Mittwoch, 2. Oktober 2019
Marcus Manilius - Er sah in die Zukunft ohne den Bezug zur Gegenwart zu verlieren
Neben dem Dichter Ovid lebte einige Jahre zeitgleich, wenn auch an getrennten Orten eine weitere für unser Thema interessante Persönlichkeit. Es handelt sich dabei um den Astronomen und Astrologen Marcus Manilius und beide waren sie Söhne des gleichen Zeitalters. Nämlich des Augusteischen als auch des darauf folgenden Tiberianischen, das sich auch die Klassik nennt. Die germanischen Abwehrschlachten gegen Rom spiegelten sich für ihn auf „feurige Art und Weise“ in den Sternen wider, aber er wusste auch über Dinge zu berichten die Detailkenntnisse über die Verhältnisse in Ostwestfalen voraus setzten. Den Namen Varus erfahren wir im Zusammenhang mit der gleichnamigen Schlacht erstmals aus dem Munde von Kaiser Augustus. Das wird uns allerdings erst rund 100 Jahre später vom römischen Schriftsteller Sueton berichtet bzw. bestätigt. Manilius war aber der Mann, der den Namen Varus schon wenige Jahre nach der Schlacht kannte und ihn zudem noch zu Papier brachte. Wann also etwas nieder geschrieben wurde und auf welchen verschlungenen Wegen wir es dann erfahren macht also einen erheblichen Unterschied aus, aus dem große Zeitsprünge werden können. Eine Tatsache mit der man in Historikerkreisen umgehen und leben muss. Dies lässt die Geschichtsforschung oftmals zum Schlachtfeld von Interpretationsduellen, seltsamen Auslegungstheorien und profanem Rätselraten werden. In Manilius erkennen wir einen frühen römischen Forscher und damit zweifellos einen für die damaligen Zeiten Kenner und Experten seines Fachs. Die Kunde von der Sternendeutung und die Erforschung der Funktion des Universums ist seit Menschengedenken eine faszinierende Wissenschaft. Die dadurch mögliche Navigation sowie die Aussaat Zeiten können aus ihr sogar eine Überlebensfrage machen. In den Gestirnen zu lesen führt dennoch häufig zu sich überkreuzenden Theorien und Hypothesen bis in unsere Tage. Dies gilt gleichermaßen für die Glaubensfrage was an die Astrologie gerichtet ist, als auch die Wissensfrage bezogen auf die Astronomie. Ob Manilius ein Anhänger der Auguren war, die einen religiös motivierten Beamtenstaat im Staate ausmachten, ist schlecht vorstellbar, denn das Flugverhalten von Vögel oder das von Bienenschwärmen zu deuten, könnte ihn nicht überzeugt haben. Allerdings werden ihm andererseits die uralten Kenntnisse und die Bedeutung um die Plejaden für die Landwirtschaft sicherlich nicht fremd gewesen sein. Ein wichtiges verbindendes Element zwischen den Gestirnen und der menschlichen Existenz, wie es uns auch durch die Himmelscheibe von Nebra aber auch durch Bauwerke bestätigt wird. So bevorzugte er den Blick in die entfernten Sphären, wenn er das Irdische enträtseln wollte. Bei der Betrachtung der Varusschlacht nimmt daher dieser Mann eine interessante Rolle ein. Aber auch er ist kein Historiker und auch kein Geschichtsschreiber, sondern ein Mann der sich einer völlig anderen Disziplin zugewandt hat. Ihm standen die Naturgesetze näher und über Kriege berichtete er nur, wenn sie sich mit seinen Visionen über die Erdrotation, mit Kometen oder Himmelserscheinungen in Verbindung bringen ließen. Während es dank einer geschickten Innenpolitik von Kaiser Augustus gelang in dieser Zeit die Bevölkerung vor den äußeren Gefahrenherden erfolgreich abzuschotten, kann man den Eindruck gewinnen, dass die schreibende Zunft der Historikerwelt jener Tage allesamt noch mit einem Maulkorb ausgestattet leben musste. Eine Zeit in der man nur der Wissenschaft und der Epik gewisse Spielräume zur Nutzung zu zu billigen schien. Aber wir wissen andererseits auch nicht was die Historikerzunft letztendlich doch hinterlassen haben könnte. Wäre es möglich noch in den verschollenen Werken eines Plinius zu blättern, so dürfte unser Wissenstand ein besserer sein, aber viele wertvolle Bibliotheken Roms werden in den Jahrhunderten nach der Varusschlacht in Flammen aufgegangen sein. Aber mit dem Astronomen Marcus Manilius befasste sich nun nach einem den Musen nahe stehendem Mann wie dem Dichter Ovid nun auch ein Mann mit der Thematik, der sich damals zuvorderst mit der Erforschung des Sternenhimmels beschäftigt hatte und in dem man mehr Bodenhaftung erkennen könnte oder sollte. Er wird uns in allen Quellen als eine wahrhaft nebulöse Figur beschrieben, da über ihn nur sehr wenig bekannt geworden ist. Bis in unsere Tage hat er nur dank seiner Verse die Jahrhunderte im übertragenden Sinne überlebt. Und auch nur deswegen, nämlich auf Basis seiner schriftlichen Hinterlassenschaften in Form der von ihm stammenden Darstellung des damaligen astronomischen Wissensstandes, ist er uns historisch in Erinnerung geblieben und man hat nach ihm sogar einen Mondkrater benannt. Seine Aufzeichnungen tragen den Namen „Astronomicon libri V" und ohne seine Werke, wäre er uns wohl völlig unbekannt geblieben und  nicht in die Geschichte, explizit in die der Varusschlachtforschung eingegangen. Er soll im frühen ersten nachchristlichen Jahrhundert gelebt haben, was man auch immer darunter verstehen darf, so dass sich Ovid und er, wenn auch nicht persönlich, so doch da sie Zeitgenossen waren, noch gekannt haben könnten. Vor der Historie wetteifern diese eigenartigen Persönlichkeiten darum, zu den ersten Chronisten zählen zu dürfen, denen wir etwas mit historischem Bezug zur Varusschlacht entlocken können. Aber Marcus Manilius ist eine jener frühen und wie dargestellt kaum identifizierbaren Gestalten, die man was den geringen zeitlichen Abstand zur Varusschlacht anbelangt noch gemeinsam mit dem Dichter Ovid auf eine Stufe stellen darf. Und was die Frage nach der ersten Erwähnung der Schlacht anbetrifft bzw. wem sozusagen das literarische "Ersterwähnungs - also Urheberrecht“ an der bedeutsamen Varusschlacht zu steht, könnte man sogar noch eine gewisse Rivalität unter beiden ausmachen. Ungeachtet dessen, dass Ovid der Gewinner dieses inoffiziellen Wettbewerbs ist, besitzt und behält Manilius für uns seinen hohen Stellwert. Manilius kann man trotz seiner wenigen Zeilen besondere Verdienste zuschreiben die wir gerne würdigen und denen wir uns in Bezug auf die Varusschlacht mehr widmen sollten, als es bisher geschah. Wer von beiden hat sich also das besondere Privileg erworben oder kann sich den Ruhmestitel anheften, noch vor allen anderen antiken Historikergrößen auf den Untergang der Legionen im Teutoburger Wald einen Hinweis gegeben zu haben. Welchen Maßstab oder welches Unterscheidungsmerkmal müssten wir also ansetzen, um hier zwischen beiden den richtigen also den gerechten Schiedsspruch zu fällen. Oder steht in der Rangordnung möglicherweise gar doch dem Astronomen Manilius das Recht zu, sich noch vor Ovid zu schieben und sich als den Mann feiern zu lassen, der der Varusschlacht ans literarische Licht der Welt verhalf. Denn nur Manilius. den Kaiser Augustus mal außen vor gelassen, war der von beiden, dem wir es verdanken, dass man der Schlacht einen Namen geben konnte. Denn er nannte es eine römische Niederlage. Und anders lässt es sich auch nicht ausdrücken, wenn man wie er schreibt, dass in Germanien die drei Legionen des Feldherrn Varus dahin gerafft worden seien. Und von diesem Moment an dürfen wir es auch ruhigen Gewissens als die „Schlacht des Varus“ bezeichnen. Denn er erwähnte ja nicht Arminius. So dass uns so gesehen, die Formulierung bzw. das historische Ummünzen in „Arminiusschlacht“ auch nicht zusteht. Manilius war folglich der Namensgeber und nur ihm sind wir daher auch in etwa verpflichtet es bei der Bezeichnung „Varusschlacht“ bewenden zu lassen. Man schlussfolgert, dass Manilius nur wenige Jahre nach Ovid berichtet habe, da seine Informationen weiter reichen, schon eindeutig stichhaltiger und somit auch zuordnungs- und belastungsfähiger sind, als die des Dichters Ovid. Wir dürfen aber auch nicht übersehen, dass neue Kunde und neue Details zur Varusschlacht in Rom früher eintrafen, als bei Ovid in Constanta und das für Ovid alles vom Nachrichtenfluss des Hyginus abhing und er zudem sehr wählerisch und vor allem vorsichtig in Ausschmückung und Ausgestaltung seines Gedichtes sein musste. Denn Ovid konnte sein Pulver an Wissen auch nicht beliebig und letztlich nur einmal verschießen und er konnte daher keine aktuellen Bezüge zur Schlacht in Gedichtform verkleidet in späterer Zeit nachschieben, um beim Kaiser auf einen Sinnesumschwung hin zu arbeiten. Manilius nannte uns hingegen bereits „Ross und Reiter“, zur Varusschlacht. Er erwähnte nämlich als erster antiker Autor die drei Legionen, über die uns Ovid kein Wort verriet, bzw verraten durfte.  Und er nannte uns auch den Namen des Feldherrn Varus, den wir ebenfalls bei Ovid vermissen. Und auch andere Informationen und mögliche Fakten müssen wir aus den Hinterlassenschaften des Ovid erst mühsam und noch dazu mit gewagtem Kombinationssprüngen heraus rekonstruieren. Während wir sie bei Manilius schon lesen dürfen. Aber sich Manilius zu widmen ist da nicht unproblematischer, jedoch eine Aufgabe, der sich jeder an der „Clades Variana“ Interessierte nach seiner eigenen Methodik stellen sollte. Aber es muss trotzdem für die weitere Herangehensweise festgehalten werden, dass uns weder Manilius noch Ovid etwas Konkretes über die Person und den Verrat des besonders geschichtsträchtigen Herrn Segestes an seinem Volk sagen konnten. Und wir erfahren auch von beiden nichts darüber, wie und das Segestes den Feldherrn Varus vor seinen eigenen Landsleuten warnte.  Dieses Detailwissen könnte sich demnach noch ihrem Wissenstand entzogen haben bzw. es hatte sich in diesen Jahren noch nicht bis Italien verbreitet, als beide Männer zur Feder griffen. Der eine möglicherweise in Rom, der andere in Constanta. Man kann es aber wie so vieles auch anders sehen. So könnte es auf Ovid der wie ich vermute auf die Briefe des Hyginus angewiesen war noch zutreffen, dass ihm ein gewisser Mann mit dem Namen Segestes noch gar nicht bekannt war, als dieser aus der Verbannung heraus seine „Tristia“ erdichtete und er ihn deswegen auch nicht erwähnen konnte. Manilius hingegen könnte vom Segestes Verhalten schon gewusst haben, denn er schrieb den Recherchen nach später und dürfte Ovid überlebt haben. Zudem lebte Manilius wenn nicht sogar in Rom direkt so doch zumindest in seinem Großraum, der damals quirligsten Region im ganzen Imperium und unmittelbar am Puls des Zeitgeschehens, denn ihn hatte man nicht in die Verbannung geschickt. Manilius hat es möglicherweise auch gar nicht für nötig befunden noch dazu in einer astronomischen Lehrschrift, so tief in ein anderes ihm sachfremdes, weil historisches Metier einzusteigen. Aber Ovid und Manilius lieferten uns doch beide gemeinsam und in der Summe betrachtet, die aller ersten Informationen über jene sozusagen „gerade erst“ in Ostwestfalen zu Ende gegangenen Kampfhandlungen. Aber auf dem Astronomen Markus Manilius lastet dennoch ein aus wissenschaftlicher Sicht her rührender und nicht unbegründeter Makel, was die zeitliche Zuordnung seiner Überlieferung anbelangt. Denn Manilius in dem alle einen ganz frühen, wenn nicht gar den ersten Informanten der Varusschlacht meinen erkennen zu können ist eine Person, über die uns nur sehr wenig bekannt ist und das lässt Zweifel zu. Denn das ihm je nach Sichtweise zugestandene Privileg von beiden, möglicherweise der erste Römer gewesen zu sein, der uns etwas „Handfestes“ über diese Schlacht hinterließ die man später Varusschlacht nannte, wackelt. Denn das A & O historischer Untersuchungen nämlich das exakte Wissen um den Zeitpunkt der Niederschrift seiner Überlieferungen ist strittig. Denn nur eine veröffentlichte also bekannt gewordene Niederschrift entscheidet letztlich auch über die Rangfolge aus welcher Feder der Ersthinweis stammt. Denn die Chronologie sagt auch vieles über die Verbreitung der Wissensströme aus. Der "Terminus post quem" also der greifbare zeitliche und letzte Bezug seiner Schrift zum Zeitgeschehen ist definitiv die Varusschlacht des Jahres 9 -. Aber etwas Wesentliches wird für immer unklar bleiben, nämlich