigert die Notwendigkeit sich mit dem Papier auseinanderzusetzen. Denn Ovid wollte uns Jetztmenschen damit schließlich keinen Gefallen erweisen. Allerdings muss man es nochmal wiederholen, denn es passierte alles nur auf der Basis eines in seiner Phantasie entstandenen rein fiktiven und nie statt gefundenen Ereignisses. Eben ein Wunschtraum um sich damit aus seiner elenden Lage und Isolation poetisch frei dichten, innerlich frei kämpfen oder moralisch frei kaufen zu können. Was aber letztlich für unsere Betrachtung unerheblich ist, denn wir schauen auf den Kern, die verwertbare Aussage und auch die Botschaft seines Gedichtes und fragen hier nicht nach wahr, unwahr oder seinen Beweggründen. Im alten Rom wusste man es immer schon, denn man wollte die Menschen begeistern und erreichen, dort stand wenn es nicht an die eigene Haut ging, immer schon stärker der Unterhaltungswert und weniger der tatsächliche Verlauf einer historischen Begebenheit im Vordergrund. Der Dichter Lukan rückte sogar die Muse in die Nähe der Historie. Tacitus interessierte es damals auch nicht uns mitzuteilen, auf welchem Meridian östlicher Länge Germanicus den Knochenhügel aufstapeln ließ und Cassius Dio verspürte nicht im Geringsten das Verlangen uns genau zu sagen, wie viel Tage die Varusschlacht andauerte, wo man kampierte und wie Varus es anstellte trotz akuter Gefahrenlage seinen persönlichen Reichtum, für den zu besitzen er ja bekannt war, sicher an die Lippe zu bringen. Ihm war es wichtig die schrecklichen Umstände und die Aussichtslosigkeit unter diesen Bedingungen einen Sieg zu erringen dem Leser zu verdeutlichen. Und Florus lag es natürlich genauso fern, ob wir uns unter seinen Zeilen eine Lagerschlacht oder eine Mehrtagesschlacht vorzustellen hatten. Aber warum sind wir heute davon so überzeugt, dass Ovid in seiner „Tristia“ wenn es auch nur indirekt geschah auf die Varusschlacht ein ging und nicht auf irgendeine andere Schlacht seiner Zeit. Man kann es entschlüsseln. Denn da sind in erster Linie Verbindungen, die er selbst nach Germanien legte und sonst in keine andere Region. Dafür brauchte er auch noch keinen Hyginus in Anspruch zu nehmen. Allein die Tatsache, dass er sich fasst die Hälfte seines sechzig Jahre währenden Lebens zwar aus der Distanz heraus, so aber doch immer wieder mit den Germanenschlachten der Jahre 12 – und 16 + konfrontiert sah rechtfertigen derartige Überlegungen. Es gab für ihn Zeit seines Lebens wenn man es so ausdrücken will, immer nur einen bedrohlichen Schlachtenhorizont wo sich das Imperium rieb, nämlich den zwischen Rhein und Elbe, wenn man mal von Panonnien absehen möchte. Ebenso wie einige unserer Generationen den Krieg lange Zeit nur als einen „kalten Krieg“ erlebten, aber davon lebenslang geprägt wurden. Ovid der drei Jahre nach Kaiser Augustus im Jahre 17 + verstarb, machte es uns einfach, denn er öffnete für uns und das natürlich unbeabsichtigt die „Varustür“, auch wenn es nur einen Spalt breit war. Er lokalisierte nämlich das von ihm in seiner Tristia verarbeitete Geschehen sogar auf einen ganz speziellen germanischen Siedlungsraum. Denn er verband es mit einer bedeutsamen Person seiner Zeit die wir relativ gut zurück verfolgen können und über die sich dann wiederum der Schlachtenraum eingrenzen lässt. Diese Person war zweifellos nicht P. Q. Varus, denn ihn nannte Ovid nie mit Namen. Aber er schob uns an seiner Stelle eine andere ein, mit