der Zeitpunkt wann Manilius selbst etwas von der Schlacht erfuhr, wann er dann darüber schrieb und wann genau die Öffentlichkeit etwas von seinem Werk zu lesen bekam. Denn anders als bei Ovid, der seine Zeilen mit Varushintergrund eindeutig an den Kaiser Augustus richtete, verfügen wir bei Manilius nicht über diesen zeitlichen Anhaltspunkt. Wir stehen dieser Tatsache besser gesagt diesem Unwissen aber auch nicht völlig argumentionslos gegenüber, können also möglicherweise sowohl etwas zu seinem Wissenstand, als auch zur Datierung vorweisen. Er hat sein Werk „Astronomica“ wie ein Lehrgedicht verfasst und er soll es, wie eine Analyse ergab in einer Zeit manuskriptartig entworfen haben, als Augustus noch Kaiser war. Aber es gelang ihm weder unter Augustus noch unter Tiberius es zu vollenden. Obwohl unfertig, stellt es für uns eines der wichtigsten Niederschriften überhaupt aus der römischen Kaiserzeit dar. Sollte er es also noch zu Lebzeiten von Kaiser Augustus nieder geschrieben haben, wie manche Historiker annehmen bzw. es die gängige Lehrmeinung ist, so hieße das, er hätte es noch vor dem 19. August 0014 dem Todestag des Kaisers verfasst oder besser gesagt begonnen haben müssen. Wäre es an dem, so hätte Manilius bereits nahezu parallel bzw. was man immer unter parallel versteht zu Ovid folglich nur wenige Monate oder Jahre vor oder nach Ovid über das Wissen zur Varusschlacht verfügt. Aber wir können es nicht nach prüfen. Etwas wissen, etwas nieder schreiben und etwas veröffentlichen ist ein Prozess, der sich lange hin ziehen kann. Von alledem können wir nichts mit Bestimmtheit zeitlich fixieren und es lässt sich nur minimalen Hinweisen anhand von Regierungsjahren der Kaiser, Adressaten oder Namensnennungen entnehmen. Selbst der "Terminus post quem" der sich auf die Varusschlacht bezieht offenbart uns nicht exakt, wann er etwas von der Schlacht erfuhr sondern nur, dass er von ihr erfuhr. Könnten wir mit Bestimmtheit sagen, wann Manilius es erfuhr, so dürfen wir auch erst schlußfolgern, ob ihn das Wissen über die Varusschlacht in Rom noch vor oder erst nach Ovids Tristia, der bereits in Constanta lebte erreichte. Manilius stünde also nur möglicherweise die Ehre zu, der Erstinformant der Varuschlacht gewesen zu sein. Es steht aber auch der nicht unbegründete Verdacht im Raume, er könne zwar von der Varusschlacht schon unter Kaiser Augustus etwas erfahren, aber andere Teile seiner Informationen erst unter Kaiser Tiberius bekommen und integriert haben. Letztlich lässt es sich aber nicht zurück rekonstruieren. Einiges von seinem Wissen, dass er vor 14 + hatte, wäre dann erst nach dem Jahr 14 + in Verbindung mit erweitertem Wissen in seine „Astronomica“ eingeflossen. Allerdings hätte er damit sein Alleinstellungsmerkmal verloren und rangiert demzufolge nach Ovid. Denn er hatte es unter Tiberus unvollendet hinterlassen während es Ovid definitiv schon an Augustus schrieb. Was aber wie dargestellt immer noch nicht bedeutet, dass Manilius das Wissen nicht schon zu Zeiten von Kaiser Augustus gehabt haben könnte, aber eben nur das Wissen. Bekannt gemacht wurde es aber erst unter Tiberius. Und nur das zählt. Wir werden es nie erfahren, aber es gibt einen Hoffungsschimmer bzw. Anhaltspunkt, der uns verraten könnte, dass er über weiteres Wissen zur Varusschlacht und den Umständen erst verfügte, als schon Tiberius an der Macht war und was ihm in den Zeiten der Herrschaft des Augustus noch nicht bekannt war. Zusammen gefasst. Manilius erfuhr vor 14 +, dass die Varusschlacht statt gefunden hat. Was auch nicht verwundert. Manilius schrieb es in dieser Zeit auch nieder bzw. konzipierte es, was ebenfalls nicht verwundert. Aber sein unvollendetes Werk das zusätzliche Informationen enthielt, gelangte erst unter Tiberius an die Öffentlichkeit. Dies würde auch meine Theorie bestätigen, da er Abläufe nieder schrieb über die vor 14 + in Rom meines Erachtens noch niemand verfügte. So hätte Manilius einige der Kenntnisse die er besaß und die über den bloßen Tatbestand der Varusschlacht hinaus gehen auch erst in den Zeiten erworben, als bereits Tiberius Kaiser war. Darauf möchte ich gleich zurück kommen. Was nun seinem Stellenwert einen Abbruch tut ist die Tatsache, dass in der Zeit als Tiberius Kaiser war, auch schon ein anderer Historiker nämlich der Geschichtsschreiber Strabon detailliertes  über die Varusschlacht berichtete. Und damit befände sich Manilius schon in der chronologischen Gesellschaft und hätte eine Schnittmenge zu einem anderen Geschichtsschreiber der ebenfalls und sogar schon über ein sehr weit gehendes Wissen verfügte. Und in den Zeiten als Tiberius ab 14 + römischer Kaiser war, war es in den Historikerkreisen auch schon der allgemein verbreitete Wissenstand, dass ein Germane Namens Segestes den Feldherrn Varus vorher gewarnt hatte. Und aus der Präsenz bzw. dem Auftreten eines Segestes in Rom kann man nach dem Eckdatum 9 + für unsere Forschung einen zusätzlichen "Terminus post quem" ableiten. In der Rekapitulation bedeutet es, dass das Wissen zu Zeiten des Historikers Strabon bereits angewachsen bzw. fort geschritten war, denn in dieser Zeit konnte man schon auf die wichtige mündliche Quelle eines Segestes zurück gegriffen haben. Und Segestes könnte beiden also demnach sowohl Strabon als auch schon Manilius als eine solche Quelle gedient haben. Unter dieser Prämisse betrachtet könnte bzw. müsste man Manilius zeithistorisch nach Ovid ansiedeln. Daraus abzuleiten, dass sowohl Ovid als auch Manilius den Fürsten Segestes namentlich nicht erwähnten, weil sie in der Zeit vor Segestes ihre Schriften verfasst hätten, läge also bei Ovid aufgrund seines Alters im Rahmen des Möglichen und für ihn war Segestes folglich noch gar nicht präsent. Aber bei Manilius ließe es sich schon zaghaft spekulieren, denn er könnte seine „Astronomicon“ schon auf Basis des Wissens von und über Segestes verfasst haben auch ohne das er seinen Namen nannte oder kannte. Einen Anhaltspunkt für diese Überlegung liefert uns ein kleiner Hinweis, besser gesagt eine minimale Randnotiz am Ende seiner Überlieferung die wir in diesem Sinne verwerten können. Ungeachtet dessen, wann es Markus Manilius nun hinterließ, ob vor dem Eintreffen von Segestes in Rom oder danach, müssen wir in Manilius doch einen wertvollen Hinweisgeber auf die Ereignisse im Zuge der Varusschlacht sehen, auch wenn er nach Ovid rangiert. Denn er macht es uns im Vergleich zum Dichter Ovid ungleich leichter ihm auch aus historischer Sicht zu folgen. Obwohl auch Manilius auf viele Dinge verzichtete, da sein Text extrem kurz ausfällt, die für uns sehr bedeutsam gewesen wären, wenn er sie uns denn mitgeteilt hätte. Zum Beispiel, ob und wie viel Überlebende es damals gab. Er hätte uns auch ohne sein Fachgebiet verlassen zu müssen, also aufgrund seines Wissens über die Gestirne auch sagen oder andeuten können, ob die Schlacht beispielsweise bei Vollmond, unter welchem Sternzeichen, oder ob sie gar zum Äquinoktium ihren Anfang nahm. Marcus Manilius der wohl in Rom lebte war wie man annehmen kann, obwohl Astronom, einer der frühen bekannt gewordenen Personen der sich, wenn auch nur indirekt als Historiker betätigte. Aber beim genauen Studium seiner Zeilen, muss man wohl davon ausgehen, dass er einen Bogen schlagen wollte. Nämlich den von den kosmischen Signalen oder Warnzeichen die schon über der Menschheit lagen und die er am Nachthimmel erblickte, bis hin zu den daraus resultierenden irdischen Konsequenzen, die die Ereignisse am Firmament aus seiner Sicht betrachtet zwangsläufig nach sich ziehen bzw. auslösen mussten. So berichtete er in seiner individuellen Art über das, was sich im Überirdischen zutrug und was er davon ableitete. So waren Himmelserscheinungen wie Kometen in der Antike die Unglücksboten schlechthin und das dahinter stehende angekündigte Unglück war schon auf dem besten Wege das Imperium in seinen Grundfesten zu erschüttern. Dies verleitete ihn zu der Annahme, dass die folgenden Zerwürfnisse nur ein Resultat der von ihm erwähnten himmlischen Feuer sein konnten, die sichtbar in Erscheinung traten. Und dies dann letztlich dazu führte, dass in Germanien der besagte „plötzliche Aufruhr aufflammte“. Im weiteren Verlauf wurde er deutlicher und formulierte, dass drei Legionen unter der Führung des römischen Feldherrn Varus dahin gerafft worden seien. Was für ihn natürlich nicht überraschend kam, denn er sah es bereits voraus. Das seine astrologischen Fähigkeiten so weit gingen, dass er sogar vom Tatbestand des Vorhandenseins von Verträgen wusste, denn er schrieb, dass dem Aufruhr ein Vertragsbruch voraus ging, klingt da eher nach handfestem Wissen, als nach Sternendeutung. Ihm war zudem bekannt, dass Heimtücke im Spiel war bzw. den Aufruhr begleitete. Dies spricht dafür, dass Manilius auch schon die germanische Strategie des Hinterhaltes gekannt haben müsste. Er wusste sehr viel, aber er konnte nicht oder noch nicht die germanischen Drahtzieher des Komplott mit Namen nennen. Ebenso deutete er bereits den Zwist, sprich die Uneinigkeit in den verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der germanischen Fürstenhäuser an, die er schon zu einem Bürgerkrieg hochstilisierte. Ein Wissenstand der irritiert, denn er ermöglicht Schlussfolgerungen. Denn von einem Bürgerkriegs ähnlichen Zustand, also einer stammesinternen Fehde könnte man erst ab dem Jahre 15 + sprechen, als Arminius den Segestes Sitz belagerte. Denn vorherige Ereignisse in Germanien ließen diese Beschreibung nicht zu. Es wäre also erstaunlich anzunehmen, Manilius hätte noch zu Lebzeiten von Augustus also noch vor 14 + gewusst, dass in Germanien ein gewisser Segestes eine Zentralfigur im Ringen der beiden Fürstenhäuser gegeneinander war und den Zwist ausgelöst habe. Denn diese Nachrichten hätten und das ist wiederum kaum vorstellbar, aus dem inneren Germaniens in einer Zeit gegenseitiger Funkstille nach Rom fließen müssen. So erwähnte er den Namen Segestes auch nicht explizit, da er ihn nicht kannte. Bis auf den Namen des Segestes war ihm jedoch schon vieles bekannt gewesen. Man möchte sagen, eigentlich schon ein bisschen zu viel an Detailwissen, was uns Manilius da zu so früher geschichtlicher Stunde bereits vermitteln konnte. So vermischte er in seiner Überlieferung das faktische Wissen seiner Zeit und verband es mit den bedrohlichen überirdischen Konstellationen, die ihm als Astronomen natürlich aufgefallen waren oder von denen er wusste. Und da können wir uns nun noch mal die Frage stellen, seit wann man in Rom, aber vor allem seit wann ein Astronom wie Manilius überhaupt etwas über die verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der cheruskischen Fürstenfamilie wissen konnte. Denn wie und wann sollte dieses Wissen nach Rom gelangt sein. Ob dieser tiefe Kenntnisstand bereits über die wenigen überlebenen Reiter des N. Vala und dann über Asprenas an den römischen Hof gelangen konnte, bzw. diese Reiterlegionäre überhaupt selbst etwas davon wussten ist sehr fraglich. Und diese Boten hätten auch lediglich etwas zum Verrat sagen können, darin aber bereits einen schwelenden Bürgerkrieg erkennen zu können war der Vala Kavallerie noch nicht möglich, als diese 9 + mit heiler Haut an den Niederrhein entkamen. Das Wort Bürgerkrieg suggeriert also allemal einen Wissenstand bei Manilius der eher in die Folgejahre nach 15 + weist. Meines Erachtens konnte sich dieser Kenntnisstand erst in Italien herum gesprochen haben, als Segestes samt Germanicus in Rom die ersten mündlichen Kontakte zu den römischen Historikern und anderen Interessierten aufnahm. Wenn ich später noch das Kapitel Segestes im Hinblick auf seine grundsätzliche Glaubwürdigkeit aufschlage, so stellt sich im gleichen Zusammenhang auch die Frage, was und ob Segestes überhaupt jemals etwas mit Varus im Vorfeld der Schlacht besprach und ob man seinen oder seine Warnrufe nicht sogar anzweifeln muss. Letztlich folgte vermutlich auf die Varusschlacht des Jahres 9 + eine ziemlich lange Kommunikationspause und Kontaktsperre zwischen dem Imperium und den Cheruskern in der nicht viel über die verwandtschaftlichen Zerwürfnisse der Cherusker untereinander nach Xanten durchsickerte, geschweige denn nach Rom durch gedrungen sein dürfte. Es herrschte ein tief verwurzelter Kriegszustand und großes Misstrauen zwischen den Völkern denn es gab viele Tote und viel Blut ist geflossen und es dürfte zu einem beiderseitigen Abriss jeglicher Nachrichtenströme gekommen sein. Eine Isolation, die möglicherweise solange andauerte, bis sich Germanicus mit neuen Kämpfern frisch gestärkt im Jahre 14 + erstmals wieder auf westfälischen Boden wagte, dabei auch mit Germanen in Kontakt kam und sich auf Tuchfühlung den Cheruskern nahe der Diemel näherte, wie ich denke. Von wem also hätte Marcus Manilius in Rom oder Mittelitalien etwas über die interfamiliären Probleme an der Weser erfahren haben sollen. Ich schließe aus seinem Hinweis das ihm, wenn er denn die verwandtschaftlich kritischen Beziehungen und das auch nur stark verkürzt thematisierte, auch schon etwas über das besondere Verhalten des Segestes bekannt gewesen sein könnte bzw. müsste. Auch Manilius hätte demnach von diesen Streitigkeiten erst erfahren haben können, nach dem Segestes unter „Begleitschutz“ von Germanicus um den Jahreswechsel 16 + / 17 + in Rom erschien und das hieße auch, dass er seine Zeilen erst danach verfasste.  Ich stelle ihn aufgrund dieser Überlegung nicht mehr auf die Zeitstufe eines Ovid, sondern siedle ihn bei oder kurz vor Strabon an. Letztlich bleibt ein Astronom seiner Astronomie, die man früher nicht von der Astrologie unterschied treu. So wagte er auch noch eine äußerst dunkle Prognose, indem er vermutlich auf Basis seines Wissens über die Gestirne in Verbindung mit der Varusschlacht und möglicherweise auch schon der Germanicuskriege der Welt das „Ende der Dinge“ androhte oder voraus sagte. Hier wird deutlich, das er sich nicht nur den Gesetzen der Natur verschrieben hatte, denn aufgrund der Konstellation der Sterne deutete er auch eine gewisse apokalyptisch geprägte Weltuntergangsstimmung an. Manilius wurde zum astrologischen Visionisten der sich zwar nicht wie Ovid einen römischen Triumphzug nach einem allumfassenden Sieg über Germanien erwünschte, der aber sah wie sich über der Welt etwas beunruhigend feuriges zusammen braute. Möglicherweise nahm er nach den Kriegen auch den Zusammenprall der zwei kulturell unterschiedlichen Welten schon wahr, vorweg bzw. wollte es so sehen. Vorstellungen die jenen ähneln wie wir sie auch aus der germanischen Mythologie kennen. Denn auch bei den germanischen Götterwelten lief es auf ein Weltuntergangsszenario hinaus. Es wurde jedoch erst später im Mittelalter über die nordische Sagenschiene unter dem Begriff Ragnarök, der so genannten Götterdämmerung zu Papier gebracht und später in der Sagenwelt aufgearbeitet bzw. von ihr verarbeitet. Es war der Aufprall zweier unterschiedlicher Zivilisationen und seine Prophezeiungen könnten schon darauf hindeuten und erste Spuren enthalten haben. Gewaltige Kriege die man sowohl in Italien als auch in Germanien gleichermaßen bedrohlich wahr nahm un die ihre Auswirkungen haben mussten. Gestreute Sagen und Legenden über die innergermanischen Götterwelten könnten also wie in diesem Fall sogar mal aus dem römischen Himmel eines Manilius gefallen sein. Sie könnten uns auch Hinweise auf die germanisch vorchristliche Religion erlauben, in der uns eine himmlische Auseinandersetzung angekündigt wird, als einst Wanen und Asen miteinander um die Weltherrschaft stritten. Wer der Astrologie zugetan ist, könnte daraus auch bereits den Zusammenbruch aller alten Götterwelten ableiten, die Manilius in den Gestirnen voraus sah. So erkannte er umso mehr vor dem Hintergrund der Varusschlacht den Kampf der milden "Mittelmeergötter“ der Fruchtbarkeit des Handels und der Zivilisation gegen die grimmigen germanischen und störrischen "Kriegsgötter" im nebelverhangenen Norden und brachte es visionär so zum Ausdruck, wie er es am Himmelszelt entzifferte.  Denn wenn die himmlischen Feuer bereits imstande waren einen Krieg unter den Menschen zu entfachen, so stand ihm die Varusschlacht dafür symbolisch betrachtet Pate, wie kaum ein anderes Ereignis in jener Zeit. Diese Schlacht bildete den Anfang aller Umbrüche und es war unschwer für Manilius zu erkennen, wie die militärische Aufrüstung im Imperium danach noch weiter voran schritt, die den Kriegen des Germanicus zwangsläufig voraus ging. Massive Truppenverbände aus allen Regionen des Imperiums traten unübersehbar für die Bevölkerung ihren Marsch nach Germanien an, konzentrierten und sammelten sich, wurden überall ausgehoben und ließen die für die damalige Welt bevorstehenden gewaltigen Auseinandersetzungen erahnen. Alles klang da nicht so recht nach Pax Romana, denn uns sind für das Jahr 16 + gewaltige Schlachten überliefert, sie zeichneten sich ab und die weit reichenden Folgen waren nicht nur im Himmel voraussehbar. Manilius stellte somit den Zusammenhang zwischen dem kosmischen Weltbild und dem irdisch Menschlichen her ohne sich von Göttern irritieren zu lassen und malte darüber hinaus sogar schon den ganz großen Teufel an die Wand indem er sah, dass die drohenden Feuer des Krieges nun überall und das auch in der „römischen“ Welt lodern würden. De facto also genau das, was Kaiser Augustus im Zuge seiner umsichtigen Vorgehensweise unmittelbar nach Bekanntwerden des Schlachtausgangs unbedingt vermeiden und seinem Staat ersparen wollte. In den Gestirnen ließ Manilius als Wissenschaftler und natürlich nach seinem persönlichen und astronomischen Selbstverständnis die freien Kräfte der Natur gegeneinander antreten. Denn ihm standen die komplexen Zusammenhänge innerhalb der Naturwissenschaften näher und er sprach daher auch nur die nüchterne Sprache eines unverstellten Blickes auf die Realität während die, die an die Götter glaubten auch in den Kräften der Natur immer noch oder nur göttliches Handwerk sehen wollten.  Manilius wechselte dann aber vom Astronomen zum Astrologen und sah in den Sternen eine Gefahr herauf ziehen. Für ihn manifestierte sich die Sprache des Himmels in der Varusschlacht und die Gestirne lösten sie aus. Als Manilius seine Befürchtungen zu Papier brachte, zog vor nicht allzu langer Zeit, nämlich im Jahre 12 – der Halleysche „Unglücks“ Komet seine obligatorische Runde durch`s erdnahe Weltall und wurde gesehen. Ebenso mag bei seinen Visionen auch noch das Phänomen des Sterns von Bethlehem eine gewisse Rolle gespielt haben, für das auch der modernen Astronomie noch keine klaren Deutungen vorliegen um damit sein ungutes Gefühl für die Zukunft zu begründen. Denn alles deutete für ihn auf einen heran nahenden großen kosmischen Wendepunkt und Konflikt hin, den die Menschen bald auch weltweit zu spüren bekommen sollten und die Varusschlacht war der symptomatische Beginn und der erste Akt einer folgenden großen Auseinandersetzung.
Eine Übersetzung der wenigen Zeilen der Manilius Überlieferung der Seiten 896 bis 903 liest sich wie folgt:

„Auch Kriege verkünden die himmlischen Feuer und plötzlichen Aufruhr und in heimlicher Tücke gärende Waffenerhebung, bald bei fremden Völkern. So glühten damals, als nach dem Bruch des Bündnisses das wilde Germanien den Feldherrn Varus dahinraffte und mit dem Blute von drei Legionen die Gefilde rötete, überall in der ganzen Welt die drohenden Feuer. Die Natur selbst trug den Krieg durch das Reich der Gestirne und stellte ihre eigenen Kräfte gegeneinander und drohte das Ende der Dinge an. Und auch Bürgerkrieg verkünden sie, und Zwist zwischen Verwandten.“

Aber die Welt sollte sich nach dem Jahre 17 + beruhigen und das Imperium sich auch wieder stabilisieren, so dass sich seine Sorgen die er sich um die römische Weltmacht machte, nicht bestätigten. Aber die von ihm angekündigte Wende kam dennoch und ließ sich langfristig betrachtet nicht mehr aufhalten. In Germanien hatte die Varusschlacht und die Germanicus Kriege die Welt verändert. Bei den Germanen lösten die zahlreichen Schlachten einen Weckruf aus. Die Römerkriege zwangen sie zum Abbruch alter Traditionen und zum Aufbruch in eine Epoche neuer Bündnisse und es war allgemeines Kräftesammeln in den germanischen Gaulandschaften angesagt. Während sich das Imperium auf seinen soliden Grundfesten noch lange sicher fühlen konnte, gingen in Germanien in der Folgezeit die Fackeln von Dorf zu Dorf. Vieles davon mag sich nicht vor den Augen des Imperiums ereignet haben. Denn hinter Harz und Elbe konnte kein Römer blicken. Zweifellos brauchten die neuen Generationen der germanischen Widerstandskämpfer dafür ihre Zeit, denn es war eine epochale Herausforderung die ihnen aufgezwungen wurde die aber auch mit Phasen der Kollaboration einher gingen. Soweit zu Markus Manilius, der je nach Auslegung und Datierung seiner Überlieferung möglicherweise nur der Erste war, der uns den Namen Varus und einiges mehr verriet, der aber eben nicht der Erste war, der uns auf das Ereignis „Varusschlacht“ hinwies. Denn vom berühmt gewordenen Aufschrei des Kaiser Augustus „Vare, Vare, redde mihi legiones meas“, unmittelbar nach dem ihn die Unglücksnachricht erreichte, erfahren wir ja weder etwas von Ovid noch von Manilius, sondern bekanntlich erst rund 100 Jahre später etwas von Gaius SUETONius Tranquillus. Der Dichter Publius Ovidius Naso hingegen bleibt  aber der heimliche Tabellenführer, wenn man aus seiner „Tristia“ die Varusschlacht heraus lesen möchte und ich denke, wie ich es dargelegt habe, dass man es auch kann. Allerdings hilft auch Manilius uns nicht weiter, wenn es um das Auffinden der gesuchten Schauplätze der Schlacht geht. Die innere Stabilität in Rom, wo in der Zeit von Kaiser Augustus geschätzte 180.000 bis 250.000 Menschen gelebt haben könnten, war in jenen Tagen noch fragil. Hungersnöte konnten sich schnell ausbreiten wie die zum Zeitpunkt des Panonnienkrieges. Und derartige Katastrophen stellten zu allen Zeiten die Machthaber vor große Herausforderungen und nur wenige Jahrzehnte nach dem Tod des Kaisers verbreitete sich darauf basierend schon der vielsagende Begriff „Brot und Spiele“ und prägte sich bis heute ein. Ruhig und satt sollten die Bürger sein, während die Legionen Roms die Aussengrenzen sicherten oder ausdehnten. Aber die Zeiten blieben solange unruhig und die Menschen waren verängstigt und misstrauisch bis Germanicus sechs Jahre nach der Varusschlacht im Jahre 14 + wieder in die Offensive gehen konnte und zurück schlug. In der Zwischenphase befand sich das römische Volk in einer nervösen und spannungsgeladenen Gemütslage, die über das ganze Land noch eine unterschwellige Krisenstimmung legte. Die Gefahr aus dem Norden schien in dieser Zeitspanne noch nicht völlig gebannt und allgegenwärtig und in Rom spürte man sie und sie brach schnell wieder aus, wenn wieder neue Gerüchte von Mund zu Mund gingen. Es war eine Zeit in der man sich im grenznahen Imperium noch fröstelte, wenn man an die bittere Niederlage des Varus dachte. Denn die Schreie der Legionäre und Germanen aus dem Nethegau waren um diese Zeit noch nicht all zu lange verstummt. Mit der Zusammenziehung und Aushebung neuer Truppenverbände für Germanicus wuchs in Rom aber wieder das Selbstvertrauen es kehrte zurück und man fühlte sich wieder in einer souveränen Position. So scheint es, als ob nach dem Gedicht von Ovid noch einige Zeit ins Land gehen musste, bis man begann sich die Augen zu reiben, sich langsam besann und sich auch inhaltlich breiter mit der Varusschlacht und den Konsequenzen zu beschäftigen wagte, nämlich den Verlauf zu hinterfragen und sie auch historisch aufzuarbeiten. Marcus Manilius könnte eine Position inne gehabt haben, die zwischen Ovid auf der einen und Strabon auf der anderen Seite angesiedelt gewesen sein könnte. Er wusste bzw. traute sich zwar schon weitaus mehr zu schreiben als Ovid, da er sorgloser sein konnte und durfte, wusste aber wiederum noch nicht so viel zu berichten wie später Strabon. Zum Zeitpunkt der Schrift von Manilius schien aber die kritische Phase für das Imperium überwunden zu sein. Die ersten Momente eines erwachenden Bewusstseins sich dieser Katastrophe doch