der wir arbeiten können. Und dieser Mensch war, was zweifellos für die Forschung sehr bedeutend ist, eine reale Gestalt und damit die einzige Person die wir auch historisch greifen können. Ein wesentlicher Anhaltspunkt mit der sich seine Informationen überhaupt erst auf den von mir apostrophierten Schauplatz Ostwestfalen konzentrieren lassen. Denn er griff bzw. suchte sich zum Aufbau seiner heimlichen Rückkehr - Strategie mit der er den Kaiser beeindrucken wollte, eine frühe vor allem aber politisch unantastbare Identitätsfigur. Einen Mann in den Kaiser Augustus einst große Stücke gesetzt hatte und auf den das Imperium stolz sein konnte. Ein Mann der sich noch nicht einmal in die Nähe der Varusschlacht rücken ließ und womit er Hyginus in dieser Hinsicht völlig unverdächtig erscheinen lassen konnte. Und besser geht es nicht, denn dieser Mann war zu dem Zeitpunkt als die Varusschlacht tobte, bereits 20 Jahre tot. Unverfänglicher wie es also nicht hätte sein können. Er knüpfte mit dieser Person an die glorreichen Zeiten an, als Rom noch mit dem kraftvollen militärischen Schwung eines Gaius Julius Caesar im Rücken Germanien nahezu widerstandslos zu überrollen schien. Und wir reden hier natürlich von keinem anderen, als dem Feldherrn Drusus dem dieses militärische Meisterstück der Eroberung Zentralgermaniens auch beinahe gelungen wäre. Hätte alledem damals nicht ein tragischer Sturz vom Pferd irgendwo zwischen Weser und Elbe ein frühes Ende beschert. Ovid kannte alle seine Erfolge und seinen Werdegang bis zu seinem Tod im Jahre 9 -. Der berühmte Feldherr Drusus war ein langjähriger Zeitgenosse von Ovid und vielleicht sogar auch noch sein persönliches Idol. Drusus verstarb fasst gleichaltrig zu ihm im Alter von 29 als Ovid selbst 34 Jahre alt war. Sein Tod könnte für ihn zu einem einschneidenden Trauererlebnis geworden sein. Denn unter Drusus entfaltete sich noch der frische und ungezügelte Eroberungsdrang einer Weltmacht. Sein besonders heraus gehobener Hinweis auf seinen Heldenmut, der ihm nach seinem Tod den Beinamen „Germanicus“ einbrachte und darauf, dass er ihn als den edlen Spross eines würdigen Vaters bezeichnete, bezeugte seinen hohen Respekt für diesen Mann. Drusus operierte damals bevorzugt in eben jenem Kerngebiet, wo sich 18 Jahre nach seinem Tod auch die Varusschlacht zutragen sollte. Nach Auffassung vieler Historiker soll er 11 - auf dem Rückweg von Corvey zur Lippe auch in den nahezu schon legendär zu nennenden germanischen Hinterhalt bei Arbalo geraten sein. Ovid erwähnt diesen Drusus mit Namen und setzt damit für uns eine wichtige Markierung. Mit der Erwähnung der Person des Drusus stecken wir folglich schon mitten in Ostwestfalen und damit in dem Bereich in dem sich die Varusschlacht entfalten sollte. Ein Hinweis wie er kaum eindeutiger sein kann. Kein Varus und auch keine andere an der Schlacht beteiligte Personen nennt er in seinen Klagelieder beim Namen einzig Drusus ist es ihm wert. Allein schon sein Bezug auf diese Person verrät uns nicht nur eine intuitive Nähe zur Varusschlacht. Daraus lässt sich für die Zeit nach seiner Verbannung ab 8 + bereits eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit ableiten, dass er nur diese eine Schlacht gemeint haben kann. Es sind insgesamt drei besondere Hinweise die diesen Verdacht erhärten und uns gestatten derartige Rückschlüsse ziehen zu dürfen. In der Zusammenfassung möchte ich sie später noch darstellen. Ovid ging also geschickt vor in dem er seine wahren Absichten verschleierte, aber alles war letztlich der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl. Auf diese recht unverfängliche letztlich aber doch eindeutige und möglicherweise auch zum Ziel führende Weise entschloss er sich dem Kaiser die Ängste vor der ungewissen Zukunft und der möglichen Existenzgefährdung seines Staates auf die lyrische Art zu nehmen. Man könnte auch sagen, er wollte ihn damit zu einer positiven Denkungsweise ermuntern. So vermittelte er ihm das Gefühl, dass in Bälde der Tag kommen würde an dem er, der Kaiser wieder als ein glorreicher Sieger über die Germanen triumphieren würde und der dann alles Vorgefallene überstrahlen und vergessen machen würde. Gleichzeitig drängte er sich wieder in seine Gedankenwelt. Wie ich es häufig praktiziere bin ich immer bemüht weitere Argumente zusammen zu tragen. Warum möchten wir also in seinem Gedicht nur die Varusschlacht und keine andere Germanenschlacht innerhalb der langen Zeit der Germanenkriege erkennen. Ovid präsentiert uns in seiner Tristia eine Gruppe zerknirscht drein blickender Germanenoberhäupter. Germanen also die Kraft ihres Erscheinungsbildes eine demütigende Niederlage einstecken mussten aber in keinem Fall einen siegreichen Krieg gegen das Imperium geführt hatten. Sie sollten die Gefangenen eines Krieges gewesenen sein, den Rom gewann. Und dies dürfte unstrittig sein. Ovid der 43 – zur Welt kam erlebte mit etwa 27 Jahren den einzigen für das Imperium schmählichen Ausgang einer Schlacht nämlich die bei der der römische Statthalter Lollius um 17 - / 16 – geschlagen wurde wonach der römische Adler für immer verschollen blieb. Danach war das Imperium zwar nur noch auf der Siegerstraße wieder zu finden, aber welche Schlacht zwischen Rom und den Germanen hätte zwischen der "Clades Lolliana" und der Varusschlacht schon einen Triumphzug rechtfertigen sollen. Kein Sieg wäre für Ovid geeignet genug gewesen um ihn aus der Verbannung nach dem Jahre 8 + für seine Metamorphosen zum Anlass zu nehmen. Für die triumphale Zurschaustellung geknickter germanischer Persönlichkeiten gab es nur einen Sieg nach dem Jahre 8 +, nämlich den ersehnten allumfassenden Vergeltungssieg den die Germanen mit der Varusschlacht herauf beschworen und den sie sich somit dann auch selbst zuzuschreiben hatten. Siege über Germanien zwischen diesen beiden römischen Niederlagen sowohl der im Zuge der „Clades Lolliana“ als auch der „Clades Variana“ waren für das römische Reich zum Normalzustand geworden. Triumphzüge aber waren nur den besonders wichtigen Ereignissen und Anlässen vorbehalten. Aber die Tatsache, dass Ovid erst 8 + in die Verbannung kam, grenzt das Spektrum Ovid`scher Möglichkeiten entschieden ein. Denn warum hätte er sich für Augustus das Szenario eines weit zurück liegenden römischen Sieges erdenken sollen, wenn es ein aktuelles Ereignis, nämlich die Varusschlacht schon vor der Haustür gab. Etwa der so genannte “glückliche“ Sieg von Drusus im Jahre 11 - bei Arbalo. Dieser hatte für Ovid sicherlich über zwanzig Jahre später als er im Jahre 8 - seine Verbannung antrat wo er seine Metamorphosen verfasste keine besondere Bedeutung mehr. Und auch den römischen Immensum Bellum Krieg der bis 5 + andauerte dürfte er nicht thematisiert haben. Es war kein ruhmreicher Krieg er trug wohl eher die Züge eines brandschatzenden Vernichtungsfeldzug