irgendwann stellen zu müssen, nach dem Kaiser Augustus „kurz zuvor“ noch zu unerwarteter Torschlusspanik imstande gewesen war, kommt dem Überwinden einer imperialen Passivität oder Ohnmacht gleich. Und alles wich nun langsam einer Periode des allseitigen „wissen wollens“ was in Germanien denn nun geschah. Der Bibliothekar Gaius Iulius Hyginus und andere Personen aus des Kaisers Umkreis mussten sich bis dato noch mit einem aufgezwungenen Schattendasein begnügen und vieles fand noch lange hinter vorgehaltener Hand statt. Verdrängen war aber im Laufe der Zeit nicht mehr möglich. Diese frühen Stadien in denen sich das Wissen über den Verlust der Legionen anreicherte und ausbreitete galt es aber etwas zu strukturieren. So könnte man es an einer ersten Stufe festmachen. Etwa ab dem Zeitpunkt, als sich heraus stellte, dass sich die Niederlage im „Teutoburgiensi saltu“ als ein wahrhaftes und unumkehrbares Faktum bestätigte, sich somit als Tatsache erwies und es sich dabei um keinen Trugschluss handelte. Dieser Moment wäre erreicht, als die erste Nachricht über diese traumatischen Ereignisse die römische Rheinfront erreichte. Was in etwa im Herbst des Jahres 9 + der Fall gewesen sein könnte. Enden ließe sich diese erste Stufe an der Schwelle der Ankunft des damaligen „Überläufers, Informanten und Insiders“ Segestes in Rom. Dazwischen kursierte viel Halbwissen. Dies war vermutlich noch im Winter 16/17 + bzw. im Frühjahr 17 +. Denn Germanicus brach erst nach Rom auf, als ihm Kaiser Tiberius aufgrund seiner misslungenen Schlachten das Ende seiner Feldzüge in Germanien auferlegte und ihm den Rückzug anriet, wie auch immer man die damalige Befehlshierarchie deuten möchte. Und auch erst nach der Entscheidung von Kaiser Tiberius nahm Germanicus meines Erachtens den Fürsten Segestes samt Anhang mit auf die Reise nach Rom. Denn erst ab diesem Moment konnte Germanicus seine Marionette Segestes in Germanien nicht mehr Stammes Hierarchisch innerhalb der Cherusker zwangs positionieren. Die von ihm angestrebten geopolitischen Ziele wurden verfehlt und die Politik von Varus fortzusetzen war mit dem Befehl von Tiberius hinfällig bzw. gescheitert. Auf Germanicus wartete nun sein ersehnter Triumphzug. Die Parade eines Feldherrn der allerdings mit nichts vorzeigbaren in der Hand unter seinen gnädigen Kaiser treten musste. Ein Feldherr, der mit einer gigantischen Landstreitmacht in Germanien die Welt verändern wollte, wie sie Mitteleuropa auf Jahrhunderte hinaus betrachtet nicht mehr erleben sollte, erreichte definitiv nichts. Es brauchte seine Zeit um vom Rhenus an den Tiberius zu gelangen und stellte immer eine besondere Herausforderung dar, wenn man den Gebirgszug der Alpen nicht großräumig umgehen wollte, was aber auch Zeit gekostet hätte. Die erste Phase bzw. Stufe allgemeiner Bedrücktheit bis zur Aufhellung des historischen Wissens in Rom hätte demnach etwa 7 – 8 Jahre angedauert, also ab dem Herbst 9 + gerechnet bis zum Eintreffen des Germanicus aber vor allem des Segestes. Sowohl Ovid aber auch Manilius den ich ungeachtet der Ungereimtheiten mit zu den historischen Frühstartern rechnen möchte, da bei Ihnen der Name Segestes noch kein Begriff war, befassten sich jedenfalls schon in einer sehr frühen Phase mit der Varusschlacht. So wird Segestes für uns zur zeitlichen Richtschnur unseres Erkenntnisstandes. Sowohl Ovid als auch Manilius sahen die Ereignisse von völlig unterschiedlichen Blickwinkeln. Beide waren aber alles andere als Historiker, denn ihre Interessen galten völlig anderen Dingen. Wie alle anderen antiken Quellen auch, so verspürten auch Ovid und Manilius keineswegs das Bedürfnis, historisch Belastbares an die Nachwelt weiter zu reichen, denn dafür waren sie nicht Historiker genug. Zudem konnte niemand von ihnen unseren Wissensdurst voraus sehen. Der Inhalt ihrer Schriften glich daher aus ihrer jeweiligen Situation, Position oder Lebenslage heraus betrachtet eher Zufalls- oder schlimmer ausgedrückt Abfallprodukten. Sie verließen damit kurzzeitig und ohne Ihre Nachrichten „Nachweltgerecht“ zu verfassen, den Boden ihrer ureigenen Fachgebiete von Epik und Astronomie und ignorierten vorübergehend ihre Neigungen und Berufungen um sich im Sinne ihrer eigenen Bedürfnisse, Motive und Interessen über disziplinär zu betätigen. Wir sind nun bemüht diesen Kenntnisstand da einzuordnen, wo wir ihn für die Varusforschung nutzen können und gehen dabei vor, wie Akrobaten der Historik die sich auf einem dünnen Seil bewegen von dem sie schnell abrutschen können, wenn sie argumentativ keinen halt mehr finden können. (2.10.2019)

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Samstag, 14. September 2019
Die versteckten Botschaften des verbannten Epikers Ovid
Ovid war ein Visionist im eigenen Auftrag und nahm in seinem Klagelied die römische Gefangennahme der ersten germanischen Garde die sich gegen Varus stellte schon mal Wunschtraum artig vorweg und verkaufte damit das berühmte Fell des Bären. So weit können wir ihm in seiner Notlage folgen. Zudem ließ er im Rahmen seiner begrenzten dichterischen Freiheiten durchblicken, welcher Leidensweg die Cherusker erwartete und welch bitteres Schicksal ihnen wohl noch bevor stand. Im Triumphzug mussten sie es in ihren letzten Stunden für alle sichtbar zur Schau tragen. Ovid musste sich dafür ziemlich tief vergeistigt haben um wie hinter einem Vorhang schemenhaft die gefangenen germanischen Anführer ausmachen zu können. Er kannte den Triumphzug Parcours wusste, was man ihnen zumutete und konnte sich lebhaft vorstellen wie sie die römischen Triumphbögen und prächtigen Tempelanlagen passierten. Wie in dumpfen Nebel eingehüllt empfand er, wie ihnen schon von Ferne die kreischenden Massen entgegen fieberten, noch bevor man die Geknechteten sehen konnte. Dann tauchte Ovid in seiner ureigenen Vision sogar selbst in die hysterischen Menschenmengen ein und blickte als stiller unsichtbarer Zuschauer auf das hektische Treiben im Straßenbild. Er konnte nicht übersehen, dass die Germanen in ihren Nacken und über ihren staubigen und vor Schweiß triefenden Schultern einschneidende grobe Fesseln trugen. Und sie alle mussten vor dem feierlich bekränzten Prunk Gespann des Kaiser Augustus gebeugten Hauptes einher stolpern. Momente die das Volk von Rom zutiefst beglückten, denn es war damit endlich für alle die Stunde der lang ersehnten Genugtuung für den Verlust von drei römischen Elite Legionen im Sumpf Germaniens gekommen. Ovid stellte diese bewegenden Augenblicke in seiner gekonnten Art literarisch dar, so als wäre er tatsächlich selbst dabei gewesen. So kann man sich gut in ihn und seine desolate Lage hinein fühlen, denn bei all seiner Wortgewandtheit und Dichtkunst musste er immer Kaiser Augustus und seine Ziele im Auge behalten, dem all sein Tun und seine „Tristien“ letztlich galten. Sich nun die geschundenen und von Entbehrungen gezeichneten und ausgezehrten Mienen jener in Ketten gelegten Germanen vorzustellen fällt uns auch heute sicherlich nicht schwer. Und der römische Pleb genoss es mit Wohlwollen. Es könnte in Rom ein heißer Tag gewesen sein, als ihnen die grimmigen Germanen vorgeführt wurden. Es waren Menschen mit Gesichtern denen sie alle noch ansehen konnten, wie ihnen einst der trotzige Siegeswillen des Kampfes ins Antlitz geschrieben stand. Einst renitent aufsässige und verbissene Züge, die ihnen nun aber gänzlich aus dem Gesicht gewichen waren. Sie hatten sich in der Zeit nach ihrer Gefangennahme in den Kerkern Roms in Verbitterung verwandelt. Ihre aber immer noch Furcht erregend starrenden Blicke hatten nun einen anderen Ausdruck angenommen. Sie hatten sich verändert und trotzten jetzt nur noch ihrem Schicksal, das man für sie bereit hielt. Sie blickten schon ihrem Tod entgegen oder sahen ihr Leben günstigenfalls im Steinbruch enden. Ovid versetzte sich in seinen Klageliedern auch in die dem Zug beiwohnenden Zuschauer hinein, wie sie sich unterhielten köstlich der Darbietung folgten und sich ihre Kommentare gegenseitig zuwarfen. Er stand förmlich mitten unter ihnen und beobachtete das einfache Volk von Rom, wie es sich auch noch genüsslich für die Details interessierte und gierig die einzelnen abscheulichen Taten der nun vor ihnen wankenden Germanen hinter fragte und sich sogar nach den für sie unaussprechlichen fremden Namen erkundigte. So zeigten sie auch auf einen besonders erhabenen Mann, bei dem sie das Gefühl erschlich ihn sogar erkannt zu haben. Ein Germane, in dem sie meinten den großen Anführer in jenem Kriege sehen zu können. Insgeheim sahen oder wollten in ihm alle den berüchtigten Cheruskerfürsten sehen. Ovid wird nun von seiner eigenen Phantasie überwältigt und er lässt nichts mehr aus. So greift er in einem Fall sogar tief in die wohl damals in Rom immer noch vorherrschende Welt der Klischees und der Vergangenheitsbewältigung, denn er lässt den Germanenhäuptling nun in einer völlig untypischen Parademaskierung auftreten. So soll der vermeintliche Arminius, von Ovid symbolisch zum Ausdruck gebracht in „Sidouischem Gold“, also dem Gold aus Sidon geglänzt haben. Die libanesischen Küstenstädte wie Sidon oder Tyros standen einst unter der Herrschaft Karthagos, und in Rom verstand man darunter auch die Phönizier. Diese setzte man mit den Puniern, ihren ehemaligen Erzfeinden gleich. Ovid stellte Arminius damit also indirekt sogar auf eine Stufe mit den punischen Helden der gleichnamigen Kriege eine der größten Feindnationen, die das Imperium Jahrhunderte zuvor zu bezwingen hatte. Hier kommt also eine deutlich überzogene dichterische Komponente in seinem Stil zum Vorschein um es in die Superlative zu heben. Denn es ist schwer vorstellbar, dass man den vermeintlichen Germanenkönig im Prachtschmuck der Könige von Sidon hätte auftreten lassen. Aber Ovid bezweckte damit, dass maßlose Streben und vertragsbrüchige Verhalten der Cherusker nach Macht und Sieg mit den Ritualen der Sidonier zu vergleichen. Das phönizische Volk, das sogar dafür bekannt war Menschenopfer darzubringen womit er die Germanen mit den alten Kanaanitern in Verbindung brachte. Diese Textstelle innerhalb der „Tristia“ erweckt den Anschein, als ob für Ovid außer Frage stand, dass auch die damals gefangenen Römer nach der Schlacht im Nethegau dieses Schicksal über sich ergehen lassen mussten, zumal dies in seiner Zeit gängige Praxis unter den Völkern gewesen sein könnte. Danach fielen die gierigen Augen der schaudernden Massen die den Triumphzug mehr reihig säumten auf einen weiteren Germanen. Er hielt sich eng in der Nähe des germanischen Oberhäuptlings auf. Ihm stand es selbst noch an diesem Tag deutlich ins Gesicht geschrieben, dass seine Augen und sein Antlitz einst leuchtend funkelten, als er sich noch im Vollbesitz seiner Kräfte wähnte und seine germanischen Waffen trug. Mit ihm konnte Ovid den Kaiser besonders erfreuen, denn dieser konnte nur noch starr und gebrochen, in Fessel gelegt und in tiefster Trauer sinnierend auf den Boden unter sich blicken. Man sah förmlich wie der Kaiser beim Anblick dieses Mannes seinen todbringenden Daumen senkte. Dann folgte wieder ein anderer Gefangener der die johlende Menge wie fasziniert die Hälse recken ließ und sie zum Brodeln brachte. Ein besonders trotziger und scheinbar ungebrochener Germane, der sogar noch in seiner jetzigen verzweifelten Lage seinen glühenden, feindseligen und stolzen Blick immer noch nicht verloren hatte. Und da war sich jeder Römer auch völlig sicher. Dieser Germane musste jener gewesen sein, der an der römischen Niederlage eine große Mitschuld trug. Ihm sah man noch an, dass er der schlimme Drängler und Antreiber zum Kampf und der war, der die Germanen auf hetzte und sie zum Aufruhr brachte, auf das sie gegen das Imperium ihre Waffen erhoben. Alle spürten förmlich, dass dieser Mann die Seele des Krieges gewesen sein musste. Aber damit nicht genug, denn die Phantasie des in Zorn und Wut hoch gekochten Volkes, das sich schon in Rage tobte, begann sich nun erst so richtig zu ereifern. Denn nach dem germanischen Kriegstreiber erschien nun jene Person auf der Bildfläche des Triumphzuges