und ging durch keine herausragenden und Triumphzug würdigen Einzelschlachten in die Geschichte ein. Und darauf folgte bereits im Jahre 9 + die verheerende Varusschlacht die das Reich ins Mark traf. In dem Ovid seine Herz erweichenden Klagelieder breit an viele Personen aus dem Umkreis des Kaisers streute, konnte er sicher gehen, dass sie auch in seine Hände gelangen würden, um ihn milde zu stimmen. So half Ovid dem Kaiser bei seiner inneren Vision sich doch noch einen erfolgreichen Abschluss der Eroberungen in Germanien vorstellen zu können, wenn denn die irgendwann beginnenden Revanche Schlachten „erfolgreich“ zu Ende gegangen sein würden. Aber er erlebte noch nicht einmal den Beginn dieser Rückeroberungsschlachten, da diese erst ab 15 + durch Germanicus aufgenommen wurden, denn er verstarb ein Jahr zuvor. Wenn man sich nun seinen "Tristien" annähert, so wie Ovid sie ausformulierte, dann beginnen diese mit einem von ihm selbst verfassten seltsamen Hinweis. Denn wem galten seine Worte aus denen hervor ging, dass er seine Fährte die er offensichtlich nur für Augustus legte, sogar selbst ein Gerücht nannte. Wollte er damit noch mal klar zum Ausdruck bringen, dass er hier nur seine Wunschvorstellung zu Papier brachte um damit den Kaiser nicht doch noch zu nahe zu treten oder gar beleidigen zu wollen. Denn der Kaiser hätte seine "Tristien" auch völlig anders auffassen, anders ausgedrückt auch in den falschen Hals bekommen können und dann hätte ihm auf die Verbannung, die noch gelinde Züge getragen haben soll. noch eine Strafe drohen können. So entzog er seiner lyrischen Botschaft von vorn herein den realen Hintergrund und machte sie deutlich als eine Vision kenntlich. Dies machte ihn wiederum vor den kritischen Augen der Historiker um so glaubhafter. Denn so konnte er es vor den kritischen Augen der Öffentlichkeit seiner Zeit nach der freiwilligen Offenbarung auch noch wie eine Halbwahrheit aussehen lassen. Seinen Informanten Hyginus konnte er dadurch um so mehr der Gefahr entziehen, damit in Verbindung gebracht zu werden. Es ist zudem auch denkbar, dass es Hyginus sogar selbst war, der es aus taktischen Gründen zum Gerücht abwertete, denn auch er lebte mit jedem zuviel gesagten Wort gefährlich und überließ es Ovid wie er damit umzugehen gedachte. In dem Ovid wohl wissend, dass es kein bloßes Gerücht war darauf basierend für den Kaiser ein Szenario erdichtete, wonach es in absehbarer Zukunft einen wundersamen Triumphzug in Rom geben würde, an dem all jene Schergen, die ihm in Germanien von cheruskischer Seite aus die Schmach der Niederlage beibrachten teilnehmen würden, konstruierte er sozusagen sein eigenes dichterisches Reliefband. Eines in der Art wie es später in plastischer Form die Mark Aurel Säule schmückte. Der Übersetzung nach, die es zu einem Gerücht hochstilisierte spricht allerdings auch noch für eine andere Auslegung der frühen Unglücksbotschaft aus Ostwestfalen. Und die träfe ebenfalls in Gänze auf die damalige Stimmungslage zu, wie man sie sich in Rom nach der Hiobsnachricht aus Germanien vorstellen kann. Ovid könnte aus Sicherheitsgründen auch zu dieser Vorkehrung gegriffen haben, in dem er es als ein Gerücht bezeichnete. Denn war es denn alles auch tatsächlich so in den dunklen Wäldern Germaniens geschehen, oder war man hier am Ende noch einer Falschmeldung aufgesessen. Wie wäre es, hätten sich die Nachrichten aus Germanien nachträglich