der von allen Gefangenen die größte Schuld am Untergang der drei Legionen hatte. Es war ein Mann, den Ovid, den „Treulosen“ nannte. Besser gesagt, die Begrifflichkeit eines "Treulosen" erschließt sich aus der Übersetzung seiner lateinischen Worte "huc aliquem certo uela dedisse Noto", sodass es sich bei ihm folglich um einen treulosen Menschen gehandelt haben soll. Sein Gesicht soll von herab hängendem struppigem Haar nahezu völlig bedeckt gewesen sein. Aber nun folgt die Textstelle innerhalb der Ovid`schen „Tristien“, die nach Ansicht vieler Historiker einen weiteren und deutlichen Bezug zur Varusschlacht offen legt. Denn dieser Treulose, soll nach Ovid jener Germane gewesen sein, „VON DEM DIE UNSRIGEN EINGESCHLOSSEN UND IN EINER FREMDEN GEGEND GETÄUSCHT WURDEN“. Hier treten in einem unscheinbaren und vielleicht auch bewusst von ihm kurz gehaltenen Nebensatz drei wesentliche Attribute hervor, die vom Grundsatz her nur mit der Varusschlacht kompatibel gewesen sein können. Denn unter „eingeschlossen“, verbirgt sich unzweifelhaft der viel zitierte germanische Hinterhalt, den die Germanen für die Legionen legten und in den sie sie lockten. Und die „fremde Gegend“ spricht ebenfalls eine deutliche Sprache und bezieht sich auf das den Römern unbekannte Terrain, in das die Germanen die Römer führten. Die von Ovid erwähnte „Täuschung“ entspricht der Falle, die die Germanen geschickt auslegten und in die ihnen die Legionen gingen. An welche Schlacht oder an welchen Krieg sollte Ovid hier noch gedacht haben können, wenn nicht an die Varusschlacht. Die einzige Schlacht die sich in der Zeit ereignete, nach dem ihn der Kaiser Augustus aus dem römischen Paradies nach Constanta verstieß und die einzige Schlacht die nach Carrhae 53 - den Totalausfall vieler Legionen durch Täuschung und Hinterhalt herbei führte. Der letzte Hinweis von Ovid in seiner „Tristia“ regt noch einmal zum Nachdenken an. Denn nun soll sich auch noch ein Mann im Zuge der Gefangenen befunden haben, den er als einen Priester bezeichnete. Sollte Ovid in diesem Fall mal sein Gedicht gegen die Realität eingetauscht haben, so wäre das vermutlich einer der wenigen historischen Hinweise darauf, dass es in Germanien bei Kult- oder Opferfesten Priester, also Druiden oder Schamanen gegeben hatte bzw. diese dabei anwesend waren. Eine seit jeher umstrittene Diskussion, zu der es keinerlei Quellen, sondern bislang nur Vermutungen und Annahmen gibt, und die sich dann auch noch auf die Tradition der Kelten beziehen. Dieser von ihm als Priester bezeichnete Mann war nach antiker Sichtweise und Vorstellung der germanische Vollstrecker, der die Opfergabe an den heimischen Gott vorbereitete, praktizierte und ausführte und den wir heute einen Ritualmörder nennen würden. Mit dem Auftreten eines Priesters unter den Gefangenen legt Ovid auch noch eine weitere Spur zur sidonischen Menschenopfer Zeremonie. Aber er liefert uns damit und das wiederum nur indirekt eine Bestätigung der Worte von Tacitus, der im Zusammenhang mit der Knochenbestattung auch erwähnt, dass die Germanen die gefangenen Römer auf ihren Altären ihrem Gott geopfert hatten. Aber man muss hier wohl den Sachverhalt drehen in dem es richtig lauten müsste, Tacitus bestätigt die Aussagen von Ovid. Man könnte jetzt aus alledem auch schließen, dass Gaius Julius Hyginus dem Dichter Ovid in seinen Briefen dies alles mitgeteilt hatte, es also möglicherweise auch aus der Depesche des Asprenas hervor gegangen sein könnte. Geht man noch einen Schritt weiter zurück, so könnte man sogar schlussfolgern, dass die Kavallerie des N. Vala noch Zeuge dieser Taten in der Endphase der Schlacht war, oder es im Verlauf der Schlacht mit ansah. So waren die Schwadronen zum Zeitpunkt der Opferungen also noch nicht abtrünnig geworden. Eine zweifellos gewagte Theorie, aber konstruierbar. Ovid schreibt, „ER (also der Priester) HABE DIE ABGESCHLACHTETEN GEFANGENEN DEM WIDERSTREBENDEN GOTTE GEOPFERT“. Aber warum „DEM WIDERSTREBENDEN“. Man könnte annehmen Ovid wollte glauben machen, dass sogar die germanischen Götter die Opfergabe der römischen Legionäre nur widerwillig an nahmen. Ovid setzt seine „Tristia“ in besonders theatralischer Weise ins Bild, bei der es schwer fällt sie zu interpretieren und auch die Worte mit denen er seine Klagelieder bezogen auf die Varusschlacht enden lässt, bilden da keine Ausnahme. Aber sie bergen viel Interessantes auch wenn sie uns in Sachen „Segestes und seinen späteren „Interviews“ mit den antiken Historiker“ an dieser Stelle nicht weiter bringen. Da ist zum Beispiel der Satz “DER HIER MIT GEBROCHENEN HÖRNERN, MIT GRÜNEM SCHILF NUR DÜRFTIG BEDECKT, WIRD VON SEINEM EIGENEN BLUTE MISFARBENEN RHEIN VORSTELLEN“. Ovid erinnert noch mal an Drusus und stellt damit ein weiteren Bezug zum Unglücksfall des Feldherrn in Germanien her, der sich im südlichen Niedersachsen zugetragen haben soll. Sein sterbender Körper oder bereits sein Leichnam wurde nachdem Tiberius Drusus an unbekanntem Ort vor seinem Tod noch mal lebend antraf und ihn sprechen konnte über die Lippe an den Rhein transportiert, wo er möglicherweise auf einer Barke dürftig unter Schilf aufgebahrt, dann den weiteren Weg nach Mainz antrat. Das dabei auch der Rhein noch mit seinem Blut in Berührung kam, ist auf dichterische Weise sicherlich ohne Mühe darstellbar. Übrigens liegen uns keine Hinweise darüber vor, dass Drusus in Kämpfe bei Kalkriese verwickelt war, was für die Forschung auch sehr interessant gewesen wäre. Für uns ist aber diese Parallele ein weiterer Hinweis darauf, dass Ovid bei seinen Klageliedern in Bezug auf Drusus immer den alten Schlachtenhorizont im Hinterkopf hatte, wo auch die Varusschlacht nicht weit entfernt lag. Ovid schwenkt dann noch mal auf seinen ureigenen von ihm zum Leben erweckten Triumphzug über und zieht das ganze Register seiner Vorstellungswelten. Denn bei Ovid zieht dann sogar „Germania“ im Triumphzug mit. Mit aufgelöstem Haar zieht sie vorüber und sitzt dann voller Gram gebeugt zu Füßen des überragenden Kaisers Augustus und wartet auf ihr Urteil. Auch „Germania“ bei der es sich aus römischer Sicht um die fiktive germanische Hauptgöttin gehandelt haben dürfte, musste für das Verhalten ihrer Stammessöhne büßen. Sie hatte sogar selbst Schuld auf sich geladen, weil auch sie im Kampf gegen Rom die Waffen geführt hat und lag nun ebenfalls vor dem Kaiser in Ketten am Boden. Ein wichtiger Hinweis der uns auch tief in die heidnischen Seelen und Wurzeln damaliger Zeiten blicken lässt, als man noch annahm, dass die Götter dem Himmel entstiegen um selbst mit zu kämpfen. In der germanischen Mythologie wird es uns im Kampf der Asen gegen die Wanen ebenso geschildert. Vermutlich hatten sich in diesen Zeiten die Namen der „wahren“ germanischen Götter noch nicht bis nach Rom herum gesprochen und „Germania“ musste sie in sich vereinen. Die germanische Göttin Germania war geschlagen, also war ganz Germanien besiegt, so die klare dichterische Botschaft von Ovid. So mehren sich im Sinne seiner Dichtung die Hinweise und verdichten sich dahin gehend, dass Ovid der Hoffnung Ausdruck gibt, der Tag der Rache sei nun nicht mehr fern und schon fasst mit den Händen zu greifen. Ein positiver Silberstreif am sonst so eingetrübten Horizont jener Jahre, wenn man in Rom verängstigt nach Norden blickte. Seine Zeilen waren Balsam und geeignet die aufgebrachten Gemüter quer durch alle Bevölkerungsschichten des Imperiums zu beruhigen, und zu besänftigen, waren aber natürlich in erster Linie nur für den Kaiser Augustus persönlich bestimmt. Aber immer wieder kehrt zu uns die eine Frage zurück, nämlich die was wohl aus dem oder vielleicht auch den Schreiben des Hyginus hervor gegangen sein mag und was sie für uns Verwertbares enthielten, dass uns später über die filigranen Hände des Ovid erreichte. Informationen die Hyginus dem Dichter zukommen ließ und die wir erst nach dem sie Ovid in seinem Sinne umwandelte, also „metamorphisierte“ unserem Wissen über den Verlauf der Schlacht einverleiben bzw. eingliedern können. Denn so traurig und Herz zerreißend die Worte des verbannten Ovid auch klingen mochten, wir suchen hier einzig nach möglichen Fakten, die uns den Ablauf Varusschlacht erklären helfen. Was also bescherte uns sein Gedichts Stoff und wie bereicherte uns seine Prosa mit dem sich wichtige Erklärungslücken schließen ließen. Bewegen wir uns also wie so oft nach vorne, in dem wir nach hinten gehen und wir könnten fündig werden. Ovid berichtet in seinem Gedicht über eine Reihe bedeutsamer Germanen die, bevor man sie in Ketten schmiedete an der Schlacht teil nahmen. Er listete sie förmlich der Reihenfolge nach auf und er verlieh ihnen in seinem simulierten Triumphzug Funktion, Gesicht, Ausdruck, Gestalt und beleibte sie förmlich, ganz so wie sie sich einst gebarten, als sie noch gegen Varus kämpften und so wie sie jetzt auf alle wirkten. Und wir können nun rätseln, ob die Wesenszüge die ihnen Ovid zuschrieb alle seiner eigenen Phantasie entsprangen, oder ob Hyginus ihm dabei half und sie ihm in etwa schon so beschrieb, ihm also in seinen Briefen dafür die nötigen Impulse und Anregungen lieferte. Vorstellbar ist, dass Hyginus den Hergang der Schlacht aufgrund seines Wissens umriss und auch die germanische Strategie beschrieb. Auf dieser Basis besaß Ovid alles was er wissen musste, um sich das Weitere zusammen reimen zu können. So zählte er außer einer den Göttern zugewandten Priesterperson, explizit vier weitere heraus ragende Germanen auf, bei denen es ihm darauf ankam uns nähere Beschreibungen ihres Verhaltens in der ihm eigenen spekulativen Art zu hinterlassen. Die Übersetzung seiner „Tristia“ ist im Vokabular nicht unproblematisch. Was unser Interesse darin weckt besteht aus einem zeitgemäßen und daher naturgemäß schwer verständlichen Stoff der sich in den Worten der Übersetzung wie folgt ließt und den ich hier einfüge.

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„Freuen wird sich schon das treue Volk und der Senat und der Ritterstand, wovon ich jüngst noch ein kleines Mitglied war. Mir freilich, dem soweit Verbannten, entgeht die allgemeine Freude, davon kommt in solche Entfernung nur ein schwaches Gerücht. Ja, das ganze Volk wird dann die Triumphzüge schauen können, und mit den Titeln der Feldherrn die eroberten Städte lesen. Man trug Tafeln mit den Namen der besiegten Völker und Abbildungen der eroberten Städte und Länder einher. Die gefangenen Könige auf ihrem Nacken Fesseln tragend, werden vor dem bekränzten Gespann einher schreiten. Man wird in Mienen schauen, die sich mit der Zeit geändert haben. In furchtbare ihrem Schicksale trotzende Blicke. Zuschauer werden nach der Geschichte des Kampfes, nach den Taten und nach ihren Namen fragen. Der da, der erhaben in Sidouischem Gold glänzt, war der "FÜHRER IM KRIEGE". Jener, dem Führer der Nächste; der da, der jetzt den Blick mit tiefster Trauer an den Boden fesselt, hatte ein ganz anderes Antlitz, als er noch die Waffen führte. Jener, der Trotzige, mit noch glühenden feindseligen Blicken, war der Drängler zum Kampfe, die Seele des Kriegs. Dieser "TREULOSE", der das Gesicht mit dem herabhängenden struppigen Haar bedeckt, schloss die "UNSRIGEN" ein, die von der "FREMDEN GEGEND GETÄUSCHT" wurden. Der Folgende soll als "PRIESTER" öfters "DIE LEICHEN" der abgeschlachteten Gefangenen dem widerstrebenden Gotte geopfert haben. Hier der See, hier die Berge, dort die "VIELEN BURGEN", die von wildem Morden mit Blut angefüllt waren. In "DIESEN" Ländern erwarb sich "DRUSUS" einst seinen Beinamen, er, der edle Spross eines würdigen Vaters. Der hier mit gebrochenen Hörnern, mit grünem Schilf nur dürftig bedeckt, wird den von seinem eigenen Blute misfarbigen Rhein vorstellen. Seht! auch "GERMANIA" mit aufgelöstem Haar zieht vorüber, und sitzt voll Gram zu den Füssen des unbesieglichen Feldherrn, und dem römischen Beile trotzig den Nacken bietend trägt sie Ketten an derselben Hand, die die Waffen führte. Über alle diese erhaben hältst du, o Cäsar, deinen festlichen Einzug auf purpurnem Siegeswagen mitten durch die Scharen deines Volkes“.

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Städte zum Erobern wird es in Germanien nicht gegeben haben, hier dürfte Ovid auf die gängige Vorstellung siegreicher römischer Feldzüge zurück gegriffen haben. Tafeln mit den Namen der Gefangenen kann man sich jedoch noch gut vorstellen, soweit man sie wusste bzw. sie sich überhaupt lateinisch oder wie auch immer schreiben ließen. Als Vorlage dieses Gedichtes von Ovid könnten nach meiner Auffassung nur die Informationen von Hyginus als Basis gedient haben. So könnte Hyginus dem Dichter mitgeteilt haben, dass sich der germanische Widerstand in Ostwestfalen bei eingeschränkter Unterstützung der Pristerkaste auf eine vierköpfige Führungsriege stützte, die hinter allem stand. Ovid verlieh dann diesen Personen ihr jeweiliges phantasiereiches Auftreten mit einem dazu passendem Gesichtsausdruck und könnte damit bereits Hinweise auf eine mögliche germanische Befehlshierachie, Strategie und Vorgehensweise geliefert haben. Demnach hätten Hyginus und folglich auch Ovid schon Kenntnisse zur Struktur der germanischen Führungselite vor gelegen. Also Informationen, die sich ursprünglich auf Asprenas zurück führen ließen. Denn Asprenas besaß dieses Hintergrundwissen. Aber letztlich macht soviel realitätsnahe Phantasie wie sie Ovid so treffend einflocht bzw. ausformulierte skeptisch und wirft die Frage auf, wer sich hinter den vier Germanen verborgen haben könnte. Da man sein Gedicht mit der Varusschlacht in Verbindung bringt, könnten die Germanenhäupter auch im Zuge dieser Schlacht zu Bedeutung gelangt sein und darin eine Funktion inne gehabt haben. Schriftlich sind uns nur jene cheruskischen Namen überliefert, die aus der Feder von Strabo stammen und wenn diese in Bezug zum Fürstenhaus standen. Personennamen aus dem einfachen germanischen Volk suchen wir fasst überall bislang vergeblich. Segimer nahm vermutlich nicht oder nur anfänglich an der Schlacht teil, da sein Name später nie wieder erwähnt wird. Man vermutet, er sei darin umgekommen. So dass Arminius die königliche Spitzenfunktion unter den vier Germanen übernahm und sie bekleidet haben könnte. Ihm sollte sicherlich die Hauptrolle im germanischen Trauerzug zustehen, was auch zum Ausdruck kommt. Den Reigen der Darsteller sehe ich daher folgendermaßen. Der Erhabene und „Goldglänzende“ war demnach also Arminius. Der dem Fürstensohn am nächsten Stehende, war seine rechte Hand und sein Berater, vielleicht einer seiner alten Weggefährten aus Auxiliarzeiten. Man kann spekulieren. Der Trotzige war blind vor Wut, trieb die Germanen zum Kampf an, war allgegenwärtig, stand immer in der Hitze des Gefechtes und verkörperte Seele und Gestalt des typischen Kämpfers, wie man ihn sich in Rom vorstellte. Ihn beauftragte Arminius für besondere Kommandoaufgaben. Den vierten im Bunde nennt man der Übersetzung nach aber den Treulosen. Die Treue hielt er zweifellos nur seinem Volk, den Cheruskern. Man hielt das Wort "treulos" im Vergleich zu dem von Ovid verwendeten Originalwort offensichtlich für zutreffend. Auf ihn passen würden sicherlich auch die Eigenschaften, gewissen- oder skrupellos, vor allem muss er die Reitergruppe der germanischen Wegbegleiter die er anführte und die die Legionen geradewegs in ihren Untergang führten äußerst kaltblütig vorgegangen sein. Er ist für mich vor allen anderen die wichtigste Personalie und Schlüsselfigur im Reim ovid`scher Einlassungen. Während die Erwähnung von Drusus im Gedicht einen deutlichen Fingerzeig in den germanischen Norden richtete, und der Priester die Opferungen im Saltus ausführte, verbarg sich hinter dem „Treulosen“ ein sehr gezielter Hinweis auf die Varusschlacht. Denn der Hinweis darauf, dass er die "unsrigen, womit die Römer gemeint sind, „einschloss" ist auch für viele Historiker der deutlichste Bezug zur Clades Variana, denn um die Zeit als Ovid aus der Verbannung schrieb, in der er sich ab dem Jahre 8 + befand, wurde außer der Varusarmee keine andere römische Armee von einem Feind getäuscht und im Hinterhalt eingeschlossen. Mit diesem kurz gehaltenen Hinweis bringt es Ovid auf den Punkt, denn der Treulose „schloss die Unsrigen“ ein in „einer den Unsrigen fremden Gegend“. Wie aber sollte man sich nun das Manöver einer einzelnen „treulosen“ Person vorstellen bzw. wie müsste oder kann es eine einzige Person angestellt haben, gleich drei Legionen also mehrere tausend Soldaten zu täuschen und einzuschließen. Dies ist natürlich nicht nachvollziehbar und es kann sich bei dieser Person daher nur stellvertretend um eine bestimmte Gruppe von Germanen gehandelt haben, die unmittelbar am Kampfgeschehen beteiligt waren und diese besondere Aufgabe übernommen hatten. Aber man sollte sich noch mal mit der Vorstellung des Begriffes „der die Unsrigen einschloss“ beschäftigen. Verfolgt man die Absicht eine Person oder wie in diesem Fall eine ganze Armee einzuschließen, so irritiert natürlich die Wortwahl bzw. Übersetzung „einschloss“. Will man eine größere Anzahl Menschen einschließen, so gehört dazu, dass man diese erst in einen, sagen wir mal ausbruchssicheren Sektor führt, in dem sie sich überhaupt einschließen lassen bzw. wo man sie einschließen kann. Im übertragenen Sinne also hinter ihnen symbolisch betrachtet eine Tür verschließt, um ihnen einen Rückweg oder Ausweg zu versperren. Diese Vorstellung verbindet man in der Regel mit der Wortwahl „einschloss“. Um die Menschen aber erst in diese Ausweglosigkeit zu lotsen, wo man sie folglich einschloss und aus der man ihnen ein Entrinnen unmöglich machte, waren die aus germanischer Sicht nötigen Vorbereitungen zu treffen. Und dazu bedurfte es eines Geleitpersonals, Germanen die den Weg wussten und sie führten. Ich halte diesen Hinweis für wichtig, da man Menschen nur einschließen kann, wenn man sie vorher in eine einschlußfähige Position manövriert bzw. bugsiert hatte. Um also kein Missverständnis aufkommen zu lassen, denn unter „unsrigen einschloss“ kann man auch verstehen „die unsrigen in eine Falle zu führen“. Einschloss bedeutet also nicht zwangsläufig, dass man alle drei römischen Legionen zuvor in eine Mitte trieb, wo man sie dann komplett einkreiste, umzingelte und folglich einschloss. Da im visionären Triumphzug des Ovid nur die Großen des germanischen Widerstandes vorgeführt wurden, muss dieser besagte „Treulose“ also auch wenn man ihn in der Mehrzahl betrachtet, eine wichtige Funktion im Zusammenhang mit dem Hinterhalt, also mit dem „Einschluss der Unsrigen“ gehabt haben. Er war demnach der Mann oder einer der Männer, der die Falle stellte, in der dann „die Unsrigen“ eingeschlossen wurden. Die Falle bzw. der Hinterhalt, den sich die Germanen für Varus ausdachten war jedoch in der Topographie des Nethegau keine Sackgasse oder gar ein Canyon der unvermittelt vor einer hohen Felswand endete. Es war schlicht und einfach nur der Marschweg bis hin zu den vermeintlichen Aufrührern. Germanische Rebellen wie sie von Arminius „an die Wand“ gemalt wurden, die sie auch waren aber anders, als man sie Varus dargestellte und wie er sie sich vorgestellt hatte. Germanen nämlich, die sie schon auf dem Weg ins Aufrührergebiet in ihren Verstecken erwarteten und sich später da konzentrierten, wo man Varus und den Legionen das Zentrum der Aufrührer als Falschmeldung vorgegaukelt hatte und wo das Gerichtslager errichtet werden sollte. Und aus nichts anderem bestand auch der germanische Hinterhalt. Varus nahm die Aufforderung siegessicher an, die Aufrührer dort aufzusuchen, wo sie sich scharten. Und nicht nur dort scharrten sie bereits wahrlich schon ungeduldig mit den Füßen, sondern in alle Gauen der Region. Abtrünnige eines entfernten Stammes die es nun von ihm zu befrieden galt, bei denen es etwas zu schlichten gab, wo er notfalls kämpfen musste, wo es was abzuurteilen gab und wo sein Richterspruch über „Richtig oder Falsch“ über ihre zukünftige Handlungsweise entscheiden sollte. Alles war Varus solange recht, wie sie Ruhe gaben, das Imperium nicht schädigen würden, seine Absichten in Ostwestfalen nicht durchkreuzten und seinen Rückzug an den Rhein nicht zu lange aufhalten würden. Dieser schmale und lange, mal sumpfig morastige, mal bewaldete, mal sandige, mal verstellte und mal lehmige Weg war auf die ersten Kilometer Wegstrecke bestenfalls noch ein Spurweg, aber so sehen Hinterhalte aus. Denn derartige Hinterhalte sind für fremde Truppenverbände in noch dazu unbekanntem Terrain nicht auszumachen. Der Hinweis „unbekanntes Terrain“ verdeutlicht uns ebenfalls, dass sich das Schlachtgebiet weit ab von den sonstigen Routen der Römer, sich also nicht in unmittelbarer Nähe zum römischen Hauptquartier an der Weser befunden haben kann. Folglich in einem noch nicht eroberten Gebiet bei vertragslosen Stämmen. Wohin führte man sie also. Die Germanen entschieden über die Zugrichtung, nur sie wussten wo galt es die richtigen Abzweigungen zu erkennen oder einem anderen Weg folgen zu müssen und wo sich ein Bach am Besten überwinden oder eine Sumpfzone am Schnellstes umfahren ließ . Immer waren sie wie Blinde auf jene „treulosen“ Germanen angewiesen die sie auf ihrem Marsch in den Untergang begleiteten. Und solange man den Legionen den Weg wies, wähnten diese sich auch auf dem direkten Weg zu den Verschwörern und warteten auf Arminius der sie in Kürze einholen wollte. Die berittenen Legionäre des N. Vala werden in der Spitzengruppe und immer auf Tuchfühlung zu den germanischen Wege kundigen geritten sein. Ihnen standen die „treulosen“ Germanen Auge in Auge gegenüber, die sich bewegungslos in ihrer Mimik nichts anmerken ließen. Seine Schwadronen hatten diese germanischen Verräter unmittelbar an ihrer Seite und ahnten nichts von alledem. Aus diesen Germanen setzen sich jene zusammen, die Ovid später unter dem Begriff des „Treulosen“ zusammen fasste, jene die die „Unsrigen einschlossen“. Die die den Inbegriff von Verräterschaft, Betrug, Eid- und Vertragsbruch verkörperten. Das es mehreren Manövern bedurfte, Legionen einzuschließen, war letztlich das Werk hunderter oder mehr Germanen die die Strecke säumten, vor ihnen auftauchten und ihre Wege versperrten. Diesen einen Germanen mehr symbolisch als „den Treulosen“ aus der Menge der gegnerischen Germanen heraus zu greifen und vom römischen Pleb erkennen zu lassen, kann dem dichterischen Talent von Ovid zugeschrieben werden. Für mich war es eine Gruppe Germanen und kein einzelner „Treuloser“. Es waren ausgewählte Männer, die auf Anweisung von Arminius am zweiten Marschtag gemeinsam mit Varus das Marschlager Brakel in Richtung Süden verließen und ihnen als Wegbegleiter zur Seite gestellt wurden. Diese Gruppe hatte zweifellos eine der wichtigsten Funktionen im Verlauf der gesamten Schlacht inne. Denn sie mussten den Hinterhalt einfädeln und die Falle schnappen lassen. Daher nannte Ovid für sie auch stellvertretend eine besonders heraus ragende Person nämlich den „Treulosen“ um an ihm das besondere an der germanischen Strategie und Perfidität von Hinterhalt und Niederlage festzumachen. Dieser Gruppe „Treuloser“ stand die entscheidende Aufgabe zu die drei Legionen in ihren Untergang bzw. in den Hinterhalt zu führen sie einzuschießen um sich dann kurz vor Beginn der ersten Kampfhandlungen abzusondern, sich zurück fallen zu lassen und die Fronten zu wechseln. Sie sorgten dafür, dass Varus den richtigen Weg zu den Aufrührern einschlug und dabei nicht vom Weg abkam. „Er“ war der gesuchte Anführer einer Gruppe, den Arminius den Kampflegionen nach dem Verlassen des Marschlagers Brakel mit gab. Seine im Ovid Gedicht personifizierte Existenz beantwortet mir auch die Frage, woher die drei Legionen wussten, in welche Region sie zu marschieren hatten, denn das war bislang auch immer eine der großen Argumentationslücke, wenn man die Varusschlacht rekonstruieren wollte. Und nur Germanen den Arminius besonders vertraute werden die Aufgabe des Geleitpersonals übernommen haben. Dieser Abschnitt meiner Verlaufsanalyse hatte bis dato eine Schwachstelle, der ich bislang spekulative Gründe entgegen setzen musste. Ovid half mir nun mit seinem Hinweis, dass es da wohl einen „Treulosen“ gab, der die Römer einschloss, womit sich die besagte Lücke schließen ließ. Denn schließlich mussten sich die Legionen auf eine ganz bestimmte Landmarke zu bewegen die sie nicht von selbst hätten finden können, da sie sich nicht auskannten. Ein Gebiet, das die Germanen vorher geschickt ausgewählt hatten und wo man ihnen möglicherweise sogar schon einen geeigneten Platz für die Errichtung des römischen Gerichtslagers vorgeschlagen