als Irrtum heraus gestellt. So wäre es gar nicht auszudenken gewesen, wenn Kaiser Augustus dann noch obendrein seine Prosa zu lesen bekommen hätte. Ein Gedicht über ein Ereignis das sich nachträglich als Fehlinformation erwies, da war es doch besser alles schon mal vorher als ein Gerücht darzustellen. Denn es schien vielleicht anfangs so, als ob man alle Nachrichten die in diesen Tagen aus dem Norden die Hauptstadt erreichten für unglaublich halten musste. Denn es war einfach völlig unvorstellbar absurd und undenkbar, dass es so eine dramatische Niederlage überhaupt geben konnte. Denn seit der Schlacht von Carrhae 53 – kannte man so etwas nicht mehr. Eine Armee in der man allgemein und historisch belegt, die beste im ganzen Imperium sah und die man für unbezwingbar hielt. Diese sollte angeblich in kurzer Zeit in Germanien und noch dazu von einem militärisch unterlegenen Feind förmlich verschluckt und aufgerieben worden sein. Es war wohl letztlich ein Mix aus allem. Jene, die in Rom mehr wussten hielten den Atem an und schwiegen, während die anderen weitere Nachrichten aus dem Norden abwarten wollten. Aber Ovid musste sich in alle Richtungen absichern, bevor er zur Feder griff, wartete also möglicherweise noch bis ins Jahr 10 +. Denn all das konnte ja eigentlich in den Augen vieler auch nur ein böses Gerücht gewesen sein, zumindest könnte Ovid es auch noch selbst für ein solches gehalten, oder es eben auch als ein solches bewusst gekennzeichnet haben, um in seiner Situation Vorsicht walten zu lassen. Nun ja, im Kaffeesatz der Geschichte zu lesen war eben immer schon eine schwierige Aufgabe. Unmittelbar nach dem es Ovid als ein Gerücht darstellte, wird die Übersetzung seiner Metamorphosen diffuse. Denn ab diesem Moment beginnt Ovid damit, den Inhalt seiner „Tristia“, also das was er kurz zuvor noch selbst als ein bloßes Gerücht bezeichnete, doch in eine scheinbar real existierende Siegeszugveranstaltung zu verwandeln. So wirkt sein Gerücht urplötzlich nicht mehr wie ein Gerücht und nimmt scheinbar reale Züge an. Damit nimmt es die, wie es wohl auch von Ovid bezweckt war irrealen Züge einer Scheinwelt an. Denn der Leser spürt nun instinktiv, dass Ovid den Boden von Gerücht und Vision verlassen möchte und es wie eine reale Begebenheit darstellen möchte. Denn nun beschreibt er uns seinen originären Traum wie ein lebendiges Ereignis, indem er basierend auf den Informationen von Hyginus dem ganzen Volk von Rom einen Triumphzug samt germanischem Feldherrn vorgaukelt, den es nie zu Gesicht bekommen hat und auch nie sehen wird. Das Volk sieht, wie die reuigen germanischen Sünder, die in ihren Augen alle Verbrecher waren, da sie Verträge brachen, nun gesenkten Hauptes und teils auf den Boden starrend an Augustus vorbei geführt werden. Also jene Germanenhäuptlinge, die von Ovid Könige genannt wurden bzw. so übersetzt werden und die dem Imperium diesen herben Verlust an Soldaten einbrachten. Die ihm die gewaltige Machteinbuße zufügten und ihm damit so schwer geschadet hatten. So sollten die Phantasien des Ovid den geheimen Wunschträumen des Augustus recht nahe kommen. Sein lebhaftes Vorstellungsvermögen, wie jene damaligen germanischen Hauptverantwortlichen vor Augustus in den Staub gedrückt wurden war recht ausgeprägt und müsste den Kaiser wieder wohl gesonnen stimmen. Dieser erdachte Triumphzug wie ich ihn im nächsten Kapitel kommentiere, sollte Augustus erweichen