hatte. Ein leicht erhöhtes Plateau oder einen Höhenrücken nahe eines Bachlaufes und unweit des fiktiven zentralen Siedlungsortes der Aufrührer aber inmitten einer unwirtlichen Landschaft die nur den Germanen entgegen kam. Eine Landschaft passend für die germanischen Vorstellungen und zugeschnitten auf ihre Angriffsabsichten. Das Lager lag in einer topographischen Übergangszone. Nördlich in Richtung Brakel war diese über die Hegge noch von Wald bedeckt und südlich ging sie ins Offenland der Warburger Börde über. Genau so wie es uns auch etwa 200 Jahre nach der Schlacht Cassius Dio beschrieb. Dieses Detail aus dem Gedicht von Ovid wird so zu einem Meilenstein in der Varusschlachtforschung und hilft möglicherweise wichtige Beweislücken zu schließen. Aber gehen wir einen Schritt weiter und betrachten wieder Hyginus den vermeintlichen römischen Bibliotekar und Quellautor nachdem er die Depesche aus dem Römerkastell südwestlich des heutigen Xanten bekam. Hyginus wusste demnach also schon einiges, nämlich sowohl vom Vorhandensein eines germanischen Hinterhaltes, als auch von der Existenz eines oder mehrerer Wege kundiger Germanen sowie eines blutrünstigen Priesters, so dass sein Bericht an Kaiser Augustus schon recht umfänglich ausfiel. Woher hätte Ovid, der seit 8 + in Constanta "schmorte" dieses Wissen auch sonst gehabt haben sollen, wenn nicht von einem Mann wie Hyginus. Und sein Informant wiederum konnte niemand anderes gewesen sein als Asprenas, der alles erst dem Kaiser per Kurier mitgeteilt hatte. Als der germanische Geleittrupp die Legionen ins Verderben führte, befand sich wie dargestellt auch noch die Kavallerie von N. Vala im Marschzug und konnte dazu später Bericht erstatten. Fast man es zusammen, so musste die Depesche an den Kaiser inhaltlich schon sehr detailliert ausgefallen sein und war beileibe nicht, wie ich anfänglich annahm, mehr im Telegrammstil abgefasst worden und klingt eher schon wie ein relativ guter militärischer Bericht über den gesamten Hergang der Schlacht. Ovid hinterlässt uns aber noch einen weiteren versteckten und rätselhaften Hinweis. So erging es ihm ähnlich wie später Florus, der auf seine Weise über das Schlachtgeschehen berichtete. Denn auch Florus war kein Historiker sondern auch ein Dichter wie Ovid und beide mussten sich „post mortem“ deswegen diverse Anzüglichkeiten gefallen lassen. Beide hatten sie daher schlechte Karten, wenn sie vor den kritischen Augen der Wissenschaft bestehen wollen. So fanden auch die Hinweise von Ovid nie die genügende Anerkennung und Bewertung um sie interpretieren zu wollen. Denn wenn Ovid schreibt „Hier der See und hier die Berge“, so wollte er damit vermutlich die maritime vom Mittelmeer geprägte Strukur und die alpine Geographie des römischen Weltreiches von der, der Magna Germania abgrenzen. Den Kontrast aber auch die Lokalisierung offenbart er noch zusätzlich mit den folgenden Worten. „Dort, (also in Germanien) die vielen Burgen, die von wildem Morden mit Blut angefüllt waren“. Entziehen wir seinen Worten das dichterische Talent, so werden wir schnell fündig. Wir erfahren nämlich auch bereits von Ovid, dass sich nicht nur die Schlachten des Drusus schon bei Arbalo im Lande „der Burgen“ ereigneten, sondern in diesem Zusammenhang auch, dass sich dort die Varusschlacht ereignete. Wir sprechen also schon zu Ovid`s Zeiten erstmals von einem „Land der vielen Burgen“ also der Mehrzahl und dieser Hinweis lässt sich wie kaum ein anderer mit der späteren Überlieferung aus der Feder von Tacitus nämlich dem „Teutoburgiensi saltu“ in Verbindung bringen. Ovid beantwortet damit auch die Frage, ob sich die Worte „Teutoburgiensi saltu“ nun auf die Ein- oder die Mehrzahl beziehen würden, in dem er von vielen Burgen und nicht von einer einzigen Burg schreibt. Man kann nun den Eindruck gewinnen, dass Tacitus, neben der Erwähnung des opfernden Priesters in Gestalt der beschriebenen Opferungen in den heiligen Hainen und den Burgen in der Mehrzahl gesprochen auf ältere Aufzeichnungen zurück griff und aus denen Angaben hervor gingen, die mit dem Wissen des Ovid deckungsgleich waren. Tacitus las also rund hundert Jahre später das, was auch Ovid zur Verfügung gestanden haben könnte. Aber wo wurde Cassius Dio fündig, denn er wusste mehr zu berichten. Das nun der gesamte Osning Kamm von Wallburgen gekrönt war, lässt sich nicht leugnen. Diese Region also das Land der Teutoburgen zu nennen liegt somit folglich auf der Hand und Tacitus könnte also wie geschlussfolgert auch dies erstmals bei Ovid gelesen und verwendet haben, er könnte es aber auch schon der vorgeschalteten Quelle „Hyginus“ entnommen haben. Aber damit nicht genug, denn diese Burgen waren auch noch angefüllt mit dem Blut aus wildem Morden. Was nichts anderes bedeutet, als dass sich die schrecklichen Szenen der Schlacht oder auch das Abschlachten der Legionäre nach der Schlacht in eben jenen Wallburgen ereignet haben könnte. Innerhalb der Wallburgen und in deren Umfeld könnten also auch die späteren Hinrichtungen erfolgt sein und die dafür nötigen Altäre gestanden haben. Zwei dieser möglicherweise mörderischen Wallburg artigen Anlagen dürften wir in der „Alte Burg“ und der „Behmburg“ also der später in Karlsschanze umgetauften Festung erkannt haben. Ovid beschreibt uns wie sich die gefangenen Germanen im Triumphzug verhielten, in welchem Bezug sie zu Ostwestfalen standen, nämlich über den Feldherrn Drusus, das sich in dieser Region zahlreiche Burgen - oder Befestigungsanlagen befanden, das die Kämpfe sie mit Blut anschwillen ließen und das unter den Germanen der Drahtzieher des Hinterhaltes mit lief. Ovid hat uns die Augen etwas geöffnet und wir konnten uns mit seiner Hilfe ein Bild über den frühesten Kenntnisstand in Rom über die Varusschlacht machen. Segestes spielte in dieser frühen Phase noch keine historische Rolle, sein Name war zu Ovid`s Zeiten in Rom noch unbekannt und was seinen Verrat am Segimerclan oder seine Warnung oder Warnungen Varus gegenüber anbelangte war auch dieses noch nicht bis in die Hauptstadt vorgedrungen. Aber seine Zeit sollte noch kommen, denn die Historiker die auf den Astronomen Manilius und den Dichter Ovid folgten, zerrten den Cheruskerfürsten Segestes aufgrund seines Verhaltens geradezu in den Lichtkegel der Geschichte. Seine Gestalt nimmt exakt von dem Moment konkrete Formen an, wie er im Jahre 0017 die zweifelhafte Ehre genoss zwar als Freund des Imperiums zu gelten, trotzdem aber mit jenen Germanen den Triumphzug bereichern durfte, die Germanicus während seiner Kriegszüge in Germanien vermutlich wahllos gefangen nahm um in Rom etwas vorweisen zu können. Wer wollte da noch dem Dichter Ovid sein tieferes Wissen absprechen, über das er seine Prosa stülpte. Ovid erscheint mir wie eine unterschätzte Quelle. Ein Dichter der uns mehr sagte, als es auf den ersten Blick auffällt. Ihm nur den letzten Platz am äußersten Rande der Varusschlacht Peripherie zubilligen zu wollen, würde ihm nicht gerecht werden. Und einzig in den vielen literarischen Quellen darauf hinzuweisen, dass es Ovid war, der als Erster etwas über sie verschriftete greift zu kurz.(14.09.2019)

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Donnerstag, 12. September 2019
Der „Triumphzug“ Traum des Ovid sollte zur Realität werden.
Mit Bezug auf die Varusschlacht lassen sich in den auf sie folgenden Jahren zwei römische Triumphzüge den antiken Schriften entnehmen. Den Zug, den der Dichter Ovid in seinen „Tristien“ in den Jahren 10 + bis 12 + für Kaiser Augustus nur ersann und den, den Kaiser Tiberius im Jahre 17 + für Germanicus real ausrichtete. Dazwischen lagen maximal sieben Jahre. Aber thematisch und inhaltlich sind sie stark miteinander verzahnt, erscheinen uns so, als ob sie sich ergänzen würden, oder gar identisch sind und könnten sogar verwechselt werden. Sie verdienen daher eine besondere Aufmerksamkeit und vergleichende Betrachtung. Bevor ich mich mit dem Ersteren, nämlich dem fiktiven Triumphzug des Ovid näher beschäftige, müssen erst die irritierenden Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden, die uns der Triumphzug des Jahres 17 + in dem Segestes in Rom seinen spektakulären Auftritt hatte, in den Weg gelegt hat. Die Enthüllungen des Ovid aus seinen „Tristien“ über die Varusschlacht aus denen sich interessante Erkenntnisse und Details für die Forschung heraus filtern und ableiten lassen, müssen also noch ein Kapitel warten. Publius Ovidius Naso kurz Ovid genannt komponierte seine Trauerverse die „Tristien“ sowie die darauf folgenden „Epistulae ex Ponto“ seinerzeit aus der Verbannung heraus. Vom kaiserlichen Edikt des Reiches verwiesen zu werden, erfuhr er auf der Insel Elba. Und er musste die Verbannung unverzüglich antreten, denn der Kaiser gewährte ihm nur 14 Tage um sein Haus in Rom zu räumen. Die Insel liegt rund 10 Kilometer vor dem italienischen Festland und etwa 200 Kilometer nördlich von Rom. Betrachtet man die Distanzen und Reisezeiten, so war es für ihn nach damaligen Maßstäben unmöglich diese Frist einzuhalten. Es war also ein äußerst drastischer Befehl aus dem Munde des Kaisers, dem er zu folgen hatte, aber Wiederaufnahmeverfahren gegen kaiserliche Verbannungsurteile waren im Imperium nicht vorgesehen. So wählte er einen anderen Weg. Denn er bemühte er sich nun in seine „Tristien“ all das zu legen was er für geeignet hielt, um den Kaiser noch mal von seiner Entscheidung abzubringen und ihn umzustimmen. Ovid begann sicherlich schon sehr früh damit Überlegungen anzustellen, wie er dieses kaiserliche Gottesurteil noch einmal abwenden konnte. Vielleicht begann er sogar schon im Jahre 8 + und das möglicherweise bereits auf der Fahrt nach Constanta damit, an seinen „Tristien“zu arbeiten. In der Anfangsphase als er noch unter Schock stand hatte er sicherlich noch kein klares Konzept und auch arge Mühe auf gedanklichen Weg den geeigneten Einstieg in seine Ferse zu finden, denn auf die Idee seinen Wunsch poetisch zu formulieren muss man erst mal kommen. Es werden ihm manche Überlegungen durch den Kopf gegangen sein, die er später in seinen Metamorphosen verarbeitete. Aber nach dem er wie ich annehme von Hyginus die nieder schmetternde Nachricht vom Ausgang der Varusschlacht im Jahre 9 + erhielt, wehte in seine „Tristien“ an denen er bis 12 + schrieb frischer Wind und verleite seinem Werk inhaltlich den nötigen neuen Schub. Ausgestattet mit diesem Schwung fiel ihm die Formulierung seiner „Tristien“ etwas leichter, denn nun bekamen sie auch die nötige und wichtige zeitgeschichtliche Substanz und einen Bezug mit greifbarer Dimension. So brauchte er als Basis nicht mehr nur seine reine Dichtkunst in die Waagschale werfen. Denn nun erst öffnete sich für ihn eine konkrete Tür die er nutzen musste und die sich im übertragenen Sinne inhaltlich gut in seine „Tristien“ einbauen ließ. Und die die kritische Seelenstimmung in der sich Kaiser Augustus nach dem Varusdebakel befand, bot sich dafür ausgezeichnet an. Er entwickelte daraus eine geeignete Strategie und versuchte nun die triste Laune des Kaiser mit allen Mitteln aufzuhellen und dabei seine Gedanken wieder auf sich zu ziehen. Kaiser Augustus regierte das Imperium bis zu seinem Tod im Jahre 14 + und nur er der Kaiser konnte auch die über ihn verhängte Verbannung letztlich wieder zurück nehmen, wenn er dies für angemessen hielt. Man könnte daraus schließen, das die „Tristien“ in ihren wesentlichen Bestandteilen Rom auch erst erreichten nach dem Ovid die Ereignisse der Varusschlacht darin verarbeitet oder besser ausgedrückt versteckt hatte. Ovid nutzte also die wahren und für den Kaiser und das Reich bitteren Ereignisse wie sie sich auf dem Schlachtfeld in Ostwestfalen zutrugen für seine Pläne und entwarf darauf basierend sein ureigenes futuristisches Szenario. So nahm er einen späteren furiosen Sieg der römischen Legionen über die germanischen Varusbezwinger und Widersacher des Kaisers vorweg um dann sogar noch einen Schritt weiter zu gehen. Er gestaltete nämlich zu alledem noch einen imaginären und pompös gestalteten Triumphzug in dem die nieder geschlagenen und im Krieg gefangenen genommenen Germanenhäupter mit hängenden Köpfen in Rom mit marschieren ließ. Einen Zug der Geschundenen den er selbst erfand, der also nur auf seinen Phantasien beruhte. So erträumte er, besser gesagt erdichtete er exklusiv für Kaiser Augustus die pure Vision eines nie statt gefundenen Triumphzuges. Seine Wünsche gipfelten sogar in der Art, als dass er der Wahnvorstellung erlag, der Kaiser habe nun für immer und ewig Germanien