und ihm am Ende die ersehnte Rückkehr nach Rom ermöglichen. Hyginus war für Ovid sein Kontakt zur Außenwelt und Hyginus wollte ihm möglicherweise helfen seine Isolation etwas zu erleichtern. Was hätte ihm also damals nicht näher gelegen, als dass er sich auch mit dem Dichter Ovid über die Varusschlacht ausgetauscht haben könnte. Vielleicht sogar für Hyginus nichts ahnend, dass Ovid in seinen Nachrichten eine letzte Chance erkannte, die ihn nach Rom zurück führen konnte. In diesem Fall könnte man auch sagen, Ovid könnte Hyginus missbraucht haben. Resümierend kann man sagen, dass Gaius Julius Hyginus letztlich einen großen Bekanntenkreis hatte und einer dieser bedeutenden Personen zu denen er in Kontakt stand, war eben auch sein Freund dieser besagte und uns namentlich bekannte Dichter Publius Ovidius Naso zu deutsch Ovid. Dieser Mann war neben Vergil und Horaz einer der drei großen Poeten der klassischen römischen Epoche. Geboren wurde er 43 - und er starb im Jahr 17 +, dem Jahr, in dem der Feldherr Germanicus seinen lang ersehnten Triumphzug in Rom ausgerichtet bekam. Und was uns Ovid hinterließ könnte nach aller Schlussfolgerung seine Quelle möglicherweise in Gaius Julius Hyginus gehabt haben. Was Ovid uns hinterlassen hat, ist also hoch interessant, gleichermaßen aber auch gewöhnungsbedürftig, denn Ovid der Freund von Hyginus und war ein Dichter und kein Historiker. Und das was er dichtete stellt zweifellos ein äußerst schwer verdauliches Produkt dar. Aber was hätte man von einem Poeten auch anderes erwarten sollen. Wenn sich also der Verlauf bzw. die Informationsschiene von Hyginus zu Ovid in dieser Form vollzogen haben sollte, so ist das erste je zu Papier gebrachte Schriftgut, dass uns überhaupt etwas zur Varusschlacht verrät von Ovid dem Poeten gewesen. Und wer hätte da von einem Poeten auch etwas anders erwartet, als eben „nur“ ein Gedicht. Da wir aber auf die Asprenas Depesche leider verzichten müssen da wir ihren Inhalt nicht kennen, geben wir uns also zunächst einmal mit einem Gedicht zufrieden. Und ein Gedicht auf historische Weise zu hinterfragen und analysieren zu müssen, ja gar zu dürfen, ist beileibe eine Herausforderung. Aber auch über dichterisch verschlüsseltes Wissen über Germanien und seine Bewohner zu Zeiten der Varusschlacht verfügen zu können, ist uns höchst willkommen, erfordert aber ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Und Gefühle einzusetzen sind in der Historie wie auch bei der Bodenforschung bekanntlich keine harte und belastbare Währung. Aber auf der Suche nach der Erkenntnis sind wir auch gerne bereit beides mit einander verschmelzen zu lassen, wenn es uns denn zu einer besseren Einsicht verhilft. So ranken sich also viele Auslegungen um all das, was uns Ovid hinterließ und was uns gedankliche Freiräume eröffnet. Denn seine Dichtkunst gestattet es uns im frühen Morgentau unserer Geschichte einen ersten Blick auf das aus römischer Sicht tragisch verlaufene Ereignis in Ostwestfalen werfen zu können. Sich aber mit einem Ovid Gedicht zu befassen, ja geradezu befassen zu müssen, da wir uns mangels anderer Hinweise nur auf diesem Wege weiter vorwärts bewegen können ist ein heikles Unterfangen. Aber es zwingt uns die nüchterne Wissenschaft einmal mit der blumigen Dichtkunst verknüpfen zu müssen und es erfordert, dass wir uns schon fasst an die Grenzen historischer Belastbarkeit herantasten müssen. Eigentlich ein Unding