erobert, als er in der Sprache der Übersetzung die Worte hinterließ "Nun ist das wilde Germanien wohl den Caesaren erlegen, hat, wie die übrige Welt, endlich die Knie gebeugt“. In der Reihenfolge gesprochen. Rom rächte die Varusniederlage, alle Bösewichter wurden gefangen, nach Rom geschafft und fortan hatte Kaiser Augustus seinen Seelenfrieden wieder gefunden. Für den Kaiser eine äußerst angenehme Vision, wäre sie denn nur schon zur Realität geworden. Darin verbirgt sich aber auch noch ein anderer Hinweis. Denn wenn Ovid bereits das Ende aller germanischen Eigenständigkeit verkündete, so konnte er auch noch nichts von der „Kapitulation“ Roms gewusst haben. Nämlich das Einknicken schon vor dem Erreichen des Endziel einer germanischer Rückeroberung. Kaiser Tiberius hatte bekanntlich im Jahre 16 + nach den unbefriedigenden Germanicus Kriegen das Ende der Germanenkriege befohlen. Diese Nachricht hatte Ovid also noch nicht erreicht, folglich mussten seine „Tristien“ auch wie man aus mehrfacher Hinsicht annimmt, davor verfasst worden sein, nämlich bereits bis zum besagten Jahr 12 +. Aber es war sein innigster Wunsch, dass Kaiser Augustus seine Verbannung aufheben möge. Aber selbst Tiberius der ihm 14 + nach seinem Tod auf den Kaiserthron nachfolgte, hob die Verbannung gegen ihn nicht auf. Was aber den erfundenen Triumphzug innerhalb seiner „Tristien“ auch pikant macht ist die Tatsache, dass es nur wenige Jahre später und genau in dem Jahr in dem Ovid verstarb noch zu einem „realen“ Triumphzug in Rom kommen sollte. Und hier meine ich den von Kaiser Tiberius für den Feldherrn Germanicus ausgerichteten Triumphzug des Jahres 17 + der uns vom griechischen Geschichtsschreiber Strabo samt Namensnennung überliefert wurde. Der Familie des Segestes und anderen Germanen stand in diesem Jahr die wohl eher zweifelhafte Ehre zu, die Rolle der besiegten Germanen im palatinischen Schaulauf übernehmen zu müssen. Beschäftigt man sich nicht sehr tief greifend mit der antiken Literatur und was sie so über die Varusschlacht zu berichten hat, so könnte man schnell dem Trugschluss unterliegen und annehmen, dass es sich um ein und den selben Triumphzug gehandelt haben könnte. Nämlich dem, der nur den Phantasien des Dichters Ovid in seiner mißlichen Lage entsprang und dem, den uns der Geschichtsschreiber Strabo überlieferte. Aber dem war natürlich mitnichten so, denn der Triumphzug den uns Strabo beschrieb fand im Gegensatz zu dem des Dichters Ovid auch in der Realität statt und ihn konnte Ovid definitiv nicht voraus gesehen, geschweige denn gemeint haben. Ovid schrieb seinen erdachten Triumphzug nur für Kaiser Augustus, der aber lebte im Jahre 17 + schon drei Jahre nicht mehr und nicht um damit den auf ihn folgenden Kaiser Tiberius davon zu überzeugen, er möge doch die Verbannung gegen ihn aufheben. Natürlich setzte er auch unter Kaiser Tiberius seine Bemühungen fort zurück kommen zu dürfen, wie es aus den „Epistuale ex Ponto“ der Jahre 14 + bis 17 + hervor geht. Aber nur noch mal zur Orientierung, denn in dem gleichen Jahr als die Großfamilie des Segestes am 26. Mai 0017 vor Kaiser Tiberius die Schmach in einem Triumphzug vorgeführt zu werden über sich ergehen lassen musste, nämlich im Jahr 17 + verstarb auch der Dichter Ovid im abgelegenen Constanta. Das auf seinen fiktiven Triumphzug dann tatsächlich auch noch dieser reale Triumphzug folgen würde, bei dem man in Rom Gefangene oder wohl eher jene Germanen die sich 15 + freiwillig in die römische Obhut begeben hatten um spektakulär vorführt zu werden, konnte Ovid in den Jahren zwischen 8 + und 12 + noch nicht erahnen, denn da war man noch weit von diesen Ereignissen entfernt. Es geschah in der Realität zwar nur wenige Jahre nach seiner „Tristien“ Endfassung, fand aber unter völlig anderen Voraussetzungen und auch unter einem jeweils anderen römischen Kaiser statt. So hätte Ovid schon zum Hellseher werden müssen, um den Triumphzug des Jahres 17 + voraus sehen zu können. Aber er konnte in seiner Zeit definitiv nicht ahnen, was einem Germanicus in Germanien noch so alles an germanischem Widerstand entgegen gesetzt würde und erst recht nicht, dass man ihm für dieses Resultat sogar noch einen glorreichen Triumph zugestehen würde. Denn bekanntlich gelang es ihm nicht die Rückeroberung Zentralgermaniens zwischen 14 + und 16 + zu einem dauerhaften und erfolgreichen Ende zu führen. So haben wir es in der Tat mit zwei völlig gegensätzlichen Triumphzügen zu tun. Nämlich dem, der nur der besagten Fiktion entsprang und der für immer seinen Platz nur im Wunschdenken des Dichters Ovid haben sollte und das reale Ereignis, das im Jahre 17 + statt fand. Nach dem dies unstrittig sein dürfte, möchte ich meiner Vorgehensweise treu bleiben und noch in andere Richtungen nach identitären Verbindungen Ausschau halten. So werden bei genauerer Analyse auch noch weitere Unterschiede zwischen dem erdachtem und dem realem Triumphzug deutlich. Denn sie liegen in der jeweiligen personellen Besetzung der an den Zügen teil nehmenden Germanen. Denn die zu Ehren von Feldherr Germanicus am 26. Mai des Jahres 0017 in Rom freiwillig im pompös inszenierten Triumphzug mit marschierenden und teilweise auch unter Zwang vorgeführten Germanen aus dem Segestes Clan waren nicht einmal im Ansatz mit den Menschen vergleichbar, wie sie uns Ovid für seinen Triumphzug genüsslich erdachte und beschrieb. Dies liefert uns ein zusätzliches Gegenargument womit sich belegen lässt, dass Ovid sich wie auch immer sogar noch im Jahr seines eigenen Todes am Germanicus Feldzug für seine „Tristia“ zumindest orientiert haben könnte. Zum anderen ist es fraglich, ob Ovid an der fernen Schwarzmeerküste von dieser erst am 26.5.0017 in Rom statt gefundenen imperialen Großveranstaltung überhaupt noch etwas erfuhr, also noch gelebt hat. Die Nachricht des Triumphzuges für Germanicus in dem unter anderem auch Segestes mitgeführt wurde, könnte das ferne Constanta etwa im Spätsommer 17 + erreicht haben, also immerhin acht Jahre nach der Varusschlacht. Viel Zeit zum Schreiben wäre ihm danach nicht mehr geblieben. Denn Ovid war im Jahre 17 + um die 60 Jahre alt und könnte theoretisch auch schon zum Zeitpunkt der Veranstaltung nicht mehr gelebt haben. Ovid brauchte auch nicht das Grundwissen, um den Ablauf eines Triumphzug beschreiben zu können, denn Triumphzüge für verdiente römische Feldherren und ähnliche Darbietungen waren auch zu den Zeiten als er noch in Rom das Leben genießen durfte nicht unüblich. Seine Klagelieder sollten nur Kaiser Augustus weich stimmen, aber der starb bereits am 19. August 0014. Folglich sollte damit jeglicher Bezug zum Siegeszug des Germanicus am 26. Mai. 0017 obsolet sein. Und bekanntlich holte ihn auch der spätere Kaiser Tiberius nicht mehr nach Rom zurück, denn auch er ließ ihn am schwarzen Meer bis zu seinem Tod darben, wo er allerdings als Ehrenbürger verstorben sein soll. Das Ovid im Rahmen einer „BIMILLENIUM“ Veranstaltung „2017 OVID UND EUROPA“ post mortem noch eine europaweite Ehrung erfahren sollte, konnte er schließlich auch nicht ahnen. Aber seine nur auf Hoffnungen beruhenden Wunschträume reichten letztlich auch aus um in ihm auch einen Vater der europäischen Kultur zu sehen. Die Schilderungen die uns Ovid in seinem sozusagen improvisierten huldigendem Triumphzug vermittelt, können wir also guten Gewissens unabhängig von jenem des Jahres 17 + betrachten und völlig davon abkoppeln. Und auch die aktuelle, also moderne Geschichtsschreibung geht davon aus, dass Ovid seine Klagebriefe in denen er sich auf die Varusschlacht bezog bereits in der Zeit zwischen den Jahren 8 + und 12 + verfasste, also noch lange bevor der Triumphzug mit Segestes dem Römerfreund durch die Straßen von Rom zog. In dieser Phase zwischen 8 + und 12 + konnte Ovid in Constanta zudem auch noch nicht einmal etwas von den Planungen eines Triumphzuges für Germanicus geschweige denn, den darin mitgeführten Personen gewusst haben, denn da lag etwas derartiges noch in ferner Zukunft. Auf die „Tristien“ die zwischen 8 + und 12 + entstanden und die in Abschnitt III. 12, 45 – 48 die Bezüge zur Varusschlacht enthielten, folgten die „Epistulae ex Ponto“ eine Sammlung von 46 Briefen die Ovid in der Zeit danach von 12 + bis 17 + nieder schrieb. Darin erscheint nun auch der Name des Feldherrn Germanicus, der uns wieder einen Hinweis nach Ostwestfalen gestattet. Ob er sich über seinen im Zuge der Germanenkriege gewachsenen Einfluss im Kaiserhaus noch seine Rückkehrwünsche zu erfüllen hoffte ist denkbar. Man könnte darin aber auch einen letzten Versuch folglich eine Art Akt der Verzweiflung sehen, denn er verstarb im Jahre 17 +. Wir entnehmen seinen Schriften also eine starke Fixierung in den germanischen Raum und explizit auf Ostwestfalen, suchen aber in seinen lyrischen Versen den Namen der Person des Segestes vergeblich. Aber nicht nur Segestes war für den Dichter Ovid noch keine feste Größe, denn man muss annehmen, dass er von seiner Existenz möglicherweise noch nicht einmal etwas gewusst hat, weil auch Hyginus ihn noch nicht kannte. Zumindest zu dem Zeitpunkt, als er seine „Tristia“ dichtete in der er den nicht statt gefundenen Trauerzug der Germanen in Rom beschrieb. Ob er den Namen Segestes kannte, als er Germanicus in seinen „Epistulae ex Ponto“ in seinen Schriftverkehr mit einbezog ist allerdings denkbar aber nicht zu belegen. Das galt auch für die anderen im Germanicus Triumphzug darin allerdings „real“ mitgeführten germanischen Männer plus Thusnelda, denn diese dürften auch alle namentlich noch gar nicht bis zu Ovid ins heutige Rumänien durchgedrungen sein und sind auch nicht in seine „Tristien“ eingeflossen. Aber ich möchte wie immer keine Sichtweise außer acht lassen und da berührt uns ganz besonders seine Phantasie die er anstrengte um den leidenden Germanen im Triumphzug die angemessene gequälte Ausstrahlung zu verleihen. Wie also hat Ovid das Verhalten seiner fiktiven Protagonisten im Triumphzug dichterisch umschrieben und beschrieben und was hat er auf und für sie gedichtet. Wie also hat er die von ihm in Szene gesetzten Personen dargestellt um über ihre Erniedrigung die gekränkte römische Seele zu heilen. Was hat er inhaltlich über sie verlauten lassen, wie entstanden seine Ideen, wodurch wurden sie gespeist und wie hat er das Geschehen im Trubel der Massen um sie herum beschrieben. Ich möchte darauf noch zurück kommen. Aber schnell wird deutlich, dass die von Ovid im Gedicht zum Leben erweckten Personen mit jenen Menschen und deren Charakteren nicht vergleichbar, geschweige denn identisch sind, die an der großen „Show - Veranstaltung“ am 26. Mai 0017 für Germanicus zu dessen Huldigung gezwungen und genötigt waren teilzunehmen, als schon Tiberius der neue Kaiser in Rom war. Alles konnte Ovid dienlich sein um sich auf dichterische Weise wieder an seine alte Wirkungsstätte zurück zu kämpfen, aber der Triumphzug des Jahres 0017 lag seiner Zeit voraus. Sich also wieder seinen alten gesellschaftlichen Platz in Rom zurück zu erobern entsprang seinen irrealen Visionen und dem Wunschdenken eines im Jahre 8 + in die Verbannung Entlassenen. Das andere war ein reales historisch unstrittig statt gefundenes Ereignis. Ovid wuchs in der „Pax Romana“ auf, war sicherlich auch Patriot und wird sich vielleicht sogar auch selbst erträumt oder erwünscht haben, dass sich das Imperium nicht mit der Niederlage am Eggegebirgsrand abfindet, sich verlorenes Terrain zurück erkämpft und die vertragsbrüchigen irgendwann zur Rechenschaft ziehen würde. Triumphzüge hatten in der römischen Geschichte eine lange Tradition, die bis zu Romulus zurück reicht. So war es für Ovid kein Quantensprung sich einen Triumphzug vorzustellen, an dem dann hoffentlich in Bälde auch jene Cherusker vorgeführt würden, die die Vernichtung der Varuslegionen herbei geführt hatten. Am Triumphzug des Jahres 17 + und auch bei keinen anderen römischen Triumphzügen ließen sich Arminius und die anderen germanischen Drahtzieher der Varusschlacht zum Leidwesen des ganzen Imperiums und insbesondere des Germanicus vorführen. Denn die dafür verantwortlichen Germanenoberhäupter entzogen sich für alle Zeiten der römischen Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit, indem sie sich der Gefangennahme lebenslang erfolgreich widersetzen konnten. Ihnen gelang es auf freiem Fuße zu bleiben und Germanicus musste für seinen heroischen Triumphzug im Jahre 17 + auf die zweite Besetzung, sozusagen eine „B – Elf“ ausweichen. (12.09.2019)

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