für jeden seriösen Historiker. Das man in den antiken Zeiten das Unterhaltsame gegenüber dem Informativen bevorzugte, um die Menschen besser erreichen zu können, ist ein Wesensmerkmal der frühen historischen Literatur, aber in diesem Fall auch ein Rettungsanker zu dem wir gerne greifen, wenn wir mehr erfahren wollen. Aber wer war diese ominöse Gestalt auf die wir blicken können, nachdem sich die ersten Nebel lichteten. Ovid stünde demnach das literarische Urheberrecht zu sich posthum nicht nur als Dichter, sondern auch als Historiker bezeichnen zu dürfen. Denn hinter Gaius Julius Hyginus erkenne ich mehr den in seinen Tätigkeiten eingeschränkten Staatsbeamten, als den weltoffenen Historiker. Es könnte also Ovid gewesen sein, der uns noch vor allen anderen auf Basis der Informationen von Hyginus den Ersthinweis auf die Schlacht gab. Rein dichterisch beschrieb er die vermeintlichen Protagonisten und ließ sie in Schmach und Schande auftreten. Ovid überließ es letztlich der Nachwelt sich um eine einfühlsame Interpretation seiner Klagelieder, den Metamorphosen und die richtige Zuordnung in die Geschehnisse des Jahres 9 + zu bemühen. Es bestand selbst bei differenzierter Betrachtung eine Verbindungslinie zwischen Hyginus dem Bibliothekar aus Rom und seinem Freund dem Dichter Ovid in Constanta. Und wenn die Hyginus Depesche aus Rom sogar noch in der Endphase seines Lebens Ovid erreichte, so könnte Ovid diese immer noch genutzt haben. Und es spricht in der Tat sogar einiges dafür, dass Hyginus selbst im Jahre 10 + noch lebte. So gibt es bekanntlich Historiker die einer Anrede von Ovid an Hyginus im Jahre 10 + im Zusammenhang mit dem dritten Buch der Tristien meinen entnehmen zu können, dass sogar noch in diesem Jahr die Bibliothek unter der Leitung von Hyginus stand. Einer Bibliothek die in dieser Zeit aufgrund höherer Anweisung über keine Schriften des Ovid mehr verfügen durfte. Und auch wenn Hyginus selbst wie uns überliefert ist im Alter verarmte und um diese Zeit wohl auch nicht mehr im Dienst war, also nicht mehr seiner früheren Tätigkeit nach ging, so bedeutet dies nicht, dass er als Freund von Ovid diesen nicht immer noch auf schriftlichen Wege über die allgemeinen und aktuellen Ereignisse im Imperium informiert haben könnte. Und das natürlich zuvorderst in Dingen, die sich auf die Varusschlacht bezogen. Während man historischerseits Ovid dem Dichter, nur eine Art Randerscheinung im Wissen um das große Kräftemessen der Varusschlacht zubilligen möchte, so musste die Fachwelt auch nahezu zwangsläufig seinen bedeutungsvollen Hinweis zum Präludium bzw. zum Auftaktgeschehen der Schlacht übersehen. Denn eine auf den ersten Blick unscheinbare Notiz von Ovid, die sich auf den Tag bezogen haben könnte, als Varus sein erstes Marschlager bei Brakel verließ, erweckte meine Aufmerksamkeit. Eine kurze Botschaft die nur auffallen kann, wenn man den Verlauf der Varusschlacht wie ich es bereits in einem anderen Kapitel darstellte in einen fließenden und übergangslosen Zusammenhang bringen kann. Eben wie aus einem Guss sollte es sein und sollte sich wie eine Abfolge von Ereignissen nahtlos aneinander reihen. Es war eine brisante Meldung noch aus der Feder des Bibliothekars Gaius Julius Hyginus an Ovid. Eine mutige Zwischenmeldung, die Ovid riskanterweise unverschlüsselt in seiner Tristia verarbeitete und auf die ich im nächsten Abschnitt noch eingehen möchte. (7.9.2019)